Klappentext



Sieben wesentliche Grundsätze der quasireligiösen Ideologie unserer Zeit, des Neoliberalismus:

  1. dass man wissenschaftliche Erkenntnisse nur dann ernst nehmen muss, wenn sie für die eigenen politischen (respektive wirtschaftlichen) Ziele nützlich sind; z.B. dass man teils viele Jahrzehnte alte, eindringliche Warnungen namhafter Wissenschaftler:innen aus Klimaforschung, Ökologie, Virologie, Ökonomie, Politiologie und Psychologie einfach ignorieren kann, und dass es zur Freiheit gehört, faktenbefreite Meinung und faktenbasierte Expertise einfach gleichsetzen zu dürfen,
  2. dass ein würdiges, freies oder gar erfülltes Leben ohne ständige Verfügbarkeit von Fast Fashion, Fleischbergen, exotischen Früchten, Flugreisen, Kreuzfahrten, SUV, High-End-Mobiltelefonen etc. völlig undenkbar ist,
  3. dass alles kommodifiziert (angeeignet), kommerzialisiert (zu marktgängigen, in Währung bezifferbaren Produkten gemacht) und auch monopolisiert werden kann, ohne dass ethische Bedenken dagegensprechen: nicht nur Land, Rohstoffe und Produkte, sondern auch Wissen; das sind Patente, die man sogar auf Lebewesen anwenden möchte, proprietäres Wissen wie persönliche Daten oder Geschäftsgeheimnisse, das Wissen über Angebot und Nachfrage (Plattform-Ökonomie) und letztlich sogar über die menschliche Psyche (Überwachungs-Kapitalismus),
  4. dass es genauso ethisch unbedenklich ist, wenn Menschen, Tiere, ganze Ökosysteme oder andere natürliche, überlebenswichtige Ressourcen dem technischen Fortschritt geopfert werden, weil dieser einem vermeintlich höheren Zweck der Entwicklung des Menschen als Krone der Evolution diene (in der sich je nach Weltanschauung auch der Wille Gottes verwirkliche),
  5. dass nur ein sogenannter "freier" Markt mit unbeschränkter Allokation von Kapital diesen Fortschritt sichert - dass Privilegien also schutzwürdiger sind als die Rechte von Menschen und allen anderen Lebewesen; und dass ein stetig steigender Wohlstand für alle und eine exponentielle Konzentration von Kapital keinen Widerspruch darstellen - was unendliches Wachstum voraussetzt,
  6. dass jede noch so kleine ökologie- oder sozialpolitische Maßnahme oder gar Überlegung den Keim einer kommunistischen Weltrevolution in sich trägt und deshalb automatisch in die Katastrophe führt,
  7. und vor allem dass das alles so ist, weil Menschen naturgemäß egoistisch sind, und ihre Gesellschaften auch nicht in der Lage, sich ethisch weiterzuentwickeln; dass diese Misanthropie die einzig reale Weltsicht sei, und dass dies auch kein Widerspruch zu der "abendländischen" Tradition von Christentum ist, weil diese der Legitimation der bestehenden Herrschaftsverhältnisse dient.

Warum reden wir denn heute noch über den echten Jesus von Nazareth und Maria von Magdala, Siddharta, Konfuzius, Franziskus, Meister Eckhart, Jan Hus, Martin Luther, Eunice Foote, Elizabeth Cady Stanton, Emmeline und Christabel Pankhurst, Alice Paul, Albert Schweizer, Mahatma Gandhi, Clara Immerwahr, Hans und Sophie Scholl, Alexander Schmorell, Christoph Probst, Dietrich Bonhoeffer, Viktor Frankl, Victor Gollancz, Srdja Popovic, Rosa Parks, Martin Luther King, Harry Belafonte, Dag Hammarskjöld, Patrice Lumumba, Olof Palme, Salvador Allende, Jitzchak Rabin, Leopold Kohr, Jomo Kenyatta, Gustavo Gutiérrez, José Figueres Ferrer, Leonardo Boff, Oscar Romero, Hans Küng, Mutter Theresa, Davide Lazzaretti, Abbé Pierre, Desmond Tutu, Steven Biko, Nelson Mandela, Armin Weiß, Hans Schuierer und Dietmar Zierer, Norbert Blüm, Hermann Scheer, Noam Chomski, Greta Thunberg, Daniel Ellsberg, Carole Cadwalladr, Edward Snowden, Chelsea Manning, Max Schrems, Tristan Harris, Frances Haugen, Gianluca Grimalda, ...?
Woher kamen denn Aufklärung, Demokratie, Sklavenbefreiung, Sozialgesetze, Arbeitsschutz, Arbeitsrecht, Frauenwahlrecht, Kinderschutz, Emanzipation, europäische Versöhnung, Völkerrecht, Minderheitenschutz, Seenotrettung, Datenschutz, Atomausstieg, Abrüstung, Ächtung von Chemiewaffen und Gentechnik; woher kamen Meinungs- und Pressefreiheit; was ist mit den langen (wenn auch immer noch zu kurzen) Listen verbotener Chemikalien wie Pestiziden, Schwermetallen, halogenierten Kohlenwasserstoffen usw., mit Atomausstieg, Katalysator, Rauchverboten usw.?
Warum soll nicht endlich auch konsequenter Klima- und Artenschutz möglich sein?
Der Schutzbehauptung, nur Privilegierte können sich das leisten, muss als solche aufgedeckt werden. Die horrenden Kosten für Lebensunterhalt und Lohnabzüge der 99% bei gigantischen Renditen der 1% Investoren offenbaren, dass hier diejenigen, die von diesem Wirtschafts-System am meisten benachteiligt sind, als Vorwand vorgeschoben und damit politisch instrumentalisiert werden. Die ökologische Wende ist nicht ohne eine soziale Wende zu denken.

Konservative Ideologien sind so bequem - wer daran glaubt, muss nichts ändern. Höchste Zeit, sie zu überwinden. Du suchst noch Argumente? Hier sind ein paar.






Die Frage heute ist, wie man die Menschheit überreden kann, in ihr eigenes Überleben einzuwilligen. Ich kann nicht glauben, dass diese Aufgabe unmöglich ist.
Bertrand Russell (über die Gefahr des atomaren Vernichtungskrieges)





Vorwort



Ihr seid doch nicht allein auf der Welt...
und tut nicht so, als gäb's kein Morgen!

Der folgenreichste (Selbst-) Betrug aller Zeiten


Dies ist zuallererst eine bittere Anklage an meine Generation. Ich bin Jahrgang 1970. Wir sind die erste Generation, die im Bewusstsein der Verletzlichkeit unseres Planeten aufwuchs. Als Kind sah ich ich Umweltverschmutzung, wilde Müllhalden im Wald; hörte Aufrufe zum Energiesparen, genoß autofreie Sonntage beim Spaziergang mit der Familie. Kinderbücher und Sendungen wie Sendung mit der Maus und vor allem Peter Lustig sensibilisierten altersgerecht für Ökologie. Ich erschrak als Jugendlicher über die Berichte vom GAU in Tschernobyl, über die Prognosen von Hoimar von Ditfurth, Volker Arzt, Heinz Sielmann und Bernhard Grzimek; erlebte eine konsumkritische Kultur, z.B. die Einführung der Abfalltrennung, Werbung für sparsame Autos, umweltfreundliche Produkte ohne Phosphat und Chlor, Mode aus Naturfasern, nachhaltige Chemieprodukte aus der Hobbythek-Küche, die aufkommende Fahrrad-Subkultur in Großstädten; sah die Ablehnung von Plastik, Verbote von FCKW, von Werbung für Zigaretten und hochprozentigen Alkohol. Begeisterte mich für die Berichte von den UN-Umweltkonferenzen von Rio und Kyoto, über Einführung des EEG, die Präsentationen von 3l-Autos und elektrischer Prototypen, las die Zukunftsvision Faktor 4 von Ernst Ulrich von Weizsäcker. Gründete eine Familie.
Dann kam die fossile Reaktion: amerikanische Ölkriege, neue Gaspipelines aus Russland; SUV und schnelle Dienstwagen, Black Friday, Fleischberge, Güllefluten, Billigflieger und Kreuzfahrten; irre Schlösser, riesige Yachten und Privatjets für die Milliardäre, die ihren obszönen Ökozid inszenieren; derartige narzisstische Selbstinszenierung durch pathologischen Konsum wurde nicht weiter kritisch gesehen, sondern zum erstrebenswerten Vorbild erhoben; unreflektierter Konsum wurde wieder zur gesellschaftlichen Norm: Plastik und Chlor wurden wieder hip; Motoreneffizienz und -Abgasreinigung der Autos wurden verbessert, aber die Autos wurden viel schneller und viel schwerer; Nitrat und Pestizide im Trinkwasser wurden verdünnt.
All das wurde möglich durch konsequente Verblödung in privaten und "sozialen" Medien, durch penetrantes Infragestellen unbequemer wissenschaftlicher Lehrmeinungen durch gekaufte PR.
Wir sind die Generation, die es in der Hand hatte, die Ressourcen der Welt für ihre Kinder zu bewahren; und die sich stattdessen für flüchtigen Wohlstand, für billigen Luxus und Verschwendung entschieden hat. Wir sind die Generation, die damit Hunderte Millionen bis Milliarden Menschenleben auf dem Gewissen hat, wenn nicht das Ende der Zivilisation. Und die sich bis heute kollektiv vor der Verantwortung wegduckt, wenn nicht gar aggressiv ihre vermeintlichen Ansprüche anmeldet.
Genug Grund zur Verzweiflung - und deshalb ein dringender Anlass, gemeinsam nach Hoffnung zu suchen für alle, die sich nicht in billigem Zynismus abwenden.


Hoffnung ist Arbeit. Dass wir uns in Hoffnunglosigkeit vergraben, ist das größte Ziel derjenigen, die Klimagerechtigkeit um jeden Preis verhindern wollen. Radikale Zuversicht ist ein Akt des Widerstandes.
Luisa Neubauer
germanwatch: [Heitfeld 2023]




Die Ölparty ist vorbei. Die Euphorie weicht der dumpfen Betäubung, und die Halbstarken beginnen sich zu prügeln. Keiner weiß, was passiert, wenn die Musik oder das Licht ausgeht.

Das Festhalten an der Fossilwirtschaft konserviert eine trügerische Komfortzone, die wir umgehend verlassen müssen - denn dieser Wohlstand ist nicht (im ökologischen wie im wirtschaftlichen und politischen Sinne) nachhaltig, und damit auch kein stabiler Wohlstand.
Nachhaltig (im ursprünglichen Wortsinn) war daran von Anfang an nur die Vernichtung der Lebensgrundlagen von Menschen, die allerdings noch an einem anderen, fernen Ort oder in einer späteren, aus fataler Fehlperspektive noch fernen, Zeit leben.


Unsere Ölsucht hat die Dealer übermächtig gemacht, die mit ihrem autoritären Proprietarismus die Demokratien gefährden.

Der erste Ölpatriarch John D. Rockefeller konnte im "Wilden Westen" der USA ein Monopol aufbauen; nach dem Zweiten Weltkrieg konnten die USA Kontrolle über den Ölfluss in die westlichen Industrieländer gewinnen, auch aus dem Nahen Osten. Die westdeutsche Entspannungspolitik gegenüber der Sowjetunion im kalten Krieg basierte vor allem auf dem Bezug fossiler Rohstoffe - der zudem billiger war als der von der Nahost-Konkurrenz, die sich zum OPEC-Kartell zusammengeschlossen hatte. Der Zusammenbruch der Sowjetunion führte zur Aneignung der Ölquellen durch Kriminelle, die wir dann euphemistisch als Oligarchen bezeichneten, um weiter Geschäfte mit ihnen machen zu können. Das monströse Gefährdungspotential unserer Ölsucht ist in der imperialen Politik fossiler Patriarchen wie Trump und vor allem Putin, der bis vor Kurzem nur als Hintermann Trumps im Verdacht stand, unübersehbar geworden. Putins macciavellistische Saat des Rechtspopulismus geht überall auf, die Demokratie als westliche Staatsform ist massiv bedroht.


Die Konservativen stellen sich nicht im Mindesten ihrer Verantwortung an der Krise, indem sie konstruktiv an der Transformation mitarbeiten, sondern sie bedienen sich jetzt populistischer Hetze gegen Klima- und Artenschutz.

In der Opposition kommt die CDU nicht etwa zur Reflektion ihrer gefährlich verharmlosenden Klimapolitik und ihrer krisenschürenden Energie-, Verkehrs-, Wohnungs-, und Agrarpolitik, sondern wählt den rechtskonservativen Friedrich Merz zum Vorsitzenden, der sich prompt mit populistischen Parolen anti Energiewende und pro Atomkraft, und sogar wie vorher schon andere Perteikollegen in der offenen Vernetzung mit Trumpisten betätigt, die in den USA bereits gegen ökosozial engagierte, oder wie sie sagen "woke", Unternehmen und Lehrer:innen vorgehen. Zum Beispiel solche, die sich in Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und gegen Waffenmissbrauch engagieren. Er und seine Adlaten sind sich auch nicht zu schade, immer wieder populistische Kampfbegriffe in die Debatte zu werfen. Gerade der US-Kampfbegriff "woke" ist, vor allem in Bayern, in den alltäglichen Sprachgebrauch konservativer Politiker:innen übergegangen.


Der CDU unter Friedrich Merz geht es nicht um nachhaltige Politik für planetare Gesundheit und Gemeinwohl, sondern um die Wiedergewinnung der Macht.

Bei Abstimmungen im EU-Parlament ist die CDU gegen ein Verbot fossiler Subventionen und enthält sich weitestgehend einer Förderung des europäischen Green Deal. Selbst in der drohenden Gasmangel-Krise werden zunächst Klein-Klein-Debatten um Deindustrialisierung, Lastenverteilung und Verzicht angezettelt, wo eigentlich durchgreifende Notfall-Entscheidungen für Transformation, also Verzicht auf fossile Subvention, Ressourcensparen und Umverteilung, nötig wären. Der angespannte Energie-Markt könnte sogar eine transformatorische Wirkung entfalten. Doch ausgerechnet jetzt setzt sich die FDP über ihre neoliberale Marktreligion hinweg. Vor allem auf ihren Druck beschließt die Ampel-Koalition Gesetze, die den Markt aushebeln und den Konsum ohne Differenzierung der Haushalts-Belastung noch stärker subventionieren, und begünstigt wie ihre Vorgänger weiter die ökoziden Profitmodelle der Strom-, Treibstoff- und Gas-Monopolisten.
Dabei könnte ein breites politisches Bündnis die Transformation durchaus demokratisch legitimieren. Dass gut informierte Bürger:innen aus allen gesellschaftlichen Gruppen zu ökosozialpolitischen Konsens-Beschlüssen fähig sind, zeigen Bürgerräte in immer mehr Ländern - aber deren Umsetzung ist meist nicht gewollt.
Sobald der Grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck nach der Ukraine-Energiekrise Gestaltungsräume für Klimaschutz nutzen will, zünden CDU und AfD vereint mit dem vorgeblichen Koalitionspartner FDP eine Nebelgranate nach der anderen, die immer genau das Gegenteil des wissenschaftlichen Kenntnisstands wie Mehltau überall verbreitet. So fordern sie Technologieoffenheit beim PKW-Antrieb und beim Heizen, sie versprechen rechtzeitige Innovationen wie die Kernfusion und Transmutation, und malen die Gefahren einer "kalten Enteignung" und der Nahrungsmittelknappheit per rechter Kampfpresse an die Wand. Entsprechend wird das Nature Restoration Law im European Green Deal 2023 von der konservativen EVP aktiv torpediert. EVP-Chef Manfred Weber (CSU) sucht dabei den Schulterschluss mit Liberalkonservativen wie der FDP und europäischen Rechtspopulisten wie der AfD, wie schon vorher in der Frage der Migrationskontrolle.
Für die Stammtischdebatte gibt Merz immer wieder öffentlichkeitswirksam per Springer-Medien rechtspopulistische Impulse, und vertritt klimaskeptische Positionen.
Wenn Armin Laschet noch beseelt war von einem göttlichen Führungsauftrag der CDU, konnte ich ihm noch eine Motivation zuerkennen, den Rechtspopulismus bekämpfen zu wollen. Unter Friedrich Merz jedoch fährt sie auf dessen Trittbrett, und spielt so grob fahrlässig mit dem Feuer des Faschismus.


Anstatt sich endlich an der humanistischen Idee von Gemeinwohl zu orientieren, wird in Deutschland hartnäckig weiter das sozialdarwinistisch-neoliberale Narrativ verbreitet, Wohlstand sei nur durch maximale individuelle Selbstverwirklichung in globaler Konkurrenz zu erreichen, ohne Rücksicht auf irgend einen Menschen oder irgend ein Lebewesen, also durch das Recht des wirtschaftlich Stärkeren.

Die wirtschaftliche Elite ("Leitungsträger") wisse am besten, wie Geld profitabel einzusetzen ist. Nur durch eine wachsende Wirtschaft gebe es Arbeit und damit Wohlstand für alle. Dass die Schäden, auf denen dieser Wohlstand basiert, auf andere Länder bzw. auf zukünftige Generationen abgewälzt werden, sei gerechtfertigt durch den Fortschritt, der durch das Wirken eines freien Marktes die einzige Lösung der Krise biete. Dass Investitions-Entscheidungen in einem freien Markt weit mehr Fortschritt bringen, und dass politische Entscheidungen zu staatlichen Interventionen schädlich seien.


Die Erfinder dieser Erzählung sind diejenigen, die vom System profitiert haben und weiter davon profitieren wollen.

Sie hatten zuerst den Klimawandel geleugnet, dann dessen Verursachung durch den Menschen, dann seine Krisenhaftigkeit. Jetzt, wo die Transformation beginnt, schüren sie dagegen Ängste und warnen vor einer Spaltung der Gesellschaft, die sie damit selbst betreiben. Um die Krise zu verschleiern, säen neoliberale Politiker:innen auch sonst immer wieder Zweifel an der Wissenschaft, die diese Krisen aufdeckt, und streichen ihr immer wieder Mittel. Auch wenn die FDP sich zur Klimawende bekennt, arbeitet sie doch aktiv dagegen. Damit schützt sie die Profite des fossilen Patriarchats. Genau so tut sie das mit ihrer Arbeit gegen einen vermeintlich "ausufernden" Sozialstaat.
Die SPD, die originär die Interessen der fossilen Industriearbeiterschaft vertritt, wurde unter Schröder von Neoliberalisten vereinnahmt, deren Agenda kaum von der merkelschen zu unterscheiden war.


Die Klimafrage ist auch eine Frage von Rassismus und - wenn die gesellschaftliche Spaltung fortschreitet wie in den USA - von Faschismus.

Die Verantwortungslosigkeit der fossilen Propaganda, die eine fossile Politik rechtfertigen und progressive Politik diskreditieren soll, überschreitet in meinen Augen die Grenze zum Verbrechen. Es geht um die Abwägung Profite von heute gegen Menschenleben im globalen Süden und in der Zukunft. Hunderte Millionen sind bereits bedroht, bald werden es Milliarden.
Weil die Spuren der anthropogenen Zerstörung geologisch nachweisbar sein werden, sprechen viele Wissenschaftler jetzt schon von einem neuen Erdzeitalter, dem Anthropozän. Wenn diese Entwicklung fortschreitet, erleben wir nicht nur eine Klimakatastrophe, sondern auch einen umfassenden globalen Biosphären-Kollaps: für einen Großteil der 8-10 Milliarden Menschen ist ihre Heimat dann kein Lebensraum mehr, sie geht verloren. Ob die verantwortlichen Entscheider:innen denken, dass sich diese Menschen geräuschlos in Luft auflösen? Das Ausblenden der sicher prognostizierten, unzähligen Todesopfer erfordert eine Verdrängungsleistung, die erschreckend unmenschlich anmutet.


Die neoliberale Markt-Ideologie ist gescheitert.

Der Erzählung der Besitzstandswahrer widerspricht ein immer größer werdende Anteil der ökonomischen Wissenschaft, darunter der Großteil der bedeutendsten Ökonomen, und schon seit Längerem sogar das Weltökonomische Forum, bei dem sich jährlich die sozio-ökonomische Elite in Davos versammelt, und als Lösung der Corona-bedingten Wirtschaftskrise den großen "Reset" der wirtschaftlichen Weltordnung entwirft, der in einem auch die ökologische und soziale Krise adressieren soll.
Weder ist eine Freiheit des Markts wirklich gegeben, denn er ist im Gegenteil geprägt durch massive Verzerrungen zugunsten der westlichen Industrieländer und der Besitzenden. Noch ist seine Theorie wissenschaftlich unumstritten: unter kritischen Ökonomen kursiert der Begriff "Marktreligion". Die vorgeblich "freien" Märkte sind de facto hochgradig manipuliert. Entsprechend ist auch der Anthropozentrismus, also der Glaube an die menschliche Sonderstellung, die unfehlbare Evolution seiner technischen Innovationen durch Marktkräfte als Religion zu betrachten, die oft nahe an Nationalismen, bis hin zur rassistischen Ideologie der White Supremacy geknüpft ist, oft begründet durch einen patriarchal-eurozentrierten, vermeintlich christlichen, Fundamentalismus.


Die neoliberale Trickle-Down-Ideologie ist gescheitert.

Will man - im Sinne der Besitzenden - eine Umverteilung von oben nach unten vermeiden, so kann nur eine stetig wachsende Wirtschaft auch den unteren Einkommensschichten ein immer größeres Stück vom Kuchen verschaffen. Die Expansion des patriarchalen Extraktivismus stößt wie 1972 berechnet immer öfter sichtbar an die planetaren Grenzen, und immer mehr Krisen werden dadurch ausgelöst. In der Subprime-Krise traf die Gier vermeintlich kreativer, in Wirklichkeit krimineller Banker auf ein fossiles Wirtschaftssystem, dessen echte Wertschöpfungsmöglichkeiten an seine Grenzen stieß. Corona ist wie andere Zoonosen auch eine Folge des Artensterbens durch extraktivistische Landnutzung, die Ukraine-Krise ist die Folge eines lange schwelenden Konflikts von Imperien, deren Macht primär auf einer patriarchalen Aneignung fossiler Energiequellen basiert, und (im kleineren Maßstab) seine für uns peinliche Fortsetzung in der opportunistischen Einnahme von Berg-Karabach durch Aserbaidschan findet, die wieder Tod und Elend verursacht. Die drängende, Klimaschutz an allen Ecken blockierende soziale Krise basiert auf der patriarchalen Aneignung von Besitz an Land-, Schürf-, Bohr-, Immobilienbesitz-, Handels-, Marken- und nicht zuletzt Patentrechten.
Die billige Lebensmittelproduktion, die eine irreversible Schädigung ökologischer Ressourcen verursacht und auch noch zusätzlich subventioniert wird, ist eine Voraussetzung des Massenkonsums, auf dem diese patriarchale Wirtschaft basiert.
All das passierte trotz der Warnungen der Wissenschaft, weil Regierungen dem Treiben der Marktakteure bestenfalls einfach zusahen, oder selbst die Marktregeln verzerrten, und die Zivilbevölkerung nicht im Mindesten darüber aufklärte. Im Gegenteil predigten sie profitable "Innovationen" durch den "freien" Markt als Allheilmittel.
Doch selbst die gigantischen Marktverzerrungen zugunsten fossiler Brennstoffe konnten nicht verhindern, dass Erneuerbare Energien - und damit auch die Elektromobilität - endlich konkurrenzlos geworden sind. Die Internationale Energieagentur IEA der OECD prognostiziert einen Rückgang der Ölverkäufe ab 2030, und die ersten großen Verwerfungen in der Branche werden sichtbar.
Ganze zwei historische, visionäre demokratische Entscheidungen haben das möglich gemacht. Deshalb steht die Weltwirtschaft schon allein aus Kostengründen vor einer disruptiven Energie- und Mobilitätswende. Das Platzen der größten Finanzblase aller Zeiten, der Kohlenstoff-Blase, kündigte sich an - bis zum Ukraine-Krieg. Während Big Money Vorsorge traf, behielt Deutschland den Schwarzen Peter, weil es die Interessen von Fossil-Investoren weiter schützte, anstatt sie zur Verantwortung zu ziehen.


Die Wissenschaft hat die Lösungen auf den Tisch gelegt.

Die Ursachen ließen sich beheben, würde die Politik nur nicht weiterhin alles den heute bestehenden Profitinteressen unterordnen: die Lösungen von ökologischen Konsumanreizen (also auch zum Verzicht), Steigerung von Effizienz und Ressourcenproduktivität, konsequenter Kreislaufwirtschaft und Bio-Landwirtschaft mit stark gemindertem Konsum tierischer Produkte liegen längst auf dem Tisch. Auch die Reformen des ungerechten und maroden Wirtschaftssystems sind längst von Spitzen der Fachwelt durchdekliniert.
Eine - im Rahmen der Möglichkeiten ernsthafte - deutsche Anstrengung war unter den Regierungen Brand, Schmidt, Kohl und Merkel jedoch in keinem Sektor erkennbar, und auch die Regierung Schröder schaffte das EEG nur durch bittere Kompromisse der Grünen in der Sozialpolitik. Schröder selbst wurde später durch sein nibelungentreues Engagement für den Petro-Patriarchen Putin zu einer Belastung der SPD. Die deutsche Politik ignorierte alle Zeichen der Zeit, überall dominierten die Profit-Interessen der fossilen Investoren. Und selbst in der Energiekrise setzt die neue Ampel-Koalition lieber auf Investitionen in neue fossile Infrastruktur, als einen Kulturwandel des Sparens, der seit Jahrzehnten von unzähligen Protagonisten vorgedacht und vorgelebt wird, zu unterstützen.
Der Ukraine-Krieg hat die disruptiven Entwicklungen der Klimawende unterbrochen, das Platzen der CarbonBubble blieb zunächst aus. Umso klarer muss die Politik sich über die kommende Weltordnung sein: alle Verantwortlichen wissen jetzt, dass fossile Energien teurer sind als Erneuerbare, und dass eine Abhängigkeit davon Staaten erpressbar macht. Wer in der Klimawende nicht kooperiert, wird von der Entwicklung abgehängt, und sehr wahrscheinlich (allein schon im Interesse der schnell zunehmenden Zahl von Investoren, die aus fossilen Anlagen flüchten) für Klimaschäden zu Recht zur Verantwortung gezogen. Die Anerkennung des Ökozids als völkerrechtlicher Straftatbestand wird immer lauter diskutiert und ist nur noch eine Frage der Zeit. Was uns dabei weiterbringen würde, wäre eine weit höhere Wertschätzung der Biodiversität. Die wenigsten sind sich dessen bewusst, dass sie sie in höchstem Maße existentell für uns ist.


Die Welt steht auf der Kippe.

Ob die Ampel-Koaltion wieder nur Geldinteressen bedient, indem sie die mittlerweile absehbar profitable Energie- und Verkehrswende antreibt, oder tatsächlich eine zukunftsfähige sozial-ökologische globale Transformation einleiten hilft, ist mittlerweile höchst fraglich. Die Globalisierung hat nicht zum angekündigten globalen Wohlstand geführt, weil das Kapital die Politik dominiert und die Solidarität intra- wie international unterdrückt hat. In der Krise können Populisten ihre isolationistische Degobalisierungs-Propaganda verbreiten und ihre proprietaristische (im Grunde patriarchale und mitunter faschistische) Agenda vorantreiben.
Die Wahl des frühen (aber eben deshalb schon alten) Klimaschützers Biden zum US-Präsidenten könnte ein kurzes Intermezzo des amerikanischen Niedergangs sein, der von imperialer Selbstüberschätzung und unfassbarer Ignoranz der Massen geprägt ist: das dortige Festhalten an fossilen Brennstoffen, begleitet von einer historischen Restauration alter Rassen- und Geschlechterdiskriminierung, kann ich nur noch als krankhaft bezeichnen. Unsere sicherheits- und wirtschaftspolitische Abhängigkeit von den USA erweist sich als fatal, weil zusammen mit den amerikanischen auch die russischen Petro-Patriarchen international den Rechtspopulismus massiv befördert haben - was wiederum den Zusammenhalt der Demokratien in der Ukraine-Krise erschwert. Vor allem die Distanzierung von Trumps USA und der Verlust von Großbritannien sind für die EU schwere Schläge, die nachweislich von Russland aus mit orchestriert wurden. Während linke Politiker:innen versuchen, die metaphorischen Datenkraken zu regulieren, betätigen sich konservative als Kooperateure, Lobbyist:innen und Netzwerker.
Die aktuell gravierendste Überschreitung der planetaren Grenzen, die Überdüngung der globalen Ökosysteme v.a. mit Stickstoffverbindungen, wird selbst von Biologielehrern und Umweltjournalisten nur am Rande thematisiert.


Die Macht des Common Sense: Gutes Leben für alle ist möglich.

Die Krisen von Biodiversität, Ressourcen-Übernutzung und Kapital-Verteilung bergen nicht weniger Zerstörungspotential als die Klimakrise und hängen damit untrennbar zusammen - so wie deren Lösungen, die nur durch politische Regulationen im Gemeinwohlinteresse zu erreichen sind. Nachhaltiger Klima- und Artenschutz ist undenkbar verbunden mit einem sozialen Fortschritt, dem Guten Leben, das sich in positiven Bildern zeichnen lässt: Energiesouveränität durch Erneuerbare Energien, Ernährungssouveränität durch ökologische Landnutzung, Sinnstiftung durch Kreislaufwirtschaft, weniger Stress durch Reduktion der Individualmobilität, Befreiung von narzisstischem Konsum, Erfahrung von Selbstwirksamkeit durch kritischen Konsum in Kombination mit Eigenproduktion und -Erhaltung von Gütern, Ende des Wachstumszwangs durch neue Geldpolitik.
Gemeinwohlinteressen müssen politisches Primat werden, und lobbykontrollierte Parteipolitik allein kann das offenbar nicht leisten: es braucht mehr Bürgerbeteiligung, z.B. in zufällig besetzten Räten, aber auch in praktizierten Formen gemeinwohlorientierter Wirtschaft und auch in öffentlichkeitswirksamen, friedlichen Protesten. Die kritische Masse, die einen gesellschaftlichen Kipppunkt darstellt, liegt weit unter 25%.


ZUM im Internet
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im Internet

Harald Thielen-Redlich
Lehrer für Biologie und Chemie
zuletzt bearbeitet: 20.05.2024




Nichts auf der Welt ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.
Victor Hugo


... und tut nicht so, als gäb's kein Morgen!

Aktuell



Die Zeit für planvolle Koordination im Klimaschutz läuft ab. Mit jedem Tag des Zögerns werden Zeitdruck, Anstrengungen und Opfer für die notwendigen Maßnahmen zum Einhalten des Pariser Abkommens von 2015 größer - und zwar nicht linear, sondern exponentiell.

"Die Wissenschaft ist doch gar nicht sicher, wie die Zukunft aussehen wird." Das war die Erzählung, auf die sich die politischen Kräfte, die die Interessen der Fossilwirtschaft konservierten, viel zu lange stützen konnten und dies immer noch tun. Die fossilen Profiteure haben Milliarden Dollar, Pfund und Euro in Denkfabriken und deren Desinformationskampagnen gesteckt, allen voran der US-Riese Exxon. Im Januar 2024 beschuldigt ausgerechnet der CEO von Exxon Darren Woods die Öffentlichkeit, im Klimaschutz versagt zu haben.
Die Ökonomie-Studenten David Nelles und Christian Serrer von der Universität Friedrichshafen haben 2018 mit ihrem kleinen Buch "Kleine Gase - große Wirkung" den Stand der Klimawissenschaften konzentriert, aber allgemein verständlich und schlüssig dargestellt, und mit zahlreichen Quellen belegt. Das Buch wurde von renommierten Klimawissenschaftlern beworben und mit einem Preis von 10€ zu einem Bestseller, begleitet von den Schülerprotesten von Fridays for Future die den von der Klimakatastrophe bedrohten Generationen endlich eine unüberhörbare Stimme gab. Ein weiterer Schritt in der Aufarbeitung der größten Verdrängungsleistung aller Zeiten, der Ablehnung von Klimaschutz.
Leseprobe: [Verknüpfung]
"Ihr habt doch keinen professionell durchdachten Plan, was wir jetzt machen sollen. Ihr habt keine Ahnung, lasst die Profis machen." Das war der nächste Vorwurf der Fossilkonservativen gegen Klimaschützer, unter anderem von Angela Merkel. Sie wurden schnell von öffentlicher Entrüstung eines Besseren belehrt. Wenn Greta Thunberg und ihre Bewegung sich auf die Wissenschaft beriefen, also das, was Erdsystemforscher, Agrarbiologen, Ingenieure und Ökonomen zum Thema seit Jahren veröffentlicht haben, wurden in nahezu allen Detailfragen Diskussionen um Technologieoffenheit und ideologische Fixierung inszeniert, um wieder Unsicherheit in der Zivilgesellschaft zu erzeugen, ob Klimaschutz sinnvoll sei.
2022 haben die beiden Klima-Aufklärer Nelles und Serrer nachgelegt, und nach 18 Monaten Recherche mit Hilfe von 250 Expert:innen die Frage nach wissenschaftlich begründeten Lösungen des Klimaproblems in konzentrierter, verständlicher Form, ausführlich beantwortet.
Der Buchtitel ergänzt sich mit dem Titel dieser Seite, denn er besteht aus einer eigentlich selbstverständlichen Aufforderung, die sich sonst an egoistische, unvernünftige Kinder richtet: "Die Klimalösung: Machste dreckig, machste sauber." Denn wie auch die Klimaschutzbewegung feststellte, verhalten sich die Erwachsenen gerade wie egoistische, unvernünftige Kinder.
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Beitrag des BR (nur bis 18.01.2023 verfügbar): [Verknüpfung]
der Beitrag in der BR-Mediathek: [Verknüpfung]

Man sollte meinen, mit der Erklärung der Maßnahmen sei alles gesagt. Wie wir hierher gekommen sind, welche ideologisch-religiösen Wurzeln dahinter stecken, warum die Wissenschaft, so klar und konsistent sie die Lösungen präsentiert, nicht schnell genug zur Grundlage von Politik wurde, warum konservative Politik v.a. unwirksame Scheinlösungen bietet, welche Rolle die Wirtschaft spielt, und wie wir aus diesem Dilemma herausfinden, davon handelt diese Seite. Leider nicht ganz so kurz und überschaubar. Vielleicht ist das ja das nächste Projekt für Nelles und Serrer.
Am 8. und 12.12. 2022 präsentierten die beiden ihre Erkenntnisse aus den beiden Büchern kurzweilig in zwei Stunden Video-Übertragung, der "Klima-Show". Leider ist die angekündigte Aufzeichnung immer noch nicht auf Youtube (Stand 24.03.2024).
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Der als Graslutscher bekannte Veganismus-Aktivist Jan Hegenberg brachte im selben Jahr das Thema auch sehr kompetent, aber zudem gewürzt mit sehr launiger Zeitkritik, in Druck: "Weltuntergang fällt aus".

Die Entwicklung der CO2-Emissionen folgen den pessimistischsten Szenarien des IPCC. Nicht etwa, weil die Modelle der Wissenschaftler:innen so schlecht waren, sondern weil Regierungsvertreter:innen von Anfang an die Berichte im Interesse der Fossilwirtschaft manipuliert haben - und das, obwohl die Ölindustrie dank eigener Forschung sehr genau bescheid wusste, während sie in der Öffentlichkeit von "unsicherer Forschung" sprach.
Zwei Generationen nach ersten Warnungen einzelner Klimaforscher in der Presse, eine Generation nach dem Beginn internationaler Verhandlungen wegen ernster Warnungen auf der Basis der klimawissenschaftlichen Lehrmeinung, eine halbe Generation nach klaren, deutlichen und weltweit verbreiteten Forderungen nach sofortigen Maßnahmen. Seitdem sind auch Wirtschaftswissenschaftler eindeutig: bei Nichthandeln werden die Schäden die Vermeidungskosten immer weiter und immer schneller übersteigen. Immer weniger Schäden werden sich vermeiden lassen. Aber immer lässt sich noch Schlimmeres verhindern. Die letzte große Welle für Klimabewusstsein war vor der Subprime-Krise 2006 - die Prognosen waren düster und bestens kommuniziert; und sie werden seitdem von der Wirklichkeit mehr als bestätigt.
Zeit: [Verknüpfung]
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Filmtip: Al Gore. An Inconvenient Truth (2006)
Die Wahrheit ist derart unbequem, dass der Abschlussbericht 2021 zwei Wochen lang unter absoluter Geheimhaltung mit Regierungsvertretern abgestimmt wird, und am Ende der Generalsekretär der World Meteorological Organisation (WMO) vor "apokalyptischen Ängsten" warnt:


Wir müssen vorsichtig sein, wie wir über die Ergebnisse der Wissenschaft berichten, über Kipppunkte, und ob wir über einen Kollaps der Biosphäre oder das Verschwinden der Menschheit sprechen. [...] Wir müssen aufpassen, dass wir unter den jungen Menschen nicht zu viele Ängste auslösen.
Petteri Taalas
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Seit dem Beginn des Neoliberalismus wurden in vielen Staaten die Lehrstühle für ökologische Feld- und Laborforschung nach und nach geschlossen. Das hat dazu geführt, dass das Artensterben viel zu spät im Bewusstsein der Zivilgesellschaft auftauchte. Die Zahlen sind so erschreckend, dass die Experten-Empfehlungen zu einer sofortigen Agrarwende aufrufen.
Als sei das kein Offenbarungseid der deutschen neoliberalen Wissenschaftspolitik, und als lägen aufgrund der sozio-ökologischen Mega-Krisen nicht gewaltige Aufgaben gerade vor der Ökologie- und Sozialforschung, kommt die FDP-Wissenschaftsministerin Bettina Stark-Watzinger der Austeritäts-Politik ihres Parteivorsitzenden und Finanzministers Christian Lindner folgend auf die Idee, nach dem englischen Vorbild die Mittel für genau diese Forschungsfelder zu kürzen. Auch die Bundeszentrale für politische Bildung bpb, die die Ergebnisse dieser Wissenschaft der Allgemeinheit zugänglich macht, soll beschnitten werden. Stark-Watzinger wurde bekannt wegen ihrer Vernetzung mit dem Politik-Berater Tom Rohrböck, der 2021 als bedeutender AfD-Netzwerker aufflog.

Wie jedesmal vorher, werden diese Themen aus dem Alltag der meisten Leute weiter massiv verdrängt, und die neue deutsche Ampel-Regierung vermittelte bei den meisten Reformwilligen zunächst den Eindruck, dass sie ihnen jetzt die Verantwortung für Klima- und Artenschutz endlich abnimmt. Das Problem ist, dass zwar die Richtung stimmt - aber die Geschwindigkeit nach Jahrzehnten der fossilen Gegenwehr angesichts der Krise bei weitem nicht ausreicht. Die Ambitionen des grünen Wirtschaftsministers werden v.a. vom FDP-Finanz- und Verkehrsministerium, aber auch aus dem SPD-Kanzleramt ausgebremst.
Bisher ruderten wir munter auf einen tödlichen Wasserfall zu, jetzt haben wir angefangen, das Steuer umzulegen. Aber die Strömung ist schon so stark, dass wir viel schneller werden müssen. Zu viele rudern aber dagegen, und viel zu viele sind irritiert und tun lieber gar nichts.

Die politischen Verträge zur Förderung fossiler Brennstoffe werden im Herbst 2023 im Production Gap Report des United Nations Environmental Programme UNEP mit dem Pariser Abkommen zum Klimaschutz vergichen. Für das 2°C-Ziel liegen die Pläne um 69% zu hoch, für 1,5°C sogar um 110%.

Noch 2015 - kurz vor dem Paris-Abkommen - war in der FAZ unter dem Titel "Cool bleiben" als Schlagzeile zu lesen: "Der Klimawandel kommt. Die Erde heizt sich auf. Die Menschheit kann das kaum verhindern. Doch wir können uns anpassen – wenn wir nur wollen."
Damit kann nur das Anpassungspotential der Industriestaaten gemeint sein. Denn da ist keine Rede vom Schicksal des Globalen Südens, außer von der Diskussion um die Ankündigungen, jährlich 100 Milliarden Anpassungshilfen aufzubringen - angesichts der Schäden und des globalen BIP eine lächerliche Summe. Keine Rede davon, dass diese "Friedensdividende" aus dem Ende des Kalten Kriegs seit dem Beginn der Diskussion 1992 [sic!] überhaupt noch nie gezahlt worden ist, ein bis heute andauernder Skandal.
Über Erneuerbare Energien wird Skepsis verbreitet: "Subventionen für unausgereifte Wind- und Solaranlagen, wie sie Deutschland und Großbritannien seit Jahren zahlen, werden wohl nicht die erhofften Supertechnologien hervorbringen." Keine Rede von weit höheren Subventionen für die Atom- und Fossilwirtschaft, von der Unwägbarkeit, ob die "erhofften Supertechnologien" überhaupt rechtzeitig verfügbar sein werden. Die fossile Propaganda, dass die Energiewende unbezahlbar sei, hält sich bis heute, selbst in der Energiepreiskrise im Ukraine-Krieg, die eigentlich ein weiteres schwergewichtiges Argument für Energiesouveränität durch Erneuerbare gewesen wäre, aber von Rechtspopulisten als "grüne Inflation" missdeutet wird. Schon 2006 hat der Chefökonom der Weltbank, Sir Nicholas Stern, in einem vielbeachteten Bericht dargelegt, dass wir nur einen kleinen Teil der Profite opfern müssten, um die Katastrophe aufzuhalten, durch Eingriffe in einen zutiefst dysfunktionalen Markt. Keine Rede davon, dass die notwendigen Maßnahmen von zigtausenden Wissenschaftler:innen weltweit durchdacht und verstanden sind. Stattdessen die zynische Behauptung, die Katastrophe sei "kaum zu verhindern" - was bedeutet, dass Milliarden Menschen sterben werden. Diese wissenschaftliche Erkenntnis findet der FAZ-Autor nicht bemerkenswert, und mit ihm die ganze Redaktion, die dieses Titelthema gesetzt hat.


[Bollmann 2015]

2023, acht Jahre steigender Emissionen später, erzählt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz von weiteren 10 Jahren Bedenkzeit im Klimaschutz, und durch eine Überhöhung des Themas drohe Deindustrialisierung und Wohlstandsverlust.
Immer breiter wird unter Klimaschützer:innen die Frage diskutiert, wie die gesellschaftlichen Ängste und Widerstände, die von Fossilökonomisten geschürt werden, über den gesellschaftlichen Kipppunkt gebracht werden können.


Was da ist, muss sich nicht rechtfertigen, weil es normal ist.
[Es] müssen sich in der Regel nur die rechtfertigen, die Business-as-usual verändern wollen. [...] Weil es heute so ist und damit „normal“ erscheint, darf es unhinterfragt fortexistieren.
Maja Göpel

Was ist denn der Default, also was ist die strukturelle Lösung heute, die wir „normal“ nennen - und warum muss die sich nicht rechtfertigen ob ihrer Konsequenzen - sondern nur die Alternative?
Maja Göpel

Radikal ist doch eher, wenn man nichts tut, wenn man die Katastrophe einfach so hinnimmt.
Axel Prahl
Zeit: [Verknüpfung]
Rhein-Neckar-Zeitung: [Verknüpfung]
Youtube: [Göpel 2021] bei 10min 30s
Youtube: [Verknüpfung]

Petra Pinzler wundert sich im Katastrophensommer 2022 über die krankhaften Ausmaße der kollektiven kognitiven Dissonanz, und empfiehlt als Therapie viele Erzählungen über Lösungen der Krise.
Zeit: [Verknüpfung]
Für die revolutionäre, lösungsorientierte Kultur der Klimabewegung gebraucht ihr Kollege Bernd Ulrich den Begriff Öko-Existenzialismus - eine Gegenerzählung zur Unvermeidlichkeit des Ökozids.

Wie radikal Nichtstun ist, machte der Präsident des pazifischen Inselstaats Palau den anderen anwesenden Staatsoberhäuptern der Klimakonferenz COP26 in Glasgow mit drastischen Worten deutlich. Es fand in Deutschland kaum ein Echo.


Wenn diese Inseln untergehen, haben wir die Kultur, die Sprache, die Identität der Menschen verloren. Natürlich kann man die Leute in ein Gebäude nach Shanghai umziehen lassen oder auf ein Feld in Arkansas oder sonstwohin. [...] Sie sind [dann] nicht mehr länger eine Nation, nicht mehr länger ein Volk. Wir sollten nicht wegen des Handelns der größten CO2-Emittenten aussterben. [...]
Der langsame Tod hat keine Würde. Dann bombardieren Sie doch unsere Inseln, anstatt uns leiden zu lassen, nur damit wir unseren langsamen, verhängnisvollen Niedergang miterleben.
Surangel Whipps
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Wir stehen an einem historischen gesellschaftlichen Kipppunkt. Am 28.10.2021 waren die Chefs der großen US-Ölfirmen vor einen Kongress-Ausschuss geladen, um zum Vorwurf von jahrzehntelangen Desinformationskampagnen Stellung zu nehmen. Es wird nicht der letzte gewesen sein, auch international. Immer mehr Klagen gegen Fossilkonzerne und die sie protegierenden Staaten haben Erfolg. Jetzt ist der kritische Moment, wo wir den fossilen Gegenkräften entgegenstehen müssen. Denen, die mit uns im Boot sitzen und in die falsche Richtung rudern. Auf Unterstützung der Medien können wir dabei - wie bei ihrem unkritischen Umgang mit Klimaskeptikern - aber bisher nicht zählen, auch hier braucht es eine Transformation.
Der israelische Historiker Yuval Harari hat viele Studien über die Kosten einer rechtzeitigen Klimaneutralität verglichen - die Mehrheit gibt 2-3% des BIP an, die höchsten Angaben liegen im nedrigen einstelligen Prozentbereich. Im Vergleich zu den Kosten in den letzten Krisen - Subprime (USA 3,5%), Corona (global bis 14%), Ukraine - ist das nicht viel. Verglichen mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs, der die USA 45% kostete, ein Schnäppchen. Die Klimawende schafft Arbeitsplätze und bessere Voraussetzungen für Gesundheit. Umso weniger verständlich, dass diese Option nicht, oder wo, da nur allzu zaghaft verwirklicht wird. Harari rechnet vor, dass die Kosten im Bereich dessen liegen, was - Zitat: "Trommelwirbel" - weltweit an Subventionen für die Verbrennung fossiler Brennstoffe aufgebracht wird. Dazu kommen noch die externen Kosten, die er mit 7% des BIP angibt. Abwarten ist weit teurer als Handeln, ja es wird uns als Zivilisation, man darf auch von Menschheit sprechen, sprichwörtlich den Kopf kosten.
Abwarten war bisher schon zutiefst irrational, wurde aber von den jeweils Regierenden mit vielerlei Argumenten begründet. Wer davon zum ersten Mal liest, sollte sich zumindest verwundert die Augen reiben. Ein Außerirdischer müsste (so er denn Humor hätte) wohl laut loslachen. Komplett lost, diese Menschen!
Zeit: [Verknüpfung]
Präsentation der Studien: [Verknüpfung]
Youtube-Video des TED-Vortrags: [Verknüpfung]
Harari ist Mitgründer der ökosozialen Denkfabrik Sapienship.
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Also bitte keine Schwarzseherei! Wenn jemand sagt: "Es ist zu spät! Die Apokalypse steht bevor!", dann antworten Sie: "Von wegen, wir können sie aufhalten, es braucht nur zwei Prozent."
Yuval Harari

Zeitenwende ist, wenn...

The times they are a-changin'...
Wenn private Medien wie n-tv (gehört zu RTL!) Volker Quaschning erlauben, den GAU der @CDU-@FDP-@SPD-Klimapolitik zu erklären, dann ist die Transformation im vollen Gange...https://t.co/MYwMTnUg0S

— teachers for future Germany (@t4future_de) April 27, 2022

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Die traditionsreiche, progressive Ordensgemeinschaft der Jesuiten stellt sich mit hochrangigen Vertretern in eine Reihe mit gewaltfreiem zivilem Ungehorsam wie den Autobahnblockaden im Januar 2022 der Aktion "Aufstand der letzten Generation".


Uns läuft die Zeit davon: Die Wissenschaft belegt, dass in den kommenden vier bis zehn Jahren die entscheidenden Weichen gestellt werden müssen, um das „Weiter-So“ in eine drei Grad heißere Welt mit unvorstellbaren Katastrophen noch aufhalten zu können. Die Störungen des Aktivist:innen kosten lediglich Zeit, machen aber darauf aufmerksam, dass der Klimawandel schon jetzt Menschenleben kostet. Leben sind wichtiger als Zeit.
Hört auf die Botschaft, hört auf, die Botschafter wegzusperren.
Dr. Jörg Alt SJ
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Die Handlungsoptionen freier demokratischer Gesellschaften im Klima- und Biodiversitätsschutz schwinden nicht nur mit der exponentiell fortschreitenden Zerstörung der natürlichen Ressourcen. Die fossilen Gegenkräfte organisieren sich seit Jahrzehnten und haben in Vladimir Putin einen zentralen und mächtigen Netzwerker gefunden - sie organisieren populistische autoritäre Strukturen und finden in Europa und den USA willfährige Verbündete. Zusammen spalten sie die Zivilgesellschaft mit endlosen Debatten darüber, ob man etwas unternehmen sollte und wenn ja, was; und vor allem mit der Frage, wer die Belastungen tragen soll. Mit diesem klassischen machtpolitischen Machiavellismus "divide et impera" sind Jahrzehnte ins Land gegangen, in der das ökozide Profitsystem konserviert, ja zementiert wurde.

Als Umweltschutz in den 80ern im gesellschaftlichen Fokus stand, gab es schon damals entsprechende Greenwashing-Kampagnen von Ölfirmen im Werbefernsehen.
Youtube: [Verknüpfung]
Youtube: [Verknüpfung]
Auch heute stellen Ölfirmen und Investoren gern ihren Einsatz für das Klima heraus, obwohl sie das Gegenteil tun. Man nennt das Greenwashing.
[Wikipedia 2023 - Greenwashing]
Besonders dreist erscheint das Greenwashing von Shell, das nicht nur den Konsumenten für unseriöse 1,1ct pro Liter 100% Kompensation verspricht, sondern auch noch vom betrügerischen Kompensationshandel als Händler profitiert. Total wurde wegen seines Versprechens von klimaneutralem Heizöl für 1ct Aufpreis pro Liter von der DUH verurklagt wegen Verbrauchertäuschung und rechtskräftig verurteilt.
Allen Warnungen des IPCC und ihren eigenen Versprechungen zum Trotz investieren die alten fossilen Profiteure, v.a. die größten US-Finanzgesellschaften, aber auch staatliche Akteure, während des Ukraine-Kriegs 2022 weiter in neue fossile Energieprojekte. Damian Carrington und Matthew Taylor sprechen im Guardian bei diesem größten Greenwashing aller Zeiten von einer "carbon bomb".
Guardian: [Verknüpfung]
Drei Gigatonnen verortet die Studie allein in den Braunkohle-Tagebauen der RWE Garzweiler und Hambach. Die Gefahr von Stranded Assets wird jetzt mit climate related risks beschrieben und hält mehr und mehr Investoren, vor allem langfristige, ab. Investoren können sich jetzt in einer Datenbank über dieses Risiko informieren.
Zeit: [Verknüpfung]
Datenbank gogel von Urgewald: [Verknüpfung]
Euronews spricht von einem Volumen von über 800 Milliarden Euro.
[Verknüpfungen]
Studie: [Verknüpfung]
Studie des Greenwashings: [Verknüpfung]
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Der Professor der Umweltwissenschaften an der University of California Santa Barbara Roland Geyer: wie schon bei FCKW und Tetraethylblei, so lässt sich ohne internationale Verbote das Problem fossiler Investments nicht lösen.
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Christian Stöcker präsentiert im Spiegel Studien mit Listen der größten Investitionen. Wie zu erwarten war, werden diese Studien auch erstellt von Konkurrenz-Unternehmen, die selbst versuchen, ohne neue fossile Investments zu wirtschaften.
Studie "Carbon Underground 200": [Verknüpfung]
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Auch europäische Firmen investieren, auch mit EU- und deutscher Unterstützung, im globalen Süden, zum Beispiel an der größten beheizten Pipeline EACOP durch Ostafrika. Wie bei den meisten postkolonialen Investitionen profitieren vor Ort großenteils nur Eliten - es geht weniger um die Schaffung von breitem Wohlstand.
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Kleinanleger, die in bester Absicht in vermeintlich "grüne" ESG-Fonds investieren, werden getäuscht.

Nicht nur die Ölparty ist vorbei, auch der Neolibertarismus stößt an seine Grenzen. Der US-Präsident Joe Biden hat zwar eine Light-Version seiner geplanten Klimagesetzgebung Green New Deal durchsetzen können, und sich damit wieder ganz klar vom Neolibertarismus distanziert. Dennoch bestimmmen republikanische, fossilökonomistische Kräfte weiter die US-Politik. So hat der oberste Gerichtshof die Behörde EPA, die die Einhaltung der Klimagesetze kontrolliert, für nicht zuständig in Klimafragen erklärt. In die gleiche Richtung zielen die jüngsten Anti-Wokeness-Gesetze republikanischer Bundesstaaten. Damit beschließen sie ultimative Eingriffe in den freien Markt, um Divestment zu verbieten und damit das unausweichliche Platzen der Carbon Bubble aufzuhalten. Nochmal: Neolibertäre, die Gralshüter des unregulierten Markts, hindern Investoren per Gesetz daran, ihr Geld vor dem Crash in Sicherheit zu bringen, also aus fossilen Investments auszusteigen - das ist Marktmanipulation pur. Gleichzeitig strafen die Finanzmärkte den Versuch der Thatcher-Nachahmerin Liz Truss, mittels Trickle Down im Vereinigten Königreich ein Wirtschaftswunder zu entfesseln, gnadenlos ab und nötigen sie damit zum Rücktritt nach einer historisch kurzen Amtszeit von 50 Tagen. Joe Biden hatte Truss vorher gewarnt, er sei "sick and tired" von der Trickle-Down-Ökonomie.

Doch trotz des offensichtlichen Umdenkens in der Finanzwelt ist eine ökologische Katastrophe mittlerweile unausweichlich, nur ihr Ausmaß lässt sich noch beeinflussen. Ohne eine Klärung der Verantwortungsfrage wird die Gesellschaft selbst an dieser Aufgabe scheitern. Die letzten Hoffnungen ruhen auf der Mobilisierung der wachsenden Gruppe der Gutwilligen, vereint hinter einer neuen politischen Jugend, der Flucht des globalen Großkapitals aus fossilen Investments aus Angst vor dem Platzen der Carbon Bubble, und nicht zuletzt auf der internationalen wie nationalen Justiz.


Die Fossilbranchen sind bereit, die Zukunft der Menschheit aufs Spiel zu setzen. Es wird Zeit, sie entsprechend zu behandeln.
Christian Stöcker
[Stöcker 2022-1]

Nach einer Entspannung in der Corona-Krise steigt die Gasnachfrage im Herbst 2021 schlagartig an - aber die russischen Versorger erhöhen ihre Exporte nicht. Sie hatten auch schon Vorsorge getroffen, dass die deutschen Gasspeicher nicht ausreichend gefüllt sind. Der Gaspreis und damit auch der Strompreis klettern v.a. dadurch im Winter 21/22 in astronomische Höhen. Dann verschärft der Ukraine-Krieg die Krise. Auch wenn die westlichen Sanktionen die Geldströme nach Russland drosseln - die Bezahlung der russischen Gaslieferungen ist davon nicht betroffen, denn Europa, v.a. Deutschland, ist in hohem Maße davon abhängig.
Eine Grafik des Bundesamts für Geowissenschaften und Rohstoffe zeigt das Ausmaß der deutschen Abhängigkeit.

