Mehrstufige Prozesse

Aufgaben



1.

Bei einer Führung in einem Weinberg im Wallis erführ ich einige interessante Dinge über die Entstehung des Dole-Weins. Dieser ist eine Mischung aus der Blauburgundertraube (Pinot noir) und der Gamaytraube. Wir modellieren dies wie folgt:

Ein Winzer füllt Blauburgunder in ein Faß mit der Aufschrift Rebblut (R) und Gammay in ein Faß mit der Aufschrift Traubenfeuer (T). Der Winzer mischt den Wein aus beiden Fässern mehrmals. Jeder Mischvorgang werde folgendermaßen durchgeführt:

Beim Umfüllen werden 50% des Inhalts aus dem Faß R in ein Gefäß A und 60% des Inhalts aus dem Faß T in ein Gefäß B gefüllt. Dann wird der Inhalt von A nach T und der von B nach R umgefüllt. Zur Rechnung gehen wir von einem Faßinhalt V = 1 hl aus.
 

a) Wieviel Liter Wein sind nach n Umfüllungen in Faß R, wieviel in Faß T?

b) Wieviel Liter Blauburgunder sind nach n Umfüllungen in R (in T) enthalten?

c) Wieviel Liter Gamay sind nach n Umfüllungen in Faß R (in Faß T)?

d) Kann man eine Prognose für die langfristige Entwicklung stellen?


2.

Gehe jeweils vor wie in Aufgabe 1 (Diagramm, rekursive Darstellung, Übergangs-Matrix etc):

In der Universitätsstadt UNIVER-CITY gibt es zwei konkurrierende Studentenkneipen: Schluck (SCH) und Specht (SP), und eine Kneipen-AG mit exakt 100 Mitgliedern, von denen jedes in einer Woche genau eines der beiden Lokale besucht. Am Ende jeder Woche entscheidet sich ein Teil der AG, die Kneipe zu wechseln: 20% der Besucher von SCH gehen nach SP, 30 % von SP nach SCH.

Zu Beginn des Semesters besucht die Hälfte der AG das Lokal Schluck, die andere Hälfte das Lokal Specht.

a) Wie hat sich die ,AG-Verteilung" auf die beiden Kneipen zwei bzw. fünf Wochen später entwickelt? Kannst du eine Prognose für eine langfristige Entwicklung aufstellen?

b) Wie entwickelt sich die ,AG-Verteilung" bei veränderten Startwerten zu Beginn des Semesters? Nehmen wir z.Bsp. an, zu Beginn des Semesters gehen 90% (75%, 45%, 35%) in die Kneipe Schluck (SCH). Inwieweit wirkt sich dies aus auf die langfristige Entwicklung der ,AG-Verteilung" ?
 



3.

Die zwei Mobiltelefongesellschaften T-Mobil und S-Mobil konkurrieren um die Gunst der Kunden mit immer neuen Werbeaktionen, da der Markt mittlerweile gesättigt ist und lästige Konkurrenten aus dem Feld geschlagen wurden.

Innerhalb eines Jahres wechseln 10% der T-Mobilkunden zu S-Mobil, aber 20% der S-Mobilkunden zu T-Mobil. Zu Beginn des Jahres 1998 waren bei beiden Gesellschaften gleichviele Kunden.

a) Wie entwickelt sich das Kundengeschäft für die beiden Gesellschaften. Versuche dabei die mathematische Theorie der letzten Stunden vor der Studienfahrt gewinnbringend einzusetzen und beschreibe einmal den Verlauf Deines mathematischen Modellbildungsprozesses

b) Bestimme die Anteile der beiden Gesellschaften in den nächsten Jahren. Wie sieht es nach 10 Jahren aus, wenn die Wanderungsbewegung zwischen den Gesellschaften gleich bleibt? Welche Vermutung hast Du für den Grenzübergang (mit Begründung)?

c) Welche Kritik hast Du am mathematischen Modell in Bezug auf die reale Situation?


