Jürgen Osterhammels „Verwandlung der Welt“ von 2009 gilt als „Meilenstein der deutschsprachigen Geschichtsschreibung“ (Andreas Eckert). Mit über 1600 Seiten ist dies wichtige Werk freilich nicht leicht zugänglich.

Osterhammel hat das selbst am besten gewusst und 2012 in den Informationen zur politischen Bildung Nr. 315 auf 82 Seiten eine sehr stark vereinfachte Version mit Text- und Bildquellen herausgebracht. Dort macht der welthistorische Teil freilich kaum ein Drittel aus und von Osterhammels genialem Neuansatz ist nur noch wenig zu spüren. Dennoch hat er gewiss die richtige Methode gewählt, für Schüler wenigstens erahnbar zu machen, wie Weltgeschichtsschreibung heute aussehen kann. 

Um für uns Kollegen zum einen auf wenigen Seiten das Werk vorzustellen und andererseits aufzuzeigen, wie man Schüler über die Texte aus den Informationen an diesen Neuansatz der Weltgeschichtsschreibung heranführen kann, habe ich einen Wikiartikel „Die Verwandlung der Welt“ angelegt.

Darin stelle ich anhand von Zitaten und kurzen Textausschnitten Osterhammels Werk vor und biete (anhand von kurzen Ausschnitten aus seiner Darstellung für Schüler) Arbeitsaufgaben an, mit deren Hilfe man Verständnis für Osterhammels neue Methode gewinnen kann. 

Damit man aber auch schon aus diesem Blogartikel einen Eindruck von Osterhammels „Meilenstein“ bekommt, stelle ich das Werk hier noch ganz kurz vor:

Osterhammel setzt mit seinem Beispiel für weltgeschichtliche Betrachtung (wie vor ihm Bayly in „Die Geburt der modernen Welt“, 2006) zu einem Zeitpunkt an, wo die Globalisierung schon so weit voran geschritten ist, dass die Menschheitsgeschichte schon starke und mehr und mehr weltweite Wirkungszusammenhänge erkennen lässt.

Dabei vermeidet er es sorgfältig, die Geschichte des 19. Jahrhunderts zu erzählen. Vielmehr geht er sie unter der Überschrift „Annäherungen“ bewusst unter streng ausgewählten Aspekten an: zunächst unter dem des Selbstbildes der Zeit, dann unter dem der Kategorien Zeit und Raum.

Bei der Betrachtung des Selbstbildes und unter dem Zeitaspekt sieht er das 19. Jahrhundert immer in Bezug auf seine charakteristischen Unterschiede zu den früheren Jahrhunderten und auf die Wandlungen, die die Strukturen des 20. Jahrhunderts herbeiführten. Dafür kann der Satz „Vor dem 20. Jahrhundert kann kein einziges Jahr als epochal für die gesamte Menschheit betrachtet werden“ als beispielhaft gelten. Das 19. Jahrhundert wird in die Kontinuität der vorhergehenden Jahrhunderte  gestellt und andererseits deutlich von dem Globalisierungsgrad des 20. abgehoben. 

Das gilt auch für seine Aussagen über den Raum. Sorgfältig achtet er darauf, dass uns geläufige Termini nicht ungeprüft als schon im 19. Jahrhundert gültig verwendet werden:

„Die Sammelbezeichnung ‚Südostasien‘ entstand während des Ersten Weltkriegs in Japan.“ (S.137)

„Die Kategorie des ‚Westens‘ etwa […] findet sich als dominante Denkfigur nicht vor den 1890er Jahren.“ (S.143)

„Im langen 19. Jahrhundert war viel häufiger als vom ‚Westen‘ von der ‚zivilisierten Welt‘ die Rede. […] In Japan wurde es sogar zum Ziel nationaler Politik, als zivilisiertes Land akzeptiert zu werden.“ (S.144)

Danach gibt Osterhammel unter der Überschrift Panoramen ohne Vollständigkeitsanspruch einen Überblick über acht große Wirklichkeitsbereiche, die wesentliche Elemente der Gesamtgeschichte des 19. Jahrhunderts erfassen sollen:

  • Sesshafte und Mobile
  • Lebensstandards
  • Städte
  • Frontiers
  • Imperien und Nationalstaaten
  • Mächtesysteme, Kriege, Internationalismen
  • Revolutionen
  • Staat

Die Panoramen durchaus nicht so klar gegliedert und ähnlich gleichwertig wie die Annäherungen. Vielmehr gibt es große Überschneidungen zwischen Lebensstandards  und Mobilität. Sklavenexport und freiwillige Auswanderung nach den USA sind beides Beispiele für Moblilität. Doch der Sklavenexport warf die Betroffenen in Lebensstandard und Lebensqualität meist auf Generationen zurück. Die Auswanderung wurde meist von Personen der Unterschicht gewählt, die hoffen durften, mittelfristig ihren Lebensstandard zu verbessern, auch wenn sie im Falle der Indentur zwischenzeitlich zu Arbeit ohne (oder zu nur sehr geringem) Lohn verpflichtet waren. 

Kürzer, aber ganz gewiss nicht kurz, fasst er sich zu den zusätzlichen Themen:

  • Energie und Industrie: Wer entfesselte wann und wo Prometheus?
  • Arbeit: Die physischen Grundlagen der Kultur
  • Netze: Reichweite, Dichte, Löcher
  • Hierarchien: Vertikalen im sozialen Raum
  • Wissen: Vermehrung, Verdichtung, Verteilung
  • „Zivilisierung“ und Ausgrenzung
  • Religion

Wenn Ihnen das noch zu abstrakt scheint, schauen Sie mal in den ZUM-Wiki-Artikel „Die Verwandlung der Welt“ hinein. Einiges davon wird Ihnen jetzt schon bekannt vorkommen. Und Sie werden feststellen, dass ich mit einigen Tricks arbeiten musste, um einerseits den Artikel kurz zu halten und andererseits dennoch einen Einblick in Osterhammels methodischen Neuansatz zu ermöglichen. 

Die Arbeit an dem Artikel geht weiter. Jeder, der ihn verbessern und/oder ergänzen möchte, ist herzlich dazu eingeladen. 

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