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Keine Posaunen vor Jericho

"Der geschichtliche Wert der Samuelbücher ist in den einzelnen Teilen sehr verschieden. Am zuverlässigsten sind die Daviderzählungen, die auf einer genauen Kenntnis der Ereignisse beruhen;…" (Sellin-Fohrer: Einleitung in das Alte Testament, Heidelberg 1965 (10 Aufl.), S. 243)

Bis in die 90er Jahre des XX. Jahrhunderts war dieser Optimismus unter Theologen verbreitet. Unterstützt wurde er durch die Archäologie, die die Darstellung des Alten Testaments zu bestätigen schien.

Die beiden Archäologen Israel Finkelstein (Israel) und Neil Asher Silberman (Belgien) unterziehen diesen Optimismus einer kritischen Prüfung. Herausgekommen ist ein Buch, das viele lieb gewonnene Vorstellungen in Frage stellt: 

I. Finkelstein, N. A. Silberman:
Keine Posaunen vor Jericho. Die archäologische Wahrheit über die Bibel,
C. H. Beck, München 2003 (bisher 5. Auflage)
 

Die bisher angenommene Bestätigung der biblischen Erzählungen durch die Archäologie stellt nach Ansicht der beiden Autoren einen Zirkelschluss dar: Man interpretierte seine jeweiligen Funde unter der Voraussetzung, dass die biblische Darstellung richtig sei. Die Autoren gehen mit einer großen Portion Skepsis an ihre archäologischen Funde und setzen nicht voraus, dass sie den biblischen Text in seiner Aussage stützen. Damit kommen sie zu aufregend neuen Ergebnissen.

Ihre Methode lässt sich einfach beschreiben: Sie geben eine kurze Zusammenfassung der biblischen Tradition (Erzväter, Exodus, Landnahme, David und Salomo) und vergleichen sie mit den Ergebnissen der Archäologie. Ohne der dringend empfohlenen Lektüre zu viel an Spannung zu nehmen, kann man sagen: Das Ergebnis ist in vielen Fällen für unsere Vorstellungen revolutionär.

An einem einfachen Beispiel verdeutlicht: (Es) "existieren keinerlei archäologische Belege in Jerusalem für Salomos berühmte Bauvorhaben. Bei Ausgrabungen im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts um den Tempelberg in Jerusalem wurde nicht einmal eine Spur von Salomos sagenhaftem Tempel oder Palastkomplex identifiziert." (S. 145)

Nicht nur dass für viele Darstellungen der Bibel keine archäologische Belege zu finden sind, viele scheinbar historische Darstellungen werden durch die Archäologie geradezu widerlegt. Anhand der Funde rekonstruieren die Verfasser den mutmaßlichen Verlauf der Geschichte in Kanaan und heraus kommt ein Ergebnis, das unser Bild von der "biblischen Geschichte" in vielen Fällen auf den Kopf stellt.

Heraus kommt ein Bild von den ersten Büchern der Bibel, die "in einem Zeitraum von zwei oder drei Generationen vor beinahe 2600 Jahren entworfen" (S. 12) wurden. Dabei wird deutlich, "dass der Pentateuch größtenteils eine Schöpfung der späten Königszeit ist; er verteidigt Ideologie und Bedürfnisse des Südreichs Juda und weist damit eine enge Beziehung zum Deuteronomistischen Geschichtswerk auf. Gleichzeitig schließen (sich die Autoren) jenen Forschern an, die die Ansicht vertreten, das Deuteronomistische Geschichtswerk sei hauptsächlich zur Zeit König Josias zusammengestellt worden und habe darauf abgezielt, spezifische politische Ambitionen und religiöse Reformen ideologisch zu untermauern." (S. 26)

Zu welchen Ergebnissen die Autoren für bestimmte Erzähltraditionen kommen wird hier nicht verraten, nur so viel: Manche Kapitel in Lehrplänen und Schulbüchern werden wohl umgeschrieben werden müssen, wenn sich in den nächsten Jahren ein breiterer Konsens über die Thesen des Buches unter den Fachleuten herstellen sollte.

Wer nicht warten will, bis die Ergebnisse in die Schulbücher eingegangen sind, sollte sich mit dem Buch jetzt schon auseinandersetzen.

Johann Betz


( erstellt am:03. Mai 2007)
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