Heinrich Heine: Buch der Lieder - Die Zyklen

1. JUNGE LEIDEN (Gedichte aus den Jahren 1816-21)
  • Traumbilder: >schwarze Romantik<, schauerromantische Themen von Geistern, Wiedergängern aus dem Totenreich, Dämonen, nächtliche Friedhofsfeiern.
  • Lieder: Gefühle und Bilder von enttäuschter Liebe in vielfacher Gestaltung. Überall sieht das lyrische Ich Zeichen von Tücke und Niedertracht, die Grundstimmung ist die Vergeblichkeit der Erfüllung von Liebeswünschen. (Erwartungstäuschung und Stimmungsbruch)
  • Romanzen: Geschichten aus der Vorzeit, Legenden, Sagenhaftes, Magisches, rätselhaft Ver-rücktes.

2. LYRISCHES INTERMEZZO (1821-22)

  • Der Zyklus hat eine Art Handlung, die vom Mai bis in den Winter reicht. Thematisch umkreisen die Gedichte euphorische Liebesgefühle und enttäuschte Liebeshoffnungen
  • Der Ton ist volksliedhaft leicht, der Wortschatz bewusst einfach, mit gehäuften Diminutiven (Verkleinerungsformen, Verniedlichungen)
  • Gleichzeitig ist ein ironisch-distanzierter Umgang mit den verbrauchten Bildern und Gefühlen der romantischen Liebesweh-Poesie erkennbar.
  • Formale Mittel sind:
    Kontraste und Gegenstellungen
    Parallismen mit Variationen
    Pointen mit Desillusionierungs-Wirkung: die zuvor aufgebaute Stimmung wird am Ende ge/zerstört.
  • Festzustellen ist auch eine soziale Kontrastierung: Das lyrische Ich auf der einen Seite: der Dichter und seine mitunter luftige Welt der Träume und Wünsche; die >Philister<-Gesellschaft andererseits, d.i. die Welt des Erfolges und bürgerlichen Anstands, der Äußerlichkeiten und des materiellen Kalküls. In dieser Welt lebt sein Liebstes und ist damit für den Poeten unerreichbar, ja unbegreifbar.
  • Aufbau bzw. Entwicklungsgang des Zyklus!

  • "Humoristische Lieder im Volkston" - durchnummerierte Gedichte, die im Sinne einer >Poetik der Desillusionierung< aufeinander bezogen werden, aber auch aber auch einzeln im Sinne von (Goethescher) Erlebnis-Lyrik gelesen werden können. Vor allem frühere Interpreten haben nach dem realen Erlebnisgehalt von Heines Liebesenttäuschungen gefahndet.
  • Der Zyklus beginnt mit einem poetologischen 'Prolog', in dem als Pointe die Liebe als Poetentraum, als Ersatzwelt kenntlich gemacht wird und damit der Kontrast >schöner Schein und tristes Sein<.
  • Das Liebeserleben, die Beschwörung der Geliebten, ist traumhaft, unwirklich und bloß ersehnt. Über die triste, ganz andere Wirklichkeit wird entweder geschwiegen (IX), oder sie taucht zunehmend als Störelement, als Irritation auf (ab XIV). Von nun an bildet sich deutlicher die Situation heraus, das lyrische Ich als verschmähter Liebhaber: Das Liebchen hat kein Herz, heuchelt, ist einem anderen versprochen
  • (XX) Seelenpein und Schmerz des Verschmähten treten immer stärker in den Vordergrund, eine gesellschaftliche Konstellation wird sichtbar (Ich und die andern) mit Gegenspielern, Rivalen und Intrigen (XXIII).
  • (XXVIII) Überdruss zeigt sich, Bitterkeit und ohnmächtiger Spott, ja sogar Todesphantasien
  • (XXXI), die Welt der Philister (Spießbürger) wird verspottet (Dichter versus Philister) und doch gehört das Liebchen dort hinein.
  • (LVII) Herbststimmungen, Nachtszenarien, Dunkelheit und Finsternis, schwere Träume von Tod und Gedanken über Selbstmord
  • (LXV) Entsagung und Verzicht auf Liebe überhaupt, Erkaltung des Herzens als Schicksal und Ausweg.

