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Macht Mathe glücklich? Von den Möglichkeiten eines kreativen Faches

Ein Erfahrungsbericht

Eckhard Reinartz, Manuela Kinzel Verlag (2015), 305 Seiten, ISBN: 978-3-95544-043-5

Macht Mathe glücklich? Von den Möglichkeiten eines kreativen Faches  - Cover
Was würdest du tun...? Eines Morgens wachte Alexandra Diebold auf und stellte mit Erstaunen fest, dass ein Unwetter Marmelade vom Himmel regnen ließ. Ihr erster Gedanke war „Mist! Warum nicht Ananas?“, denn die mochte sie lieber. Dann aber besann sie sich und begann zu träumen. Zu träumen darüber, was sie alles mit der vielen Marmelade anfangen könnte, zum Beispiel die ganze Welt mit Marmelade einschmieren, um vielen Menschen eine süße Freude zu machen, Langfinger daran hindern, sich allzu schnell aus dem klebrigen Staub zu machen oder ganz einfach nur über den Verkauf der Marmelade reich werden, um dann mit allen Menschen in ihrer Stadt diesen Reichtum an einer großen Kuchentafel zu teilen ... Es war wohl im Jahr 1981. Seit knapp zwei Jahren unterrichtete ich Mathematik an einem koedukativen Gymnasium mit einem hohen Mädchenanteil. Meine zu dieser Zeit noch dem üblichen Klischee widersprechende Meinung, dass Mädchen für die Mathematik mindestens so begabt wie Jungen sind, deckte sich mit meiner Erfahrung aus fast zehn Jahren mathematischer Forschungstätigkeit, in der ich mit äußerst kompetenten Frauen im Bereich von angewandter mathematischer Grundlagenforschung und praktischen Auftragsprojekten zusammengearbeitet hatte.
Mathematik macht in den Anfangsklassen eines Gymnasiums den meisten Schülern, Mädchen wie Jungen, viel Spaß. Aber Eleni, eine elfjährige, intelligente und von mir durchaus geschätzte Schülerin, die die sechste Klasse des Gymnasiums besuchte, hatte häufig keine Lust, sich an meinem Mathematikunterricht in irgendeiner Form zu beteiligen und setzte ihre überschüssigen Energien in kontraproduktive, den Unterricht erheblich störende Aktivitäten um. Auch Gespräche und zusätzliche Aufgabenstellungen, die geeignet waren, Eleni ihr Fehlverhalten deutlich erkennen zu lassen, waren erfolglos. „So, jetzt reicht es mir mit ihrem aufmüpfigen Verhalten“, dachte ich eines Tages und beauftragte sie, etwas über das mir spontan eingefallene (Nonsens-)Thema „Was würdest du tun, wenn es morgen Marmelade regnete?“ zu schreiben und am nächsten Tag vor der Klasse vorzulesen. Natürlich eine eher hilflose Reaktion auf ihr Verhalten. Am nächsten Tag las Eleni „ihre Geschichte“ vor, die noch weiter ging; der Fortgang ist aber in meiner Erinnerung verblasst. Eleni erntete mit ihrer phantastischen Erzählung donnernden Applaus und bot sich zu meinem Erstaunen gleich an, noch eine Geschichte zu schreiben. Es machte ihr richtig Spaß. Diese aus der Not geborene Nonsens-Idee war der Beginn einer kleinen, völlig überraschenden „Erfolgsgeschichte“. Kleine Schülerverfehlungen nahmen nun beträchtlich zu; die Schüler rissen sich geradezu um verrückte Themen. Jeder wollte auch einmal seiner Phantasie und Kreativität freien Lauf lassen, schreiben und selbst vortragen. Aufgrund des großen Schülerandrangs mussten von mir nun ständig neue Themen erfunden werden. Später, nachdem der Zusammenhang von Verfehlung und Bearbeitungsauftrag längst aus meinem Blickfeld geraten war, durften die Schüler ohne konkreten Grund selbst eigene Vorschläge machen. Für ihre „Lesungen“ waren gelegentlich zum Ende einer Unterrichtsstunde einige Minuten reserviert. So kamen Aufsätze unter anderem über „eckige Fußbälle“, „Menschen, die wegen der Antigravitation auf der Zimmerdecke laufen“, „Menschen, die in gekrümmten Räumen leben“, „City-Biker mit einem roten Rucksack auf dem Rücken“, „Reisebeschreibungen über kosmologische Zeitreisen“ (sehr beliebt) oder „die Gesellschaft, die ohne Mathematik funktionieren kann“ zustande, immer in Form der „Was würdest du tun, wie würdest du...wenn...?“-Themen. Unglaublich, wie phantasievoll und originell die Themen und Textbeiträge der Schüler oft waren. Nicht wenige Geschichten hätten es verdient gehabt, einer interessierten Leserschaft zugänglich gemacht zu werden. Rückblickend bin ich nach vielen Jahren Unterrichtstätigkeit an verschiedenen Gymnasien immer noch beeindruckt von der Freude, Phantasie, Kreativität und Energie mit der damals einzelne Schüler die beschriebenen Aufgabenstellungen angingen, für die sie im schulischen Benotungsritual nichts bekamen.

