Dr. Bernhard Lehmann Gersthofen,
Haydnstr. 53
86368 Gersthofen
Tel. 0821/497862
e-mail: zonaras@gmx.de
An den
Bürgermeister der Stadt Gersthofen
Siegfried Deffner
Postfach 1280
86368 Gersthofen
Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
für Ihr Schreiben vom 19. Juni danke ich Ihnen.
Sie haben mein Angebot zur Kooperation und Versöhnung zurückgewiesen mit dem Argument, ich hätte einen „Verstorbenen verunglimpft und ....., historisch betrachtet, die Tatsachen auf den Kopf gestellt.“ Darüber hinaus behaupten Sie, sehr geehrter Herr Deffner, ich habe „mit ... unwahren Behauptungen .... Nachkommen von Herrn Georg Wendler schwer getroffen.
Sie glauben, Versöhnung an Bedingungen knüpfen zu müssen:“ Erst wenn Sie sich für Ihre unwahren Behauptungen öffentlich entschuldigen, sieht die Stadt Gersthofen die Möglichkeit einer Kooperation.“
Schon in Ihrer Stellungnahme zu meinem Antrag auf eine einstweilge Verfügung haben Sie den Eindruck zu erwecken versucht, ich würde nicht objektiv mit historischen Tatsachen umgehen.
Nehmen Sie, sehr geehrter Bürgermeister, bitte folgendes zur Kenntnis:
- Ich bedauere Ihre Zurückweisung unseres Angebotes zur Versöhnung und zur Kooperation.
- Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass ich keinen „Antrag auf Kooperation“ mit der Stadt Gersthofen gestellt habe. Der Vorschlag zur Versöhnung ging auf meine Initiative zurück. Er sollte Brücken bauen.
- Sie behaupten: “Ausdrücklich will ich betonen, dass das Vertrauen der Stadt in die Schülerinnen und Schüler in vollem Maße vorhanden ist.“ Wenn dem so ist, Herr Bürgermeister, weshalb haben Sie dann sich gegen die Zulassung der Schüler zum Archiv so nachhaltig gesträubt?
- Ich sehe keinerlei Veranlassung, mich öffentlich für irgendeinen Sachverhalt zu entschuldigen, ich habe auch in keiner Weise die Unwahrheit gesagt. Im Gegensatz zu anderen Berufsständen ist der Historiker der Wahrheit gegenüber verpflichtet.
- Herr Georg Wendler, dessen Namen ich in der Presse im übrigen nicht erwähnt habe – das hat erst Herr Macziola getan – war eingeschriebenes Parteimitglied der NSDAP und hat mit Hilfe seiner Mitgliedschaft Karriere in Gersthofen gemacht.
- In dem von Ihnen zitierten Interview mit der Gersthofer Stadtzeitung sprach ich keineswegs von Herrn Wendlers historischer Rolle im Nationalsozialismus – dies habe ich an anderer Stelle sehr differenziert getan- u.z. in einer Ausstellung, zu der ich den gesamten Stadtrat zu einer gesonderten Führung eingeladen habe, aber Sie es vorzogen, nicht zu erscheinen – sondern ich sprach davon, dass ein Bürgermeister als Mitglied der NSDAP, der die Ziele der Partei in der Öffentlichkeit vertrat, kein Ehrenbürger sein dürfe, nach dem noch dazu eine Strasse benannt sei.
- Ehrenbürger und Namensgeber einer Strasse können nach unserem Verständnis nur Personen sein, die eine Vorbildfunktion auch für die kommenden Generationen erfüllen. Weder Georg Wendler noch Wernher von Braun können eine solche Vorbildfunktion für die junge Generation für sich beanspruchen, oder wollen Sie etwa den objektiv nachweisbaren Opportunismus beider als vorbildhaft für die jungen Generation ehren?
- Herr Georg Wendler war nach eigener Aussage und Quellenzeugnissen, die mir vorliegen, 3 ½ Jahre in den Internierungslagern Nördlingen, Ludwigsburg und Regensburg. Ich frage Sie, ob die Amerikaner ihn für so eine lange Zeit zu Unrecht arretiert haben?
- Sie schreiben: „Georg Wendler war nämlich ein Mann, der nach Aussagen vieler Zeitzeugen teilweise unter Gefährdung des eigenen Lebens in dieser schwierigen Zeit seine Mitbürgern half. Dies belegt auch die Tatsache, dass Georg Wendler im Jahre 1952 mit großer Mehrheit zum Bürgermeister Gersthofens gewählt wurde.“
- Ist die Tatsache seiner Wahl 1952 ein Beweis für seine Lauterkeit in der Zeit des Nationalsozialismus?
