Hundert Jahre nach Ausrufung des Internationalen Frauentags
präsentiert das Österreichische Museum für
Volkskunde in Wien mit der Jubiläumsausstellung "FESTE.
KÄMPFE.
100 Jahre Frauentag" von 4. März bis 30. Juni
2011 sehenswerte Ergebnisse eines vielschichtigen Forschungsprojekts
des Kreisky Archivs. Neben dieser historischen Ausstellung
beinhaltet das Projekt „100 Jahre Frauentag“ eine
mehrteilige Begleitpublikation, künstlerische Interventionen
im öffentlichen Raum und die Reihe „Film & Zeitgeschichte:
100 Jahre Frauentag“ in Kooperation mit dem Filmarchiv
Austria im Metro Kino.
Von den ersten Demonstrationen für das Frauenwahlrecht
auf der Wiener Ringstraße vor dem Ersten Weltkrieg
bis zur Aneignung und Institutionalisierung der Frauentage
durch ‚autonome’ Frauengruppen seit den 1970er
Jahren: Die Ausstellung dokumentiert anhand eindrucksvoller
Bild-, Ton- und Filmdokumente die wechselvolle Geschichte
des Frauentages in den Kontexten gesellschaftspolitischer
und kulturgeschichtlicher Rahmenbedingungen.
Parallel zur Ausstellung entwickelte das Kreisky Archiv
ein Konzept zur Realisierung von Kunstinterventionen im öffentlichen
Raum in Wien unter dem Titel „In. Anspruch. Nehmen.
100 Jahre Frauentag“. Sie wurden von den Künstlerinnen
Lisl Ponger, Stefanie Seibold, Magda Tóthová,
Sofie Thorsen und dem Künstler Wilfried Gerstel für
Orte entwickelt, die einen Bezug zur Geschichte des Frauentags
haben.
Mit der Publikation „Frauentag! Erfindung und Karriere
einer Tradition“ erscheint außerdem im März
2011 ein noch ausständiges Überblickswerk über
die hundertjährige Geschichte des Frauentages in Österreich,
das zusätzlich die Ausstellung im Österreichischen
Museum für Volkskunde sowie die Kunstinterventionen
im öffentlichen Raum dokumentiert.

Frauentagsdemonstration am 19. März 1911 in Wien | © Kreisky
Archiv
Jubiläumsausstellung: „FESTE. KÄMPFE.
100 Jahre Frauentag“
„
Den Frauen gleiches Recht!“, forderten 20.000 Frauen
und Männer am 19. März 1911, als sie über
die Wiener Ringstraße marschierten. Das Frauenwahlrecht
war die zentrale Forderung am ersten österreichischen
Frauentag, der sich dieses Jahr zum 100. Mal jährt.
Die Ausstellung „FESTE. KÄMPFE. 100 Jahre Frauentag“,
die von 4.März bis 30.Juni 2011 im Österreichischen
Museum für Volkskunde zu sehen ist, nähert sich
der Geschichte des Frauentags einerseits über die
wiederkehrenden Themen „Gleichheit“, „Frieden“ und „Körper“,
die als kuratorische Leitbegriffe für eine Strukturierung
der Ausstellung herangezogen wurden. Ihnen ist jeweils
eine in sich geschlossene Darstellungseinheit gewidmet.
Andererseits werden die Frauentage chronologisch in die
jeweiligen gesellschaftspolitischen und organisationsgeschichtlichen
Kontexte eingebettet. Fotos, Plakate, Transparente, Filmdokumente,
Abzeichen und Zeitungsberichte dokumentieren, wie Frauenbewegungen
den öffentlichen Raum in Anspruch genommen haben und
nehmen, wie politische Identitäten entstehen, wie
sich Rituale und Symbole entwickeln und verändern.
Anhand des gesammelten Materials werden inhaltliche und
formale Kontinuitäten und Brüche aufgezeigt.
Von den ersten Demonstrationen für das Frauenwahlrecht
vor dem Ersten Weltkrieg, über parteipolitische Großveranstaltungen
in der Zwischen- und Nachkriegszeit, bis zur Aneignung
der Frauentage durch ‚autonome’ Frauengruppen
in den 1970er und 1980er Jahren und der zunehmenden Institutionalisierung
der Frauentage ab den 1990er Jahren kam es immer wieder
zu Veränderungen in Erscheinungsform und inhaltlichen
Anliegen.
Bis zu dessen Einführung 1918 war die Forderung nach
dem allgemeinen Frauenwahlrecht für bürgerlich-liberale
und sozialdemokratische Frauenbewegungen das zentrale Thema
des Frauentags. Forderungen nach Gleichberechtigung in
Gesellschaft und Familie sowie nach beruflicher Gleichstellung
(„Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“) wurden
und werden am Frauentag bis in die Gegenwart von verschiedenen
parteipolitischen, institutionellen und ‚autonomen’ Akteurinnen
an die Öffentlichkeit getragen.

