Dr. E. Bolleter: Bilder und Studien von einer Reise nach den Kanarischen
Inseln (1910)
Kapitel 3: Entstehungsgeschichte von Tenerife
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Kapitel 2 ] [
Index ] [
Kapitel 4 ]
In frühern erdgeschichtlichen Perioden, existierte, wie die Geologen jetzt allgemein
annehmen, zwischen Afrika und Südamerika eine kontinentale Verbindung, die "Südatlantis". Ihre
Nordgrenze bezeichnete ein Faltengebirge, das die Fortsetzung des hohen Atlas nach Westen
bildete, sich über die Kanarischen Inseln erstreckte und bei der Insel Trinidad sich
an die östlichen Ausläufer der Kordilleren von Südamerika anschloß.
Schon vom Cambrium an wechselte die Konfiguration der Südatlantis öfters, doch blieb ihr
kontinentaler Charakter bestehen. Zu Beginn des Tertiärs traten bedeutendere Änderungen ein. Die
bisherige Landbrücke zwischen alter und neuer Welt wurde zerrissen; das Meere flutete von Norden und Süden
herein, und nur die höchsten Teile des genannten Gebirgszuges blieben noch eine Zeitlang erhalten.
Es existierte so eine Inselreihe von Trinidad an bis zu den heutigen Kanaren, an deren Stelle
wir damals schoneinen Archipel annehmen dürfen. Im Oligozän griff das Meer nach weiter um sich;
die erwähnten Inseln wurden ganz oder teilweise unter Wasser gesetzt, ferner auch Marokko, Algier und Tunesien
überflutet. Doch bestanden alle diese Gebiete als Untiefen fort und vermittelten den Zusammenhang
der westindischen marinen Tiere mti den mittelmeerischen (Korallen, Krebse, Schnecken,
Muscheln, Seeigel u. a.). Aber schon im Miozän gewann das Land an Ausdehnung wieder mächtig.
Nordwestafrika tauchte aus dem Meere empor und umfaßte selbst die Kanaren und Kap Verden. Der
Küstensaum verlief damals etwa in der Gegen der jetzigen 4000 m Isobathe. Auch im Norden
griff der Kontinent weit über seine heutige Küste hinaus; die schmale Meeresstraße, die
ihn von Europa trennte, erstreckte sich auf die ganze Länge von Südspanien ungefähr bis Cap da la
Nao. Im Pliozän gingen wiederum großartige Änderungen vor sich. Der ganze nordwestliche Küstenstrich
des damaligen Afrika bis zum heutigen Gestade des Kontinents sank in die Tiefe, wobei gebirgige
Partien, besonders die westliche Fortsetzung des Atlas, als Inseln bestehen blieben. So entstanden
die Kanaren.
Die gewaltigen tektonischen Veränderungen im Verlaufe des Tertiärs riefen begreiflicherweise eine
lebhafte vulkanische Tätigkeit in der Randzone des nordwestlichen Afrikas hervor, besonders
mächtig im Gebiet der heutigen Kanarischen Inseln. Heute noch ist der Vulkanismus hier nicht
erloschen; seit der Eroberung durch die Spanier im 15. Jahrhundert haben Tenerife, Palma und Lanzerote
bedeutende Eruptionen gehabt [ Palma in den Jahren 1585 und 1677; Lanzerote 1730-36 und
1828. Die kolossalen Ausbrüche, die hier vom 1. Sept. 1730 bis 26. April 1736 ohne wesentliche
Unterbrechungen fortdauerten, bedeckten den dritten Teil der Insel mit Lava. 30 Lapillikegel von
200-400 Fuß Höhe wurden aufgeschüttet, die in einer ostwestlich gerichteten Linie liegen. ].
Die ältesten Steine, die wir von den Kanaren kennen, sind Diabase, also sehr alte Ergußgesteine.
Auf Fuerteventura, Gomera, Gran Canaria und Palma steht die Diabasformation an; auf der Insel Tenerife ist ihr
Vorhandensein durch Auswürflinge bewiesen, welche sich in den Schlackenmassen des Anagagebirges und an
den unteren Hängen des Piks befinden. Auch im westlichen Atlas kommen Diabase vor. Zweifelsohne gehören
diese Gesteine der südatlantischen Periode an [ Auf den Kap Verden finden sich neben den gewöhnlichen
vulkanischen Produkten nicht nur Diabase, sondern auch Diorite, Syenite, Gneise und anderen kristallinische
Schiefer, ferner ältere Kalke. Das weist darauf hin, daß sie direkte Trümmer des verschwundenen Südatlantis
sind. Einige Inseln besitzen bedeutende Vulkankegel, während es auf den anderen zu namhafter Eruptionstätigkeit
kam. Nur Fogo ist jetzt noch tätig. ]. Die ältesten basaltischen Ergüsse stammen aus dem Eozän. Auf dem
Gebiete der heutigen Insel Tenerife bestanden damals höchstwahrscheinlich zwei Inseln; nach
den jetzigen Bezeichnungen der Lokalitäten können wir sie Teno-Adeje und
Anaga nennen. Die erstere erstreckte sich der ganzen heutigen Westküste entlang.
Anaga umfaßte das Gebiet östlich von Laguna und endigte gegen Westen in zwei
auseinanderlaufenden Armen, die eine weite Bucht umfaßten. Die Erhebungen
dieser Inseln betrug etwas über 1000 m. Sie stellten im allgemeinen Längsrücken
dar, in deren Mitte mächtige Schlackenanhäufungen die Ausbruchsstellen
bezeichneten, während auf den Seiten die festen Lavenbänke in pseudoparallelen
Schichten angeordnet waren.
Im Anfang des Miozäns, wahrscheinlich gleichzeitig mit der Hebung des
nordwestlichen Afrikas, ereigneten sich eine große Zahl mächtiger Ausbrüche,
deren Zentren zwischenden beiden vorhandenen Inseln lagen. Sie waren auf einer
langen Spalte angeordnet, welche senkrecht zum Höhenzuge von Teno-Adeje verlief.