[BGR 2022]
Ein Importstop würde hohe Kosten verursachen, die die deutsche Politik bis Mitte März noch nicht zu zahlen bereit ist, obwohl im Fernsehen Bilder zerstörter Städte aus der Ukraine zu sehen sind, die den lange bekannten Bildern aus Syrien und Tschetschenien immer mehr ähneln.
Das Oligopol der Mineralöl-Konzerne und Tankstellenbetreiber (an denen auch russische Investoren beteiligt sind) schraubt im Windschatten der Rohöl-Preiskrise ebenfalls kräftig seine Profite nach oben, was wieder zeigt, dass der Markt eben nicht alles regelt, also wenn der Staat nicht eingreift. Eine solche offensichtliche Absprache ist nach Minister Habeck ein Fall für das Kartellamt.
Putins Entscheidungen spülen aber nicht nur den russischen Öl-Oligarchen Geld in die Kassen, er verschärft auch die Destabilisierung westlicher Demokratien durch Rechts-Populisten wie Trump, den Brexiteers, Orban, Kaczynski, den Front National, die AfD etc., die schon vorher durch Russland unterstützt wurden. Putin und andere Milliardäre setzen alles daran zu verhindern, dass die Welt sich aus ihrer Abhängigkeit vom Öl befreit.
Das deutsche Bremsen bei Maßnahmen gegen Putins imperiale Politik sorgte auch schon vor dem Ukraine-Krieg für Irritationen bei den östlichen EU-Mitgliedern. Der Besuch der drei osteuropäischen Staatschefs und des PIS-Parteivorsitzenden Jarosław Kaczyński im belagerten Kiew ist auch eine Erinnerung an den Besuch von Lech Kaczyński im belagerten Tiflis 2008.


Heute Georgien, morgen die Ukraine, übermorgen die baltischen Staaten und später ist vielleicht mein Land, Polen, an der Reihe.
Lech Kaczyński
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Eine Transformation der russischen Wirtschaft vom Rohstofflieferanten zum Produzenten von Grünem Wasserstoff wurde auch geopolitisch diskutiert, aber nicht realisiert. Privates Geld für Investitionen wäre im Überfluss dagewesen. Stattdessen bedient Russland weiter die Interessen der Oligarchen, genauso wie die USA die ihrer Ölmilliardäre, und wie Deutschland die der Hersteller von Verbrenner-PKW: damit diese weiter aus der bestehenden fossilen Infrastruktur gigantische Profite erzeugen können. Auch vor einem Krieg mit der Ukraine schreckt die russische Öl-Oligarchie nicht zurück.
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Der lähmende Einfluss von Eigentümern reicher Rohstoffvorkommen auf die Weiterentwicklung und Anpassungsfähigkeit von Staaten wird seit den 80er Jahren als Dutch Disease, die Holländische Krankheit, bezeichnet. Ähnliche Probleme zeigen sich in den Braunkohleregionen Deutschlands oder der USA, wo Lokalpolitiker die Klimawende blockieren: z.B. der demokratische Senator von West Virginia, Joe Manchin, an dessen Interessen ein entscheidender Teil von Bidens geplanter Klimapolitik gescheitert ist, oder die Ministerpräsidenten Laschet, Haseloff (beide CDU) und Woidke (SPD). Zu den Fällen der Holländischen Krankheit zähle ich zweifellos die USA hinzu, aber auch Deutschland, dessen Großindustrie, v.a. die sogenannte Deutschland AG, auf Gedeih und Verderb mit den Interessen der Ölstaaten verknüpft ist - entsprechend lobbyiert sie auch international; ursächlich für diese krasse Fehlentwicklung sind die engen personellen Verflechtungen von CDU, FDP und SPD mit dem fossilindustriellen Komplex.
[Wikipedia 2022 - Holländische Krankheit]
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Putins blutiger Versuch im Februar 2022, den westlichen Liberalismus vor der russischen Grenze durch Invasion der Ukraine zu stoppen, gibt uns die Gelegenheit, über einen Boykott aus der Abhängigkeit vom russischen Gas loszukommen, und China die Chance, als Ersatz-Abnehmer von russischem Gas seinen Kohlekonsum zu reduzieren. Bisher galt die Abnahme von russischem Gas vor allem in der SPD, aber auch in der CDU und der FDP, als zentrales Instrument der Ostpolitik.
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Putins Entscheidung für Krieg führt in eine fatale russische Isolation.
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Das globale Festhalten am Konsum fossiler Energieträger basiert auf einem historischen Gebäude aus Wunschdenken und Propaganda - der Ideologie des Fossilökonomismus, der mehr und mehr Züge einer Religion zeigt.
Filmtip: Don't Look Up von Adam McKay (USA 2021)
Die meisten Konservativen, aber auch Liberale und Sozialdemokraten haben jahrzehntelang die Klimafrage massiv verharmlost, also bewusst gelogen oder zumindest sich selbst betrogen.

Eine besondere Verantwortung kommt den Schulen und Medien zu. Ihre Rolle in der Vermittlung der Fakten ist angesichts der Klimakrise immer noch prekär, da die meisten Akteur:innen die kritiklose Gegenüberstellung von Fakten und wissenschaftlichen Unwahrheiten für politische Ausgewogenheit halten. Anstatt sich mit entsprechender Expertise zu versehen, dienen sie nur als unparteiisches Sprachrohr, d.h. also beider Seiten. Dass sie sich damit der Desinformation schuldig machen, die uns in den Abgrund führt, ist ihnen nicht bewusst.

Wissenschaft, die vor der Krise hätte warnen können, wurde oftmals nicht gefördert oder sogar unterbunden. So kamen die Hiobsbotschaften über das Artensterben der letzten Jahre für manche wie aus heiterem Himmel. Anstatt die Forderungen der Wissenschaftler nach einer sofortigen Agrarwende zu vertreten, instrumentalisieren Windkraft-Gegner die Zahlen - gegen die Forderungen genau der Umweltverbände, die massiv geholfen haben, diese Zahlen zu erheben.
Die Energie-, Wärme- und Verkehrswende muss einhergehen mit einer Änderung der Rohstoff- (Kreislauf-) Wirtschaft und vor allem der Landnutzung, d.h. Minderung des Konsums tierischer Produkte und ökologische Landwirtschaft. All das wurde vor 50 Jahren schon gesagt: Die Studie "Limits to Growth" der ökosozialen Denkfabrik Club of Rome wurde am 02.03.2022 50 Jahre alt.

Wie geht man mit Menschen um, die die Lage immer noch nicht begriffen haben, weil sie nicht in ihr Weltbild passt? Klimakommunikations-Experte Christopher Schrader von riffreporter nennt bei klimafakten.de eine Empfehlung von Sebastian Herrmann von der Süddeutschen Zeitung: "[...] nicht sofort zurückargumentieren oder sagen: Wie kannst Du nur! Sondern erst einmal zuhören und dann zurückfragen [...], was denn die Quellen sind oder warum man ihnen glaube."
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Mit Carel Mohn (klimafakten.de), Pia Lamberty (Sozialpsychologin), Katharina von Bronswijk (Vorsitzende Psychologists for Future) und Eckart von Hirschhausen (Gründer Stiftung Gesunde Erde - Gesunde Menschen) diskutiert Schrader die aktuelle Situation in der Klimakommunikation: "Klima, Krieg, Corona – kommunizieren in der Krise?"
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Dass sich jetzt auch die Finanzmärkte von der Fossilindustrie abwenden, bringt viele zum Nachdenken - manchen Ewiggestrigen reicht das aber immer noch nicht. Das zeigt das Abstimmungsverhalten der CDU- und FDP-Vertreter:innen im EU-Parlament - allen Lippenbekenntnissen für Biodiversität und Klimaschutz zum Trotz. Beim Green Deal enthalten sich die allermeisten, während immerhin einige wenige dafür stimmen; strengere Biodiversitätsregeln, ein höheres CO2-Minderungsziel oder ein Verbot fossiler Subventionen wird von ihnen wie von Vertreter:innen von FDP und AfD aktiv behindert.
Abgeordnetenwatch über die Abstimmung zum Green Deal: [Verknüpfung]


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Nabu zur Abstimmung über Biodiversität: [Verknüpfung]


Sven Giegold zur Abstimmung über CO2-Minderungsziele: [Verknüpfung]

Auf EU-Ebene, wo einige progressive Geseze möglich wurden, betreibt die CDU Restauration und schreckt auch vor Koalition mit rechts außen nicht zurück. Besonders bedeutsam ist die Blockade des Nature Restoration Law, betrieben vom EVP-Vorsitzenden Manfred Weber (CSU) im Sommer 2023.

Was die Union dagegen im Parlament einbringt, ist nicht mehr Klimaschutz für alle, sondern Klimaanpassung für uns, also das Gegenteil von Klimagerechtigkeit. Darunter findet sich auch die "Innovation" einer Klimaanpassung von Nutzpflanzen durch Gentechnik. Zum einen widerspricht diese extrem intensive Form der Pflanzenmonokultur den Empfehlungen der Experten zur Agrarwende aus ökologischen Gründen diametral. Zum anderen ist das Projekt in einer Klimakatastrophe, wie sie durch CDU-Politik befördert wird, auch aus physiologischer Sicht ein völlig illusorisches Unterfangen. Was es auf jeden Fall bewirkt, ist die marktbeherrschende Position der Agrarindustrie (zumindest eine Zeit lang) zu sichern.
Hier der Antrag der Fraktion der CDU/CSU vom 26.04.2022:

"Klimaanpassung forcieren – Zum Schutz von Menschenleben, der Natur und zum Erhalt des Wohlstands
[...] Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung auf,
– umgehend ein Nationales Klimaanpassungsgesetz zur Daseins- und Zukunftsvorsorge vorzulegen, das die berechtigten Belange von Ländern, Kommunen, Landwirten, Grundstückseigentümern und anderweitig Betroffenen einbezieht und beachtet,
– neben den beiden Säulen „Soforthilfen“ und „Wiederaufbau“ auch eine dritte Säule „Vorsorge“ zum Schutz vor künftigen negativen Klimawandelfolgen vorzusehen, [...]
– die Finanzierung der Zukunftsaufgabe Klimaanpassung sicherzustellen und die hierfür erforderlichen Optionen, zum Beispiel die Erweiterung einer bestehenden Gemeinschaftsaufgabe bzw. die Schaffung einer neuen Gemeinschaftsaufgabe „Klimaanpassung“ zu prüfen, [...]
– neue Züchtungsmethoden für Pflanzen (CRISPR/CAS) zu unterstützen und auf europäischer Ebene für eine grundsätzliche Überarbeitung des EU-Gentechnikrechts einzutreten und das deutsche Gentechnikrecht entsprechend anzupassen [...]"
[CDU 2022]

Als Anpassung an den Klimawandel kann man auch einen Antrag des CSU-Politkers und Vorsitzenden der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament Manfred Weber verstehen, der von Rechtspopulisten wie denen der AfD unterstützt wird. Der Bau von Zäunen an den EU-Außengrenzen ist eine Vorkehrung zur ultimativen Verletzung der Klimagerechtigkeit.
[Verknüpfung]
Was den Schutz der Biodiversität und des Klimas angeht, vertritt Weber klar die Interessen der industriellen Landwirtschaft. So versucht er 2023 in letzter Minute das Nature Restoration Law, einen zentralen Baustein des European Green Deal der EU-Kommission, zu verhindern. Er ist Bayer, die Bauernlobby ist in Bayern sehr stark und im Herbst sind in Bayern Landtagswahlen.

Auch in der Kommunalpolitik, wo die wichtigen Entscheidungen zur Klimaanpassung anstehen, konserviert die CDU die fossilen Konzepte, die Regierungsübernahme im vorher rot-grünen Berlin ermöglicht ihr eine fossile Restauration. Erster Aufreger: beschlossene Radwegeprojekte werden gestoppt oder gar rückgebaut, sobald Flächen für motorisierten Verkehr, selbst Parkplätze, betroffen sind.
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Eigentlich sollte jetzt jeder das Desaster der wirtschaftsliberalen und konservativen Fossilökonomisten-Politik erkennen. Doch sie verdrehen sogar die jüngste Energiepreis-Krise: sie bringen diese einfach in einen Zusammenhang mit der neuen Klimapolitik und machen daraus gesellschaftspolitischen Sprengstoff, reden eine "grüne Inflation" herbei, obwohl die CO2-Bepreisung - samt Sozialausgleich - noch gar nicht wirksam ist.
Nach über einem Jahr Ukraine-Krieg inklusive Preisexplosion am Brennstoffmarkt und neuen Lieferketten-Problemen zeigt sich, dass die Ursachen der Inflation nicht etwa in grüner Wirtschaftspolitik zu suchen sind. Wie von den Experten vorausgesagt, fallen die Preise schnell wieder.
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Das Kabarett-Format "die Anstalt" beleuchtet in einer sehr sehenswerten Folge im ZDF die Hintergründe und zeigt dazu weitere interessante Zusammenhänge auf, vor allem Wendungen der FDP.


Youtube: [Verknüpfung] ZDF Die Anstalt vom 19.07.2022 (verfügbar bis 18.07.2024): [Verknüpfung]
ZDF Die Anstalt vom 19.07.2022 bei Youtube: [Verknüpfung]
Faktencheck als Pdf-Datei: [Verknüpfung]

Anstatt eine konstruktive Rolle in der Transformation einzunehmen, spalten sie weiter eine Gesellschaft, die sich am kritischen Kipppunkt pro Klimaschutz befindet. Damit machen sie sich zu Handlangern der fossilen Profiteure wie Putin und Co.: sie beharren auf ihrer fossilen Ideologie, riskieren die Überlebenschancen der jungen Generation und verpassen damit den letzten Zug in eine konstruktive politische Zukunft. Die immer deutlicher werdende Vernetzung der CDU mit den US-Republikanern, die die gleiche ökozide Politik vorantreiben, ist für die deutsche Demokratie eine alarmierende Entwicklung.
Bezeichnenderweise profilierte sich hier als Erster wieder einmal besonders der Vorsitzende der Jungen Union Tilman Kuban, hier in einem Gastbeitrag im Focus, allerdings muss man einschränkend dazusagen: das war noch vor Kriegsbeginn.


Die ständig steigenden Energiekosten in Deutschland sind ein immer stärkerer Preistreiber — und diese sind hausgemacht. Eine Politik, die zulässt, dass die Energiekosten binnen eines Jahres um 30 Prozent steigen, zieht den Leistungsträgern des Alltags das Geld aus der Tasche.
Tilman Kuban
[Verknüpfung]

Kuban wendet sich an die untere Mittelschicht, die unter den neoliberalen Entwicklungen der letzten 40 Jahre besonders viele Einschnitte hinnehmen musste und in dieser Zeit auch stark geschwunden ist. 33 von diesen 40 Jahren wurde Deutschland geführt von den CDU-Kanzler:innen Kohl und Merkel. Mit Klimapolitik haben die Einschnitte gar nichts zu tun, sondern mit einer immer schnelleren Umverteilung von unten nach oben nach dem Motto "Leistung muss sich (wieder) lohnen". Für diesen etwas angestaubten Wahlspruch fing sich Armin Laschet 2021 schließlich den hämischen Vorwurf ein, Wahlkämpfer der FDP zu sein.
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Auch Kubans neuer Parteivorsitzender Friedrich Merz schürt Ressentiments gegen die Energiewende.
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Aber nicht nur die Jahre unter Kohl und Merkel, auch die sieben Jahre unter Gerhard Schröder (SPD) waren vom globalen Neoliberalismus geprägt. Ein vergleichender Blick des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW in die Bundestags-Wahlprogramme von 2021 belegt eindrucksvoll, dass sich an dieser Tendenz auch nichts geändert hat.
Der Fokus titelte im Wahlkampf 2021: "Regulieren, umverteilen, verbieten: Die neue grüne Welt wird teuer"
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Hätte Kubans Partei, die CDU, nicht in wechselnden Koalitionen mit FDP und SPD 16 Jahre lang das 2000 erfolgreich gestartete Erneuerbare-Energien-Gesetz sabotiert, wäre die Wirtschafts- und Handelspolitik nicht nur im Sinne der fossilen Industrie ausgestaltet worden, und hätte Ex-Kanzler Gerhard Schröder nicht so schamlos und ungehindert für seine neuen russischen Arbeitgeber Gazprom und Rosneft in der SPD lobbyieren dürfen, wäre die Abhängigkeit von russischem Gas nicht so hoch. Wären die Preissteigerungen einer klimapolitischen Agenda gefolgt, dann würden sie nicht zu den kriegstreiberischen, autoritären Produzenten fließen, sondern als Klimadividende über die Staatskasse zu den Bedürftigten, und Kuban hätte gar keinen Anlass für seine Kampagne. Aber wie eine wirksame CO2-Steuer, so wurde auch diese Idee zur Umverteilung von der CDU in der Großen Koalition blockiert.
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Damit begibt sich Kuban auf das Niveau des Rechtspopulismus. Nur in einschlägigen Portalen findet man eine ähnlich verdrehte Darstellung.

So titelt die AfD in ihrem Mitgliedermagazin: "„Energiewende“ gescheitert: Öl- und Gaspreise EXPLODIEREN!" Die AfD NRW schreibt: "Der Gaspreis-Schock ist eine direkte Folge der grünen Energiewende! [...] „Lassen Sie sich nicht für dumm verkaufen!“"
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Nicht einmal die BILD-Zeitung beteiligt sich an der verlogenen Kampagne der CDU. Die hat sich vorher im Wahlkampf mit ähnlichen klimapolitischen Verdrehungen eine offizielle Missbilligung des Presserats eingehandelt. Denn in der Print-Ausgabe vom 15.09.2021 hatte sie getitelt: "IG-Metall-Chef Jörg Hofmann warnt: Klimaschutz kostet Hunderttausende Jobs". Dabei hatte dieser im Interview genau das Gegenteil gesagt: die Regierung sei in der Umstellung auf Elektromobilität viel zu träge und gefährde damit Hunderttausende von Arbeitsplätzen.
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Eine Studie des Berliner Energieberatungsunternehmens Arepo Consult hatte das bereits 2019 prognostiziert - außerdem eine Verteuerung der Stromkosten bei Verschleppung der Energiewende, wieder im Gegensatz zum fossilökonomistischen Narrativ.
Besonders schillernd übt sich im Ukraine-Krieg der wegen Machtmissbrauchs-Sex-Affären geschasste Ex-Bild-Chefredakteur Julian Reichelt auf seinem Youtube-Kanal "Achtung, Reichelt!" wie bisher spalterisch mit Schüren von Neid und Verlustangst: "Deutschland kurz vor dem Untergang". Reichelt wird zu einer neuen Gallionsfigur einer neuen anti-woken Rechtsruck-Bewegung im liberal-konservativen Lager aufgebaut, und von CDU-Größen hofiert.
Der österreicher Standard hat dafür (noch) nur Häme übrig.
[Verknüpfung]

BBBBBB

Als Wissens-Chefredakteur beim Spiegel bezeichnete Axel Bojanowski sich gern als "Journalist im Klimakrieg", als Verteidiger des klimawissenschaftlichen Diskurses: er behauptete, dass die Lehrmeinung allzu vorschnell über kontroverse Thesen den Stab breche. Ohne den üblichen, krawalligen Ton anderer Klimaskeptiker meldete er sachlich, aber doch bestimmt, Zweifel an der Klimawissenschaft an, immer vorgeblich um wissenschaftliche Unabhängigkeit bemüht. Ein anderes Vorgehen wäre im Spiegel auch nicht tragbar gewesen. Dass er vor allem die Kontroversen betonte, und die große Einigkeit als unzulässige "Meinungsdiktatur" darstellte, schien kein Problem zu sein.
Ende 2019 ist mit Greta Thunbergs Erfolg das Klimaskepsis-Thema beim Spiegel verbrannt, Bojanowski hat seinen "Klimakrieg" der Meinung gegen eine 15-jährige Schulstreikende verloren. Nach einem kurzen Intermezzo bei Bild der Wissenschaft (mit einem Titelthema über CO2 als Pflanzendünger...) wechselte er 2020 zu die Welt unter dem klimaskeptischen Herausgeber Stefan Aust. Sie gehört wie das rechtspopulistische Boulevardblatt BILD zum Springer-Konzern unter Leitung von Mathias Döpfner. Dort erweist sich seine false balance nicht als journalistisches Versagen, sondern als politische Agenda.
Bojanowski dreht in der Welt nicht nur die konservative Gebetsmühle von der geplanten Deindustrialisierung Deutschlands, sondern nährt auch die rechtspopulistischen Erzählungen einer elitären Weltverschwörung gegen Deutschland, als deren Protagonisten Rechtsextreme schnell reiche Juden nennen, und deren Werkzeug die Medien seien
, Titel: "Superreiche kämpfen mit den Medien für die „richtige“ Klimapolitik".
[Verknüpfung]
Das ist ein Narrativ der AfD, z.B. des stellvertretenden Sprechers im Bundesvorstand Peter Boehringer.
[wikipedia 2023 - Peter Boehringer]
Zum Klimastreiktag am 23.09.2022 scheibt Bojanowski einen Kommentar, mit dem er sich als Wissenschafts-Redakteur klar disqualifiziert und als rechter Hetzer entlarvt.
Weil der Text so viele Thesen der Klimaschutz-Bremser von rechts in extrem konzentrierter Form enthält, möchte ich ihn hier als aktuelles Beispiel Absatz für Absatz kommentieren.


Zitat Bojanowski meine Anmerkungen dazu

"Energiekrise: Der menschenfeindliche Kern der Umweltbewegung

Die Klimaproteste offenbaren den menschenfeindlichen Kern der Umweltbewegung
Veröffentlicht am 23.09.2022
Von Axel Bojanowski
Chefreporter Wissenschaft"
Eine Bewegung, die sich dafür einsetzt, dass bis zu 3,6 Milliarden Menschen nicht zur Migration gezwungen sein werden, hat laut Bojanowski einen "menschenfeindlichen Kern". Eine gewagte These. Wie nennt er dann Menschen, die fahrlässig die Zivilisation aufs Spiel setzen?
"Fridays for Future ruft zu einem weltweiten Klimastreik auf. „Wer hundert Milliarden für die Bundeswehr ausgeben kann, muss auch hundert Milliarden fürs Klima ausgeben können“, fordert Pauline Brünger von Fridays for Future Köln. Mitten in einer schweren Energiekrise demonstrieren „Fridays for Future“ gegen fossile Energie und Kernkraft." Ok.
"Damit offenbaren die Klimaschützer, dass ihnen menschliches Wohlergehen wenig bedeutet." Bojanowskis These.
Fridays for Future sagt etwas ganz anderes: What do we want? Climate Justice! Da ist erstmal nicht von "menschlichem Wohlergehen" die Rede, sondern von Gerechtigkeit. Die Frage ist nämlich, wessen Wohlergehen Bojanowski meint. Die Menschen im Globalen Süden und in der Zukunft leiden jetzt oder später viel stärker an der Erderwärmung als wir es heute tun. Und zwar, weil unser Wohlergehen nicht auf nachhaltiges Wirtschaften zurückgeht, sondern auf Ökozid. Das geht nicht, wir müssen 'raus aus der Komfortzone, um anderen das Überleben zu sichern.
"„Fridays for Future“ vertreten ein wichtiges Anliegen: das Bremsen der globalen Erwärmung. Im Einklang mit der Klimaforschung drängen die Aktivisten auf Eindämmung des Ausstoßes menschengemachter Treibhausgase." Bojanowski verwahrt sich durchaus nachvollziehbar davor, Klimaskeptiker zu sein. Als solcher wird man nämlich nicht mehr ernst genommen.
"Sie haben recht, dass die Umstellung auf CO2-arme Energieversorgung zu langsam vonstattengeht, um den Klimawandel kurzfristig aufzuhalten." Viele Konservative, davon auch viele Welt-Leser, haben nach später Erkenntnis des Problems die bequeme Haltung des resignativen Fatalismus eingenommen. Sie werden hier zustimmen.
"Ihre Untergangsbeschwörungen finden sich allerdings nicht in den Sachstandsberichten des UN-Klimarats. Zwar gehen mit der Erwärmung Wetterrisiken einher, welche die Menschheit möglichst vermeiden sollte. Doch in keinem Szenario des Klimarates würde es der Menschheit schlechter gehen am Ende des Jahrhunderts." Hier stellt sich die Frage, woher er diese Gewissheit nimmt, oder ob er nicht absichtlich die Unwahrheit sagt. Denn diese Behauptung lässt sich mit einfacher Internetrecherche in wenigen Sekunden widerlegen. Zitat aus dem jüngsten Berichts für Entscheider von der Arbeitsgruppe 2 des IPCC: "Mid to Long-term Risks (2041–2100)
Beyond 2040 and depending on the level of global warming, climate change will lead to numerous risks to natural and human systems (high confidence). For 127 identified key risks, assessed mid- and long-term impacts are up to multiple times higher than currently observed (high confidence). The magnitude and rate of climate change and associated risks depend strongly on near-term mitigation and adaptation actions, and projected adverse impacts and related losses and damages escalate with every increment of global warming (very high confidence)."
Pdf-Dokument S.14: [IPCC WG2 AR6 SPM 2022]
(Mittlerweile ist der Bericht auch auf deutsch verfügbar.)
"Der Katastrophismus vieler Aktivisten führt uns in die Irre" Versucht er sich beim Leser anzubiedern, als Mit-Opfer der vermeintlichen Aktivisten-Propaganda? Hat er am Ende also zuerst den Aktivisten geglaubt und ist dann eines Besseren belehrt worden?
Oder hat er den IPCC-Bericht, das wichtigste Wissenschafts-Papier des Jahres, denn tatsächlich nicht gelesen, als Wissenschaftler und langjähriger Chef der Wissensressorts bei zwei der größten deutschen Zeitungen, der sich bisher immer mit Vorliebe dem Klimathema widmete?
"Im Gegenteil: Die Folgen der Erwärmung bremsen die prognostizierte Verringerung von Hunger und Armut demnach allenfalls. Bislang sind die Opfer von Wetterkatastrophen dramatisch weniger geworden, die Ernährung der Weltbevölkerung hat sich massiv verbessert – trotz Bevölkerungswachstums und globaler Erwärmung." Das ist nicht nur eine krasse Lüge, sondern eine geradezu groteske Verdrehung der Tatsachen. Sie war zwar noch 2021 mit Zahlen belegbar, eine perfide Rosinenpickerei; doch 2022 stimmen selbst diese Zahlen nicht mehr. Die Ernährung ist in Wirklichkeit ernsthaft bedroht, vor allem von vier Faktoren:
  1. Klimawandel, in hohem Maße mitverursacht durch industrielle Landwirtschaft
  2. Bodendegradation durch mineraldüngerbedingten Humusabbau, die besonders in Dürrephasen die Erosion beschleunigt
  3. Zerstörung der globalen Biodiversität durch Bodennutzung, Überdüngung und Gifte, u.a. Pestizide
  4. hoher Flächenverbrauch durch zu hohen Fleischkonsum, der zudem gesundheitsschädlich ist
Die einzige Lösung ist eine sofortige sozial-ökologische Agrarwende.
  1. Humusaufbau durch Kreislaufwirtschaft mit organischem Dünger (auch menschlichen Fäkalien), verringert zudem die Gewässerbelastung und Übernutzung der Resource Wasser
  2. starke Reduzierung des Viehbestands, Viehhaltung nur noch als extensive Weidewirtschaft
  3. Umverteilung der exorbitanten Gewinne aus Lebensmittelverarbeitung und -Handel
  4. Subventionierung von Ökosystem-Dienstleistungen der Landwirtschaftsbetriebe
Das sagen nicht nur wie noch vor Jahrzehnten die ökologischen NGOs, sondern auch die wissenschaftlichen Experten aus Ökologie- und Klimaforschung: IPCC, IPBES, UNEP, World Food Programme WFP, das Committee on World Food Security CFS bei der Food and Agriculture Organization of the United Nations FAO, OxFam, Misereor, Weltagrarbericht; und vor allem mittlerweile unisono führende Expertengruppen und Forschungsinstitute aus Wirtschaft und Landwirtschaft: das WEF, die Boston Consulting Group BCG 2019, der Europäische Rechnungshof 2018, der Forschungsschwerpunkt Biotechnik, Gesellschaft und Umwelt BIOGUM an der Universität Hamburg 2003, der Dasgupta Review für das britische Finanzministerium 2021, außerdem die deutschen Berichte im staatlichen Auftrag, also des Umweltbundesamts 2017, der Akademie der Wissenschaften Leopoldina und des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU 2020, und der Zukunftskommission Landwirtschaft 2021.
"Das Klima entscheidet nicht über das Wohlergehen der Menschheit, andere Faktoren sind dominant: die Verfügbarkeit technischer Hilfsmittel und Dünger etwa, ..." Wie gesagt: das widerspricht diametral der Lehrmeinung der Wissenschaft. Die mit hoher Wahrscheinlichkeit einsetzende Klimakatastrophe bedroht Milliarden von Menschen und damit den Fortbestand der Zivilisation. Industrielle Landwirtschaft mit synthetischem Dünger und Pestiziden ist nach all den o.g. Studien das genaue Gegenteil von nachhaltiger Ernährungssicherheit, sondern trägt maßgeblich zur Zerstörung der Biosphäre und damit direkt der wichtigsten Ernährungsgrundlage bei.
"... die Vorwarnung vor Wettergefahren oder..." Das stimmt, und dafür braucht es die Klimamodelle, deren Validität Bojanowski schon so oft anzweifelte.
"... der Zugriff auf billige Energie." Wenn Bojanowski damit nukleare oder fossile Energie meint, dann ist das erstens zu teuer, wie die Internationale Energieagentur IEA 2020 feststellte. Und zweitens in puncto Klimaschutz kontraproduktiv, wie schon 1977 der Ökonom William Nordhaus feststellte. Dafür bekam er 2018 den Nobel-Gedächtnispreis, und 2019 stimmten ihm 27 Nobel-Gedächtnispreiskolleg:innen zu.
"Dennoch steht die Eindämmung des Klimawandels zurecht weit oben auf der Agenda der Vereinten Nationen." Eine erstaunliche Einsicht, die dem vorher Gesagten zwar komplett widerspricht, aber zur Sicherstellung der eigenen Seriosität scheinbar notwendig ist. Er erklärt deshalb auch nicht, warum das Agenda-Setting der UN für Klimaschutz "zurecht" so aussieht.
Er könnte genauso gut sagen "ich bin ja auch für Klimaschutz, aber..."
"Nun allerdings bedroht eine akute Energiekrise die Menschheit. Trotzdem ruft „Fridays for Future“ auf Demonstrationen erneut zur Einschränkung von Energie auf: „Während die Klimakrise eskaliert, steigt die Politik wieder in Fossile ein. Fridays for Future streikt daher weltweit“, erklärt die Organisation." Das ist kein Widerspruch. Es ist sogar absehbar, dass die Nutzung fossiler Energie sanktioniert wird, weshalb die IEA seit 2008 von neuen Investitionen in fossile Energiequellen abrät.
"Die Klimabewegung offenbart ihren menschenfeindlichen Kern.
Die Produktion von Dünger musste aufgrund mangelnden Erdgases weltweit erheblich zurückgefahren werden. Es drohen massive Ernteeinbußen und Hungersnöte."
Es stimmt sogar, dass ein plötzlicher Ausstieg aus der Mineraldüngerproduktion kurzfristig problematisch wäre. Deshalb kann ich die Politik des Grünen Wirtschaftsministers nachvollziehen, in diesem Notfall entgegen allen außenpolitischen Bedenken Gas von alternativen Lieferanten zu beziehen. Mir ist auch kein Vertreter von Fridays for Future bekannt, der das plötzliche Abstellen der Düngerproduktion fordert. Mittelfristig ist die Agrarwende, wie sie von der Wissenschaft (und damit Fridays for Future) gefordert wird, der einzige Weg zu Ernährungssicherheit.
"Wegen der hohen Energiepreise steht Deutschland vor der Deindustrialisierung. Zahlreiche Firmen haben ihre Produktion minimiert, ihnen droht Insolvenz; Arbeitsplätze sind in Gefahr, die Energiekosten steigen gefährlich." Deutsche Zukunftsindustrien wurden von neoliberalen, fossilökonomistischen Regierungen zerstört (PV, Windkraft) oder verhindert (Elektroauto), der Weg von Bürgern zur Energiesouveränität gegen geltende EU-Gesetze erschwert. Zukunftsuntaugliche Geschäftsmodelle mit Abermilliarden künstlich am Leben erhalten, z.B. die Verbrenner-Industrie im US-Dieselskandal oder Lufthansa und TUI in der Pandemie. Die Energiekosten wären mit Erneuerbaren Energien geringer, das sieht man an der deutschen Strombörse: für Süddeutschland muss Strom im Mittel weit teurer eingekauft werden als für Norddeutschland, wo der Ausbau der Erneuerbaren weit fortgeschritten ist. Und für die Energiewende ist am Ende womöglich wieder kein Geld da.
"Gefährlich" ist nicht der Verlust von Geldwerten fossiler Profiteure, sondern das Verpassen von Zukunftschancen, eine drohende zwangsweise Stilllegung fossiler Industriezweige durch internationale Klimaschutz-Vereinbarungen und massive Schadenersatzforderungen; aber v.a. der Verlust unwiederbringlicher, lebensnotwendiger Natur-Ressourcen. Risiken, die Bojanowski nicht ernst nimmt.
"Ein Dilemma, das von der Klimabewegung mit ihren radikalen Forderungen nach CO2-Reduktion übergangen wird, zeigt sich nun überdeutlich: Fossile Energien liefern mehr als vier Fünftel der Energie weltweit, sie sind bis auf Weiteres überlebenswichtig. Versuche, fossile Energien schleunigst abzuschaffen, gefährden Menschen." ... aber doch nicht, wenn Deutschland weniger fossile Energien nutzt. Im Gegenteil, ein deutscher Verzicht entlastet den globalen Markt auf der Nachfrageseite, was zu einer internationalen Entspannung beiträgt. Gerade erst haben die EU-Partnerstaaten Bedenken angemeldet, Deutschland würde die Preise am Gasmarkt verderben und ihn leerkaufen.
Und wieder das Wording "gefährden", dieses Mal mit "Menschen". Das ist ein Musterbeispiel für Täter-Opfer-Umkehr: hier sollten einmal die Klimaopfer zu Wort kommen, die heute schon leiden, oder fiktive Zeitreisende aus der prognostizierten Zukunft.
"Dennoch setzen westliche Regierungen unter dem Druck der Klimabewegung und einer finanzstarken Lobby ihren Kurs fort, die Versorgung mit Energie und Nahrungsmitteln einzuschränken." Das ist des Pudels Kern: Bojanowski spielt mit der globalistischen Weltverschwörung. Jetzt sind wir auf dem untersten Niveau der Debatte angekommen. Hat Bojanowski sich schon jemals mit der größten je dagewesenen Lobby-Macht beschäftigt, dem Petro-Patriarchat? Offensichtlich nicht. Die Regierung betreibt also deshalb Klimaschutz, weil sie von einer obskuren Lobby dazu gezwungen wird? Und nicht etwa, weil es höchste Zeit dafür ist? Bojanowski nimmt die Klimakrise immer noch nicht ernst.
"Die Europäische Kommission hat einen Plan abgelehnt, armen Ländern beim Bau von Düngemittelfabriken zu unterstützen." Aus gutem Grund: solche Fabriken laufen Jahrzehnte - und dann braucht man sie längst nicht mehr, weil die Agrarwende sie überflüssig macht.
"Die Niederlande, einer der wichtigsten Getreidelieferanten, schränkt den Düngergebrauch aus Umweltschutzgründen radikal ein." Die Niederländer haben soviel Gülle, dass sie sie schon exportieren müssen, und dennoch ist ihr Trinkwasser voller Nitrat.
"Dabei hatte die Umstellung auf Öko-Landwirtschaft gerade wesentlich dazu beigetragen, dass Sri Lanka im Mai in den Staatsbankrott kippte. Die Ernte war dramatisch dezimiert, nachdem das Land auf Geheiß der Klimabewegung auf Öko-Landbau umgestellt hatte. Dennoch plant die Bundesregierung gegen den Protest von Landwirten, in Deutschland bis 2030 auf 30 Prozent Bio-Landwirtschaft umzustellen." Ich habe aus Sri Lanka nur von chinesischem Kolonialismus nach europäischem Vorbild gehört, z.B. einem riesigen, leeren Flughafen; aber vielleicht ist ja auch die biologische Landwirtschaft an allem schuld. Bojanowski wirft derart hemmungslos mit unbelegten Behauptungen herum, dass ich jetzt keine Lust habe, das auch noch zu recherchieren.
Die o.g. Gutachten lassen jedenfalls nichts dergleichen in Deutschland befürchten, solange die Umverteilung nicht von reaktionären Kreisen blockiert wird wie in den USA.
"Die Ideologie hat System: „Fridays for Future“-Ikone Greta Thunberg lehnt Kernkraft weiterhin ab, und auch die Bundesregierung will weiterhin Kernkraftwerke in Deutschland abschalten, mitten in der Energiekrise." Mit Emsland wird eines von drei verbliebenen Kraftwerken (wie von der Vorgängerregierung geplant) abgeschaltet, weil dort billiger Windstrom verfügbar ist. Meinetwegen könnte es auch weiterlaufen, aber der Preiseffekt ist aufgrund der Merit-Order-Regeln nach Expertenberechnungen marginal. Ich verlasse mich auf die Stresstest-Studien der Netzbetreiber.
Ein Tempolimit und Raumtemperaturabsenkung würde soviel Öl sparen, dass man damit flexible Kraftwerke mit Nahwärme betreiben könnte, um den Ausgleich von Dunkelflauten um Welten besser besser zu erleichtern, als es das eine abgeschaltete Grundlast-AKW könnte.
"Der Kampf gegen Kernkraft offenbart, dass es der Klimabewegung nicht vorrangig ums Klima geht: UN-Klimarat, Wissenschaftler und Europäische Union beispielsweise sehen Atomkraftwerke als geeignete Energieressource im Kampf gegen den Klimawandel, denn Daten beweisen: Kernkraft ist klimafreundlich, sicher und umweltschonend, und die ersten Länder bauen bereits Endlager für den Abfall." Das würde aber extrem teuer, denn die notwendige Verzwanzigfachung des Geräteparks würde ca. eine Billion Euro und v.a. viel zu viel Zeit kosten. Dabei ist Deutschland noch mit der Abwicklung des "Versuchs-Endlagers" Asse mit 120.000 Fässern beschäftigt. Alle Bundesländer sträuben sich gegen ein Endlager, und die Zwischenlagerung ist teuer. Neuer Brennstoff käme - wenn alles beim Alten bliebe - aus menschenunwürdigen Bedingungen in Niger oder aus der russischen Föderation.
"Aber Kernkraft birgt für die Umweltbewegung einen entscheidenden Nachteil: Sie löst die Probleme, welche die Klimabewegung für ihre Selbsterhaltung benötigt. Kernkraftwerke versorgen zuverlässig Millionenstädte – im Gegensatz zu Windkraftanlagen und Solarpanelen: Für die „Öko-Energien“ müssen riesige Naturareale industrialisiert werden, es werden massenhaft knappe Ressourcen benötigt, die vor allem aus China geliefert und dort gefertigt werden, teils unter menschenrechtswidrigen Bedingungen." Ja, wenn es um Elektroautos oder Windräder geht, dann sind plötzlich Vogelschutz und Menschenrechte entscheidend.
"Das Grundproblem der sogenannten Erneuerbaren Energien ist ihre Abhängigkeit vom Wetter. Mit Irreführung will „Fridays for Future“ das Problem übertünchen: Stromspeicher würden angeblich nicht schnell genug gebaut, behauptet auch die Lobby der Erneuerbaren Energien, ausgestattet mit Milliarden-Subventionen der Steuerzahler. Energie-Forscher, die nicht zur Lobby gehören, rechnen zwar vor, dass es ausreichend Stromspeicher aus technologischen Gründen auf absehbare Zeit nicht geben kann." Wer bitte sind denn diese Forscher? Ich beschäftige mich intensiv mit der Materie (zumindest intensiver als Bojanowski mit dem IPCC), und habe noch nichts von ihnen gehört. Im Gegenteil schießen die neuen Akku-Typen gerade wie Pilze aus dem Boden, und sie werden immer günstiger und rohstoff-unkritischer.
Die 50 Milliarden jährliche Fossil-Subventionen werden bei dieser Rechnung wie immer genauso ausgelassen wie die jährlichen Importkosten in der gleichen Größenordnung. Seit Start des EEG im Jahr 2000 belaufen sich nur diese Kosten der Fossilwirtschaft auf über 2000 Milliarden Euro. So oft wurde diese Rosinenpicker-Geschichte erzählt, so oft wurde widersprochen. Bojanowski weiß, dass seine Leser:innen es gar nicht so genau wissen wollen. Das erinnert mich fatal an unbeschulbare, pubertäre Schüler.
"Doch wissenschaftsferne Ideologie hat sich durchgesetzt." Diese Buzzwords der Fossilökonomisten dürfen in keinem vollwertigen Hetz-Kommentar fehlen! Erst recht nicht, wenn es um Wissenschaft geht! Profunde Wissenschaft ist für Neolibertäre das, was profitable Patente produziert, Klima- und Biodiversitätsforschung dient nur der Finanzierung von Lehrstühlen für Gutmenschen.
"Denn Energiearmut spielt der Klimabewegung in die Hände, weil die Verknappung einer politischen Kraft nützt, welche der Umweltbewegung ihre Wucht verleiht: Politische Gruppen, die gegen westliche Lebensweise und Kapitalismus arbeiten, nutzen die Klimaaktivisten als Vehikel und den Mangel an Energie als Grundlage für ihre Ziele: für „Degrowth“, die Einschränkung der Wirtschaft, oder ein irrwitziges „Zurück zur Natur“." Lauter linksgrüne Idioten? Da kenne ich aber eine ellenlange Liste namhaftester Ökonomen, die die neoliberalen Missstände sehr genau analysiert haben und sich u.a. um die Vorhersage der letzten Finanzkrisen einen Namen gemacht haben, darunter etliche mit Nobel-Gedächtnispreis. Aber deren Kritik gefällt natürlich nicht den Freunden der "Schwarzen Null", die sicher ihre Verdienste für unseren jetzigen Wohlstand, aber auch vom bisherigen System gut gelebt haben. Und dieser Wohlstand ist nicht im Geringsten nachhaltig. Er wird sehr bald nicht mehr zu rechtfertigen sein, denn er ist teuer erkauft mit dem Elend von Menschen zu anderem Ort und zu späterer Zeit. Die Menschen müssen entschädigt, bzw. vor noch größeren Schäden bewahrt werden. Und das wird bald passieren, und dazu brauchen wir die Profite aus der fossilen Industriewirtschaft.
"Menschenfeindlichkeit im Namen des Umweltschutzes." Da haben wir's wieder. "Der Ökologe, der Massenmörder", oder noch drastischer "der Menschenfend". Diese Erzählung kennen wir vom neuen rechtspopulistischenen Sprachrohr mit guten CDU-Kontakten, dem Krawall-Journalisten Julian Reichelt, oder vom Rechts-Außen-Bestsellerautor Markus Krall, als Sprecher der Geschäftsführung bis Ende 2022 bei der Degussa Sonne/Mond Goldhandel ehemals Adlatus des verstorbenen Nazi-Bankier-Erben August von Finck. Von Finck war Geldgeber rechtsnationaler Parteien inkl. der AfD, aber auch ein enger Freund der CSU. Er kaufte 2010 für seinen Goldhandel (der auch für die AfD Gold-DM verkaufte) den Namen Degussa, obwohl oder gerade weil Degussa eine der finstersten Firmengeschichten in der Nazi-Diktatur geschrieben hatte: Zwangsarbeit, Zyklon B, Zahngold.
"Seit mehr als 50 Jahren spannen politische Gruppen prognostizierte Umweltapokalypsen ein, um die Abkehr von der Industriegesellschaft zu betreiben. Ihre Vorhersagen von katastrophaler Überbevölkerung, folgenden Hungersnöten und kollabierenden Staaten wurden durch gegenläufige Entwicklungen stets widerlegt. Doch im Kampf um öffentliche Aufmerksamkeit gewinnen weiterhin Behauptungen des bevorstehenden Umweltkollapses – kaum etwas verleiht mehr Einfluss und Aufmerksamkeit. Die Inszenierung als Klimakämpfer bietet Machthungrigen und Geltungssüchtigen einen Platz im Rampenlicht; Kritik am ihnen tropft als vermeintlicher Angriff gegen die Vernunft ab." Die 50 Jahre alten Prognosen des Club of Rome, Grenzen des Wachstums waren bloß Propaganda? Die Wissenschaft (Bojanowskis Ressort) sagt etwas ganz anderes.
Die Studie wurde immer wieder in der Tendenz bestätigt, wenn auch präzisiert. Zuletzt veröffentlichte ausgerechnet eine Ökonomin, die KPMG-Beiratsvorsitzende Gaya Herrington, 2021 ein Update: es wird bald zu spät sein, eine globale Katastrophe um das Jahr 2040 abzuwenden. Dieses Jahr einer möglichen globalen Katastrophe nennt auch die Denkfabrik National Intelligence Council NIC der 17 US-Geheimdienste. Aber in der Welt kommt unter Wissenschafts-Chef Bojanowski ja sogar noch im Jahr 2021 der bekannteste Klimaskeptiker und Kritiker der Club of Rome zu Wort, Björn Lomborg. Dessen Kampfschrift aus 2001 gegen den Club of Rome entging nur deshalb dem dänischen Ausschuss für wissenschaftliche Unredlichkeit, weil es nur ein Sachbuch ist - und der Ausschuss dafür vom neoliberal-konservativen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen als nicht zuständig erklärt wurde. Es wurde so gründlich verrissen wie kaum ein anderes Wissenschafts-Buch der letzten 20 Jahre. Unter Wissenschaftler:innen ist Lomborg ein enfant terrible.
Viele von Bojanowskis Thesen stehen so oder so ähnlich schon bei Lomborg.
"Selbst skandalöse Vorgänge gehen deshalb unter: Dass Russland jahrelang erfolgreich die westliche Klimabewegung unterstützt hat, um die Abkehr des Westens von seinen eigenen fossilen Ressourcen zu forcieren, bleibt Randnotiz." Das ist eine weitere groteske Verdrehung, wenn man bedenkt, dass die Anti-Klimaschutz-Propaganda unisono von rechten Populisten verbreitet wird, denen man fast durch die Bank Unterstützung aus Russland nachweisen konnte. Eines ist sicher: Putin ist der Meister der Destabilisierung durch Spaltung.
"Dass westliche Staaten afrikanischen Ländern die Finanzierung der Erschließung lebenswichtiger Erdgas-Ressourcen erschweren, gilt als Klimaschutz. Dass Entwicklungshilfe-Organisationen über Regierungen klagen, weil sie Siedlungen wegen angeblicher Klimaverpflichtungen räumen lassen, bringt keine Empörung. Dass Politiker den Klimawandel für Naturkatastrophen verantwortlich machen, die eigentlich wegen mangelnder Vorsorge eingetreten sind, gilt als vernünftiges Mahnen." Fossile Projekte werden in absehbarer Zeit sanktioniert werden. Die Behauptung, die Schäden durch Naturkatastrophen hätten nicht durch die Klimakrise zugenommen, sondern "eigentlich" durch mangelnde Vorsorge, hält keiner wissenschaftlichen Prüfung Stand. Die Münchener Rückversicherung warnt vor der Zunahme der Schäden schon seit 1973.
"Konzernen kommt dieser Zeitgeist entgegen, sie wittern gigantische Profite beim Umbau der Energieversorgung. Investmentfirmen lenken Geld in Firmen mit dubiosen „Nachhaltigkeitsnachweisen“. Und schwerreiche Philanthropen, die in Erneuerbare investieren, finanzieren Institute, Medien, „Faktenprüfer“ und Wissenschaft, um die Öffentlichkeit von der Notwendigkeit des Kampfes gegen fossile Energien zu überzeugen." Die Nachweis-Debatte hatten wir schon bei den Bio-Lebensmitteln. Wenn die Verbraucher:innen nicht das Risiko eingegangen wären, dass sie hier und da betrogen würden, gäbe es jetzt gar keine nachhaltige Landwirtschaft. Gab es denn dafür in der industriellen Landwirtschaft keinen Betrug?
Historisch nie dagewesene Profite für Ölbarone aus Jahrzehnten des ökoziden Ölgeschäfts sind gut, aber Gewinne aus Erneuerbaren sind unmoralisch? Vielleicht nur, weil die Deutschland AG sich mit ihrer beständigen Blockade der Klimawende verspekuliert hat? In Wirklichkeit ist das Festhalten an fossilen Brennstoffen unmoralisch, aber wer die Klimakrise nicht ernst nimmt, sieht das nicht ein.
"Kein Land hat mehr Steuergeld für die Energie-Transformation ausgegeben als Deutschland, dennoch liefern Wind und Sonne hierzulande weiterhin kaum mehr als ein Zwanzigstel der benötigten Energie. Die deutsche „Energiewende“ beruhte auf fossilem Erdgas, das die Unzulänglichkeit von Wind und Sonne vertuschen sollte." Das Zwanzigstel (5%) ist einfach aus der Luft gegriffen, laut UBA waren es 2021 gut doppelt so viel. Außerdem würde der aktuelle Primärenergiebedarf durch die Energiewende drastisch sinken, weil die Wärmeverluste der bisherigen Wärmekraftmaschinen und Verbrenner entfallen, elektrische Antriebe beim Bremsen Energie rückgewinnen und Wärmepumpen sogar riesige Potentiale an Umgebungswärme nutzbar machen.
Sämtliche seriösen aktuellen Energiestudien beklagen das Ausbremsen der Energiewende, allein schon aus Kostengründen, aber vor allem natürlich wegen der Zukunftskosten der fossilen Energien.
"Die Erneuerbaren-Lobby macht nun mangelnden Ausbau Erneuerbarer Energien für die historische Energiekrise verantwortlich – zur Freude Chinas, dessen Anteil an der Produktion ebendieser größer ist als der der OPEC-Staaten an der Erdölproduktion." Die "Erneuerbaren-Lobby" ist ein Thema, über das ich zugegebenermaßen noch nicht recherchiert habe, weil die Politik bisher ausschließlich die Interessen der Fossillobby bedient hat. Über die Lobby der Erneuerbaren sind Zahlen nur schwer zu finden. Über die der fossilen Brennstoffe schon.
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Aber egal, was an der Erzählung der geheimen Erneuerbaren-Lobby d'ran ist: was können die Klimaaktivisten dafür, dass die Deutschland AG zugunsten der Verbrenner-Industrie das Geschäft mit PV und Windkraft China überlassen hat?
"In Wahrheit zeitigt die politisch gewollte Verknappung fossiler Energie das gewünschte Ergebnis. Hohe Preise für fossile Energien hatten Klimaaktivisten gefordert. Bereits vor dem Krieg in der Ukraine waren die Preise für Erdgas und Erdöl dramatisch gestiegen. Deutschland, das für seine Energiewende vor allem auf Erdgas angewiesen ist, trifft der Preisanstieg nach dem Wegfall russischer Lieferungen besonders hart." Es würde den ("uns") Klimaaktivisten schon ausreichen, wenn die Marktpreise - wie sonst von den Neoliberalen gefordert - einfach weitergegeben würden, so dass ausreichend zahlungskräftige Verbraucher einen Anreiz zum CO2-Sparen hätten. Für die unteren Einkommen müsste eine Umverteilung die Folgen abfedern. Doch stattdessen wird wie bisher der Konsum jedes einzelnen gleich subventioniert, nur noch viel stärker. Den Abbau marktverzerrender Subventionen, gerade für ökozide Technik, wird ebenfalls von immer mehr seriösen Ökonomen seit vielen Jahren gefordert. Der Weltbank-Chefökonom Sir Nicholas Stern machte 2006 Furore, als er über die Fossilwirtschaft vom "größten Marktversagen aller Zeiten" sprach.
"Afrikanische Länder, die Milliarden Menschen mit günstiger Energie aus der Armut holen wollen, treiben mit Hilfe von China und Indien dennoch die Erschließung fossiler Energieressourcen voran. Ihre Hoffnung: Der mit CO2-Zertifkaten aus Klimaschutzgründen künstlich erhöhte CO2-Preis in westlichen Staaten dürfte die Nachfrage des Westens nach Erdgas, Öl und Kohle senken, so dass das Angebot für fossile Energien in Afrika und Asien steigt und deren Preise dort langfristig sinken. Industrien aus Europa könnten in diesen Regionen mit bezahlbarer Energie Zuflucht finden." Um das zu verhindern, wird gerade von der EU der internationale Klimazoll eingerichtet. Hier eine doppelte Verdrehung, da Länder des Globalen Südens immer stärker an Klimaschutz durch Erneuerbare Energien interessiert sein werden. Die Klimaschäden werden dort weit größer sein als bei uns, und mit Erneuerbaren ist die Versorgung bereits heute weit günstiger.
"Zunächst aber zieht aufgrund des akuten Energiemangels eine weltweite Krise der Wirtschaft und Nahrungsmittelversorgung herauf. Hätte „Fridays for Future“ das Wohlergehen von Menschen im Sinn, würden die Aktivisten nicht gegen Energie und Wirtschaftswachstum protestieren, sondern für humane Maßnahmen gegen den Klimawandel." Die Ölparty ist vorbei. Entweder wird die Carbon Bubble wird mit einem lauten Knall platzen, oder aber gehen auf diesem Planeten für etliche Milliarden Menschen die Lebensgrundlagen verloren. Eine "humane" Lösung besteht niemals nur im Ausbau der Kernkraft (siehe oben), denn in den übrigen Sektoren ist ein "Weiter-So" genauso katastrophal.
"Beispielsweise dafür, dass der Umstieg auf Erneuerbare sich finanziell lohnen müsste, was technologische Innovationen statt staatlichen Repressionen voraussetzte." Siehe oben (die vorhandene Erneuerbare Technologie war laut IEA schon 2020 die günstigste).
"Oder dafür, dass mehr Nahrung auf weniger Land wächst." Wir brauchen deutlich weniger Land, wenn wir den Fleischanteil in unserer Nahrung drastisch senken. Intensivierung der Landwirtschaft macht die Böden empfindlicher gegen Dürre und zerstört die Biodiversität, und damit die Menschheit.
"Oder dafür, dass sich Staaten besser gegen Wetterrisiken schützen." Die Klimarisiken werden exponentiell steigen, wenn nicht sofort wirksam die Emissionen sinken. Es gibt einen Punkt, an dem eine Anpassung unmöglich sein wird.
"Und dafür, dass Klimaschutz nicht vor Menschenschutz geht." Das kann man so sehen, wenn man wie Bojanowski die Klimakrise nicht ernst nimmt.
"Mit ihrem Kampf gegen erschwingliche Energie werden die Klimaschützer ansonsten für Milliarden Menschen zu „Fridays for No Future“." Siehe oben: erschwingliche fossile Energie ist nicht die Lösung der Probleme, sondern der Untergang der Menschheit, sprich Milliarden von Menschen. Für solch eine Aussage hat man den Klimaschützern übrigens anfangs Moralismus vorgeworfen. Ein guter Deutscher verbrennt weiter fossile Brennstoffe, bis der Planet zusammenbricht? Nicht mit mir! Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!

