2. Die Projektionstheorie
für Feuerbach ist es entscheidend, in der Philosophie nur
vom Menschen selbst auszugehen und nicht etwa von einem
göttlichen Wesen oder irgendeinem absoluten Prinzip. Er
entwickelt also eine anthropologische Philosophie, die ihren
Bezugspunkt ausschließlich im Diesseits findet. Dennoch
muss Feuerbach sich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass die
Geschichte des Menschen immer mit einer göttlichen
Vorstellung verbunden ist. Dieses Phänomen gilt es zu
erklären. Gott ist seiner Meinung nach nur etwas in der
Vorstellung, in der Einbildung des Menschen. In der Bibel
heißt es: "Gott schuf den Menschen nach seinem Bild".
Feuerbach verkehrt diese Aussage in ihr Gegenteil. Es ist der
Mensch selbst, der Gott nach seinem menschlichen Bild kreiert
hat. Der Beweis liegt in den Eigenschaften, die Gott zugeordnet
werden. Sie sind allesamt menschlicher Natur: Weisheit, Kraft,
Gerechtigkeit, Liebe.... Die Idee Gottes resultiert demnach aus
dem Menschen selbst, der sein eigenes Wesen in überhöhter
Weise zu dem Gottes macht. Auf Gott werden dabei nur diejenigen
Charakterzuge des Menschen übertragen, die dem Wunsch
nach Perfektion entsprechen. Negative Eigenschaften werden
dagegen in ihr Gegenteil verkehrt. Ist der Mensch sterblich, so
muss Gott unsterblich sein; ist der Mensch fehlbar, so muss Gott
allwissend sein. So führt Feuerbach die Religiosität
und das Göttliche allein auf den Menschen zurück.
Religion ist nichts anderes als eine transzendierte Projektion
menschlicher Wunsche. Religion entsteht also, weil der
Mensch sein eigenes Wesen als defizitär und restringiert
empfindet. In Gott kann er ein Wesen verehren, das makellos und
völlig unabhängig ist. Gottesverehrung lässt sich
demnach auf psychologischer Ebene als menschlichen
Kompensationsversuch deuten. Feuerbach negiert in seinem Konzept
daher die tatsächliche Existenz Gottes, insofern er auf eine
imaginierte Existenz des Göttlichen verweist.
3. Kritik
Die Kritik Feuerbachs ist sicher keine Religionskritik im
weiteren Sinne, sondern sie zielt lediglich auf das christliche
oder andere personale Glaubensvorstellungen. Darüber hinaus
umfasst die Theorie Feuerbachs nicht einmal alle Aspekte des
christlichen Gottesbildes. Die Vorstellung eines fürchtbaren,
zurnenden, ungerechten Gottes, wie er uns stellenweise im
Alten Testament begegnet, lässt sich mit einer Projektion
wunschenswerter Eigenschaften nicht erklären.
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