Dieser selbst verhinderte die Fortsetzung derselben; die Ausbruchsmassen
wurden hier gezwungen, sich an über eine Fläche verteilten Stellen Durchbruch
zu verschaffen. Die Laven aber stauten sich hinter dem bestehenden Gebirge
hoch empor, bedeckten es großenteils und flossen auf der Süd- und Westseite
durch die bestehenden Täler hinab ins Meer. Ein solches altes Tal, das zum Teil
druch solche Laven ausgefüllt ist, ist das Valle de San Lorenzo. Im Norden
bildeten die über 1000 m hohen Berge von Teno einen unübersteiglichen Damm gegen
die andrängenden Laven, welche infolgedessen nach Westen oder Norden abfließen
mußten. Das Resultat all dieser Eruptionen, die zeitlich allerdings weit
auseinander liegen mochten, war ein mächtiges Gebirge, das im Osten einen
langen, schmalen, 2000 m hohen Rücken darstellt, die Cumbre, im Westen aber die Form
eines gewaltigen, flachgewölbten Domes besaß. Die höchste Erhebung desselben
lag in der Gegen des heutigen Guajaragipfels (2715 m), der in der direkten
Fortsetzung der Cumbre liebt. Nach Osten verflachte sich die Cumbre; ihre Laven
bedeckten den westlichen Teil der Anagainsel. Die tiefe, breite Einsenkung,
welchen anfänglich noch zwischen dem alten und dem neuen Gebirge existierte, wurde
durch viel spätere Ausbrüche ausgefüllt und so erhöht. Wir finden darum heute
in der Lagunaebene und an den östlichen Hängen der Cumbre eine
ganze Anzahl prächtiger junger Vulkankegel.
Von einem hochaufragenden Pik war nach all diesen Eruoptionen nichts zu
sehen. Wo er sich heute erhebt, befand sich damals ein riesenhaftes Hochplateau,
auf dem sich allerdings einzelne kleinere Ausbruchskegel und Höhenzüge
erheben mochten. An den Abhängen des Berges bildete die Erosion zahlreiche
Schluchten aus. Die Richtung der Wasser wurde meist durch vorhandene Lavaströme
bestimmt. Die Wechsellagerung fester Lavenbänke und weicher Tuffmassen
begünstigte ein rascheres Einsägen. An der steileren Westseite scheint dasselbe
rascher geschehen zu sein als im Süden und Osten; hier finden wir tiefe alte
Flußläufe (Barrance Infierno). Auch greifen die Täler in größere Höhen über als
anderswo. Die ausgiebigste Erosion fand aber wahrscheinlich nach Norden statt.
Gewaltige Explosionen, die nur mit denjenigen des Krakatau verglichen werden
können, schufen hier an den Seitengehängen des domes zwei Kesseltäler (valles),
diejenigen von Orotava und Icod. Die Wände derselben nahmen gegen das
Meer zu an Höhe ab; dort waren sie vielleicht so niedrig und schwach, daß das
hier stark brandende Meer sie leicht zerstören konnte und in den Krater einbrach.
Möglicherweise drang das Wasser von Anfang an in die Kessel ein. An den
steilen Hängen arbeitet die Erosion rasch, um so mehr, als die sich gegen das
Innere stärker einstellenden Schlackenmassen das Eingraben erleichterten. Wahrscheinlich
erreichten die rückwärts greifenden Gewässer neue Gebirgskessel; diese waren auf
dem früheren Plateau durch Explosion oder Einsinken einzelner Teile desselben
in die ursprünglichen Eruptionskanäle entstanden. Einmal der Erosion
zugänglich gemacht, wurden diese Kessel rasch erweitert, die trennenden
Hochflächenpartien nach und nach verschmälert und vernichtet, wo nicht
härtere Felsmassen die einschneidende Tätigkeit des Wassers erschwerten. Solch
eine Scheidewand stellendie Peñones de Garcia dar, ein steilwandiger,
schmale, in spitze Zacken verrisener Höhenzug, der den Riesenzirkus, welcher
an Stelle des einstigen Hochplateaus getreten ist, im Süden in einem
westlichen und östlichen Abschnitt zerlegt. Das Areal dieses gewaltigen Kessels
beträgt 188 km2. Seine Steilränder bilden die heutigen Cañadas.
Im südlichen, namentlich aber im westlichen Teil ist dieser Ringwall von Tälern
durchsägt; meist führen Pässe durch diese Sattelbildungen. In diesen Schluchten
wie in den Cañadaswänden selbst ist der innere Bau des äußern
Domgebirges auf schönste offenbart; phonolithische und trachytische Laven
in oft mächtigen, weit ausgedehnten Strömen wechseln in pseudoparalleler Lagerung
mit helleren Tuffmassen. Die Außenhänge sind fast überall mit basaltischen
Laven bedeckt. Hie und da sind sämtliche Schichten von Gängen durchsetzt
[ Rothpletz (1889) schreibt die Bildung des Cañadaskraters vulkanischen
Kräften zu, während Fritsch und Reiß (1868) der Erosion den Hauptanteil
zuerkennen. Die Anhänger der Explosionstheorie weisen auf die gewaltigen
Wirkungen der Krakatau-Explosion hin. Doch darf nicht vergessen werden, daß
dieselbe nur ein Gebiet von etwa 30 km2 betraf; der Krater von
Tenerife besitzt ein sechsmal größeres Areal, müßte also das Resultat eines
ganz ungeheuren Ausbruches gewesen sein. Von der 33 1/2 km2 großen
Insel waren nach der Krakatau-Eruption 10 1/2 km2 übrig geblieben;
dafür waren an den Rändern der Ruine breite Streifen von vulkanischen Produkten
neu angeschwemmt worden, so daß die neue Insel jetzt 15 1/2 km2 mißt.
Es ist wahrscheinlich, daß bei einem so riesenhaften Ausbruch in Tenerife, wie
wir ihn annehmen müßten, auch bedeutende Ablagerungen im Meere wie an den
Hängen des Berges vorhanden sein müßten; bis jetzt fehlt jede Spur von solchen.