Bojanowski kann so oft beteuern wie er will, dass er Klimaschutz wichtig findet und den Aussagen des IPCC zustimmt - seine Hetze bewirkt genau das Gegenteil. Erstens verdreht er die Aussagen des IPCC völlig, und zweitens sieht man an jedem einzelnen Satz, den er sonst noch schreibt, dass er die Klimakrise nicht ernst nimmt. Er ist nicht nur Klimaschutz-Bremser, sondern auch ein gesellschaftlicher Spalter, der ganz im Sinne seines neuen Arbeitgebers autoritäres Gedankengut fördert. Mit den Forderungen des Biodiversitäts-Rats IPBES beschäftigt er sich nicht einmal, obwohl sie die ökozide Agrarpolitik noch konkreter adressieren als der IPCC.
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Julian Reichelts ehemaliger Förderer und Axel Bojanowskis aktueller Chef ist Springer-CEO Mathias Döpfner. Döpfner wurde im September 2022 von der Washington Post mit einer Rundmail an einen Teil seiner amerikanischen Belegschaft vom November 2020 konfrontiert, in der er seine Hoffnung zum Ausdruck bringt, dass Donald Trump wiedergewählt wird. Gegenüber der Washington Post redet er sich dann um Kopf und Kragen. Zuerst bestreitet er die Existenz der EMail, dann meint er, diese sei möglicherweise ein "ironisches, provokatives Statement in einem Kreis von Menschen, die Donald Trump hassen", und der darin enthaltene Aufruf zum Morgengebet sei "selbstverständlich ein Scherz" gewesen.
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Umfangreiche interne Dokumente aus dem Springer-Konzern lassen im April 2023 massive Zweifel an dieser Darstellung aufkommen. Sie vervollständigen das Bild eines rechtskonservativen Polit-Agenten (der nebenbei als Verleger eine erstaunlich ausgeprägte Legasthenie an den Tag legt). Döpfners Sohn arbeitete demnach offenbar in leitender Position beim umstrittenen rechtslibertären Trump-Unterstützer und Überwachungsdaten-Händler Peter Thiel, den er auch schon bei sich zu Hause empfangen hat, und der auch mit anderen Konservativen in Europa vernetzt ist. Döpfners Nähe zu FDP-Chef Christian Lindner ist für mich insofern zutiefst beunruhigend.
ZDF: [Verknüpfung]
Es fällt auf, dass viele von Döpfners Zitaten aus Nachrichten an Julian Reichelt stammen, z.B. diese:


Please Stärke die FDP. Wenn die sehr stark sind können sie in Ampel so autoritär auftreten dass die platzt. Und dann Jamaika funktioniert.
Mathias Döpfner (interne Kommunikation im Springer-Konzern laut Zeit)
Zeit: [Verknüpfung]

Döpfner streitet zunächst (wieder) alles ab, muss aber (wieder) drei Tage später später zurückrudern. Und entschuldigt sich in der BILD-Zeitung - er habe die Nachrichten so nicht gemeint, sondern "polemisch überspitzt" formuliert, und in dem Vertrauen gesendet, dass sie nicht weitergegeben würden.
ARD: [Verknüpfung]
Wenige Tage später erscheint der Roman "Noch wach?" des engen Döpfner-Vertrauten und -Mitarbeiters Benjamin von Stuckrad-Barre. Der Titel ist im Wortlaut gleich mit einer bekannten SMS des damaligen BILD-Chefredakteurs Julian Reichelt an eine seiner Mitarbeiterinnen im Sex-Skandal. In dem Roman wird eine - wie der Autor betont fiktive - Geschichte erzählt, die jedoch unübersehbare Parallelen zu den bekannten Vorgängen im Springer-Hochhaus, Springers "Turm der Freiheit" aufweist. Der Schauplatz im Roman heißt nur "der Turm", die Protagonisten haben keine Namen, nur "Ich" (der Erzähler), "mein Freund" und "der Chefredakteur". Der Verdacht liegt nahe, dass von Stuckrad-Barre damit seine Eifersucht gegenüber Reichelt aufgearbeitet haben könnte und mit dem System Springer abrechnet.
Zeit: [Verknüpfung]
Im Berliner Ensemble inszeniert von Stuckrad-Barre eine Lesung.
Zeit: [Verknüpfung]
DLF: [Verknüpfung]

Dass Stuckrad-Barre nicht die Frauen selbst zu Wort kommen lässt, sondern sich das Thema aneignet, macht ihn zum Teil des Systems, meint die Autorin Mareike Fallweikl, die 2019 eine ganz ähnliche Geschichte erfunden hat. Sie beschreibt in "Das Licht ist hier viel heller", wie Protagonist Maximilian Wenger eine #metoo-Sensationsgeschichte für sein Ego ausnutzt.
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Nach dem Aufsehen um den Roman ist aber immer noch nicht Ruhe in der Causa Reichelt. Wieder nur Tage später verklagt der Verlag Axel Springer Julian Reichelt auf einen siebenstelligen Betrag - er will die Abfindung zurück. Außerdem gibt der Konzern an, Reichelt wegen Betrugs angezeigt zu haben.
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Für ihre Zuschauer macht die satirische ZDF heute-show daraus ein gefundenes Fressen, inklusive Dietmar Wischmeyer mit einem besonderen Literaturtipp.


Youtube: [Verknüpfung]

Ein Miteigentümer des Springer-Konzerns ist der Private-Equity-Fonds Kohlberg Kravis Roberts & Co. KKR, der einen Großteil seiner Anlagenwerte fossil investiert, und laut der scorecard des Projekts Private Equity Climate Risks im September 2022 zu den klimagefährlichsten Unternehmen zählt.
[Wikipedia 2023 - Kritik]
Guardian: [Verknüpfung]
Bericht bei Private Equity Climate Risks: [Verknüpfung]

Döpfner ist mit seiner Begeisterung für Trump und Thiel im deutschen Salon-Konservatismus nicht allein.

Der Frank-Schirrmacher-Preis ging 2021 an den radikal-neolibertären Trump-Netzwerker Peter Thiel. Kuratoren waren neben Döpfner hochrangige Vertreter der beiden anderen wichtigsten deutschsprachigen konservativen Zeitungen NZZ und FAZ. Thiel betreibt Datenanalyse für Geheimdienste, und spricht sich gegen Demokratie und für Monopole, auch im IT-Bereich, aus. Schirrmacher würde sich im Grab herumdrehen, denn er sah in der Macht der Monopolisten im Silicon Valley eine Gefahr für die Demokratie.
Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz vernetzt sich 2022 mit einem der wichtigsten Trump-Opportunisten und republikanischen Spitzenpolitiker Lindsey Graham
, dessen Partei die gleichen fossilwirtschaftlichen Ziele verfolgt. Aber Merz kündigt für August vor allem, mit Graham über "konservative Werte" zu diskutieren - ein Thema, das für Merz-Kritiker seit seiner Ablehnung der Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe ohnehin brisant ist, und wo die Republikaner sich gerade mit irrwitzigen Extrempositionen hervortun. Ein antiquiertes Frauenbild ist kennzeichnend für extrem Konservative, weshalb US-Republikaner genauso wenig Probleme mit Donald Trump haben wie die CDU mit dem deutschen #MeToo-Täter Julian Reichelt.
Die offizielle Kontaktaufnahme der CDU zu ultrarechten US-Politikern durch ihren Vorsitzenden Merz wurde schon unter Merkel im Verborgenen seit einiger Zeit angebahnt, und findet ihre Fortsetzung im Besuch einer CSU-Delegation bei Ron de Santis. Diese rechtspopulistische Orientierung der Union ist ein Warnsignal. Aber auch deutsche Rechtspopulisten werden mittlerweile offen hofiert.
Mike Mohring, Ex-Fraktionsvorsitzender der CDU in Thüringen, forderte im Oktober 2022 ein Ende der Ausgrenzung der AfD, was für ihn medial folgenlos bleibt. Als der Bremer CDU-Vorsitzende Meyer-Heider eine Kooperation mit der AfD erwägt, wird er zum Rücktritt gedrängt.
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Während dann 2023 die AfD beständig an Stimmanteilen gewinnt, beschwören CDU-Politiker zwar weiter die "Brandmauer" gegen eine Kooperation. Doch gleichzeitig versuchen rechte Opportunisten wie Friedrich Merz oder Christoph Ploß, Hintertürchen in diese Mauer zu brechen. Merz will die Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene ermöglichen, wird dafür jedoch als Vorsitzender heftig kritisiert. Ploß dagegen, der für einen AfD-Bundestagsvizepräsidenten eintritt, ist für einen Skandal nach seinem Rücktritt in Hamburg nicht mehr bedeutend genug.
Zeit: [Verknüpfung]
ARD: [Verknüpfung]
Der bayerische Ministerpräsident der CSU Markus Söder feierte den Geburtstag seines Parteifreundes Peter Gauweiler an der Seite des Nazi-Bankierserben und AfD-Finanziers August von Finck, und Philipp Amthor, einst Jungstar der CDU, ließ sich 2021 mit Rechtsradikalen, deren Gesinnung eindeutig an ihrer Kleidung erkennbar war, ablichten.
NZZ: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Im September 2022 diskutieren Rechtspopulisten über ukrainische Flüchtlinge, die zwischen ihrer Heimat und Deutschland hin und her pendeln, der österreichische Rechtspopulist Martin Sellner nutzt den Kampfbegriff "Sozialleistungs-Tourismus"; Merz kreïert den Begriff "Sozialtourismus" und wirft ihn in die Stammtischrunden der "sozialen" Medien, um seine Aussage kurz danach wieder zu relativieren: "Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung." Im übrigen ist das die Standard-Strategie rechtspopulistischer Politiker, die immer wieder verbale Grenzverschiebungen versuchen und nur nach Gegenwehr aus der Zivilgesellschaft zurückrudern. Um die Gegenwehr zu diskreditieren, wirft man ihr sogenannte woke Überempfindlichkeit vor.
Ich wüsste gern, was passieren würde, wenn ein Bundesvorsitzender der Grünen in solcher Weise über die Profite von RWE oder Deutsche Wohnen schwadroniert. Bezeichnend, dass Merz von russischen Medien (der deutsche Kanal von Russia Today RT ist wegen Desinformation in Deutschland verboten worden) damit zitiert wird, und auch mit dem Manthra der rechten Populisten, dass in Deutschland eine freie Meinungsäußerung nicht mehr möglich sei. Die Verbreitung über "soziale" Medien, v.a. den russischen Instant Messenger Telegram, wurde von Medienwissenschaftlern dokumentiert.

FAZ: [Verknüpfung]
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Monitor: [Verknüpfung]
Tagesschau: [Verknüpfung]
RND: [Verknüpfung]
Das Recherchenetzwerk correctiv belegt die Haltlosigkeit dieser Äußerungen, und - nicht zum ersten Mal - entschuldigt sich Merz.
RND: [Verknüpfung]
Merz erklärt offen, dass er mit seinem Kurs zur AfD abgewanderte Wähler zurückgewinnen will. Wie seine Gegner voraussagen, steigen die Umfragewerte der AfD dennoch kontinuierlich. Doch auch wenn seine Rechnung nicht aufgeht, bleibt er dabei und äußert er sich wiederholt populistisch gegen Ausländer und Asylbewerber. So spricht er bei Markus Lanz von "kleinen Paschas" im Klassenzimmer und betreibt auf einem bayerischen Volksfest offen Exklusion: "Nicht Kreuzberg ist Deutschland, Gillamoos ist Deutschland."
FR: [Verknüpfung]
taz: [Verknüpfung]
Auch für eindeutige Falschdarstellungen ist er sich nicht zu schade. So behauptet er zwei Wochen vor den Landtagswahlen in Hessen und Bayern 2023: "Auch die Bevölkerung, die werden doch wahnsinnig die Leute wenn die sehen, dass 300.000 Asylbewerber abgelehnt sind, nicht ausreisen und die volle Leistung bekommen. Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen und die Deutschen kriegen keine Termine."
Welt auf Youtube: [Verknüpfung]
Die Zahl von Asylbewerbern, die nicht geduldet sind, liegt zunächst bei etwa 50.000. Merz suggeriert, diese hätten ihre Heimat für eine kostenlose Zahnsanierung in Deutschland verlassen. "Die Zähne neu machen" bedeutet nämlich eine aufwändige Komplettsanierung mit Kronen, Brücken und/ oder Implantaten. Asylbewerber haben jedoch lediglich Anspruch auf eine Notversorgung bei Schmerzen. Die Ampelregierung hat bei der Zahnversorgung von Asylbewerbern nichts geändert, die Versorgung ist auf dem Stand der CDU-geführten Vorgänger-Regierungen.
ARD: [Verknüpfung]
SZ: [Verknüpfung]
Damit instrumentalisiert Merz die Asylbewerber als Sündenböcke für strukturelle Probleme im Gesundheitswesen, die seine Patei mitzuverantworten hat. Ganz ähnlich wird Klimaschutz von Konservativen in anderen Fragen sozialer Schieflagen instrumentalisiert.
Die Kontroverse geht bis in die Partei. Während der Innenminister von NRW Herbert Reul Merz unterstützt, fordert der Vizechef der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft Christian Bäumler von Merz eine Klarstellung oder den Rücktritt.
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Das Vorstandsmitglied der Jüdischen Gemeinde Frankfurt Benjamin Graumann spricht von einem Tabubruch.
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Ende 2023 verschärft sich durch den Erfolg der CDU-Verfassungsklage gegen den Haushalt 2023 die Haushaltslage dramatisch - die Regierung ist zum Sparen gezwungen, obwohl so viele Krisen gleichzeitig drängen wie noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik. Jetzt bringt Merz einen weiteren Sündenbock für die Misere ins Spiel: Arbeitsunwilligen und abgelehnten Asylbewerber:innen soll die staatliche Unterstützung gekürzt werden; allgemein sei das geplante Bürgergeld zu hoch. Das nützt zwar in der Summe nur marginal, doch bringt es enorme populistische Stimmung, wie schon mit seiner "Drückeberger-" Debatte 2001.
FAZ: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Merkur: [Verknüpfung]
ZDF: [Verknüpfung]
ARD: [Verknüpfung]
SZ: [Verknüpfung]
Die Vezweiflung in der SPD geht so weit, dass nach Weihnachten Sozialminister Hubertus Heil nach anfänglichem Widerspruch die Maßnahme gegen Arbeitsunwillige befürwortet.
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AFD und FPÖ WählerInnen gehören zurück in die Schule
...denn sie haben nichts aus der Vergangenheit gelernt und verstanden.
Und es ist schlimmer als damals zwischen 1. und 2. WK. Damals waren Millionen Menschen in echter Not (was trotzdem nichts entschuldigt), was sie massenweise in die Fänge der Wahnsinnigen getrieben hat.
Heute geht es den meisten Leuten nicht schlecht und trotzdem läuft es auf rechtsnationalistische Regierungen hinaus. Es ist gruselig. Benutzer #Ansichtssache# im Kommentarbereich des Standard
Eigentlich strebt doch der Mensch danach, dass es ihm besser geht. Im Moment scheint es mir aber, dass es vielen Menschen reicht, wenn es den anderen schlechter geht. Dass sie sich dann besser fühlen. Und das ist eine ganz schlimme Tendenz. Da fängt Faschismus an.
Hape Kerkeling
ich dachte zu meiner schulzeit auch immer, es wäre die not gewesen, die arbeitslosigkeit, die "ausgesteuerten", die nicht mehr gewußt haben, wie sie ihren kindern zu essen geben.
aber es ist die neigung zu autoritärem verhalten, zu autoritärer politik, die lust am untertanen-sein statt bürger, die freude daran, wenn es dem nachbarn schlechter geht als einem selber.
Benutzer fersuchung im Kommentarbereich des Standard
Standard: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
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Mit seinem Rechtspopulismus ist Merz in Tradition mit dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch und dem NRW-Kandidaten Jüren Rüttgers, die beide mit dem Wahlspruch "Kinder statt Inder" im kollektiven Gedächtnis geblieben sind.
Spiegel: [Verknüpfung]
Auch der bayerische Ministerpräsident Markus Söder bedient sich gerne des Reizworts "woke", um den Kulturkampf anzuheizen.
FR: [Verknüpfung]
Kölner Stadt-Anzeiger: [Verknüpfung]
rbb auf Youtube: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Anstatt die exklusiven Tendenzen der Rechtspopulisten gegen Minderheiten entgegenzuwirken und damit Artikel 1 der Verfassung zu unterstützen, heizen Unionspolitiker die Stimmung an. Der prominente Homosexuelle wie Hape Kerkeling vergleicht die Entwicklung mit dem gewaltvoll-reaktionären Klima der 30er-Jahre nach den liberalen 20ern. Er ist aus Berlin weggezogen.
Tagesspiegel: [Verknüpfung]
Youtube: [Verknüpfung]

Seit Jahrzehnten betreibt die CDU ein Spiel mit dem Feuer und wird zum geistigen Brandstifter, was ich im Populismus-Kapitel ausführlicher bespreche. Die Umfragewerte der AfD steigen über 20%, und die Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung FES 2023 beziffert eine dramatische Zunahme rechtsextremer Positionen: über 8% sind gesichert rechtsextrem, 6% befürworten eine autoritäre Diktatur. Immer mehr verdichten sich die Anzeichen, dass für Deutschland die "Alternative" zum Schreckensbild einer Ökodiktatur eine Öldiktatur des Petropatriarchen Putin sein wird.

Die rechtspopulistischen Tendenzen der CDU in der Klimadebatte kritisierte Christian Bangel Ende 2022 in der Zeit.
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Der Princeton-Politologe Jan-Werner Müller sieht als Motiv der "rechten Mitte" - also der CDU - für ihren Kulturkampf Ideenlosigkeit, und attestiert der Zusammenhalts-Rhetorik von Kanzler Scholz und Präsident Steinmeier - beide SPD - eine Qualität von Sozialkitsch, der vom fehlenden Mut zu wirksamer Umverteilung ablenke.


Was sich verschoben hat: die Haltung von etablierten konservativen Eliten, die seit einigen Jahren viel eher bereit sind, mit Rechtspopulisten zu koalieren oder zumindest deren Rhetorik zu kopieren. Nicht zuletzt, weil bei der rechten Mitte oft eigene Ideen fehlen, wird Kulturkampf betrieben und Politik langsam, aber stetig auf Zugehörigkeit reduziert.
Der Zusammenhaltskitsch kleistert legitime Interessengegensätze zu und suggeriert, man habe schon etwas getan, wenn man sich um Zusammenhalt sorgt. Der Begriff ist nahe dran, aber eben nicht identisch mit Solidarität oder, moralisch noch höher gegriffen: Gerechtigkeit. Wenn man Letztere ernst nimmt, müsste man vielleicht wirklich etwas abgeben, wie womöglich jetzt gut situierte Familien, die nicht mehr automatisch Geld für Kinder bekommen. Oder man sollte etwas für die verrottende Infrastruktur tun, denn nur die kann Menschen wirklich zusammenbringen, sofern sie nicht ewig auf Bus und Bahn warten müssen. Wer von solchen Dingen nicht reden will, sollte auch von Zusammenhalt schweigen.
Jan-Werner Müller
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Der anstehende Abschluss des Atomausstiegs, der noch unter Merkel beschlossen wurde, lieferte CDU und FDP weiteren Stoff für Diskussionen um "grüne Ideologie", und der AfD für ihre Kampagne "grüner Mist".
Am 05.09.2022 verkündet Robert Habeck, dass nach dem Stromnetz-Stresstest der vier Netzbetreiber zwei der drei verbliebenen Atomkraftwerke nicht wie gesetzlich beschlossen Ende des Jahres abgeschaltet, sondern bis April als Reserve bleiben sollen. Mit dem niedersächsischen AKW Emsland fallen ca. 2% der Erzeugungsleistung, wie im Atomausstieg geplant, endgültig weg. Die beiden anderen (Neckarwestheim 2 und Isar 2) mit ca. 4% liegen im Süden und werden wegen des hohen Bedarfs und der schwachen Kapazitäten erneuerbarer Energie dort eher im Notfall gebraucht als die 2% im Norden. Weil sich die FDP für die Verlängerung des Betriebs einsetze, drohe die Frage zum Stresstest für die Ampel zu werden, schreibt Thomas Steinmann in Capital.
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Wegen der Merit-Order-Preisbildung, die sich zur Zeit am Gaspreis orientiert, ist der Effekt auf den Strompreis laut Berechnungen des Öko-Instituts Freiburg und Enervis bestenfalls marginal - unter 1%. Die konservative "Wirtschaftsweise" Monika Grimm behauptet das Gegenteil, kann aber nicht auf Berechnungen verweisen.
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Zeit: [Verknüpfung]
Der Betreiber von Isar 2, Preussen-Elektra, bezeichnet die Reserve als nicht realisierbar, obwohl ein AKW innerhalb etwa einer Woche hochgefahren werden kann. Das ist ein Zeitraum, innerhalb dessen mittels Wetterbericht und Abschätzung der Brensstoffversorgungslage ein Bedarf vorhersagen lässt. Tatsächlich dauert das Wiederhochfahren bei den alten Brennstäben wesentlich länger. Deshalb soll die Anlage ja auch schon eingeschaltet werden, wenn ein Engpass absehbar wird.
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Habecks Entscheidung deckt sich also durchaus mit faktenbasierten Empfehlungen von Experten.
Dennoch erscheint die Blockade des Weiterbetriebs der Reaktoren mit neuen Brennstäben fatal getrieben von der Angst vor dem Zorn einer grünen Basis, die sich vor allem als Antiatom-Bewegung definiert. Selbst Greta Thunberg sprach sich im Interview im Herbst 2022 für einen Weiterbetrieb alter Anlagen in der Energiekrise des Ukraine-Kriegs aus.
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Als Merz nun in der Bundestags-Generaldebatte vom 07.09.2022 davon spricht, dass hierdurch die deutsche Wirtschaft durch Ignoranz marktwirtschaftlicher Prinzipien "unwiderruflich geschädigt" werden könnte und der Ampel-Koalition "Irrsinn" vorwirft, platzt Kanzler Scholz zum ersten Mal der Kragen.


Die CDU-CSU ist die Partei, die die komplette Verantwortung dafür hat, dass Deutschland Ausstiegsentscheidungen getroffen hat aus der Kohle- und aus der Kernenergie, aber die niemals die Kraft hatte, in irgendetwas einzusteigen. Sie waren unfähig, den Ausbau der erneuerbaren Energien herbeizuführen. Sie haben Abwehrkämpfe geführt gegen jede einzelne Windkraftanlage, und jeder Abwehrkampf der letzten Jahre schadet unserem Land noch heute. Das waren Sie!
Dafür haben Sie auch immer sehr breitflächig gemogelt. Die letzte Mogelei war vor der letzten Bundestagswahl. Unionsgeführtes Wirtschaftsministerium - mit Absicht wurde die Wahrheit, dass wir bis zum Ende dieses Jahrzehnts einen Anstieg der Stromproduktion von 600TW auf 800TW brauchen, verschwiegen, und als der Bundestag in die Sommerpause kam, da wurde es veröffentlicht. Das ist unverantwortliche CDU-Politik, die uns in die jetzige Situation gebracht hat. [...]
Und wir hätten auch schon ein paar Probleme weniger, wenn es nicht der heroische Kampf der CSU in Bayern gewesen wäre dafür zu sorgen, dass noch nicht alle Übertragungsnetzleitungen in den Süden Deutschlands errichtet worden sind. Das war das, was Sie gemacht haben. Dafür tragen Sie die Verantwortung, es war unverantwortlich, das zu tun, damit wir die industrielle Modernisierung unseres Landes hinkriegen, damit wir wettbewerbsfähig bleiben und uns nicht mehr von den Problemen dieses Landes drücken.
Olaf Scholz
Youtube-Video bei 15'05'': [Verknüpfung]
ganze Debatte im Youtube-Video: [Verknüpfung]

Belege für Scholz' klare Vorwürfe an die CDU habe ich unter dem Stichwort "Energiekehrtwende" gesammelt.
Auf Merz' Vorwürfe, Habeck sei umgeben "von einer Gruppe aus Lobbyisten der Umweltpolitik, die alles zur Strecke bringen, was auch nur einigermaßen Aussicht auf Erfolg hat, diese Krise in den Griff zu bekommen", erntete er jede Menge Gelächter. Scholz hätte daraufhin richtig mit Dreck werfen können, was er unterließ, denn mit dem Cum-Ex- und dem Wirecard-Skandal bietet er schon genug Angriffsfläche. Deshalb möchte ich hier an die gut dokumentierte Tradition der mehr oder weniger legalen fossilen Einflussnahme auf die Bonner und Berliner Politik erinnern, die bis hin zur Korruption reicht. Eine Partei liegt dabei eindeutig auf Platz eins: die Union, die dabei auf eine lange Tradition zurückblickt. Aber auch die SPD hat traditionell über die starken Industriegewerkschaften eine große Nähe zu Industrieverbänden. Die FDP vertritt schon aus ihrem Grundverständnis die Interessen der Industrie.

Am 15. April 2023 ist es, wie ursprünglich schon zum Jahreswechsel geplant, nach fast 50 Jahren Anti-Atomprotesten endlich soweit: die letzten drei Atomkraftwerke, die aufgrund der abgebrannten Brennstäbe zuletzt nur noch 4% der elektrischen Leistung im Netz erzeugen, werden abgeschaltet.
Die Meinungsmache von CDU, FAZ und Springer-Medien gegen den Atomausstieg hat in der Energiekrise verfangen: die Mehrheit ist jetzt wieder dagegen, manche halten den massiven Ausbau der Atomkraft gar für die Silver Bullet in der Klimakrise, gegen alle Empfehlungen der Wissenschaft und gegen die Meinung der Energieversorger. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) findet damit vor den Landtagswahlen in Bayern ein willkommenes Wahlkampfthema: wenn Deutschland aus Atomkraft aussteigt, heißt das für Söder nicht zwangsläufig, dass auch der Freistaat Bayern aussteigt. Söder will im bayerischen Alleingang das Vermächtnis seines Vorgängers Franz-Josef Strauß retten.
FAZ: [Verknüpfung]
Die Frage eines Endlagers in Bayern wäre damit - nach jahrzehntelangem erfolgreichem Widerstand - wieder offen.
Focus: [Verknüpfung]
Als 2011 nach Fukushima die Mehrheit für einen Atomausstieg war, hatte Söder als Bundes-Umweltminister noch sein ganzes politisches Gewicht für den Ausstieg in die Waagschale geworfen: er drohte andernfalls mit Rücktritt.
Welt: [Verknüpfung]
SZ: [Verknüpfung]

Gleichzeitig posiert Söder bei der Inbetriebnahme eines neuen bayerischen Windrads mit drei bunten Spielzeug-Windrädchen. Er versucht damit, seiner jahrelangen Anti-Windkraft-Politik ein grünes Deckmäntelchen zu verpassen. Aber hier reicht nicht einmal sein schwerer bayerischer Lodenmantel mit Filzhut, denn tatsächlich wurden im ersten Halbjahr genauso viele echte Windräder in Bayern errichtet, ganze drei Stück.
SZ: [Verknüpfung].
Man kann nur raten, wie die Inszenierung geplant war. Söders Blick soll wohl freundlich zugewandt und vertrauenerweckend aussehen; ich finde ihn irgendwie verstörend.
SZ: [Verknüpfung]

Warum das für ältere Semester noch viel verstörender ist, erklärt Eduardt Storberg auf Twitter. Söders Bildsprache erinnert fatal an die Kriminalgeschichte vom Kindermörder Schrott. Ladislao Vajda, Hans Jacoby und Friedrich Dürrenmatt schrieben das Drehbuch, das 1958 unter dem Titel "Es geschah am hellichten Tag" im Suspense-Stil verfilmt wurde - so entstand einer der gruseligsten und bekanntesten deutschen Filme der Nachkriegszeit. Schrott wird genial verkörpert von Gert Fröbe, der dadurch als Schurke für die Reihe James Bond entdeckt wird. Statt mit Söders bunten Windrädchen lockt Fröbe alias Schrott mit einer Handpuppe, das Outfit ist (abgesehen von modebedingten Stilmerkmalen) identisch.
Twitter: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2023 - Es geschah am hellichten Tag]
Szenenbild bei imago images: [Verknüpfung]

2023 gab es bei Konservativen neben Aufrüstung und Migration kaum ein anderes Thema als eine Multi-Katastrophen-Vorhersage durch den Atomausstieg. Selbst die Klimawirkung der Reserve-Kohlekraftwerke wurde von BILD heftig kritisiert, obwohl diese Zeitung jahrzehntelang Klimaskeptiker abdruckte und immer noch massiv gegen Klimaschutz wettert.
NZZ: [Verknüpfung]
Tatsächlich bleibt der Atomausstieg am Ende ohne erkennbare wirtschaftliche Folgen, auch nicht für das Klima.
volksverpetzer: [Verknüpfung]
BR: [Verknüpfung]
focus: [Verknüpfung]
Weil die ambitionierten deutschen Zubauziele an PV 2023 übertroffen wurden, wurde trotz Atomausstieg sowenig Kohle verfeuert wie seit 1959 nicht mehr, in der Folge wurden Anfang 2024 sieben Kohlekraftwerks-Blöcke stillgelegt.
Fraunhofer ISE:
tablemedia:


Filmtip: Atomstrom-Importe aus Frankreich - Prof. Burger & Dr. Kost
Geladen-Podcast bei Youtube: [Verknüpfung]
Filmtip: SO lief die Energiewende 2023 in Deutschland!
ingenieurskunst bei Youtube: [Verknüpfung]

Dass die destruktive Panikmache völlig unangebracht war, tut der Beliebtheit der Union keinen Abbruch; mit 31% ist sie mit weitem Vorsprung umfragenstärkste Partei, und Söder ist im ZDF-Politbarometer vom 12. April 2024 der beliebteste Politiker.
ZDF: [Verknüpfung]

Das einzige, was den führenden CDU-Politikern als Lösung der Energiekrise 2022 einfällt ist: zuerst einmal Laufzeiten für Kohle- und Atomkraft verlängern, also weitermachen wie bisher, und weiterhin Vertrauen auf Innovation.
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Das schon unter Merkel beschlossene Abschalten der letzten 6% Atomkraft-Anteil an der deutschen Stromproduktion stilisieren sie wider alle energiewissenschaftlichen Fakten zum Risiko für Deutschland, und fordern eine völlig unrealistische Renaissance der Kernkraft. Gerade das uralte Thema der Blackouts durch Erneuerbare Energien wird immer wieder hochgespielt, obwohl die ungeplanten Stromausfälle der letzten Jahre samt und sonders auf zunehmend klimabedingte Wetterkatastrophen oder (wesentlich seltener) fehlende Netzkapazitäten zurückgingen.
Doch auch die von der CDU versprochenen Innovationen sind höchst fragwürdig. Es ist absolut bezeichnend, dass bei der COP28 in Dubai die Ölförderstaaten mit ihrem Veto eine Mehrheit für den Ausstieg aus fossilen Brennstoffen überstimmten, und in der Abschlusserklärung genau die gleiche Liste untauglicher Klima-Scheinlösungen unterbrachte, die die CDU propagiert: CDR, EFuels und Nukleartechnik. Im Mai 2024 veröffentlichten zwei US-Demokraten einen Bericht, in dem die neuesten Desinformationskampagnen der Ölindustrie aufgedeckt werden, in denen sie - abgesehen von Nukleartechnik - genau diese Scheinlösungen der CDU präsentieren.
Weil Arbeitskräfte fehlten, sei laut Merz der Ausbau der Erneuerbaren unrealistisch - dabei macht die CDU Stimmung gegen Zuwanderung, und hat jahrelang selbst den Abbau der Arbeitsplätze für Erneuerbare betrieben. Aber neue Atomkraftwerke sollen dennoch gebaut werden, in Deutschland wären es für den postfossilen Strombedarf etwa 200 Stück à 10 Milliarden Euro; und das, während die Belegschaften im Atomsektor völlig überaltert sind, Nachwuchs jahrelang nicht nachgefragt worden ist, und die Fachkräfte-Qualifikation aus Sicherheitsgründen wesentlich länger dauert als im Sektor Erneuerbarer Energien.
energate: [Verknüpfung]
RND: [Verknüpfung]
Handelsblatt: [Verknüpfung]
Das Agenda-Setting im Jahr 2023 folgt recht genau der Weihnachtsvorlesung von Hans-Werner Sinn 2022, der allerdings bedenkliche Töne anschlägt, die man bisher nur aus der der AfD hören konnte: Ablehnung des CO2-Budgets, Infragestellung des Verfassungsgerichts.
Auch der in der Großen Koalition von der SPD mühsam durchgesetzte Minimal-Kompromiss zum Lieferketten-Gesetz soll nach Vorstellung der CDU zwei Jahre später in Kraft treten.

Der konservative CDU-Vorsitzende Friedrich Merz betreibt massive Desinformation zur Verzögerung von Klimaschutz. Anders als die Erzählung der CDU von der "Bewahrung der Schöpfung" behauptet, haben Klimaskepsis und Klimarelativismus, oder zumindest die Verzögerung von Klimaschutz und Artenschutz in der Partei Tradition. Er gehört damit nach Michael Mann zu den climate inactivists. So behauptete er z.B. 2021, Klimaschutz sei untauglich als Mittel gegen Überflutungen. In einem Interview behauptete er noch 2023, für die richtigen Weichenstellungen noch 10 Jahre Zeit zu haben, Zitat:

"Wenn wir in den nächsten zehn Jahren die Weichen richtig stellen, sind wir auf einem guten Weg." [Das Klimathema sei deshalb politisch] "überbewertet".
RND: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]

Merz widerspricht so eindeutig dem IPCC, und leistet damit der Normalisierung rechtsextremer Narrative weiteren Vorschub, so wie er es seit Jahren mit seinem latenten Rassismus tut.
Aber auch die Prognosen des endgültigen Peak Oil der IEA vor 2030 interessiert Merz dabei nicht. Mit einem Weiter-So-Kurs riskiert Merz ein hoffnungsloses Hinterher-Hinken in der industriellen Transformation, und damit das, was er den Grünen vorwirft: die Deindustrialisierung Deutschlands.
Wenn wir unsere vielfachen Bekenntnisse zum Klimaschutz wie die Unterzeichnung des Pariser Abkommens, ernst nehmen, können wir auf keinen Fall weitere 10 Jahre auf klimawirksame "Innovationen" warten. Diese Art von Verzögerungstaktik wird von Fossilkonservativen seit Jahrzehnten betrieben und hat uns in diese Krise geführt. Eine solche Aussage muss als eine weitere Leugnung der Klimawissenschaft aufgefasst werden.
Denn Deutschland wird in diesem Fall sein CO2-Budget weit überschreiten und dafür internationale Sanktionen riskieren, wenn es auf unsichere "Innovationen" setzt und bis da hin weiter fossile Techniken nutzt, auch wenn sie "technologieoffen" sind.
Bleiben dann auch noch die versprochenen "Innovationen" aus, was sogar sehr wahrscheinlich ist, folgt entweder in einer fossil-konservativen Welt die ultimative Klimakatastrophe, oder in einer postfossilen Welt der sichere wirtschaftliche Niedergang.


Wenn Deutschland nicht mit Nachdruck seine Dekarbonisierung vorantreibt, droht tatsächlich seine Deindustrialisierung. Denn wenn es eine denkbare Zukunft gibt, egal wie düster die Aussichten erscheinen, dann lassen sich darin nur noch (tatsächlich) nachhaltige Produkte kaufen und verkaufen. Alles Andere wird früher oder später sanktioniert. Das gilt nicht nur für Produkte, die dem Klima schaden, sondern auch für andere, die die Biodiversität bedrohen. Dabei werden die Vorreiter eher die Regeln bestimmen als die Nachzügler.

In den USA hat Joe Bidens Regierung mit dem Inflation Reduction Act dafür gesorgt, dass das Land zukunftsorientiert wirtschaftet, und damit die Transformation weltweit beschleunigt. Während Christian Lindner in diesem Vorstoß für Klimaschutz einen drohenden Handelskrieg sieht, zwingt die CDU Deutschland per Verfassungsgericht zum Einhalten der umstrittenen Schuldenbremse, und damit zum Stillstand im fossilen Status Quo.
SZ: [Verknüpfung]
Welt: [Verknüpfung]
Welt auf Youtube: [Verknüpfung]
RND: [Verknüpfung]

Um ihre besondere Motivation im Klimaschutz zu demonstrieren, fordert die CDU wie die FDP in der Konsequenz die Entwicklung "innovativer" Techniken, die aber allesamt unrealistische Scheinlösungen darstellen. Besonders drastisch hervorzuheben ist zum einen die Zumutung, unseren Kindern das Herausfiltern weiterer Emissionen aus der Atmosphäre mit CDR zu überlassen - eine Idee, die immer vehementer direkt von der Ölindustrie vorgebracht wird. Oder die jahrzehntealte, fixe Idee neuer Atomreaktoren wie Dual Fluid oder SMR, oder noch besser Fusionsreaktoren. Hier will man Geld in die Entwicklung stecken, obwohl zuverlässige und weit günstigere, boomende Konzepte der Erneuerbaren längst den Markt dominieren. Solange die Entwicklungsarbeit andauert, hat die CDU kein anderes Konzept, bis auf Weiteres alles beim Alten zu belassen. Wie lange die Entwicklungsarbeit dauert, kann keiner sagen. Das Bekenntnis der CDU zum Klimaschutz ist nichts als ein weiteres Beispiel für ihr Greenwashing.

Merz' CDU orientiert sich beunruhigend eng an dem Vorbild von Donald Trumps Partei in den USA, den Republikanern. Der von der Union betriebene Kulturkampf zeigt überdeutliche Parallelen, so wie die begleitende Medienkampagne, und Kontakte von Unionspolitiker:innen mit konservativen Republikanern sind bekannt.
Auch das Vorbild der Republikaner, die regelmäßig demokratischen Regierungen eine Erhöhung der Schulden verweigern, wird von der CDU nachgeahmt. Mit der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht blockiert sie im Herbst 2023, die Regierung ist ohnehin nach der unsäglichen Wärmepumpendebatte angezählt, 60 Milliarden für den Klimatransformationsfonds.
CSU-Landesgruppenchef Dobrindt bezeichnet in der BILD die Klimaschutz-Projekte der Ampel nach dem gelungenen Coup als "links-grüne Luftschlösser".


Sie [die Ampel-Regierung] haben Milliarden, die sie nicht hätten anrühren dürfen, genommen, um daraus ihre links-grünen Luftschlösser zu finanzieren.
Alexander Dobrindt
FR: [Verknüpfung]
Standard: [Verknüpfung]

Die wahren Luftschlösser sind jedoch die Klimaschutz-Vorhaben der Union. Sie versprechen dem Bürger Wirksamkeit im Klimaschutz, bewirken jedoch vor allem, dass der Fluss von Öl und Gas weitergehen kann. Die Ankündigungen der CDU für den Ausbau der Erneuerbaren sind vollkommen undefiniert, und man hat gute Gründe, an deren Ernsthaftigkeit zu zweifeln: Die Widerstände in ihrer Partei zwangen die "Klimakanzlerin" Merkel zu einer Politik der Energiekehrtwende, die sie zu einem vernichtenden Urteil über ihre eigene Klimapolitik veranlasste: "Pillepalle". In Unions-geführten Bundesländern hält sich 2023 die Blockade des Windkraft-Ausbaus; z.B. in Bayern, wo ganze 4 neue Windräder gebaut wurden, oder in Thüringen, wo die CDU zusammen mit FDP und AfD gegen die Minderheitsregierung nach der Steuerreform den Windkraftausbau in Wäldern praktisch verunmöglicht.
MDR: [Verknüpfung]
BR: [Verknüpfung]
Selbst nach dem jahrzehntelangen Preisverfall der Erneuerbaren betreibt die CDU-Führung die Panikmache einer Deindustrialisierung durch das Abschalten der Grundlast-Kraftwerke. Nach dem Winter 23/24 zeigt sich, dass durch den Ausstieg weder die Versorgung gefährdet, noch die Preise beeinflusst, noch die Klimaziele gefährdet worden sind.

Vor dem Abschluss des Atomausstiegs sei es zu intransparenten Entscheidungen gekommen, die wichtige Expertenmeinungen ausgeklammert hätten, behauptet die CDU und versucht, einen Skandal herbeizureden, und fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Selbst aus den Reihen der FDP wird der Rücktritt des Wirtschaftsministers Robert Habeck gefprdert.
Cicero: [Verknüpfung]
ZDF: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Claudia Kemfert stellt fest, dass diese Vorwürfe vollkommen haltlos sind und beklagt ein Ungleichgewicht in der Skandalisierung durch die Presse.
Kemferts Klima-Podcast beim MDR auf Youtube: [Verknüpfung]
MDR: [Verknüpfung]

Die Schamlosigkeit seiner Parteiführung, alle Fehlentwicklungen ohne jede Spur von Selbstkritik allein der Ampel anzulasten und sich nur destruktiv zu verhalten, veranlasst den Merz-Kritiker Daniel Günther im SZ-Interview zu einem Appell, die staatstragende Verantwortung der CDU wahrzunehmen, anstatt mit einem Kulturkampf das Land zu spalten. Günther führt als Schleswig-Holsteins Ministerpräsident eine Koalition aus Grünen und CDU.


Aber auch wir als Union haben unseren Anteil daran, dass Deutschland nun in kurzer Zeit dramatische Veränderungen herbeiführen muss, weil wir in den letzten 16 Jahren auch nicht alles auf den Weg gebracht haben, was erforderlich gewesen wäre. Deswegen sehe ich uns jetzt als Opposition auch in der Pflicht, mitzuhelfen. [...] auch ich würde sagen, dass die Grünen in wesentlichen Fragen Hauptkonkurrent der CDU sind. Im Wahlkampf haben wir die Unterschiede immer deutlich gemacht, und natürlich müssen wir uns mit dieser Partei im politischen Wettbewerb auseinandersetzen. Aber so meint Friedrich Merz es nicht. Er gibt den Kulturkämpfer, sagt einer vermeintlichen Ideologie den Kampf an.
Daniel Günther (CDU)
SZ: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]


Es kann nicht die Aufgabe eines Politikers sein, die öffentliche Meinung abzuklopfen und dann das Populäre zu tun. Aufgabe des Politikers ist es, das Richtige zu tun und dann populär zu machen.
Walter Scheel
[Verknüpfung]

Günther ist auch der erste CDU-Spitzenpolitiker, der ein Verbot der AfD fordert, anstatt deren populistische Parolen zu übernehmen.
Spiegel: [Verknüpfung]

Ein Hauptvorwurf von Union lautet, mit zusätzlicher Verschuldung die kommenden Generationen in unverantwortlicher Weise zu belasten. Dabei haben die Merkel-Regierungen das Land kaputtgespart: die Infrastruktur wurde auf Verschleiß betrieben, und den folgenden Regierungen wurde mit der Schuldenbremse jede Handlungsfähigkeit genommen. Schon Merkel selbst, aber auch verschiedene Landesregierungen, auch mit CDU-Beteiligung, haben deshalb die Schuldenbremse umgangen.
Nachdem die Bundes-Schuldenbremse nun vom Verfassungsgericht angezogen wurde, wird diskutiert, ob Zukunftsinvestitionen für die kommenden Generationen nicht mehr Nutzen als Schaden verursachen. Die einzigen, die sich gegen Neuverschuldung für Zukunftsinvestitionen aussprechen, sind Politiker:innen, die sich um ihre wohlhabende Wählerklientel sorgen. Die Ideologie des Trickle-Down ist so tief verwurzelt, dass weder makroökonomische Argumente, noch drängende Verteilungsungleichgewichte, in der Zivilgesellschaft für ein Umdenken sorgen. In der Krise tendieren Menschen zum Festhalten an Bewährtem. "Mutter Merkel" hatte damals dem konservativen Wahlvolk die radikale Austerität der "Schwarzen Null" mit einem allzu simplen Vergleich nahegebracht, der "schwäbischen Hausfrau", die nie mehr ausgibt als sie hat; und SPD-Finanzminister wie Peer Steinbrück oder Olaf Scholz haben sie willfährig umgesetzt. Jetzt haben SPD-Politiker Schwierigkeiten zu erklären, warum Merkels Metapher nicht taugt.
Dabei sprechen sich selbst die "wirtschaftsnahen" neoliberalen Ökonomen Michael Hüther, Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft IW, und Clemens Fuest, Leiter des ifo-Instituts, für ein Sondervermögen Klimaschutz, und damit ein weiteres Umgehen der Schuldenbremse, aus. Das ist besonders bemerkenswert, weil das IW eng mit dem klimaskeptischen INSM vernetzt ist, und Fuest der Nachfolger des Klimaskeptikers Hans-Werner Sinn ist.
Spiegel: [Verknüpfung]
Auch die Vorsitzende der Wirtschaftsweisen Monika Grimm setzt sich für ein Aussetzen der Schuldenbremse für Klimaschutz aus.
Spiegel: [Verknüpfung]


Die Regierung sollte die Ausgaben reduzieren, die Einnahmen stärken – und gemeinsam mit der Union ein Sondervermögen für den Klimaschutz im Grundgesetz verankern.
Clemens Fuest
Politik muss erstmal fragen: Was will sie eigentlich gestalten. Und dann wird man schon schauen müssen, dass man einen mehrjährigen Fonds braucht, den Klima- und Transformationsfonds, auch mit höherer Dotierung, um all diese Investitionen zu tätigen. Ein Ausweg im Rahmen der Verfassung wäre: etwas Ähnliches wie das Bundeswehr-Sondervermögen.
Michael Hüther
FR: [Verknüpfung]

Nach zähen Verhandlungen kratzt die Ampel im Dezember die wichtigsten 17 der fehlenden Milliarden für 2024 zusammen: dafür wird die vorgesehene Senkung der CO2-Steuer aus Tagen der GroKo ab 2024 von 45 auf 40 Euro doch nicht kommen, und auf innerdeutsche Flüge soll Kerosinsteuer erhoben werden. An eine Rückzahlung der CO2-Steuer per Klimageld ist nicht geplant.
t-online: [Verknüpfung]
Die dabei geplante Belastung der Bauern löst massive Proteste aus, der sich breite Teile der Bevölkerung anschließen. Die Stimmung ist schon durch Heizungshammer-Kampagne und Kulturkampf stark populistisch angeheizt.

Deutschland droht bei der Klimawende den Anschluss zu verlieren, wenn der Rest der Welt investiert.
Selbst konservative Ökonomen sehen kein Problem bei moderater Neuverschuldung. Sogar die Deutsche Bundesbank schreibt in ihrem Monatsbericht: "Insgesamt scheint es stabilitätspolitisch vertretbar, den Kreditrahmen etwas auszuweiten. Denn auch mit moderat höheren Defiziten ließe sich die Schuldenquote unterhalb des Referenzwerts von 60 Prozent stabilisieren." Nicht nur das, die Bundesbanker haben sogar Vorschläge für eine "stabilitätsorientierte Reform" der Schuldenbremse gemacht.
Statistisches Bundesamt: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Im Januar 2024 spricht sich der Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung ("Rat der Wirtschaftsweisen") geschlossen für eine Reform der Schuldenbremse aus.
Spiegel: [Verknüpfung]
Handelsblatt: [Verknüpfung]
Auch das Einhalten einer Rekord-niedrigen Schuldenquote (besser ist nur die Schweiz) ist für eine Exportnation unsinnig: jede Aufwertung des Euro, respektive einer möglichen D-Mark, verschlechtert die Chancen auf Export.


Sparen wir uns die Zukunft
Anonymer Kommentar in der Zeit unter dem Nickname Jagelsonn
[Heißler 2023]

Damit ist die CDU auf Linie mit dem regierungsinternen Oppositionsführer Christian Lindner (FDP), wie es Friedrich Merz treffend ausgedrückt hat.

In der Gasmangelkrise im Sommer 2022 versucht Unionschef Merz die von der AfD am Leben erhaltene Diskussion um eine nukleare Renaissance wieder anzufachen. Deutschland riskiere, vom internationalen Boom der Atomkraft abgehängt zu werden - was nicht im Entferntesten der Realität entspricht. Das wäre der Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg (Ausstieg4), und damit steht Merz in bester Tradition der hochgradig erratischen Atompolitik seiner Vorgänger:innen.
Vor allem aber stellt er sich, wie mit seiner Annäherung an das Trump-Lager, auf die Seite einer rechten Wählerschaft, die sich mit ihrer Meinung jenseits aller energiewissenschaftlichen Lehrmeinung bewegt, betätigt sich also aktiv als desinformierender Spalter und politischer Brandstifter; im Sommer 2023 nähert er sich mit zweideutigen und eindeutigen Bemerkungen auch verbal der AfD an.
Dabei kann man seine Vorhaben bestenfalls als gewagt bezeichnen. Während die Atomnation Frankreich einen moderaten Ausbau der nächsten und übernächsten Generation verfügbarer (wenn auch unwirtschaftlicher) EPR-Reaktortechnik für 2035 und 2050 avisiert, entwirft Merz seit 2020 ein Energiesystem der Zukunft mit Dual-Fluid-Reaktoren, deren Konzept in einem privaten Berliner Institut entworfen wurde und bisher nur auf dem Papier existiert.
Beim Neujahrstreffen 2023 holt Merz noch die Kernfusion als vielversprechende Option aus der Mottenkiste, obwohl die Fachwelt einen Masseneinsatz innerhalb der nächsten 10 Jahre (innerhalb derer die Emissionen deutlich sinken müssen) als praktisch unmöglich ansieht. Staatliche Eingriffe in die Energiepolitik, wie die Grünen sie vorsehen, lehnt die Union weiter ab.

Eine andere von Merz' erlösenden "Innovationen" ist die CO2-Sequestrierung mittels Direct Air Capture DAC. Aber nicht in der Variante, wie die Klimaschutz-Experten sie diskutieren, also Emissionen sofort runter, und sobald wie möglich historische CO2-Emissionen aus der Luft holen. Er meint, man könne weiter Treibhausgase emittieren, bis man passende "Staubsauger" gebaut hat, die groß genug sind. Die Profite sprudeln hier weiter durch den Vertrieb der fossilen Brennstoffe, und zusätzlich durch die Schaffung neuer Emissions-Zertifikate durch DAC.
Damit lässt sich die Klimakatastrophe nur verhindern, wenn die DAC-Kapazitäten sehr bald förmlich explodieren, was einen riesigen zusätzlichen Bedarf Erneuerbarer Energie bedingt, oder die Klimakrise anders verläuft als die Wissenschaft vorhersagt. Ersteres Szenario ist schwer finanzierbar, vor allem bei dem CDU-propagierten Beharren auf der "Schwarzen Null", und noch weit schwieriger in der krisengeschüttelten Welt der mittelfristigen Zukunft, wie es die US-Geheimdienste vorhersagen. Für einen Pfennigfuchser wie Merz sicher keine Option. Und letzteres Szenario ist schlicht die völlig unangebrachte Hofnung eines Klimaskeptikers. Dabei ist diese Methode nach bester verfügbarer Wissenschaft nicht im Entferntesten geeignet, die prognostizierten Mengen CO2 rechtzeitig mit vertretbarem Aufwand aus der Atmosphäre zu holen. Wir werden alle verfügbaren Erneuerbaren Energien benötigen, um unseren Eigenbedarf zu decken. Die Einplanung von nicht unerheblichen Energiemengen für DAC sind eine weitere Verschiebung der Emissionskosten in die Zukunft: eine Externalisierung des Problems an die nachste(n) Generationen.


Die Klimaziele in Deutschland und Europa werden wir mit Vermeidung und Verboten nicht erreichen. Also müssen wir uns den Technologien zuwenden, die CO2 wieder aus der Atmosphäre herausholen. Wir sind die Partei, die an Motivation und Innovation denkt.
Friedrich Merz
[Verknüpfung]

Da, wo es schon attraktive Alternativen zu fossilen Technologien gibt, versprechen CDU und FDP mit der "technologieoffenen" Einplanung von E-Fuels aus P2X (P2G-Methan oder grünen Wasserstoff) für den klimaneutralen Weiterbetrieb von Verbrenner-PKW und Verbrenner-Heizungen. Alle unabhängigen Energiestudien sagen im Gegenteil: wir können auf P2X als Saisonspeicher nicht verzichten. Die bisher im Verkehrs- und Wärmesektor genutzten Mengen fossiler Brennstoffe sind um ein Vielfaches höher. Eine konkurrierende Nutzung für PKW und Heizungen würde die Nachfrage und damit die Preise für P2X enorm erhöhen.
Dies ist auch wirtschaftlich Unsinn, weil es für PKW und Heizungen weit günstigere elektrische Alternativen gibt. Die Nutzung der wertvollen P2X-Brennstoffe für PKW und Heizbrenner wäre also pure Verschwendung. Prof. Claudia Kemfert spricht bei Wasserstoff deshalb vom "Champagner der Energiewende".
Bliebe den Klimaschutz-Verweigerern (gewollt oder ungewollt) nur, weiter fossile Brennstoffe zu benutzen. Doch das wird immer teurer - weil die Technologieoffenheits-Ideologen von CDU und FDP seit Jahren auf das Marktinstrument, also den CO2-Emissionshandel, setzen.
Spiegel: [Hecking 2023]
Das fällt im Herbst 2023 sogar dem Focus auf - zumindest im Verkehrssektor. Dort ist von "Sünden der Vergangenheit" die Rede, und die Frage nach dem Klimageld wird gestellt. Die Zeiten ändern sich tatsächlich.
Focus: [Reiter 2023]



CDU und FDP akzeptieren nur das als Innovation und Motivation, was den Profit der Besitzenden (also v.a. der Fossilprofiteure) vermehrt. Alles, was sich nicht in konservativen Geschäftsmodellen abbilden lässt wie biologische Landwirtschaft, Bürger-Energie, bezahlbares Wohnen, Radverkehr oder ÖPNV, zählt für sie auch nicht als Innovation. Eine Regulation der Marktbedingungen zur Verhinderung des Ökozids ist für sie undenkbar - im Gegensatz zur Förderung des Ökozids in Form fossiler und atomarer Subventionen und Marktverzerrungen zum Nachteil alternativer Wirtschaftsformen. Das ist pure neoliberale Ideologie.

