Kapitel 34: Neurogenetik

34.3.2 Die genetischen und epigenetischen Mechanismen der Augenentwicklung

1995 wurde ein genetisches Experiment veröffentlicht, welches sehr viel Aufsehen und zum Teil heftige und kontroverse Diskussionen verursachte. Mit dieser Arbeit wurde die Wirkung des Drosophila-Gens eyeless aufgedeckt, dessen Ausfall den Verlust der Komplexaugen zur Folge hat und dessen gezielte Fehlexpression ektopische Augen induziert (Abb. 34-19). Erstaunlicherweise ist auch das homologe Mäusegen (Pax-6) in der Lage, denselben Effekt bei Drosophila zu verursachen. Zudem haben Pax-6-Mäusemutanten kleine Augen. Es gibt zwar viele Beispiele von Säugergenen, die so stark konserviert sind, daß sie bei Invertebraten immer noch ihre Funktion ausüben können, aber die Aufdeckung gemeinsamer Entwicklungsgene für die Augenentwicklung war doch eine große Überraschung, denn Wirbeltier- und Insektenaugen sind grundverschieden und lassen sich laut bisheriger Lehrmeinung nicht von einem gemeinsamen primitiven Urauge ableiten. Es gibt noch weitere Augentypen, z.B. das Linsenauge der Tintenfische, auch hier wurde das Pax-6-Gen nachgewiesen, und somit ist ein monophyletischer Ursprung der Evolution von Augen wieder in der Diskussion.

Es sind aber nicht erst diese neuen, aufsehenerregenden Befunde, aufgrund derer die Augenentwicklung zu einem wichtigen Modell der Neurogenetik geworden ist. Sowohl das Wirbeltierauge als auch das Komplexauge von Drosophila sind experimentell sehr gut zugänglich, wobei die genetischen Untersuchungen an Drosophila schon weiter fortgeschritten sind und einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der verschiedensten molekularen Mechanismen geleistet haben. Darum soll die Entwicklung des Drosophila-Auges im folgenden genauer besprochen werden und erst am Ende ein kurzer, vergleichender Blick auf das Vertebraten-Auge geworfen werden.

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