Zwar findet man vielorts auf der Insel die sogen. Toska, ältere tuffähnliche
Bildungen, die durch jüngere Eruptionsmassen bedeckt sind; ihre Mächtigkeit
und Ausdehnung ist aber stets so beschränkt, daß sie ganz wohl durch die
bei gewöhnlichen Ausbrüchen erzeugten Schlacken und Aschen gebildet sein
können. - Man kann sich indessen auch fragen, wohin - bei Annahme der Erosion -
denn die erodierten Gesteinsmassen gekommen seien, welche zu Tal geführt werden
mußten. Sie dienten in erster Linie zur Ausfüllung der beiden bedeutenden
Krater, welche sich bei Icod und Orotava gebildet hatten. Das Tal von Orotava
ist vollständig bedeckt durch Laven, welche von Ausbruchsstellen an der
Cumbre und in der Talsenke selbst sich über dasselbe ergossen haben, und
Tuffen, die über das Land ausgestreut wurden. Andere Ströme kamen von den
Cañadas her und flossen durch den Portillo in die Mulde hinein. Auf
diese Weise entstand ein unentwirrbares Gewirr von Lavaströmen, Tuffen und jungen
Konglomeraten, welche den Grund des Tales überall verbergen. Die Erosionsmassen
von Icod wurden vollständig durch die Laven des Piks bedeckt.
Diejenigen, welche die Bildung des Zirkus durch Explosion erklären, weisen als
Argument gegen die Erosion auf die geringen Niederschlagsmengen der Höhenregionen
hin, welche eine solche gewaltige Kesselbildung nicht zustande gebracht haben
können. Wir wissen aber bestimmt, daß früher viel bedeutendere Regenmengen
niedergingen als heute. Siehe pag. 62. Wenn gesagt wird, daß ein Sammelgebiet
für die Gewässer fehlte, so ist dies nicht richtig; zweifelsohne lag in der
Gegend des Guajaragipfels die höchste Partie des Domes, so daß der größte Teil
des Zirkus am nördlichen Hange ausgewaschen wurde. Übrigens ist der Erosion
ja nicht der ganze Kessel zuzuschreiben; sie vergrößerte nur vorhandene Einsturz-
oder Explosionskrater.
Zudem ist nicht die Menge der Niederschläge allein maßgebend; die Heftigkeit
der Regengüsse ist für die Erosion besonders wichtig.]
In dem Stadium, in dem Tenerife nunmehr angelangt ist, zeigt die Insel im
allgemeinen ihre gegenwärtige dreieckige Gestalt; in den Eckpunkten ältere,
tiefdurchfurchte, ca. 1000 m hohe Gebirge, im westlichen Teile aber einen
umfangreichen domförmigen Berg von über 2000 m Höhe, dessen gesamte Gipfelpartie
jedoch verschwunden ist und einen Riesenkrater mit steilen Wänden darstellt.
Die Außenhänge des Domes sind von Wasserrinnsalen durchfurcht oder weisen
Explosionskessel auf, deren Boden durch Erosionsmassen ausgefüllt sind. Vom östlichen
Teile desselben aus führt ein hoher Bergrücken nach Osten, die Cumbre.
Nach langem Stillstand begann für die Insel eine neue, die letzte Periode
großartigster vulkanischer Tätigkeit. Wahrschein geschah dies in der Zeit, da die
Landbrücke nach Afrike hinüber zusammenbrach; die gewaltigen tektonischen Änderungen
waren zweifelsohne von außerordentlichen Eruptionen begleitet. Wie bei Santorin
wurden dieselben eingeleitet durch Auswerfung ungeheurer Massen von
Bimsstein; dieses Material bedeckte den Kraterboden, dem später an mehreren Punkten
mächtige Lavamengen entquollen vollständig. An manchen Stellen wurde die
Umwallung erreicht, und die Täler, die früher den Abfluß der Wasser vermittelt
hatten, wurden jetzt die Betten von Lavaströmen. Im Norden erfüllten die Laven
das Tal von Icod vollständig, dasjenige von Orotava wenigstens zum Teil. Durch
diese Eruoptionen wurden gebildet der Rastrojoshügel, die Montaña Blanca,
zahlreiche kleinere Kegel im Westen, vor allem aber der mächtige
Pico viejo (3136 m), der heute noch einen 150 m tiefen, steilwandigen Krater
von 1 1/2 km Durchmesser aufweist. Anfänglich bestand zwischen diesem Berg und
der Montaña Blanca eine sattelartige Einsenkung; neue Ausbrüche füllten
diese größtenteils aus und türmten aus Schlacken, Laven und Bimsstein einen neuen,
höhern Berg empor, die Rambletta (3400 m). Der Nordabhang desselben verschmolz
mit den nördlichen Flanken der genannten Berge zu einer einzigen Fläche.
Wahrscheinlich wies der Gipfel der Rambletta einen Krater auf wie der
Pico viejo. Durch eine spätere Eruption wurde derselbe ausgefüllt und an
seiner Stelle baute sich endlich der letzte Kegel des Teydegebirges, der
Piton, auf. Nur ein schmaler Absatz an dessen Fuß läßt noch die ursprüngliche
Größe des Ramblettagipfels erkennen.
Zweifelsohne waren auch die Ausbrüche selbst von Bimssteinauswürfen begleitet.
Ein Hauptherd derselben war die Montaña Blanca; so kommt es, daß wir
im östlichen und nordöstlichen Teile die ausgedehntesten Bimssteinfelder finden.
Auch der inden großen Höhen aus SW wehende Antipasset mag zu dieser Erscheinung
beigetragen haben, indem er das Ausbruchsmaterial der verschiedenen Eruptionszentren
nach Osten und NO trieb.
Diese Vorgänge reichten bis in die jüngste geologische Periode hinein, ja
sie dauern heute noch fort. Doch vermochten die Ausbrüche in historischer Zeit
am Aufbau der Insel keine wesentlichen Änderungen mehr hervorzurufen. Am
bedeutendsten war die Eruption, welche die Bildung der drei Puertokegel zu verdanken
ist. Es sind die die kleinen, aus dem Gelände aufragenden, jedem Besucher
des Tales von Orotava wohlbekannten Schlackenkegel der Montaña de la Horca
(Orgelberg), M. de los Frailes (Mönchsberg) und M. de Realejo. Die erstere
befindet sich dicht hinter dem Humboldtkurhause. Nach einer Tradition der
Guanchen dürfte die Entstehung diese Kegel ums Jahr 1420 stattgefunden haben.