Kurz nachdem der frisch gebackene Vize-Fraktionschef und "klimapolitische Sprecher" Jens Spahn die CDU im Januar 2023 bei Markus Lanz als "die wahre Klimaschutzpartei" bezeichnet, wird im Spiegel die Frage aufgeworfen, wie seriös diese Selbstdarstellung ist. Auf der Tagung "The Power of Crisis - Energie der Zukunft" der CDU-Denkfabrik Konrad-Adenauer-Stiftung am 26.01.2023 gab es mindestens drei bemerkenswerte Momente.
(1) Dort ließ sich einmal beobachten, wie eben dieser Klimaressort-Chef Jens Spahn sich dankend von Heinrich Strößenreuther die Visitenkarte zustecken lässt, und sich dann wieder abwendet. Das wäre nicht weiter interessant, wäre Strößenreuther nicht der mit Abstand umtriebigste Akteur der Klima-Union - sieht man von Wiebke Winter ab, die aber mehr mit Talkshow-Auftritten als mit Ideen und Expertise glänzt.
(2) Über einen anderen Klima-bewegten CDU-Politiker kann man nicht so einfach hinweggehen. Als der Vorsitzende Merz unter großem Applaus in seiner großen Rede klagt, "wir verbieten zuviel in diesem Land!", meldet sich der ehemalige Umweltminister und Vorzeige-CDU-Umweltpolitiker Klaus Töpfer zu Wort. Er bezweifelt, "ob er noch Mitglied in der Partei sein darf", weil er mit seiner damaligen Verbotspolitik unter CDU-Kanzler Helmut Kohl genau gegen die gerade lautstark vorgetragenen Forderungen von Merz verstoßen habe. Dessen Ansatz einer marktbasierten Preisregulierung von Emissionen stellt Töpfer offen in Frage.
(3) Den Ausbau der Erneuerbaren Energien erklärt Merz - wieder in bester Parteitradition - für illusorisch. Dieses Mal sind es nicht mehr die Kosten der Technologie oder der Rohstoffmangel - die glänzenden Aussichten der Erneuerbaren haben sich seit 2020 wohl irgendwann herumgesprochen. Jetzt müssen die fehlenden Fachkräfte herhalten - ein Problem, das sich in Konsequenz einer abweisenden CDU-Einwanderungspolitik noch verschärfen dürfte.


Wir haben schlicht und ergreifend das Personal nicht, das in der Lage wäre, heute einen exponentiellen weiteren Ausbau der Windenergie und der Solarenergie zu installieren.
Friedrich Merz
Spiegel (für Abonnenten): [Verknüpfung]

Ein zusätzlicher Flaschenhals beim aktuellen Schneckentempo von Atomkraftwerks-Neubauten ist jedoch ausgerechnet die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal. Windräder dagegen werden derzeit im Ausland in großer Menge aufgestellt; die Teams sind auch international unterwegs und können sie natürlich auch in Deutschland aufstellen. Photovoltaik-Module werden in China in unglaublichen Massen produziert, und Hilfspersonal zur Montage lässt sich in kurzer Zeit anlernen; Fortbildungen für Elektriker, die während der Baukrise ohnehin wieder mehr Zeit haben, sind in wenigen Wochen absolviert.

Ein Beispiel für dieses euphemistische Verständnis der CDU von Klimaschutz ist die Bezeichnung der geplanten Neubaustrecke der Berliner Autobahn A100 als "Klima-Autobahn". Sie soll durch günstigere Streckenverläufe den motorisierten Verkehr vermindern. Forschungsergebnisse zeigen jedoch eindeutig: je mehr Straßen, desto mehr Verkehr.
Utopia: [Verknüpfung]
basicthinking: [Verknüpfung]
Spektrum: [Verknüpfung]

Aus der Opposition heraus kann sich die Klima-Union dann doch profilieren. Mit 140 Unterschriften etlicher Parteikolleg:innen, aber auch anderen prominenten Vertreter:innen der Zivilgesellschaft fordern sie vom Ampel- und selbsternannten "Klima"-Kanzler Olaf Scholz eine Umsetzung seiner Versprechungen: "Unsere Generation - unser Job: Aufruf zur gemeinsamen Generationenverantwortung!" Sie bezeichnen sich - wie die Aktivistengruppe - als "letzte Generation, die aufhalten kann, was uns droht".
Erklärung: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Welt: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]

Im Freistaat Bayern gelten noch ganz andere Regeln, dort feiert konservative Klimapolitik die sprichwörtlich fröhlichen Urständ'. Während CSU-Ministerpräsident Markus Söder nach seinen Forderungen des Verbrenner-Verbots 2007 und 2020 [sic!] jetzt das entsprechende EU-Gesetz für 2035 kippen will, nach dem vollständigen Abwürgen des Windkraft-Zubaus mit der 10H-Regel jetzt mit (teils erfundenen) bayerischen Rekorden für Erneuerbare Energie prahlt, die Forderung nach einer Abtrennung einer süddeutschen Strompreiszone mit einem Ende des Länderfinanzausgleichs beantwortet, und eine bayerische Ausnahme vom Atomausstieg fordert (nachdem er 2011 für den Fall eines ausbleibenden Atomausstiegs mit Rücktritt gedroht hatte), übt sich sein Stellvertreter, der Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) in immer absurderen, rekordverdächtigen klimaskeptischen und -relativistischen Erzählungen.
ZDF Markus Lanz vom 18.11.2022: [Verknüpfung]
Das kann man sich mit dem vielbeschworenen gesunden Menschenverstand wirklich nicht ausdenken.

Mit der Politik von CDU und CSU wird das 2°-Ziel meilenweit verfehlt: es kommt nach wissenschaftlicher Lehrmeinung sicher zur Klimakatastrophe, wenn die Welt sich das Unions-Deutschland als Beispiel nimmt. Eine Aussicht auf Erfolg gibt es nur mit drastischen Minderungsmaßnahmen.
[Verknüpfung]
Das ist aber weder im Programm oder den politischen Forderungen und Bekenntnissen der CDU zu sehen, noch im Abstimmungsverhalten ihrer Abgeordneten.



Die FDP blockiert in der Ampel die meisten Maßnahmen zum Klima- und Artenschutz, oder entschärft sie bis zur Unwirksamkeit; und sie bricht dabei regelmäßig den Koalitionsvertrag. Sie erweist sich als fundamentale Opposition in der Regierung, das stellt sogar Friedrich Merz in der Haushaltsdebatte 2023 mit Genugtuung fest. Und das ist kein Wunder, denn die FDP besetzt entscheidende Posten mit Klimaskeptiker:innen und Gegner:innen der Agrarwende.

Nachdem sie sich im Frühjahr noch mit massiven Entlastungen der deutschen Wirtschaft durchgesetzt hat, verhindert sie jetzt Entlastungen der Verbraucher - deren Belastung gebetsmühlenartig von allen Seiten als Grund zur Verhinderung von Klimaschutz vorgeschoben wird. In erster Linie ist das im Koalitionsvertrag vereinbarte Klimageld zu nennen, das in anderen Ländern wie Schweden, Schweiz und Kanada längst erfolgreich umgesetzt worden ist.

Am ersten Zusammenbruch der deutschen PV-Industrie war FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler entscheidend beteiligt. Jetzt, im erneuten PV-Boom, sind die wenigen deutschen Hersteller massiv von subventionerten Konkurrenten in den USA und v.a. China bedroht, was der Grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck durch einen Resilienzbonus, also eine eigene Subvention für europäische Hersteller, mildern will. FDP-Finanzminister Lindner ist dagegen: "Das ist keine High-Tech-Technologie" - obwohl auch China in den letzten Jahren die Technik weiterentwickelt hat.
Handelsblatt: [Verknüpfung]
SZ: [Verknüpfung]
Wenig später beschließt die FDP in einem 12-Punkte-Wirtschaftsplan die komplette Abschaffung der EEG-Förderung von Erneuerbaren Energien.
Zeit: [Verknüpfung]

Die wirksamste Blockade von Progression, also die Änderung ungerechter Verhältnisse zur Verteidigung der demokratischen Gesellschaft, ist wohl Austerität, hier in Form der Schuldenbremse, die im Herbst 2023 per Verfassungsklage der CDU angezogen wurde, und diedie der Parteivorsitzende Christian Lindner als Finanzminister - trotz enormen Investitionsaufschubs und überragender Bonität - mit allen Mitteln verteidigt, und allen anderen Ministerien deshalb harte Sparauflagen verordnet.
Zeit: [Verknüpfung]
Während in den USA und China kräftig in die Transformation investiert wird, sichert die FDP in Deutschland den Fortbestand der fossilen Profite, riskiert damit aber die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands, und damit ganz Europas. Die Kanzlerpartei SPD schlägt sich im Zweifelsfall lieber auf die Seite der FDP, weil sie den anti-Grünen Volkszorn fürchtet, und weil die Einbindung der Partei in die Industrieverbände immer noch stark ist.

Lange wurde über die Fortsetzung des seit Juni testweise eingeführten 9€-ÖPNV-Tickets diskutiert, weil es trotz Chaos durch überfüllte Züge überraschend gut angenommen wurde. Es gab dafür große Unterstützung aus der Bevölkerung. Lindner lehnte jedoch kategorisch ab, weil kein Geld da sei. Zitate von der Internetseite der FDP vom 08.04.:

"Stoßdämpfer für Firmen
Die Bundesregierung will daher einen milliardenschweren Stoßdämpfer für Firmen errichten, die von Folgen des Ukraine-Kriegs und hohen Energiepreisen belastet sind. Das Maßnahmenpaket sieht unter anderem einen „zeitlich befristeten und eng umgrenzten“ Kostenzuschuss zur temporären Kostendämpfung des Erdgas- und Strompreisanstiegs für besonders betroffene Unternehmen vor. Lindner sagte, es werde bei diesem Zuschuss mit Kosten für den Steuerzahler in Höhe von fünf Milliarden Euro gerechnet.
Außerdem soll es für belastete Firmen ein Kreditprogramm über die staatliche Förderbank KfW geben mit einem Volumen von bis zu 7 Milliarden Euro sowie Bürgschaften. Geplant ist auch ein Finanzierungsprogramm für durch hohe Sicherheitsleistungen gefährdete Unternehmen. Die Bundesregierung will standardisierte Kriterien erarbeiten, um Unternehmen kurzfristig Kreditlinien der KfW zu gewähren, die mit einer Bundesgarantie unterlegt sind. Dafür sei ein Kreditvolumen von insgesamt bis zu 100 Milliarden Euro vorgesehen.
Lindner sagte, es sollten Schäden durch die Folgen des Kriegs auf die deutsche Wirtschaft begrenzt werden. „Wir wollen Härten abfedern und Strukturbrüche verhindern.“ Er sprach von einem wirtschaftspolitischen „Stoßdämpfer“. Die Hilfen seien aber zielgenau, mit dem Geld der Steuerzahler werde man sorgfältig umgehen. Das Paket sei für den Steuerzahler schonend, für die Wirtschaft sehr wirksam."
[Verknüpfung]
In der Wirtschaft herrscht Irritation über Lindners politische Signale, die im Widerspruch zur erwartbaren internationalen Klima- und Industriepolitik stehen; Titel in businessinsider: "Christian Lindner gefährdet mit seinen Vorschlägen die Autoindustrie". Kapitelüberschriften: ""Nichts gelernt aus Desaster der Solarindustrie, "Schützenhilfe für Tesla", "An der Kaufprämie hängen auch Startups".
businessinsider: [Verknüpfung]

Eine Gegenfinanzierung des Tickets durch Abschöpfen der astronomischen Übergewinne von Mineralölkonzernen - wie es anderswo in Europa selbst unter der erzkonsevativen Margret Thatcher, und auch wieder unter dem liberalkonservativen Boris Johnson bis zu seinem Rücktritt 2022 geschah - lehnt Lindner ab, obwohl die EU im September 2022 solche Steuern beschlossen hat. Dafür will Lindner Langzeitarbeitslosen die Gelder kürzen.
[Verknüpfung]
Der Wehretat wird mit Ausbruch des Ukraine-Kriegs quasi über Nacht verdoppelt auf 100 Milliarden Euro p.a..
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[Verknüpfung]
FDP-Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger kürzt bei der Öko- und Sozialforschung.
Besonders dringenden Sparbedarf in der Sozialpolitik sieht auch die frischgebackene FDP-Bundestagsabgeordnete und Haushaltsexpertin Claudia Raffelhüschen:

"Den Rotstift müssen wir beim ausufernden Sozialstaat ansetzen und ihn wieder auf ein gesundes Niveau zurückführen. [...] Um nicht zu stark bei staatlichen Leistungen kürzen zu müssen, könnten wir in Zukunft auch einmal mehr Eigenverantwortung belohnen und Anreize setzen, um gesünder zu leben."

Nach Raffelhüschen müsse man wegkommen von der "Vollkasko-Mentalität". Im ersten Jahr soll laut BILD und den Emmendinger RegioTrends für die Pflegeversicherung eine einjährige "Karenzzeit" eingeführt werden - d.h. jedem Pflegefall würde im ersten Jahr der Anspruch auf Auszahlung der Versicherung gestrichen.
n-tv: [Verknüpfung]
Emmendinger RegioTrends:
Aufregung bei BILD: [Verknüpfung]
Das Thema ist auch Teil einer besonders sehenswerten Folge der Kabarett-Sendung die Anstalt.

Was Raffelhüschen mit "Vollkasko-Mentalität" meint, kann man vielleicht bei ihrem Mann Bernd erfahren; der ist gleichzeitig Professor und prominenter Lobbyist der Versicherungswirtschaft. In einem Statement im Wirtschaftsteil der Tagesschau fordert ein Renteneintrittsalter von sage und schreibe 70 Jahren und liefert damit ein Musterbeispiel für aktuellen Neoliberalismus.
Ende 2023 macht Raffelhüschen mit einem Gutachten von sich reden, das von der AfD zitiert wird.

Als 2024 durch die erfolgreiche Verfassungsklage der CDU das Geld für die Ampel knapp ist, kommt auch die CDU auf die Idee, das Bürgergeld zu kürzen und restriktiver zu handhaben. So wie Peter Altmaier 2019 bei Anne Will die Klimaopfer gegen die Armen ausspielte, spielt jetzt Jens Spahn die "hart arbeitende Bevölkerung" gegen die Empfänger:innen des Bürgergelds aus.

Als 2023 nach dem Abklingen der Gaskrise die Diskussion um Zuschüsse für Erneuerbare Energien aufkommt, fordert die FDP - wie die CDU - eine Intensivierung des Emissionsrechtehandels, der zu Recht vielfach kritisiert wird. Dieser bringt auch nur dann eine Förderung der neuen Energiesysteme, wenn die alten durch hohe CO2-Kosten zu teuer werden. Und da steht die FDP traditionell per Parteiprogram auf der Bremse.
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Das 9-Euro-Ticket als deutschlandweites Monatsabo für ÖPNV lehnt Lindner als Ausdruck einer "Gratismentalität" ab.
Das Aktionsbündnis Dies irae plakatierte unter dem Hashtag #nervtjeden mit einem gefälschten Zitat. Der Staatsschutz ermittelt.


mimikama: [Verknüpfung]

Im Oktober wird - mehr als einen Monat nach dem Auslaufen - ein Nachfolger des 9-Euro-Ticket verhandelt. Die 49€-Version ist für Geringverdiener unattraktiv, und Wissing weigert sich, pauschal 3 Milliarden aus Bundesmitteln bereitzustellen. 2020-21 sind 610 Milliarden an Corona-Hilfen ausgeschüttet worden (6,2% des BIP), und 2022 mindestens 250 Milliarden Euro an zusätzlichen Mitteln in der Ukraine-Krise.
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Weder das Verbrennerverbot 2035 unterstützt er, noch eine Fortsetzung der Elektroauto-Prämie. Mit dieser vermeintlichen Protektion der Autoindustrie riskiert er in Wirklichkeit deren Zukunftsfähigkeit - zumindest der Unternehmen, die in Zukunft investiert haben.
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Seine Ansage, Deutschland zum Fahrradland zu machen, kennen wir schon von seinem Vorgänger Andreas Scheuer. Die Klimaschutz-Community ist wieder sehr gespannt, ob hier nicht wieder ganz viel heiße Luft gepumpt wird. In einem Atemzug kritisiert er die SUV-Elterntaxis, das ist ebenfalls kosten- und ebenso folgenlos.
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Auch die Koalitionsvereinbarung, die Entscheidungskompetenz über Tempo 30 den Kommunen zu überlassen, bricht Wissing.
Spektrum der Wissenschaft: [Verknüpfung]

Ende August 2022 legt Wissing jedoch ein "Klima-Sofortprogramm" vor, über das niemand mehr lacht, weil es an Dreistigkeit schwer zu überbieten ist: im Einklang mit Lindner sagt sich der Verkehrsminister von den Sektorzielen los, die per letztem Klimagesetz der GroKo vorgeschrieben sind, und beschließt Maßnahmen, die bestenfalls zu marginalen CO2-Ersparnissen führen - und dabei auch noch den guten Willen der Akteure voraussetzen. Der zuständige Expertenausschuss hat die Begutachtung gleich nach der ersten Stufe beendet - die Maßnahmen sind schon auf den ersten Blick eindeutig nicht gesetzeskonform.
[Verknüpfung]
Entsprechend streicht das Ampelkabinett die Sektorziele per Reform aus dem Klimagesetz. Auch die von der GroKo geplante Progression der CO2-Steuer von 30 auf 45 Euro 2024 setzt sie auf 40 herab - was sie allerdings aus Geldmangel später nach zähen Koalitionsverhandlungen wieder verwirft, nachdem die CDU per erfolgreicher Klage beim Bundesverfassungsgericht das Einhalten der Schuldenbremse einfordert. Die Rückzahlung an untere Einkommen per Klimageld kommt dennoch nicht.

Eine Anekdote ist Wissings Klimaanpassungs-Maßnahme gegen die dramatischen wiederholten Niedrigwasserstände im Rhein: er will die Fahrrinne vertiefen lassen. Das zeigt wieder, dass er das Problem der Klimakrise nicht ernstnimmt.
SWR: [Verknüpfung] Focus: [Verknüpfung] Zeit: [Verknüpfung]

Zuerst war es nur eine weitere Anektdote - doch ist sie bezeichnend für den Politikstil der Fossilökonomisten. Ob ungewollte Komik oder dreiste Lüge aus Arroganz: FDP-Verkehrsminister Volker Wissing erheitert die Republik (auch den Teil, der sich darüber aufregt) mit seiner Begründung gegen das Tempolimit, es gäbe nicht genug Schilder. In Frankreich ist man da entspannt, dort gilt seit 2018 Tempo 80, auch wenn die 90-Schilder noch überall an den Straßen stehen. An Landstraßen steht ebenso kein Schild, das die dort geltende Höchstgeschwindigkeit von 100km/h ausweist. Wissing gibt damit dem Begriff "Schildbürger" eine ganz neue Bedeutung.
[Verknüpfung]

Die Diskussionen um Tempolimit und 9€-Ticket waren jedoch nur ein leiser Auftakt der verräterischen Volten der FDP. Es folgte der Verrat interner Papiere über das unfertige Gebäudeenergiegesetz, bei dem die FDP zwar AfD, Union und Freien Wählern die populistischen Medienauftritte weitestgehend überließ. Die spalterischen Absichten der FDP blieben dem Beobachter jedoch nicht verborgen, und FDP-Provokateure wie Kubicki ließen sich diese Profilierungschance nicht entgehen.

Aber auch über die Ressorts der zuständigen FDP-Minister hinaus blockiert die FDP den Klimaschutz. Am wirksamsten tut das Finanzminister Christian Lindner, der viele im Koalitionsvertrag vereinbarte Mittel für Klimaschutz verweigert.
Das Umweltministerium, dessen Etat ohnehin schon zur Hälfte für die Atommüll-Lager verplant ist, soll sogar Kürzungen hinnehmen.
[Verknüpfung]
Die Liste der weiteren hochproblematischen Kürzungen ist lang, und die Summe der vielen Einzelposten ergibt gegenüber den weiter laufenden fossilen Subventionen einen Kleckerbetrag: Kultur, Bildung, politische Bildung, etc.. Das meiste sind wesentliche Ausgaben, die zwar nicht direkt Profit für den Staat abwerfen, aber die deutsche Zivilgesellschaft entscheidend stabilisieren helfen.
Bernhard Pötter ironisiert das in der taz, indem er Lindner Punkt für Punkt Recht gibt - und ihm einen Absturz der Umfragewerte voraussagt.
taz: [Verknüpfung]

In der Agrarpolitik verhindert die FDP im November 2023 die Zustimmung zu einem EU-weiten Glyphosat-Verbot: im EU-Rat enthält sich die Bundesregierung, obwohl im Koalitionsvertrag eine Zustimmung vereinbart wurde. In diesem Fall entscheidet die Kommission. Ergebnis: Zulassung bis 15.12.2033.
ARD: [Verknüpfung]
Kurz darauf kippt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) unter dem Eindruck der Bauernproteste in Deutschland und Frankreich mühsam erkämpfte Regeln der GAP zur Erhöhung der Biodiversität: die 4m Randstreifen und die Pestizidreduktion sind wieder Geschichte.
ARD: [Verknüpfung]
ARD: [Verknüpfung]
Von der Leyen wurde von der CDU nur für eine weitere Kandidatur nominiert gegen das Versprechen, von ihrer bisherigen grünen Politik abzukehren und einen "pragmatischeren Ansatz" zu wählen.
euractiv.de: [Verknüpfung]

Die Pestizidverbots-Blockade ist nur Teil einer Reihe von last-minute-Störaktionen der FDP in Brüssel, die nicht nur dem Klima- und Artenschutz, sondern auch dem politischen System der EU schaden. Mühsam und langwierig abgestimmte Prozesse werden mit einem Federstrich gekippt, die Vertreter der EU-Partnerländer sind verärgert.
Zuerst das Verbrennerverbot 2035, natürlich wieder mit der Begründung der Nutzbarkeit von E-Fuels. Sogar der deutsche Verband der Autoindustrie VDA beschwert sich darüber, dass bereits eingeplante Maßnahmen jetzt doch nicht kommen - so bekommt man keine Planungssicherheit.
ARD: [Verknüpfung]
Es folgen die Flottengrenzwerte für Nutzfahrzeuge.
ARD: [Verknüpfung]
Dann das europäische Lieferkettengesetz.
germanwatch: [Verknüpfung]
table media: [Verknüpfung]
lto: [Verknüpfung]

Im April 2024 zündet Wissing die nächste Stufe seiner Rakete. Während die Sektorziele des KlimaschutzG der GroKo im Verkehrssektor absehbar zum dritten Mal unter seiner Ministerverantwortung krachend verfehlt werden, nutzt er die Gelegenheit für eine tollkühne Ablenkungsdebatte. So versucht er öffentlichkeitswirksam den Grünen die Schuld für eine irrwitzige Klimaschutz-Maßnahme zu unterstellen: Falls die Grüne Bundestagsfraktion nicht der Verrechnung der Sektorziele zustimmt, droht er mit einem bundesweiten Wochenend-Fahrverbot - und nicht wie in der Ölkrise nur an ein vier Sonntagen, sondern jeden Samstag und jeden Sonntag. Anders seien die 22 Millionen Tonnen CO2 einzusparen.
Abgesehen davon, dass Experten Wissing widersprechen, denn es geht eben auch mit anderen, weit weniger drakonischen und vor allem unpopulären Maßnahmen. Im Gegenteil ist sogar eine Mehrheit im Autoland Deutschland für ein Tempolimit.
[Verknüpfung]
Wissing, der dem deutschen Raser nicht einmal ein Tempolimit von 130km/h zumuten will, droht allen Ernstes mit einem regelmäßigen kompletten Fahrverbot. Es geht ihm mit seiner Panikmache offensichtlich um etwas anderes: verbindlicher Klimaschutz im Verkehrssektor soll ein Aufreger werden, so das agenda setting. Eigentlich eine Beleidigung des Intellekts einer Masse, von der er annimmt, dass sie dieses populistische Manöver nicht durchschaut. Aber die Vorerfahrungen der E-Fuel- und Wärmepumpendebatte haben die Grenzen der Scham und der Vorsicht wohl auch bei der FDP heftig verschoben. Die üblichen Verdächtigen drehen schon mächtig am Rad.
reitschuster.de (Triggerwarnung!): [Verknüpfung]
Jens Jessen findet in seiner Analyse das richtige Wort: "Verkehrsbeunruhigung". Er wagt es sogar, den Blick auf eine andere Seite der Verkehrsberuhigung zu richten: wäre es denn wirklich so schlimm oder gäbe es nicht auch gute Seiten eines Fahrverbots? Damit stellt er unsere Kultur einer sklavischen Abhängigkeit vom Auto gnadenlos in Frage, und dekonstruiert Wissings Horrorgeschichte. Was mir bei Jessen fehlt: er meidet die Zuschreibung von Populismus.
Zeit: [Verknüpfung]
Das tut allerdings der Kollege Patrick Lang bei Auto Motor und Sport.
Auto Motor und Sport: [Verknüpfung]
Kommentar in der Wirtschaftswoche: "Merkwürdig, dass ihm das nicht peinlich ist. Denn er verweist damit auf sein politisches Versagen und seine inhaltliche Hilflosigkeit."
wiwo: [Verknüpfung]
Der BR spricht von "Tollhaus" und "Geisterfahrt".
BR: [Verknüpfung]
Zwei Tage nach Wissings Drohung stimmt die Grünen-Fraktion der Aufhebung der Sektorziele zu.
[Verknüpfung]

Die Liste der von der FDP gebrochenen Koalitionsvereinbarungen ließe sich noch seitenweise fortsetzen. Unverblümt spricht Friedrich Merz in der Haushaltsdebatte 2023 aus, was viele Skeptiker von Anfang an befürchtet haben, und was sich als traurige Gewissheit herausgestellt hat: "Spätestens seit gestern haben wir zwei Oppositionsführer im Land: einen im Parlament und einen in der Regierung". Die FDP ist das Trojanische Pferd der Konservativen in Ampel-Regierung.
Zeit: [Verknüpfung]
Die Sabotage-Pläne von Mathias Döpfner und so manch anderem Konservativen sind bisher (Stand Februar 2024) aufgegangen.

Nach Jahrzehnten, in denen die Zivilgesellschaft sich nicht mit der Frage beschäftigte, was mit den jährlich rund 50 Milliarden Euro von der Bundeswehr beschafft wurde, wird im Ukraine-Krieg mit einer Bedrohungslage für NATO-Partner plötzlich die Wehrlosigkeit der Bundeswehr offenbar. Sogar Munition ist verschwunden, ausgerechnet beim Kommando Spezialkräfte, das wegen rechtsextremer Rekruten umstrukturiert werden soll.
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[Wikipedia 2022 - Kommando Spezialkräfte - Angekündigte Reformen im Zuge der offenbarten Missstände]
Jetzt müssen wir Schulden machen für eine Verdopplung der Ausgaben, und es ist wie vorher bei Subprime- oder Corona-Krise: für's Klima ist dann kein Geld mehr übrig. Von dem Corona-Hilfsfonds sind zwar noch 60 Kredit-Milliarden aus dem Nachtragshaushalt 2021 übrig, die die Ampel-Koalition für Klimaschutz-Maßnahmen umwidmen will, denn sie erkennt die Klimakrise als Notstand an. Die CDU betreibt dagegen jedoch Verfassungsklage wegen Zweckentfremdung von Staatsgeldern, obwohl bisher auch andere Subventionen als Corona-Hilfen deklariert worden sind, und obwohl das Bundesverfassungsgericht das KlimaschutzG der CDU-SPD-Koalition von 2019 als verfassungswidrig eingestuft hatte.
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Die Maßnahmen sollten aus dem laufenden Haushalt bestritten werden, wogegen sich wiederum Finanzminister Lindner (FDP) wehrt. Als Begründung bringt die CDU vor, dass der Klima-Notstand im Gegensatz zur Corona-Krise vorhersehbar sei. Das sagt ausgerechnet die Partei, die nach Aussage ihrer Kanzlerin in Sachen Klimaschutz jahrzehntelang "Pillepalle" betrieben hat. Wie auch immer die Motivationen aussehen, CDU und FDP ergänzen einander hier wieder im Sinne der fossilen Profiteure, so wie in der Schwarz-Gelben Koalition.
Der stellvertretende EU-Kommissionspräsident Frans Timmermanns sieht keine Zweckentfremdung - im Gegenteil, er fordert massive Klimaschutz-Investitionen, und zwar nicht anstatt, sondern explizit als Corona-Hilfsmaßnahme.
Zeit: [Verknüpfung]
Einen Eilantrag auf einstweilige Verfügung hat das Bundesverfassungsgericht im Dezember 2022 allerdings abgelehnt - auch mit Hinweis auf die Dringlichkeit der Maßnahmen.
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Zur Relation: Deutschland bringt jährlich 50-100 Mrd € an Importkosten für fossile Brennstoffe und dazu noch ca. 50-70 Mrd € für Subventionen für deren Nutzung aus. In weniger als 20 Jahren summieren sich allein diese Beträge auf zwei Billionen Euro - die geschätzten Kosten der gesamten Energiewende, die uns am Ende eine verbrauchskostenlose Energieversorgung beschert. Dazu kommt (nach UBA-Preis) eine weitere Billion an Geschenken an die Industrie in Form kostenloser CO2-Emissionszertifikate.


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Summa 3 Billionen Euro Kosten allein im 21. Jahrhundert. Was haben wir davon? Eine reiche, aber durch und durch fossil-abhängige Volkswirtschaft, der der Umstieg auf die postfossile Welt umso schwerer fallen wird, die unter den Folgen leiden wird, und die sich ihrer Verantwortung für die kommenden katastrophalen Folgen wird stellen müssen.
Die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer empfiehlt die Streichung der Hälfte der Subventionen, also von ca. 30 Milliarden Euro pro Jahr, die vor allem der Verbrenner-Industrie dienen.
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Nach dem EU-Energiegipfel äußert sich Wirtschaftsminister Robert Habeck (die Grünen) am 28.02.2022 vor seinem Abflug nach Quatar über die Motive der deutschen Energiepolitik.

Journalist: "Tritt nicht auch angesichts der Situation der Klimaschutz, der ja Ihr Hauptpunkt war, mehr in den Hintergrund als Ihnen das lieb sein kann?"
Habeck: "Das mag auf der Überschriftenliste so sein, aber thematisch ist es ja das Gleiche, jedenfalls aus meiner Sicht. Das bringe ich auch mit aus Brüssel von dem Energieministertreffen."

Und dann erklärt Habeck das fossile Energie-Patriarchat (oder Petro-Patriarchat), also das Spannungsfeld der Energiefrage zwischen patriarchalem Proprietarismus und Hermann Scheers Energiesouveränität als Gemeinschaftsgut mit wenigen klaren Worten.


Die Einsicht, dass die einzige Energieform, die niemandem gehört, wo auch keiner sagen kann „alles meins, und damit erpresse ich euch“, Wind und Sonne is'. Die gehören nu'mal niemandem, die gehören der Menschheit. Und man muss sie nur auffangen.
Robert Habeck

Habeck weiter: "Das setzt sich also jetzt durch, das was wir vor einem Jahr, vor vielleicht einem halben Jahr noch unter CO2-Minderungsaspekten diskutiert haben, diskutieren wir jetzt unter Aspekten der Energiesicherheit und -Souveränität. Und da sind die anderen Länder auch. Wie das in de[n] USA diskutiert wird, werden wir sehen, aber schlau wär's, wenn die es auch verstehen würden."
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Tatsächlich treibt Habeck die Energiewende mit Hochdruck voran. Man kann jedoch den Eindruck gewinnen, dass manche Gesetze unter hohem Zeitruck entstehen. Bei der Arbeitsbelastung in der Ukraine-Krise ist das kein Wunder.
taz: [Verknüpfung]
taz: [Verknüpfung]

Im Wohnsektor wird die Wärmewende massiv vorangetrieben: die Auszahlungen für energetische Sanierung im Bestand stieg von 1,4 Milliarden 2021 auf 2,6 Milliarden 2022 (+85%); die bewilligten Gelder von 5 auf 10, 2023 sind 13 veranschlagt. Ab jetzt können auch wieder reine Materialkosten gefördert werden; damit werden auch die Eigenheimbesitzer unterstützt, die mit Eigenleistung an ihrer Immobilie Altersvorsorge betreiben.
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Schaden für das Klima durch vorgezogenen Kohleausstieg

Die politische Verflechtung des ehemaligen Energiemonopolisten RWE mit dem Bundesland Nordrhein-Westfalen wird von Kritikern gerne als NRWE bezeichnet. Die Grünen Robert Habeck (Bundeswirtschaftsminister), Mona Neubaur (NRW-Wirtschaftsministerin) und Oliver Krischer (NRW-Umweltminister) haben 2023 mit RWE geheim einen vorzeitigen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung in Nordrhein-Westfalen für 2030 ausgehandelt, der im Dezember bekannt wurde. Weil er mit dem Schicksal des von Aktivisten besetzten Weilers Lützerath verknüpft ist, wird er von Spiegel-Redakteurin Suanne Götze als "toxischer Deal um Lützerath" bezeichnet.

Bei der Pressekonferenz mit RWE, bei der Habeck den Kompromiss "Braunkohleausstieg 2030 gegen Lützerath" verkündet, und dann auch noch in ungewohnter Bergmanns-Sprache die Ankündigungen von RWE als Erfolg verkauft, wirkt er wenn auch staatsmännisch, so doch innerlich tief zerknirscht.

In der Energiemangelkrise des Ukraine-Kriegs hatte man sich bereits im Frühjahr auf einen Weiterbetrieb von drei eigentlich stillzulegenden Kraftwerksblöcken in Niederaußem und Neurath geeinigt.
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Fachleute befürchten dadurch eine verstärkte Nutzung von Kohle, weil ab 2030 ohnehin der CO2-Preis die Verbrennung unwirtschaftlich gemacht hätte. Der Ausstieg kommt jetzt also früher, dafür wird aber möglicherweise trotzdem mehr Kohle verbrannt.
Die rechtliche Grundlage des Lützerath-Deals war ein Gutachten des Landes NRW, das einen Bedarf von 179 Millionen Tonnen aus dem Tagebau Garzweiler feststellte. Die vor Dezember 2023 genehmigten Flächen bergen 170 Millionen Tonnen, decken also nahezu den gesamten, ohnehin hoch angesetzten Bedarf. Die 9 Millionen Tonnen hätten zudem leicht ersetzt werden können, z.B. durch Öl, das man durch ein Tempolimit eingespart hätte.
Von sechs Dörfern, um die die Aktivisten der Aktion Alle Dörfer Bleiben in den letzten Jahren erbittert gekämpft haben, soll nach dem Deal jetzt noch eines abgebaggert werden: Lützerath. Darunter liegen jedoch 110 Millionen Tonnen Kohle, von denen wie gesagt laut Gutachten nur neun gebraucht werden. Eine Begrenzung der Verbrennung ist allerdings nicht vereinbart, was nach Experten das deutsche CO2-Budgets für die der 1,5°-Grenze des Pariser Abkommens überproportional beansprucht, ausgerechnet durch den emissionsintensivsten (und auch sonst schmutzigsten) Energieträger, die Braunkohle.
Prof. Dr. Manfred Fischedick (Leiter Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie, Professor an der Schumpeter School of Business and Economics an der Bergischen Universität Wuppertal) in Science Media Center SMC: [Verknüpfung]
Susanne Götze im Spiegel: [Verknüpfung]
Wirtschaftswoche: [Verknüpfung]
Gutachten Coal Transitions (TU Berlin, Europa-Universität Flensburg, Coal Exit Research Group, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW): [Herpich 2022]
Pressemitteilung Coal Transitions: [Verknüpfung]
Pressemeldung der Europa-Universität Flensburg: [Verknüpfung]
Klima-Allianz: [Verknüpfung]
Frankfurter Rundschau: [Verknüpfung]
WDR: [Verknüpfung]
Gutachten von Aurora Energy Research: [Verknüpfung]
Pressemitteilung des Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland BUND: [Verknüpfung]
energiezukunft.eu: [Verknüpfung]
Selbst das Gutachten des Büros für Energiewirtschaft und technische Planung BET und der Landesgesellschaft für Energie und Klimaschutz NRW.Energy4Climate, welches das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie MWIKE Nordrhein-Westfalen selbst in Auftrag gegeben hat, macht mit 17 Millionen Tonnen einen nicht viel größeren Fehlbedarf aus.
Gutachten für das MWIKE: [Verknüpfung]
Dokumentation des NRW-Ministeriums zum Kohleausstieg 2030: [Verknüpfung]
Michael Denneborg, einer der NRW-Gutachter, widerspricht dem Vorwurf eines Gefälligkeits-Gutachtens für RWE. Die Kurzgutachten würden die Kohlemengen in den Flächen ohne Lützerath um 50 Millionen Tonnen überschätzen, weil sie nicht die exakten Messdaten der RWE genutzt hätten; außerdem würde der Abraum zum Stabilisieren der späteren Uferböschungen gebraucht, und die alte Grube Garzweiler 1 sei mit einer Teilverfüllung als Naturschutz-Feuchtgebiet geplant.
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Was Denneborg verschweigt, ist, dass Garzeiler 1 bei einem Fluten zu einem toten Säuresee werden würde, denn RWE hat dort saure Salze "entsorgt".
MDR: [Verknüpfung]
Nach welchem Gutachten auch immer man die Sachlage betrachtet, die Bedingungen sind (wie seit über 100 Jahren) für RWE denkbar günstig. Das ist zwar auch den Zusagen geschuldet, die RWE schon für das erste Ausstiegsdatum 2038 von der Merkel-Regierung 2021 gemacht wurden, und für deren Widerruf milliardenschwere Entschädigungsforderungen zu erwarten waren. Der grüne Lützerath-Deal ist jedoch auch deshalb bedenklich, weil er kurz nach der Wechselentscheidung eines Grünen-Politikers und Ex-Mitarbeiters von Krischer zu RWE erfolgte.
Dazu kommt, dass die geringen Effekte des Kohleausstiegs möglicherweise wirkungslos verpuffen: die Emissionen können anderswo in Europa stattfinden, weil die Emissionszertifikate nach heutigem Stand (Januar 2023) nicht von der EU eingesammelt werden, obwohl das BMWiK unter Robert Habeck dafür nur die Abschaltung bei der EU anmelden müsste.
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Doch nicht nur aus technischen Gründen gibt es gewichtige Gründe gegen die Erschließung der Kohle unter Lützerath. Es gibt auch rechtliche Bedenken.
Dass die Entscheidung dem geltenden Bergrecht entspricht, wurde vom Oberverwaltungsgericht Münster festgestellt. Aber noch 2011 war es ausgerechnet Krischer, der mit anderen Grünen als Oppositionspolitiker - damals vergeblich - eine Neufassung des Bergrechts im Bundestag beantragte.
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Antrag: [Krischer 2011]
Nach dem Verfassungsgerichtsurteil 2021 pro Klimaschutz gäbe es sicher weiteren Anlass, diese Idee nochmals aufzugreifen, denn es widerspricht zunächst einmal Artikel 20 GG (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen).
Die gesetzlichen Genehmigungs-Grundlagen einer derart ökoziden Geschäftspolitik widersprechen außerdem Artikel 14 und 15 GG, Zitat:

"Artikel 14
(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.
(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.
(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.
Artikel 15
Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden. Für die Entschädigung gilt Artikel 14 Abs. 3 Satz 3 und 4 entsprechend."

Das Abbaugebiet hinter Lützerath gehört noch nicht komplett den RWE. Hier gibt es also tatsächlich noch theoretisch eine Möglichkeit, den Abbau zu stoppen, indem eine Enteignung aus Gemeinwohl-Gründen verhindert wird.
Der Westen: [Verknüpfung]
WDR: [Verknüpfung]
Aber auch eine Enteignung von RWE aus Gemeinwohl-Gründen wäre nach dem Grundgesetz diskussionswürdig. Es wäre nicht das erste Staatsunternehmen in der Daseinsvorsorge, und auch nicht der erste Versuch der Verstaatlichung des Monopolisten RWE.
Der Lützerath-Deal löst heftige Proteste aus; Höhepunkt ist eine Demonstration am 14.01. mit je nach Angabe 15.000 bis 50.000 Teilnehmer:innen bei 8°C, strömendem Regen und Sturm. Auch Luisa Neubauer und Greta Thunberg nehmen teil. Dass nicht alle Teilnehmer:innen friedlich demonstrieren, führt zu teils unangemessener Gewalt der Polizei. Es folgt (wieder einmal) eine intensive Debatte um Klimaschutz. Während wenige Tage später in Davos der WEF mit seiner Tagung beginnt, lässt sich Greta Thunberg lieber aus einer Blockade in Lützerath wegtragen und zur Feststellung der Personalien [sic!] festnehmen, ein gewichtiges Symbol für die Protestbewegung, das international großes Echo fand.

Der Jurist Philipp Eschenhagen plädiert für mehr Mut in der Politik, in solch offensichtlichen Fällen von legalem Unrecht von ihren Möglichkeiten Gebrauch zu machen.
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Die Altparteien CDU, SPD und FDP haben nach der rot-grünen Energiewende weiter auf Energieabhängigkeit von fossilen Brennstoffen, insbesondere aus Russland, gesetzt und die Energiewende aktiv sabotiert. Die historische Chance einer Energiewende wurde damit vertan, trotz immer schneller steigender Marktanteile und fallender Preise für Erneuerbare Energien. Robert Habeck, der für Klimaschutz antritt, muss nun für die deutsche Wirtschaft auf den Gasmärkten die sprichwörtlichen Kastanien aus dem Feuer holen. Die Sabotage der merkelschen Energiekehrtwende wirkt - trotz der internationalen Entwicklung - noch bis tief in die Legislatur der Ampel-Regierung.
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Ob getrieben von der fossilen Lobby oder aus Angst vor gesellschaftlichen Verwerfungen durch Gasmangel - Habeck lässt viel zu große Importkapazitäten aufbauen, so kritisieren zumindest Experten.
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Anstatt sich kleinlaut zurückzuziehen, gießen nun die Verursacher der Krise nach dem Quatar-Gasdeal öffentlich Häme über Habeck aus. Kostprobe? Der vormalige Erste Parlamentarische Geschäftsführer der CDU Michael Grosse-Bröhmer in der BILD-Zeitung:


Herzlich willkommen in der Realität. Die grüne Übermoral ist gescheitert.
Michael Grosse-Bröhmer
Zeit: [Verknüpfung]

Robert Habeck erklärt sich dazu am 31.03.2022 im ZDF bei Markus Lanz.
ZDF-Mediathek: [Verknüpfung]
Youtube: [Verknüpfung]
Im Video des Youtube-Kanal des ZDF fehlt die wichtigste Minute, die ein Zuschauer dankenswerterweise bei Youtube nachlieferte, Zitat:

"Womit fahren unsere Autos? Kann es sein, dass da Öl aus Saudi-Arabien d'rin ist? Hat sich da eigentlich mal einer Gedanken d'rüber gemacht? Und wo ist eigentlich die Markus-Lanz-Sendung gewesen, wie verlogen wir sind, dass wir uns über Putin aufregen, aber mit saudischem Öl durch die Gegend gondeln? Wir haben an jeder Stelle, beim Abbau von Produkten für jede Form von Handys, Computern und so weiter, sind wir in einer Verantwortung mit manchmal schwierigen Ländern und schwierigen Regimen - und wir kümmern uns da niemals d'rüber. Aber punktuell entdecken wir dann dann immer unser moralisches Gewissen. Und ich glaube, dass diese Punktualität, die uns eigentlich nicht weiterhilft, sie lähmt uns. Was wir brauchen, ist eine strukturelle Arbeit an der Veränderung, der Verbesserung.
Der Glaube, [dass] wir in Deutschland immer alles richtig machen, nur wenn wir in Ausnahmesituationen nach Quatar reisen und Gas kaufen, dann machen wir das Geschäft mit dem Teufel, mit dem Beelzebub. Aber sonst, wenn wir unser'n Alltag leben, wenn wir unsere Autos tanken, wenn wir unser Hack auf's Mettbrötchen d'raufschmier'n: immer sind wir auf der Seite der Guten. Das können nur Leute glauben, die noch nie im Schweinestall waren. So ist es nicht.
"






Wir ziehen mit unserem täglichen Leben eine Spur der Verwüstung durch die Erde - und wir kümmern uns da nur nich' d'rum.
Robert Habeck
Zeit: [Verknüpfung]
ZDF-Mediathek: [Verknüpfung]
Youtube-Video (mittlerweile gelöscht): [Verknüpfung]

Als wäre sonst alles, wogegen die Grünen immer protestiert hatten, moralisch völlig in Ordnung gewesen. Habeck hätte Papst Bergoglio zitieren können: diese Wirtschaft tötet, und zwar Menschen, die schon heute benachteiligt sind, und Menschen der Zukunft. Wie sonst auch in der Sendung, legt Habeck hier nicht ganz unaufgeregt (zu Recht), aber dennoch glasklar seinen Standpunkt dar: im Moment gehe es nicht anders, ohne dass es zur Handlungsunfähigkeit kommt. Um die Probleme, die Merkels Regierungen ansonsten hinterlassen haben, wolle man sich bei Gelegenheit genauso konstruktiv kümmern.
Habeck widerspricht Michael Bröcker, einem Journalisten des neolibertären Magazins The Pioneer: es seien in dem Ukraine-Krieg schwierige Entscheidungen zu treffen, aber es sei "kein Dilemma".
Regierungsphilosophisch ist diese Frage bedeutsam. Ein Dilemma ist eine Situation, in der alle Optionen gleich schlechte Perspektiven bieten - weshalb eine konservative Haltung also pragmatisch erscheint. Eine solche Politik hat in Merkels Deutschland die Transformation verhindert und uns in diese vielfache Krise gebracht.
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Habecks Auftritt bei Lanz wurde sogar in der Welt goutiert.
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Im Juli hat sich die Gasversorgungs-Situation verschärft und Habeck muss harte Sparmaßnahmen ankündigen; doch einen Tag nach Merz' Kritik am neuen EEG platzt ihm, nach Monaten der öffentlichen Provokation durch die CDU, im Bundestag der Kragen.


Es war ein großer Kraftakt und auch ein notwendiger Kraftakt. Und dieser notwendige Kraftakt - das kann ich mir dann doch nicht verkneifen [...] - wurde gestern vom Oppositionsführer als "Schön-Wetter-Politik" dargestellt.
Wenn man sich vor Eisbergen fotografieren lässt, aber vergisst, dass Eisberge schmelzen, wenn man aus allen möglichen Dingen aussteigt - zu Recht - aber vergisst, dass man dafür eine Infrastruktur ausbauen muss, wenn man klimapolitische Beschlüsse fasst, aber sie nicht mit Maßnahmen hinterlegt, dann lässt man Deutschland im Regen stehen.
Und das haben wir in der Vergangenheit erlebt. Immer größere Abhängigkeit von fossilen russischen fossilen Energien, mangelnde Diversifizierung, Nichteinhaltung der klimapolitischen Ziele, schleppender, ja zusammengebrochener Ausbau der erneuerbaren Energien, Zerstörung der Solar- und in weiten Teilen auch der Windindustrie, die wir hier in diesem Land schon hatten, Verlust von zukunftsfähigen Arbeitsplätzen und einem marktwirtschaftlichen Hochlauf für die Zukunftstechnologien, Bremsen in Europa - kein Plan, kein Überblick. Aber sagen: "Das, was wir jetzt machen, ist Schön-Wetter-Politik."
Sehr geehrte Damen und Herren, buchstäblich steht Deutschland im Regen. Hätten wir diese Pakete vor 10 Jahren durchgezogen, wir würden ganz anders heute dastehen.
Robert Habeck
Twitter: [Verknüpfung]
Youtube: [Verknüpfung] Die Debatte als Video-Datei in der ZDF-Mediathek: [Verknüpfung]

Niemand kann Habeck vorwerfen, er hätte nicht lange und geduldig versucht, trotz grotesker Verdrehungen der CDU für einen konstruktiven Dialog offen zu bleiben. Diese Debatte im Bundestag spiegelt die Spaltung der Zivilgesellschaft, die von den Fossilökonomisten betrieben wird.

Merz' Antwort ist eine komplette Verweigerung, sich mit der eigenen Veranwortung im Sine eines konstruktiven Dialogs auseinanderzusetzen.


Hören Sie auf, über 16 Jahre zu reden. Dieser Befund heute ist Ihre Herausforderung. Und wenn es so bleibt, meine Damen und Herren, dann ist es allein Ihre Verantwortung.
Friedrich Merz
Merz ist sich nicht zu schade, jegliche Verantwortung der CDU an der Energie- und Klimakrise anzuerkennen, und sie zum Anlass für ein Umdenken zu nehmen. Mit Panikmache vor Energieknappheit, die wieder einmal nicht von den Experten bestätigt wird, gießt er weiteres Öl ins Feuer von klimaskeptischen, rechtskonservativen Populisten.
In gewohnt staatsmännisch-gravitätischem Ton warnt Friedrich Merz vor hohen Stromkosten und Energieknappheit.
[Verknüpfung]
Aus der CDU kommen aber auch schrillere Töne. BILD zitiert aus der Bundestagsrede des CDU-Politikers Klaus Wiener und ergänzt mit Hinweisen im Untertitel: "Habeck-Plan ist ein „Himmelfahrtskommando“ ++ Klimaschutz-Ziele nicht erreichbar ++ Deutschland ist eine Dreckschleuder". So schimpft das rechtspopulistische Propagandablatt, das dem Klimaschutz die Serie "Die CO2-Lüge" gewidmet hat. Seit SPD und Grüne regieren, setzt es sich für Klimaschutz ein mit Parolen, die auch auf Fridays-for-Future-Plakaten stehen könnten, wenn sie nicht so einfallslos formuliert wären.
[Verknüpfung] [Verknüpfung]

Im März 2023, als der Energiekrisen-Winter überstanden war, kündigte Robert Habeck das Vorziehen des Verbots neuer Öl- und Gasbrenner auf 2024 an. Die folgende, völlig irrationale Hetzkampagne wurde bezahlt von daer Gaslobby. Obwohl CDU und FDP für eine konsequente Umsetzung des CO2-Emissionshandels auch im Wärmesektor plädieren, stellen sie die Wärmepumpe als "Heizhammer", also einen dramatischen Kostentreiber, dar. Dabei ging medial völlig unter, dass Habeck die Bürgerenergiewende stark voranbringen will: er strich bereits ab 01.01.2023 die Einspeisebegrenzung größerer PV-Anlagen auf 70%, und kündigte eine Reform des Strommarkts mit flexiblen Strompreisen an, die auch die Möglichkeit der Einspeisung von Strom aus Batteriespeichern umfasst. Habecks Solarpaket 1, das 50 gesetzliche Hindernisse für private PV v.a. aus der Merkelzeit überwindet, wurde im August im Kabinett gebilligt. Hoffentlich bekommt er das alles durch, bevor die FDP die Koalition, wie mit Döpfner offenbar konspiriert, platzen lässt.

Mit der FDP hat es eine Partei in die Ampel-Koalition geschafft, die die fossilökonomistische Agenda der Deutschland AG in die Post-Merkel-Ära tradiert. Olaf Scholz ist als Klimakanzler angetreten, aber viele wichtige Vorhaben, selbst wenn sie im Koaloitionsvertrag standen, werden nicht oder nur abgeschwächt durchgesetzt. Der Expertenrat für Klimafragen bei der Bundesregierung stellt 2023 eine Verfehlung der Sektorenziele Wohnen (drittes Mal in Folge) und Verkehr (coronabedingt war 2021 eine Reduktion messbar) fest.
[Wikipedia 2023 - Expertenrat für Klimafragen - Prüfbericht 2023]
Der Ethikrat fordert: "Wir müssen einfach jetzt sofort umsteuern".
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Die FDP ist zwar der kleinste Koalitionspartner der neuen Ampel-Regierung. Viele Jungwähler:innen, die sie gewählt haben, haben wohl vor der Wahl nicht realisiert, dass diese Partei noch mit ihrem damaligen Vorsitzenden und Wirtschaftsminister Philipp Rösler federführend die Energiekehrtwende eingeleitet hat, oder es ist ihnen egal. Jetzt bremst sie in bester Tradition der Koalition mit der CDU konsequent den neuen Anlauf der Grünen zur Klimawende, und zwar massiv. Im Verkehrsministerium blockiert Volker Wissing die Verkehrswende und fordert gegen den Koalitionsvertrag die Beschleunigung des Autobahnbaus, und Finanzminister Lindner schließt den Geldbeutel rigoros für die Fortsetzung des 9€-Tickets, obwohl er sich umso großzügiger in Krisenhilfen für die Wirtschaft gibt und sie gleichzeitig vor (durchaus üblichen) Übergewinnsteuern schützt. Außerdem stellt sich Wissing klar gegen die Forderung, mittlerweile selbst vom Rat der Wirtschaftsweisen, die klimaschädlichen Subventionen zu streichen und die Mittel für Klimaschutz sinnvoll einzusetzen.
Wissing will den 2016 unter Merkel beschlossenen Bundesverkehrswegeplan 2030, der weiter voll auf das Auto setzt, umsetzen. Damit werden große Ressourcen, die für die Verkehrswende gebraucht werden, kontraproduktiv eingesetzt.
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[Wikipedia 2023 - Bundesverkehrswegeplan 2030]
Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger propagiert nicht nur, sie verspricht im ZDF heute-journal die Scheinlösung des Fusionskraftwerks binnen zehn Jahren - was kein deutscher Enegiewissenschaftler zu prophezeien wagt, weil es schlicht vollkommen unrealistisch ist. Der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr propagiert EFuels für PKW, obwohl sämtliche Energiestudien das seit bald zehn Jahren ausschließen.
Kanzler Scholz schweigt dazu in der Öffentlichkeit. Wie interne Papiere zeigen, hat er sich selbst mit Vehemenz gegen die Grünen für die Streichung der Sektorziele aus dem Klimaschutzgesetz durchgesetzt, das er noch mit der CDU zwei Jahre zuvor beschlossen hat.
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Auch ein Kahlschlag im Sozialstaat wird in der FDP diskutiert, hier dürfte die SPD wohl mehr Widerstand leisten. D.h. im üblichen Kuhhandel wird ggf. im Zweifel von der SPD wieder der Klimaschutz geopfert.
Mit den hohen Preisen für fossile Brennstoffe, die sich am sonst so geschätzten freien Markt ergaben, hätte man einen starken Anreiz für Klimaschutz schaffen können. Stattdessen entscheidet sich die Ampel-Koalition für die pauschale Subventionierung von Treibstoffen im Frühjahr und Gas mittels Preisdeckel im September. Dafür macht Lindner hunderte von Milliarden locker, doch im Klimaschutz sperrt er sich weiter.

