|
Bildende Kunst Projektwoche
Clara-Wieck-Gymnasium Zwickau
Wentzinger Gymnasium Freiburg
Bildende Kunst Projekt VERNISSAGE Ausstellung von Arbeiten der Leistungskurse Bildende Kunst zum Thema "Beieinander - Miteinander - Füreinander" Malerei - Grafik - Skulptur Ort: Gerichtsgebäude am Platz der Deutschen Einheit in Zwickau Zeit: Montag, den 10. 06. 96 um 17.00 Uhr. Performance: "ZITATE" Ort: Wentzinger Gymnasium, Erdgeschoßbereich Realschuleingang Zeit: Samstag, den 07.10.95, 18.00 bis 21.00 Uhr. Alle KollegInnen, Eltern und Schüler ab Klasse 10 sind herzlich eingeladen. Die Bewirtung der Gäste übernehmen die LK - Schülerinnen. Ermöglicht durch Förderung der Robert Bosch Stiftung
I. Der LK des Clara-Wieck-Gymnasiums Zwickau in
Freiburg. DENKANSTÖSSE Vereinigung, Freundschaft, Vertrauen - eine Sache, die nicht von "oben" verordnet werden kann, nicht in der Familie, nicht in einer Schulklasse und schon gar nicht innerhalb verschiedener Länder. Und das waren die zwei deutschen Staaten bis 1989. Vereinigung, Freundschaft, Vertrauen muß von innen wachsen, so sagten wir uns das auch - und schritten zur Tat. Wir, das waren die beiden Schulleiter unserer Gymnasien, Frau Wawerka und Herr Adler, und in diesem Falle wir zwei Kunsterzieher, Frau Mondschein und Herr Fox. Nachdem seit 1991 eine rege Partnerschaft zwischem dem Clara-Wieck-Gymnasium und dem Wentzinger Gymnasium entstanden war, die auf vielen Fachgebieten erfolgreich verlief, beispielgebend in der Musik, wollten wir zum Verständnis und Zusammenwachsen unseren eigenen Beitrag leisten. Schon lange neugierig auf die Arbeit der Kunsterzieher im Westen wie umgekehrt im Osten, hatten uns die Schulleiter ein Zusammentreffen organisiert. Keineswegs gesättigt, sondern vielmehr hungrig auf mehr Information, suchten wir nach einer Möglichkeit kreativer Zusammenarbeit. Da kam uns die Ausschreibung zur Teilnahme am Förderwettbewerb der ROBERT-BOSCH-STIFTUNG gerade recht. Zahlreiche Telefonate wurden geführt, viele Briefe zwischen Freiburg und Zwickau hin- und hergeschickt. Der Grundgedanke war schnell geboren: Wir arbeiten mit unseren Leistungskursen im Schuljahr 1995/96 gestalterisch zusammen. "Fremde, Nachbarn, Freunde" als Themenfeld sprach uns an. Die große Aufgabe stand in kurzer Zeit fest: Möglichkeiten der gemeinsamen praktischen Arbeit auf dem Gebiet der bildenden Kunst "ausreizen": Gemeinsam zeichnen, malen, modellieren, installieren, ausstellen und vor allem miteinander ins Gespräch kommen. Lange feilten wir am Wortlaut. Mein Kollege schlug vor: "Fremd und bedrohlich - aufgeschlossen und selbstbewußt. Unsere gemeinsame Zukunft als Herausforderung und Aufgabe." Mir gefiel das Motto, es sagte viel über unsere gegenseitigen Gefühle aus, formulierte treffend unsere Zielsetzung: Unsere Zukunft wollen wir gemeinsam gestalten. Unsere Kursteilnehmer konnten wir noch nicht befragen, sie kamen erst im Schuljahr 1995/96 zusammen. Anzahl und Namen der SchülerInnen waren uns bekannt. So wagten wir als Fachlehrer - sozusagen ohne Resonanz - unser Interesse schriftlich zu bekunden und die Bewerbung um Förderung durch die ROBERT-BOSCH-STIFTUNG abzusenden. Als im Juni die Bestätigung einging, sahen wir das als gutes Zeichen an. Jetzt mußten wir handeln, ein Zurück gab es nicht mehr. Das neue Schuljahr begann für die beiden Leistungskurse mit vielversprechenden Aussichten: Im Oktober fahren wir zu einem gemeinsamen Projekt nach Freiburg, bzw. in dieser Zeit bekommen wir Besuch aus dem Osten. Begeistert schaute mein Kurs wirklich nicht drein. Meinem "Westkollegen" erging es ähnlich. Wir legten noch etwas zu in unseren Begeisterungsstürmen - ernteten aber nur mäßigen Widerhall. In einer Doppelstunde versuchte ich mich in der
"Kunst der Aufgabe". Kürzer, faßbarer, verständlicher
formulierte ich Denkanstöße für die bevorstehende Arbeit:
"Freunde"
II. Der LK des Wentzinger Gymnasiums Freiburg in Zwickau. STEINE UND STIFTE
Schneller als wir dachten war der 3. Juni da. Im Clara-Wieck-Gymnasium klangen noch die Tage des 4. Schloßfestes nach. Gut vorbereitet empfingen wir die Freiburger Gäste auf dem Zwickauer Bahnhof. Alles verlief viel unkomplizierter als bei der ersten Begegnung, und doch war die Atmosphäre prickelnd und abwartend. Diesmal war der "Tatort" nicht die Schule - obwohl wir in einem sanierten Barockschloß "residieren", sondern die Galerie am Domhof, die sich ebenfalls im einem historischen Gebäude inmitten der Stadt befindet. Um im plastischen Gestalten mit unserem Thema "Beieinander-Miteinander-Füreinander" praktische Unterweisungen zu bekommen, hatten wir den Zwickauer Bildhauer Jo Harbort für unser Projekt gewonnen. Davon versprachen wir uns eine Intensivierung der Arbeit und wertvolle Anregungen.