In dieser Zeit verfestigte sich auch bei mir immer mehr die Erkenntnis darüber, dass es möglich sein müsste, das Kreativitätspotential der meisten meiner Schüler auch im Fach Mathematik zur Entfaltung zu bringen.

Warum erinnerte ich mich später so oft an das gerade geschilderte Erlebnis aus den Anfängen meiner Unterrichtstätigkeit? Mir fiel irgendwann auf, dass ich bei ehrlicher Reflexion über meinen Unterricht in bestimmten Lerngruppen, vornehmlich in der Mittelstufe, bei einem Teil der Schüler nicht mehr die Freude, Begeisterung, Phantasie und Kreativität so auslösen konnte, wie ich es mir als Ziel gesetzt hatte. Und die ein so kreatives Fach wie die Mathematik doch hätte entfachen müssen, auch wenn man die entwicklungsbedingt veränderte Interessenlage der Schüler in der Mittelstufe berücksichtigt.
Lag es nur an mir bzw. meinem Unterricht oder möglicherweise an meiner durch eine längere Forschungstätigkeit geprägten, spezifischen Sicht der Mathematik? Berücksichtigte meine Reflexion über den eigenen Unterricht auch genügend die Sicht aus der Perspektive der Schüler? Oder lag es schlechthin am Unterrichtsfach Mathematik selbst, welches bekanntlich in der überwiegenden Meinung der Schüler nicht zu den leichtesten und bequemsten Schulfächern zählt? Kippte irgendwann ihre anfänglich positive Beziehung zur Mathematik hier und da vielleicht auch deshalb um, weil ich im Verlauf der Jahre als Folge eines natürlichen Abnutzungsprozesses möglicherweise den Schülern das Fach nicht mehr mit der gleichen Begeisterung wie früher vermitteln konnte? Vor nichts haben junge, engagierte Lehrer mehr Angst als vor dieser potentiellen Abnutzung ihrer Motivationskraft und Begeisterungsfähigkeit. Lag es möglicherweise aber auch an den amtlichen Lehrplänen, an der Schulpolitik, an den Schulstrukturen, an den Schulbehörden? Vielleicht musste mehr Phantasie in den gesamten Schulbetrieb?

Eigentlich müsste die Mathematik als Schlüsseltechnologie und Kulturwissenschaft in unserem durch Mathematisierung geprägten Alltag auch in der Schule ein interessantes, motivierendes und vor allem kreatives Fach sein. Offensichtlich empfinden aber viele Schüler dies völlig anders. Was sind die Gründe dafür? Welchen Beitrag könnte das Fach Mathematik insbesondere im gesellschaftspolitischen Sinne leisten, um unsere Schüler mit Hilfe realistischer Anwendungskontexte aus unserer Lebens- und Umwelt nachhaltig zu begeistern und zu kritischen und global verantwortlichen Bürgern zu erziehen? Ist dies unter den gegebenen schulischen Rahmenbedingungen überhaupt möglich?