Auch das Verbot von eFuel-tauglichen Verbrennern wird im Juni 2022 in der Ampelkoalition von der FDP auf Bundesebene verhindert, was jedoch im Dezember durch ein EU-Gesetz hinfällig wird, sobald der Europarat dem Beschluss des EU-Parlaments zustimmt. Doch auch hier macht die FDP über die Bundesregierung
Die Begründung - eine "technologieoffene Option" auf E-Fuels für PKW aus P2X - ist von allen Expertengremien seit Jahren widerlegt - der Strombedarf für die eFuel-Herstellung ist fünf- bis sechsmal so hoch wie der für den Betrieb eines Elektroautos..
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Hier hat Porsche-Chef Oliver Blume direkt auf Porsche-Fahrer Lindner Einfluss genommen - zumindest laut eigener Aussage auf der Betriebsversammlung am 29.06., die die FDP dementiert, und die Blume einen Monat später nach öffentlicher Kritik zurücknimmt: er habe "falsche Worte gewählt."
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Auch die italienischen Sportwagenbauer nehmen über die faschistische Regierung Meloni Einfluss auf Brüssel.
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Der Antrag von abgeordnetenwatch auf Offenlegung der SMS aus dem Finanzministerium wird abgelehnt.
abgeordnetenwatch: [Verknüpfung]


Wir haben sehr großen Anteil, dass die E-Fuels in den Koalitionsvertrag miteingeflossen sind. Da sind wir ein Haupttreiber gewesen, mit ganz engem Kontakt an die Koalitionsparteien. Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten. Wir sind sehr froh darüber, dass das am Ende funktioniert hat. Wir müssen da jetzt auch nochmal ein bisschen nachschärfen, bis es tatsächlch auch so ist.
Oliver Blume

Filmtips:
Die Anstalt: Der große Preis. ZDF 19.07.2022
Youtube: [Verknüpfung]
Ganze Sendung: [Verknüpfung]
Faktencheck als Pdf-Datei: [Verknüpfung]
Die Anstalt. ZDF 04.10.2022
Der Ausschnitt in Youtube: [Verknüpfung]
Ganze Sendung: [Verknüpfung]
Faktencheck als Pdf-Datei: [Verknüpfung]

Der Youtube-Videoblogger Jacob Beautemps macht in seinem Kanal BreakingLab seinem Ärger über die Medien, die in vermeintlicher Neutralität nur die Äußerungen der Politiker:innen zum Thema E-Fuels unkommentiert wiedergeben, Luft. Ich kann ihm nur zustimmen, an anderen Stellen habe ich das Medienversagen in der Klimakrise bereits beschrieben, und aus diesem Anlass auch etliche Beschwerden bei öffentlich-rechtlichen Medien über ihre false balance abgesetzt. Ich kann dazu nur ermuntern, denn das Sprichwort "steter Tropfen höhlt den Stein" zeigt immer wieder Wirkung.
Filmtip: BreakingLab. Umstrittene E-Fuels: So will die Politik Verbrenner am Leben halten.
Youtube: [Verknüpfung]

Entsprechend propagiert die FDP, wie auch die CDU, E-Fuels als die technologieoffene Lösung im Verkehrs- und im Wärmesektor. Weil Experten genau wissen, dass diese Brennstoffe schon aus Kostengründen höchstwahrscheinlich niemals masseneinsatzfähig sein werden, wenn die letzten Verbrenner längst im Museum stehen, ist bei der aktuellen Anreizpolitik keine schnelle Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu erwarten. Die Autoindustrie hat während der Lieferkettenkrise nach Corona Autos ohne Elektronik-Chips auf Halde produziert, die erst einmal verkauft werden müssen. So erscheint es konsequent, wenn die FDP Koalitionsbeschlüsse blockiert mit der Forderung, die sektorspezifischen Ziele aufzugeben, und damit das (schwache) Klimaschutzgesetz zu brechen. Das wurde - wie die Beschleunigung des Autobahnbaus - nicht im Koalitionsvertrag vereinbart, aber schließlich doch beschlossen.
Die Preisprognosen der Porsche-eigenen Produktion in Chile zeigen, dass es sich um ein Luxusprodukt für Greenwashing handelt. Dabei betont Lindner bei jeder Gelegenheit, dass nur Technologieoffenheit auf dem Markt zur wirtschaftlichsten Lösung führt, und dass man Gelder im Klimaschutz möglichst so einsetzen soll, dass sie maximale Wirkung entfalten.
Aber nur weil die CO2-Preise viel zu niedrig sind, werden Stilblüten wie Porsches eFuel möglich - sonst würde der Strom dort nicht so verschwendet.
In der Frage der Konservierung der Feuer-Technik zeigen sich die Konservativen erstaunlich lernunfähig - oder geschickt im Populismus, der von der Lernunfähigkeit der Masse ausgeht. Nachdem der internationale Automobilmarkt die Technologieoffenheitsfrage gemäß den Voraussagen der Experten pro EAuto entschieden hat, machen CDU und FDP in der Heizungsdebatte um Wärmepumpen 2023 ein neues Fass auf. Jetzt wollen sie E-Fuels, also P2G-Methan oder grünen Wasserstoff, auch noch im Wärmesektor verschwenden.
Doch auch in dieser Frage bewegen sich CDU und FDP weit außerhalb der Empfehlungen der Wissenschaft, und erweisen sich damit endgültig als Vertreter der atomar-fossilen Fortschrittsideologie aus den Zeiten des Kalten Krieges.
Für die deutschen Kunden ist das eine teure Politik. Elektroautos sind im Betrieb günstiger als Verbrenner, mit Eigen-PV sogar um ein Vielfaches - doch richtig günstige Modelle gibt es bisher nur in China; Verbraucherschützer warnen vor dem Kauf neuer fossiler Heizungen.

Entgegen allen jahrzehntealten Grundsätzen seiner Partei betreibt der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck in der Not die unsoziale fossile Politik der Merkel-Regierung insofern weiter,

Kein Wunder, dass fossile Patriarchen vollmundig ankündigen, ihre Quellen bis zum letzten Tropfen ausbeuten zu wollen.
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Der größte Investor ist BlackRock, der allerdings 2020 ganz anderslautende Bekenntnisse zum Klimaschutz abgegeben hat. Wie sich die Habecks Berufung der Ex-BlackRock- und Morgan Stanley-Klimarisikoexpertin Elga Bartsch als Beraterin auswirkt, muss sich zeigen.
Für Klimaschützer sind das unglaubliche Fehlentwicklungen. Ein weiteres Mal wird die Chance zur Transformation in einer Krise vertan, wie schon in der Finanz- und in der Corona-Krise.

Dringend notwendige Klimaschutz-Maßnahmen, die auch die Energiemangelkrise im Ukraine-Krieg mindern würden, werden jedoch nicht ergriffen: die Politik traut sich nicht, weil fossile Gegenkräfte der Masse weiter vorspiegeln, ein dringender Handlungsbedarf sei nicht gegeben. Die konsumistische Gehinwäsche, die über Jahrzehnte stattgefunden hat, ist nicht zu unterschätzen.

Die Historikerin an der Hochschule der Bundeswehr in München Hedwig Richter findet für die Tatenlosigkeit der Ampel-Koalition in der Zeitenwende Ende August 2022 klare Worte.


Sie macht das noch nicht konsequent genug, dass sie viel, viel breiteren Schichten viel, viel mehr zumutet. [...] Das ist eben, finde ich, Aufgabe der Politik zu zeigen: das, was wir bisher für normal gehalten haben, dass es billiges Fleisch gibt, dass der deutsche Bürger ein Recht auf'n Billigflug nach Mallorca hat, das ist genau Teil dessen, warum unsere Welt jetzt brennt. Wir können auf diesem Weg nicht weiterleben, wir müssen hier viel, viel stärkere Einschnitte machen.
Und ich will als Historikerin da auf die Zeit nach '45 verweisen. Eine Zeit voller Krisen, es war unklar, ob man das schafft, und da gab es ganz starke staatliche Eingriffe. In ganz Europa sehen wir, dass Verfassungen installiert werden, die einen starken Staat machen, und den Menschen wird 'was zugemutet. In Deutschland etwa gibt es ganz klare Umverteilungen von oben nach unten, es wird Solidarität eingefordert, und angesichts der Krise waren die Menschen dazu bereit. Und deswegen mein Plädoyer: die Politik müsste viel radikaler und viel stärker auf Solidarität setzen. [...]
Demokratie ist viel, viel mehr als Mehrheits-Herrschaft. Und hier finde ich zwei Punkte wichtig: zum einen sind ja die Mehrheiten für Klimaschutz. Und zum anderen ist es auf jeden Fall die Rolle der gewählten Abgeordneten, dass sie mutig sind und dass sie 'ne vorausschauende Politik machen, und eben dann nicht in der Zeit, in der sie ihr Mandat haben, beständig auf die Wähler und Wählerinnnen schielen.
Gerade die Demokratie kann uns ausrüsten mit dieser Repräsentation [...], dass die Politik dann unabhängig von Mehrheiten das Richtige macht und eben diesen Mehrheiten 'was zumutet. Interessant ist ja dann auch: die Grünen, die das am ehesten machen, die werden dafür belohnt, also in den Umfragen sind die sehr weit oben, während die SPD sinkt und die FDP ohnehin mit ihrer ganz erstaunlich verantwortungslosen Politik gegenüber der Klimakrise total verliert - also das merkt die Bevölkerung, dass hier irgendwas nicht stimmt, dass man im Jahre 2022 nicht so 'ne Politik machen kann gegen Tempolimit, für Pendlerpauschale usw.. [...]
Was wir erkennen müssen, ist, dass dieses große Versprechen, dass es immer mehr Wohlstand geben wird, dass das so einfach nicht mehr zu machen ist. Und dass alle eben weniger haben und das ist vor allem für die SPD ein Problem, wir müssen damit umgehen, dass es weniger für alle gibt. Und dass es eben keine soziale Gerechtigkeit gibt, solange der Planet brennt. [...] Es ist gute Demokratie, in der Politik der Bevölkerung sagt, was einfach ansteht, und ihr dafür auch die Gelegenheit gibt, und die Strukturen dafür schafft.
Hedwig Richter
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Bei Richters Worten fällt mir ein aus dem neoliberalen Denken gestichener Ausdruck ein: was ansteht, also was anständig ist. In ihrem Weltkriegs-Vergleich ist sie fast auf einer Linie mit dem Ökonomen und Nobel-Gedächtnispreisträger Joseph Stiglitz.
In einem Komentar der Süddeutschen geht sie genauer auf das epochale Versäumnis der SPD ein, ihrer Klientel endlich die Transformation zu erklären - eben damit sie sich nicht weiter instrumentalisieren lässt.


[...] soziale Gerechtigkeit kann nicht mehr heißen, den Wahnsinn für alle zu finanzieren. Vielmehr muss der Wahnsinn um der Gerechtigkeit willen gestoppt werden. Nicht mehr Pendlerpauschale, sondern besserer öffentlicher Verkehr. Nicht mehr Eigenheim und mehr Wohnraum für alle, sondern weniger Wohnraum für viele und genug für alle. Nicht mehr Schnitzel für alle, sondern gute Nahrung auch für die Ärmsten.
Warum spricht es die SPD, warum sprechen es so viele in der Politik nicht aus, was auf der Hand liegt: Soziale Gerechtigkeit heißt nicht mehr, dass es die Kinder besser haben als man selbst, sondern dass sie einen Planeten vorfinden, den sie in Solidarität mit dem globalen Süden bewohnen können.
Hedwig Richter
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Das zivilgesellschaftliche Bewusstsein über die Klimakrise verläuft bisher im immer kürzeren Wechsel zwischen Schock und Verdrängung. Immer häufiger flackern die Bilder von Feuersbrünsten, brachialen Flutwellen, Monsterstürmen, Tornados, Erdrutschen, Überschwemmungen, Hitzewellen über die Bildschirme. Berichte von vielen Toten, Vermissten, Verletzten, Millionen Obdachlosen, Zerstörung riesiger Ökosysteme, von Riesenwerten an Privatbesitz, Infrastruktur und nicht zuletzt Naturkapital, hunderte von Milliarden an Schäden jährlich. Jedesmal ein Tsunami von Sondersendungen, Zeitungsartikeln und Meinungsschlachten in den "sozialen" Medien. Und jedesmal verdrängt dann ganz schnell ein anderes Thema das Problem von der Bildfläche: die Menschen müssen zurück in ihr Hamsterrad, um dort funktionieren zu können, viele haben keine Zeit oder keine Lust, um sich mit der Klimakrise zu konfrontieren.
Die Klimakrise wirkt sich noch nicht schlimm genug auf unser Leben aus, um wirklich Handlungsdruck für schmerzhafte Präventionsmaßnahmen zu erzeugen. In der vom Neoliberalismus geprägten weltpolitischen Situation bewirkt dieses Präventionsdilemma eine fatale Lähmung in der Klimapolitik: die sogenannten Beharrungskräfte des fossilen Systems.
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Wie sehr alles in unserer Hochleistungs-Gesellschaft "auf Kante genäht" ist zeigt ein Erfahrungsbericht aus der Post-Corona-Erkältungswelle, Titel: "Bis zum Umfallen".
taz: [Verknüpfung]
Der aufmerksame Rest wird mit jedem Mal wütender und/ oder frustrierter, bis hin zur vollkommenen Verzweiflung. Viele empfinden die Stimmen der Kritik als viel zu leise, weshalb sich der Protest zu Aktionen zivilen Ungehorsams radikalisiert.
Aus einer Reflexion ihrer Verkehrsblockaden könnte man schließen, dass die Freiheitseinschränkung des Verbrenner-motorisierten Verkehrs ein Freiheitsgewinn der Zukunft ist, und dass eine solche Blockade eine Möglichkeit darstellt, die Bedeutung unserer ökoziden Alltagspraktiken aus einer gewissen Distanz zu überdenken. Das ist bei vielen Leuten, die dort im Stau stehen, auch der Fall. Bei anderen, denen die Klimakrise nicht bewusst ist, und die ihren Alltag ohnehin schon als Kampf gegen viele Widrigkeiten erleben, nur eine weitere Ablenkung vom Problem bewirken, weil sie dadurch oft vor weitere, mitunter noch größere Probleme gestellt werden.
Die Probleme dieser Menschen werden instrumentalisiert von denselben Akteuren, die sich bisher gegen bezahlbares Wohnen, auskömmliche Mindestlöhne und ausreichende Sozialleistungen stellen. Dieselben Klimaschutz-Bremser, die damals vergeblich versucht haben, Fridays for Future zu unterdrücken, geben jetzt vor, deren Erfolge vor dem Unverständnis der Gesellschaft schützen zu wollen. Das ist von Seiten der Verführer ein scheinheiliger, opportunistischer Populismus, den die Verführten als Rechtfertigung missbrauchen, ihre Verantwortung in der Krise zu verweigern. Zitate von CDU-Politikern:

"Wir sind, und waren schon immer, die Klimaschutzpartei." (Jens Spahn, CDU)
"Diejenigen, die bei solchen Aktionen im Stau stehen, zu spät zu ihren Terminen kommen, ihre Kinder nicht rechtzeitig zur Kita bringen können, sind zu Recht erbost, verlieren die Geduld und projizieren ihren Unmut möglicherweise auf umweltpolitisch notwendige Schritte und gegebenenfalls zukünftig erforderliche Einschränkungen. So kann der notwendige Klimaschutz sogar wegen dieser einfältigen Aktivisten an Akzeptanz in der Bevölkerung verlieren und womöglich am Ende schwieriger durchsetzbar werden, weil sie Klima-Leugnern Zulauf ermöglichen." (Thorsten Köster, CDU-Fraktionsvorsitzender im Stadttag von Braunscheig)
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Wir sind alle mehr oder weniger am Ökozid beteiligt. Nur sind Klimaaktivist:innen darüber beschämt, während ihre Gegner:innen sich innerlich dagegen sträuben, diese Scham zu empfinden - und das nutzen die Meinungsmacher aus und stilisieren einen vermeintlichen Moralismus als Mittel einer "Öko-Diktatur"; die Generalprobe zur Gegenwehr inszenierten sie in der Propaganda gegen eine vermeintliche "Corona-Diktatur", die ja bereits die Gesellschaft spaltete. Während der Ampel-Koalition gelingt es den Rechtspopulisten, an die Corona-Verschwörungserzählung anzuknüpfen, orchestriert von Mathias Döpfner und seinem Ex-Chefredakteur Julian Reichelt: die Politik des Grünen-Wirtschaftsministers Robert Habeck diene nicht dem Volk, sondern einer grünen Lobby.
Von Linksradikalen zu sprechen, weil sie einen Systemwandel wollen, ist hier genauso verdreht. Es steht fest, dass ein tiefgreifender Wandel unseres globalen Wirtschaftssystems und unserer Gesellschaft unumgänglich, aber auch möglich ist, um nicht nur der Klimakatastrophe zu begegnen, sondern auch das globale Wirtschaftssytem zu retten. Die Profite aus dem Ökozid müssen genutzt werden, um die Erde zu retten, das wird von einer wachsenden Zahl von Ökonom:innen, darunter viele Nobelpreisträger:innen, gefordert.
Der aktuelle Zustand ermöglicht der Gesellschaft als Ganzes noch weitgehend ein business as usual, wobei ihre Resilienz (Krisen-Toleranz) immer häufiger an ihre Grenzen stößt. Eine neue fatal dumme Erzählung ist die Wahrnehmung dieses Zustandes als das "neue Normal" - in völliger Verleugnung der eindeutigen Prognosen, dass der Zustand so nicht bleiben, sondern sich immer schneller ändern wird.



Am 02.03.2022 jährte sich der Bericht "Limits to Growth" des Club of Rome zum 50. Mal, mit der sie den Zusammenbruch der Zivilisation für das 21. Jahrhundert prognostiziert und sich in der Tendenz bisher bewahrheitet hat - darüber wurde kaum berichtet, zumindest im Vergleich zur massiven Erinnerung an die Terroranschläge bei der Olympiade in München, bei der ganze 10 Menschen ums Leben kamen.
Am 05.09.2022 präsentierte der Club of Rome seine neuesten Prognosen unter dem Titel "Earth for all", 50 Jahre nach Limits to Growth. Mittlerweile macht sich - neben einem Großteil der ökonomischen Fachwelt, inklusive des WEF, inklusive zahlreicher Nobelpreisträger - sogar der Rat der Wirtschaftsweisen die radikalen Forderungen des Club of Rome zu eigen: es bedarf dringend der Umverteilung, und die Profiteure des Systems müssen besonders an den Kosten der existentiell notwendigen Transformation beteiligt werden. Seit Jahren stehen beim Weltökonomischen Forum WEF in Davos, dem Treffen der Wirtschafts-Elite, die Probleme Ungleichverteilung und Klimakrise ganz oben auf der Agenda.
Immer lauter wird der Elefant im Raum benannt, die Binsenweisheit ausgesprochen, die jedem Menschen mit gesundem Menschenverstand, mit dem ich je gesprochen habe, intuitiv klar war: auf einer endlichen Welt lässt sich Reichtum nicht unendlch vermehren, erst recht nicht, wenn er auf der Ausbeutung existentieller Ressourcen und ungerechten Lieferketten beruht. Endlich sagen es auch Berater der Regierung in Deutschland, so wie in den USA schon unter Obama und Biden geschah. So wie John Maynard Keynes in der großen Wirtschaftskrise der 30er Jahre Präsident Roosevelt zum New Deal geraten hatte. Anna Mayr zeigt sich in der Zeit verwundert, dass wir die Krise so lange auf uns haben zukommen lassen, und fragt "warum brennen Wälder und keine Firmenzentralen?"
Zeit: [Verknüpfung]

Die Flut-Katastrophe im Sommer 2021 an den Eifel-Flüsschen Ahr und Erft stellt zwar einen weiteren Rekord dar, doch selbst im größten Chaos beantworten die Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU) wie Olaf Scholz (SPD) einmütig den Ruf nach einem Vorziehen des Kohleausstiegs mit "Nein", und auch ansonsten bleibt die CDU in ihrem Klima-Wahlprogramm bei unklaren Absichtserklärungen. Laschet verspricht in der Rede zum Wahlkampf-Auftakt, Deutschland nicht den Ideologen zu überlassen. Dabei stellt sich seine Politik immer deutlicher als Ideologie heraus: das System werde die Kimakrise bewältigen, so wie es ist. Nur die Genehmgungsverfahren müssten beschleunigt werden. Damit öffnet er zumindest der weiteren Beschleunigung des Ökozids Tür und Tor.
Mit jedem neuen Schadens-Rekord wird diese Abwehrhaltung gegen Klimaschutz und Systemwandel schwerer zu rechtfertigen, aber sie wird dennoch von Medien unkommentiert verbreitet und von der Öffentlichkeit widerspruchslos hingenommen.
Noch unmttelbar vor dem Unwetter, im nasskalten Gewitter-Frühjahr 2021, leugneten rechtskonservative und neolibertäre Extremisten wieder einmal lautstark die Existenz der Klimakrise, und sie konnten sich das auch wahrnehmbarer trauen, weil die öffentlich-rechtlichen Sender ihrem Bildungsauftrag immer noch nicht nachkommen.

Die externen Kosten allein der deutschen Wirtschaft werden mit etwa einer halben Billion Euro pro Jahr beziffert.

Es ist noch lange kein Allgemeinwissen, dass der in sogenannten Rossby-Wellen mäandernde (schlängelnde) Jetstream, der uns seit Menschengedenken das gemäßigte Wechsel-Klima beschert hat, seit ca. 10 Jahren starke Anomalien zeigt und immer wieder völlig zusammenbricht. Die Ausbuchtungen der Rossby-Wellen sind viel extremer ausgeprägt und wandern viel langsamer als früher; besonders wenn sie wochenlang stehen bleiben, kommt es zu Extremwetter. So hält je nach Lage der Welle der Zustrom von Polar- oder Tropenluft wochenlang an. Treffen diese bei uns zusammen, gibt es wochenlang Gewitter - egal ob Sommer oder Winter. Dieses Phänomen ist seit mindestens 7 Jahren in der Fachwissenschaft so gut verstanden und kommuniziert, dass auch interessierte Laien darüber bescheid wissen. Warum nicht auch Otto Normalverbraucher und Lieschen Müller?
Immerhin erklärt das ZDF die Sache schon einmal den Kindern in 1min und 19s; hier am Beispiel des damals aktuellen kalten Frühjahrs.
[Verknüpfung] (empfehlenswertes Erklärvideo der Kindernachrichten-Sendung ZDF logo!)
[Verknüpfung] (Video-Download aus der ZDF-Mediathek)
[Verknüpfung] (Erklärvideo von Wetter Online)
[Coumou 2014]
Die Haupt-Windrichtung war bis vor etwa 10-15 Jahren West. Mittlerweile kommt der Wind aus allen Himmelsrichtungen, vor allem aus Nord und Süd. Wenn Polarluft zu uns strömt, muss zum Ausgleich warme Luft polwärts strömen: am 20.05. war es in Nordsibirien mit über 30°C deutlich wärmer als am Mittelmeer.
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Die lang anhaltende Gewitterphase im Mai/ Juni 2021, erklärt Sven Plöger korrekt - leider ohne den Begriff Klimawandel zu benutzen (zur Ehrenrettung sei gesagt, dass er neben Karsten Schwanke und Özden Terli einer der Meteorologen ist, die sich in der Aufklärung verdient machen, im Gegensatz zu vielen, die dazu gar nichts sagen oder gar Donald Bäcker (ARD), der als reisender Klimaskeptiker Vorträge hält, i.d.R. vor älterem Publikum).
[Verknüpfung] (Tagesthemen von 07.06.2021)
Seit der Ahrtal-Katastrophe allerdings ist diese Zurückhaltung der Medien dem nüchternen Eingeständnis gewichen, dass der Klimawandel als Ursache der immer bedrohlicheren Unwetterkatastrophen mit zunehmender Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. An dieser neuen Eindeutigkeit hat die Attributionsforschung von Friederike Otto großen Anteil.

Der Sendeplatz vor der Tagesschau bleibt dem Thema Klima weiter verwehrt. Stattdessen gab es dort bis höchstens "Wetter", "Wissen" und "Börse vor acht". Und so konnten Klimaskeptiker oder -Relativisten weiter in den Köpfen dafür sorgen, dass unangenehme Maßnahmen im Klimaschutz ausbleiben. Meteorolgen wie Karsten Schwanke versehen neuerdings "Wetter vor acht" mit dem Zusatz "Klima".

Am 23.06.2021 warnte das IPCC in einer Vorab-Zusammenfassung seines nächsten Berichts wieder vor der Klimakatastrophe, u.a. vielen Hitzetoten. Die Zeit zeigt die erschreckende Diskrepanz zwischen den unzulänglichen politischen Versprechen und den Notwendigkeiten zur CO2-Reduktion. Sie übertitelt ihren Beitrag über den Bericht "Aufruf zur Revolution".
Welt: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Bei +1,5° globaler Erwärmung erleben demnach 14% der Menschheit alle 5 Jahre eine extreme Hitzewelle - schon bei +2° steigt der Anteil auf 37%. Der Anteil der Pflanzenarten, deren Verbreitung um mindestens 50% zurückgeht, steigt entsprechend von 8 auf 16%, und der Insekten von 6 auf 18%.
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Nur eine Woche später kommt es, während auf der Insel Madagaskar Hunderttausenden der Hungertod durch Dürre droht, in Japan eine riesige Schlammlawine abgeht und in Deutschland mal wieder die Keller volllaufen, im Nordwesten von Nordamerika zu einer historischen Hitzekatastrophe mit bis zu 49,5°C, bei der Hunderte Menschen sterben. Ursache: weil die Rossby-Welle, die hier heiße Luft anzieht, sich nur extrem langsam weiterbewegt, ist ein heat dome ("Hitzekuppel") entstanden.

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2022 kommt es in weiten Teilen Indiens schon im Juni zu anhaltenden Temperaturrekorden von bis zu 50°C.
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Gleichzeitig gibt es Berichte über das vierte Dürrejahr auf der für ihren Regenwald berühmte Insel Madagaskar - Millionen Menschen hungern, hunderttausende sind vom Hungertod bedroht. Die FAZ titelt: "Eine grüne Insel wird rot."
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Stern zitiert einen Madagaskaner: "Mit eurem Geld bringt ihr uns um." Gemeint ist die Lieferung von Nahrungsmitteln, anstatt eine nachhaltige Landnutzung zu unterstützen.
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Laut Amnesty gab es 2021 nicht einmal eine Todes-Statistik darüber.
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In Chile, wo der Neoliberalismus von Anfang an hemmungslos grassierte, kommt zu der Klimakrise noch der Raubbau am Grundwasser hinzu.
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Im Juli titelt das ZDF heute journal "Südeuropa trocknet aus".
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Nur selten ist zu hören, dass auch China von massiver Dürre betroffen ist.
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Im August später sorgt ein ungewöhnlich lang anhaltender und intensiver Monsun zur großflächigen Überschwemmung des Nachbarlandes Pakistan. Auch dies wird verursacht, weil die Druckgebiete nur quälend langsam wandern. Nach wenigen Tagen sind in der unüberschaubaren Situation bereits über 1000 Tote gezählt, 33 Millionen Menschen sind betroffen.
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Bei Sturzregen fallen im September 2022 an der umbrischen Adriaküste in Italien in wenigen Stunden die Niederschläge eines halben Jahres, etwa zehn Menschen sterben. Die Meteorologen registrieren eine Verfünffachung der Niederschlagskatastrophen innerhalb von 10 Jahren.
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Im Mai 2023 ist die Adria-Küste der italienischen Region Emilia Romagna - nach epochaler Dürre - ebenfalls von den Regenmassen mehrerer Monate in drei Tagen hart betroffen, 14 Tote, wichtige landwirtschaftliche Flächen sind zerstört, die Sachschäden belaufen sich auf Milliarden.
Standard: [Verknüpfung]
FAZ: [Verknüpfung]
Gleichzeitig wird eine Studie in Science gemeldet, die einen dramatischen Rückgang der globalen Süßwasserreserven in Seen verzeichnet.
ARD: [Verknüpfung] Science: [Verknüpfung]

Auch Deutschland ist immer wieder betroffen: nach drei Dürrejahren kommt es im Juli 2021, einen Monat nach dem IPCC-Bericht, zur größten neuzeitlichen Flutkatastrophe in Deutschland. Die katastrophalen Statements der Politiker sind in einem größeren Kontext zu sehen, deshalb unten mehr zu Armin Laschet und Friedrich Merz. Den Abwärtstrend in den Umfragen der Grünen Kanzlerkandidatin Baerbock - ausgelöst von Marginalien wie relativ kleinen Falschangaben im Lebenslauf und nicht gekennzeichneten Zitaten aus dem eigenen Parteiprogramm in einem Sachbuch - konnte sebst die Jahrhundert-Katastrophe nicht stoppen. Und das, obwohl die Unionsparteien noch mit ihren jüngsten Korruptionsskandalen konfrontiert waren, die man als Fortsetzung einer alten Parteitradition sehen kann. Die Grünen trauen sich weder, in der Schlammschlacht die Relationen darzustellen, noch die Flutkatastrophe der fossilen Politik ihrer Kontrahenten zuzuschreiben. Denn sie wissen, dass sie damit deren Wähler:innen zu nahe treten würden, die jahrzehntelang die Warnungen der Grünen geflissentlich überhört haben - und die sie ja zum Wechsel bewegen müssen. Der lachende Dritte war die SPD, deren Kandidat Olaf Scholz die Vorwürfe im Wirecard-Skandal durch beharrliches Schweigen an sich abprallen lässt, und die Oppositionspartei FDP, deren kurzes, aber effektives Intermezzo von Wirtschaftsminister Rösler gegen Energie- und Verkehrswende schon längst wieder vergessen ist. Dafür sorgte die FDP laut Ansage für die Beharrung auf der "Schwarzen Null" - was für einen Großteil der Wirtschaftswissenschaftler angesichts der drängenden Aufgaben ein katastrophaler Fehler ist.
Nach Monaten der Zurückhaltung in der Ampel-Koalition zeigt die FDP wieder mehr Profil - sie blockiert Klimaschutz überall da, wo keine privaten Profite zu erwarten sind. Ausbau der Fossilgas-Infrastruktur, weitere Blockade des Tempolimits, Moratorium der CO2-Steuerprogression, Verbrennerverbot und Koalitionsvereinbarung 100% Erneuerbare für 2035 gekippt, ungebremste Stilllegung von Pumpspeichern, Subvention von Treibstoff- und Gaskonsum per Gießkanne, also ohne soziale Differenzierung und Sparanreiz wenigstens für Wohlhabende - was kommt denn noch?
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Menschen, die ökosoziale Moralprinzipien vertreten, werden mit ganz anderen Maßstäben beurteilt als andere, und bei Frauen sind die Maßstäbe nochmals verschärft.
Als die bekannteste deutsche Transformations-Wissenschaftlerin Maja Göpel mit der Verheimlichung von Ghostwriting konfrontiert wurde - die vom Ghostwriter selbst gewünscht und mit dem Verlag abgesprochen war - war das Medienecho gewaltig.
Zeit: [Verknüpfung]
Wolf Lotter von der Denkfabrik futurzwei vermutet als Motiv in der taz Neid, Wut und Kränkung des wissenschaftlichen Establishments.
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Ich musste angesichts der übertriebenen Reaktion unwillkürlich an die Baerbock-Affäre im Wahlkampf 2021 denken.
Konservative messen mit zweierlei Maß, wenn sie die Regierungsarbeit der Ampel, die zweifellos extrem schwierige Bedingungen vorfindet - pauschal als "Murks" bezeichnen, und dabei die jahrzehntelange katastrophale Energie- und auch sonstige Klimapolitik der CDU vergessen, der konstanten Abhängigkeit von russischem Gas, ja sogar Verkauf der Gasspeicher zu Beginn der Ukraine-Krise 2015, der Deindustrialisierung des Erneuerbare-Energien-Sektors und der von Anfang an völlig aussichtlsosen Spekulation auf Verbrenner als Zukunftsmodell mit erneuerbaren Kraftstoffen, die Wasserstoff-Import-Strategie, und nicht zuletzt der Blockade der genauso drängenden Agrarwende. Nach all diesen Fehlentscheidungen könnte man von Unfähigkeit sprechen. Zweifel bekommt man aber, wenn man die unzähligen, geradezu immensen Korruptionsfälle betrachtet. Man kann dann schon auf den Gedanken kommen, dass hinter der ökoziden CDU-Politik Absicht steckt.
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Kanzler Scholz macht dabei seine Erzählung der Vorgeschichte auch nicht besser, wenn er beim VDMA-Gipfel 2022 behauptet, schon "immer" Putins Erpressungspläne gekannt zu haben.

Man darf gespannt sein, was nach dem ÖPNV-Förderungsinstrument des 9-Euro-Tickets kommt. Jedenfalls ist es - bei allen zusätzlichen Unannehmlichkeiten durch Verspätungen und Zugausfälle - ein deutliches Zeichen, dass die Menschen ein attraktives Angebot auch annehmen und die Staus messbar abnehmen:
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Der IPCC-Bericht AR6 aus 2022 diagnostiziert jetzt schon für ca. 3,3-3,6 Milliarden Menschen gravierende Gefährdungspotentiale durch die Klimakrise, und prognostiziert für 2100 bei Einhaltung der bisherigen Klimaschutz-Zusagen (die noch lange nicht sicher sind) eine Plus-2,7-Grad-Welt - und weitere Erwärmung. Je näher wir dorthin kommen, desto wahrscheinlicher werden Kipppunkte überschritten, und es kommt zur irreversiblen Mega-Katastrophe.

Selbst für die Einhaltung des 2°-Ziels von Paris wird den Tropen eine Erhöhung der Häufigkeit tödlicher Wetterlagen um 50-100% vorhergesagt, und mittleren Breiten um das 3-10fache.
Studie in nature: [Verknüpfung]
Eine interaktive Grafik der Zeit zeigt eindrucksvoll, wo die Erde bei welcher Temperatur nach den IPCC-Prognosen unbewohnbar wird. Die Todeszonen breiten sich im Laufe des Jahrhunderts bei derzeitiger Klimapolitik über einen Großteil des Globus aus.


Quelle: Lenton et al., Jones et al., Natural Earth | © Mapbox © OpenStreetMap
Zeit: [Bauer 2023]

Eine differenziertere Betrachtung der Verwundbarkeit bietet das Modell der klimatischen Nische.
Zeit: [Verknüpfung]


B.2 Die Verwundbarkeit von Ökosystemen und Menschen gegenüber dem Klimawandel unterscheidet sich erheblich je nach und innerhalb von Regionen (sehr hohes Vertrauen), bedingt durch sich überschneidende sozioökonomische Entwicklungsmuster, nicht nachhaltige Meeres- und Landnutzung, Ungleichheit, Ausgrenzung, historische und anhaltende Muster von Ungleichheit wie Kolonialismus sowie Governance (hohes Vertrauen). Ungefähr 3,3 bis 3,6 Milliarden Menschen leben unter Bedingungen, die sehr verwundbar gegenüber dem Klimawandel sind (hohes Vertrauen). Ein großer Anteil der Arten ist verwundbar gegenüber dem Klimawandel (hohes Vertrauen). Die Verwundbarkeit von Menschen und Ökosystemen ist voneinander abhängig (hohes Vertrauen). Die gegenwärtigen nicht nachhaltigen Entwicklungsmuster erhöhen die Exposition von Ökosystemen und Menschen gegenüber Klimagefahren (hohes Vertrauen).
IPCC
IPCC Zusammenfassung (deutsch): [IPCC WG2 AR6 SPM 2022]
Hauptaussagen der Zusammenfassung (deutsch): []

UN-Generalsekretär Antonio Guterres warnt vor kollektivem Selbstmord, die Hälfte der Menschheit sei in der Gefahrenzone.


We have a choice. Collective action or collective suicide. It is in our hands.
Antonio Guterres
The Guardian: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]

Robin McKie schreibt im im Guardian über ein Interview mit dem britischen Vulkanologen und IPCC-Coautor 2011 Bill McGuire: "We may not be able to give climate breakdown the slip but we can head off further instalments that would appear as a climate cataclysm bad enough to threaten the very survival of human civilisation." Er zitiert McGuire:


This is a call to arms. So if you feel the need to glue yourself to a motorway or blockade an oil refinery, do it. Drive an electric car or, even better, use public transport, walk or cycle. Switch to a green energy tariff; eat less meat. Stop flying; lobby your elected representatives at both local and national level; and use your vote wisely to put in power a government that walks the talk on the climate emergency.
Bill McGuire
[Verknüpfung]

Außerdem gibt der IPCC das CO2-Budget an. Rechnet man mit konstanten Emissionen, so bleiben für 2° 26 Jahre und für 1,5° acht (Stand Sommer 2021). Danach müssten die Emissionen unmittelbar auf Null fallen. Da der Umstieg auf fossilfreie Technik aber nicht abrupt stattfinden kann, muss jetzt sofort mit einer dramatischen Absenkung begonnen werden.
Die Carbon Clock des Mercator-Instituts zeigt den aktuellen Stand des Restbudgets, wahlweise für das 1,5- oder das 2-Grad-Ziel.


[Verknüpfung]

Bleibt anzumerken, dass die Prognosen des IPCC aus Angst um Glaubwürdigkeitsverlust bei Politikern bisher immer sehr konservativ waren, also das Problem eher unter- als überschätzt haben. Das liegt daran, dass im IPCC (auf Betreiben des neoliberalen US-Präsidenten Ronald Reagan) von Anfang an Regierungsvertreter saßen - man nennt das eine hybride Organisation.
Noch 2009 hat das IPCC die Hungerkrise, die jetzt absehbar wird, auf das Ende des Jahrhunderts geschoben.
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Die NGO Oxfam berichtet vom Report State of Food Security and Nutrition in the World SOFI 2021 828 Millionen Hungernde und nennt jeden dritten Menschen von Hunger bedroht. Oxfam spricht von einem kaputten kapitalistischen Ernährungssystem, das die Effekte von Konflikten, Corona und der sich verschärfenden Klimakrise durch ökonomische Schocks verschlimmert.
Oxfam: [Verknüpfung]
Studie: [Verknüpfung]
Auch ohne Hunger sorgt laut Oxfam der Reichtum der Milliardäre verschärft durch Corona für noch mehr Elend, so die Studie "Profiting from Pain". Hauptprofiteure: "food dynasties", "big oil", "pharma giants", "the tech sector" (v.a. Plattform-Ökonomie plus Tesla).
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Das gewohnte Auf und Ab der Temperaturen, das nur im 10-Jahresdurchschnitt einen leichten Erwärmungstrend zeigt, ist seit neun Jahren nicht mehr zu beobachten. Alle neun letzten Jahre waren Rekordjahre, d.h. die Erwärmung verläuft wesentlich schneller als vorher. Die Globaltemperatur erreichte 2023 bereits eine Erwärmung von 1,2K gegenüber der vorindustriellen Zeit, die 1,5K-Marke würde bei diesem Trend schon deutlich früher erreicht als befürchtet.
ARD: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Die Süßwassergehalte im Nordatlantik zeigen eine gefährliche Abschwächungstendenz der AMOC-Zirkulation, deren völliger Abbruch noch in diesem Jahrhundert wahrscheinlicher macht - was eine starke Abkühlung in Westeuropa zur Folge hätte.
Doch bis da hin wird Europa eine stärkere Erwärmung erleiden als der globale Durchschnitt, denn Europa liegt im Vergleich zu anderen Regionen mit gemäßigtem Klima näher am Polarkreis. Ohne AMOC hätten wir ein Klima wie in Kanada, also wesentlich kälter. Je geringer die Sonneneinstrahlung (also nachts und an den Polen), desto weniger bedeutsam wird der Effekt der direkten Sonnenstrahlung auf die Temperatur, und desto bedeutsamer wird im Vergleich dazu die atmosphärische Rückstrahlung, der sogenannte Treibhauseffekt. D.h. je näher an den Polen, desto stärker die Erwärmung.
Was den anthropogenen Klimawandel so gefährlich macht, ist nicht allein die zu erwartende maximale Temperatur, sondern auch die Geschwindigkeit der Veränderung, die sich auf die Lebensgemeinschaften der Ökosysteme auswirkt. Von deren Stabilität hängt alles - auch das menschliche - Leben auf der Erde ab. Eine drastische Abkühlung nach einer starken Erwärmung ist dann keine Erlösung, sondern eine weitere Stresssituation für unsere Ökosysteme.
Dass gerade Europa ein hot spot der Klimakrise ist, bedeutet auch eine Chance für die Welt, denn hier werden wichtige politische Weichen gestellt. Allerdings werden jetzt panisch Ressourcen für Klimaanpassung mobilisiert, statt prioritär die Ursachen zu bekämpfen.
ARD: [Verknüpfung]
EEA: [Verknüpfung]
EEA: [Verknüpfung]
Die Meerestemperaturen haben im Vergleich zu früher ebenfalls schneller zugenommen, das Meer verliert an Fähigkeit, die Erwärmung der Landmassen abzubremsen. Die Häufigkeit und Intensität der El-Niño-Ereignisse, bei denen weniger Wärme von den Ozeanen aufgenommen wird, nimmt seit Jahren zu. Mit steigender Wassertemperatur sinkt auch die Aufnahmefähigkeit (Löslichkeit) für CO2, wobei das Meerwasser ohnehin bereits große Mengen CO2 gelöst hat. Besonders nehmen diese Pufferfunktionen des Meeres da ab, wo durch starke lokale Erwärmung die Meereszirkulation stagniert.
Die Instabilität des westantarktischen Meereises nicht mehr zu leugnen, und nach klimawissenschaftlicher Lehrmeinung hindert nur dieser Eispanzer gigantische Massen von Festlandeis dahinter, abzurutschen und den Meeresspiegel um zig Meter zu erhöhen - ein Prozess, der für Hunderte von Jahren nicht zu stoppen sein wird. Zusammen mit der Wärmeausdehnung des Wasserkörpers erhöhen allein das Grönlandeis und die schmelzenden Festlandgletscher noch in diesem Jahrhundert den Meeresspiegel auf Pegel, die sich auf die vielen Metropolen auf Meereshöhe katastrophal auswirken werden.

Die Klimakrise lässt sich nicht mehr als ein fernes, mögliches Szenario unter vielen anderen abtun. Sie ist da und die Anzeichen, dass mehrere Kipppunkte erreicht sind, lassen uns keine Zeit, noch weiter den Klimaschutz zu verzögern. Große Teile der Welt wie Australien, der mediterrane und pazifische Raum, Kalifornien, die Permafrostgebiete, die Sahelzone u.a. leiden unter so häufigen klimabedingten Katastrophen, dass man jetzt durchaus von einer globalen Klimakatastrophe sprechen kann.
Die Anzeichen der Krise sind auch bei uns deutlich spürbar. In Mitteleuropa herrschte 2020-2022 eine historische Dürre, die über drei Jahre ein enormes Regendefizit aufgebaut hat.
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Das geringere Niederschlags-Defizit von 20% im Herbst 2020 hat an der dramatischen Trockenheit tiefer Bodenschichten nichts geändert.
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2021 war sogar ein Jahr mit etlichen Starkniederschlägen, die jedoch aufgrund der degradierten, tief ausgetrockeneten Böden weit stärker als früher oberflächlich abflossen. 2022 ist wieder Dürre. Der Boden ist bis in tiefe Schichten ausgetrocknet.
Das Bundesamt für Zivilen Bevölkerungsschutz ruft zum Wassersparen auf.
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Seit 20 Jahren kartiert der Forschungssatellit Grace die Gravitation der Erdoberfläche. Das Global Institute for Water Security an der Universität im kanadischen Saskatoon wertet die Messungen im Auftrag von NASA und DLR aus. Die Auswertungen lassen darauf schließen, dass Deutschland einen Wasserverlust von 2,5 Kubikkilometer im Jahr hat - über die 20 Jahre ist das die Menge des Bodensees. Deutschland zählt damit zu den Weltregionen mit der höchsten Wasserverlustrate.
[Verknüpfung]
Im März 2023 kommen neue Zahlen. Das Geoforschungszentrum GFZ Potsdam kommt auf 0,76 Kubikkilometer pro Jahr. Das ist immer noch katastrophal. Anzustreben ist exakt Null.
[Verknüpfung]
In den Niederlanden steigt das klimabedingte Risiko nicht nur durch den steigenden Meeresspiegel. Die Dürre destabilisiert die Deiche.
NZZ: [Verknüpfung]
Gleichzeitig laufen im Sommer die ersten Gletscher-Talsperren über und erhöhen die Wasserspiegel des Rheins, der sonst noch weniger Wasser führen würde. Diese extreme Sommerschmelze wird in absehbarer Zeit zurückgehen - mangels Gletschereis.
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Buchtip: Sven Plöger. Die Alpen und wie sie unser Wetter beeinflussen. Piper 2022
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Immer häufiger kommt es zu Trockengewittern: der Niederschlag verdampft, bevor er den Boden erreicht. Diese führten z.B. in Kalifornien zu den verheerenden Waldbränden der letzten Jahre und wird von Meteorologen auch in Deutschland als potentielle Gefahr gesehen.
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Weihnachten 2021 kommt es zu verheerenden Waldbränden in Colorado, 30.000 Menschen werden evakuiert.
Zeit: [Verknüpfung]
Eine Verhärtung der oberen Bodenschicht durch industrielle Landwirtschaft führt dazu, dass Niederschläge abfließen statt einzusickern. Auch muss in einem augetrockneten Boden zuerst eine Benetzung der Bodenpartikel stattfinden, der durch die Oberflächenspannung des Wassers erschwert ist. Deshalb nimmt ein Boden mit gewisser Restfeuchte Niederschläge wesentlich besser auf. Doch auch die saugfähigsten Böden sind nicht in der Lage, Starkregen schnell genug in die Tiefe zu leiten - dann kommt es zum oberirdischen Abfluss zum nächsten Oberflächengewässer.
Der Wetterdienst verzeichnete 2021 zwar Niederschläge, diese kam aber kaum im Boden an.
Die Landesforsten Rheinland-Pfalz registrierten noch Ende Juni trotz eines Dauer-Tiefs über Deutschland 2021 ein Regendefizit von 270l/m2.
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Die Bodendegradation durch industrielle Landwirtschaft mindert die Wasseraufnahmefähigkeit der Böden noch einmal drastisch.
Annika Joeres und Kolleg:innen zeigen im Recherchenetzwerk correctiv, welche Schäden in Volkswirtschaft und Zivilgesellschaft allein durch die Konflikte um das Wasser verursacht werden. Wir können dabei schon froh sein, dass im letzten Jahrzehnt die Privatisierung der Wasserressourcen europaweit durch massive Bürgerproteste und andere zivilgesellschaftliche Gegenwehr verhindert werden konnte.
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Der Grundwasserspiegel in Deutschland sinkt in dramatischem Tempo. Hydrologen schlagen Alarm. In den letzten 20 Jahren hat Deutschland Grundwassermengen im Umfang des Bodensees verloren.
DLF nova: [Verknüpfung]
ZDF: [Verknüpfung]
Youtube: [Verknüpfung]
Noch dramatischer ist die Situation in Südfrankreich. Selbst im Winter gilt die Dürre-Warnung; es darf kein Wasser für Gartenbewässerung, Pool oder Autowaschen mehr verwendet werden.
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Das deutsche Grundwasser ist ohnehin seit Jahren mit ausgewaschenen Mineraldüngern und Pestiziden, und zunehmend mit Wärmeeintrag durch die globale Erwärmung belastet.
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Dazu kommen Einschwemmungen aus oberflächlichem Regenabfluss bei Starkregen, bei dem auch Aerosol-Ablagerungen, z.B. Schwermetallsalze aus der Braunkohleverfeuerung, in die Gewässer gelangen.
UBA: [Verknüpfung]
UBA: [Verknüpfung]
Fraunhofer-Studie: [Verknüpfung]
Die Einträge von Biomasse aus "Wirtschaftsdünger", d.h. Tierfäkalien (meist Gülle) und überschwemmten Kläranlagen nach Starkregen sorgen mittlerweile regelmäßig für Sauerstoffmangel in Oberflächengewässern. Der Effekt ist natürlich umso gravierender, je weniger Wasser die Gewässer führen, da dieses Wasser Sauerstoff enthält und aufnehmen kann, und die biomassereiche Brühe verdünnt.
NDR: [Verknüpfung]
Geo: [Verknüpfung]
wetteronline: [Verknüpfung]
the weather channel: [Verknüpfung]
Der ORF bringt anlässlich der Aktualisierung der planetary boundaries ein Dossier über die anhaltende Dürre in Europa.
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Nach fünf Dürrejahren zeichnet sich ein neuer Trend ab. Für natürliche Quellen liegt der Grundwasserspiegel an etlichen Stellen in Deutschland schon zu tief. Ein Großteil der Oberflächengewässern speist sich dort deshalb überweigend aus Industrie- und Siedlungsabwässern, die entsprechend mit Mineralsalzen und Schadstoffen belastet sind.
Ein DLF-Dossier aus der Reihe "Wissenschaft im Brennpunkt" stellt nach der Oder-Katastrophe 2022 fest: "Die Oder ist überall."
DLF: [Verknüpfung]
DLF: [Verknüpfung]
ZDF:

Dabei wird das Problem schon lange diskutiert.
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Der dramatische Trend der Wasserverknappung besteht weltweit und ist auch eine Folge der Landnutzung.
DLF:
Stefan Schwarzer ist Hauptautor des Programms UNEP Foresight Brief #25 des World Environment Situation Room WESR, das die Probleme und Lösungen der Wasserversorgung untersucht. Ohne durchgreifende Änderung der Landnutzung, wie sie sich auch aus den Erkenntnissen von IPBES und IPCC ergeben, wird die Menschheit verdursten.
UNEP-Studie: [Schwarzer 2023]
Deutsche Version von Stefan Schwarzer:
WESR: [Verknüpfung]
Im Herbst 2022 organisierte er die Fachtagung "Klima-Landschaften", bei der viele hochrangige Fachleute sich vernetzen konnten. Das Positionspapier der Tagung wurde an den Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) übergeben.
Webseite: [Verknüpfung]
Positionspapier: [Verknüpfung]

Die Sterblichkeit über 65-Jähriger aufgrund von Hitze hat sich in Deutschland in den letzten 20 Jahren um 53,7 Prozent erhöht.
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Zeit: [Verknüpfung]
Damit liegt Deutschland weltweit an der Spitze, was natürlich auch der Altersstruktur geschuldet ist - welche wiederum die Klimapolitik bisher negativ beeinflusst hat.
RND: [Verknüpfung]
Der Gesamtverband der Versicherer mahnt Maßnahmen für Klimaschutz und -Anpassung an.
GDV: [Verknüpfung]
Entwicklung der Hitzetage auf der Deutschlandkarte des GDV: [Verknüpfung]
Seit 2014 fasst der Lancet Countdown jährlich die wichtigsten Erkenntnisse zur Klima-Gesundheit zusammen. Der Bericht 2022, der den Titel "Gesundheit von Gnaden der Fossilbrennstoffe" trägt, gibt die Steigerung der Hitzesterblichkeit von 2004 bis 2021 global mit 68% an. Er visualisiert daneben viele weitere messbare Aspekte der Klimagesundheit, v.a. Nahrungssicherheit, und beleuchtet politische Ursachen wie Subventionen, Ernährungspolitik, nicht eingehaltene Hilfszusagen gegenüber dem globalen Süden und ökozide Unternehmensentscheidungen. Mittlerweile bezeichnet der Lancet Countdown klimawandelbedingte Hitzewellen als bedeutendste Gesundheitsgefahr.
Spiegel: [Verknüpfung]
Filmtip: ZDF Terra X Leschs Kosmos: Wie heiß ist zu heiß?


Leschs Kosmos bei Youtube: [Lesch 2023-1]

Der Deutsche Wetterdienst gibt die Erwärmung von 2020 gegenüber 1881 in Deutschland mit 1,5°C an - weil er durch die komplexe Kurve eine simple Ausgleichsgerade zieht.

In der Klimaforschung ist jedoch die Betrachtung des 30-jährigen Mittels Standard - und dessen Wert liegt nach Stefan Rahmstorf vom PIK Potsdam um ganze 2°C höher als der von 1881.

Der DWD ist allerdings beteiligt am Deutschen Klima-Konsortium, das die korrekt ermittelte Erwärmung in Deutschland von 2°C angibt.
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Der Anstieg des Meeresspiegels verläuft schneller als die Prognosen des IPCC vorhergesagt haben.
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Eine britische Studie rechnet mit 200.000 gefährdeten Immobilien bis 2050.
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Die aktuelle Klima- und Biosphärenforschung prognostiziert für eine weitere Verschleppung drastischer Klimaschutzmaßnahmen für 2070 die Überhitzung des Lebensraums von 1-3 Milliarden Menschen, das ist 100.000 bis 300.000 mal die Zahl der Migranten im Auffanglager Moria - Stand Mai 2020. Der folgende IPCC-Bericht nennt 3,6 Milliarden.
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Zum Ende des Jahrhunderts droht eine Plus-4-Grad-Welt, die nach Schätzungen des meistzitierten Forschers der Welt, Johan Rockström, vier bis acht Milliarden Menschen ernähren kann: "It’s difficult to see how we could accommodate eight billion people or maybe even half of that. There will be a rich minority of people who survive with modern lifestyles, no doubt, but it will be a turbulent, conflict-ridden world."
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Diese Einschätzung teilen die 17 US-Geheimdienste, deren Denkfabrik NIC 2021 schon für 2040 eine dystopische Zukunftsprognose veröffentlicht hat für den Fall, dass nicht sofort Gegenmaßnahmen ergriffen werden.
Von den für 2100 projizierten 10-11 Milliarden Menschen müssen Hunderte Millionen bis etliche Milliarden sterben. Es ist peinlich, so etwas schreiben zu müssen, denn solche Binsenweisheiten versteht jeder Zweitklässler. Die meisten Politiker offenbar nicht.
Frühere Schätzungen gingen auch schon einmal von Hunderten Millionen Klimaflüchtlingen aus.
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Das UN-Büro für Katastrophenvorsorge UNDRR registriert für die letzten 20 Jahre eine Verdopplung klimabedingter Naturkatastrophen gegenüber den Vorjahren.
[Verknüpfung]
Egal, wie hoch die Zahlen letztlich werden: jeder einzelne Klimaflüchtling ist einer zuviel. Wieviel Auseinandersetzung, Kampf, Tod und Elend das bedeutet, scheint sich von den Verantwortlichen niemand auch nur ansatzweise vorstellen zu können oder zu wollen. Eine Fahrlässigkeit noch nie gekannten Ausmaßes.
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Die Entwicklung folgt dem pessimistischsten Szenario des IPCC-Berichts von 2005.

