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Bertolt Brecht, Mutter Courage und ihre Kinder

Szene 1: "Wird ihm wohl müssen auch was geben."

Beschreibung:

Zwei Werber begegnen der Händlerin Mutter Courage und ihren drei Kindern und versuchen, einen ihrer Söhne für das finnische Regiment anzuwerben. Der Leser erhält neben einem ersten Einblick in das Besondere des 30jährigen Krieges (Söldnerkrieg, europäischer Krieg) eine erste intensive Vorstellung der Charaktere der Familie Courage. Dabei werden vor allem zwei Eigenschaften der Mutter Courage bereits deutlich:

  1. Sie will am Krieg teilhaben (zieht ihm extra entgegen: "Ich kann nicht warten, bis der Krieg gefälligst nach Bamberg kommt." S. 12) und glaubt, aufgrund ihrer Schlauheit und Resolutheit ihre Kinder aus dem Kriegsgeschehen mit seinen Gefahren heraushalten zu können.
  2. Für Geschäfte ist die Courage immer zu haben - ihre Geschäftstüchtigkeit steuert ihre Handlungen (Ablenkung beim Schnallenhandel).
    Im Dialog der Courage mit Werber und Feldwebel wird eine Kernfrage des Stücks entwickelt: Ist es möglich, am Krieg teilzuhaben, in ihm Geschäfte zu machen, ohne ihm dabei etwas zu geben? Die Absicht (These) der Courage wird bereits in dieser Exposition durch den Handlungsverlauf in Frage gestellt: Eilif wird Soldat, die Familie Courage zieht zu dritt weiter (Antithese). Der Feldwebel formuliert dies deutlich:
    "Will vom Krieg leben / Wird ihm wohl müssen auch was geben." (S. 19)

Der Leser wird somit in eine Beobachterhaltung versetzt, die Brecht intendiert: Er, der aufmerksame Zuschauer (Leser), soll anhand der weiteren Handlung diese und weitere Behauptungen und Gegenbehauptungen prüfen, und er soll sie bewerten.

Wir greifen diese Haltung auf, indem wir die im Stück dargestellten Probleme und im weiteren Geschehen vorgetragenen Behauptungen an einem großen Wandfries festhalten. Im Unterrichtsverlauf werde wir diese weiter verfolgen und abschließend diskutieren und auswerten.

Durch Rollenlesen und szenisches Spielen unternehmen die Schüler einen ersten selbstständigen Versuch, ob der Courage Meinung und Haltung der Wirklichkeit stand hält.

Auf strukturierten Arbeitsblättern zur Familie Courage und den Figuren Mutter Courage, Eilif, Schweizerkas und Kattrin sammeln die Schüler Charaktereigenschaften und wichtige Handlungsschritte.

Unterrichtsschritt I: Rollenlesen der ersten Szene

Schüler in die Unterrichtsarbeit miteinzubeziehen, motiviert diese und trägt zu ihrer Selbsttätigkeit bei, zudem wird Entlastung für die Arbeit des Lehrers bewirkt. Deshalb wählt der Lehrer eine Gruppe von sechs Schülern aus, die nicht nur die 1. Szene dem Plenum vorlesen, sondern auch den Unterrichtsverlauf moderierend mitgestalten wird. Etwa eine Woche bevor mit der Arbeit am Stück begonnen werden soll, wird der Text an sie ausgegeben. Dies kann z.B. während einer Stillarbeitsphase innerhalb einer anderen Unterrichtseinheit geschehen. Der Leseauftrag für die häusliche Vorbereitung lautet: "Überlegt, wie ihr beim Vorlesen durch Gestik, Mimik und Sprache die Eigenschaften der Personen und die Handlungssituation verdeutlichen könnt."

In der Folge finden einige kurze Lese- und Spielproben (z.B. in den großen Pausen oder in Hohlstunden) statt, in der die Gruppe mit dem Lehrer ihre Arbeit überprüft und das Ergebnis verbessert.

Die Lesegruppe trägt den Text der 1. Szene nur bis S. 17 ("... und besteigt den Wagen") vor. Die Inhaltsangabe zur ersten Szene dabei weglassen - in ihr wird mitgeteilt, daß ein Sohn abhanden kommt. Dies sollen die Schüler noch nicht wissen.

Die Schüler erhalten als Hörauftrag die Aufgabe, Notizen über die handelnden Personen ins AB zur Familie Courage, S. 4, einzutragen.

