Epochenbehandlung themenzentriert:
Aufklärung, Sturm und Dang und der Kindsmord

„Die Beliebtheit dieses Themas ist keineswegs zufällig (...) Sozial ist ... die Tragödie des verführten Bürgermädchens nur ein Fall unter den vielen Übergriffen des Feudalismus. Vom Standpunkt der dichterischen Gestaltung aber hat dieses Thema solche Vorzüge, dass es nicht zufälligerweise zum dramatischen Hauptthema der deutschen Aufklärung wurde. Vor allem sind hier in ziemlich prägnanter Weise, in einem leicht nacherlebbaren typischen Einzelfall die widerwärtigsten, das ganze Bürgertum ... spontan empörenden Züge der Unterdrückung konzentriert ... Weiter bietet gerade dieses Thema am wirksamsten den am weitesten im Vordergrund stehenden Gegensatz: den der beiden Moralen, der moralischen Verkommenheit, des moralischen Nihilismus beim Adel und des gesunden, sittlichen Gefühls beim Bürgertum. Endlich kann hier die Schwäche der Bürger, ihre Ohnmacht gegenüber dem Adel vollkommen wahrheitsgetreu dargestellt werden, und es kann doch ihr passiver, echt gewachsener, nicht gewaltsam emporgeschraubter Heroismus zum Ausdruck gelangen. So ist es nicht zufällig, daß selbst bei dem politisch leidenschaftlichsten Dramatiker des Sturm und Drang, beim jungen Schiller, der Soldatenverkauf durch die Fürsten nur eine Episode in der zentralen Liebestragödie bildet.“
(aus Georg Lukacs: Faust-Studien (1940), in: Faust und Faustus, Hamburg 1971 S.179/80)

PHASE 1: Aspekte der Aufklärung

  • Philosophische Aufklärung: „Was ist Aufklärung“ (I. Kant)
  • Plädoyer für religiöse Toleranz: „Ringparabel“ (G.E.Lessing)
  • Reform der Rechtsprechung: Abschaffung der Hurenstrafen (Edikt 1765, Friedrich der Große)
  • Notwendigkeit von Bildungsreform: Einführung der allgemeinen Schulpflicht in Preußen, 1783
  • Moralische Erneuerung, Kampf gegen adlige Unmoral und Müßiggang
Methodische Umsetzung: Lernstationen oder Gruppenpuzzle

PHASE 2: Das soziale Problem „Kindsmord“ und seine literarische Verarbeitung im Sturm & Drang
Einstieg: „Nach der Hinrichtung wurde sie unsterblich“ (Tratschke fragt: Wer war‘s?) - Bericht über die öffentliche Hinrichtung der Susanna Margareta Brandt in Frankfurt 1772, welche im Kreise junger Frankfurter Juristen (Goethe, Wagner) große Empörung und Kritik an der rückständigen Rechtssprechung auslöste.

Zentraler Text Themen
Heinrich Leopold Wagner (1747-79):
Die Kindermörderin -
Ein Trauerspiel in VI Akten
(1775)

Informationen zum Autor:
Gebürtig in Frankfurt, Jura-Studium in Straßburg, mit Goethe bekannt und von diesem beschuldigt, ihm ‚seinen‘ Gretchenstoff „weggeschnappt“ zu haben.
(Dichtung und Wahrheit, Dritter Teil, 14. Buch)
Ehrgefühl und Klassen- bzw. Standesbewusstsein:
  • Bürgerehre (Metzgermeister Humbrecht)
  • Soldatenehre (von Gröningseck und andere)
  • Frauenehre (Evchen Humbrecht)
Dramentheorie: Norm und Abweichung
  • Bürgerliches Trauerspiel
  • Nicht tragisch - aber traurig!
  • Freier Umgang mit der Fünf-Akte-Norm
  • Abweichung von der Sprachnorm: Komik
  • Abweichung von der Ständeklausel: Bürgerwelt
  • Emotionalisierung des Konfliktes


PHASE 3: Weitere zeitgenössische Stellungnahmen zum Vergleich
Reflexion ästhetischer Wirkungsstrategien im Sturm & Drang

Gottfried August Bürger: Des Pfarrers Tochter von Taubenhain, Ballade 1781 THEMEN
  • Die Ballade und ihre dramatische Struktur
  • Frauenbilder
  • Wirkungsabsichten: Aufklärung durch Emotionalisierung
  • Friedrich Schiller: Die Kindsmörderin, Ballade (->Schiller-Pathos)
    J.W.Goethe: Vor Gericht, Ballade 1776 (->Eine starke Frau)
    J.M.R. Lenz: Die Soldaten, Drama 1775, Akt V, Szene 4/5 (->Eine Lösung?)


    SCHLUSS:
  • Aktualität oder Ferne der Thematik: „Kindsmord, Abtreibung, Bildungsnotstand bei Frauen“
  • Argumentieren, diskutieren: Pro und contra 'Baby-Klappe'
  • Inwiefern ist das Problem ein historisches (d.h. gelöst), was ist noch zu tun?
  • Worüber müssten heute Werke geschrieben werden? Gibt es solche?


  • (cc) 

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