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Der Streit um die Schrift -

Wer hat die Auslegungskompetenz?

(Die folgende Zusammenfassung folgt größtenteils der Darstellung in:
Assmann, Jan: Religion und kulturelles Gedächtnis: Zehn Studien. München: Beck 2000; Beck'sche Reihe 1375)

für Jan Assman liegt der entscheidende Bruch in der Entstehung des biblischen Kanons nicht in der Verschriflichung der Texte, sondern in ihrer Kanonisierung (aaO. besonders S. 56). In der mündlichen und in der schriftlichen Traditionsphase gibt es noch einen "lebendigen Umgang" (S. 87)  mit dem Text. Erst wenn "der Kontakt mit den lebendigen Vorbildern abreißt", also ein "Tradionsbruch" entsteht, wird der Text kanonisiert(S. 88), und damit erfolgt eine "Stillstellung des Traditionsstroms". (S. 56)

"Weil der Buchstabe fest ist und kein Jota geändert werden darf, weil aber andererseits die Welt des Menschen fortwährendem Wandel unterworfen ist, besteht eine Distanz zwischen festgestelltem Text und wandelbarer Wirklichkeit, die nur durch Deutung zu überbrucken ist." (S. 59) Die "Ruckverwandlung von Schrift in gelebtes Wissen" (S. 88) erfordert damit die "erklärende Rekontextualisierung" (S. 90) und steht somit am Beginn der "Institutionen der Interpretation und damit einer neuen Klasse intellektueller Eliten" (S. 58): die Propheten werden in ihrer Bedeutung abgelöst durch die Schriftgelehrten.

(Dass die Auslegung selbst Teil des kanonischen Textes werden kann, wird hier an einem Beispiel gezeigt.)

In dem Moment, in dem Christen, die nicht zu dieser intellektuellen Elite gehören, anfangen auf eigenes Risiko die Bibel zu lesen, beginnt der Streit:

Wer ist befugt die Bibel auszulegen?

Die eigenmächtige Deutung biblischer Texte steht am Beginn (wahrscheinlich) aller häretischen und reformatorischen Bewegungen.

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