Der östlichste derselben, die M. de la Horca, besitzt eine Höhe von 80 m
über dem umgebenden Terrain. Aus einem weiten Seiteneinschnitt ergoß sich ein
mächtiger Lavastrom, der sich in bedeutender Breite nach dem Meere
hinabzog. Wasserfallartig floß er über die die steile Küste und stürzte
ins Meer, dasselbe zurückdrängend und ein festes flaches Vorland bildend.
Auf diesem ist
Puerto Orotava erbaut. Auch von der Montaña de los Frailes ergoß
sich ein breiter Lavastrom ins Meer; auf dem Landvorsprung, den er außerhalb
der frühern steilen Klippe bildete, stehen die Häuser
von Punta brava. Die Laven des Kegels von Realejo bildeten einen unbedeutenden
Strom; kaum vermochte er das Meer zu erreichen [ Siehe hierzu Umschlagsvignette. ]
- Ähnliche Schlackenkegel wie die genannten finden sich im Norden des Tenogebirges
unweit der Küste; über die Zeit ihres Ausbruchs ist nichts festzustellen. Die
meisten sind gegen das Meer hin geöffnet. Auch sie haben ein ganz bedeutendes
Vorland geschaffen, dasjenige auf welchem Buenavista liegt. In merkwürdig großer
Zahl (80) liegen solche Schlackenkegel auf der Hochfläche von Bilma westlich
vom Pico viejo. Sie sind dicht gedrängt, einzelne bis 100 m hoch; die meisten
sind heute noch kahl.
In den Jahren 1704-1706 fanden Lavaergüsse auf der Südseite der Insel
oberhalb Guimar statt, welche von starken Erdbeben begleitet waren.
Verhängnisvoll wurde ein Ausbruch am Nordabhang des Piks im Jahre 1706. Die
Eruption erfolgte in 1300 m Höhe, sie bildete einen etwa 100 m hohen
Schlacken- und Aschenkegel, die Montaña Negra. Die Lava bildete zunächst
auf dem wenig geneigten Boden ein großes Lavanfeld, aus welchem dann
mehrere Ströme hervorbrachen, die sich zur Küste hinab ergossen. Das Dorf
El Tanque und die Stadt Garachico wurden zerstört, wobei eine große Zahl von
Menschen ums Leben kamen; der Hafen des Ortes, der für den besten der Insel galt,
ward ausgefüllt. Noch heute erkennen wir die Ströme, die sich als dunkle Dämme
über das sonst bebaute Gelände herabziehen; es hieß früher "el antepecho de
Esmeralda", die Smaragdmauer, wegen des üppigen
Grüns der Felder, Gärten, Weinberge und Wälder.
1798 ereignete sich ein bedeutender Ausbruch am Westabhang des Piks
in 2500 m Höhe an der Chajorra. Es entstand ein Explosionskrater, in dessen
Wänden die Lavenströme des Pico viejo aufgeschlossen sind; unterhalb desselben
wurden drei Schlackenkegel aufgeworfen. Die Lava, die dem obersten entquoll,
teilte sich in zwei Arme, von denen der eine nach Süden abfloß und die
Cañadasumwallung erreichte, während der andere sich nach
Westen wandte und einen Taleinschnitt benutzte, um über die äußern
Berghänge bis gegen Chio hinzufließen.
Im 19. Jahrhundert beschränkte sich der Vulkanismus von Tenerife auf die
Fumarolentätigkeit des Piks. Im Innern und am obern Rand des Gipfelkraters
entwichen noch 1908 aus allen Ritzen und Fugen die Wasserdämpfe, die eine
Temperatur von etwa 80o aufwiesen, und wie der Geruch schon
anzeigte, schweflige Säure mit sich führten. Im allgemeinen indessen muß diese
Dampfentwicklung eine geringe genannt werden; die Verdichtung zu einem Wölkchen
war erst bei Annäherung an den Pik wahrnehmbar. Zeitweise war sie bedeutender;
Biermann beobachtete vom Dezember 1886 bis Februar 1887 die Rauchausbrüche
schon von Puerto aus. - Bekannt waren ferner lange Zeit die als Narices del Teyde
(Nasenlöcher des Teyde) bezeichneten Dampfquellen , welche etwas unterhalb der
Rambletta am Ostabhang des Piks sichtbar waren. Die Wasserdämpfe, deren
Temperatur zirka 50o betrug, entwichen aus den Spalten eines Lavastromes;
Schwefelabsätze wie am Pik waren keine vorhanden. Jetzt scheinen diese Narices
erloschen zu sein [ Ähnliche Exhalationen beobachtete Smyth oberhalb der
Eishöhle. Auf solchen Ausströmungen beruhte die von Humboldt beobachtete Scintillation
der Sterne. ].
Wegen der geringen vulkanischen Tätigkeit glaubte man allgemein, der Pik
sei im Erlöschen begriffen. Die jüngsten Vorkommnisse auf Tenerife zeigen, daß
die Annahme unrichtig war. Schon im Frühjahr 1908 wurde die Insel durch kurze
Erdstöße heimgesucht, welche indessen wegen ihrer Schwäche und kurzen Dauer
die Bewohner keineswegs beunruhigten [ Man schrieb sie den allgemein verbreiteten
tektonischen Änderungen zu, die nach dem Erdbeben von Messina sich geltend machten.
Übrigens traten auf Tenerife auch dann zuweilen Erdbeben auf, wenn auf den
benachbarten Inseln eine bedeutende Eruption erfolgte, z. B. auf Palma. ]. Am
17. November 1909 aber öffnete sich plötzlich auf der Hochfläche von Chinyero
(1400 m), unweit der Ausbruchsstelle von 1706, ein Krater, der unter starken
Erschütterungen dichte Rauchwolken und glühendes Gestein ausstieß.
