Projekt "Virtuelles Museum"
Badisches Landesmuseum
Thema der außergewöhnlichen Internet-Inszenierung ist die bedeutende
Sammlung der "Karlsruher Türkenbeute", die im Karlsruher Schloss
beheimatet ist. Einen Teil der in der Ausstellung präsentierten
Schätze brachte Markgraf Ludwig Wilhelm von Baden aus den Türkenkriegen
1683-1691 mit. Über das Testament von Großherzog Friedrich II.
(gest. 1928) wurden sie in die "Zähringerstiftung" aufgenommen
und damit Bestandteil der Sammlungen des Badischen Landesmuseums.
150 Exponate der Sammlung wurden mit verschiedenen, teils sehr
aufwändigen Bildaufnahme-Technologien fotografiert, um sie auch
interaktiv zugänglich zu machen. Möglich machte dies die rasante
Entwicklung digitaler Kameras und der Einsatz computergesteuerter
Automatisierungsabläufe. Die Computer steuerten nicht nur die
Kameras, die Drehteller- und Stativsysteme während der Aufnahmen,
sondern erstellten auch die notwendigen Animationssequenzen und
Retouchearbeiten selbst. Für die Digitalisierung der Objekte und
die Komprimierung der Daten kam eine neuartige Software zum Einsatz.
Das Ergebnis sind animierte, für den User handhabbare Objekte,
die gedreht und von allen Seiten betrachtet werden können.
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Die Website, die ihren Reiz durch die besondere Kombination von
Wort und Bild erhält, stellt ein Novum in der Präsentation von
Museumsbeständen dar. Neben den fotobasierten 3D-Animationen der
kostbaren Ausstellungsobjekte ermöglichen detaillierte Informationen
einen faszinierenden Einblick in die osmanische Kultur. Denn neben
dem technischen Potential liegt ein weiterer Schwerpunkt auf der
inhaltlichen Vernetzung der Exponate und der didaktischen Aufbereitung
der Inhalte. Das Virtuelle Museum stellt somit ein umfassendes
Archiv von Bildern, Filmen, besonders animierten Objekten und
Texten mit zusätzlichen inhaltlichen Informationen dar. Durch
die Navigation und die Verlinkung werden die Internetbesucher
zum ausgiebigen Stöbern eingeladen. Jeder kann sich so Informationen
individuell und interaktiv zusammenstellen, in einem "Wissenswarenkorb"
deponieren oder sie in der Rubrik "My VM" anderen Usern in kommentierter
Form vorstellen.
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Das Anliegen des Projektes ist es auch, die Interessen unterschiedlicher
Zielgruppen zu berücksichtigen. Inhalte in Wort und Bild, Informationen
und Texte sind nach Thema, Art und Quantität geordnet und auf
verschiedenen Ebenen dargeboten, sodass die jüngere und ältere
Generation gleichermaßen angesprochen werden soll wie ein Expertenpublikum
und auch interessierte Laien. Ebenso wichtig wie die dokumentarische
ist die didaktische Zielsetzung des Projektes. Großer Wert wurde
daher auf die Kommunikation gelegt: der Chat, die Foren und eine
Newssite ermöglichen den Gedankenaustausch unter mehreren Usern.
Besondere Visualisierungs- und Datenbanktechnologien nutzen dabei
die Besonderheiten des Internets - nämlich Digitalisierung, Interaktivität,
Multimedialität, Vernetzung und die Speicherung von Informationen
- optimal aus.
Da die virtuelle Präsentation einen gänzlich anderen Charakter
und andere Dimensionen als eine reale Ausstellung besitzt, laden
PC-Stationen und Info-Terminals auch in den Ausstellungsräumen
des Badischen Landesmuseums zum Besuch des Virtuellen Museums
ein. Eine unmittelbare Verknüpfung des realen und virtuellen Raums
erlebt der Besucher mit Hilfe kleiner Handcomputer (sog. PDAs),
mit denen er vor die Vitrinen treten kann, um z.B. von einem bestimmten
Exponat ein Detail genauer zu betrachten und zusätzliche Informationen
abzurufen.
Zur Technologie:
Insgesamt versteht sich das "Virtuelle Museum" als ideale Synthese
aus Text und 3D-Modell, dank eines geschickten Einsatzes ausgeklügelter
Bildaufnahme-Technologien, die dreidimensionale Eindrücke erzeugen
ohne wirklich "3D" zu sein. Konkret handelt es sich dabei um drei
Arten animierter Fotosequenzen:
- In Variante
eins wird eine Digitalkamera, bestückt mit einem extremen Weitwinkelobjektiv
mit über 180 Grad Sichtfeld, auf einen motorgesteuerten Stativkopf
montiert. Mit nur zwei Aufnahmen lassen sich so voll automatisch,
über den Computer gesteuert, sphärische Panoramabilder produzieren.
Sie simulieren nicht nur den Rundumblick eines Menschen um seine
eigene horizontale Achse, sondern zugleich auch um seine vertikale
Achse. Es wäre so, als würde ein Betrachter sich innerhalb einer
Kugel schwebend, nach allen Seiten hin umschauen können.
- In Variante
zwei wechseln Betrachter und betrachtete Szene die Rollen. Der
Betrachter bewegt sich nicht mehr, aber dafür schwebt jetzt
das Objekt vor ihm im Raum und er kann es wie einen Ball nach
allen Richtungen hin drehen. In einer etwas ausgefeilteren Version
dieser Variante verändert sich das Objekt auch noch, während
es bewegt wird.
- Variante
drei erweitert die Möglichkeiten des menschlichen Blicks hin
zu den Möglichkeiten von Lupe und Mikroskop. Dafür werden sehr
hochauflösende Fotoaufnahmen von Sammlungsgegenständen aus geringer
Entfernung gemacht. Diese Bilder liegen sofort digital vor und
können mit Hilfe von Programmen praktisch beliebig vergrößert
werden, ohne an Detailgenauigkeit zu verlieren.
In einer Kooperation zwischen dem Badischen Landesmuseum
(BLM) und dem Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in
Karlsruhe wurde die Website "Virtuelles Museum - Karlsruher Türkenbeute"
(www.tuerkenbeute.de) erarbeitet. Mit der Realisierung war "Fox
Mediadesign", Wien (Filmaufnahmen in Zusammenarbeit mit "New York
Group", Karlsruhe) betraut. Die Landesstiftung Baden-Württemberg
finanzierte das Projekt 15 Monate lang. Bereits seit November
2002 vermittelten die ersten digitalisierten und animierten Objekte
im Internet einen Eindruck des Vorhabens.
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