Nach meinem Wechsel aus der Forschung in den Schulbereich beschäftigten mich zunehmend diese Fragen. Mein Rückblick, der auch meine Schüler-, Studien- und Forschungsjahre einschließt, ist in weiten Teilen aus der Perspektive eines täglich unterrichtenden Lehrers geschrieben.

Der Inhalt des Buchs ist nun genauer eine Mischung aus meinen persönlichen Erinnerungen und Erfahrungen, Gedanken, Reflexionen und kritischen Analysen im mal mehr mal weniger weiten Umfeld der Mathematik, eingebettet in den jeweiligen zeitgeschichtlichen Kontext von hochschul- und forschungsrelevanten, schulischen, didaktisch-methodischen, bildungs- und gesellschaftspolitischen Fakten und Aspekten. Nach einem Vorspann betrachte ich neben einem vorangestellten 1. Kapitel über die gesellschaftliche Bedeutung der heutigen Mathematik im 2. bis 4. Kapitel in chronologischer Abfolge kursorisch die für meine Auffassung von der Mathematik sehr wichtigen Eindrücke und Ideen während meiner Schulzeit in den 50er Jahren und meiner Studien- und Forschungsjahre als Mathematiker. Nichtzuletzt deshalb, weil persönliche Erfahrungen und die sich daraus entwickelnde subjektive Sicht und Wahrnehmung der Mathematik den Unterricht eines Mathematiklehrers in sehr entscheidendem Maße mitprägen und sich dies im Buch auch widerspiegelt. Die sich in den Kapiteln 5 bis 15 anschließende ausführliche und kritische Betrachtung des Mathematikunterrichts und des Schulalltags aus der persönlichen Perspektive eines täglich unterrichtenden Lehrers, der Blick auf die Schul- und Bildungspolitik in ihrer vielfältigen Vernetzung und konkreten Auswirkung auf den Unterricht beanspruchen aufgrund der langen Zeitspanne natürlich den größten Raum. Dabei wird in den Kapiteln 5 bis 8 genauer auf die vielfältigen Probleme des Unterrichtsalltags eingegangen, während in den Kapiteln 9 und 10 vor allem die fachlichen Inhalte und meine Unterrichtserfahrungen in der Vermittlung von nichtlinearem bzw. vernetztem Denken (Chaos, Klimasysteme, Goldener Schnitt, Fibonacci-Zahlen usw.) und seine Bedeutung für unsere globale Verantwortung und Zukunftsfähigkeit eine wesentliche Rolle spielen. Leider ist diese für unsere Welt hochaktuelle Thematik im (Mathematik-)Unterricht nach wie vor kaum präsent. Schwerpunktthemen in den Kapiteln 11 bis 15 sind die Reaktionen und Maßnahmen der Schul- und Bildungspolitik auf die TIMSS- und PISA-Ergebnisse sowie weiterer Untersuchungen (u.a. ein authentischer Bericht über den Mathematikunterricht in Kanada, Einsatz von Computer-Algebra-Systemen (CAS), Lehrerausbildung, Montessori-Konzepte, Systemische Aspekte, Schulsystem und G 8 usw.) in ihren Auswirkungen auf den Schul- und Unterrichtsalltag. Im abschließenden „Ausblick“ gebe ich einige die behandelte unterrichtliche Thematik betreffende Gedanken wieder, die mich seit dem Ende meiner Lehrtätigkeit weiterhin beschäftigen: Fukushima, Finanzkrise, Klimaproblematik und einige methodisch-didaktische Probleme aus der aktuellen Schul- und Hochschulrealität.

Nach langjähriger Unterrichtserfahrung komme ich zu der Erkenntnis, dass nicht wenige Probleme im Schulbereich und insbesondere im Mathematikunterricht einen eher zeitlosen Charakter haben und es auch keiner revolutionären und kostenintensiven Idee bedarf, um unseren Mathematikunterricht ein wenig besser und motivierender zu gestalten. In der Schul- und Bildungspolitik müssen nur konsequent die wichtigsten Motivations- und Innovationsblockierer beseitigt werden!

verfasst von Dr. Eckhard Reinartz am 17.04.2016 | 2322-mal gelesen

Fachrichtungen: Pädagogik Mathematik


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