Kapitel 34: Neurogenetik

34.4.2.9 G-Proteine oder Ionenkanäle - eine Geschmacksfrage

Die Reizqualitäten von Geschmack und Geruch lassen sich nur bei höheren Wirbeltieren aufgrund der unterschiedlichen Anatomie der betreffenden Rezeptororgane eindeutig trennen. Vor allem aquatische Wirbellose besitzen über die Körperoberfläche verteilte sensorische Zellen, die man allgemein als Chemorezeptoren ansieht, die aber funktionell dem Geruchs- und Geschmackssinn der Wirbeltiere gleichzusetzen sind. Arthropoden besitzen sensorische Neurone in den Antennen, die das primäre Rezeptororgan für chemische Reize darstellen. Speziell Insekten besitzen darüber hinaus Maxillarpapillen, die sowohl mechanische wie olfaktorische Reize aufnehmen, sowie Geschmacksrezeptoren in den Tarsen. Bei Säugetieren werden die geschmacklichen Qualitäten für süß, bitter, salzig und sauer von Geschmacksknospen in vier anatomisch unterscheidbaren Regionen der Zunge wahrgenommen. Aquatische Wirbeltiere besitzen darüber hinaus Geschmacksrezeptoren in der Haut oder auf speziellen Barteln.

Sowohl die Erkennung süßer Substanzen, wie die von bitteren Chemikalien erfolgt mit großer Wahrscheinlichkeit durch Membranrezeptoren, analog der olfaktorischen Wahrnehmung. Bisher sind allerdings nur einige der Effektoren der Transduktionskette identifiziert worden, wie ein G-Protein mit sehr großer Ähnlichkeit zum Transducin der Retinazellen und eine Phosphodiesterase. Im Gegensatz dazu erfolgt die Wahrnehmung von Säure und Salz wahrscheinlich direkt durch ionenspezifische Kanäle.

Zusammenfassung: Die Rezeptormoleküle für Duftstoffe werden in Wirbeltieren von einer Vielzahl von untereinander stark homologen Genen codiert, die der molekularen Architektur der G-Protein bindenden Transmembranproteine entsprechen und überwiegend in linearen Reihen von bis zu hundert Kopien auf verschiedenen Chromosomen organisiert sind. Rezeptorneurone im Riechepithel sind in wenige große Domänen aufgeteilt, die jeweils einen spezifischen Satz von Rezeptorgenen exprimieren. Einzelne Neurone innerhalb dieser Regionen exprimieren wahrscheinlich nur ein einziges dieser Rezeptorgene durch einen stochastischen Prozeß. Der Mechanismus der topographisch organisierten Genexpression beginnt mit einer embryonalen Allelinaktivierung und schließt cis-ständige Kontrollvorgänge ein.

Chemorezeptoren in Invertebraten wurden bisher nur in C.elegans gefunden und weisen eine Peptidstruktur auf, die auf einen G-Protein aktivierten Transduktionsprozeß schließen läßt. Eine Verwandtschaft zwischen den Sequenzen der Vertebraten- und Invertebraten-Rezeptoren scheint es nicht zu geben. Mutationsanalyse in Drosophila zeigte eine Reihe von Elementen der Signaltransduktion, von denen einige mit der Photorezeption in Verbindung stehen.

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