In den nächsten Tagen bildeten sich in der Nähe noch andere Öffnungen, welche
ebenfalls große Mengen von Laven zutage förderten. Diejenigen, die anfangs die
Nordseite der Insel bedrohten (wiederum El Tanque und Garachico), kamen bald zum
Stillstand; um so schreckenseinflößender waren die Ströme, die sich in
mehreren Armen gegen Westen, gegen Santiago und Tamaimo hin, ergossen und diese
Ortschaften gefährdeten. Doch ließ die Intensität der Lavaergüsse bald nach;
am 29. November war die Tätigkeit wieder erloschen. -
Es ist selbstverständlich, daß in steter Wechselwirkung mit den
aufbauenden vulkanischen Kräften stets zerstörende, übtragenden Agentien
tätig waren, in der Küstenregion vor allem das Meer, an den Hängen die
Erosion, in höhern Regionen die Denudation.
Die heftigen Luftbewegungen über dem nordatlantischen Ozean senden einen
mächtigen Seegang an die westlichen Gestade von Tenerife. Auch bei windstiller
Luft und wolkenlosem Himmel wird dadurch eine Brandung bewirkt, wie sie in
andern Breiten nur zur Zeit des Sturmes entstehen kann. In Linien von über 2000 m
Länge ziehen die Schaumkämme heran und überstürzen mit mächtigem Tosen. Durch
die zusammengebrochenen Wassermassen werden Steinblöcke von vielen Zentnern
Gewicht ans Land geworfen. Trotzdem Puerto Orotava gegen den direkten Anprall
der Wogen durch eine 200 m breite Zone von Klippen geschützt ist, sind dort schon
Zentnerblöcke über die 3 m hohe Mauer des westlichen Stadtteils geschleudert
worden. An den Molen steigen die Wasser nicht selten geysirartig bis 25 m
Höhe. Besonders großartig war nach Biermann das Brandungsschauspiel im Januar
1885. Bei der Ladera von St. Ursula, welche 180 m tief ins Meer abstürzt, war ein
einzelstehender Fels von 75 m Höhe zeitweise vollständig von Gischt überdeckt,
und in den Kaminen der Felswand stiegen die Schaummassen bis 100 m empor.
Eine solche Brandung muß einen großen Einfluß auf die Gestaltung der
Küste haben. Die stahlharten Laven der ins Meer geflossenen Ströme werden immer
mehr zerfurcht und zu wildgestaltigen Felsmauern umgeformt, die von den
Wogen mit verstärkter Gewalt gepeitscht werden. Stück um Stück
löst sich los. Das entstandene Trümmergestein aber wird von den Fluten in
ununterbrochener Bewegung an die Felsen geschleudert, wo es wetzend und
malmend sein immewährendes Zerstörungswerk vollbringt. Fast an der ganzen
von der Brandung betroffenen Küste finden wir darum steile Klippenabstürze,
Riffe und Pfeiler. An manchen
Stellen sind tiefe Buchten ausgewaschen worden. Eine solche befindet sich im
Westen von Puerto. In derselben stehen zwei mächtige schwarze Felsen von
seltsam gedrehter Gestalt, weshalb sie den Namen Riscos de Burgado (Burgado-Kreiselschnecke)
erhalten haben. Mit wildem Donnern und Dröhnen fängt sich die Brandung in diesem
Kessel, und die Wasser werden wütend an den Felsen hoch emporgepeitscht. - Eine
Interessante Brandungserscheinung sind auch die Bufaderos (Blaslöcher), die wir
an manchen Orten wahrnehmen können. Folgt unter flachen, bloßgelegten
Lavenbänken an Fuße der Klippen eine nachgiebigere Schlacken- oder Tuffschicht,
so wird so früher als das feste Gestein ausgespült, und dieses bildet eine
Decke oder Brücke über dem entstandenen Hohlraum. Wird dieselbe an einer
beschränkten Stelle durch die Brandung zerstört, so entsteht ein Bufadero.
Die Wogen pressen unter dem gebildeten Gewölbe bei ihrem Andrange die Luft zusammen;
laut tosend entweicht sie durch die Öffnung, worauf der Gischt springbrunnenartig
viele Meter in die Höhe geworfen wird.
Es ist klar, daß der Prozeß der Steilklippenbildung weit in frühere
Perioden zurückreicht. Bei neuen Ausbrüchen ergoß sich dann die Lava wasserfallartig
über diese Klippen hinab, vorhandene Buchten ganz oder teilweise ausfüllend, oft
aber weite Vorsprünge ins Meer bildend. Das erstere finden wir z. B. etwa
2 1/2 km östlich von Puerto an der Mündung des Barranco de las Arenas. Die
Häuser von las Vegetas stehen auf einer ca. 50 m hohen Terrasse; es ist die
Steilküste einer halbkreisförmigen Bucht, welche durch herabfließende Laven
ausgefüllt wurde. Die Wände des tief eingeschnittenen Barranco de las Arenas
geben hierüber deutliche Aufschlüsse. Ein Beispiel für die Bildung von Vorland
haben wir bereits bei der Montaña de la Horca und de los Frailes kennen
gelernt. Weiter zurück zeitlich fällt die Bildung des Vorsprunges von
Guindaste, 2 km westlich von der Burgadobucht. Ein Lavastrom ergoß sich über
die alte Steinklippe ins Meer und erzeugte die Halbinsel, auf welcher von den
Barrancos angeschwemmte Schuttmassen die fruchtbare Terrasse "Rambla del Castro"
bildeten. Wo solches Vorland existiert, finden wir stets einzelne Häuser oder
ganze Ortschaften auf ihm erbaut; fehlt es, so treffen wir die Dörfer mehr oder
weniger nah am Rand des Steilabfalls hoch über dem Ozean.
Manchenorts sind ähnliche Landvorsprünge auf die Anschwemmung von Bächen
zurückzufähren. So ist von dem Barrance Martianez bei Puerto ein breiter
Flachlandstreifen abgelagert worden, der über den Lavastrom der Montaña de la
Horca hinausgreift. Oft aber ist der Geröllstrand nicht auf die Mündungsstellen
der Täler beschränkt, sondern stellt lediglich ein Produkt der
Meersbrandung dar. So kommt es, daß sich sozusagen um die ganze Insel ein Schuttkegel
befindet, der sich mantelförmig um dieselbe herumlegt und bis auf 100 m Tiefe
einen flachen Meeresboden bildet. Die zahlreichen Lithothamnien, Konchylien und
Korallen liefern das Material für eine allmähliche Verkittung der Gesteinstrümmer.