  1. Der Text wird vorgelesen und besprochen.
  2. Die Eintragungen der Schüler im Arbeitsblatt werden ergänzt oder korrigiert (Folie auf Overheadprojektor). Das Bild auf dem AB dient als Orientierung und Bezugspunkt für ev. Lehrerimpulse.

Ergebnisse - Einträge ins Arbeitsblatt, S. 4:

Mutter Courage

  • handelt gern; Mutter von drei unehelichen Kindern; couragiert; schlagfertig; eigenwillig; zieht extra dem Krieg entgegen; will mit Waren für den Krieg Geld verdienen; will ihre Kinder bei sich behalten

Eilif

  • ältester Sohn; mutig; kräftig; vorlaut; möchte gern Soldat werden

Schweizerkas

  • schwächlicher als Eilif; zurückhaltend; einfältig (beschränkt, leichtgläubig); hört auf seine Mutter

Kattrin

  • unauffällig; stumm; nur im Hintergrund

Unterrichtsschritt II: Szenisches Spiel

Die Schüler erproben spielerisch, ob es Feldwebel und Werber gelingen wird, Eilif als Söldner anzuwerben. Dadurch würde die Behauptung der Mutter Courage, mit den Kindern unversehrt durch den Krieg zu kommen, in Frage gestellt.

Ausgangslage:

Feldwebel

  • Soldat; unzufrieden über Männer, die sich vor dem Kriegsdienst drücken; glaubt an das "Zweite Gesicht"; hält den Krieg für einen Ordnungsfaktor der Gesellschaft; zweifelt die Behauptung der Mutter Courage an

Werber

  • kann seine vier Fähnlein (ca. 1200 Söldner) nicht termingerecht anwerben; will Eilif; mag nicht so leicht aufgeben; clever

Stegreifspiel:

  • Werber und Feldwebel versuchen noch einmal, Eilif als Söldner anzuwerben, nachdem der erste Versuch gescheitert ist (erste Szene, S. 17).

Situation:

  • Der Mutter Courage scheint es gelungen zu sein, Werber und Feldwebel von ihrem Vorhaben abzubringen, Eilif als Söldner anzuwerben. Nach Lage der Dinge werden sie wieder einmal erfolglos ins Lager zurückkehren, wenn ihnen nicht noch in letzter Sekunde eine Lösung einfällt. Die Mutter Courage hat sich zu Kattrin auf den Wagen gesetzt, und die Söhne sind im Begriff, den Wagen fortzuziehen.
DER WERBER zum Feldwebel: Mach was!...

Spielaufgabe:

  • Stellt die Personen auf der Bühne auf, versetzt euch in die Situation des Werbers und des Feldwebels und spielt Situationen durch, die ihr für erfolgversprechend haltet. Beachtet dabei genauso die Eigenschaften der Mutter Courage und Eilifs.

Hinweise:

  • Die Schülerinnen und Schüler, die den Text vorgelesen haben, stehen den anderen moderierend zur Verfügung und beraten sie, indem sie auf wichtige Textstellen des ersten Abschnitts, in denen die Fortsetzung angedeutet wird, aufmerksam machen.

Ergebnisse:

  • Da die Schüler wichtige Charaktereigenschaften der Personen kennengelernt haben, werden sie rasch erkennen, daß Eilif verhältnismäßig leicht zu überreden sein wird. Er schwankt zwischen der Karriere als Soldat und seiner Pflicht als Sohn. Die Mutter wiederum würde ja gerne verkaufen (Schnalle). Es kommt nur auf die Cleverness der beiden Soldaten an, die Mutter in einen Handel zu verwickeln.
Tipps zum szenischen Spiel:

Lassen Sie verschiedene Gruppen ihre Weiterführung der Szene vorspielen. Das improvisierte Spiel ist eine gute Vorarbeit zu eigenem Dialogisieren (siehe Hausaufgabe; Schreibanlass):

Die Spiellösungen werden mit dem Fortgang der Handlung im Stück verglichen. Wichtig ist herauszustellen, dass Eilifs Charakter, sein Wollen und die Geschäftstüchtigkeit der Courage das Abwerben ermöglichen. Kattrin als Warnerin wird eventuell im Spiel schon eingebracht.

Die Anwerbungsversuche der Soldaten sind erfolgreich. Die These der Mutter Courage, ihre Kinder aus dem Krieg herauszuhalten ("Meine Kinder sind nicht für das Kriegshandwerk" / "Das müssen nicht meine sein") ist in Frage gestellt. Die gegensätzliche Behauptung, vorgetragen durch den Feldwebel:
"Will vom Krieg leben
Wird ihm wohl müssen aus was geben"
ist durch die Handlung gestützt.

