Raum 15:
Neue historische Kräfte - Ministeriale und Bürger
Im Lauf des
11. Jahrhunderts tritt verstärkt eine Bevölkerungsgruppe in die
Politik ein, die als Ministeriale, als Dienstleute, bezeichnet
wird. Sie gehören nach altfränkischer Tradition zum unfreien Gesinde
des Herrn und werden in den Quellen als servientes. Dienende,
oder ministeriales, Dienstleute, oft aber auch einfach als de
familia oder de domo, zur Familie oder zum Haus gehörend, bezeichnet.
Ihre Unfreiheit darf mit der Unfreiheit der Bauern nicht gleichgesetzt
werden, da der Rang ihres Herren auch ihren Rang innerhalb der
ständischen Gliederung erhöht. Ihre Aufgaben innerhalb der hochadligen
Herrschaft reichten von der Verwaltung des Besitzes bis zum Kriegsdienst
im Gefolge des Herrn. Mit dem zunehmenden wirtschaftlichen Aufschwung
im 11. Jahrhundert wurden gerade diese Verwaltungsaufgaben vielfältiger,
der einzelne Ministeriale erhielt einen außerhalb des Sitzes seines
Herrn gelegenen Wohnsitz zugewiesen. Seine Aufgabe war aber weiterhin
die Verwaltung und Sicherung des Besitzes seines Herrn. Daß einzelne
hochgestellte Ministeriale ihren Besitz in den Formen des Lehnrechtes,
des Dienst- und Treueverhältnisses unter Freien also, erhielten,
mag sein, verallgemeinern wird man das für die große Masse der
Ministeria-lität noch nicht dürfen. Immerhin war zunächst die
Erblichkeit dieser Ausstattungsgüter durchzusetzen.
Vitrine l
mit dem Modell der Burg Tcheste de la Rotche (belg. Provinz Luxemburg)
und das freistehende Modell der Niederungsburg Dreieichenhain
zeigen beide den Wohnturm als "klassischen" Typus der Befestigung
im 11. Jahrhundert. Beide Anlagen haben hölzerne Wehrbauten als
Vorgänger, die um die Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert durch
Steinbauten ersetzt wurden. Eine ähnliche, wenngleich wesentlich
bescheidenere Anlage dürfte auch der Abt des Klosters Lorsch zur
Sicherung seines Weinheimer Besitzes als Burg Windeck errichtet
haben - um 1080 vielleicht noch aus Holz.
Das Wandbild mit einem idealtypischen Dorf der Salierzeit zeigt
die bereits vollendete Entwicklung in den Bauten der Grundherrschaft:
Der mini-steriale Ortsherr hat sich, seinem Rang als Diener des
Hochadels gemäß, in den befestigten Wohnturm zurückgezogen, der
die Stelle eines befestigten Hofgutes einnimmt. Dieses Hofgut
als Wirtschaftszentrum der adligen Grundherrschaft wurde ersetzt
durch den Meierhof (am unteren Bildrand), der seiner Bedeutung
entsprechend ebenfalls mit Palisade und Graben bewehrt ist. Das
Dorf selbst ist locker bebaut, die Hofgüter bestehen durchweg
aus mehreren, in ihrer Funktion aufgegliederten Gebäuden.
Das Leuchtbild mit der idealen Stadt im 11. Jahrhundert an der
Wand gegenüber darf in dieser Form nicht als allgemeingültig angesehen
werden. Festzustellen sind mit Ummauerung und Straßenmarkt die
wesentlichen Kennzeichen der Stadt, die diese während der gesamten
Zeit des Mittelalters behält. Befremdend muß die reihenhausartige
Zahl der festen Steinhäuser wirken, die so sicher zu schematisch
dargestellt sind. Steinhäuser waren bis in das späte Mittelalter
hinein etwas so Besonderes, daß sie stets gesondert vermerkt wurden
- sie stellten den Übergang vom "mobilen" Pfosten- bzw. Stabbau
zum "immobilen" Haus dar. Wohntürme dieser Art sind z.B. in Trier
(Frankenturm, Dreikönigenhaus), in Regensburg und Konstanz erhalten.
Die überwiegende Zahl der Häuser in der Stadt waren weiterhin
relativ einfache, aber auch zunehmend aufwendige Holz-, später
Fachwerkbauten.
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