Wir nähern uns den prognostizierten Kipppunkten, die erstmals 2008 definiert wurden; möglicherweise sind auch schon einige erreicht.
2022 wurde der Stand der Forschung aktualisiert, 200 Studien zusammengefasst. Fünf der 16 Kipppunkte sind möglicherweise schon bei 1,5K Erwärmung erreicht.
Studie bei science: [McKay 2022]
Die gleiche Studie bei PubMed: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
DLF: [Verknüpfung]
Ivan Villanueva vom Verein Zukunft für Kinder ZufKi bespricht die Daten mit .
[Verknüpfung]


klimareporter: [Verknüpfung]


Studie bei science: [McKay 2022]

Die arktische Eisschmelze macht die Dynamik des Prozesses besonders deutlich.
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Die IPCC-Prognose von 2013 kam der realen Entwicklung eines fatalen Kipppunkts bei Weitem nicht hinterher: 2019 wurde eine Auftaurate von sibirischem Permafrost beobachtet, die für 2090 [sic!] vorhergesagt wurde. Die Erwärmung über den Polen ist wesentlich höher als im globalen Durchschnitt, da die Temperaturen dort wesentlich stärker durch IR-Abstrahlung geprägt sind als in den anderen Breiten, wo die Solarstrahlung einen relativ stärkeren Einfluss hat. Der Treibhauseffekt beeinflusst nicht die solare Einstrahlung, aber die IR-Abstrahlung, daher die starke Erwärmung an den Polen. Mittlerweile entstehen in der Tundra riesige Methanblasen, die weitere große Treibhausgasmengen freisetzen. Zudem reflektieren dunkle Flächen weniger Sonnenlicht ins All als Eis (verminderte Albedo), was eine weitere Rückkopplung darstellt.
[Verknüpfung]
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SRF-Doku bei Youtube: [Verknüpfung]
Das UBA hatte schon 2006 gewarnt:
[Verknüpfung]
Seit Johannes Weertmans Veröffentlichung 1973 ist die Bedeutung der antarktischen Meereisschilde bekannt: sie hindern das Festlandeis dahinter, ins Meer zu rutschen und den Meeresspiegel dramatisch zu erhöhen.
nature: [Verknüpfung]
John Mercer warnte 1978 vor der Instabilität der Westantarktis in nature: "West Antarctic ice sheet and CO2 greenhouse effect: a threat of disaster". Den Meeresspiegelanstieg durch seine Eismassen allein schätzte Mercer auf 3m, von allen Gletschern zusammen 65m. 2024 geht man von 4-5m durch den westantarktischen Eisschild aus.
nature: [Mercer 1978]


Der Verlust des Westantarktischen Eisschildes wäre wahrscheinlich die erste desaströse Folge der weiteren Nutzung fossiler Brennstoffe. [...] Eines der Warnzeichen, dass ein gefährlicher Erwärmungstrend in der Antarktis im Gange ist, wird das Aufbrechen der Eisschelfe an beiden Küsten der Antarktischen Halbinsel sein, angefangen mit den nördlichsten und sich allmählich nach Süden ausbreitend.
John Mercer

Genau diese Anzeichen, die Mercer vorhergesagt hat, lassen sich seit 1992 beobachten, werden aber erst seit 2014 ernsthaft öffentlich diskutiert. Der PIK-Klimaforscher Stefan Rahmstorf zitierte damals einen US-Journalisten mit "holy shit moment for global warming".
taz: [Rahmstorf 2014-2]
Zeit: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Standard: [Verknüpfung]
FAZ: [Verknüpfung]
NZZ: [Verknüpfung]
2024 sind die Anzeichen, dass der westantarktische Eisschild irreversibel zu schmelzen begonnen hat, nicht mehr zu leugnen. Für Hunderte von Jahren wird das Rutschen nicht zu stoppen sein, so die Lehrmeinung.
Standard: [Verknüpfung]
FR: [Verknüpfung]
MPG: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]

Die Wolkenbildung in oberen Luftschichten ist aufgrund erhöhter Temperaturen nachweislich vermindert - und damit auch die Albedo (Reflektionswirkung) der Erde.
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Auch der Kipppunkt des Kohlenstoffspeichers im Amazonas-Regenwald ist näher als bisher gedacht. Die Entwaldung für hochbelastete landwirtschaftliche Monokulturen und Schlammwüsten zur Viehzucht ist soweit fortgeschritten, dass der Wasserkreislauf im Regenwald sich einer kritischen Schwelle nähert: er droht zur Savanne zu werden.
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[Verknüpfung]
Bisher wurden 30% der CO2-Emissionen von Pflanzen zur zusätzlichen Photosynthese genutzt; doch mit zunehmender Temperatur wird sich dieser Effekt ins Gegenteil verkehren und die Vegetation wird damit von einer Senke zu einer Quelle.
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2019 wurden die Meeresspiegel-Projektionen für 2050 dem neuesten Kenntnisstand angepasst. Die Karten sind absolut beunruhigend.
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Wann die nordatlantische thermohaline Zirkulation, bekannt als "Golfstrom", abbricht, und was das für Folgen hat, kann niemand genau sagen. Dass sie gravierend und negativ sein werden, und dass die Entwicklung immer schneller darauf hinausläuft, ist allerdings sicher.
[Verknüpfung]
Bisher hat das Meer 90% der anthropogenen Erwärmung absorbiert. Diese Fähigkeit geht verloren, wenn sich an der Oberfläche eine Warmwasserschicht ausbildet (ähnlich wie die Stagnation im sommerlichen Süßwassersee). Sie verhindert eine Zirkulation, und damit den Transport von Wärme in tiefe Wasserschichten, weil die Konvektion nur noch innerhalb dieser Oberflächenschicht stattfindet.
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Die zu beobachtenden Auswirkungen sind dramatischer als in Land-Ökosystemen.
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Gerät die Erwärmung komplett außer Kontrolle, fallen sogar Wolken als Reflektoren der Sonnenstrahlung weg: der Taupunkt wird vielerorts nicht mehr unterschritten.
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Der Entomologe Mark Benecke bringt die Fakten im Rekord-Tempo auf den Punkt.


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Als ginge es nicht um unzählige Menschenleben, und als hätten Experten vor dieser Entwicklung nicht längst eindrücklich und vernehmbar gewarnt, lässt man sich trotzdem immer wieder die erwarteten Klimaschäden gegenüber den Kosten für Klimaschutz aufrechnen. Allein nach dieser Kosten-/Nutzen-Rechnung gibt es kein Argument mehr gegen Klimaschutz.
Doch selbst diese Zahlen beeindrucken die meisten Entscheider noch nicht genug. Carbontracker stellt fest: die letzte Hemmung der notwendigen Klimawende ist politisch begründet. Beim Weltökonomischen Forum WEF in Davos sind Klimaschutz-Versagen, Extremwetter und Biodiversitäts-Verlust bei den Langfrist-Risiken in allen Umfragen auf den Plätzen 1-3; Ungleichverteilung gilt seit Jahren zunehmend als Top-Risiko. Die Forderungskatalog Earth for all des Club of Rome 2022 ist sofortige Umverteilung, Frauenrechte, und dann - in der Konsequenz - durchgreifende, schnelle Agrar- und Energiewende.
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Auch die pandemiebedingten Wiederaufbauhilfen werden längst nicht in dem Maße genutzt für ein build back better wie angekündigt; die fossilen Systeme erhielten weit höhere Unterstützung als erneuerbare; die neue Devise des WEF für die erhoffte Zeit nach der sich schon 2021 anbahnenden Energiekrise ist zwar build back broader, doch sind 2022 die Investitionen in fossile Brennstoffe wieder auf Rekordniveau, weil der Ukraine-Krieg astronomische Preise verursacht. Sandra Kirchner beschreibt die nationale und internationale Situation am Ende der Merkel-Regierungszeit in klimareporter.
klimareporter: [Verknüpfung]
Immerhin verschieben sich die Gewichte mittlerweile, wohl auch durch Druck der Finanzwirtschaft und der Industrie, die klare Rahmenbedingungen fordert: es hat sich die Gewissheit durchgesetzt, dass es nicht so weitergehen kann. In Merkel-Deutschland wurde noch komplett auf umstrittene Wasserstoffimporte gesetzt, und die anderen notwendigen Sektoren Erneuerbare und Effizienz vorsätzlich vernachlässigt und aktiv blockiert.
Mit Elga Bartsch holt sich Robert Habeck eine Spezialistin für Klimarisiko-Beurteilung in Finanzanlagen aus der Großfinanz ins Ministerium.

Die bisherigen Forschungen beschäftigten sich vor allem mit der Perspektive bis zum Ende des Jahrhunderts, und gingen von den vermeintlich seriösen, d.h. politisch beeinflussten und damit viel zu optimistischen Temperaturprognosen des IPCC aus. Neue Studien nehmen den worst case genauer in den Blick, z.B. "Climate Endgame: Exploring catastrophic climate change scenarios" in PNAS vom who-is-who der Erdsystemforschung: Luke Kemp, Chi Xu, Joanna Depledge, Kristie Ebi, Goodwin Gibbins, Timothy Kohler, Johan Rockström, Marten Scheffer, Hans Joachim Schellnhuber, Will Steffen, Timothy Lenton.
Studie in PNAS: [Verknüpfung]
Bericht im ZDF: [Verknüpfung]


Die Menschheit führt Krieg gegen die Natur. Das ist selbstmörderisch. Die Natur schlägt immer zurück - und sie tut es bereits mit wachsender Kraft und Wut. [...] Die Wissenschaft ist kristallklar: Um den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad Celsius über vorindustriellem Niveau zu begrenzen, muss die Welt die Produktion fossiler Brennstoffe um ungefähr 6 Prozent pro Jahr zwischen heute und 2030 vermindern. Stattdessen bewegt sich die Welt in die entgegengesetzte Richtung - sie plant einen jährlichen Anstieg um 2 Prozent.
Antonio Guterres
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Die Geheimdienste warnen nicht umsonst vor einer globalen Katastrophe durch Unruhen und Migration schon um das Jahr 2040.

Das hielt die EU, auch und v.a. auf Betreiben der CDU-geführten Bundesregierung, nicht davon ab, auch 2021 die Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit dem faschistischen Präsidenten Jair Bolsonaro fortzusetzen, oder trotz innerer Konflikte weiter am Energiecharta-Vertrag festzuhalten - erst 2022 scheint das Ende von ECT in der EU nahe, weil immer mehr Staaten austreten. Die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik wird blockiert, die Klimawende in Deutschland war am Tiefpunkt.
Die Wahl des US-Präsidenten Biden war ein Wendepunkt, mit vereinten Kräften die Anthropozän-Krise und die Verteilungs-Krise kombiniert anzugehen, denn ein Mehr an Klimagerechtigkeit darf nicht ein Weniger an Verteilungsungerechtigkeit bedeuten. Doch bei all seinen gewaltigen Initiativen wartete Biden auf eine beherzte Antwort aus Europa unter Angela Merkel vergeblich; Olaf Scholz bietet immerhin einen multilateralen "Klima-Club der Willigen" an.
Sven Giegold: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Biden hat gute Gründe. Der National Intelligence Council, das Beratungsgremium aller US-Geheimdienste beim Präsidenten, warnt vor einer Welt voller Konflikte im Jahre 2040, wenn nicht sofort global mit Klimaschutz Ernst gemacht wird. Die Chancen stehen und fallen mit der Aktivierung der demokratischen Zivilgesellschaften für die Transformation, die nach mehrheitlicher Einschätzung von Wirtschafts-Experten Erfolg verspricht. Doch nach wie vor befördern konservative Politiker die Desinformiertheit ihrer Wähler und spalten damit die Gesellschaft - was die US-Geheimdienste als Schreckensszenario darstellen. Erfahrungen gibt es in den USA genug.

Je drängender die Reaktionen auf die Klimakrise anstehen, desto krasser wird die Desinformation.

Es irritiert mehr und mehr, dass überführte Desinformanten gar keinen Vertrauensverlust erleiden, sondern in ihrer Meinungsblase mit immer neuen Lügen Resonanz erzeugen.

Mit der Zuspitzung der Klimakrise zur Katastrophe und der zunehmenden fossilen Reaktion auf Klimaschutz wird die Bekämpfung von Desinformation mehr und mehr zur Schlüsselaufgabe der Zivilgesellschaften, stellte 2022 der Club of Rome fest. Wie sehr das Problem evident ist, sehen wir an der Technologieoffenheitsdebatte um EFuels und H2-ready Gasheizungen.

Die neuesten drastischen Warnungen sind in Europas Zivilgesellschaften immer noch nicht angekommen. Dieselben Leute, die bisher Klimaskepsis und Geschichten von Kostenexplosion verbreitet haben, sind jetzt diejenigen, die vor den Nachteilen der Klimawende warnen, und sogar nicht davor zurückschrecken, Putins Gaspreispolitik mit grüner Inflation zu verbinden. Dieselben Leute, die jahrzehntelang mit ihrer Politik für eine historische Akkumulation von Reichtum gesorgt haben, und die in der wirtschaftlichen Globalisierung gegen jede Form von Energie- und Ernährungssouveränität der Menschen arbeiten, warnten zuletzt vor Härten für Benachteiligte im Klimaschutz. Diese durchschauen oft nicht, wie sie instrumentalisiert werden.
CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, der die Kohle-Bestandsgarantie bis 2035 als Kohleausstieg feiert, als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen noch im Dezember 2020 eine 1000m-Abstandsregel für Windräder durchsetzte und eine geradezu repressive Politik gegen die Klimaschützer im Hambacher Forst an den Tag legte, stellt sich jetzt als Macher im Klimaschutz dar. Genauso widersprüchlich die klimapolitischen Beteuerungen von Bayerns CSU-Ministerpräsident Markus Söder, der gleichzeitig an der 10H-Regel festhält. 2022 zieht Sachsen mit einer 1000m-Regel nach.
In der Ukraine-Krise kündigt der grüne Wirtschaftsminister Habeck an, die Abstandsregeln per Grundgesetz auszuhebeln - 2% der Landesfläche sollen in jedem Bundesland verfügbar gemacht werden.

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Sachsens CDU-Ministerpräsident Kretschmer, der auch wegen seiner Haltung zu Putin kritisiert wird, spricht in der Tagesschau von dem Bundesgesetz als "Bedrohung für Menschen im ländlichen Raum".
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Wirtschaftsminister Altmaier hatte im Mai 2020 versprochen, die Weichen unumkehrbar für Klimaschutz zu stellen.
[Spiegel 2020]
Doch Anspruch und Wirklichkeit klafften mit dieser Ansage nur umso weiter auseinander.
CDU-Kanzlerkandidat Laschet nutzte als NRW-Ministerpräsident mit Koalitionspartner FDP seinen ganzen Einfluss um zu verhindern, dass der Kohleausstieg vorzeitig möglich wird: sein 2021 für NRW geplantes Gesetz beschränkt den Onshore-Windkraft-Ausbau auf nahezu Null. Gleichzeitig löst er mit der Energieagentur NRW eine wichtige Organisation auf, die das Know-How der Energiewende mit großer Expertise entwickelte und verbreitete.
Kanzlerin Merkel, die 1997 noch als Umweltministerin im Kabinett Helmut Kohl mit ihrem Buch "Der Preis des Überlebens" ein deutliches Zeichen für Klimaschutz gesetzt hatte, sprach in ihrem letzten Interview mit der Deutschen Welle noch einmal Klartext. Ernüchtert stellt sie ihr klimapolitisches Versagen fest und erklärte, die Jugend müsse "Druck machen".
Die Handlungsmöglichkeiten der Ampel-Koalition sind schon beschränkt, doch sind nicht alle Koalitionspartner zu einer sozial-ökologischen Transformation motiviert. Die FDP bremst, wo sie kann. Fridays for Future mobilisiert im Herbst 2022 mit der Forderung nach 100 Milliarden Sondervermögen für's Klima. Angesichts des gleich großen Sondervermögens der Bundeswehr, der 60 Milliarden Mehreinnahmen durch Inflation, gigantischer Übergewinne der Unternehmen und der Bedeutung der Zukunftsaufgaben ist die Forderung gerechtfertigt, befinden DIW-Forscher Marcel Fratzscher und der HTW-Energieforscher und Scientist for Future-Aktivist Volker Quaschning.
[Verknüpfung]

Die Studien, die die notwendigen Maßnahmen der Politik konkret beschreiben, wachsen immer schneller zu immer höheren Papierbergen. Mittlerweile kritisiert selbst der Bundesrechnungshof die Pläne der Bundesregierung: für Deutschland ergäben sich daraus unkalkulierbare finanzielle Risiken.
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Das Bundesverfassungsgericht erklärte im April 2021 das Klimagesetz von 2019 für verfassungswidrig: es schränke die Freiheiten der kommenden Generationen zu sehr ein.

Auf die Defizite seiner bisherigen Politik angesprochen, leistet Wirtschaftsminister Altmaier bei Anne Will (ARD) am 22.09.2019 seinen klimapolitischen Offenbarungseid:

"Ja aber wissen Sie, ich hab' die Menschen gefragt, ob sie mitbekommen haben, was der Sachverständigenrat uns empfohlen hat, Herr Edenhofer und sein Potsdamer Institut, das ist in der Öffentlichkeit nicht verankert. Und die Politik hat auch nur begrenzte Möglichkeiten etwas zu kommunizieren, [...] aber ich hab' bisher noch nicht denjenigen gesehen, der uns erklärt hat, wie das am besten geht."

Am 04.08.2020 wird er noch deutlicher:

"Ich gebe allerdings zu, dass wir in den letzten Jahren auch Fehler gemacht und zu spät gehandelt haben."
[Spiegel 2020]
Ein Jahr später, im Wahlkampf 2021, nach Verfassungsgericht-Urteil und einem Minus-Rekordjahr, was den Zubau der Erneuerbaren angeht, räumt er dann n-tv-Interview ein, dass wir uns "Energiewende-Bremsen" in Zukunft "nicht mehr leisten können".
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Die CDU blockiert die Energiewende bis zum Ende der Großen Koalition. Seinen letzten Coup landet Peter Altmaier mit seiner Stromschätzung für 2030 kurz vor der Bundestagswahl im Herbst 2021, auf der die Ausbauziele für Erneuerbare Energien basieren. Nach Ansicht der Fachwelt sind die Schätzungen des von ihm beauftragten Gutachtens viel zu niedrig, und damit natürlich auch die Zubauraten.

Peter Altmaier hatte eine zentrale Rolle in der Klimapolitik der Merkel-Regierungen gespielt. Nach außen hat er sich nie abschätzig über die Energiewende oder gar als Klimaskeptiker gezeigt. Bei der Frage, wie seine letzten Beteuerungen zur Klimapolitik zu verstehen sind, lohnt sich jedoch ein Blick in die Archive. So sei hier an Altmaiers Eine-Billion-Euro-Kampagne erinnert. Auch muss man bedenken, dass Altmaier und seine Mitarbeiter enge Beziehungen zu Anti-Windkraft-Aktivisten pflegten, der Vorsitzende des AfD-nahen Vernunftkraft e.V. Nikolai Ziegler, war persönlicher Referent Altmaiers zuständigen Staatssekretärs Thomas Bareiß. Beide sind bekennende Klimaskeptiker. Bareiß gehört mit Klimaskeptiker Joachim Pfeiffer zum sogenannten Bermuda-Dreieck der Energiewende. Eine Studie der Bundesanstalt für Geo- und Raumwissenschaften BGR, auf die sich zwischen 2009 und 2021 etliche Gutachten gegen Windräder berufen haben, rechnete den schädlichen Infraschall 3000-fach zu hoch. Die Behörde steht auch in vielen anderen Fragen in der Kritik von Umwelt-NGOs, hatte schon 2001 ein Klimaskeptiker-Buch veröffentlicht. Sie untersteht dem Wirtschaftsministerium, z.B. zum Zeitpunkt des Buchs Werner Müller (parteilos), oder zum Zeitpunkt der Infraschall-Fehlerdiskussion Peter Altmaier (CDU). Als Stefan Holzheu den Fehler aufdeckt, wird er über ein Jahr lang drangsaliert, bevor Altmaier sich schließlich entschuldigt.
Ein allzu großes Rad drehte Altmaier aber nicht daraus, mit der Begründung: "Es ist glaube ich auch Sache der interessierten Öffentlichkeit, diese Informationen zu verbreiten und deutlich zu machen." Es nimmt deshalb nicht wunder, dass man immer noch mit dem Infraschall-Scheinargument konfrontiert wird.
Vor all diesen Hintergründen versteht man dann auch Altmaiers süffisante Bemerkung bei Maybrit Illner am 24.01.2020 als triumphierende Selbstoffenbarung: "Wir sind eine Demokratie, wo uns gerade die Grünen gezeigt haben, dass es wichtig ist, mit den Menschen vor Ort zu reden, und sie haben Bürgerinitiativen zu allen möglichen Themen organisiert. Und damit müssen sie jetzt leben, dass sich Menschen bei Themen zu Wort melden, die ihnen vielleicht nicht ganz so genehm sind."
Im Januar 2021 legt eine Studie der Europäische-Energiewende-Community dar, dass die Anti-Windkraft-Bewegung viel größer dargestellt wurde, als sie tatsächlich ist. Die Reaktion der Medien geschah nicht, allerdings kein Wunder bei der Sprengkraft des Themas. Hier besteht dringender Aufklärungsbedarf.
In der Kohleausstiegs-Diskussion wurden die bedrohten Arbeitsplätze rund um die Uhr thematisiert, während die Merkel-Regierungen in der Zukunftsbranche der Erneuerbaren Energien einen vielfachen Abbau von Arbeitsplätzen verursachten.
Dass Umweltpolitik in der CDU auch sonst keine große Lobby hat, wird spätestens bei den klimaskeptischen Äußerungen der umweltpolitischen [sic!] Sprecherin Marie-Luise Dött deutlich.
Altmaier erweist sich mit seinem Klimaskeptiker-Team auf jeden Fall nicht nur als der Gesetze-Macher der Energiekehrtwende, sondern auch als ihr oberster Stimmungs-Macher. Im Juli 2021 wirft er schließlich den Befürwortern von CO2-Abgaben eine spalterische Politik vor - dabei ist seine populistisch-verzerrte Angst-Kampagne der Energiewende-Kosten nichts Anderes als gesellschaftliche Spaltung.

Nach der Abwahl seiner Partei aus der Bundesregierung versucht sich Altmaier auf die ganz joviale Art in Geschichtsklitterung. Den Scientists-for-Future-Aktivisten Özden Terli lädt er per Twitter zum Strategiegespräch bei einer Tasse Kaffee ein: "die #Klimaschmutzlobby soll nicht gewinnen".
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Die neue Erzählung von der CDU als Energiewende- und Klimaschutz-Partei wird dort fleißig reproduziert. Besonders bemerkenswert ist ein DLF-Interview des europapolitischen Sprechers der Union Gunter Krichbaum anlässlich eines EU-Gipfels zur Energiekrise am 20.10.2022:

"Ich hatte 2002 im deutschen Bundestag angefangen und da war der Anteil der erneuerbaren Energien bzw. des erneuerbaren Stroms bei ungefähr vier, fünf Prozent. Mehr war es nicht. Heute sind wir bei über 50%. Und die letzten 16 Jahre haben eben dazu beigetragen, dass gerade hier im Bereich der erneuerbaren Energien konsequent ausgebaut wurde. Das ist nicht etwas, wo ich mit dem Finger schnipsen kann und das geschieht von heute auf morgen, in einer gewissen "Pan-Tau-Mentalität" und einem Zylinder, das wird so natürlich nicht funktionieren, und der Ausbau wird ja konsequent nach vorne getrieben. Das ist die Handschrift der Union gewesen und das waren erfolgreiche 16 Jahre."
[Verknüpfung]

Abgesehen davon, dass Pan Tau eine Melone hatte und keinen Zylinder: ich habe lange nicht mehr so herzhaft lachen müssen, wo die CDU doch jahrzehntelang stoisch die Nicht-Machbarkeitserzählung der Energiewende verbreitet hat. Allerdings finde ich auch, dass es nach 16 Jahren Energiekehrtwende der CDU, gar nicht so viel zu lachen gibt. Die deutsche Verhandlungsposition pro Klimaschutz bei den UN-Klimakonferenzen wäre mit einer konsequenten Energiewendepolitik weit besser.

Mein Lachen ist dann aber Fremdscham und Empörung gewichen, als Jens Spahn bei Markus Lanz im Januar 2023 die CDU als "die wahre Klimaschutz-Partei" bezeichnete.

Der hartnäckige Kritiker des Braunkohleausstiegs Michael Kretschmer (CDU) verdreht bei Maybrit Illner die Tatsachen völlig, als er die energiepolitischen Notmaßnahmen im Ukraine-Krieg als "Verarschung der jungen Generation" bezeichnet. Er kritisiert die Abschaltung der verbliebenen zwei AKW, die zu zusätzlicher Kohleverbrennung geführt habe und den Import von Flüssiggas. Dass der kurzfristig notwendig wurde, weil die Merkel-Regierungen Deutschland in die Abhängigkeit von russischem Gas geführt hatte, verschweigt er.
[Verknüpfung]

In derselben Kategorie kann man die Behauptungen des CDU-Abgeordneten Peter Liese zum Nature Restoration Law, das von der EU-Kommission eingebracht wurde, verorten. Liese bezeichnet das Gesetz als Behinderung des Windkraftausbaus - und das, obwohl CDU-Wirtschaftsminister Altmaier in seinem Ministerium Nikolai Ziegler beschäftigt hat, den Bundesvorsitzenden der Anti-Windkraft-Bewegung Vernunftkraft e.V..

E-Fuels als Rettung des Verbrenner-PKW sind 2023 in den seriösen Medien sprichwörtlich verbrannt. Das gilt durch die Bank, von diesem Ausreißer des BR abgesehen, bei dem offensichtlich parteipolitische Interessen der CSU eine Rolle gespielt haben: der Wirkungsgrad-Nachteil wird mit falschen Zahlen massiv heruntergerechnet, die Vorteile überbetont.
BR: [Verknüpfung]
Die öffentlich-rechtlichen Medien stellen objektiv die Vor- und Nachteile von E-Fuels klar.
SWR: [Verknüpfung]
Der BR lässt zwar auch den Verbrennungs-Motorenforscher Thomas Koch zu Wort kommen, der schon mehrfach durch falsche Gutachten aufgefallen ist und auch nicht das Energiesystem als Ganzes im Blick hat. Aber die vorgebrachten Argumente der Gegenseite werden ausreichend gewürdigt. Das Fazit könnte eindeutiger formuliert sein, denn die Argumente gegen E-Fuels liegen am Ende auf der Hand.
BR auf Youtube: [Verknüpfung]
Selbst bei Benzin-Junkies beliebte Autozeitungen von Auto, Motor und Sport bis Autobild entscheiden sich klar für das Elektroauto.
auto motor sport: [Verknüpfung]
Autobild: [Verknüpfung]
Die Ära der fossilen Desinformation geht sichtbar zu Ende: im Zusammenhang mit Elektromobilität erklärt Auto, Motor und Sport sogar die Energiewende.
auto motor sport: [Verknüpfung]
Doch das hindert den Hamburger CDU-Spitzenpolitiker Dr. Christoph Ploß nicht, am 3. März 2023 im Bundestag eine vermeintliche Genehmigungs-Blockade bei E-Fuels zu beklagen. Bisher bekannt für seinen Antrag eines Genderverbots, behauptet er, in etlichen Nachbarländern könne man bereits E-Fuels tanken. Auf die Nachfrage des sichtbar belustigten Kollegen Gelbhaar (Grüne) verspricht er eine Auflistung, wo das der Fall sei.
Als "Servicetweet" versendet Ploß dann eine Karte, auf der Tankstellen für hydrogenated vegetable fuels HVO ausgewiesen sind - aber keine für E-Fuels. Das ist nicht verwunderlich, denn es gibt weltweit keine einzige E-Fuel-Tankstelle. Als man ihn darauf hinweist, zetert Ploß: "Es ist erschreckend, welche Schmutzkampagnen die Grünen und ihnen nahestehende Lobbyverbände lostreten, wenn ihre ideologischen Glaubenssätze bedroht sind – und dass auch einige Medienvertreter diese völlig unkritisch übernehmen". Wenige Tage später: "Für Soziale Marktwirtschaft, gegen Planwirtschaft! Für den CO2-neutralen Verbrennungsmotor, gegen grüne Ideologie."
Kurz nach dieser Blamage tritt er als Landesvorsitzender zurück.
Spiegel: [Verknüpfung]
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HVO sind in Deutschland nicht zugelassen; das ist ökologisch gesehen gut vertretbar, denn die Hersteller garantieren nicht, dass ausschließlich Speiseölreste verwendet werden, wie es in der Werbung der Hersteller suggeriert wird. Umweltverbände kritisieren die Beimengung von Pflanzenölen aus Monokulturen, für die oft Regenwaldflächen zerstört wurden.
Ploß' peinliche Rede im Bundestag ist ein Zeitdokument. Ebenfalls hörenswert ist die direkte Antwort des SPD-Energiepolitikers Markus Hümpfer.


Youtube: [Verknüpfung]

Es scheint zunächst, als hätte sich in Berlin die Erkenntnis durchgesetzt, dass HVO wohl doch keinen nennenswerten Beitrag zur Energieversorgung im Mobilitätssektor beitragen können.
Aber nur wenige Wochen später setzt die FDP nach einer unsachlich aufgeheizten Debatte um Technologieoffenheit im Gebäudeenergiegesetz durch, dass Gasheizungen weiter auf unbestimmte Zeit erlaubt sein werden, und selbst das weiche Verbot neuer Ölheizungen durch die Große Koalition ab 2026 wieder gekippt wird. Der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr erklärt bei Markus Lanz am 13. Juli, dass man Ölheizungen ja mit HVO und EFuels betreiben könne. Lanz hat dafür nur Spott übrig und bezeichnet diesen Ansatz als Heizen mit "Schnitzelfett" - und fragt sich, wieviele Schnitzel man dafür braten müsse. Dürrs Einwand, dass erneuerbare Treibstoffe in Deutschland noch nicht zugelassen seien, wäre eine Steilvorlage für Lanz gewesen, an Christoph Ploß' Fettnapf gewesen, die er aber verpasste. Er hatte Dürr schon genug durch den Kakao gezogen, zusammen mit Adam Tooze, der die Technologieoffenheits-Strategie als Rechtfertigung für den Status Quo darstellt. BBBBB




Alle Parteien haben eine gesellschaftliche Verantwortung und müssen die Bevölkerung auf die notwendige Transformation einstimmen und nicht – wie einige Parteien – aus politischem Kalkül gegen sie mobil machen.
Niklas Höhne
Spiegel: [Verknüpfung]

Statt die Bevölkerung zu informieren, betrieben Merkel-geführte Regierungen also selbst Desinformation und Greenwashing oder überließen dieses Feld fossilwirtschaftlichen Interessengruppen; genauso tut es die FDP in der Ampel-Koalition. Beispiele: Agrarindustrie, Autoindustrie, Luftfahrt, Verpackungsindustrie, Energieversorger, Industrieverbände, Fondsgesellschaften, Nahrungsmittelkonzerne etc..
Über den Niedergang der Arbeitsplätze in der veralteten Braunkohleverstromung vergoss man in der Merkel-Regierung Krokodilstränen, und zerstörte parallel ein Vielfaches an Arbeitsplätzen in der Zukunftsbranche der Erneuerbaren. Und um die junge Generation genauso ahnungs- oder zumindest ratlos zu halten wie ihre Eltern, sprach sich Bundesbildungsministerin Karliczek gegen ein Unterrichtsfach Klimaschutz aus - im Gegensatz zu Italien, wo die Klimakrise freilich deutlicher zu spüren ist. Das schnell wachsende Nord-Süd-Gefälle in der Klimakrise ist weiterer, gewaltiger Sprengstoff für die EU.
Auch in der Ampel-Regierung, die eine Umkehr im Klimaschutz als Agenda präsentiert, wird das gigantische Greenwashing der Fossilkonzerne nicht kommentiert, geschweige denn politisch bekämpft oder gar juristisch verfolgt, und die false balance der Medien, ob privat oder öffentlich-rechtlich, genauso wenig adressiert.
Über viele gebrochene Klimaschutz-Versprechen und Tricks berichtet die Studie Corporate Climate Responsibility Monitor von NewClimate Institute und Carbon Market Watch.
Tagesschau: [Verknüpfung]
Aber es geht noch besser. Besonders dreist mutet das Greenwashing der Verbrenner-PKW in der Kontroverse um E-Fuels an, zuletzt nur noch betrieben von Porsche und der FDP. In der Opposition spielt die CDU jetzt mit den Ressentiments konservativer Bürger:innen gegen die Energiewende, die sie selbst vorher gesät hatte. Die Gaspreisexplosion in der Corona-Entspannungsphase rechnet Tilman Kuban im Januar 2022 schon der Ampel-Energiepolitik zu, obwohl diese noch gar keine spürbaren Preiseffekte entwickelt haben kann: tatsächlich sind die Preise durch mehrere Faktoren hochgetrieben worden, v.a. durch Putins Lieferpoltik als Druckmittel in der Ukraine-Nordstream-2-Frage.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden als effektives Gegenmittel zu politischer Propaganda öffentlich-rechtliche Medien von seiten der Staaten eingerichtet oder gestärkt, auch um mit investigativen Recherchen Missstände aufzudecken. Konservative Politiker:innen arbeiten seit Jahrzehnten daran, diesen Einfluss auf politische Fragen zu beschränken, und den Umgang mit wissenschaftlichen Erkenntnissen oder ethische Probleme zu simplen Meinungsfragen zu erklären.
Die Desinformation in den zahllosen Talkshows und Interviews geht vom widerspruchslosen Hinnehmen von dreisten Lügen über das Wortabschneiden, wenn brisante Fakten auf den Tisch kommen, bis hin zum Einstreuen fossilpopulistischer Thesen wie z.B. bei Maybrit Illner oder Sandra Maischberger.
Das Weglassen bestimmter missliebiger oder Überbetonen erwünschter Inhalte in den Nachrichten ist mittlerweile eklatant und Anlass für Programmbeschwerden, z.B. auch bei ARD und ZDF, hier sogar in Beiträgen des Umweltexperten Volker Angres.
Es gibt aber immer mehr erfreuliche Wendepunkte. So wie der eher konservative Talkmaster Markus Lanz, der sich seit März 2023 mehrfach FDP-Politiker wie den Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr mit den Widersprüchen ihrer Politik konfrontiert hat.

Damit bereiten Politiker:innen und willfährige, unfähige Medienprofis den Boden für Populismus. Allzu deutlich wird das gerade in der Corona-Krise, wo rechte Bewegungen aus diffusen Vorbehalten und Vorurteilen in der Bevölkerung Verschwörungstheorien entwickeln. Ergebnis ist die Destabilisierung der westlichen Demokratien, die eindeutig der Erhaltung des fossilen Imperiums dient.
Solange das fossile Geschäftsmodell als Basis des Wohlstands in der westlichen Welt galt, blieb der politische Einfluss des fossilen Imperiums weitgehend verborgen. Die Klimakrise und der Preisverfall der Erneuerbaren Energien (dank des EEG) haben in Europa endlich - angestoßen durch eine klimaschutzbewegte Jugend - jedoch zu Ansätzen eines tiefgreifenden Umdenkens geführt. Die Pläne einer Transformation durch eine sozial-ökologische Politik starker Staaten erfährt in Europa immer mehr Zustimmung, denn immer größere Teile der akademischen (auch der ökonomischen) Elite widersprechen der jahrzehntelang vorherrschenden Ideologie, und äußern sich auch immer lauter.
Ein stabiles, demokratisches Euopa ist deshalb mittlerweile zur größten Gefahr für das globale fossile Imperium geworden: von allen Industrieregionen der Welt hat es das größte Potential, sich aus der fatalen Abhängigkeit der fossilen Brennstoffe zu befreien.
Doch jede tiefgreifende Änderung ruft Konservative auf den Plan, die vom Status Quo profitieren oder Angst vor Veränderung haben. Sie halten an der neoliberalen Ideologie fest: der Ablehnung jeglicher staatlichen Intervention. Sie bezeichnen die wissenschaftlichen Zukunftsmodelle als gesellschaftliche Spaltung - doch manche verbreiten teilweise hetzerische Narrative, am heftigsten die fundamentalchristlichen Gruppen von Katholiken in Europa und Evangelikalen in den USA (siehe auch hier).
Die Verursacher der Krise schaffen es, dass die Enttäuschten diese Krise dem Staat anlasten. Sie verwandeln Nöte und Ängste von Massen in Misstrauen gegen den Staat. Tatsächlich leiden viele der Qualitäts-Medien an einer neoliberalen Fehlsichtigkeit. Doch anstatt diese Fehlsichtigkeit zu erkennen und durch eine Gemeinwohl-Brille auszugleichen, fallen viele auf die populistische Hetze gegen vermeintliche "Staatsmedien" herein und lassen sich in die Echokammern von autoritären Leugnern, Hetzern und Verschwörungstheoretikern treiben.
Es gibt zahlreiche Hinweise, dass diese Spaltung betrieben und bezahlt wird von Öl- und anderen Milliardären aus USA, Europa und Russland. Sei es von innen (UKIP und Brexit, Trump und White Supremacy, Orban, PIS, AfD und rechte Querdenker) oder jetzt sogar militärisch von außen (Ukraine). Geradezu tragisch ist es, dass die Verschwörungstheorien gerade unter den Verlierern des fossilen Turbo-Kapitalismus die größte Resonanz finden. Beängstigend, dass es sichtbare Kontakte deutschsprachiger Konservativer zur amerikanischen Rechten, bzw. der SPD und Linken zur russischen Öl-Oligarchie gibt.
Das Ende der Ölzeit führt zu dramatischen Verwerfungen: nach dem Sturm auf das US-Kapitol 2021 ist der russische Überfall auf die Ukraine ein neues, dramatisches Beispiel. Die europäische Ostpolitik hat sich darauf beschränkt, mit einer permanenten Abnahme russischer fossiler Brennstoffe für Stabilisierung der Beziehungen zu sorgen. Die deutsche Energiewende hätte eine eurasische werden können, Russland hätte eine mit europäischen Investitionen eine Transformation vom Erdgas- zum EE-Strom- und P2X-Gas-Lieferanten betreiben können. Doch gemeinsame Anstrengungen zur Dekarbonisierung waren auch von den USA nicht gewollt (die Präsidenten Bush Senior und Junior stammen aus einer Öl-Dynastie, Clinton war Neoliberaler). Mittlerweile warnt selbst ein Politologe wie Herfried Münkler vor einem Ausbremsen der Energiewende durch Russland - was nach Ansicht von Klimaschützern zweifellos seit Jahrzehnten zur Agenda der SPD-Ostpolitik gehörte.
Das fossile Imperium ist global, und die großen Akteure haben die Märkte unter sich aufgeteilt. Deutschland treibt wie kaum ein anderes Land gegen diese Widerstände die Transformation voran - und das, obwohl es historisch zwischen den Stühlen der fossilen Großmächte steht.

Putins Ukraine-Invasion besiegelt auch energiepolitisch eine Zeitenwende. Was heißt das?
Die SPD beendet ihre Ostpolitik, die in der Alimentierung einer reformunfähigen russischen Wirtschaft bestand, die vom Export fossiler Brennstoffe getragen war. Am Ende diente dieser v.a. den Interessen der wenigen Glücksritter, die in den chaotischen Jahren nach dem Zusammenbruch der UdSSR die Eigentumsrechte an den Ölquellen ergattert haben.
Die FDP einigen sich mit den Grünen, der Vorsitzende Christian Lindner spricht über die Erneuerbaren von "Freiheitsenergie".
Die Grünen, die schon viele ihrer Maximalforderungen dem Kompromiss der Machbarkeit geopfert haben, stimmen angesichts des russischen Terrors auch noch der Aufrüstung der Bundeswehr zu.
Und die CDU, für die der Begriff Zeitenwende traditionsgemäß Abwehr provoziert? Tatsächlich ist eine Veränderung innerhalb der CDU zumindest von außen nicht erkennbar. Hier besteht die Zeitenwende darin, dass sie etwas Anderes sagt als ihr inoffizielles Parteiorgan, die FAZ. An meiner konservativen Schule war es Gesetz, dass man seriöse Informationen zuerst in der FAZ suchen müsse. Ihre Darstellungen sah ich seitdem in der Regel deckungsgleich mit denen von CDU oder FDP. Das ist vorbei, seitdem die langfristig denkenden Investoren den sinkenden Öltanker verlassen. Das Festhalten der CDU an den veralteten Vorstellungen ihrer Wählerschaft zeigt immer deutlicher die Anzeichen einer weltfremden, zunehmend quasireligiösen Ideologie. Ich spreche dabei von Fossilökonomismus. Die schrillsten Töne kamen im Kanzler-Wahlkampf 2021 von Armin Laschet, als er der Gegenseite Ideologie vorwarf - ein Musterbeispiel für Projektion.

Die geflissentliche Ignoranz der Zivilgesellschaft legitimiert ein eklatantes politisches Versagen - und ist gleichzeitig wieder eine Folge dieser Politik. An die ständigen Extremwetter-Meldungen aus aller Welt inklusive Deutschland haben sich viele schulterzuckend gewöhnt.
Greta Thunberg findet vor dem Austrian World Summit im Juli 2021 deutliche Worte. Sie greift 7 Minuten lang die Anwesenden, darunter viele Mächtige der Welt, heftig an, erklärt die unaufrichtige Show des Polit-Theaters (build back better) für beendet - doch anstelle von Totenstille erntet sie dafür wieder einmal frenetischen Applaus.


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In der extremen gesellschaftlichen Spaltung in der Klimafrage zeigt sich ein skandalöses Versagen des politischen Systems, des Bildungssystems und der Medien. Fachwissenschaftler, die in der Öffentlichkeit die Sachlage erklären wollen, sehen sich einer erdrückenden Übermacht einer professionellen Desinformations-Industrie gegenüber, aus klassischen wie neuen Medien. Eine jahrzehntelange Relativierung von Tatsachen durch neoliberale Politiker, und ihre verfehlte Medien- und Bildungspolitik ist für diese Situation mit verantwortlich, man spricht vom postfaktischen Zeitalter. Der Volkswirtschaftler und Sozialpsychologe Ortwin Renn spricht zudem vom postethischen Zeitalter, ich würde ergänzen zuweilen mit Tendenzen zum Neofaschismus.
Mittlerweile schaffen es neolibertäre Hetzer wie der fundamentalchristliche Rechtsaußen-Manager Markus Krall mit Titeln wie "die bürgerliche Revolution" in die Spiegel-Bestseller-Liste, und in die bei konservativen Bildungsbürger:innen salonfähigen Blätter Tichys Einblick und Cicero, ja selbst in das liberalkonservative Massenblatt Focus.
Die Firma Degussa [Sonne/Mond] Goldhandel, bei der Krall bis Ende 2022 Sprecher der Geschäftsführung war, gehörte dem in Deutschland bestens vernetzten Milliardär und Steuerflüchtling August von Finck, dessen gleichnamiger Vater Hitler mitfinanziert und sein Vermögen mit Arisierungsgewinnen vergrößert hatte. Den Namen Degussa hat sich die Firma erst 2010 gekauft, er ist historisch belastet mit jüdischem Zahngold und dem KZ-Giftgas Zyklon B.
Ebendieser Biedermann Markus Krall hetzt auf Youtube offen gegen Klimaschützer als teuflische, völkermordende Klimasozialisten, denen er in bester Nazi-Tradition die Menschlichkeit abspricht, ja explizit das Ziel der Vernichtung der Menschheit [sic!] nachsagt. Das erzählt er, während Milliardäre wie Jeff Bezos oder Elon Musk unverhohlen in eine Rettung auf dem Mars investieren, oder sich sichere irdische Refugien kaufen, z.B. der neolibertäre Trumpist Peter Thiel schon Ländereien in Neuseeland gekauft hat.
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Das Narrativ von den menschenfeindlichen Klimaschützern, die gesteuert werden von jüdischen Superreichen, wird aber bereits in der rechtskonservativen Massen-Presse reproduziert, z.B. vom Klimaskeptiker Axel Bojanowski in der Welt.

Milliardäre der zweiten Reihe, die sich ein escape pod zum Mars nicht leisten können, haben schon Luxus-Bunker gebaut; businessinsider zeigt eine Fotogalerie.
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Der Milliardärs-Berater Douglas Rushkoff wurde mit seinem Buch "Survival of the Richest" 2022 zum Whistleblower. Er bezeichnet die Vorstellung, sich aus der Katastrophe absetzen zu können, als "supernaiv".
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Angesichts der Auswüchse des Neolibertarismus in den USA, die bisher zum Beinahe-Umsturz am 6. Januar 2021 geführt haben, und weiter die Demokratie unterhöhlen, und der Ausbreitung des Autoritarismus in Europa, ist mir das Wegschauen der Zivilgesellschaft Brandstiftern wie Krall gegenüber unbegreiflich und erschreckend.



Prägen Sie sich immerhin ein, daß Toleranz zum Verbrechen wird, wenn sie dem Bösen gilt.
Thomas Mann (Der Zauberberg)

Ein ideologisch extrem aufgeladenes Thema war für Jahrzehnte die Frage der Energiesicherheit nach der Energiewende. Hier lässt sich endlich an den Zahlenreihen der Bundesnetzagentur absehen, wie groß die Versorgungslücken durch kalte Dunkelflauten sein werden. Der DWD hat den Regelbedarf in einem europäischen Verbundsystem 2018 beziffert, und Speicherkonzepte für diesen Fall liegen seit etwa 10 Jahren auf dem Tisch. Die Technologien sind ausentwickelt, sie nutzen die vorhandenen großen Erdgasspeicher. Die Frage, warum die Umsetzung so lange blockiert wurde, stellen sich noch zu wenige Bürger:innen. Denn dann würden auch andere wichtige längst überfällige ökologische Fragen endlich bearbeitet.

In keinem Industrieland hat Windkraft einen so schlechten Ruf wie in Deutschland - völlig zu Unrecht: Details hier.
Dasselbe gilt für Elektroautos. Wenn die vielen unberechtigten Befürchtungen und Vorbehalte nicht wären, hätten Elektroautos und Wärmepumpen durch ihren enormen Betriebskostenvorteil mit Eigen-PV weit größere Marktchancen: Details hier und hier. Die Rohstoff- und Recycling-Probleme werden durch (lange verzögerte) Innovationen in der Elektrochemie gelöst, in die endlich die notwendigen Forschungsmittel fließen. Manche Patente wurden sogar von der Fossilindustrie gekauft, damit sie nicht zur Produktentwicklung genutzt werden können.
Die großen Hoffnungen der Verbrenner-Industrie, deren Beschäftigten und vieler Verbrenner-Besitzer liegen auf alternativen Brennstoffen, oder auf zukünftigen Brennstoffzellen-Autos. Diese Hoffnungen haben jedoch überhaupt keine nachhaltige Grundlage - die Frage ist, warum sie derart vehement genährt werden. Details hier und hier.
Immer lauter wird von Neoliberal-Konservativen behauptet, die technischen Alternativen seien sogar gefährlicher als die konventionellen Technologien. Sie verschweigen dabei die gigantischen Umweltbelastungen des bisherigen Wirtschaftens, ignorieren die Möglichkeiten der Lieferkettenkontrolle und des nahezu 100%igen Recyclings der wertvollen Rohstoffe. All dies wird seit Jahrzehnten vergeblich von Umwelt-NGOs mit Forderungen, Gutachten und konkreten Vorschlägen adressiert - diese wurden von deutschen Regierungen jedoch konsequent ignoriert.

Wie uninformiert bzw. desinteressiert die Zivilgesellschaft an diesen Missständen ist, zeigt die groteske Verdrehung: CDU-Kanzler:innen haben in Koalition mit FDP und SPD Kreislaufwirtschaft und Lieferkettenkontrolle blockiert - und nun verdrehen Konservative diesen Mangel zu einem Argument gegen Erneuerbare Energien und Elektroautos.

In Anerkennung der drohenden Klimakatastrophe müssten die Kritiker der Alternativen konsequenterweise eine breite Deindustrialisierung fordern - mit ihrem beharrlichen Festhalten am Status Quo betreiben sie allerdings eine faktische Leugnung der Klimakrise.
So wie Neoliberal-Konservative die ökologische Krise ignorieren, ignorieren sie auch die soziale. So malen sie drastisch die sozialen Folgen einer fossilen Deindustrialisierung an die Wand - und verschweigen die grundlegenden Ursachen der Ungleichverteilung von Gütern und Arbeit. Gemeinwohlorientierung, Entschuldung, Währungsreform, Komplementärwährungen, Grundeinkommen, Enteignungen jeder Art (selbst von Patenten für Viren-Impfstoffe) - alles, was den Neoliberalismus in Frage stellt, ist für sie undenkbar.

2006, ein Jahr nach Altmaiers Amtsantritt, hatte der Stern-Report sogar die Börsen und Regierungen der Welt mit seinem Blick auf die Klimakrise erschüttert, während die Zivilgesellschaft selbst in den USA heftig über Al Gores Doku "Eine unbequeme Wahrheit" diskutierte. Sir Nicholas Stern war Weltbank-Chefökonom, und bezeichnete damals die Entwicklung als "das größte Marktversagen der Geschichte". Er warnte eindringlich vor weiteren Verzögerungen im durchgreifenden Klimaschutz. Andere prominente Ökonomen unterstützten ihn mit deutlichen Worten, u.a. Nobel-Gedächtnispreis-Träger: Robert Solow nannte die umfassende Studie "ruhig, durchdacht und sorgfältig argumentierend", Amartya Sen meinte, die Welt wäre geradezu "dumm", ignorierte sie Sterns Botschaft. Schon 1977 hatte ein anderer späterer Preisträger, William Nordhaus, eine CO2-Steuer gefordert.
2018 war das in der Öffentlichkeit alles vergessen, den jährlichen fruchtlosen UN-Klimakonferenzen zum Trotz. Eine erdrückende Mehrheit der Konservativen und Liberalen hatte so zunächst nur Begriffe wie "Hysterie" und "Religion" für eine Jugend-Protestbewegung übrig, die nichts anderes tat als auf den weitgehenden Konsens in Klima-, Bio-, Agrar- und Energiewissenschaften, sowie Ökonomen wie Stern zu verweisen, dessen Forderungen nach CO2-Steuern mittlerweile von 27 Nobel-Gedächtnispreisträgern für Wirtschaft unterstützt werden. Das WEF warnt seit 2011 eindringlich vor den Gefahren der Klimakrise und wirbt mittlerweile für eine sozial-ökologische Klimawende. Innerhalb weniger Wochen bekundeten 27.000 deutschsprachige Wissenschaftler:innen ihre Unterstützung für die Jugendproteste. Doch zunächst blieb es bei der verächtlichen Position der Politik.
Erst nach einer breiten zivilgesellschaftlichen Resonanz, die sich dann auch in Wahlergebnissen niederschlug, änderte sich der Ton plötzlich. Außerhalb der extremen Rechten betont jetzt die überwiegende Mehrheit der Spitzenpolitiker, allen voran Merkel und Altmaier, den dringenden Handlungsbedarf in der Klimafrage. Sie loben die jugendlichen Aktivist:innen für die Bewegung, die sie in der Zivilgesellschaft ausgelöst haben, und äußern ihre Hoffnung auf eine Legitimation für mehr Klimaschutz, den sie in fatalem Missverständnis der Sachlage verknüpfen wollen mit der vorherrschenden Ideologie ewigen Wachstums.
Dass die Klimakrise nicht nur international von einer Mehrheit als Bedrohung gesehen wird, sondern auch seit geraumer Zeit in Deutschland, zeigen viele Umfragen.
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2019 konnte man an der Welt sehr deutlich sehen, wie der Wind sich auch in der medialen Darstellung dreht. Die konservative Zeitung aus dem Springer-Konzern druckte noch im September, dass die Klimakrise nicht das drängendste Problem der Deutschen sei:
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Damit widersprach sie zunächst dem Mainstream der Presse, die ganz andere Umfrageergebnisse hatte.
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Dann im Dezember kam die Wende:
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Entgegen der Darstellung der wirtschaftsliberal-konservativen Politiker ist mittlerweile eine Mehrheit bereit, selbst Einschränkungen für Klimaschutz hinzunehmen.
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Wie weit Menschen bereit sind, im Notfall mit ihrer Regierung zu gehen, zeigt die effektive neuseeländische Corona-Politik.
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Der Wissens-Ressort-Chefredakteur der Zeit Bernd Ulrich resümiert das Corona-Jahr 2020 nicht ohne Optimismus als vielfache Zeitenwende.
Zeit: [Verknüpfung]
Ich würde es z.T. so zusammenfassen: 'raus aus der Komfortzone, die globale Öl-Party ist vorbei. Gott sei Dank!
Mehrere Gerichtsurteile deuten 2021 darauf hin, dass er recht hat.

Merkels und Altmaiers rückwärtsgewandte Politik war nicht mehr als eine euphemistische Beschwichtigung für die Empörten, und Beruhigung für die Besorgten. Denn:

Die 2021 geplante Reform des EEG konterkarierte komplett Hermann Scheers Idee von Energie-Souveränität, von der Bürger-Energiewende, und zementiert die Macht der Energieversorger-Konzerne. Dabei wäre die globale Energiewende ohne Scheers EEG-Revolution 2000 zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht absehbar. Im April 2020 sind Pläne der Netzbetreiber bekannt geworden, die Bürger-Energiewende weiter auszubremsen - zumindest die Stromspeicherung (als wichtiger Baustein) würde nach diesen Plänen unrentabel, wahrscheinlich auch die ganze Bürger-PV.
Die Strategie: Bürger-Energiewende unterbinden, PV-Großanlagen und teure Offshore-Windkraft fördern, Methan und Wasserstoff importieren - d.h. Energie soll weiter zentral über Netze von den Energieversorgern verteilt werden, selbst wenn wir damit weiter von Energieimporten abhängig bleiben. Forschungsministerin Karliczek: "Wasserstoff ist das Öl von morgen." Bedenkt man die unzähligen, schmerzhaften außenpolitischen Kompromisse, die wir zur Förderung unserer Exportbranchen in Rücksicht auf unsere Energielieferanten gemacht haben und machen, eine düstere Perspektive. Dass im Handelskrieg mit China die europäische PV-Industrie der deutschen Automobilindustrie geopfert wurde, ist ein weiterer Skandal. Details zu den Perspektiven hier und hier. Die Diskussion um die Beziehungen zu Putins Autokratie-Regime könnten wir uns ersparen.
Auch die neue PV-Technologie würde eine Renaissance der europäischen PV-Industrie einläuten. Aber es sind (bis Juni 2021) keine Anstrengungen der Politik zu erkennen, das zu unterstützen.
Zudem ist die Behinderung der PV-Eigenversorgung auch wieder im Sinne der Automobilindustrie, denn die Betriebskosten eines Elektroautos betragen mit Eigen-PV nur noch einen Bruchteil der (ohnehin geringen) Kosten mit Netzstrom. Während also die nachhaltige Energiesouveränität der Bürger immer weiter blockiert wird, liest man in den "sozialen Medien" und Blogs immer wieder populistische Kommentare von "drohender Abzocke durch die Öko-Lobby". Tatsächlich bedroht die Bürger-Energiewende von unten die wirtschaftliche Machtposition der Atom- und Fossilwirtschaft, und diese sichert nun ihre Position durch Kontrolle der erneuerbaren Energien - unterstützt von Populisten. Denen von konservativen Politikern nur wenig entgegengesetzt wird, stützen sie doch die Interessen ihrer Klientel.
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Die Energiewende ist - wie von den EEG-Machern wie Hermann Scheer vorhergesagt - profitabel geworden, auch weil die Erneuerbaren nach einer notwendigen Phase der Subventionierung die billigste Energieform geworden sind. Das neoliberale Ausbeutungssystem stößt an die Grenzen des Planeten, und die lange überfällige globale Finanzkrise steht durch die massiven Zahlungsausfälle in der Corona-Krise unmittelbar bevor. Deshalb treibt die globale Finanz- und Versicherungswirtschaft ihrerseits eine Klimawende des Profits mit Billionen von Dollar und Euro voran, was wieder die Abwertung fossiler Assets bedeutet. Das wird jedoch nicht immer im Sinne der Bürger:innen sein, und irgendwann werden die konservativen Regierungen zu Getriebenen der lange angesagten Disruption. Die abgehängten Volkswirtschaften, die dann noch von fossilen Brennstoffen abhängig sind, müssen mit Rezession und Strafzahlungen für Klimaschäden rechnen.

Klimaskepsis ist mit der öffentlichen Anerkenntnis der Klimakrise nicht länger akzeptabel. Man sollte also meinen, dass die Glaubwürdigkeit von bisherigen Klimaskeptikern auf den Nullpunkt gesunken ist. Dass, wenn dieselben Leute jetzt mit neuen, genauso dreisten Behauptungen gegen Klimaschutz auftreten, die Gesellschaft sich abwendet. Stattdessen aber finden sie weiter massenhafte, unüberhörbare Resonanz, und die seriösen Klimaschützer müssen sich erneut geduldig und ernsthaft mit ihren Behauptungen auseinandersetzen - anstatt endlich an Lösungen weiterarbeiten zu können.
In seinem Buch The new Climate War erklärt Klimaforscher Michael Mann die neuen Strategien der Klimaschutz-Gegner. Die mangelnde Reflexion der Öffentlichkeit über ihren fatalen Irrtum in der Klimafrage offenbart die massive sozialpsychologische Überforderung unserer Gesellschaft.