Auch ich habe in meiner Dokumentation die Rolle des Bürgermeisters gewürdigt, allerdings in einer weitaus differenzierenderen Form :
“Der Bürgermeister kann als Beispiel für die ambivalente Verhaltensform vieler Bürger zum Nationalsozialismus angesehen werden. Einerseits hatte er als Parteimitglied und oberstes Vollzugsorgan in Gersthofen für die Durchsetzung der NS-Gesetze auf örtlicher Ebene zu sorgen, andererseits konnte er häufig wie eine Dämmschicht weitreichende NS-Erlasse abblocken und einzelne Bürger nach Denunziationen durch allzu eifrige Parteigenossen vor der Deportation retten.
Der spätere Leiter der Farbwerke Höchst, Dr. Paul Heisel, ein Halbjude, verdankte es u.a. seiner Fürsprache, das er in Gersthofen während des Krieges unbehelligt weiterarbeiten konnte.
Auch Kaplan Sturms Verhaftung konnte auf seine Vermittlung und die Pfarrer Rothermels verhindert werden.
Laut dem Tagebuch Georg Wendlers und einem Brief an Dr. Kirner, Tierarzt in Gersthofen am 23.10.1947 , versuchte er in den letzten Kriegstagen, eine blu-tige Auseinandersetzung mit den Amerikanern zu vermeiden und trachtete ge-gen die Wehrmachts- und SS-Befehle, die Gemeinde Gersthofen friedlich an die Amerikaner zu übergeben.
Allerdings widersprechen sich die Aussagen Georg Wendlers hier und sind wohl auch vom Wunsch geprägt, sein Verhalten zu rechtfertigen. Auch
nach Aussagen Gersthofer Bürger hätte die letzte Bombardierung Gersthofens u.U. verhindert werden können, wenn der Bürgermeister mehr Mut bewiesen hätte.“
(Dr. Bernhard Lehmann, Gersthofen zwischen Anpassung, Resistenz und Widerstand; Ausstellung im Paul-Klee-Gymnasium Gersthofen 1994)
- Wenn Bürgermeister Wendler tatsächlich Widerstand gegen das Regime geleistet hat, weshalb forcieren Sie dann nicht die historische Forschung in Ihrem Stadtarchiv und versuchen die Beweise für diese bewundernswerte Haltung Ihres Ehrenbürgers zu finden?
- Sie behaupten, ich hätte „unwahre Behauptungen“ aufgestellt. Ich fordere Sie hiermit nachdrücklich auf, dieses zu beweisen und den Nachweis zu erbringen, dass Herr Georg Wendler nicht Parteimitglied der NSDAP gewesen ist , kein „Nazi-Bürgermeister“ war und stattdessen als „Opfer des NS-Regimes“ angesehen werden kann. Dann allerdings bin ich der erste, der sich „öffentlich entschuldigt“.
- Wie Sie als Jurist wissen sollten, muss derjenige, der Behauptungen, ehrverletzender Art aufstellt, solche auch beweisen können. Ich fordere Sie hiermit nachdrücklich auf, gerichtlich gegen die vermeintliche „Unwahrheit meiner Behauptungen“ vorzugehen.
- Sind Sie sich darüber eigentlich im Klaren, dass Sie durch nicht nachweisbare Behauptungen über meine Person meine Ehre und mein Ansehen in unerhörter Weise angreifen? Argumentierten Sie in Laufe der Auseinandersetzung nicht unentwegt mit dem schutzwürdigem Interesse von Personen?
- Sie behaupten, dass im Hinblick auf die Entschädigung von Zwangsarbeitern „indirekt durch uns große Leistungen erbracht werden, weil die Zahlungen an den diesbezüglichen Fond von einem großem Gersthofer Industriebetrieb steuerlich absetzbar ist“.
Halten Sie die steuerliche Absetzbarkeit der Spende von Clariant wirklich für einen angemessenen Beitrag der Stadt Gersthofen zum Zwangsarbeiterproblem? Wissen Sie, dass sich andere Gemeinden der Stiftungsinitiative längst angeschlossen haben?
Für eine Stellungnahme Ihrerseits wäre ich Ihnen dankbar und fordere Sie hiermit in ultimativer Form auf, künftig jegliche ehrverletzenden und nicht nachweisbaren Behauptungen über meine Person zu unterlassen.
Ich habe Ihren und meinen Brief der Presse zur Kenntnisnahme übermittelt, damit sich die Öffentlichkeit ein eigenes Bild zu den Vorgängen machen kann.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Bernhard Lehmann