3. HEIMKEHR (1823-24)

  • Es geht wieder um Leidenschaft und unglückliche Liebe, aber auch um den Stellenwert solcher 'Sentimente'. -
  • Das lyrische Ich kehrt nach unbestimmter Zeit in die Stadt am Meer zurück (Lübeck), in der einst sein Liebchen lebte (XVII), die nun ausgezogen oder sonstwie ungreifbar (z.B. verheiratet XXV) ist. Die Stadt ist für ihn nun leer, kalt, unwirklich und voll schmerzlicher Erinnerungen.
  • XXX ff Das lyrische Ich hat seine Geliebte wohl nur still und heimlich angebetet, ohne es ihr zu gestehen oder seine Liebe zu zeigen. LIEBE ist am schönsten als Sehnsucht, als Verlangen und Schmachten, dessen Erfüllung nicht unbedingt erwünscht ist. Erfüllung findet stattdessen im Traum statt (XXXIII), und so ist es auch am schönsten.
  • XLIV Das lyrische Ich reflektiert nun seine Gefühle stärker und versucht, eine distanzierte Perspektive zu gewinnen: Spott, Ironie, aber auch Resignation und Gefühlskälte.
  • 'Götterdämmerung': Kontrastierung:
    - Maienstimmung, allgemeiner Aufbruch und Begeisterung (die anderen)
    - das hoffnungslose, von der Liebsten enttäuschte Ich ist ausgeschlossen und quält sich mit düsteren Visionen
    - die schließlich in einem Untergangsszenario gipfeln.
  • 'Ratcliff': visionärer Blick in die schaurige Zukunft:
    - Wiedersehen mit der einst so holden, geliebten Maria
    - nun ist sie mit einem 'Holzklotz' vemählt und erkaltet
    - schließlich ein verwelktes Weib.
  • 'Donna Clara': eine Ritterromanze aus Spanien, in der sich der ersehnte und begehrte Ritter erst zum Schluss als Sohn eines Rabbi und damit als verachteter Jude zu erkennen gibt.

4. Aus der HARZREISE (1824)

  • 'Prolog'- das lyrische (Dichter) ICH flieht vor den "glatten" Herren und Damen aus der Stadt in die Berge mit ihren "frommen Hütten".
  • Dort in der 'Bergidylle' spinnt er mit seinem Liebchen Geschichten und Märchen, von den Berggeistern verzaubert und inspiriert

5. NORDSEE (1825-26)

  • Die Natur des Meeres (Strand, Wellen, Abenddämmerung, Sonnenuntergang...) ruft beim lyrischen Dichter-Ich die Erinnerung an verschollene Sagen, uralte Märchen und Mythen hervor, vor allem wird die griechische Götterwelt herbeizitiert.
    - Klassische Versmaße (freie Formen) werden verwendet oder angedeutet.
  • Ein wichtiges Thema ist das Verhältnis des Menschen zu Natur und den Naturkräften, verkörpert durch Götter und mythologische Gestalten. Ebenso der Vergleich der alten Götter mit den neuen des Christentums. (-> 'Die Götter Griechenlands', 'Fragen')
    - Dabei wird antike Götterwelt mitunter verbürgerlicht, in eine völlig unheroische Umgebung gerückt; und in ihrer 'Menschlichkeit' dargestellt. Sie sind Projektionen der menschlichen Wünsche und Sehnsüchte, usw.

ZUSÄTZE

 „Fragen” - „O löst mir das Rätsel des Lebens” → „und ein Narr wartet auf Antwort” (Bausteine einer Interpretation)

  Zwischen den Stühlen: Einordnungen

  Ironie, Satire, Übertreibung: Stilmittel

(cc) Klaus Dautel

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