Deutschland entkoppelt sich zunehmend von internationalen Trends. Selbst die USA haben der Klimakrise den Kampf angesagt. Wenn dort große Investoren die Carbon Bubble platzen lassen - und das ist absehbar - dann werden sie natürlich anderen Investoren ein weiteres Profitieren an der Fossilwirtschaft erschweren.
In den USA ist die Disruption der Energie und Mobilität in vollem Gange, sie versuchen die Welle zu reiten. Deutschland dagegen droht ein Durchfüttern nicht überlebensfähiger Branchen bis ins Koma, ähnlich wie im Bergbau des ausgehenden 20. Jahrhunderts; dabei sind Japans Zombie-Firmen weltweit als abschreckende Beispiele bekannt. Wir könnten von der Disruptions-Welle überrollt werden.
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Schaut man sich 2021 die Bilder und Rednerliste des Cleantech Business Club an, dann findet man neben gewichtigen Industrie- und Staatenvertretern viele bekannte Gesichter der deutschen Energiewende-Szene - aber kein einziges Mitglied der Merkel-Regierung.
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Der Mit-Initiator von Climate Action Tracker Jörg Haas (Heinrich-Böll-Stiftung) sieht langsam Bewegung in einer längst überfälligen Entwicklung: das Platzen der Carbon Bubble steht bevor, der lang erwartete Herdentrieb der Finanzmärkte heraus aus der Fossilwirtschaft setzt endlich ein. Wie jede künstlich herausgezögerte Disruption, so wird auch sie exponentiell verlaufen. Der damalige Weltbank-Chefökonom Sir Nicholas Stern sprach bereits 2006 vom "größten Marktversagen der Geschichte".
Wie sehr dieser Prozess verzögert wurde, und mit welchen Methoden, auch darum geht es in dieser Arbeit. Eines der deutlichsten Anzeichen sieht Haas darin, dass die Fossilindustrie mehr und mehr auf Marktverzerrungen durch Staatshilfen angewiesen ist.


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Du kannst die Wellen nicht anhalten, aber Du kannst lernen, auf ihnen zu reiten.
Joseph Goldstein

Auch wenn die ARD immer noch kein Klima vor Acht sendet: am Earth Day 2021 war die Klima-Disruption an der Börse Thema bei Börse vor Acht. Anders als viele andere Sendungen der Reihe ist diese Folge bei youtube leider nicht zu finden. Zitat Anja Kohl:

"Am heutigen Tag der Erde vollziehen die USA eine weltwichtige Kehrtwende beim Klimaschutz. US-Präsident Trump leugnete den Klimawandel, US-Präsident Biden will die USA sogar zum Vorreiter beim Klimaschutz machen. Auf einem Online-Klimagipfel verkündete er heute Amerikas Ziel, die CO2-Emissionen bis 2030 um 55% zu senken. Biden verwies nicht nur auf die ökologischen Schäden des Klimawandels, sondern explizit auf die immer höher werdenden Kosten des Nichtstuns für Gesellschaft und Wirtschaft. Die Kalkulation geht noch weiter. „Wenn ich an Klimawandel denke, denke ich an Jobs“, hatte Biden im Wahlkampf gesagt. Der Umbau des Energiesektors und die Elektrifizierung des Verkehrs sollen Millionen neue Jobs schaffen. Anders als noch vor ein paar Jahren wird die Notwendigkeit des Klimaschutzes nicht mehr ideologisch verzerrt diskutiert, sondern pragmatisch, als notwendiger Wandel für das Wohlergehen der Menschen. Der weltgrößte Rückversicher Swiss Re rechnete heute schonungslos vor, was ein weiteres Nichtstun die Welt kosten würde. Der Rückversicherer sieht im Klimawandel langfristig die größte Bedrohung für die Weltwirtschaft. Ohne Maßnahmen zur Verringerung des Treibhausgasausstoßes drohe Asien und China bis zum Jahr 2050 schlimmstenfalls ein Konjunktureinbruch von 24%. Europa würde bis zu 11% an Wirtschaftsleistung verlieren, die USA 10%, wegen der negativen Folgen durch die Erderwärmung. Bis zu 80 Millionen Jobs auf der Welt drohen dadurch bereits bis 2030 verloren zu gehen. Selbst wenn die Ziele des Pariser Klimaabkommens erreicht würden, was aktuell illusorisch erscheint, würde das Weltwirtschaftswachstum 4% niedriger ausfallen als jetzt. Demnach ist es tatsächlich fünf nach 12. Denn schon jetzt können Wohlstandsverluste offensichtlich nicht mehr verhindert, sondern lediglich eingedämmt werden. Und dies auch nur, falls die Nationen tatsächlich tatkräftig handeln. Die Frage des Klimaschutzes ist auch bei den Akteuren an den Finanzmärkten längst keine Frage der Weltanschauung mehr, sondern der Wettbewerbsfähigkeit. Die Politik und deren Regulierungsanstrengungen im Kampf gegen den Klimawandel haben hier tatsächlich für ein Umdenken gesorgt. Angefangen mit immer ehrgeizigeren CO2-Zielen und der Begrenzung des CO2-Ausstoßes, die wie ein Deckel wirken - was den Druck zur Veränderung bei den Firmen deutlich erhöht, bis hin zu einem Preis für schädliches CO2, der Investitionen in den Klimakiller unattraktiver macht. Wobei die Firmen klagen über zuviel Druck, zuviel Bürokratie. Vieles läuft längst nicht rund. Doch den Schalter hat es umgelegt. Auf 26 Billionen Dollar beziffert die Denkfabrik Carbon Tracker sogenannte „gestrandete Vermögenswerte“ von Unternehmen, die am Geschäft mit fossilen Rohstoffen hängen, die in naher Zukunft wertlos werden könnten. Das Umdenken, was uns unsere Erde wert ist, geht weiter. Wären die Weltmeere ein Staat, wären sie die achtgrößte Volkswirtschaft der Welt, mt Vermögenswerten von mindestens 24 Billionen $. [Einblendung: Weltmeere 24 Billionen $, Quelle: Carbon Tracker, WWF]. Allein weil annähernd drei Milliarden Menschen direkt von den Meeren abhängig sind, rechnen neben den Umweltschützern des WWF die Fondsmanager der DWS vor. Als Ökosystem sind die Weltmeere unbezahlbar. Letztlich ist die Logik bestechend einfach. Firmen müssen ihre Geschäftsmodelle gemäß den Klimaschutzzielen anpassen, da Investoren nun eher aussichtsreichen Vorreiter-Firmen den Vorzug geben, ihnen eher Kapital zur Verfügung stellen. Klimasündern mit Geschäftsmodellen von gestern entziehen sie ihr Kapital. Dies zeigt sich auch darin, dass nachhaltige Geldanlagen immer mehr Zuspruch erhalten. Allein in Deutschland investierten Geldgeber im ersten Halbjahr vergangenen Jahres in Nachhaltigkeitsfonds, sogenannter ESG-Fonds, 7,2 Milliarden Euro, ein Zuwachs um 160%. Weltweit sind mittlerweile 1000 Milliarden Dollar in nachhaltigen Anlagen angelegt [Einblendung: morningstar]. Deutlich weniger als in herkömmlichen Fonds - dennoch eine Summe, die nicht mehr zu ignorieren ist. Umso mehr, da der Mittelzufluss nicht abreisst, denn Nachhaltigkeit rechnet sich. Die Fonds brachten zuletzt im Schnitt sehr gut Rendite. Die EU verpflichtet Finanzberater neuerdings dazu, nachhaltige Alternativen den Kunden aufzuzeigen, wobei die bisherige Regulierung widersprüchlich, bürokratisch und bislang unvollständig ist. Die Fonds wiederum müssen den Klimaeffekt nachvollziehbar und überprüfbar machen. Bis der Wandel wirkt aber ist es noch ein langer Weg. Zwar hat sich die Mehrheit der 30 DAX-Firmen klare Klimaziele gesetzt, doch sieben Konzerne sind bislang auf Kurs. Allen voran die Allianz, SAP und die Telekom. 23 DAX-Konzerne verfehlen die Branchenziele, falls sie keine weiteren Maßnahmen ergreifen. Hierzu zählen der Zement-Hersteller Heidelberg Zement und der Energiekonzern RWE, der nun auf erneuerbare Energien setzt, was jedoch noch nicht richtig Gewinn einbringt. RWE jedoch könnte nun womöglich von den Klimaschutz- und Umbauplänen der US-Regierung profitieren. Die RWE-Aktie war heute der größte Gewinner im DAX mit einem Plus von 4%. Der DAX legte ebenfalls gut zu mit einem Plus von 0,8% auf 15321 Punkte. Den Wandel gibt es nicht zum Nulltarif - er wird kosten, Unternehmer und Verbraucher. Aber Geld hat die Macht, Dinge zu verändern."
[Kohl 2021]

Leider ist mit der Agrarwende kein Profit zu machen - und deshalb konnte Julia Klöckner EU-weit ihre Klientelpolitik für die Agrarindustrie für weitere 5 Jahre im GAP zementieren, allen Experten-Warnungen zum Trotz.

In aller Kürze auf den Punkt gebracht: im Youtube-Kanal Klartext Klima greifen Klimaforscher Stefan Rahmstorf, Energiewissenschaftler Volker Quaschning und ZDF-Meteorologe Özden Terli die aktuellen Top-Themen der Klimapolitik auf, in Folge 5 mit Fridays-for-Future-Aktivistin Carla Reemtsma.
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... und tut nicht so, als gäb's kein Morgen!

Zusammenfassung



  1. Die vielen Krisen der Biosphäre, v.a. durch Klimaerwärmung, Überdüngung und Humusabbau, Schadstoffimmission und Landnutzung, schreiten immer schneller in Richtung Katastrophe, so wie es die Wissenschaft seit vielen Jahrzehnten vorhersagt. Doch selbst heute noch dürfen Klima- und andere Ökologieskeptiker dreiste Beschönigung und Desinformation und Meinungsmanipulation betreiben, ohne dass Politik, Bildungseinrichtungen und Medien dem ernsthaft entgegetreten würden. Ja, die Politik beteiligt sich sogar aktiv daran.
    Die verwendeten Prognose-Modelle sind mittlerweile in der Lage, die Entwicklungen vieler Jahrzehnte zu rekonstruieren, werden aber von Hardlinern immer noch angezweifelt. Seit die Klimakrise gegenüber der Allgemeinheit nicht mehr glaubwürdig zu leugnen ist, schürt die Desinformations-Industrie regelrecht panische Ängste vor Klimaschutz, richtet sich gegen die wissenschaftlich bestens begründeten Alternativen zur Fossilwirtschaft, und präsentiert wenig bis unwirksame Scheinlösungen des Problems.
    Dass es immer wieder dieselben rechtskonservativ-neolibertären Politiker sind, denen Verbindungen zur Fossilwirtschaft nachgewiesen werden, ist ein Skandal - wird in der Öffentlichkeit aber kaum thematisiert
    Dass es immer wieder dieselben rechtskonservativ-neolibertären Kreise sind, deren Lügen eine nach der anderen von der Wirklichkeit widerlegt werden, ist ein Skandal - wird in der Öffentlichkeit aber kaum thematisiert. Sie können so oft Lügen und Unsinn verbreiten, wie sie wollen: sie finden jedesmal erneut Gehör.
    Erst in letzter Zeit beginnen einzelne Justiz-Verfahren wegen Irreführung der Öffentlichkeit - oft nicht einmal um Generationengerechtigkeit zu schaffen, sondern aus handfestem wirtschaftlichem Interesse. Aber auch Aktivist:innen beginnen, das ökozide System per Klagen ins Wanken zu bringen. Mehr und mehr Gesetze stellen Ökozid unter Strafe.
  2. Der allergrößte Teil der Menschheit lebt in einer prekären Abhängigkeit von Wasser, Nahrung, Wohnraum, Energie, ja viele sogar von Drogen, bedingt durch traditionelle patriarchale Aneignung.
  3. Die Profiteure steuern die Politik so, dass ihre monopolistischen Geschäftsmodelle nicht gefährdet werden. Diese basieren auf den exklusiven (privaten) Eigentumsrechten auf Ressourcen, Produktionsmittel, Patente und Informationen, die Profite am Konsum ermöglichen. Das Interesse des neoliberalen Staates ist nicht in erster Linie eine gemeinwohlverträgliche und faire Versorgung der Bürger:innen, sondern ein für die mächtigsten Interessen möglichst profitable Aktivität von Produktivkräften und Konsument:innen.
    Deshalb wurden bisher auch wirksame Lieferkettengesetze und Kreislaufwirtschaftsgesetze verhindert, weil sonst die Verhinderungsargumente für EMobilität, Erneuerbare Energien etc. wegfallen würden: Umweltzerstörung und Menschenrechtsverstöße bei der Rohstoffgewinnung.
    Ein Beispiel für Projektion (Whataboutism) sonder Gleichen: der fossile Wohlstand vernichtet die natürlichen Ressourcen immer schneller, dennoch versuchen die Transformationsgegner zu erzählen, die Alternativen seien schlimmer als das ökozide Original. Es ist auch im Interesse der Verbrenner-Industrie, dass die Bundesregierung die Dekarbonisierung des Stromsektors blockiert. So kann man dem EAuto immer noch hohe CO2-Emissionen anlasten.
    2021, wo das erzwungene Ende der Ölverbrennung endlich doch im Rahmen des Möglichen erscheint, verkünden die Ölfirmen ihren Investoren unverblümt ihr neues Geschäftsmodell: mehr Verpackungen - was natürlich nur funktioniert, wenn weiterhin nicht recycelt, also der Müll verbrannt wird. Hauptsache, das Öl fließt weiter, wie seit weit über einem Jahrhundert.
    Die Ungleichverteilung hat Ausmaße angenommen, dass nicht nur die Unter- und links orientierte Mittelschicht, sondern auch eine wachsende Bewegung von Reichen eine Umverteilung fordert.
  4. Korrupte Politiker erlaubten es den großen Firmen der Fossil- und jetzt auch der Datenindustrie, ihre gemeinwohl- und demokratiegefährdenden Monopole aufzubauen, und bezeichnen das euphemistisch als "Wirtschaftsnähe". Die Gegenleistungen der Industrie gehen von Parteispenden über lukrative Anschlussbeschäftigung bis hin zur direkten Zahlung von Bestechungsgeldern und "Nebeneinkünften".
  5. "Soziale" Netzwerke werden als vermeintlicher Motor des Fortschritts mit niedrigen Steuersätzen und liberaler Gesetzgebung unterstützt, helfen aber durch teils lukrative, teils gezielte Verbreitung von Desinformation und nachweislichen Lügen rechtskonservativen Populisten, die liberalen Demokratien zu unterhöhlen. Diese leugnen schlicht die unbequeme Wahrheit, dass die fossilen Industriegesellschaften ihren eigenen Untergang immer schneller befördern, und stoßen damit in den rechtskonservativen Echokammern auf große Resonanz. Sie machen aus Meinungen und Gerüchten Behauptungen und für die meisten nur mühsam überprüfbare Verschwörungserzählungen, die die Gesellschaft spalten - und greifen gegenüber Klimaschützern gerne selbst zu diesem Vorwurf. Sie adressieren als Wähler vor allem die Benachteiligten und Verängstigten der Leistungsgesellschaft, während ihre Sponsoren, Ideengeber und Anführer praktisch ausnahmslos aus der wirtschaftsliberal-konservativen Elite stammen. Es gilt der Wahlspruch der frühen SPD: "nur die allerdümmsten Kälber wählen den Metzger selber".
    Aber auch Politiker der etablierten Parteien, die von Populisten gerne als "Establishment" bezeichnet werden, instrumentalisieren den Populismus und kooperieren mehr oder weniger offen mit Populisten. Politiker:innen der CDU/ CSU und ÖVP sind mit Trump-nahen Alt-Right-Politikern in den USA eng vernetzt.
  6. Artenschutz wird bei uns in oftmals kleinen Reservaten betrieben, die mangels Biotop-Vernetzung das Artensterben nicht aufhalten können. Sie sind kleine Inseln in einem riesigen Meer aus ökologisch mehr oder weniger toten Landwirtschafts-, Verkehrs- und Siedlungsflächen, aus denen Pestizide und andere ökotoxische Stoffe eingetragen werden, und die ihnen das Grundwasser entziehen. So werden auch die vermeintlichen Schutzgebiete zunehmend artenarm und unstabil, es bilden sich zeitweise riesige Populationen von Generalisten und damit Brutstätten von Zoonosen. Die nächste Pandemie könnte aber auch durch multiresistente Bakterien ausgelöst werden, weil Politiker die Interessen der Agrarindustrie weit höher bewerten als die medizinische Versorgungssicherheit: entgegen massiver Warnungen werden weiter Reserve-Antibiotika in der Tiermast massenhaft eingesetzt, was die Resistenzentwicklung bei Bakterien vorantreibt.
    Seit Jahrzehnten wird die industrielle Landwirtschaft hoch subventioniert, obwohl von Anfang an vom Bauernsterben die Rede war und die Wissenschaft seit den 60er Jahren vor dem Kollaps der Agrar-Ökosysteme warnte, unter anderem vor der Degradation des Bodens, die mit dem Klimaproblem in fataler wechselseitiger Beziehung steht: der Humusabbau verstärkt den Treibhauseffekt und verschlechtert die Wasseraufnahmefähigkeit des Bodens, und die Erwärmung lässt die Niederschlagsmengen immer konzentrierter in Unwettern auftreten, wodurch noch weniger Regen bis zum Grundwasser versickert.
    Viele Studien zeigen, dass nur eine ökologische Landwirtschaft mit eingeschränkter Fleischproduktion nachhaltig die Ernährung sicherstellen und auch 10 Milliarden Menschen ernähren kann. Durch Desinformation sind immer noch viele vom Gegenteil überzeugt.
  7. Die Müllkippen und Rauchwolken der 70er sind verschwunden; doch Biosphärenschutz hierzulande erschöpft sich in Emissions-Grenzwerten, die durch jahrzehntelange Immissionen zu einer kritischen Anreicherung von Dünger und unzähligen stabilen Problemstoffen geführt haben. Über die wahre Situation herrscht in weiten Teilen Desinformation.
  8. Die Umweltbewegung hatte ihren Höhepunkt in den 80er Jahren. Durch mangelnde Lieferketten-Kontrolle, vom Rohstoff bis zur Müllbeseitigung, und durch Desinformation wurde mit der Globalisierung eine Verlagerung der Ressourcen- und Menschen-Ausbeutung ins Ausland und ein Steuer- und Auflagen-Unterbietungs-Wettbewerb für Konzerne möglich, der die Handlungsfähigkeit der Staaten immer weiter einschränkt.
  9. So wurde in den Industrieländern ein Konsumniveau erreicht, das zwar keine wirklich bedeutende Steigerung von Wohlstand oder Glück bewirkt, allerdings das Überleben der Menschheit in Frage stellt. Dennoch wird durch Desinformation Angst vor Beschränkungen geschürt, und vor politischen Verwerfungen wegen dieser Beschränkungen.
  10. Erneuerbare Energien (EE) boomen weltweit und könnten den Bürgern eine günstige, CO2-freie Energieversorgung ermöglichen. In den ärmsten Entwicklungsländern basiert die Energieversorgung immer häufiger auf PV und Akkus. Entgegen einhelligen Empfehlungen und Forderungen der Wissenschaft hat deutsche Politik der letzten 10 Jahre dazu geführt, dass der Zubau der EE 2019 nahezu stillstand - mit Ausnahme von Offshore-Windparks, die ausnahmslos von großen Energieversorgern betrieben werden. Und mit Ausnahme der PV, die gerade vor dem Verschließen des PV-Deckels noch einen letzten Boom erlebte.
    Dass dabei Offshore-Windkraft nahezu doppelt so teuer sein darf wie ihre ungeliebte Schwester Onshore, ist ein wirklich bemerkenswertes Detail. Insgesamt führt die mangelnde Planungssicherheit zu einer Zurückhaltung bei Investitionen in nachhaltige Zukunftstechnologien und damit in eine zukunftsfähige Gesellschaft.
    Diese Politik wird von denselben Lobbygruppen bestimmt, die in großen Desinformations-Kampagnen den EE die hohen Strompreise zuschreiben.
  11. Gegen Elektroautos wurden in Deutschland jahrelang sehr erfolgreich Desinformations-Kampagnen betrieben - obwohl die Autos sehr zuverlässig funktionieren und die Betriebskosten mit Eigen-PV nur einen kleinen Bruchteil der von Verbrennern betragen. Auch das könnte ein Grund sein, warum man bei uns Eigen-PV ausgebremst hat.
  12. Brennstoffzellen-Autos und sogar ein Weiterbetrieb der Verbrenner mit alternativen P2L-Treibstoffen werden in Desinformations-Kampagnen als Lösung für Individualmobilität dargestellt. Dabei liegen die benötigten Mengen an EE im Vergleich zu Akku-Elektroautos um ein Vielfaches höher (Brennstoffzelle: 2-3fach, P2L 6-7fach). Stattdessen benötigt man P2L dringend für die saisonale Speicherung der EE in der Sektorenkopplung.
  13. Die Weichenstellungen gegen Onshore-Windräder werden von Wirtschaftsminister Altmaier gerechtfertigt durch die nationale Wasserstoff-Strategie, die eine Fortsetzung der deutschen Abhängigkeit von Energie-Importen bedeutet, und eine Fortsetzung der zentralen Versorgung durch Energiekonzerne zementiert. Begleitet wird diese Politik von Desinformation durch Windkraft-Gegner, zu denen Altmaier und seine Mitarbeiter enge Kontakte pflegen.
  14. Die Verantwortung wird in der Demokratie hin- und hergeschoben: zuständige Minister:innen wie Altmaier oder Klöckner beklagen mangelnde Unterstützung durch die Bevölkerung für Umweltgesetze, im Gegenzug weisen Konsumenten auf die Verantwortung der Obrigkeit, die sie selbst gewählt haben.
  15. Anstatt die wahren politischen Ursachen prekärer Lebensumstände wirksam zu adressieren, versprechen Fossilökonomisten dem Bürger Wohlstandssicherung durch billigen Strom, billige Mobilität und billige Nahrung. Dank Desinformation können sie behaupten, das sei nur durch Ausbremsen der Energiewende, industrielle Landwirtschaft und Festhalten am Verbrenner möglich. Dass der dadurch drohende Wohlstandsverlust der kommenden Generationen dramatisch sein wird, unterschlagen, verharmlosen oder leugnen sie einfach.
  16. Anstatt alle Bürger:innen und Unternehmen, die Einkünfte aus unserer Volkswirtschaft beziehen, an den öffentlichen Haushalten zu beteiligen, wird in hohem Maße Konsum und Lohnarbeit mit Steuern und Abgaben belastet. Großunternehmen betreiben vielfach Steuervermeidung oder -Betrug, der längst nicht immer verfolgt wird. So ist der Staat in hohem Maße abhängig von Mineralöl-, Strom-, Alkohol- und Tabaksteuer. Wenn Politiker ihr Klientel nicht mit höheren Steuern belasten wollen, müssen sie für entsprechend hohen Konsum sorgen.
    Die Abhängigkeit rheinischer Kommunen geht noch weiter: sie sind am Energieversorger RWE beteiligt, also direkt abhängig von dessen Einnahmen.
  17. Während Finanzminister Scholz den kommenden Generationen geringe Staatsschulden verspricht, sorgt deutsche Politik für eine immense, galoppierende Vernichtung von lebensnotwendigen Ressourcen: das ist Desinformation. In Wirklichkeit leben wir heute auf Kosten unserer Nachkommen.
  18. Die Profit-Interessen internationaler Konzerne werden zusätzlich durch Freihandelsabkommen, eine Energie-Charta und Schiedsgerichte vor der Regulation durch nationale Gesetze geschützt.
  19. Bei der Ausgestaltung dieser Freihandelsabkommen ordnet Deutschland Umwelt- und Menschenrechts-Interessen regelmäßig den wirtschaftlichen Interessen ihren Exportindustrien - v.a. Auto- und Chemieindustrie - unter: Opferung der europäischen PV-Branche, Import von US-Fracking-Gas, Import von Gensoja und Feedstock-Rindfleisch aus Ex-Regenwald-Flächen, Verzicht auf Umwelt- und Menschenrechts-Standards für die profitable Kooperation mit chinesischen Autozulieferern, weitgehender Verzicht auf die Besteuerung von US-Internetkonzernen, Verzicht auf Regulation von Daten-Monopolen, Verzicht auf ein Lieferkettengesetz, ... . Heimische Unternehmen, die weniger dem internationalen Wettbewerb unterliegen, werden ebenfalls marktverzerrend begünstigt, zum Beispiel bei der Ausgestaltung von Auflagen, die für Kleinunternehmen kaum zu bewältigen sind, oder Entschädigungen zum Kohleausstieg.
    Auch die nationale Wasserstoff-Strategie mit hohen Importen dient dem Außenhandel, denn eine Senkung der Außenhandelsüberschüsse mindert das Risiko einer Währungs-Aufwertung, was Exporte erschwert. Diese einseitige Begünstigung gilt nur für die Unternehmen des fossilen Systems, vornehmlich der Deutschland AG - während Hersteller von Anlagen für Erneuerbare Energie durch Röslers, Altmaiers und Gabriels Energie-Kehrtwende einfach in die Pleite getrieben wurden.
  20. Wenn sich durch Umwelt- oder Arbeitsschutzauflagen eine Produktion bei uns nicht rechnet, werden diese Belastungen seit dem Kolonialismus dorthin externalisiert, wo Menschen sich nicht dagegen wehren (können). Man spricht zu Recht von Postkolonialismus.
  21. Darüber hinaus behindert die (maßgeblich von Deutschland bestimmte) EU-Wirtschaftspolitik in Entwicklungsländern v.a. in Afrika eine nachhaltige Ernährungs- und Energiesouveränität. Agrar-Großkonzerne zerstören mit ihrer industriellen Landwirtschaft kleinbäuerliche Gesellschaften und fragile Ökosysteme zu zerstören, teils mit staatlicher Unterstützung. Dazu gehören schon lange Tierfutterkulturen, neuerdings aber auch ineffiziente Pflanzenkulturen, um Mineralölkonzernen eine Verbesserung der CO2-Bilanz zu ermöglichen. Den letzten Rest gibt die EU den Kleinbauern, indem sie via Freihandel mit ihren hochsubventionierten Überschussprodukten die Märkte zu Dumping-Preisen überschwemmt. Diese Politik wirkt den Bemühungen von lokalen Regierungen und NGOs diametral entgegen. Diese unterstützen die Kleinbauern darin, ihre Ökosysteme so zu stabilisieren, dass sie nachhaltig produktiv sind. Doch weil solche Projekte keine Profite an Börsen abwerfen und von den Industrieländern aus auch korrupte lokale Machthaber unterstützt werden, setzen sie sich mit ihren Bemühungen nicht flächendeckend durch. Die neueste ausbeutbare Ressource ist die Landesfläche, die man gegen Geldzahlung zur Kompensation seiner CO2-Emissionen beansprucht.
    Auch das ist Postkolonialismus.
  22. Dabei sagen Ökonomen seit Jahrzehnten ohnehin einen Zusammenbruch des lange schon maroden internationalen Geldsystems voraus. Die Subprime-Krise war ein deutliches Anzeichen. Mit der Corona-Krise sah es so aus, als sei dieser Moment gekommen. Man rettet das von Ausbeutung angetriebene System mittels Verschuldung (die per Zinsen wieder den Reichen zugute kommt) bisher von Krise zu Krise, anstatt die Rettungsgelder zukunftsorientiert einzusetzen. Man ist fixiert auf Wachstum, ohne das sich das neoliberale Versprechen vom "Trickle-Down-Effekt" nicht einlösen lässt, ohne das vor allem aber die immensen Zinsen, Renditen und Mieten an die Investoren nicht gezahlt werden können. Die Geldmenge ist längst um ein Vielfaches höher als die Gegenwerte - d.h. die Währungen völlig überbewertet und eine Entwertung droht. Im Vergleich zu einer Klimakatastrophe ganz sicher ein um Welten geringeres Problem. Natürlich versucht die Geldelite eine Geldentwertung mit allen Mitteln zu verhindern, obwohl eine Entwertung die von immer mehr Ökonomen beklagte Schieflage der Besitzverhältnisse mildern würde. Ein Grundschulkind kann nachvollziehen, warum ewiges Wachstum auf einem begrenzten Planeten unmöglich ist. Dennoch erklärt die Politik ihr Vorgehen als alternativlos: Desinformation.
  23. Die Industriestaaten haben sich in eine fatale Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen begeben. Nicht nur, dass die gesamte Volkswirtschaft bei Ausbleiben des Ölstroms abbricht. Der Staatshaushalt finanziert sich zu einem nicht unbedeutenden Teil über die Fossilwirtschaft. Die Bürgerenergiewende nach Hermann Scheer bedroht nicht nur das Geschäftsmodell der Energieversorger, sondern würde auch eine andere Steuerpolitik erfordern.
    Nur wenige Versuche wurden unternommen, aus der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu entkommen. Beispiele findet man in Skandinavien und in der deutschen Energiewende der Nuller Jahre, die aber danach durch Altmaiers Restaurationspolitik wieder zum Stillstand kam.
  24. Indem immer weiter Subventionen in Fossil- und Agrarunternehmen gepumpt werden, ignoriert man die immer lauter werdenden Warnungen aus der Wirtschaft vor dem Platzen der Carbon Bubble, das ohne Vorsorge einen Großteil der Arbeitsplätze und Werte vernichten wird. Die mittel- und langfristig unschätzbaren Risiken des Status Quo sind den meisten Bürgern nicht klar; man wiegt sie in falscher Sicherheit: das ist Desinformation.
  25. Beim Weltökonomischen Forum WEF trifft sich jährlich die globale Finanz- und Politik-Elite in Davos. Die Corona-Finanzkrise ist so tiefgreifend, dass man deren Risiken gleichzeitig mit denen fossilen Finanzblase (Carbon-Bubble) und der längst überfälligen sozio-ökologischen Transformation endlich auf einen Schlag adressieren will: The Great Reset. Diese Veruche, die Folgen durch das Platzen der Carbon Bubble abzumildern, werden begleitet durch eine Hiobsbotschaft für die Fossilwirtschaft nach der anderen - ihre goldenen Zeiten sind definitiv vorbei. Doch die Verwerfungen in der Umbruchphase bergen große Risiken. Eine Zukunfts-Orientierung deutscher Politik in diesem Umfeld ist allerdings nicht erkennbar: am Ende werden wir im globalen Spiel um fianzielle und reale Ressourcen wohl den einen oder anderen Schwarzen Peter haben.
  26. Der Strukturwandel in der Kohleverstromung kostet weniger als 10.000 Arbeitsplätze, was in der medialen Desinformation eine große Rolle spielt. Dabei sind in der Zukunftsbranche der EE bereits weit über 100.000 Arbeitsplätze und wichtige Schlüssel-Produktionsanlagen verloren gegangen, das Bauernsterben durch Industrialisierung der Landwitschaft ein Vielfaches davon.
  27. Der aufgeklärte, zukunftsorientierte Teil der Jugend ist verunsichert über die berufliche Zukunft, genauso wie viele junge potentielle Leistungsträger - Berufseinsteiger und grüne Start-Ups - keine Planungssicherheit haben: Desorientierung.

Angela Merkel hat sich mit ihrer "Politik der ruhigen Hand" in vielen Bereichen große Verdienste erworben. Dabei hat sie auch nicht immer nur das Erbe ihrer Vorgänger verwaltet. Besonders in der Klimakrise fehlt ihr jedoch der Mut, sich gegen die Interessen der Investoren in die fossil-atomare Technik durchzusetzen. Sie beugt sich hier der Parteilinie der Besitzstandswahrung nach dem Prinzip "Maß und Mitte", das gerade besonders von ihrem designierten Nachfolger Armin Laschet propagiert wird. Bei ihrer Einladung zum "Dialog über Deutschlands Zukunft" mit Bürgern im Internet 2012 nimmt sie allen Diskussionsbeiträgen von Reformern von Anfang an den Wind aus den Segeln.


Ich freue mich auf Ihre Anregungen und Ihre Vorschläge. Denn Deutschland soll so bleiben, wie es ist.
Angela Merkel
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[Verknüpfung] (Original: [Verknüpfung])

Dabei hatte sie noch als junge Umweltministerin mit Experten 1997 für klimaschädliche Emissionen den "Preis des Überlebens" diskutiert und darüber ein Buch geschrieben. Kein Thema zieht sich durch Angela Merkels lange Karriere wie die Klimapolitik. Einen Überblick über deren zahlreichen Wendungen bietet der Tagesspiegel.
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In der Begründung des Klimapakets 2019 schließlich kommt ihre ganze Mut- und Hilfslosigkeit erschreckend zum Ausdruck. Kurz danach erklärt sie das Ende ihrer Kanzlerschaft mit den nächsten Wahlen.


Politik ist das, was möglich ist.
Angela Merkel

Das war ihr persönlicher Offenbarungseid. In der politischen Kakophonie der Corona-Krise wurde sichtbar, welche Konsequenzen das hat: die Natur lässt nicht mit sich verhandeln. Die Politiker schaffen es nicht einmal in einer akuten Pandemiekrise, im Sinne des Gemeinwohls die richtigen Schlüsse zu ziehen. Fatalerweise werden die Konsequenzen der heutigen Klimapolitik erst in Jahrzehnten erkennbar, und deshalb sind die herkömmlichen politischen Rezepte noch viel untauglicher.


Es gilt nicht mehr der Satz: Denn sie wissen nicht, was sie tun.
Heute muß es heißen: Sie tun nicht, was sie wissen.
Robert Jungk

Und viele sagen auch nicht, was sie wissen. Denn Wissen ist Macht.


Tell the truth!
Extinction Rebellion

Ich widerspreche deshalb Angela Merkel ganz entschieden mit Herbert Wehner.


Politik ist die Kunst, das Notwendige möglich zu machen.
Herbert Wehner




... und tut nicht so, als gäb's kein Morgen!

Inhalt

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... und tut nicht so, als gäb's kein Morgen!

Sind wir noch zu retten?



Wir alle gefährden heute die Lebensvoraussetzungen der Menschen der Zukunft. Dabei ist die Ablehnung von Klimaschutz besonders ausgeprägt in den älteren Generationen. In unserer Gesellschaft sind die Möglichkeiten von Konsum und Mobilität über die Generationen hinweg immer weiter gewachsen. Der Fortschritt, der bisher die Zukunftschancen der kommenden Generation verbessert hat, wird als göttlicher Segen oder naturgegebenes Verdienst aufgefasst. Die Erkenntnis, dass er zum Fluch geworden ist, setzt sich jetzt viel zu spät durch, um die notwendigen Maßnahmen konfliktarm durchsetzen zu können. Der US-Päsidentschaftskandidat Al Gore nannte seine Filme zum Thema deshalb treffend 2006 "eine unbequeme Wahrheit" und die - leider notwendige - Aktualisierung 2017 "immer noch eine unbequeme Wahrheit".
Ja, die Wahrheit setzt sich durch, wenn auch verspätet. Doch tut sie es auch viel zu langsam, und erst durch den massiven Druck der Jugendlichen. Sie erklären Biosphären- und Klimaschutz immer lauter zu einer Frage der Generationengerechtigkeit.
Das umfassende Vernichtungspotential der fossilen Brennstoffe wird mit jedem Jahr erschreckender sichtbar.
Klimaschutz wird seit den 50er Jahren von der Wissenschaft gefordert, von der Politik zuerst aufgeschoben und dann hartnäckig behindert. Je länger gezögert wurde, desto größer das Konfliktpotential zwischen den Generationen. Erst jetzt bricht er auf:
Wollen wir die kurzfristige Bewahrung des fossilen Lebensstils für eine Minderheit - um den Preis globaler Megakatastrophen mit Chaos, explosivem Massenaussterben von Arten, unzähligen Flüchtlingen und Toten? Oder entschließen wir uns endlich für die langfristige Bewahrung unserer Lebensgrundlagen?

Seit Jahrzehnten wird Klimaschutz blockiert. Was in diesem Bereich bisher politisch geleistet wurde, hat den Namen nicht verdient - bis auf wenige Ausnahmen. Und je monströser das Problem, drängender der Handlungsdruck, desto größer ist die Motivation der Masse zur Verdrängung.
Angela Merkel selbst bezeichnet im Rückblick ihre Klimapolitik selbst als "Pillepalle". Spätestens seit den Schülerprotesten von Fridays for Future ist die Wissenschaft endlich bei den meisten in den Horizont gerückt, wenn auch meist noch nicht in ihrer ganzen Tragweite. Und noch gar nicht bei der Mehrheit der Rechtskonservativen und Neolibertären, die sich immer noch als Klimaskeptiker und -Relativisten in der Zivilgesellschaft lautstark einmischen.

Manche Klimaskeptiker verbreiten ihre Thesen bewusst und wider besseren Wissens - weil sie als Profis dafür bezahlt werden oder weil sie es politisch für opportun halten. Sie lügen also, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Innerlich überzeugte Klimaskeptiker dagegen halten daran fest, dass nicht sein kann, was nicht sein darf: sie bezweifeln noch immer die Zuverlässigkeit von Berechnungen, mit denen die Entwicklung seit Jahrzehnten beeindruckend genau vorhergesagt, aber auch im Nachhinein nachgerechnet werden kann - deren Verlässlichkeit also von der Natur selbst nachgewiesen wurde. Und die mit heutigem Kenntnisstand und Technik immer verlässlicher geworden sind. Das Vorsorgeprinzip ist ihnen als Konservative meist sehr wichtig, aber merkwürdigerweise nicht in der Klimafrage.
Die neue Rechtfertigung der Klimaschutz-Blockade ist der Klimarelativismus: es ist nicht so schlimm, wir werden uns schon anpassen.
Immerhin kommen manche von ihnen ins Zweifeln, z.B. wenn sie den Widerspruch zwischen interner und externer Kommunikation beim Ölgiganten Exxon erkennen: im Jahr 1982 haben interne Forschungsergebnisse CO2-Konzentration und Temperatur von 2019 exakt vorhergesagt - die klimaskeptischen Medienkampagnen der Folgejahre sind bekannt.
Siehe im pdf-Dokument S. 14: [Glaser 1982]
Je wahrscheinlicher die politischen Maßnahmen für Klimaschutz werden, desto mehr Geld geben die fossilen Konzerne für Desinformation aus.
Zeit: [Probst 2017]
DIW: [Verknüpfung]
FR: [Verknüpfung]
Die britische Denkfabrik influencemap untersucht die Ausgaben der großen Fossilkonzerne und listet klimaschutz-bremsende Ausgaben nach Investition, Lobbyismus und Werbung bzw. Desinformation auf. Sie spricht von etwa einer Milliarde US$ zwischen der Pariser Vereinbarung und Oktober 2019, davon 17 Millionen seit Mai 2018 allein bei FaceBook.
[Verknüpfung]
[Verknüpfung]
Allein die Koch-Brüder hatten 2016 für ihre fossile Propaganda einen Etat von 889 Millionen US-Dollar. Aus der Desinformations-Abteilung des russischen KGB sind mächtige Institutionen entstanden, die seit dem Brexit eine eskalierende globale fossile Reaktion auslösen.
Zeit: [Probst 2017]
[Verknüpfung]
[CCCC 2019]
Die prominenten Aufklärer der Klima-Desinformation Naomi Oreskes und Geoffrey Supran haben mit dem PIK-Klimaforscher Stefan Rahmstorf den Fall Exxon in einer Science-Studie zusammengefasst.

Selbst 2019 haben Ölgesellschaften noch etliche Millionen in Lobbyarbeit gesteckt.

[Verknüpfung]

Kommt es dann bei Klimaskeptikern endlich zur Erkenntnis ihrer Lebenslüge (bzw. zum Bekenntnis ihres vermeintlichen Irrtums, bewusste Lügen werden sie selten zugeben), fällt allzu vielen von ihnen nichts Besseres ein als die Kapitulation vor dem Problem: nach ihrem Weltbild ist die Menschheit unfähig, das Problem zu lösen. Sie sehen sich angesichts der notwendigen gesellschaftlichen Auseinandersetzung vor einem unlösbaren Dilemma: wenn alle Optionen mit potentiellen Nachteilen behaftet sind, entscheiden sie sich für die Bewahrung der Verhältnisse, selbst wenn das den Untergang bedeutet. Leider fordern sie von ihren Zeitgenossen und der Politik das Gleiche, und treten umso vehementer gegen jede Veränderung ein.

Aufgeben ist immerhin nicht jedes Konservativen Sache. Beispiele sind die republikanischen US-Politiker Bob Inglis, Newt Gingrich, John McCain und - besonders bemerkenswert - der Kommunikations-Stratege Frank Luntz. Der wurde beim Live-Erlebnis eines Waldbrands in Kalifornien vom Profi-Klimaskeptiker zum Klimaschützer. Doch das war, bevor Donald Trump die GOP zur Trump-Partei gleichschaltete. Die gesellschaftliche Spaltung durch quasireligiöse, fortschrittsgläubige konservative Fundamentalisten, die in den USA zur sichtbaren Bedrohung geworden ist, droht mit der AfD auch bei uns, gerade im Fahrwasser der Querdenker-Bewegung gegen Anti-Corona-Maßnahmen.
Weitere Beispiele sind der Talkshow-Moderator Morton Downey jr., der angesichts einer Lungenkrebs-Diagnose die jungen Menschen, die er selbst von der Unschädlichkeit des Rauchens überzeugt hat, um Vergebung bittet, und PR-Profi Jerry Tailor, der nach Jahren der Klimaskepsis beim Cato-Institut durch einen beharrlichen Wissenschaftler motiviert wird, selbst einmal die Fakten zu checken.
Die Mehrzahl der Konservativen bei uns ist Argumenten zugänglich. Ohne Einbeziehung dieser Konservativen ist ein zivilgesellschaftliches Umdenken pro Klimawende nicht zu schaffen. Auf sie kommt es jetzt an.
[Wikipedia 2020 - Frank Luntz]
[Yoder 2019]

Dabei wird die Spaltung oftmals von Populisten herbeigeredet, also durch polarisierende Desinformation verschärft. Gerade das Wieder-In-Gang-Bringen eines respektvollen, konstruktiven Diskurses ist ein wichtiger Schlüssel für die Transformation.
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Die gemeinnützige Organisation more in common leistet hier wichtige Analyse- und Aufklärungsarbeit und will den Diskurs in Gang bringen.
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Bestes Beispiel für die Möglichkeiten dieses Dialogs sind die Ergebnisse von Bürgerräten.
Dem weniger interessierten Normalbürger, der schon vorher in anderen Politikfeldern seine erlernte Hilflosigkeit ("ich kann ja eh' nichts ausrichten") lange Jahre entwickelt und gepflegt hat, war diese bequeme Haltung bisher willkommene Rechtfertigung für Nichtstun.
Jede Demokratie gerät durch diese Bequemlichkeit früher oder später in Gefahr - weil Umstände sich ändern und es immer Menschen gibt, die die Umstände auszunutzen wissen. D.h. ihre eigenen Interessen auf Kosten des Gemeinwohls durchsetzen. Solange sie den Passiven den falschen Eindruck von Sicherheit vermitteln, können sie die Demokratie immer weiter unterhöhlen.

Dabei spielen subtile Kampagnen in (v.a. privaten) Medien, und in "sozialen" Netzwerken eine Rolle, deren teils extreme Wirkungen man nicht hoch genug einschätzen kann. Auch auf eine Aufarbeitung dieser Entwicklungen und einen Wandel der gesamten Medienkultur kommt es jetzt an.

Kommt es zur Erkenntnis der Unsicherheit, droht durch die Passiven eine neue Gefahr: ihr Fatalismus. "Jetzt ist eh' nichts mehr zu ändern. Jetzt brauchen wir es auch nicht zu versuchen." Aber auch fanatische Klimaskeptiker, die bis zum Schluss keine Einsicht fanden, greifen oft zu dieser bequemen Konsequenz.


Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Bertolt Brecht
Pessimism of the intellect, optimism of the will!
Antonio Gramsci
To be truly radical is to make hope possible rather than despair convincing.
Raymond Williams

2023 zeigt sich, dass selbst die Gaskrise durch den Ukraine-Krieg nicht gereicht hat, eine durchgreifende Disruption der Energiemärkte auszulösen. In der Klimagerechtigkeitsbewegung wird die Diskussion lauter, woher Menschen noch die Kraft nehmen können, sich in der zuspitzenden Krise bewusst und nach ihrem Gewissen zu verhalten. Andrew Boyd sagt es in einem Buchtitel: "I want a better catastrophe", eine bessere Imagination davon, wie wir in der Katastrophe leben wollen, wo es möglich ist - anstatt sich dem Fatalismus hinzugeben. Er interviewte dazu viele Aktivist:innen. Die verschiedenen gesellschaftlichen Einstellungen und Erzählungen ordnet er in einem interaktiven Diagramm, das er in einer online-Präsentation erklärt.
[Verknüpfung]

Zum Fatalismus vieler Konservativer der PIK-Gründer und Mit-Initiator der Stiftung Generationengerechtigkeit:


Was die Welt jetzt braucht, ist der Mut und die Hoffnung der Jugend. Lasst Euch nicht täuschen von denen, die Euch einreden wollen, dass die Erde nicht mehr zu retten sei. Denn das sind genau diejenigen, die nie ernsthaft versucht haben, sie zu retten.
Hans-Joachim Schellnhuber
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[Generationenstiftung 2019]

Bei klimafakten.de ist Klimakommunikation schon länger ein Thema. Dort zitiert man den norwegischen Psychologen Per Espen Stoknes aus dessen Buch "What we think about when we try not to think about Global Warming". Angesichts einer entmutigenden Krise brauche es geerdete Hoffnung, "grounded hope", Zitat: "„Sie wurzelt in unserem Sein, in unserem Charakter und unserer Berufung, und nicht in einem erwarteten Ergebnis.“ Aufgeben sei keine Option, wenn man sich innerlich verpflichtet fühle, weiterzumachen. „Ich muss nicht daran glauben, dass alles gut enden wird, um zu handeln. Das Gehen und Tun sind ihr eigener Lohn.“"
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Der südafrikanische Bischof und Menschenrechtsaktivist Desmond Tutu weist darauf hin, dass Hoffnung eine ureigene Basiskompetenz des Menschen ist.


I cannot be an optimist, but I am a prisoner of hope.
Desmond Tutu

Hoimar von Ditfurth kritisiert die modernen Erfolgs- oder besser Wertmaßstäbe, nach denen viele Menschen den Einsatz für die Umwelt für sinnlos halten. Die amerikanische Moralphilosophin Kathleen Dean Moore formuliert eine moralische Motivation für Umweltschutz - auch angesichts schlechter Aussichten.
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Yes, you might profit from keeping slaves, but it’s wrong. Yes, you can profit from ruining children’s futures, but it’s wrong. [...] People tend to think that we have only two options: hope or despair. But neither one is acceptable. Blind hope leads to moral complacency: things will get better, so why should I put myself out? Despair leads to moral abdication: things will get worse no matter what I do, so why should I put myself out? But between hope and despair is the broad territory of moral integrity—a match between what you believe and what you do. You act lovingly toward your children because you love them. You live simply because you believe in taking only your fair share. You do what’s right because it’s right, not because you will gain from it.
Kathleen Dean Moore

Selbst in der Corona-Krise, wo die Forderung nach Generationengerechtigkeit in der Richtung "die Jungen für die Alten" unüberhörbar und zu Recht den Diskurs beherrscht, weigern sich konservative Medien beharrlich, in der Klimakrise den logischen Umkehrschluss zu ziehen. Ganz vorn dabei immer die konservative Springer-Zeitung Die Welt unter Chefredakteur Ulf Poschardt, der auch in Talkshows seine streitbaren Thesen mit Nachdruck vertritt. Mit seiner Wutrede über unsoziales Verhalten in der Corona-Krise liefert er eine Steilvolage.

In Die Welt schreibt Chefredakteur Ulf Poschardt am 19.03. einen denkwürdigen Kommentar über unsoziales Verhalten in der Corona-Krise.
Zitat:
Bemerkenswerte Schriften würdigt man mit einem Versatzstück, und so ziehe ich hier meinen Vergleich zur Klima-Krise, frei nach Ulf Poschardt:
"Das Unvermögen, sich des eigenen Verstandes zu bedienen Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.
(Immanuel Kant)
[...] Unsere Gesellschaft tut oft aufgeklärt, ist es aber in weiten Teilen nicht. Die Unmündigen präsentieren sich aktuell in privaten Corona-Partys, gemeinsam abhängend im Englischen Garten, vor Eisdielen in Berliner Trendkiezen. Unsere Gesellschaft tut oft aufgeklärt, ist es aber in weiten Teilen nicht. Die Unmündigen fossilen Reaktionäre präsentieren sich aktuell in privaten Corona-Partys am Ballermann, gemeinsam abhängend im Englischen Garten, vor Eisdielen in Berliner Trendkiezen in der Flughafen-Lounge, auf Kreuzfahrt-Schiffen, beim Fashion- und beim Beauty-Event, beim Drängeln um die besten Schnäppchen beim Black Friday, beim Wettrennen an der Ampel, auf der Autobahn oder gar beim Streetracing.
Es sind oft junge Menschen, die glauben, dass ihnen das Corona-Virus nichts anhaben kann. Es sind oft junge ältere Menschen, die glauben, dass ihnen das Corona-Virus die Klimakrise nichts anhaben kann.
Im Supermarkt rücken aber auch Ältere den besorgten Vätern und Müttern auf die Pelle, Im Supermarkt öffentlichen Diskurs rücken aber auch Ältere jüngere Wutbürger den besorgten Vätern und Müttern Klima-Aktivisten auf die Pelle,
drängeln am Bankautomaten, drängeln am Bankautomaten vertreten klimaskeptische Positionen,
verweigern sich dem kategorischen Imperativ, einfach mal zu Hause zu bleiben, wenn es irgend geht. verweigern sich dem kategorischen Imperativ, einfach mal zu Hause zu bleiben CO2 zu sparen, wenn es irgend geht.
Wer seiner tumben Idee von Freiheit in unsozialer Indifferenz die Schwächsten zu opfern bereit ist, hat weniger unser Mitleid als unsere Sanktionen verdient."
[Verknüpfung]
Wer seiner tumben Idee von Freiheit in unsozialer Indifferenz die Schwächsten zu opfern bereit ist, hat weniger unser Mitleid als unsere Sanktionen verdient. Noch haben wir die Gelegenheit, einen Konsens für wirksamen Klimaschutz zu erreichen, aber der Fortschritt der Klimakrise lässt diese Chance jeden Tag schwinden.

An Poschardts Wutrede gegen Corona-Ignoranten ist an sich gar nichts auszusetzen - wenn er die Klimafrage ebenso konsequent im Sinne der Generationengerechtigkeit interpretieren würde. Er tut aber das Gegenteil: als Chefredakteur ließ er in derselben Ausgabe folgenden Kommentar des liberalen Grünen-Politikers Ralf Fücks abdrucken.
Zitat:

"Weshalb wir aus der Corona-Not keine ökologische Tugend machen sollten
[...] Analogie zwischen Corona-Krise und Klimawandel ist unhaltbar
[...] Angesichts der Pandemie sind wir bereit, uns selbst einzuschränken und massive staatliche Eingriffe in unseren Alltag hinzunehmen – weshalb nicht auch angesichts des Klimawandels?
Solche Fantasien von einem ökologischen Notstandsregime sind nicht nur zutiefst autoritär. Die Analogie zwischen Corona-Krise und Klimawandel ist auch in der Sache unhaltbar. Eine Virenpandemie ist monokausal. Dagegen ist der Klimawandel eine hochkomplexe Angelegenheit. Er speist sich aus vielen Quellen: Energieproduktion und Verkehr, Landwirtschaft und Industrie, Wohnen und Städtebau. Zu glauben, er ließe sich durch einige grobe ordnungsrechtliche Eingriffe aufhalten, ist bestenfalls naiv."
[Verknüpfung]

Gewichtig wird Poschardts Wutrede durch ihren doppelten Verweis auf Kant. Dieses Gewicht könnte sich noch als argumentativer Mühlstein erweisen, denn er ist einer der prominenten Verfechter persönlicher und wirtschaftlicher Freiheit.

Poschardt reicht dieses Maß an Widersprüchlichkeit aber noch lange nicht. Neun Monate später drischt er verbal auf die "Klimaradikalen" ein, indem er sie mit den Querdenkern vergleicht: er spricht von "Populismus" und "überheblichem Moralismus". Als gäbe es keine Überheblichkeit in weiten Teilen der Geldaristokratie (deren Interessen er vertritt), die Regeln nach ihren Interessen zu bestimmen, und damit die Benachteiligten dieser Regeln vom Wohlstand auszuschließen.
[Poschardt 2020]
Wenn Neoliberale die wirtschaftliche Freiheit bedroht sehen, sprechen sie gern von falscher Moral. Sobald sie eine Moralkeule sehen, packen sie die Moralismuskeule aus. (Übrigens ist dieser Reflex selbst auch nichts Anderes als Ausdruck einer Moralvorstellung.)
Manche Philosophen, v.a. in rechtskonservativen Kreisen, sprechen bei den moralischen Ansprüchen der Klimaschützer gar von Hypermoral(ismus), wie Alexander Grau im DLF (nach Norbert Gehlen, 1969).
[Wikipedia 2019 - Moral und Hypermoral]
DLF: [Grau 2017]
Grau plädiert dafür, den Moralismus mürbe zu machen – durch Egoismus in Form von Sünden: "Deshalb hat der Sünder eine ganz, ganz wichtige Funktion in der Evolution der Moral: Einfach, weil er unkonventionell handelt, weil er für moralische Konflikte sorgt, werden moralische Normen immer neu ausjustiert und neu ausgehandelt."
Also fehlverhalten, um sein eigenes misanthropisches Menschenbild zu normalisieren? Das ist für mich praktischer Sozialdarwinismus.
Auch der Theologe Karl-Josef Kuschel widerspricht: "Es ist nicht zu viel Moral. Im Gegenteil, gegenüber einem zynischen Weltbild, einem Un-Menschenbild, das sich um Moral nicht schert und meint, immer das Realitätsprinzip gegen die Ideale ins Spiel bringen zu müssen, bin ich froh, dass einige noch daran erinnern, was die Kernbotschaft des Christlichen ist."
[Verknüpfung]

Der Rechtsphilosoph und Verfassungsrichter Ernst Wolfgang Böckenförde hat sich in der Nachkriegszeit kritisch mit der Staatskirche auseinandergesetzt, und auch deshalb die Reformen des Zweiten Vatikanischen Konzils massiv unterstützt. Mit 79 Jahren meldete er sich 2009 noch einmal zu Wort, als nach der Subprime-Krise eine Debatte um Freiheit und Moral im Kapitalismus aufkommt.


Außerdem kann der Staat selbst glaubwürdig moralische Ziele verfolgen, zum Beispiel soziale Gerechtigkeit, und so ein Klima schaffen, in dem Moral ernst genommen wird. [...] Auch weltanschauliche, politische oder soziale Bewegungen können den Gemeinsinn der Bevölkerung und die Bereitschaft fördern, nicht stets rücksichtslos nur auf den eigenen Vorteil zu schauen, vielmehr gemeinschaftsorientiert und solidarisch zu handeln.
Ernst Wolfgang Böckenförde

Die Frage ist darüber hinaus jedoch, inwiefern man bei der Forderung der Jugend nach einer Überlebenschance überhaupt von Hypermoral sprechen kann. Es ist eine totale Ignoranz der Prinzipien humanistischer Ethik, wenn das Zerstören natürlicher Ressourcen ohne Not im Namen der persönlichen Freiheit akzeptiert, toleriert oder gar wie häufig sogar gefördert wird.
[Stein 2019]
Der US-Präsident Biden spricht am Earth Day 22.04.2021 von einer "moralischen Verpflichtung zum Klimaschutz". Ich hätte gerne ein Statement dazu von Armin Laschet, Olaf Scholz und v.a. von Christian Lindner oder gar Jörg Meuthen gehört.
[Verknüpfung]
Der Deutsche Ethikrat entscheidet 2024, dass es eine moralische Verpflichtung zum Klimaschutz gibt.

