Die Kartoffel
ist heute aus unserer Nahrung nicht wegzudenken. Schwer vorstellbar,
was die Menschen gegessen haben, bevor diese südamerikanische
Ackerfrucht auch in Mitteleuropa angebaut wurde! Dabei ist das,
historisch gesehen, noch gar nicht allzu lange her. Zwar gelangten
schon bald nachdem die ersten spanischen Konquistadoren in das
Hochland von Peru vordrangen, der Heimat der Kartoffel, erste
Exemplare dieses auch den Spaniern wohlschmeckenden Nahrungsmittels
nach Europa. Es dauerte aber noch gut 200-300 Jahre, bis sie auch
bei uns tatsächlich in größerem Maßstab angebaut wurde. Wer hat
die Kartoffel eingeführt?
Um diese Frage kommt man in einer Ausstellung über die Kartoffel
nicht herum. Gebührt diese Ehre Sir Francis Drake, dem englischen
Freibeuter, der in zahlreichen Kartoffelliedern besungen wird?
Oder dem "Alten Fritz", Preußens König Friedrich II., der der
Überlieferung nach mit Druck und List die Bauern zu ihrem "Glück"
zu zwingen verstand? Die meisten der über ihn erzählten Geschichten
dürften in das Reich der Sage zu verweisen sein, denn während
die staatlichen Versuche meist keine unmittelbare Wirkung hatten,
setzte sich die Kartoffel vor allem durch praktische Beispiele
gelungenen Anbaus von Ort zu Ort durch. So brachten wohl lippische
Wanderziegler die ersten "Hollandeier" aus den Niederlanden in
ihre Heimat mit. Auch Soldaten, die in niederländischen oder englischen
Diensten die Kartoffel als Nahrungsmittel kennen gelernt hatten,
trugen nach ihrer Rückkehr in die deutsche Heimat zu deren Verbreitung
bei. Dabei setze sie sich zunächst dort durch, wo die Bodenverhältnisse
für den Getreideanbau wenig geeignet waren, also im Bergland und
auf mageren Böden, während in den fruchtbaren Ackerbauebenen erst
mit den durch die Mißernten der Jahre um 1770 hervorgerufenen
großen Hungersnöte ein stärkerer Kartoffelanbau durchsetze. Dennoch
hatte die Kartoffel zunächst den Ruf der Armen- und Viehspeise
und es so nicht leicht, auch in die Küche der "besseren" Leute
vorzudringen.
Die Ausstellung im Preußen-Museum Minden beschäftigt sich mit
diesen und anderen Aspekten rund um die Kulturgeschichte der Kartoffel.
Da wären z.B. die zahlreichen Krankheiten und Schädlinge, die
es auf die Kartoffelpflanze abgesehen haben. Die Kraut- und Knollenfäule
hat z.B. in den 1840er Jahren einen Großteil der europäischen
Kartoffelernte vernichtet, was speziell in Irland katastrophale
Auswirkungen nach sich zog. Aber auch die letzte große Hungersnot
in Deutschland, der sog. "Steckrübenwinter" im Ersten Weltkrieg,
hatte ihre Ursache in dieser Kartoffelkrankheit. Später im Dritten
Reich (und auch noch in der Nachkriegszeit) hat dann das massenhafte
Auftreten des Kartoffelkäfers zahlreiche Menschen mobilisiert.
Landwirtschaftliche Geräte rund um Kartoffelanbau und -verwertung
sind in der Ausstellung ebenso zu sehen wie botanische Bücher
zur Kartoffel. In diesen finden sich z.B. die wahrscheinlich älteste
Abbildung der Kartoffelpflanze, die erstmalige Zuordnung zu den
Nachtschattengewächsen (weswegen Fachkreise lange Zeit an die
Giftigkeit auch der eßbaren Knollen glaubten) und die erstmalige
Benennung mit dem botanischen Namen "Solanum tuberosum", den die
Kartoffel auch heute noch trägt. Ein Buch aus dem Jahre 1819 enthält
die schönsten farbigen Zeichnungen der damals gängigen Kartoffelsorten.
Es gab nämlich bei den Knollen eine immense Bandbreite von Dunkel-
über Hellbraun, gelb, rosa bis hin zum tiefen Blau, außerdem die
unterschiedlichsten Formen - eine Varianz, die wir uns heute kaum
noch vorstellen können. Abschließend geht es um die Verwendung
der Kartoffel als Nahrung bis hin zum heutigen Umgang mit der
"tollen Knolle". Die neue Frucht mußte nämlich erst in bestehende
Speisesysteme integriert werden, was regional unterschiedlich
stattfand. Während Norddeutschland mit seinen vorherrschenden
Gemüse-Fleisch-Eintöpfen als Grundnahrung kaum Probleme hatte,
die Kartoffel diesen Speisen hinzuzufügen, war dies in Süddeutschland
mit seiner auf Mehlspeisen basierenden Küche schon schwieriger.
So sind dann mit den drei Begriffen "Pickert, Pommes, Pellkartoffeln"
im Titel nicht nur drei Speisen auf "P" genannt, sondern stellvertretend
auch drei der wichtigsten Zubereitungsarten der Kartoffel: Als
ganze Kartoffel gekocht (Pellkartoffeln, Salzkartoffeln), geschnitten
und gebraten (Bratkartoffeln) oder fritiert (Pommes frites), oder
eben gerieben und gebraten (Reibekuchen, Rösti oder - zusammen
mit Mehl -der Westfälische Pickert) bzw. gekocht (Klöße, Knödel).
Die Ausstellungsmacher Norbert Ellermann und Martin Wedeking haben
zahlreiche Exponate rund um die Kartoffel zusammentragen können,
der größte Teil sind Leihgaben von westfälischen Museen, einige
kommen aber auch aus München sowie von etlichen Bibliotheken und
Privatpersonen. Die Ausstellung "Pickert, Pommes, Pellkartoffeln.
Streifzüge durch ein Kartoffelland" ist der Beitrag des Preußen-Museums
am diesjährigen Themenjahr "Mahlzeit! Kultur des Essens und Genießens",
das die Museumsinitiative in Ostwestfalen-Lippe zusammen mit über
40 Museen der Region ausrichtet.
Mehr Informationen erhalten Sie im Internet unter www.mahlzeit-owl.de.
|