4. Das Versandhaus Quicksend
 
Die Versandabteilung QUICKSEND, Subunternehmer eines bekannten Warenhauses, erhält an jedem Morgen zu Beginn der Arbeitszeit Aufträge. Der Auftragseingang an verschiedenen Tagen erfolge unabhängig voneinander. An einem Tag sollen höchstens zwei Bestellungen eingehen. Die Wahrscheinlichkeiten für den Eingang keiner, einer oder zweier Bestellungen seien 0.3, 0.5, 0.2. Die Erledigung eines Auftrags möge genau einen Tag in Anspruch nehmen. Falls schon vor den Neuzugängen am Morgen 3 Aufträge vorliegen, wird höchstens noch ein Auftrag angenommen. Die

Höchstzahl unbearbeiteter Aufträge ist also 3.

a) Führe einen Modellbildungsprozeß durch bis zum formal-mathematischen Modell.

b) Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, daß am Morgen des vierten Tages zwei Aufträge vorliegen (ohne eventuelle Neuzugänge des vierten Tages), wenn am Morgen des ersten Tages ein Auftrag vorlag.

c) Wie sieht die langfristige logistische Planung aus?

d) Formuliere eine Kritik am Modell in Bezug auf die reale Situation! Wie könnte dieser Kritik begegnet werden? An welchen Stellen ist ein Computereinsatz bei den mathematischen Überlegungen nach deiner Meinung sinnvoll und notwendig?



5. Ein weiteres Telefon-Beispiel:

In einer mittelgroßen Stadt in Baden gibt es 48000 Haushalte mit einem Telefonanschluß und 2000 Haushalte ohne Anschluss. Die Telefongesellschaft T-Kom unterscheidet insgesamt zwischen vier Gruppen von Haushalten:

- pünktuche Zahler (pz)
- unpünkiliche Zahler (uz)
- vorübergehend gesperrte Anschlüsse (gz)
- Haushalte ohne Anschluss (oA)

Die T-Kom hat festgestellt, dass pro Quartal 20% der pünktlichen Zahler zu den unpünktlichen Zahlern wechseln, aber von den unpünktlichen Zahlern wieder 70% ihre Rechnungen rechtzeitig bezahlen und bei 10% der Anschluss gesperrt wird. Bei den vorübergehend gesperrten Haushalten sieht es nun so aus, dass 60% wieder pünktuche Zahler werden, 30% gesperrt bleiben und der Rest den Vertrag kündigt. Von den Haushalten ohne Anschluss beantragen 10% einen neuen Anschluss und gehören damit erst einmal zu den pünktlichen Zahlem.

a) Stelle den Sachverhalt in einer Graphik dar und gebe die Übergangsmatrix an.

b) Zum gegenwärtigen Zeitpunkt gibt es 35000 pünktliche Zahler, 10000 unpünktliche Zahler und 3000 gesperrte Anschlüsse. Bestimmen die Entwicklung der Zahlungsmoral in den nächsten Quartalen. Stellt sich Stabilität ein?

c) Würde ein allgemeiner Schuldenerlaß, d.h. alle 48000 Haushalte mit Telefonanschluß gehören erst einmal zu den pünktlichen Zahlern, der T-Kom Vorteile bringen? Experimentiere mit anderen Startvektoren.

d) Die T-Kom will die Zahlungsmoral heben und beschließt, die unpünktlichen Startbedingungen nach der ersten Abrechnung nur noch 5% Haushalte gibt, die unpünktlich bleiben, aber dafür 25%, die befristet gesperrt werden. Welche Folgen hat diese Politik?

e) Versuche, eine Modelikritik dieses Beispiels zu formulieren! Sind alle Telefonanschlüsse gleicher Natur?


