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Günter Debon legte zum Stadtjubiläum in Heidelberg beim Guderjahn
Verlag sein neuestes Werk vor über die Großen der Dichtkunst,
die sich von - und in! - Heidelberg haben inspirieren lassen. Der Titel,
"Der Weingott und die Blaue Blume", verweist auf zwei zentrale
Momente, auf den Wein und das Große Faß, das zur Kurfürstenzeit
eine der Hauptsehenswürdigkeiten und Anlaß für allerhand
dichterische Versuche war, und auf die Blaue Blume der Romantik, das Sinnbild
der Sehnsucht nach Ferne und Unendlichkeit, nach dem Schlüssel, der
die Geheimnisse der Welt nicht nur auflöst, sondern die Vielgestaltigkeit
der Welt wieder zu einem Erleben verbindet.
Von Heidelberg schreibt Conrad Celtis 1495/96 als der erste, der Heidelbergs Schönheiten gerühmt hat:
Sei willkommen, Virgil, in der Gelehrten Kreis, |
Von Heidelberg handelt auch das Kapitel über die verschiedenen Begegnungen mit dem Großen Faß - von einem anonymen Gespräch in der "Achtzehnden ENTREVUE"um 1720 bis zu Wilhelm Busch 1871. Über Heidelberg handelt das Kapitel über den Indienkult, der mit der mythischen Reise des Weingotts Bacchus nach Indien die Brücke für die Romantiker schlägt - aber Indien war hier zu allererst das Mutterland der Märchen. Für Heidelberg schlägt vor allem Joseph Görres 1805 das Indien-Thema an, ganz auf der Suche nach dem großen Einklang der Menschheit: "Und kennt ihr das Land, wo die jugendliche Menschheit die frohen Kinderjahre lebte, wo die Feuersäule stand, in der die Götter zu ihren Lieblingen herniederstiegen, und sich in ihre munteren Spiele mischten? ... Kennt ihr das Land, wo die schönen Bilder lebten und wandelten, die tief in unsrer Seele wie ferne Schatten schweben...?" Auch der Heidelberger Professor Friedrich Creuzer schlug mit seiner "Symbolik und Mythologie" fremde, ja revolutionäre Indien-Wege ein, und das Indienthema ist eines der verschlungenen Bänder zwischen ihm und seiner glühenden Verehrerin Karoline von Günderrode.
Die Stadt am Neckar hatte 1803 die Herrschaft gewechselt: Die landferne katholische bayerische Regierung hatte die Pfalz verloren, Markgraf Karl Friedrich trat als Kurfürst von Baden, dann als Großherzog die Herrschaft an mit dem festen Vorsatz, die Universität nach Kräften zu fördern und wieder zu einem Mittelpunkt gelehrter Forschungen zu machen. Er war es auch, der Johann Heinrich Voß nach Heidelberg berief und ihm damit auch die Möglichkeit gab, in der "ländlichen Idylle" seine »Luise«, 1783/84 bereits entstanden, 1795 gedruckt, noch einmal zu überarbeiten und mit fast dreitausend Hexametern zu vollenden.
Gleichzeitig - im Sommer 1808 - trat mit der "Zeitung für Einsiedler" die Heidelberger Romantik mit einer zwar kurzlebigen, aber sehr wirkungsvollen Zeitung hervor - Organ der Ironie und des Spotts, über sich selbst und die Romantik, aber auch der romantischen Schwärmerei, getragen vor allem von Achim von Arnim. Debon zeichnet sehr genau die Entwicklung und die einzelnen Beiträge für diesen "bunten Strauß aus Heiligem und Launigem bis hin zum puren Jux, mit anspruchsvoller Prosa neben makkaronisch Verspieltem" nach und belegt, wie übrigens im ganzen Band, alle Aussagen ausführlich durch Originalzitate.
Das zweite Werk, das Heidelbergs Rang als Hochburg der Romantik begründet hat, ist "Des Knaben Wunderhorn", die Gedichte- und Liedersammlung Achim von Arnims und Clemens Brentanos, wie die Zeitung für Einsiedler im Sommer 1808 erschienen. Im Anschluß daran stellt Debon das Symbol der Romantik vor, die Blaue Blume, die Novalis 1799 mit seinem "Heinrich von Ofterdingen" in die Literatur eingeführt hatte, aber auch bei Tieck bereits 1798 als Sinnbild tiefer Sehnsucht erscheint:
Sie tröstet unbegreiflich uns im Leiden,
Sie ist das Ziel der Sehnsucht wie der Freuden.
Natürlich dürfen Goethe, Jean Paul und Friedrich Hebbel in dieser Sammlung nicht fehlen. Auch August von Platen bleibt 1822, als er seinen Freund Justus Liebig sucht, 10 Tage voller tiefer Empfindungen in Heidelberg.
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Die letzten drei Kapitel sind dem 20. Jahrhundert gewidmet, beginnend
mit dem "Paar" Richard Dehmel und Ida Coblenz. Debon schreibt hier allerdings
emphatisch: "Der Dichter war aus seiner Ehe mit Frau Paula, die ihm drei
Kinder geschenkt hatte, genialisch ausgebrochen." Neutral besehen würde
man das mit weniger Sympathie und weniger Genialität ausdrücken.
Ida Coblenz wurde auch von Stefan George glühend verehrt, den Dehmel
seinerseits verachtete, Friedrich Gundolf wiederum, der George verehrte,
wurde 1911 Dozent für Literaturgeschichte an der Universität.
Schließlich bleibt noch Thomas Mann zu erwähnen, unter dessen
Heidelberger Reden Debon besonders die Rede zur Eröffnung der Festspiele
am 20. Juli 1929 darstellt.
Den Abschluß des Bandes bildet Wilhelm Meyer-Försters Erzählung "Karl Heinrich", besser bekannt als Film "Alt Heidelberg" oder als Operette "The Student Prince". |
Olla Bauer als Käthie in "Alt-Heidelberg" (aus dem Band) | Die gut, nur an manchen Stellen zu begeistert geschriebene und äußerst materialreiche Darstellung ist gespickt mit Originalzitaten der Dichter und mit einem gründlich erarbeiteten Anmerungsapparat versehen. 46 z.T. farbige Abbildungen, und beileibe nicht nur das Schloß aus allen Perspektiven, runden den Band ab. |
Debon, Günther: Der Weingott und die Blaue Blume. Dichter zu Gast in Heidelberg. Heidelberg: Guderjahn, 1995 |
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