Das AB S. 4 wird ergänzt. Im AB S. 5 werden die Behauptungen zur Courage und zum Feldwebel in die Kästchen (These und Antithese) entsprechend eingetragen:

"Ich will mich und meine Kinder mit meinem Wagen durch den Krieg bringen."

"Will vom Krieg leben / Wird ihm wohl müssen auch was geben."
Zu "Was tut sie (Mutter Courage) als Händlerin ... ... und als Mutter?" tragen Ihre Schüler ein:

Lässt sich in Schnallenhandel verwickeln

verliert dadurch Eilif an das finnische Regiment
Erklären Sie den Schülern das Fischgrätmodell (eine Methode des mind-mapping) am ersten Eintrag zum AB S. 5:

Einer Handlung der Händlerin Courage (linke Seite) steht immer eine Folge für ihre Familie, ihre Kinder gegenüber.

Im weiteren Unterrichtsverlauf ergänzen die Schüler entsprechende Ereignisse und Handlungen zu den Szenen. Der Eintrag in Szene II wird dementsprechend:

Die Courage treibt den Preis eines Kapauns wegen der Heldentat Eilifs hoch

Sie tadelt Eilif wegen seiner Heldentat
Das Erarbeiten des widersprüchlichen Verhaltens der Courage und ihrer doppelten Moral werden dadurch vorbereitet.

Unterrichtsschritt III: Wandfries - Der Weg der Courage

Beginn der Eintragungen am Wandfries "Das Deutsche Reich zur Zeit des 30-jährigen Krieges"
An einer Wand im Klassenzimmer wird ein großes Wandplakat angebracht. Mit Hilfe des Tageslichtprojektors projizieren Sie eine Folie der Karte auf an der Wand befestigtes Papier (Tapeten; Karton ...). Schüler zeichnen eine politische Landkarte für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges stark vergrößert ein. Darauf sollen sowohl der Handlungsverlauf als auch das Personen- und Motivgefüge vereinfacht dargestellt werden. Das Wandfries wird im Verlauf der Unterrichtseinheit immer wieder als Visualisierungshilfe, Gedächtnisstütze und Impulsgeber zur Erschließung und bei Arbeitsaufgaben zur Verfügung stehen. Auf ihm können Sie Bilder aufkleben, die wichtigen Ereignisse festhalten; entwickelte Thesen wie die Frage nach den Tugenden u.a. werden im weiteren Verlauf hervorgehoben (befestigen Sie mittels Pinnnadeln Bilder, Karten mit Bemerkungen und wichtigen Aussagen). Nach und nach entsteht so eine collageartige Strukturskizze des Stücks, die den Weg der Mutter Courage und ihrer Kinder durch den Krieg nachzeichnet.
Die Schüler erhalten im Schülerarbeitsheft die Karte, in die sie selbstständig, die Lektüre inhaltlich sichernd, eintragen sollen.

Die ersten Einträge auf das Fries (siehe Schülerarbeitsheft S. 7):
Orts- und Zeitangabe: Dalarne, Schweden, Frühjahr 1624
Bild: Vierköpfige Familie wird (verkleinert kopiert) angeheftet
Symbol: Symbol für Handel

Am Seitenrand notieren oder Mittels Karten anpinnen (Tipp: Verwenden Sie immer Komplementärfarben wie z.B. rot - grün.):

Mutter Courage will vom Krieg leben, ohne etwas dafür zu geben

"Will vom Krieg leben / Wird ihm wohl müssen auch was geben"
Ergebnis: Eilif geht zu den Soldaten (In der Schülervorlage als Beispiel bereits eingetragen)

Hinweis:
Aufgrund der Handlung und ev. Vorkenntnisse aus dem Geschichtsunterricht können Sie bereits hier auf militärische Merkmale des 30-jährigen Kriegs wie Söldnerheer, Krieg in Deutschland zwischen europäischen Mächten eingehen.

Leitfrage:
Was sucht eine Händlerin aus Bamberg (Bayern) in Dalarne (Schweden)?

Die Materialien S. 14ff, "Der Dreißigjährige Krieg im Überblick" und "Der Krieg ernährt den Krieg/Das Land ernährt den Krieg" bieten dazu Informationen.

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