Diese Zementation kann besonders deutlich am klippenreichen Lavenstrande verfolgt
werden; in den Vertiefungen der unregelmäßigen Oberfläche bleiben die Brandungstrümmer
zurück, vermischt mit Muscheln, Schnecken usw. Der von den letzern stammende Kalk
verbindet sie schließlich zu breccienartigen oder feinkörnigen Massen. Solche
Bildungen mit sehr unregelmäßiger Unterlage kommen gelegentlich zwischen den
Laven der Steilklippen selbst vor, was auf eine Hebung des Bodens schließen
läßt.
Die Wirkung der Erosion ist stets eng im Zusammenhang mit den Niederschlägen.
Dieselben sind auf Tenerife so geringfügig, daß in der Küstenzone eine Kultur
ohne künstliche Bewässerung ausgeschlossen ist. Die Jahresmenge beträgt 327,5 mm
und verteilt sich fast ausschließlich auf die Winter- und Frühlingsmonate (Oktober-April);
im November allein fällt oft beinahe die Hälfe des ganzen Betrags. Günstiger
gestalten sich die Niederschläge in den Regionen von 700-1800 m, da Tenerife
und die übrigen westlichen Kanaren den größten Teil des Jahres unter dem
Einfluß des Nordostpassates stehen. Er bewirkt, daß sich in der genannten
Höhe ein Wolkendach bildet, welches den ganzen Sommer über die Hänge des Piks in
breiter Zone krönt und Schatten und Niederschläge spendet, während die
Litoralzone dann einer monatelangen konstanten Besonnung ausgesetzt ist.
Natürlicherweise tritt an der Nordseite der Insel viel stärkere Wolkenbildung
auf, als auf der Südseite, die im Windschatten liegt und mehr den kontinentalen,
trockenen Winden zugänglich ist. Der oberste Kegel des Piks ist fast stets
wolkenfrei.
Infolge der geringen Regenmenge ist die Tätigkeit des fließenden Wassers
auf Tenerife im allgemeinen keine sehr bedeutende. Es fehlt
an beständig fließenden Gewässern beinahe vollständig; einzig die nordöstlichen
Teile des Anagagebietes weisen solche auf. Nur nach ungewöhnlich starken
Regengüssen kommt es vor, daß auch die sonst trockenen Betten braunrote
schäumende Wassermassen herabführen, welche selbst auf größere Entfernungen hin
das Wasser des Meers trüben; doch dauert dies Schauspiel selten länger als
einige Stunden. Im November 1879 war der Bach einer östlich von Puerto
liegenden Schlucht so stark angeschwollen, daß zahlreiche Felder und Häuser tief
mit Schutt bedeckt wurden. In solchen Zeiten wird stark erodiert. Die
vorhandenen Schluchten vertiefen sich und werden zu Cañons, besonders
in den tiefern Regionen [ Gemäß dem Gesetz der Cañonbildung: sie
entwickeln sich am ehesten da, wo die Gewässer regenreicher Gebiete ihren Weg
durch regenarme suchen müssen. ]. Der hier mangelnde Zufluß von der Seite
ermöglicht, daß die Felswände sich lange Zeit in der Steilheit erhalten, wie sie
durch die Hauptwasserader ausgenagt wurde. Die entstandenen Schluchten heißen
auf den Kanaren Barrancos. Auf Tenerife gibt es deren eine große Zahl; die
offizielle Karte der Insel verzeichnet 130, die ins Meer münden, und
zahlreiche solche, die sich nach kürzerm oder längerm Laufe mit jenen vereinigen.
Einzelne beginnen schon über 2000 m Höhe und erreichen eine Länge von 20-25 km.
Im obern Teile sind es oft unbedeutende Runsen, die erst weiter abwärts zu
wilden Schluchten werden; mitunter reicht der eigentliche Barranco nur eine kleine
Strecke landeinwärts. Scheidewände mit schmalen oder zugeschärften Gräten
kommen nur in den ältern Inselteilen, im Anaga- und Tenogebirge vor. Der
berühmteste Barranco ist der Barranco del Infierno (Höllenschlucht) auf der
Südwestseite der Insel. Über 300 m hohe, fast senkrechte Wände ragen zu beiden
Seiten empor, kaum in steinwurfweiter Entfernung voneinander, oft überhängend,
stellenweise in halblosgelöste Pfeiler, Türme und Zinnen zerrissen. Es ist
klar, daß sich eine solche Schlucht im harten Lavagestein nur im Verlauf
vieler Jahrtausende bilden konnte. Dem Bächlein, das sie durchfließt, ist diese
Arbeit nicht zuzutrauen. Zweifelsohne müssen die Niederschläge früher
größere Wassermassen geliefert haben [ Daß dem so ist, geht aus zahlreichen
Tatsachen hervor. Das Studium der Trockentäler in der Sahara drängt gebieterisch
zu der Annahme, daß das Klima in den dortigen Gebieten weit feuchter war als
heute und daß fließendes Wasser in ausgiebiger Weise an der Oberflächenbildung
mitarbeitete (Neumayr). Selbst in historischer Zeit muß eine Verschlechterung
stattgefunden haben. In jetzt menschenleeren Gegenden der nördlichen Sahara
finden wir Ruinen großer Städte mit bedeutenden Bewässerungsanlagen; alte
Inschriften deuten auf eine hohe Kultur; Dämme wurden an Flußbetten erbaut, die
jetzt vollkommen trocken liegen; Blitzröhren im Lande weisen auf Gewitter hin
(Ratzel). Auch das frühere Vorkommen von Elefanten in Marokko bestätigt die
Annahme; die Existenz dieser Tiere, welche auf eine gewisse Feuchtigkeit
angewiesen sind, schließt diejenige von Kamelen aus. Auf den Kanaren selbst
beweisen die Ueberreste einst mächtiger Waldungen dasselbe. ]. Übrigens ist
der Barranco älter als sein jetziger Bach. Der Oberlauf desselben schlängelt sich
durch ein wenig vertieftes Rinnsal von den Cañadasbergen herab;
plötzlich stürzt das Wasser über eine 150 m hohe Wand in mehreren Fällen zu dem
erst jetzt beginnenden Barranco ab, dessen einstiger Oberlauf also von den
jüngern Laven des Teydegebirges verschüttet ist. Diese Laven haben auch das rechte
Ufer der Schlucht bedeckt; sie sind über die Westwände derselben
hinuntergeflossen und hängen vorhangartig über die Köpfe der unteren
Schichten hinab. Die östliche Barrancowand bis gegen Adeje hin ist der
senkrechte Westabsturz der uralten Adejeberge.
