Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V.

Die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V. (ZUM) fördert die Digitalisierung von Schule und Lehrinhalten seit 1997

Wir sind die ZUM

Maren Floßdorf

Koordinatorin schulfachlicher Aufgaben
Ich bin bei der ZUM, weil Bildung für alle Menschen verfügbar sein sollte. ZUM bietet das: kostenfrei, transparent, öffentlich, digital.

Christof Schreiber

Grundschul-Webquests
Ich bin bei der ZUM, weil das der beste Platz für WebQuests für die Grundschule ist. Jede*r kann mitmachen, mitgestalten und die Angebote kostenlos nutzen. Dabei ist die technische Hürde besonders gering.
Foto Maria Eirich

Maria Eirich

ZUM-Vorständin
Ich schätze an der ZUM den Austausch mit kreativen und offenen Menschen, die für Ideen rund um zeitgemäße Bildung brennen. Die Treffen sind voller Inspiration! Es entwickelt sich in der Zusammenarbeit eine unglaubliche Kraft Antworten auf offene Probleme zu finden und immer wieder Neues auf den Weg zu bringen.
Impressum · Datenschutz

ZUM Buch Nach Büchern suchen

Bücher nach Fachrichtung

Rezensionen auf ZUM-Buch
Bei amazon.de kaufen

Räuberhände

Roman

Finn-Ole Heinrich, btb Verlag (2007), 208 Seiten, ISBN: 978-3442741250

Räuberhände - Cover
"In seinem ersten Roman "Räuberhände" erzählt Finn-Ole Heinrich die Geschichte von Janik und Samuel, ihrer Freundschaft und diesem einen Moment, an dem alles hängt." (www.räuberhände.de) Der Ich-Erzähler (Janik) und sein Freund Samuel reisen nach dem Abitur zusammen nach Istanbul. Samuel wuchs ohne Vater auf, dieser soll aus der Türkei stammen, damals schon verheiratet gewesen sein und Osman heißen. Samuels Mutter hat diese kurze Beziehung aus der Bahn geworfen, sie ist Alkoholikerin geworden, verbringt ihren Tag mit Pennern vor dem Supermarkt. Die Familie des Ich-Erzählers kann demgegenüber gutbürgerlich genannt werden, die Eltern führen eine harmonische Ehe, der Lebensstil ist gediegen. Sie haben Samuel mehr oder weniger bei sich aufgenommen, er isst und übernachtet gelegentlich bei ihnen. Samuel ist - ungeachtet seiner schwierigen Verhältnisse - sehr ordentlich und strebsam und sorgt für seine Mutter.
Aber er hat sich in den Kopf gesetzt, eigentlich ein Türke zu sein und seinen Vater finden zu müssen. Er interessiert sich für die Türkei, die türkische Kultur und Sprache. Und als sie dann zusammen in Istanbul ankommen, identifiziert er sich vorbehaltlos ("unbedingt") mit dieser Stadt, ihren Menschen und Gebräuchen. Er stürzt sich gleichsam hinein und verändert sich. Dies befremdet den Ich-Erzähler zunehmend, er bemerkt, dass Samuel sich von ihm entfernt, die bisher so enge Beziehung ist gefährdet.

Ihre Streifzüge durch Istanbul bringen die beiden weiter auseinander. Es wird immer klarer, dass dieses Istanbul-Abenteuer eigentlich ihre Beziehung retten sollte, denn sie ist belastet, seit Janik an seinem 18. Geburtstag mit Samuels Mutter geschlafen hat. Dies erfährt der Leser stückweise aus mehreren Rückblenden, die in den Istanbul-Erzählstrang eingeschoben werden. Immer wieder versucht Janik in Istanbul mit Samuel darüber zu sprechen, sie sind sich einig, dass es „große Scheiße" war, aber Samuel will keine Klärungsgespräche, er verweigert sich schroff, er scheint diese Wunde in ihrer Beziehung offen halten zu wollen.

Samuel macht einen immer gehetzteren Eindruck und bricht auf der Straße zusammen. Zwei Wochen lang liegt er vom Fieber geschwächt und delirierend im Zimmer und ist nicht ansprechbar. Janik kümmert sich aufopfernd um ihn und pflegt sogar dessen abgenagte Fingerkuppen, denen er die Bezeichnung "Räuberhände" gegeben hat. Samuels Angewohnheit, sich die Fingerkuppen aufzubeißen, ist eine unbewusste Handlung, die eigentlich gar nicht zu dem aufgeräumten und kontrollierten Eindruck passt, den er sonst zu erwecken vermag.

