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Friedrich von Hardenberg (1772-1801) und seine "Hymnen an die Nacht"
Novalis‘ einziges, in sich abgeschlossenes Werk, veröffentlicht 1800 in der von den Brüdern Schlegel herausgegebenen Programmzeitschrift der Frühromantik, dem "Athenäum".
Es enthält die wesentlichen Gedanken seiner romantischen Religiösität und seines Weltbildes und geht zurück auf einen Besuch, den Hardenberg im Mai 1797 dem Grab seiner Braut Sophie abstattete. In sein Tagebuch schrieb er damals: "Abends gieng ich zu Sophieen. Dort war ich unbeschreiblich freudig - aufblitzende Enthusiasmus Momente - das Grab blies ich wie Staub, vor mir hin - Jahrhunderte waren wie Momente - ihre Nähe war fühlbar - ich glaubte sie solle immer vortreten -". Anklänge daran finden sich in der 3. "Hymne", die auch - im Gegensatz zu den anderen fünf Hymnen - im Präteritum verfasst ist.
Form und Sprache: Eine Hymne ist ein Preisgesang: Das lyrische Ich rühmt einen Gegenstand, dessen Bedeutung und wichtige Eigenschaften er in einem begeisterten (=pathetischen) Sprachgestus hervorhebt. Die hymnische Sprache kann getragen sein vom Überschwang der Gefühle und sich dabei von Formzwängen (Reim/Metrum/Strophenbau) völlig frei machen. Im Vergleich dazu verlangt die Ode, ebenfalls ein feierliches Lobgedicht, eine strengere Einhaltung metrischer Formen (vgl. Hölderlins Oden). Novalis hat die Hymnen zunächst in Versform verfasst und sich dann für ein wie Prosa erscheinendes Druckbild entschieden; eine Ausnahme bildet die 6. Hymne.
Thematik und Aufbau: Das Thema der Hymnen ist die Überwindung des Todes. Durch die Erkenntnis vom Vorhandensein eines "höhern Raums", einer transzendentalen Sphäre erscheint der Tod nicht mehr als das schreckeneregende Ende, sondern als Beginn eines höheren Daseins. Für diese höhere Sphäre wählt Novalis das dichterische Bild der Nacht.
Die 1. Hymne macht die dialektische Zusammengehörigkeit, das aufeinander Angewiesensein von Licht und Nacht, von Leben und Tod deutlich: Die Nacht unterliegt nicht den Begrenzungen der "irdischen Natur" und eröffnet so eine "heilige Welt". Diese Erkenntnis/ Offenbarung wird dem Dichter durch die grenzüberschreitende Liebe zu seiner verstorbenen Braut zuteil.
Die 2. Hymne stellt die Enttäuschung des nach solcher Vision Erwachenden dar. Wie kann nun - so stellt sich die Frage - derjernige, der gerade die heilige Nacht entdeckt hat - mit dieser auch am Tage kommunizieren? Im Rausch? In Drogen ... oder wie? Solche Brücken können nur vorübergehend geschlagen werden. Gibt es andere, tragendere Brücken zwischen diesen beiden Reichen?
In der 3. Hymne wird Bezug genommen auf das Erlebnis am Grabe Sophies. Durch die Vision am Grabe erfährt das lyrische Ich eine Art Neugeburt, durch die er zum Bürger beider Welten wird.
Die 4. Hymne verdeutlicht, wie dies zu verstehen ist: Der Dichter wird nun zum Künder dieser Verbindung zwischen der irdischen Welt des Lichts und dem höheren Reich der Nacht. Die Integration beider Welten sieht nicht so aus, dass dem Leben der Tod entgegengestellt wird, sondern dass die Tagwelt durch das Wissen um die Nachtwelt "mit Liebe (ge)heiligt" wird.
Die 5. Hymne überträgt diesen Erweckungsprozess auf die ganze Menschheit: Der Mensch bedurfte schon immer eines Mittlers zu aller religiöser Erfahrung. Was dem Dichter die Geliebte war, das ist Christus für die Menschheit: Die Synthese aus der Antike mit ihrem kindhaft-naiven Götterglauben einerseits und der nüchtern-modernen, gottlosen Aufgeklärtheit andererseits. Erst durch Christus ist der Widerspruch von Tod und Liebe aufgehoben, der Tod verliert seinen Schrecken und kann als Stufe zu einem höheren Dasein, dem "Reich der Liebe" empfunden werden.
In der 6. Hymne ist dann die Sehnsucht nach dem Tode nicht als Weltflucht zu verstehen, sondern als dichterisches Bild für eine Transzendenzerfahrung, die dem Menschen als dem irrenden "Fremdling" eine neue "Heimat" gibt.