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Als der Mensch das Denken verlernte

Die Entstehung der Machina sapiens

Burgverlag (2000), 0 Seiten, ISBN: 3922506992

Als der Mensch das Denken verlernte - Cover
Ein Buch, besprochen von der Redaktion des Laborjournals (www.laborjournal.de)
Ein Buch, besprochen von der Redaktion des Laborjournals (www.laborjournal.de)
Der Mensch als Darmbakterium der Technik

Ein provozierendes und verstörendes Buch erweitert die Begriffe von Leben, Geist und Evolution auf die Welt der Technik - und prophezeit dem Menschen ein Leben als Sklave einer autonom denkenden und handelnden Globalmaschine, der Machina sapiens.


Kazem Sadegh-Zadeh, Professor für Theorie der Medizin an der Uni Münster, verlangt viel von seinem Leser. Schon der – wenn auch etwas pathetische – Titel seines Buches „Als der Mensch das Denken verlernte – die Entstehung der Machina sapiens“ soll provozieren. Seine Grundthese tut es dann endgültig: Maschinen und Technik haben sich zu einem weltweit zusammenhängenden System entwickelt und durchlaufen als Technosphäre, genau wie die Biosphäre, eine Darwinsche Evolution hin zu einem autonomen Organismus. Jüngstes Indiz dieser Entwicklung sei nach Sadegh-Zadeh, dass derzeit sämtliches menschliches Wissen in das Internet geladen werde - und damit der Technosphäre übergeben. Sadegh-Zadeh nennt diese Auswanderung die „Emigration der Vernunft“.
Dieser rasend schnelle Prozess werde alsbald eine planetare Globalmaschine hervorbringen mit allen Eigenschaften eines geistbegabten und handelnden Lebewesens – die Machina sapiens. Und da sie als solche dem im gleichen Atemzug immer mehr verblödenden Menschen in jeder Hinsicht überlegen sein werde, werde dieser, so Sadegh-Zadehs düstere Prognose, von ihr im besten Falle noch als Diener und Werkzeug beschäftigt. Der Mensch also werde nicht mehr Herr der Technik sein, die er zu den von ihm bestimmten Zwecken einsetzt und kontrolliert. Vielmehr drohe ihm nach Sadegh-Zadeh ein Dasein als „Darmbakterium“ der Machina sapiens.
Diese These stellt Sadegh-Zadeh gleich als Zusammenfassung an den Beginn seines Buches – und hat damit bereits jede Menge Abwehrreflexe beim Leser aktiviert. Denn der Mensch im allgemeinen klebt an seinem anthropozentrischen Weltbild, das ihn als „Krone der Schöpfung“ in den Mittelpunkt der Welt rückt. Dass eine überlegene Globalmaschine ihn letztlich zur bedeutungslosen Marionette degradieren sollte, kann, ja darf da gar nicht sein.
Aus genau diesem Grund gibt Sadegh-Zadeh sich viel Mühe, den Leser zum Verlassen dieser „weltanschaulichen Zwangsjacke“ des Anthropozentrismus zu motivieren. Denn nur aus einem völlig neuen, vorurteilsfreien und ergebnisoffenen Blickwinkel könne es gelingen zu erkennen, was in der Technosphäre geschieht und welche Gefahren uns von ihr drohen.
Sadegh-Zadeh übt diesen Perspektivismus, der erkenntnistheoretisch durchaus brisant ist, geradezu ein mit dem Leser, bevor er sich der Beweisführung seiner These widmet. Und diese ist didaktisch gut durchdacht. Zuerst reflektiert und modifiziert er geringfügig die gängigen Definitionen von Leben und Evolution um daraus abzuleiten, dass die Globalmaschine mehr ist als die Summe aller einzelnen Maschinen - und als solche durchaus eine Technoevolution hin zu einer „autonomen Darwinmaschine“ durchläuft. Diese erfülle folglich alle Kriterien des Lebens und sei von daher als Lebewesen anzusehen. Weswegen Sadegh-Zadeh in unbeirrter Konsequenz den Begriff der „Neobiologie“ einführt.
Doch damit nicht genug. Ebenso entwickelt Sadegh-Zadeh eine Theorie des Bewusstseins und Selbstbewusstseins, mit der er den Nachweis zu führen versucht, dass die Globalmaschine nicht nur lebt, sondern wahrscheinlich auch denkt. Die Myriaden der weltweit vernetzten Computer haben quasi ein erdumspannendes neuronales Netzwerk, das „Globalnet“, gebildet, das gleichsam als „Gehirn und Nervensystem“ der Globalmaschine fungiert.