6. Ein Glücksspiel oder ein glückliches Spiel?
 

Ein Spieler besitzt 200 DM und möchte diesen Betrag durch ein ihm angebotenes Glücksspiel auf 500 DM erhöhen. Er kann einen beliebigen Einsatz verdoppeln, indem er bei einem Münzwurf ,,Kopf' erhält. Wenn jedoch ,,Zahl" fällt, dann ist der Einsatz verloren. Der Spieler entscheidet sich für die folgende Strategie: er setzt immer 100 DM ein. Bei ,Zahl" kann er sich zu Beginn einen Mißerfolg leisten, ohne sofort ruiniert zu sein, und bei ,,Kopf' verfügt er anschließend über 300 DM, von denen er wieder 100 DM einsetzt. Fällt wieder ,,Kopf', so verfügt er über ein Guthaben von 400 DM und setzt weiter auf die vorsichtige Strategie, immer 100 DM einzusetzen, bis er am Ziel ist. Bei Erreichen der 500 DM (Spiel gewonnen) wird das Spiel ebenso abgebrochen wie bei einem Ruin (0 DM). Andernfalls wird das Spiel bis zum Erreichen einer der beiden Zustände fortgesetzt.

 Frage: Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, das Ziel (500 DM) zu erreichen bzw. ruiniert (0 DM) zu werd en?

a) Stelle das mathematische Modell in einem Diagramm dar und beschreibe deine weiteren mathematischen Überlegungen.

b) Berechne die Wahrscheinlichkeit, nach 5 bzw. 8 Würfen ein Guthaben von 300 DM zu besitzen bzw. ruiniert zu sein oder gewonnen zu haben.

c) Kann man die Gewinn- bzw. Ruinwahrscheinlichkeit für eine große Anzahl von Würfen (n ~ als stabil ansehen? Probiere mehrere Werte für n aus.

Unter der Annahme, daß die Folge der ,,Wahrscheinlichkeitsvektoren" gegen einen Grenzzustand konvergiert : wie kann man die stationäre Verteilung berechnen, ohne eine mögliche Grenzmatrix zu kennen ?

d) Nehmen wir an, die Münze für den Wurf ist nicht fair (evtl an einer Kante abgeschliffen), so ändern sich auch die Wahrscheinlichkeiten: experimentiere mit einer Erfolgswahrscheinhchkeit von p = 0.4 und p 0.6. Wie ändert sich dadurch die Übergangsmatrix? Was kannst du über einen eventuellen stabilen Grenz:zustand aussagen?

e) Ist eine eventuelle stabile Verteilung abhängig vom Startzustand? Probiere zwei weitere Startzustände aus, die dir sinnvoll erscheinen (und berechne die Wahrscheinlichkeiten aus b) und c) erneut. Ist eine Veränderung erkennbar?



7.

 
Abgeschieden von der übrigen Welt hat sich auf der kleinen Südseeinsel ,Boa Boa" aus den Überlebenden einer Schiffskatastrophe eine eigenständige Bevölkerung entwickelt.
Auf ,,Boa Boa" sind die Männer als Jäger, Bauern oder Lehrer tätig. Langjährige empirische Untersuchungen haben ergeben, daß die Söhne von Jägern zu 45% wieder Jäger werden, zu 48% sich als Bauer versuchen und zu 7% die ehrenwerte Tätigkeit eines Lehrers ausüben. Die Söhne von Bauern werden zu 5% bzw. 70% bzw. 25% Jäger bzw. Bauern bzw. Lehrer. Bei den Söhnen von Lehrern sind es 1% bzw. 50% bzw. 49%.
 

a) Wieviel Prozent der Enkel (Urenkel) eines Lehrers werden Lehrer (Bauer)?

b) Ausgehend von 5000 Jägern, 12 000 Bauern und 500 Lehrern, berechne die männliche Bevölkerungsstruktur in den nächsten 10 (20,30) Jahren?

c) Welche Annahmen werden bei der Simulation des Models unterstellt? Welche Kritik hast du an der Modellbildung?

 


Leistungskurs
Autor : Ralf Erens, Friedrichgymnasium Freiburg

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