I. Basis-Informationen: Die ICILS Studie
Im vergangenen November wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, in der Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern im internationalen Vergleich ermittelt wurden: International Computer and Information Literacy Study, abgekürzt ICILS 2013.
Getestet wurden SchülerInnen der 8. Klassen in 21 Bildungssystemen aus vier Kontinenten. In Deutschland nahmen teil: 2 225 Schülerinnen und Schüler und 1 386 Lehrpersonen, die in der achten Jahrgangsstufe unterrichten. Neben den Tests kamen auch Fragebögen zum Einsatz. Computer- und informationsbezogene Kompetenzen (ITC-Literacy) werden in der Studie definiert „als individuelle Fähigkeiten einer Person […], die es ihr erlauben, Computer und neue Technologien zum Recherchieren, Gestalten und Kommunizieren von Informationen zu nutzen und diese zu bewerten, um am Leben im häuslichen Umfeld, in der Schule, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft erfolgreich teilzuhaben.“ (S.10). Sie werden als Schlüsselkompetenzen des 21. Jahrhunderts eingeordnet.
Die 5 Kompetenzstufen reichen von „rudimentären, vorwiegend rezeptiven Fertigkeiten und sehr einfachen Anwendungskompetenzen“ (Stufe I) bis zum „sicheren Bewerten und Organisieren selbstständig ermittelter Informationen und Erzeugen von inhaltlich sowie formal anspruchsvollen Informationsprodukten“ (Stufe V) (S. 14).
Den oberen Kompetenzstufen entsprechen die „Autorenaufgaben“: Im Modul Sportprogramm nach der Schule wurden die Schülerinnen und Schüler beispielsweise aufgefordert, ein Poster zu erstellen, um auf ein nachmittägliches Sportprogramm aufmerksam zu machen. Dazu erhielten sie zunächst Details zur Aufgabenbearbeitung, u.a. dazu, welche Inhalte auf dem Poster enthalten sein müssen. (S.51ff)

II. Einige zentrale Ergebnisse:

  • Deutschland liegt mit einem Leistungswert von 525 Punkten über dem internationalen Mittelwert von 500, aber nicht über dem europäischen Vergleichswert. Deutlich darüber liegen Länder wie die Tschechische Republik, Australien, Dänemark, Polen, Norwegen, die Niederlande …
  • Stufenverteilung: „Fast die Hälfte, und damit der größte Anteil der Jugendlichen in Deutschland, befindet sich auf der mittleren Kompetenzstufe III (45.3%). Diese Achtklässlerinnen und Achtklässler sind damit u.a. in der Lage, unter Anleitung Dokumente zu bearbeiten und einfache Informationsprodukte zu erstellen. Etwa 30 Prozent der Schülerinnen und Schüler in Deutschland erzielen Leistungen, die den beiden untersten Kompetenzstufen I und II zugeordnet werden können.“ (16)
  • Schulformen: Achtklässlerinnen und Achtklässler an Gymnasien in Deutschland erreichen durchschnittlich 570 Leistungspunkte und damit eine um 67 Punkte signifikant höhere mittlere Leistung als Jugendliche an anderen Schulformen der Sekundarstufe I (503 Punkte).
  • IT-Ausstattung: Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland besuchen Schulen, in denen das Schüler-Computer-Verhältnis bei 11.5 zu 1 und somit im Bereich des Mittelwerts der an ICILS 2013 teilnehmenden Staaten der EU (11.6:1) liegt, allerdings deutlich höher ausfällt als in ausgewählten ande- ren Ländern, wie z.B. Norwegen (2.4:1). Etwa 40 Prozent der Lehrpersonen in Deutschland, die in der achten Jahrgangsstufe unterrichten, bewerten die vorhandene technische Ausstattung an ihren Schulen als veraltet oder geben an, dass der Internetzugang an der Schule eingeschränkt ist. Nur 6.5 Prozent der Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland besuchen eine Schule, in der Tablets für den Unterricht oder das Lernen in der achten Jahrgangsstufe zur Verfügung stehen. Dieser Anteil ist geringer als der Anteil in der Vergleichsgruppe EU (15.1%) und auch im Vergleich zu anderen Ländern, wie z.B. Australien (63.6%), deutlich geringer. Weiterhin finden sich im Mittel vergleichsweise wenige interaktive Whiteboards in den Fach- bzw. Klassenräumen in Schulen in Deutschland (durchschnittlich 5.5 Whiteboards pro Schule; im Vergleich Dänemark: 20.0; Niederlande: 25.5).
  • IT-Standortkonzepte: In Deutschland ist das Standortkonzept des Computerraums das am weitesten verbreitete Konzept der Bereitstellung von schuleigenen Computern in der Sekundarstufe I (100.0%). Diese Standortlösung wird von vielen Autoren kritisch betrachtet, „da diese einem situationsbezogenen Einsatz digitaler Medien im alltäglichen Unterrichtsgeschehen eher entgegensteht“ (S.150) Demgegenüber sind mobile Endgeräte wie Tablets und Notebooks flexibler einsetzbar und werden in skandinavischen Ländern wie Dänemark oder Norwegen bevorzugt. Die Autoren sehen hier „besondere Entwicklungsbedarfe für Deutschland […], um einerseits hinsichtlich der Lehr- und Lernbedingungen für den Erwerb von computer- und informationsbezogenen Kompetenzen international anschlussfähig zu bleiben und um andererseits modernen Unterricht, der das Potenzial hat, den kompetenten Umgang mit neuen Technologien besser zu unterstützen, zu ermöglichen.“ (S.190)
  • Häufigkeit der Computernutzung: Die Häufigkeit der schulischen Computernutzung in Deutschland ist im internationalen Vergleich unterdurchschnittlich. Nur ein Drittel (34.4%) der Lehrpersonen nutzt regelmäßig (mindestens wöchentlich) Computer im Unterricht, nur 9.1 Prozent täglich. Lehrkräfte bis 49 Jahre nutzen Computer im Unterricht signifikant häufiger als ihre älteren Kolleginnen und Kollegen. Auch die meisten Achtklässlerinnen und Achtklässler in Deutschland berichten nur zu einem vergleichsweise geringen Anteil (31.4%) von einer regelmäßigen Computernutzung in der Schule. Nur 1.6 Prozent berichten von einer täglichen Nutzung.
  • Zu erwähnen wären noch eine Reihe von Ergebnissen, die denen aller PISA-Studien entsprechen: Es gibt signifikante Unterschiede zwischen männlichen und weiblichen Schülern (Mädchen sind besser!), Unterschiede, die im  Zusammenhang mit der sozialer Herkunft der Schüler stehen und schließlich die „Befunde zu herkunftsbedingten Disparitäten“, sprich Migrationshintergrund oder nicht. (vgl. Kapitel VIII – X)

