Der so genannte Teppich von Bayeux ist eine
in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts entstandene
Stickarbeit auf einem fast 70 Meter langen und 50 Zentimeter
hohen Tuchstreifen. Sie wird heute im städtischen
Museum in Bayeux in der französischen Normandie aufbewahrt.
Eine Kopie findet sich im Stadtmuseum von Reading.
Die farbigen Stickereien schildern die Geschichte der
Eroberung Englands im Jahre 1066. Die Stickerei ist insgesamt
zwischen 48 und 53 Zentimetern breit und 68,38 Meter lang.
Von der ursprünglichen Länge von über 70
Meter sind einige Teile sind jedoch verloren gegangen.
Das Werk wird im allgemeinen Teppich genannt, stellt jedoch
keine Knüpf- oder Wirkarbeit dar, sondern besteht
aus acht miteinander verbundenen Leinenstücken, auf
denen die Motive mit verschiedenfarbigen Wollfäden
gestickt sind. Die Ränder sind mit Ornamenten und
Tierdarstellungen geschmückt, am oberen Rand sind
vielfach erläuternde lateinische Inschriften der dargestellten
Ereignisse und Personen eingestickt.
Der Bildteppich beschreibt die Zusammenhänge um die
normannische Eroberung Englands im Jahre 1066 und enthält
die wichtigsten Ereignisse der Eroberung, einschließlich
der Schlacht von Hastings. Allerdings berichten fast die
Hälfte der Bilder Geschehnisse vor der Invasion. Obwohl
das Werk als Instrument der Propaganda im Auftrag Wilhelms
des Eroberers oder seiner engeren Umgebung oder Familie
eingestuft werden muss, enthält es doch eine unschätzbare
Fülle von dokumentarisch festgehaltenen Einzelheiten
aus dem anglo-normannischen England des 11. Jahrhunderts.
Die Zuschreibung der Stickerei zu Odo von Bayeux, einem
Halbbruder von Wilhelm dem Eroberer, als Auftraggeber beruht
auf einem in sich schlüssigen Bündel von Indizien.
Zum ersten werden auf den Bildern, abgesehen von historischen
Figuren wie Harald II., Edward dem Bekenner, Wilhelm dem
Eroberer, etc., auch die geheimnisvolle Ælfgyva genannt,
drei Personen, Wadard, Vital und Turold, die in keiner
anderen zeitgenössischen Quelle der Schlacht von Hastings
genannt werden. Sie sind Gefolgsleute Odos und später
dessen Lehnsleute in Kent, was darauf hinweist, dass sie
zu den Männern gehren, die von Odo in den Kampf geführt
wurden. Zum zweiten wird Haralds II. Godwinsons Treueid
auf Herzog Wilhelm, an heiligen Reliquien, und seine Hilfe
bei dessen Bemühungen um den englishcen Thron in Bayeux
gezeigt. Ordericus Vitalis lokalisiert das Ereignis in
Rouen, Wilhelm von Poitiers in Bonneville-sur-Touques.
Darüber hinaus ist die Rolle des Odo in Hastings kaum
in Quellen, die nicht mit Bayeux verknüpft sind, erwähnt.
Historiker schätzen darüber hinaus Odo als den
einzigen ein, der die finanziellen Mittel für ein
so großes Werk aufbringen konnte und der seine Titel
und die Reliquien von Bayeux auf eine solche Weise in den
Vordergrund spielen konnte.
Wenngleich eine Mehrheit der Historiker darin übereinstimmt,
in Odo den Auftraggeber dieses Werks zu sehen, das das
Langhaus der 1077 neu geweihten Kathedrale Notre-Dame de
Bayeux schmücken sollte, herrscht noch Uneinigkeit über
die Identität dessen, der das Werk herstellte. Die
Legende schreibt es der Königin Mathilde zu, andere
sehen es entweder in Kent oder in Winchester, wieder andere
in Saumur hergestellt.
Die kombinierte Darstellung von Bildern mit Text ist im
ausgehenden 11. Jahrhundert im angelsächsischen, flandrischen
und nordfranzösischen Raum häufig belegt, aus
dezidiert normannischer Herkunft vor 1066 aber nicht bekannt.
Eine Zuweisung der Stickerei zur Abtei St. Augustinus in
Canterbury in Südengland erscheint möglich, da
es bildliche Parallelen in Darstellungen des Abendmahls
auf dem Teppich mit der Darstellung des Abendmahls im Gospel
Book of St. Augustine gibt, das sich im 11. Jahrhundert
im Kloster St. Augustine befunden haben soll. Die jeweiligen
Parallelen führen zu der Annahme, dass der Künstler
Zugang zu diesen Büchern hatte oder mit diesen zumindest
auf der künstlerischen Ebene vertraut war. Auch bedient
er sich einiger Stilmittel wie „zeigende Finger“, „gebeugte
Schultern“, „gestikulierende Figuren“,
die an die Darstellungen des Utrechter Psalter angelehnt
sind und in Südengland, insbesondere in Canterbury,
im 11. Jahrhundert prominent waren.
So dürfte der Teppich um 1070, definitiv aber spätestens
1082 angefertigt und innerhalb etwa eines Jahrzehnts vollendet
worden sein.
Die in Bild und Text dargestellte Eroberung Englands durch
den Normannenherzog Wilhelm den Eroberer enthält etwa
60 einzelne Szenen, die auch die Vorgeschichte zeigen und
mit der Schlacht von Hastings am 14. Oktober 1066 enden,
in der er über Harold II. siegte. Sie geben Aufschluss über
die damalige Ausrüstung der normannischen und angelsächsischen
Kämpfer, von denen viele auf dem Teppich ein knielanges
Kettenhemd und einen Nasalhelm tragen.
Der Teppich zeigt aber auch zahlreiche andere interessante
Details, so z. B. die erste bekannte bildliche Darstellung
des Kometen Halley, der um die Zeit der dargestellten Ereignisse
den sonnennächsten Punkt erreichte.
Seit 2007 gehört der Teppich zum UNESCO-Programm "Memory
of the World" (Weltdokumentenerbe). Er ist seit 1983
in einem Gebäude in Bayeux ausgestellt, das eigens hierfür
umgebaut wurde.

Ausstellungsraum im ehemaligen Priesterseminar
in Bayeux, der den Teppich in voller Länge präsentiert. © Ville de Bayeux
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