Festschrift der SDAP zum Frauentag, 1913 | © Verein
für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien
Die Forderung nach Frieden ist eng mit der Vorstellung
von einem weiblichen Geschlechtscharakter verbunden, diente
vielfach als Rechtfertigung für die politische Teilhabe
von Frauen und durchlief vielfältige Bedeutungsveränderungen:
Anfänglich war Friede die Abwesenheit von Krieg, das
Ende der Völkerverhetzung sowie des Faschismus. Nach
1945 kam die Konnotation von Fortschritt und (Wieder)Aufbau
hinzu, mit den 1970er Jahren wurde der Begriff weiter definiert:
Frieden meinte nun allgemein die Abwesenheit von struktureller
und individueller Gewalt gegen Menschen.
Vor dem Hintergrund des frauenbewegten Aufbruchs rückten
die Themen Körper und weibliche Selbstbestimmung ab
Ende der 1970er Jahre ins inhaltliche Zentrum der Frauentage.
Die traditionelle Trennung zwischen dem männlich konnotierten Öffentlich-Politischen
und dem Privat-Unpolitischen, das Frauen zugeschrieben
war, wurde in Frage gestellt. Vorgeblich private Themen
wie Sexualität, Reproduktion, Hausarbeit, Kindererziehung,
häusliche Gewalt und individuelle Identitätsentwürfe
wurden zu Themen der politischen Auseinandersetzung.
Die Jubiläumsausstellung „FESTE. KÄMPFE.
100 Jahre Frauentag.“ beleuchtet den Frauentag als
Tradition, die im Laufe ihrer Geschichte viele Ritualisierungen
und inhaltliche Wandlungen durchlaufen hat. Der Frauentag
wird assoziiert mit ziviler Courage, gewaltlosem Widerstand,
partizipativer Demokratie und Geschlechtergerechtigkeit.
Bis heute ist er ein politischer Ort für Frauen, die
für gesellschaftliche Teilhabe und gegen Benachteiligungen
kämpfen, als Staatsbürgerinnen, als Arbeitnehmerinnen,
als Mütter und Ehefrauen oder auf Grund ihrer nicht-heterosexuellen
Lebensweise.

Frauentagsdemonstration der SDAP, 1930 | © Kreisky
Archiv

Festschrift der SDAP zum Frauentag, 1933 | © Verein
für Geschichte der Arbeiterbewegung, Wien 
Foto aus dem Frauentagsalbum der SPÖ-Frauen, 1948
| © Kreisky Archiv

SPÖ Frauentag, 1950 | © Verein für Geschichte
der Arbeiterbewegung

Frauentagsplakat der SPÖ-Frauen, 1976 | © Kreisky
Archiv

Aktion autonomer Frauen gegen die Sexualmoral der katholischen
Kirche auf der Frauentagsdemonstration, 1980 | © Elisabeth
Enigl

Transparent der autonomen Frauen, 1982 | © Stichwort.
Archiv der Frauen- und Lesbenbewegung, Wien 
Plakat zum Frauentag des (österreichischen) Bundesministeriums
für
Frauenangelegenheiten, 1993 | © Kreisky Archiv

Stefanie Seibold, Gratiszeitung zum Frauentag 2011
| © bei
der Künstlerin
|