Dienstag, 04.06.: Alle Schüler trafen sich vor der Galerie am Domhof. Der reguläre Unterricht fiel für die Zwickauer Schüler aus, dadurch war der Kontakt zu unseren Gästen die ganze Zeit über gewährleistet. Für diese verständnisvolle Geste sind wir unserer Schulleiterin, Frau Wawerka, dankbar. Der verabredete Wechsel in der Regie hatte stattgefunden, ich gab sie nach dem ersten Vormittag aber gern an Jo Harbort ab. Geschickt änderte er an diesem Tag mit Teilgruppen mehrmals den Standort. So nahmen wir auf dem Weg in den alten Pulverturm den mittelalterlichen Stadtkern wahr. Nach den ersten Ideenskizzen und Entwürfen in Ton schritt die erste Gruppe schnell zur Steinbildhauerei. Die Einteilung der Gruppen war eine Sympathiefrage (welche Freundinnen bzw. Freunde wollen zusammenarbeiten), keine Frage zwischen Zwickau und Freiburg und schon gar nicht zwischen Ost und West. Die zweite erschloß sich die Zwickauer Altstadt mit dem Zeichenstift. Abends ging es gemeinsam in eine Insider-Bar
inmitten der Stadt. Auch wir Projektleiter gehörten dazu.
Mittwoch, 05. 06.: Die Gruppen tauschten die Arbeitsplätze, und am Nachmittag vermischte sich alles ohne eingreifendes Sortieren. Bei strahlendem Sonnenschein bearbeiteten Freiburger wie Zwickauer Kursteilnehmer unter den interessierten Augen der Öffentlichkeit ihre Sandsteinskulpturen. Jo Harbort gab einfühlsam seine Hinweise, mehr freundschaftlich als lehrmeisterhaft. Die Arbeit machte allen Beteiligten sichtlich Spaß. Zur gleichen Zeit fand der Robert-Schumann-Wettbewerb in Zwickau statt. Die SängerInnnen trafen ihre Vorbereitungen in der Galerie am Domhof. Wir genossen das musische Flair. Donnerstag, 06.06.: Die Zwickauer Kursteilnehmer nahmen an wenigen Unterrichtsstunden im Gymnasium teil. Diese Gelegenheit wurde genutzt, interessierten Freiburgern die Schule zu zeigen. Den ganzen Tag trieben wir unsere plastischen
Arbeiten voran. Das laute Klopfen zog immer wieder neugierige
Straßenpassanten an, die Presse interessierte sich für unser
Projekt (siehe Zeitungsausschnitte) und berichtete in mehreren
Lokalzeitungen darüber.
Am Abend besichtigten wir die Planitzer Lukaskirche. Sie gehört zu unserem Schulensemble und wurde 1873 in neugotischen Stil erbaut. Seit 1968 ohne Gemeinde, war sie dem allmählichen Verfall preisgegeben. Die Rettungsmaßnahmen laufen bereits. Das schöne, ehrwürdige Gebäude hat uns inspiriert zu Ideen für ein weiteres gemeinsames Projekt. Freitag, 07. 06.: Die Teilnehmer des Robert-Schumann-Wettbewerbs brauchten Ruhe. Wir zogen deshalb mit unseren Skulpturen auf den Windberg, der am Rande unseres Stadtwaldes liegt. Hier oben arbeitet Jo Harbort häufig mit anderen Berufskollegen. Wir waren von der Idylle begeistert, griffen nebenbei wieder zu Stift und Pinsel und arbeiteten fleißig an der Vollendung unserer 23 Skulpturen.
