In diversen Papers zum Thema OER, die zu lesen ich die Gelegenheit und die Zeit hatte, zum Beispiel auch dem jüngsten Papier der KMK, wird der Begriff „Ressource“ (oder Resource?, siehe OER-Logo) etwas beschränkt verwendet.

Es entsteht der Eindruck, als handele es sich bei den angesprochenen Ressourcen (auf Deutsch laut Fremdwörterduden: Produktionsmittel, Hilfsquelle) um Materialien, die zum Download bereit stehen und durch eine besondere Lizenz dem Downloader das Recht auf Benutzung einräumen. 

OER erscheint dadurch als ein Archiv (Repositorium) von Dateien, hauptsächlich in digitalen Formaten, oder als ein Daten-Pool, in den man etwas hineingibt und aus dem sich die Interessenten das Passende herausfischen.
OER als nicht eingehegter Fischteich oder Jagdgrund – sozusagen – und der User als Angler und Jäger!

Es ist dann nur logisch, dass sich hier die Frage von Qualitätssiegeln und zentralen Sammelstellen stellt. Dies vor allem, wenn Kultus-Behörden ins Spiel kommen. Es ist zu erwarten, dass dann ein Hauen und Stechen um Qualitätsstandards und den Status der Zentralstelle entstehen wird. Ebenso um Pfründe, wenn (oder falls) es zur Ausschüttung von Geldern kommt.
Das ist aber ein gedanklicher Rückfall in die Web 1.0-Vorzeit bzw. die Anfänge des Internets.

Unter Ressource muss in Zeiten von Web 2.0 auch verstanden werden

  • eine Idee, die zur individuellen Weiterverarbeitung empfohlen wird, also etwas Unfertiges, 
  • ein Material- oder Textimpuls, der darauf wartet, dass andere daran weiterarbeiten, entsprechend dem Wiki-Prinzip,
  • eine Plattform, mit der sich Arbeits- und Kommunikationssituationen herstellen lassen, die dann zu Lernprozessen führen (EdChat auf Twitter)
  • Tools, mit denen sich kollaborative bzw. kooperative Lernprozesse durchführen lassen (Pads)
  • Lernszenarien, die auf Ausbau- und Veränderbarkeit angelegt sind (Lernpfade)
  • Programm-Angebote, mit denen sich Übungen herstellen und zur Verfügung stellen lassen (Learningapps, Webquest, HotPotatoes)

Der Kern dieser „Ressourcen“ besteht darin, dass sie keine fertigen Produkte sind, die einer endgültigen Bewertung oder Einordnung genügen wollen bzw. können, sondern eher Prozesse und Werkzeuge. Darin besteht aber die kreative Dynamik, die den Unterschied zum traditionellen Schulbuchwesen ausmacht und die wir ja wollen. (Mir sind auch keine Lizenzen bekannt, die auf Tools und Plattformen zutreffen. Aber hier öffnet sich ein juristisches Übungsfeld, auf dem ich nicht zuhause bin.)

Jedenfalls:
1. Ein Qualitätssiegel würde der angesprochenen Dynamik nicht gut tun. Allein schon die Frage, welche Institution und welche Personengruppe nach welchen Standards urteilen soll, führt ins bürokratische Monstrum.
2. Auch eine – noch zu schaffende – zentrale Sammelstelle führt ins Monströse: Das schreit geradezu nach Kultus-Behörden und Bildungsetats – und die Verlage werden sich auch noch einbringen.
3. Und schließlich: Die Sehnsucht nach einem offiziellen Status der Anerkennung und Gleichwertigkeit gefährdet nicht nur die Dynamik, sondern auch die Solidarität in der Edu-Community. Es wird dann nämlich ein Drinnen und ein Draußen geben und ein virtuelles Handgemenge um die OER-Zugehörigkeit ist nicht auszuschließen.

Appell:

  • Führen wir die Diskussion weiter mit dem Ziel, dass möglichst viel Lehrerinnen und Lehrer ihre Ideen und Materialien zur Verfügung stellen und dazu einen angemessenen rechtlichen Rahmen bekommen.
  • Entwickeln wir die Initiativen und Plattformen weiter, die das Erstellen und Verbreiten von „Ressourcen“ (im obigen Sinne) ermöglichen.
  • Bleiben wir selbstbewusst und autonom und kommunikativ – und behalten unsere persönlichen Ressourcen (d.i. Kräftehaushalt) unter Kontrolle.

Zugegeben, das ist ein ziemlich puristischer Appell, der eine Art virtuelles Reinheitsgebot propagiert, aber wir haben schon genug Regelungen und Standardisierung im Bildungsbereich und sind damit nicht unbedingt glücklich und zufrieden.

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