Ablagerungen des fließenden Wassers sind auf Tenerife nicht häufig und meist
nur an den Mündungen der Barrancos ins Meer zu finden (s. oben). Dagegen gibt
es eine Schwemmbildung, die besonders das Interesse der Forscher hervorgerufen
hat: die Tosca. Das ist ein heller Tuff, der aus den leichten Ausbruchsmassen
vulkanischer Ausbrüche dadurch entstanden ist, daß sie durch die Gewässer von
den hohen steilen Abhängen herabgewaschen und nahe der Küste angehäuft worden
sind. Gelegentlich weisen sie Höhlungen von Insektenlarven und Pflanzenwurzeln
auf; auch enthalten sie Kalkablagerungen. Es ist selbstverständlich, daß solche
Schwemmtuffe auch heutigen Tages noch entstehen.
An manchen Orten bilden die Bäche oder kalten Quellen Kalksinterablagerungen,
welche Pflanzenstengel und Blätter inkrustieren. Am bekanntesten sind diejenigen
von la Rambla. Die Blattreste, die wir hier in dem travertinartigen Gestein
finden, gehören den verschiedensten Pflanzen an: Lorbeer, Kastanie, Brombeere
u. a.
Quellen finden wir auf Tenerife in größerer Zahl; sie sind jedoch im
allgemeinen beschränkt auf die Region der Passatwolken, wo eine größere
Feuchtigkeit herrscht und zahlreichere Niederschläge stattfinden. Aber auch
da sind die Fuentes (Brunnen), wie sie der Kanarier nennt, meist an das Vorkommen
von Wäldern als Sammelgebiet gebunden, da der nackte vulkanische Boden ihrer
Bildung nicht günstig ist. Eine große Zahl dieser Quellen sind künstlich
gefaßt; ihr Wasser wir durch gemauerte Leitungen (Tajeas) in das Tal hinabgeleitet,
wo es zur Bewässerung der Kulturen verwendet wird. So erhalten die Gärten,
Pflanzungen und Felder von Villa Orotava ihr Naß von Agua mansa her (1050 m).
Ausnahmsweise reich an Fuentes ist der Gerichtsbezirg von Realejos; er besitzt
deren 16.
Mineralquellen sind, besonders auf der Südseite der Insel, gar nicht selten;
sie werden aber von der wenig unternehmungslustigen Bevölkerung nicht
ausgebeutet. Die berühmteste ist der Fuente agria (1858 m) oberhalb Vilaflor.
Es ist eine Sauerquelle, welche wegen ihrer Heilkraft während der Sommermonate
von zahlreichen Kranken besucht wird.
In der Region über 2000 m sind die Niederschläge nicht bedeutend. Nur bei
den im Winter auftretenden West- und Südwestwinden empfängt sie Regen oder
Schnee. Doch gelangt von diesen Niederschlägen nur wenig Wasser ins Tal; die
porösen Laven und Bimssteinmassen saugen es auf und lasses es meist spurlos in
der Tiefe verschwinden, oder es verdunstet. Deshalb sind Quellen oder
sonstige Wasseransammlugnen nur selten zu finden. Zu den erstern gehört die
Fuente de la Grieta in den Cañadas (2187 m); sie ist den meisten
Pikbesteigern wohlbekannt. Auch sie versiegt bisweilen wie die wenigen übrigen
aus den Felsen hervorrieselnden Wässerlein. Eine viel beschriebene stabile
Wasseransammlung findet sich in der Cueva del Hielo (Eishöhle)
des Piks (3366 m). Im Winter wird der Schnee durch eine weite Öffnung in einen
Lavakanal hineingeweht oder geschaufelt; im Sommer entsteht dann ein kleiner,
von verfirnten Schneekämmen überragter See. Ähnliche Schneereservoire finden
sich vereinzelt auch anderwärts (am Pik bei 3538 m, am Pico viejo bei 2630 m).
Bei den geschilderten Verhältnissen ist es begreiflich, daß am eigentlichen
Teyde fast keine Spuren der Erosion zu finden sind. Dafür spielt hier die
Denudation eine bedeutendere Rolle. Ein Hauptfakter derselben ist die stetige
rasche Temperaturänderung, der Wechsel von großer Hitze und beträchtlicher
Kälte. Die Insolation ist bei wochenlangem wolkenlosen Himmel in diesen
Breiten eine ungemein kräftige, während nachts die Temperatur unter 0o
herabsinkt. Der Engländer Piazzi Smith maß am 4. August 1856 auf dem
Guajaragipfel am Insolationsthermometer mittags 12 Uhr 100o ab, bei
15 1/2o Luftwärme im Schatten. In der Nacht fand er am Boden
1o, also eine Schwankung von 99o! Solches Oszillieren
der Temperaturen ist nur möglich bei außerordentlicher Lufttrockenheit.
Sie beruht nicht nur auf dem Mangel an feuchten Winden überhaupt, sondern
auch auf der Tatsache, daß die porösen Produkte vulkanischer Tätigkeit ein
großes Absorptionsvermögen für den allfälligen Wassergehalt der Luft zeigen.