Das gemeinsame Geld geht schließlich zu Ende, es reicht eigentlich nur noch für den Rückflug - eine Entscheidung steht an ... mehr soll hier nicht gesagt werden.

Dieser Roman fällt ganz eindeutig unter die Bezeichnung Adoleszenz-Roman: das bestandene Abitur, die erste große Reise, die Gefährdung einer Jugendfreundschaft durch sexuelle Überforderung, die Ablösung vom Elternhaus (Janik), die Suche nach Identität und Herkunft (Samuel), auch die Sprache der Protagonisten - all dies beschreibt typische nach-pubertäre Entwicklungsaufgaben.
Damit noch nicht genug: Mit den zwei Protagonisten stehen sich zwei soziale Welten schroff gegenüber und mit der Reise nach Istanbul kommen wichtige Aspekte der interkulturellen Begegnung hinzu.

All diese aktuellen Thematiken und altersbezogenen Problemlagen machen den Roman zu einer an- und aufregenden Lektüre - und auch zu einer Fundgrube für einen Deutschunterricht, der nicht mehr Kinder- und Jugendliteratur behandeln und sich noch nicht mit dem Klassiker-Kanon beschäftigen will.

Dieser Roman ist ein beachtliches, aber auch typisches Erstlingswerk: Das zeigt sich - neben der thematischen Vielfalt - auch im ambitionierten Gestaltungswillen: Die Struktur ist komplex, mehrere Zeitebenen und Erzählstränge werden ineinander geschoben, der Fortgang der Handlung wird ständig durch Rückblenden aufgehalten - es scheint, als wollte Finn-Ole Heinrich sich nicht dem Vorwurf des traditionalistisch-linearen Erzählens aussetzen. Nicht-lineares Erzählen kann tatsächlich dem Spannungsaufbau dienen, Spannung entsteht ja durch Vorenthalten von Informationen. Es kann aber auch lästig sein, vor allem wenn die Geschichte spannend ist, aber nicht vorankommen will.

Der Roman hat längst Eingang in den Schulunterricht gefunden, wie auf https://www.räuberhände.de nachzulesen ist, sogar ins Hamburger Abitur (was mich als „Südstaatler“ etwas verwundert), ich habe ihn jedenfalls mit Interesse und gelegentlicher Ungeduld gelesen und betrachte ihn als eine persönliche Entdeckung.

verfasst von Klaus Dautel am 09.02.2017 | 12200-mal gelesen

Fachrichtungen: fächerübergreifend Deutsch Pädagogik


Kommentare zu dieser Rezension
Keine Kommentare vorhanden

Kommentar zu dieser Rezension verfassen
Name: *
Wird mit dem Kommentar veröffentlicht.
E-Mail: *
Wird nicht veröffentlicht.
URL (z.B. Blog):
Wird mit dem Kommentar veröffentlicht.
Benachrichtigungen:
Bei neuen Kommentaren zu dieser Rezension per Email benachrichtigt werden.
Kommentar: *
Ihr Kommentar wird vor der Veröffentlichung von der Redaktion überprüft.
Sicherheitsabfrage:
Bitte geben sie die beiden angezeigten Wörter ein.
 
  * Pflichtfeld


Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V.

Die Zentrale für Unterrichtsmedien im Internet e.V. (ZUM) fördert die Digitalisierung von Schule und Lehrinhalten seit 1997

Wir sind die ZUM

Tina Neff

Ich bin Mitglied in der ZUM, weil ich den Gedanken der freien Bildung für alle sehr wichtig finde und gern dazu beitragen möchte.

Alex Weller

Sharing is caring und die ZUM ist der ideale Platz nicht nur um Material zu tauschen, sondern auch um mit einer funktionierenden Community zu interagieren und Neues zu entwickeln...
Foto Klaus Dautel

Dr. Klaus Dautel

ZUM-Vorstand
Ich bin in der ZUM, weil ich mir vor über 20 Jahren die Frage gestellt habe, was das Internet zum Unterrichten und Lernen beitragen kann. Seitdem muss diese Frage immer neu und immer etwas anders beantwortet werde, in der ZUM werden dafür produktive Lösungen gesucht und gefunden. 
Impressum · Datenschutz
Impressum · Datenschutz