Man and woman at work
CLARA-WIECK-GYMNASIUM ZWICKAU WENTZINGER GYMNASIUM FREIBURG ZUM ABSCHLUSS DES PARTNERSCHAFTSPROJEKTES 1995/96 Das Ergebnis des Partnerschaftsprojektes zwischen den Leistungskursen Bildende Kunst Freiburg und Zwickau ist nicht in Zahlen oder Prozenten meßbar. Vorzeigbar sind viele Bildgestaltungen zum Thema von unterschiedlicher Qualität, Collagen, Objekte und Skulpturen. Nicht abrechenbar - aber unserer Meinung nach viel wertvoller - sind die persön-lichen Kontakte zwischen Jugendlichen aus Ost und West. Das Verständnis für die unterschiedlichen Lebensweisen ist gewachsen. Resümierend stellten die Teilnehmer fest, daß es viel mehr Verbindendes als Trennendes gibt. Wir alle sind gleichzeitig Lehrende und Lernende. Der Projektbericht gibt Auskunft über aufgetretene Schwierigkeiten (wenn man in dieser Härte von Schwierigkeiten sprechen will). Von ostdeutscher Seite aus war es viel einfacher, einen regionalen Künstler zu finden, der die SchülerInnen bei ihrer Arbeit begleitet und sich engagiert für unser Projekt einsetzte. Anfängliches Abtasten, von ostdeutscher Seite aus "Angst" vor dem materiellen Reichtum der westdeutschen Familien - das allgemeine Klischee vom "Besserwessi" und "dummen Ossi" wich den erlebten Tatsachen. Größtes Ergebnis! Die Organisation klappte hervorragend. Die großzügige Unterstützung durch die ROBERT-BOSCH-STIFTUNG ermöglichte uns ein sorgenfreies Arbeiten innerhalb der 18 Projekttage. Die Bereitschaft der Eltern, den Gastschülern für die Zeit des Projektes ein zweites Zuhause zu geben und ihr Interesse an unserer Arbeit bis zum Ende gab dem ganzen einen familiären Rahmen. Die Jugendlichen selbst schätzen den Wert des menschlichen Kontaktes höher ein als den des künstlerischen. Unmißverständlich zeugen die entstandenen Werke von der menschlichen Wärme, die sich nach der "Eiszeit" entwickelte. Auf ausdrücklichen Wunsch unserer Kursteilnehmer setzen wir die Zusammenarbeit zu Beginn des neuen Schuljahres fort. Wir unternehmen gemeinsam eine Kunstexkursion nach Südfrankreich. Die während des Projektes entstandenen zahlreichen
Arbeiten werden in beiden Gymnasien präsentiert. Die
Steinskulpturen finden unterschiedliche Aufstellungsplätze. Zwei
verbleiben im Amtsgericht Zwickau, einige gestalten unsere
Schulräume aus, andere gehen in persönlichen Besitz. Im Juni 1996 Christa Mondschein / Rüdiger Fox CLARA-WIECK-GYMNASIUM ZWICKAU /
WENTZINGER-GYMNASIUM FREIBURG Freiburger Stadtteil=Zeitung, 25. Oktober 1995
Statt einer Laudatio Etwa 100 Schulen beteiligten sich 1995 am bundesweit ausgeschriebenen Wettbewerb der Robert-Bosch-Stiftung für die besten Schulprojekte. Das Partnerschaftsprojekt der Leistungskurse Kunst des Clara-Wieck-Gymnasiums Zwickau und des Wentzinger-Gymnasiums Freiburg belegten unter der Anleitung der Kollegin Christa Mondschein und des Kollegen Rüdiger Fox den 2. Platz. Ein sehr herzlicher Glückwunsch den Schülerinnen und Schülern, der Kollegin und dem Kollegen für diese bemerkenswerte Auszeichnung ihres faszinierenden Projekts, das hoffentlich noch seine Fortsetzung findet.
Die Robert-Bosch-Stiftung förderte das Projekt "Beieinander - Miteinander - Füreinander", nach Aufnahme in die Bewerberliste, zunächst mit 7.000,- DM. Der Preis für den 2. Platz ist mit einem Besuch bei Bundespräsident Roman Herzog im Schloß Bellevue in Berlin und mit weiteren 2.000,- DM verbunden. Der Gewinn ist sicherlich nicht rein materieller Natur. Die Begegnung, das einander Zuhören, das miteinander Reden, Arbeiten und Feiern wird uns, trotz aller aktuellen Krisenerscheinungen in Ost und West, trotz aller Enttäuschungen und Rückschläge, den Weg zum Füreinander führen. Das Partnerschaftsprojekt der beiden Gymnasien aus den neuen und den alten Bundesländern selbst macht Mut zu dieser Hoffnung. Bei der Aufbereitung des umfangreichen Materials für das Internet (nur etwa 15 % des ausgezeichneten Bildmaterials konnten eingearbeitet werden) war die Auswahl schwer zu treffen, aber es hat sich gelohnt. Ich selbst habe sehr viel lernen können. Vielleicht hat ja doch die Kunst mit der Theologie mehr gemeinsam als die Naturwissenschaft?... Mein Dank gilt allen Beteiligten für diese
Bereicherung unserer Schullandschaft und vor allem für ihren
hoffnungsvollen Beitrag, der das Zusammenwachsen und das
Zusammenleben der Menschen im Osten mit den Menschen im Westen so
ermutigt und erleichtert. Rainer Vorrath
|
![]() |