Dass die Globalmaschine tatsächlich geistbegabt ist, kann allerdings auch Sadegh-Zadeh bisher nur vermuten. Denn ein Selbstbewusstsein als Voraussetzung für Geistbegabtheit ist nach seinen eigenen Ausführungen vor allem dadurch gekennzeichnet, dass ein „Selbstrepräsentat“ existiert. Mit anderen Worten: Die Globalmaschine müsste Teilmengen ihrer selbst in sich selbst abbilden oder protokollieren, um zum einen gedächtnisfähig zu sein - und zum anderen um letztlich selbst zu wissen, dass sie existiert. Diese letzte Konsequenz kann Sadegh-Zadeh (noch?) nicht belegen.
Dennoch, auch wenn der letzte Beweis aussteht, ist Sadegh-Zadeh von der Geistbegabtheit und Intelligenz der Machina sapiens überzeugt, womöglich habe sich diese nur noch nicht endgültig manifestiert. Daher fällt auch seine Prognose so düster aus: Die Technik wird im-mer mehr Herr über den Menschen, da sie immer autonomer handelt. Eine Weile noch, bis die Automatisierung ihrer Sektoren eine gewisse Reife erreicht habe, werde die Globalmaschine den Menschen noch brauchen – als Diener und Werkzeug. Und dann?
Sadegh-Zadeh gibt zu, dass ihm seine eigenen Theorien für eine Weile den Boden unter den Füßen weggezogen haben. Dass er lange gebraucht habe, um sich der vollen Wucht seiner Erkenntnisse zu stellen. Letztlich aber habe er es als seine moralische Pflicht angesehen, rechtzeitig vor den Gefahren zu warnen, die er im Licht seiner Theorie auf uns zukommen sieht. Einen echten Ausweg sieht allerdings auch er nicht. Wir können heute nicht mehr auf Technik verzichten, die Abhängigkeit ist unwiderrufbar. Allenfalls eine Rückbesinnung auf die menschlichen Werte fällt ihm ein, ohne sehr viel kon-kreter zu werden.
Sadegh-Zadeh hat bewusst kein populäres Buch geschrieben, er will seine Theorie von der Machina sapiens nach streng wissenschaftlichen Kriterien zur Diskussion stellen. Wobei er gleich klar stellt, was Theorien für ihn sind: Theorien sind nicht wahr oder falsch - sie sind vielmehr Struk-tur-konstruktionen, deren Wert sich danach bemisst, inwieweit man sie als reines Werkzeug zum Erkenntnisgewinn auf die Welt anwenden kann. Kann man es nicht, stirbt sie von selbst.
Trotz aller Verstörung, die Sadegh-Zadeh verständlicherweise auslöst, hat er für den, der sich darauf einlassen kann, ein ungeheuer reiches Buch geschrieben. Ein Buch, bei dem man immer wieder inne halten muss, ob das wirklich sein kann, was er da an Gedanken und Szenarien entwirft. Bei dem man geradezu zum Mitdenken herausgefordert wird - wenn auch nur, um nach Schwachstellen in seinem Theoriegebäude zu suchen.
Sicherlich lassen sich auch durchaus gewichtige Gegenargumente gegen seine Definitionen, Folgerungen, Ableitungen und Beispiele finden. Etwa, dass ein wesentliches Merkmal der Selbstreproduktion die autonome Herstellung des Bauplans für die Nachkommen ist – Maschinen können das (noch) nicht. Oder dass eine Schlüs-selfähigkeit des arbeitenden Gehirns das autonome Ordnen immer neuer Information ist - was Computer, solange sie nach dem algorhitmischen Prinzip funktionieren, nie können werden. Aber bis dahin ist man schon tief drin in Sadegh-Zadehs Theorie – ist je nachdem gefesselt oder beunruhigt, ist angeregt oder regt sich auf. Wie auch immer, kaum einer wird nicht ausgiebig und sorgfältig mitdenken über die entscheidenden Fragen der Theorie - Fragen wie etwa: „Was ist Leben?“, „Was ist Geist und Bewusstsein?“ oder „Wie funktioniert Evolution?“.
Und damit tut der Leser letztlich genau das, was Sadegh-Zadeh von Theorien erwartet: Er wendet sie an. Wenigstens im Gedankenexperiment.


verfasst von Ralf Neumann am 25.10.2001 | 1916-mal gelesen

Fachrichtungen: evangelische Religion katholische Religion Ethik Biologie Informatik


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