In wenig Zentimeter Tiefe findet man im Bimssteingerölle einen feuchten
Sand vor [ Das haben die Kanarier schon längst entdeckt. Die Bewohner der östlichen
Inseln bedecken ihre Felder 7-10 cm hoch mit Lapilli, um die Austrocknung zu
verhindern. ]. Die große Trockenheit der Luft bewirkt, daß die Trachytlaven,
Obsidiane und Bimssteine verhältnismäßig nur wenig verwittern, weil das
Sprengen durch Gefrieren auf ein Minimum beschränkt ist. Doch erfahren die
Gesteine trotzdem mit der Zeit eine Lockerung; sie wird bewirkt durch die
wechselnde Ausdehnung und Zusammenziehung der verschiedenartigen Bestandteile
und Einschlüsse des vulkanischen Bodens. Beständig ertönt ein leises Klingen
und Knallen des unter der Sonnenhitze zerspringenden Gesteins (Meyer). Die
losgelösten Partikelchen werden von den Winden weggeführt und oft
weithin verfrachtet. Nicht selten findet man deshalb die Luft von einem
feinen Staube erfüllt. Wenn der Wind Sand mit sich führt, übt er gewöhnlich eine
weitere denudierende Wirkung aus: er scheuert und glättet die Felsoberflächen
und verleiht ihnen eine eigenartige Politur. In der Teyderegion spielt dieses
Windgebläse allerdings keine bedeutende Rolle, da die vulkanischen Gesteine
sehr hart sind. Vielleicht dürfen wir hierher die Rundung der großen schwarzen
Lavablöcke rechnen, welche auf den hellgrauen Bimssteinflanken der Montaña
Blance zerstreut herumliegen und von weiter oben schon endigenden Trachytströmen
abgerollt sind. Frost, Hitze und Wind haben sie dermaßen angewittert, daß sie
Leopold v. Buch mit "großen Glastränen" verglich. Wo durch die atmosphärischen
Kräfte frische Sprünge und Risse entstanden sind, kommt das harte Gestein
in messerscharfen Kanten und Spitzen zum Vorschein.
In manchen Gegenden ist auch die Vegetation an der Zerstörung der Gesteine
beteiligt. Am Teyde hat sie keine derartige Aufgabe. Obwohl die Bimssteindecken
erfahrungsgemäß die Feuchtigkeit gut konservieren, kommt es nicht zur Bildung
einer geschlossenen Pflanzendecke. Die vorkommende Charakterpflanze dieser
Region, die Retama, bildet vereinzelte, über die Bimssteinwüste verstreute
Sträucher, welche dadurch zu geologischer Bedeutung werden können, daß sie als
Sandfänger wirken und die Bildung von kleinen Hügeln veranlassen können. Die
viele Meter tief in den lockern Boden eindringenden Wurzeln tragen, besonders
an den Hängen, zur Festigung des Gesteinsschuttes bei.
Selbstverständlich arbeitet der Wind nicht nur in der obersten Region an
der Oberflächenveränderung, sondern überall. Eine interessante Erscheinung
hat er östlich von Guimar hervorgerufen. Dort zieht sich ein etwa 1 km breiter
Sandstrand hin, die Playa del Socorro. Der graue Sand derselben ist durch den
Wind nach Südwesten getrieben worden und hat binnen 30 Jahren ein Gebiet von
ungefähr 3 km Länge erobert. Nach Ende der achtziger Jahre zeigten die
Einwohner vom Sand halbverschüttete, vertrocknete Feigenbäume, deren Früchte
sie früher gepflückt hatten. Gerade im Zuge des Sandes liegen
zwei Vulkankegel, deren einer eine relative Höhe von 200 m besitzt. Auf der
Windseite ist der Sand bis zum Krater hinaufgewandert und selbst in denselben
eingedrungen.
Die Leeseite war, als Biermann den Ort besuchte, noch sandfrei und zeigte die
übliche spärliche Vegetation. Nach Westen erstreckte sich 1/2 km weit ein
sandfreier Windschatten.
Zur Vervollständigung des Oberflächenbildes mag zum Schlusse noch auf die
zahlreichen Höhlen hingewiesen werden, die auf Tenerife wie auf den übrigen
Kanaren teils als Wohnstätten der troglodytischen Ureinwohner, teils als
Bestattungsorte derselben dienten. Sie sind alle vulkanischen Ursprungs. Sie
entstanden gleichzeitig mit dem Lavastrom, in dem sie sich befinden. Wenn die
Ströme an ihrer Oberfläche erkalteten, so bildete sich eine dicke feste
Kruste, unter welcher die flüssige Masse wie in einem Schlauche weiterfloß.
Floß das Magma spärlicher, so konnte es vorkommen, daß sie den Hohlraum nicht
mehr ausfüllte; beim vollständigen Erstarren blieb er, falls die Decke hart
genug war, als Höhle bestehen. Auf diese oder eine ähnliche Entstehungsweise
sind wahrscheinlich alle natürlichen Höhlen im Innern von Tenerife zurückzuführen.
Einzelne zeigen sich durch eine große Ausdehnung aus, wie diejenigen von
Icod und Buenavista. Der Boden zeigt meist das Bild der runzligen Oberfläche
eines Lavastromes; hie und da hat ihn eindringendes Wasser mit Verwitterungschutt
bedeckt. Von der Decke hängen öfters Lavastalaktiven herab.
Die Geschichte des Piks von Tenerife, welche wir in den bisherigen Zeilen
darzustellen versucht haben, ist eine wechselvolle und höchst interessante.
Mannigfaltig sind die Gesteine, die ihn zusammensetzen: basaltische und
trachytisch-phonolithische Laven in zahlreichen Typen und Übergängen.
Agglomerate und Tuffe, verschiedenartig nach Gemengteilen und Entstehung.
Mannigfaltig sind die Bestandteile des Berges selbst: als Eckpfeiler alte vulkanische
Gebirge mit zackigen Gebirgsrückenj und tiefen weiten Tälern, als Fußgestell
ein mächtiger Dom, in dessen ungeheurem, kraterähnlichem Gipfelzirkus sich erst
der kegelförmige Pik bis zu einer Höhe von 3740 m über das Meer erhebt. Mannigfaltig
sind schließlich die Oberflächenformen des gewaltigen Doppelvulkans; steile
Klippen, kleinere und größere Eruptionskegel, fruchtbare Terrassen lösen sich in
buntem Wechsel ab. So gewährt der Pik ein unvergleichliches Bild des Zusammenwirkens
aufbauender und zerstörender Naturgewalten.
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Erstellt am 6. August 2001 von
Kurt Stüber.
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