III. Jetzt aber zum für mich interessantesten Befund der Studie:
Anders als in den meisten Teilnehmerländern von ICILS 2013 hat die schulische Computernutzung in Deutschland einen negativen Effekt auf den Kompetenzerwerb der Schülerinnen und Schüler. Auf internationaler Ebene zeigt sich hingegen für fast die Hälfte der Teilnehmerländer, dass die Häufigkeit der schulischen Computernutzung einen positiven Effekt auf das Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler hat.“ (S.225)
Einfacher gesagt: Die Schülerinnen und Schüler in Deutschland werden durch die Art des Medieneinsatzes in der Schule nicht kompetenter, sondern sind kompetent trotz Schule. Unsere Achtklässler schneiden im internationalen Vergleich recht ordentlich ab, aber die Schule kann nichts dafür! Dies mag seine Gründe beim international unterdurchschnittlichen Computereinsatz in deutschen Schulen haben. Es könnte aber auch – so vermuten die Autoren – mit der Unterrichtsgestaltung selbst zusammenhängen:
„Relevant scheint auch die Art und Weise des Computereinsatzes zu sein. Diese erweist sich bisher in Deutschland nicht als förderlich für den Erwerb computer- und informationsbezogener Kompetenzen. Hier zeigen sich möglicherweise Entwicklungsbedarfe auf der Ebene der Unterrichtsentwicklung und der Lehrerbildung.“
Dieser Befund macht offensichtlich die Autoren so ratlos, dass sie dies explizit zum Gegenstand für „weitere Forschungen“ erheben:
„Vor dem Hintergrund, dass eine günstige Ausstattungssituation mit Computern eine höhere Nutzung von Computern im Unterricht mit sich bringt, allerdings die Nutzung einen negativen Effekt auf das Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler aufweist, muss es zukünftig um die Klärung der Frage gehen, wie der Einsatz neuer Technologien in Schulen auch in Deutschland kompetenzförderlich sein kann. Ohne entsprechende IT-Ausstattung sowie eine zeitgemäße Qualifikation von Lehrkräften kann eine kompetenzorientierte Nutzung digitaler Medien im Unterricht […] wahrscheinlich nicht bewerkstelligt werden.“ (S.226)

 

Zitiert wird nach W. Bos u.a. (Hrsg.): ICILS 2013, Waxmann Verlag Münster 2014 – Auf der Verlagsseite www.waxmann.com kann der gesamte „Berichtsband“ (330 Seiten) im PDF-Format heruntergeladen werden.  

 

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