Dass Poschardt selbst bei den einfachsten, den fundamentalen naturwissenschaftlichen Fakten in einem Paralleluniversum unterwegs ist, zeigt ein Zitat aus seinem Buch, das Maja Göpel unten genüsslich auseinandernimmt.

Als Rechtfertigung für ihre klimaschädliche Politik tragen Konservative ihr jahrzehntealtes Narrativ von der Unmöglichkeit dieses Unterfangens vor, einem Dilemma zwischen Müssen und Nicht-Können, Liberale ihr Lamento vom Verlust der Freiheit.
Besonders der kategorische Imperativ wird hier noch öfter interpretiert werden. Er wird oft mit den folgenden Sinnsprüchen wiedergegeben (auch wenn man diese bei Kant nicht findet, und ihre Ursprünge wohl vor Kant liegen):


Die Freiheit des einen hört da auf, wo die des anderen anfängt.

Oder noch treffender:


Die Freiheit des einen hört da auf, wo das Recht des anderen anfängt.

Im Original schrieb Kant:


Das Recht ist also der Inbegriff der Bedingungen, unter denen die Willkür des einen mit der Willkür des andern nach einem allgemeinen Gesetze der Freiheit zusammen vereinigt werden kann. [...]
Eine jede Handlung ist recht, die oder nach deren Maxime die Freiheit der Willkür eines jeden mit jedermanns Freiheit nach einem allgemeinen Gesetze zusammen bestehen kann.
Immanuel Kant
[Kant 1797]

Daraus entwickelte er drei Formeln:


Grundformel: Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.
Menschheits-Zweck-Formel: Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.
Naturgesetz-Formel: Handle so, dass alle Maximen aus eigener Gesetzgebung zu einem möglichen Reich der Zwecke als einem Reiche der Natur zusammenstimmen.
Immanuel Kant
[Verknüpfung]

Womit wir bei der Verantwortung des Gesetzgebers wären. Das ist nicht mehr wie zu Kants Zeiten im Heiligen Römischen Reich der Adel, sondern von Bürger:innen gewählte Parlamente.
Weil der Gesetzgeber diesen Grundsatz beim Klimagesetz 2019 verletzt hat, musste das Bundesverfassungsgericht ihn darauf hinweisen. Wenn man den Einfluss der Wirtschaft auf die Politik bedenkt, ist es zwar nicht verwunderlich, aber dennoch höchst skandalös und ein Grund, über die Bedingungen der politischen Entscheidungsfindung nachzudenken. Wenigstens sind die Gerichte noch weitgehend unabhängig. In den USA, Ungarn und Polen ist das jedoch in Folge autoritärer Politik nicht mehr der Fall, und der Autoritarismus greift erschreckendschnell um sich.

Ein Kennzeichen prägt autoritäre Herrschaft: Willkür. Hegel nutzt diesen Begriff zur negativen Definition "vernünftiger" Freiheit. Klaus Vieweg ("Hegel - der Philosoph der Freiheit") erklärt im Standard.


Willkür heißt man zwar oft gleichfalls Freiheit; doch Willkür ist nur die unvernünftige Freiheit, das Wählen und Selbstbestimmen nicht aus der Vernunft des Willens.
[Verknüpfung]

Weitere philosophische Zitate zur Freiheit (anlässlich Corona) im Magazin Südostschweiz.
[Verknüpfung]

Hans Jonas erweitert Kants Gebot 1979 in seinem Buch "Das Prinzip Verantwortung" in der zeitlichen Dimension und formuliert so den ökologischen Imperativ:


Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden.
Hans Jonas
[Wikipedia 2020 - Das Prinzip Verantwortung]

Er folgt damit Dietrich Bonhoeffer, der es so ausdrückte:


Das Handeln entspringt nicht dem Denken, sondern der Bereitschaft zur Verantwortung. Der letzte Test für eine moralische Gesellschaft ist die Art der Welt, die sie ihren Kindern hinterlässt.
Dietrich Bonhoeffer

Diese moralische Verpflichtung kommt auch in einer wunderschönen, sehr philosophischen Metapher nordamerikanischer Indigener zum Ausdruck.


Wir haben die Erde nicht von unseren Eltern geerbt –
sondern von unseren Kindern geliehen.
Sprichwort unter nordamerikanischen Indigenen

Die Väter und Mütter des Grundgesetzes waren wie Dietrich Bonhoeffer inspiriert von dem Gedanken "nie wieder", und formulierten einen Schutz gegen die Instrumentalisierung von Menschen und globalen Ressourcen mit ein.


Artikel 2 GG
(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.
Artikel 20a GG
(1) Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Hans Jonas unterscheidet verschiedene Reichweiten unserer Verantwortung:

Objekt der Verantwortungd.h. (bzw. Beispiel)Verantwortungsbegriff nach Reichweite
ich nur mir selbst Egoismus
mir und meinem direkten Umfeld Familie, Freunde, Verwandte schwacher Egoismus
mir und meinem weiteren sozialen Umfeld meiner Region, meiner Nation, meinem Kontinent Regionalismus, Nationalismus, Eurozentrismus
allen, auch mir allen Menschen der Erde Humanismus
Menschheit allen, auch in der Zukunft lebenden Menschen idealer Humanismus
[Verknüpfung]

Hans Jonas' philosophische Idee vom (idealen) Humanismus wird von der Klimapsychologie aufgegriffen. Gerhard Reese entwirft transformative Entwicklungs-Strategien: von der individuellen zur kollektiven Verantwortung, von der individuellen zur Gruppen- und globalen Identität.
Wenn wir wie bisher die Folgen unserers Handelns nur in unserem unmittelbaren individuellen Umfeld fokussieren, und die Wirksamkeit von umweltfreundlichem Verhalten nicht positiv erfahren, wird es nur schwer Akzeptanz für Klimaschutz-Maßnahmen geben. Er fordert ein System, das Anreize für positives Verhalten schafft.
[Verknüpfung]
Der erste Schritt zum Handeln ist jedoch zunächst der aus der Verdrängung, und ein sicher schmerzhaftes Verständnis der menschlichen Existenz als ein Teil der bedrohten Natur.
Zeit: [Verknüpfung]
Dazu gehört auch die Erkenntnis unserer aktiven Rolle als Zerstörer. Die Um- oder besser Mitwelt wandelt sich nicht von alleine, und so muss es nach taz-Autor Bernhard Pötter auch heißen:


Der Ast, auf dem wir sitzen, biegt sich nicht von selbst nach unten.
Bernhard Pötter
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Deshalb müssen sich immer mehr klimabewegte Menschen um ihre mentale Gesundheit kümmern, um nicht auszubrennen oder an ihrer berechtigten Klimaangst ernsthaft Schaden zu nehmen.
Der Bundesverband Deutscher Psychologen BDP positionierte sich 2021 zum Thema Klimapsychologie.
Bericht: [Verknüpfung]
Stellungnahme: [Verknüpfung]
Filmtip: How to stay sane in a dying world. CC - Our changing Climate. Youtube 2022.

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Die Transformations-Wissenschaftlerin Julia Steinberger von der Universität Lausanne berichtet von einem für sie lehrreichen Tag, an dem sie mit ihren Informationen über die Handlungsoptionen in der Krise zuerst bei Schüler:innen auf hochgradig reflektierten Unmut stieß, und dann mit ihren Student:innen die emotionalen Hintergründe der Schülerreaktionen diskutierte; sie meint: "The kids are not ok".


Es gibt eine Verschiebung, denn als die Klimastreikbewegung begann, kämpfte sie gegen die kollektive Klimaleugnung. Niemand sprach über die Klimakrise. Jetzt ist die Klimakrise viel prominenter, aber da niemand handelt, scheint es eine bewusste kollektive Entscheidung zu geben, viele Menschen zum Tode zu verurteilen. [...]
Infolgedessen wird Untätigkeit heute als bewusste, unvermeidliche Entscheidung wahrgenommen. Die Erwachsenen (und ihre Erwachsenen [gemeint sind Politiker]) wissen, dass sie die Jugend verletzen und schädigen, und sie tun es immer noch. Der Schmerz und die Verzweiflung sind immens. Kein Wunder, dass die Oberschüler murmelten, während ich ihnen über Emissionen, Erwärmungsgrade und Auswirkungen dozierte. Nichts davon spielt eine Rolle. Es ist, als würde man in eine viktorianische Schule kommen und die Schüler darauf hinweisen, dass Stöcke verwendet werden, um sie zu schlagen, und dass Schläge weh tun. Like, duh. Sie wissen es schon. Was sie wissen müssen, ist, wie man den Erwachsenen den Stock wegnimmt. Sie müssen wissen, wie sie zu einer Gegenmacht werden, die uns die Fähigkeit nehmen kann, ihnen Schaden zuzufügen.
Julia Steinberger
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Der Philosoph Timo Wesche bleibt beim Prinzip des Eigentums - und fordert in der Konsequenz ein "Eigentumsrecht der Natur an sich selbst", ein "Eigenrecht der Natur". Thomas Assheuer erklärt die Idee in der Zeit.
Zeit: [Verknüpfung]

Die deutschen Parteien (mit Ausnahme der AfD) bekennen sich zwar seit Jahrzehnten zum Klimaschutz: Christdemokraten betonen in christlich-konservativer Tradition das Motiv von der "Bewahrung der Schöpfung" und erfanden in den 80er Jahren (als es noch eine Christliche Arbeitnehmerbewegung gab) den Begriff der "ökologisch-sozialen Marktwirtschaft", den vor der Jahrtausenwende dann die (oppositionellen) Sozialdemokraten übernahmen, die sich am Gemeinwohl nach Aristoteles orientierten.
[Wikipedia 2021 - Ökosoziale Marktwirtschaft - Geschichte]
Unter Rot-Grün konnte die SPD zumindest den ökologischen Aspekt mit EEG und Atomausstieg mit umsetzen. Der neoliberale Kanzler Schröder setzte dafür gegen die Widerstände der Grünen seine Sozialpolitik Agenda 2010 durch, die schließlich auch seine eigene Partei spaltete und Angela Merkel 16 Jahre Kanzlerschaft unter stabilem Wachstum ermöglichte - bis Corona kam. Merkel versuchte sich mit den Koalitionspartnern FDP und SPD an einem Stop des Atomausstiegs, was aber durch Fukushima verhindert wurde, und brachte mit den Wirtschaftsministern Gabriel (SPD), v.a. aber Rösler (FDP) und Altmaier (CDU) die Energiewende zum Beinahe-Stillstand.
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Ihre Maßnahmen für Klimaschutz bis 2019 hat die Kanzlerin (wie die ihrer Vorgänger) selbst als unzureichend erkannt. Merkel sprach von "Pillepalle" im Klimaschutz.
Zeit: [Verknüpfung]
Nach den epochalen Jugendprotesten für Klimaschutz im Sommer 2019 hat die GroKo im Herbst nach nur 20 Stunden Verhandlung ein erstes "Klimapaket" mit einer CO2-Steuer von 10€ pro Tonne vorgelegt - über das jedoch viele Fachleute entsetzt und die Klimaschutz-Aktiven empört sind.
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Schon vor einer ganzen Generation wäre das nur ein sehr zaghafter Ansatz gewesen - Schweden stieg 1991 erfolgreich vom Start weg mit der dreifachen CO2-Steuer ein und ist heute beim mehr als zehnfachen Wert - die schwedische Wirtschaft ist nicht daran zugrunde gegangen. Norwegen wird 2030 bei 200€ pro Tonne liegen.
Der ursprüngliche Preis von 10€ pro Tonne, der zudem erst ab 2021 greift, wäre nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein gewesen, immerhin wurde er kurz danach auf 20 und dann 25€ korrigiert (was allerdings immer noch weit von den meisten Expertenempfehlungen entfernt ist).
Das Kohle-"Ausstiegs"-Gesetz kommt bei den Experten auch nicht besser weg. Die Kostenvorteile der Erneuerbaren machen den Betrieb bis 2038 zum absehbaren Zuschussgeschäft, und dennoch wird die Abschaltung zur ordnungspolitischen Zwangsmaßnahme erklärt und deshalb gekrönt mit hohen Entschädigungen. Den 4,35 Milliarden Euro, die vom damaligen Finanzminister Olaf Scholz zugesagt wurden, liegt v.a. der Energiecharta-Vertrag zugrunde.
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Zeit: [Verknüpfung]
Der ECT wurde allerdings vom EuGH 2021 als rechtswidrig eingestuft. Damit sind auch andere europäische Entschädigungsvereinbarungen für Fossilinvestoren hinfällig.
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Außerdem hat die CDU in Koalition mit FDP und SPD seit 2012 die Energiekehrtwende betrieben und 2021 vollendet: die PV-Industrie ist längst abgewandert, der Ausbau von Windenergie ist 2019 fast komplett zum Erliegen gekommen, der von PV stark zurückgegangen und droht mit dem Photovoltaik-Deckel ebenfalls - auf Null zu sinken, 2021 gehen Windrad-Hersteller bankrott. Die zur Sektorenkopplung mit P2G notwendigen Gaskraftwerke wurden zugunsten der CO2-intensiven Kohlekraftwerke abgeschaltet. Die Kohlekommission hat zwar einen Ausstieg bis 2038 beschlossen, doch Uniper bekam im Herbst 2019 noch ein neues Kohlekraftwerk genehmigt, die Gesetzesentwürfe sehen bisher keine Zwangsabschaltungen vor, und sowohl PV-Deckel als auch Abstandsregelung halten Investitoren von Sonnen- und Windkraft ab; derweil stellt CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer auf dem wichtigen November-Parteitag eine weitere Unterstützung der Verbrenner-Industrie in Aussicht (Stand November 2019).
Merkels wichtigster Fachpolitiker Peter Altmaier gesteht nach einem Eigenlob seiner Politik im Januar dann nur wenige Monate später: "Ich gebe allerdings zu, dass wir in den letzten Jahren auch Fehler gemacht und zu spät gehandelt haben. [...] In den nächsten Monaten müssen wir dafür sorgen, dass der Weg zur einer CO2-Neutralität unumkehrbar wird." Er spricht von "enormem Nachholbedarf". Nach Merkels "PillePalle" 2019 möglicherweise eine weitere Beschwichtigung der Art, mit der die Umweltbewegung seit Jahrzehnten hingehalten wird.

Die größte Finanzblase aller Zeiten, die Carbon Bubble, muss in Rekordtempo abgebaut werden, wenn sie nicht platzen soll. Nach Joe Bidens Wahlsieg in den USA ist diese Option wahrscheinlicher geworden. Umso schwerer ist zu verstehen, dass Deutschland sich mit Unterstützung für Biden noch auffällig zurückhält. Altmaiers Zusage an Trump zum Import von US-Fracking-Gas kam dagegen auffallend zügig, so wie die Planungen der Terminals in Rekordzeit voranschritten.
Man darf deshalb dies- und jenseits des Atlantiks gespannt sein, welche Lobby gewinnt - die fossile Reaktion oder die immer progressiver auftretende Finanzwelt der sogenannten Green Economy, die mit Wachstum durch CO2-neutrale Innovationen das Klima retten will. Aber auch mit einer unkontrollierten Green Economy droht die nächste Katastrophe für die Biosphäre: wenn dieselben Leute, die uns in die Krise geführt haben, allein die Regeln bestimmen, wird möglicherweise die Welt weiter zugrunde gerichtet, jetzt eben mit Unmengen erneuerbarer Energie und hunderten Millionen neuer Elektroautos.
Und dabei ist nicht einmal das Klimaziel sicher: Experten äußern Zweifel, dass die Net-Zero-Strategie ernst gemeint ist. Das Einrechnen zukünftiger Negativ-Emissionen in die CO2-Budgets ist nach ihrer Darstellung ein Märchen. Sie haben gewichtige Argumente, u.a. eine Helmholtz-Studie.


Die derzeitige Net-Zero-Strategie wird die Erwärmung nicht auf 1,5 °C begrenzen. [... Sie] wird immer noch davon getrieben, möglichst alles so weiterlaufen zu lassen wie bisher - und nicht davon, das Klima zu schützen.
James Dyke, Robert Watson und Wolfgang Knorr
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Deutschland muss Netto-Null-Emission bis 2035 anstreben, nicht für 2050 - sonst ist das 2°-Ziel nicht zu halten, geschweige denn 1,5°, so einer von Deutschlands Top-Klimaforschern Stefan Rahmstorf.
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Es ist lange prognostiziert und mittlerweile absehbar, dass wir viel zu lange die Emissionen weiter betrieben haben. Jeder nur denkbare Energie-Überschuss muss nun in die Sequestrierung (Negativ-Emissionen) von CO2 gesteckt werden. Doch das ist noch längst nicht bei allen angekommen.

In der CDU bestimmen Fossil-Lobbyisten seit Jahrzehnten die Politik. 2021 werden Korruptions-Skandale publik und manche Protagonisten wie Joachim Pfeiffer sind zum Rückzug aus der Bundespolitik gezwungen. Gleichzeitig gründet sich eine notariell bestätigte Parteigruppierung Klima-Union, die ihre Mitglieder teils sogar von den Grünen rekrutiert. In Baden-Württemberg begrüßt der CDU-Landesvorsitzende Strobl die neue grün-schwarze Koalition mit den Worten: "Beim Klimaschutz haben die Grünen bei uns offene Türen eingerannt".
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Schaut man sich die Verlautbarungen der Klima-Union genauer an, wird deutlich, dass hier Konservative agieren, die an Änderungen nicht interessiert sind, und erst recht nicht gewillt, den Menschen die Wahrheit zu sagen: dass sie von ihrer bedingungslosen Anspruchshaltung gegenüber ihrer Mit-Welt endlich den gehörigen Abstand nehmen müssen. Stattdessen propagieren sie - wie Meadows es vorhergesagt hat - die Lösung der Probleme durch Innovation; Zitate aus einem Interview der NZZ mit einigen Klima-Unions-Gründer:innen.


Die Union hat schon viele Programme mit auf den Weg gebracht. Die Energiewende ist vor allem auf Angela Merkel zurückzuführen. 2019 wurde das Klimaschutzgesetz verabschiedet. Wir sind an dem Thema dran, aber es ist wichtig, dass wir das ehrgeiziger verfolgen. Der Ansatz vieler Klimaaktivisten, auch jener von Fridays for Future, hat bei den Menschen Sorgen ausgelöst. Sie sagen, man dürfe jetzt nicht mehr fliegen und kein Fleisch mehr essen. Das ist nicht das, was wir wollen. Wir stehen für eine Klimapolitik, die dafür sorgt, dass man den Lebensstandard hält und weiterhin in den Urlaub fliegen kann. [...] Man kann den Klimaschutz verstanden haben, aber sich trotzdem noch ins Flugzeug setzen.
Wiebke Winter
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Der Versuch, Unionspolitiker für Klimaschutz zu gewinnen, ist natürlich aller Ehren wert und höchst anspruchsvoll. Aber dabei die Fakten derart zu verbiegen, um keine fossilökonomistischen Parteikolleg:innen zu verprellen, ist keine gute Basis für wirksame Klimapolitik. Wenn selbst Angela Merkel bei der bisherigen Klimapolitik - die ja maßgeblich von ihr gestaltet wurde - von "PillePalle" spricht, dann ist diese Darstellung weniger der Versuch einer innerparteilichen Wende, als eher ein Versuch, sich an die etablierten Parteigrößen anzubiedern. Der Vorwurf, dass die Ambitionen des Klimagesetzes nicht ausreichen, wurde schon drei Wochen nach dem NZZ-Artikel höchstrichterlich bestätigt.

Weil die Politik versagt hat und die Weichen nicht rechtzeitig zu stellen vermocht hat, wirft im Corona-Herbst 2020 eine überstürzte Kapitalflucht aus der Fossilwirtschaft ihre Schatten voraus. Man sagt "Geld ist ein scheues Reh" - im Frühjahr 2021 kommt es zu Ereignissen, die diesen Instinkt der Investoren als Fluchtursache nahelegt.
Zeit: [Verknüpfung]

Die Orientierung an fachwissenschaftlicher Expertise muss endlich - wie bei Corona - auch in allen Nachhaltigkeitsfragen verstetigt werden. Und vor allem muss die dringende Notwendigkeit des Fossilausstiegs, die den Investoren klar ist, auch bei den Wähler:innen transparent gemacht werden.
[Verknüpfung]

In ihrem letzten Interview als Kanzlerin bei der Deutschen Welle gesteht Angela Merkel ein, dass die deutsche Klimapolitik nicht gerechtfertigt ist:


Wir müssen sehr, sehr viel schneller werden, das zeigt jeder IPCC-Bericht. Und da sage ich den jungen Leuten, sie müssen Druck machen, und wir müssen schneller werden. Wir sind schneller geworden, aber nie war es so, dass [...] der Abstand zu den wissenschaftlichen Einschätzungen noch 'mal gewachsen ist, und das muss sich jetzt, in diesem Jahrzehnt, verändern.
Angela Merkel
[Verknüpfung] im Video ab 8'48''

Denn allzu viele Konservative zweifelten Jahrzehnte (manche bis heute) an der Klimawissenschaft, zweifeln immer noch an der Konkurrenzfähigkeit postfossiler Wirtschaftsformen - beklagen aber gleichzeitig pauschal eine Wissenschaftsferne der Klimaschützer.
Zitat:

"Man kann es konsequent oder kurios finden, dass eine von einer Physikerin geführte Koalition Maßnahmen beschließt, die auf vielen noch nicht erfolgten wissenschaftlichen Innovationen beruhen."
[Vitzthum 2019]

Vizthum tut so, als könnte man nicht das vorhandene System sukzessive umbauen, als sollte plötzlich ein Schalter umgelegt werden. So, als wäre ein Netz aus Erneuerbaren Energien mit dem konventionellen System nicht kompatibel. So, als wären hochrentable Windräder, PV-Module oder Akkuspeicher nicht längst erfolgreich am Markt. So als wäre - auch in Deutschland - in den letzten Jahren mit der P2X-Technologie nicht endlich der Schlussstein der Energiewende-Technologie (fast ein Jahrhundert nach der Erfindung von SOC-Brennstoffzelle und Fischer-Tropsch-Synthese) zu Ende entwickelt worden. Alles, was an Instituten Rang und Namen hat, war an dem Mega-Forschungs-Projekt P2X beteiligt.
[Leitner 2018]
[BMWi 2019-3]

Gegner der postfossilen Techniken stellen dagegen die plötzliche Rettung durch Innovationen in Aussicht, an deren Entwicklung man jedoch teilweise schon seit Jahrzehnten arbeitet, und von denen keiner sicher sagen kann, wann sie risikolos und v.a. konkurrenzfähig genutzt werden können.
Ob dieser Optimismus als Utopismus bezeichnet werden kann, wird die Zukunft zeigen. Vielleicht auch, ob es sich um politisch motivierten Zweck-Optimismus handelt.
Innovation wäre angesichts der beschleunigten Klimakrise tatsächlich der letzte Strohhalm jenseits der Deindustrialisierung, an den wir uns klammern könnten - lägen die Alternativen nicht längst fertig entwickelt auf dem Tisch. Und das, obwohl sie von Liberalen und Konservativen lange genug behindert worden sind. Auf den internationalen Märkten haben sie ernstzunehmenden Erfolg. Es fällt jedoch auf, dass sich bei uns plötzlich viele Menschen empört zu Umwelt- und Menschenrechts-Themen äußern - aber bezeichnenderweise nur dann, wenn es um Elektroautos, Windräder und Solarzellen geht. Über unzählige andere anthropogene Probleme, die teilweise seit Jahrzehnten echte Katastrophen verursachen, konnten und können sie bis heute entspannt hinwegsehen. Mit einem ernsthaften Lieferkettengesetz ließen sich all diese Missstände beheben - aber für eine wirksame Lösung gibt es noch nicht genug politischen Druck.
Bis 2020 war noch festzustellen, dass die Zivilgesellschaft in der Klimafrage mehrheitlich beruhigt war und weiterhin den Weg in die Katastrophe mitging. Den Umfragen nach der Kanzler-Kandidaten-Kür der CDU im Frühjahr 2021 zu urteilen ist das mittlerweile gar nicht mehr so sicher. Der dritte Dürresommer in Folge hatte Waldschäden verursacht, die nicht mehr zu übersehen waren. Und das Thema Waldsterben war auch der Auslöser der letzten großen deutschen Umweltbewegung der 80er Jahre. Vor den Wahlen herrscht in den Klimapolitik-Abteilungen der Parteien und PR-Agenturen hektische Betriebsamkeit.

Die gute Nachicht: währenddessen treibt die restliche Welt die Energie- und Mobilitätswende in Forschung, Entwicklung und Praxis immer schneller voran, auch in Entwicklungsländern. Weil die Erneuerbaren billiger geworden sind als die fossilen Energieträger, und weil unkalkulierbare Entschädigungsforderungen zu erwarten sind, warnen immer mehr Ökonomen vor der Energie- und Mobilitäts-Disruption: Deutschland droht - mit Russland und den USA - den Anschluss zu verlieren; sogar die Ölscheichs setzen auf PV:
[Mrasek 2019]









... und tut nicht so, als gäb's kein Morgen!

Mein Motiv als Lehrer von Naturwissenschaften



Als Biologie- und Chemielehrer gehörte für mich das Klima- und Artenschutzthema von Anfang an zu den zentralen Zeitfragen im Fachunterricht. Motiviert durch jahrelange Auseinandersetzung mit klimaskeptischen Kollegen, die auch im Internet aktiv waren, habe ich 2007 an dieser Stelle bereits eine Seite eingestellt, die sich kritisch mit den längst widerlegten Thesen der Klimaskeptiker auseinandersetzt.
[Thielen-Redlich 2019]
Dort kann man viele klimaskeptische Thesen finden, die ich jeweils den Aussagen der Klimaforschung gegenübergestellt habe. Zu beiden Seiten habe ich Medien und Quellen zusammengestellt. Da ich jedoch in letzter Zeit wenig Aufwand für die Aktualisierung dieser Seite betreiben konnte, empfehle ich die Seite bei klimafakten.de, diese setzt sich ebenfalls mit Klimaskepsis kritisch auseinander. Zwar fehlen die Materialien der Klimaskeptiker, dafür sind die Fakten sehr gut verständlich auf den Punkt gebracht und mit durchgehend zuverlässigen Quellen belegt.
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In aller Kürze erklärt Karsten Schwanke den Stand der Wissenschaft über die verschiedenen diskutierten Klima-Einflüsse mit Diagrammen:
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Klimaskeptiker berufen sich auf den wissenschaftlichen Grundsatz der Skepsis: solange ernste Zweifel bestehen, gilt Wissen nicht als gesichert. Nur sind ihre Zweifel eben nicht im Entferntesten ernst zu nehmen, weil fachwissenschaftlich zigfach widerlegt - weshalb die Theorie der anthropogenen Erwärmung ja auch seit Jahrzehnten Lehrmeinung ist.
Nun sind die klimawissenschaftlichen Fakten für das bestehende politisch-gesellschaftliche System politisch höchst unangenehm, und die nicht aufgeklärten (also im wissenschaftsgeschichtlichen Sinne reaktionären) Mitbürger:innen können die wirklichen Sachargumente entweder nicht nachvollziehen; oder sie könnten es, aber wollen sich lieber nicht damit beschäftigen.
Allein schon deshalb, weil sich ihre soziale Gruppenzugehörigkeit auch über eine offensive Klimaskepsis definiert - man spricht hier von Clandenken, das bei den Anhängern der US-Republikaner, der AfD oder der Werte-Union besonders ausgeprägt ist, seit dem Abschied vom Linksliberalismus auch in der FDP; seit dem Vorsitz von Friedrich Merz zunehmend auffällig auch in der CDU. Entsprechend selten findet man dort Menschen, die sich wirksam für Umwelt-, Minderheiten- und Klimaschutz einsetzen.
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The great enemy of truth is very often not the lie - deliberate, contrived and dishonest - but the myth - persistent, persuasive and unrealistic. Too often we hold fast to the cliches of our forebears. We subject all facts to a prefabricated set of interpretations. We enjoy the comfort of opinion without the discomfort of thought.
(Der große Feind der Wahrheit ist oft nicht die Lüge – absichtlich, erfunden und unehrlich –, sondern der Mythos – hartnäckig, überzeugend und unrealistisch. Zu oft halten wir an den Klischees unserer Vorfahren fest. Wir unterziehen alle Fakten einer vorgefertigten Reihe von Interpretationen. Wir genießen den Trost einer Meinung, ohne die Unbequemlichkeit des Nachdenkens.)
John F. Kennedy
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Das soll zwar nicht heißen, dass es nicht auch in Teilen der Umweltbewegung ein ideologisiertes Clandenken gegen Geldmacht und davon korrumpierte staatliche Institutionen gibt. Das soll aber auch nicht heißen, dass eine fundamentale Kritik am Geldsystem nicht angebracht ist - im Gegenteil, selbst ein Großteil der Ökonom:innen fordert einen ökonomischen Paradigmenwechsel. Jedoch führt die Ideologisierung radikalisierte Linke in die Falle, nicht mehr dialogfähig zu sein.

Im Clan der Klimaskeptiker jedenfalls nimmt man bis heute leichthin für sich in Anspruch, die Sicht auf den Klimawandel zu einer beliebigen Meinungsfrage herabsetzen, und die Forderung nach Klima- und Artenschutz als Ideologie herabwürdigen zu können.
Unter dem Eindruck der schwierigen Aufarbeitung des NS-Terrors in Deutschland benannte Hannah Arendt diese Realitätsflucht als deutsches Problem; der heutige Umgang von Konservativen mit Klimagerechtigkeit, Kolonialismus und Völkermord an Indigenen zeigt jedoch, dass dieses Problem nach wie vor verbreitet ist.


Der wohl hervorstechendste und auch erschreckendste Aspekt der deutschen Realitätsflucht liegt in der Haltung, mit Tatsachen so umzugehen, als handele es sich um bloße Meinungen.
Hannah Arendt
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In der Berufung auf Meinungsfreiheit schlagen Populisten die Aufklärung mit deren vermeintlich eigener Waffe:


Ich bin zwar anderer Meinung als Sie, aber ich würde mein Leben dafür geben, daß Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.
wird verschiedenen Autoren zugeschrieben, u.a. René Descartes und Voltaire

Dass diese Freiheit aus einer Lüge keine Wahrheit macht, interessiert nicht, solange die Lüge nicht als solche erkannt wird.
Die Freiheits-Ideologie der Corona-Skeptiker ist eine Blaupause für Verschwörungstheorien rund um den Klimaschutz, und meiner Überzeugung nach auch als solche von Denkfabriken so angelegt, was natürlich noch zu beweisen wäre.
Ein bezeichnendes Vor-Corona-Beispiel aus Deutschland ist die Reaktion einer Reihe von Klimaskeptikern auf eine Literaturrecherche des UBA 2013. Sie gerierten sich schon damals als Opfer einer Einschränkung der Meinungsfreiheit, Henryk Broder sprach von "Reichskulturkammer" und "DDR-Regime".
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Der neurechte Ex-SPD-Politiker Thilo Sarrazin präsentiert sich während der Corona-Krise in einem Youtube-Video als Opfer einer vorgeblichen Meinungsdiktatur mit einer Guillotine im Hintergrund.
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Solche Provokationen harmonieren mit Meinungsumfragen, z.B. einer vom konservativen Meinungsinstitut Allensbach, deren Ergebnis von der tendentiell rechtspopulistischen Zeitung BILD präsentiert wurde, Schlagzeile: "Wir lassen uns die Meinung nicht verbieten - immer mehr Deutsche haben Sorge offen zu sagen, was sie denken".
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Auf einer Corona-Demonstration benutzte die 22-jährige Rednerin "Jana aus Kassel" das übliche Narrativ von der "Merkel-Diktatur" und verglich sich mit Sophie Scholl. Dieser Vergleich ist absurd, denn Scholl wurde für das Verbreiten ihrer Meinung im Nationalsozialismus hingerichtet, Jana aus Kassel blieb unbehelligt.
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All diese Vergleiche sind ein Schlag ins Gesicht unzähliger Menschen, nicht nur der Opfer des Totalitarismus, sondern auch der Klimakrise. Den Mythos der Populisten, Opfer einer Meinungsdiktatur zu sein, beleuchtet Matthias Lore in der Zeit.
Zeit: [Verknüpfung]
Eine Studie der Stiftung Neue Verantwortung ermittelt 2021 die Dimension des Mangels an Medienkompetenz und zeigt teilweise bedenkliche Tendenzen für die Zukunft.
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Angesichts der mittlerweile enormen Bedeutung "sozialer" Medien, die sich über Jahrzehnte mit Billigung oder gar mit Zutun der Politik nahezu unkontrolliert zu einer überragenden Macht entwickelt haben, kann man diese Warnung nicht ernst genug nehmen.
Fragt man nach den Überzeugungen von Gewaltverbrechern gegen demokratische Politiker:innen, so stößt man immer wieder auf Ängste aufgrund von Verschwörungserzählungen, die eines gemeinsam haben: Wissenschaftsfeindlichkeit. Die AfD ruft immer wieder zur Gewalt gegen Andersdenkende auf.

Der brilliante Poetry Slammer Maik Martschinkowsky, Mitglied des Lesekollektivs Lesedüne, macht es wie die Populisten und dreht zwei ihrer wichtigsten Kampfbegriffe einfach um: Meinungsfreiheit und Meinungsdiktatur.
Menschen ohne begründete Meinung seien nicht mehr frei, zu einem Thema einfach keine Meinung zu haben, und würden aufgestachelt zur Übernahme einer propagierten Mehrheitsmeinung. In Wirklichkeit drohe mittlerweile die Diktatur einer vermeintlichen Volksmeinung: antiliberal, wissenschaftsfeindlich, im Kern autoritär.


Ich hab' langsam das Gefühl, wir leben in einer Meinungsdiktatur. Also irgendwie sollen alle Meinungen zu allem Möglichen haben. Es haben auch alle Leute alle möglichen Meinungen zu allem Möglichen, also nicht nur so'n bisschen, sondern immer volle Pulle. So [...]. Wenn man das nicht mitmacht, dann wird man einfach nicht mehr gehört. Also weiß nicht, wie es euch geht, aber also wenn man nicht zu jedem Scheiß 'ne möglichst laute eindeutige, schrille und vielleicht auch einfache Meinung hat, wird man einfach nicht mehr gehört. Ich mein', da frage ich mich, wo bleibt die Meinungsfreiheit, dass man auch einfach mal frei von Meinung sein [...] kann? Darf man das noch? Geht das heutzutage noch?
Ich meine es kann ja auch 'mal sein, dass man einfach zu irgendwas keine eindeutige Meinung hat. Ja, und ist dann trotzdem nicht egal. Aber das passt ja nicht 'rein in diesen, diesen Eindeutigkeitsgaga. Ja, für Viele ist heutzutage schon eine Zumutung, es ist eine Zumutung, wenn man einfach 'mal sagt "das weiß ich nicht, da müsste ich mich noch 'mal informieren, da muss ich drüber nachdenken; vielleicht gibt's auch andere Leute, die davon mehr Ahnung haben als ich". Dann ist ziemlich schnell 'was los, dann kommt das schnell, hier die, die Wutpolizei mit ihrer Wahrheit im Endstadium. Ja und fängt da an hier wie "Lüge, Fake News" und so, ne. Das ist, was soll man sagen? Also ich mein', dabei muss man nur ein bisschen nachdenken, ja bisschen nachdenken, bisschen gesunden Menschenverstand, und dann 'mal rauskriegen, dass diese, diese ganzen sogenannten Wissenschaftler:innen, ja dass sie sogar zum Teil mehr Ahnung von dem Thema haben als als irgendwelche arroganten Stammtischler, die sich noch nie damit befasst haben. Das ist doch - gut, nicht alle Wissenschaftler:innen. Es gibt Ausnahmen. Es gibt Ausnahmen, aber ich finde es sind schon so viele das ist auffällig.
Maik Martschinkowsky

Dabei macht er die Widersprüche in der patriarchalen Freiheitserzählung, die einen autoritären Kern des Rechtspopulismus bildet, in der Verbotsdebatte klar und deutlich, Zitat:

"Also klar jetzt, Wissenschaftler:innen habe ich auch wieder gegendert. Muss ja inzwischen auch aufpassen, kommt da schnell so ein, so ein Empörungstsunami von irgendwelchen überempfindlichen politisch Inkorrekten oder irgendwelchen, irgendwelchen Genderpanoikern - [ahmt sächsischen Akzent nach:] „nee, hier wird nicht gegendert, hier herscht Genderverbot, unsere Kinder werden sonst alle schwul!“
Muss ich sagen, da is' bei mir eine Grenze erreicht, da ist wirklich eine Grenze erreicht. Also ob ich gender' oder nicht, ist immer noch meine persönliche Freiheit, und wenn mir danach ist, wenn mir danach ist, dann gendere ich wann, wo, wie, wen und was ich will, und das lass' ich mir nicht verbieten, nicht, nicht von einem Ministerpräsidenten:tin Markus Söder und nicht von einem Berliner Oberchefbürgermeister „ich-habe-noch-nie-einen-Brief-in-Gendersprache-unterschrieben“ Kai Wegner:in, und erst recht nicht von irgendwelchen rechtsbraun gereinigten AFD-GmbH-Lemmingen. So.
Also ich mein' - Entschuldigung, ich lass' mich gehen. Aber es ist doch gut. Man muss sich jetzt auch nicht über jedes weggelassene Gendersternchen mehr aufregen als ein Bonze über einen abgebrochenen Mercedesstern, ein bisschen Woke-Life-Balance braucht man.
Aber das ist mir immer noch lieber als dieser ganze Männlichkeitswahn, dieser ganze ... . Also ich hab' nichts gegen Männer, aber. Es ist schon auffällig, dass sie bei allem, bei allem, was schlecht läuft, auf der Welt 'ne, 'ne führende Rolle spielen. Ich will keine, ich will keine Stereotype aufmachen, ja keine Stereotype aber, aber ist doch wahr. Ich meine das ist doch, insbesondere bei diesen ganzen, diesen ganzen Klimaleugnungsfaschisten mit ihrem Tempoterror, ja, Tacho 260, Puls auf 180, IQ auf 90 - anders'rum wäre schlauer, sage ich 'mal.
Entschuldigung, aber das regt mich einfach auf. Alles.
Ja, auch diese ganze Entmündigungshysterie, da will jemand nur 'mal ein kleines Verbot, nicht mal Verbot, eine kleine Änderung einführen, eine kleine, klitzekleine Änderung, und sei sie noch so harmlos - da zücken X Typen ihr Handy aus der Tasche, brüllen irgendwas von Freiheit und Selbstverantwortung da 'rein und stellen das dann ins Internet. Und wenn mal jemand was sagt gegen diese, diese Meinungsinvasion, ja dann heißt es sofort [theatralisch ins Lächerliche ziehend]: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der gecanceltste im ganzen Land? Mimimi, mimimimi!“
Dabei muss ich mal sagen, ich finde und ich glaube, ich bin nicht alleine mit dieser Meinung. Ich bin nicht alleine. Damit bin ich mir sicher: Es gibt einen Unterschied zwischen begründeter Einschränkung zum Wohle der Allgemeinheit und irgendwelchen Verboten, die nur gemacht werden, damit irgendwas sich nicht ändert. Das wird man ja wohl noch differenzieren dürfen."

Martschinkowsky macht die Populisten derart lächerlich; und erst beim zweiten Hinschauen ist mir aufgefallen, dass er dabei stilistisch die populistische Sprache wunderbar karikiert. Doch leider war dem Publikum das Thema zu ernst, um darüber zu lachen, oder sie haben es auch nicht sofort bemerkt. Vielleicht ist es auch einfach nicht lustig.


Filmtip: Maik Martschinkowsky. Nein zur Meinungsdiktatur | 'BHA / Differenzieren dürfen'
Poetry Slam TV bei Youtube: [Verknüpfung]

Im Prozess wegen volksverhetzender NS-Sprache stellt sich der Thüringer AfD-Vorsitzende Björn Höcke als Opfer dar, dem das Recht auf Menschenwürde genommen würde, und betreibt damit die gewohnte Täter-Opfer-Umkehr, die in ihrem Ausmaß dann aber doch wieder erstaunt.

Je drängender die Reaktionen auf die Klimakrise anstehen, desto krasser wird die Desinformation.

Der russische Militärberater Anatoly Tsyganokist hat 2008, nachdem Putin seine Ablösung vom Westen angedeutet hatte, eine russische Desinformationskampagne angestoßen, die sich bis heute weltweit als enorme Gefahr für liberale Demokratien herausgestellt hat.

Desinformation ist seit 2018 von der EU-Kommission zwecks Bekämpfung gesetzlich definiert. Wahrscheinlich auf Betreiben konservativer Parteien angefügt, schließt der letzte Passus die Verbreitung von Propaganda durch politische Parteien von der Definition aus, und erklärt diese Form der Desinformation damit als legal, Zitat:

"„Desinformation“ sind nachweislich falsche oder irreführende Informationen, die mit dem Ziel des wirtschaftlichen Gewinns oder der vorsätzlichen Täuschung der Öffentlichkeit konzipiert, vorgelegt und verbreitet werden und öffentlichen Schaden anrichten können. Unter „öffentlichem Schaden“ sind Bedrohungen für die demokratischen politischen Prozesse und die politische Entscheidungsfindung sowie für öffentliche Güter wie den Schutz der Gesundheit der EU-Bürgerinnen und -Bürger, der Umwelt und der Sicherheit zu verstehen. Irrtümer bei der Berichterstattung, Satire und Parodien oder eindeutig gekennzeichnete parteiliche Nachrichten oder Kommentare sind keine Desinformation." [Verknüpfung]

Fünf Jahre später wird von der EU ein erstes Gesetz gegen Desinformation verabschiedet, der Digital Services Act DSA.

Der deutsche Bürgerrat Klima stimmte 2021 mit 96% für folgende Forderung: "Klimaschutz muss Bestandteil aller Bildungsangebote sein. Bildung zum Klimaschutz muss verpflichtend in allen Bildungsinstitutionen und Lehrplänen verankert sein, um das Klimaschutzbewusstsein auszubauen, klimaneutrales Verhalten zu fördern und Beteiligungsengagement zu stärken."
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Besonders die konservativen Parteien, die an der Erhaltung des Status Quo interessiert sind (dazu zählt auch insbesondere die FDP), betreiben zunehmend Desinformation. Das ist insofern eine Binsenweisheit, als sie gegen die progressiven Kräfte agieren, die die ungerechten Verhältnisse ändern wollen.
Ungerechte Strukturen brauchen Public Relations, viele Unrechts-Regimes wie die Nationalsozialisten oder Sowjet-Kommunisten haben eigene Propaganda-Ministerien. Sicher das bedeutendste Beispiel unserer Tage ist das russische System vom Staatsmedium Russia Today RT bis hin zu Wahlbeeinflussung über Facebook und den Trollarmeen von Jewgenij Prigoschin.
Politiker:innen dagegen stehen in der Öffentlichkeit und müssen sich für ihre Behauptungen verantworten; sie müssen bei der Desinformation subtiler vorgehen. Ein herausragendes Beispiel ist der CDU-Politiker Peter Altmaier, der als Umweltminister, Kanzleramtschef und Wirtschaftsminister in der Energiekehrtwende die Fäden zog. Er schürte Panik beim Thema Kosten, seine Behörde verbreitete jahrelang, gegen Widerstände aus der Wissenschaft, Panik über Infraschall von Windrädern, er bewarb offiziell Klimaschutz und Energiewende, aber holte sich als Staatssekretär einen bekennenden Klimaskeptiker und vernetzte sich inoffiziell mit rechtsextremen Windkraftgegnern, er instrumentalisierte die unteren Einkommensschichten, für die die CDU traditionell weniger Partei ergreift, gegen Klimaschutz, spaltete also die Bevölkerung, und redete in klassischer Täter-Opfer-Umkehr eine Spaltung durch grüne Politik herbei.

Künstliche Intelligenz ermöglicht eine Kombination täuschend realistisch gefälschter Deep-Fake-Videos auf Basis plausibler Propaganda-Erzählungen; Sascha Lobo spricht 2024 von einer neuen Ära der Fake Reality.
Spiegel: [Verknüpfung]

Die DLF-Journalistin Ann-Kathrin Büüsker beleuchtet in der Podcast-Reihe der Bundeszentrale für Politische Bildung bpb das globale Phänomen als Desinformations-Krieg, und die Lösung des taiwanesischen Digital-Ministers.
Podcast-Tip: Netz aus Lügen. 8 Folgen mit Transkript. bpb 2022. [Büüsker 2022]

Die NGO Lie-Detectors hat sich der Aufklärung und Stärkung der Medienkompetenz verschrieben.
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Populisten treten auf den Plan, wenn ihre Interessen durch demokratische Kontrolle ins Wanken geraten, oder wenn die demokratische Kontrolle versagt und sie die Chance sehen, ihre Machtstrukturen auszudehnen. Sie geben vor, die Interessen der vielen Benachteiligten zu vertreten - und gehören in Wirklichkeit zu denen, die diese Benachteiligung verursacht haben. Eine Benachteiligung, die die Berechtigung des demokratischen Systems in Frage stellt. Populisten missbrauchen die in der Aufklärung erkämpfte Freiheit der Meinung für die bewusste Behauptung falscher Tatsachen, von denen Corona- und natürlich Klimaskepsis nur eine von vielen ist (Trumps Beraterin Kelly-Anne Conway spricht von "alternative facts"), und die mitunter schon von Staatsanwälten als Betrug aufgefasst werden. Alle anderslautenden Darstellungen werden von Populisten als "fake news" bezeichnet - bei der AfD lautet der Terminus wie in Nazi-Deutschland "Lügenpresse".
Der größte überführte Lügner der politischen Geschichte Donald Trump gesteht 2021 in einem Interview mit Vanity Fair, Desinformation verbreitet zu haben - um "Optimismus" zu fördern.
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Extreme Formen fehlkonstruierter Weltbilder findet man bei Anhängern sogenannter Verschwörungstheorien; die radikalisierten unter ihnen erweisen sich als Gefahr für die Demokratie, wie der Sturm auf das Kapitol oder den Reichstag zeigten.
Damit sind viele Corona- und praktisch alle Klimaskeptiker in konsequenter Tradition der politischen Reaktion, die schon viele liberale Systeme durch die ihr eigene Achillesferse zerstört hat: durch Berufung auf die Freiheit. Liberale Gesellschaften haben es per definitionem besonders schwer, sich in Krisen gegen rechtskonservative, antiliberale Tendenzen zu verteidigen - wie man am Beispiel der Weimarer Republik, Russland, Ungarn, Polen, Türkei, Brasilien, USA und Brexit sehen kann.
Der Staatsphilosoph und Jurist Ernst-Wolfgang Böckenförde erklärt aus seiner Erfahrung der Weimarer Republik heraus in seinem Böckenförde-Diktum diese Verwundbarkeit der Demokratie als immanent.
So wie die Aufklärung die religiöse Legitimation des Blutadels hinfällig machte, so brauchen wir jetzt eine neue Aufklärung, die die Legitimation des Geldadels dekonstruiert.


So schön die Vorstellung einer Anhöhe des Denkens als heiliger Boden auch ist, auf dem sich alle in friedlicher Absicht zum Gesprächsaustausch treffen, um gestärkt und gereinigt aus der Begegnung hervorzugehen: Philosophie in unserem Jahrhundert ist Aufklärung ohne den Glauben an die Unschuld des Denkens.
Bettina Stagneth
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Haben die reaktionären Kräfte einmal die Oberhand, ist es vorbei mit Freiheit von Wissenschaft und Lehre, aber auch des Journalismus und der Kunst. Unter reaktionären Politikern wie Putin, Trump und Bolsonaro kann man sehen, was mit Wissenschaftler:innen und Aktivist:innen passiert, deren Aussagen über Klimawandel, Minderheiten- und Artenschutz unerwünscht sind. Das geht von Zensur des Begriffs Klimawandel in der US-Umweltbehörde EPA unter Trump, über Drohungen aus dem rechten Mob an Andersdenkende, bis hin zu Morden an Umweltaktivist:innen, vornehmlich Indigenen, in Lateinamerika, Afrika und Südostasien.

Eine Schlüsselrolle im Aufkommen der Rechtspopulisten spielen "soziale" Netzwerke, Plattformen und übergriffige Datenanalyse-Systeme libertärer US-Unternehmer wie Mark Zuckerberg oder Peter Thiel. Vor diesen neuesten Auswüchsen unregulierter Märkte wurde gewarnt - dennoch blieben sie von der Politik viel zu lange unbeachtet, bzw. wurden sogar unterstützt. Der Bericht an den Club of Rome 2022 Earth for all bezeichnet das als das größte Problem er Menschheit, noch vor der ökosozialen Krise.
Der Missbrauch des Internets ist als die große Beschleunigung eines Erosionsprozesses zu sehen, der mit dem Neoliberalismus schon in den 70er Jahren einsetzte. Die Bildung der Massen durch Medien und Schulen kommt im "schlanken Staat" eines Milton Friedman zu kurz: Benachteiligung des öffentlich-rechtlichen gegenüber dem Privatfernsehen, zunehmende Abhängigkeit der Printmedien von Anzeigenkunden und v.a. Zwei-Klassen-Bildungssysteme, die zunehmend der Bereitstellung unkritischer humaner Ressourcen für den Wirtschaftsbetrieb dienen, lassen die Urteilsfähigkeit zunehmend erodieren. Machtmissbrauch führt zu Ungerechtigkeiten, die von Populisten zunehmend demokratiefeindlich gedeutet werden und so verlieren die Wähler immer mehr das Vertrauen in den demokratischen Staat. Unabhängige und öffentlich-rechtliche Medien, die die Missstände aufklären, werden von Rechtskonservativen diskreditiert und nach Möglichkeit demontiert.
Die Verursacher der Ungerechtigkeiten stehen oft genug hinter den rechten Populisten, die das Ende der Ungerechtigkeit versprechen. Sie versuchen, die Verlierer ihres Systems zu dessen Erhaltung zu instrumentalisieren.

Sobald ein kritischer Anteil der Bevölkerung gewonnen ist, steigern Rechtsextreme ihre Erzählungen vom Tatsachenleugnen hin zu Verschwörungsmythen: für die Krisen werden alle möglichen Minderheiten und Progressive beschuldigt, nur nicht die herrschenden konservativen Kräfte des Industriekapitalismus, und zuallerletzt der eigene Clan.
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Bei der QAnon-Verschwörungstheorie aus den USA, die neuerdings auch in Deutschland um sich greift, werden selbst mittelalterliche antisemitische Erzählungen von Kindsmord aufgegiffen, ähnlich wie von Seiten der russischen Propaganda in der Ukraine-Krise, die seit 2014 von gekreuzigten Kindern spricht.

Ein Vergleich chauvinistisch-nationalistischer Auswüchse mit einer radikalen Anti-Klimaschutz-Haltung ist durchaus plausibel. Der Unternehmensberater und Gemeinwohl-Ökonom Gerd Hofielen erklärt klar und schlüssig, wie im Anthropozän die Abstiegsgefährdeten gegen die Transformation instrumentalisiert werden:

"Die politischen Kräfteverhältnisse können vereinfacht als “Kampf der Kulturen” begriffen werden.
Auf der einen Seite stehen die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung, denen ein überwiegender Teil des Vermögens in Deutschland gehört und die vorwiegend ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgen, zulasten von Mensch, Gesellschaft und Natur. Zu denen gesellen sich die Bürger, die Globalisierungs-geschädigt sind, deren Lebensverhältnisse in den letzten Jahrzehnten stagniert haben. Sie sind ideologisch vereint im Bestreben, die tradierten, konservativen Machtverhältnisse beizubehalten und die Umweltzerstörung zu ignorieren. Die ersteren, weil sie davon profitieren, die letzteren, weil sie glauben und hoffen, durch eine Rückkehr zu alten Zeiten ihre Position wieder verbessern zu können. Vordergründig findet das einen politischen Ausdruck in rechts-populistsichen Bewegungen à la Trump und Le Pen, die vorgeben, gegen die ‘Eliten’ zu kämpfen, aber, so kann vermutet werden, mit Hilfe und zum Nutzen dieser alten Eliten regieren werden (Trump ist gegenwärtig dabei, diese These zu beweisen).
Auf der anderen Seite stehen die Bürger, die die Umweltzerstörung erkennen und sie als bedrohliche Entwicklung einschätzen, die durch die ressourcen-verschwenderische Wirtschaftsweise entstanden ist. Deshalb sind diese Teile der Bürgergesellschaft bereit, die Wirtschaftweise zu verändern. Sie suchen nach neuen Wegen mit der Umweltbewegung und dem Paradigma der Nachhaltigkeit. Sie appellieren an die gesellschaftliche Verantwortung der Unternehmen und der VerbraucherInnen."
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Der slowenische Philosoph Slavoj Žižek spricht von "fetischischer Leugnung" der ökologischen Krise und erkennt darin einen Zynismus.
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Die Corona-Krise zeigt, wie schnell das fragile globale Wirtschaftssystem zu Massenelend führen kann. Spätestens am 6. Januar 2021 erweist sich beim Sturm auf das US-Kapitol, wie angreifbar die wirtschafts-liberalen Demokratien verfasst sind.
Um der nationalistischen Reaktion vorzubeugen, wurde dem deutschen Grundgesetz ein Schutz eingebaut, der die Demokratie "wehrhaft" machen, die freiheitlich-demokratische Grundordnung vor Zerstörung schützen soll. Damit sind wir gegenüber anderen Staaten noch privilegiert. Doch auch unsere Verfassung wurde und wird nur von Menschen gemacht und interpretiert.
Es steht zu befürchten, dass wehrhafte Demokratien in der Klimakatastrophe gezwungen sein werden, gegen Wissenschaftsleugnung wie Corona- und Klimaskepsis ähnliche Maßnahmen zu ergreifen, wie heute gegen rechtsextreme Volksverhetzung. Die ersten Gesetze gegen Hassreden im Internet sind bereits in Kraft, doch .

Es gibt viele historische Beispiele von Gesellschaften, deren stures Festhalten an tradierten, aber überholten Strukturen zugrunde gingen - weil sie sich der Auseinandersetzung mit der Realität verweigerten, um die fragile gesellschaftliche Stabilität nicht zu gefährden, oder um eine politische Agenda zu verfolgen. Beispiele sind die Maya, die Moai-Kultur der Osterinsel oder die rassistische Blut-und-Boden-Ideologie, der Überlegenheitswahn der Nazis. Die Zukunft wird zeigen, ob der westliche ("abendländische") nuklear-fossile Ökonomismus auch in diese traurige Reihe gehört.

Die Atomphysikerin Prof. Dr. Lise Meitner verlässt 1938 Nazi-Deutschland, obwohl sie dort gegen die Widerstände einer patriarchalen Unterdrückungskultur im preußischen Wissenschaftsbetrieb eine glänzende Karriere hingelegt hat. Sie bringt in den folgenden Zitaten ihre wissenschaftliche Moral zum Ausdruck, die auch ihre Skrupel vor der Mitentwicklung der Atombombe begründet. Ihr Ausstieg schützte sie nicht davor, nach dem öffentlichen Grauen über Hiroshima und Nagasaki als "Mutter der Atombombe" diskreditiert zu werden.


Ich liebe Physik, ich kann sie mir schwer aus meinem Leben wegdenken. Es ist so eine Art persönlicher Liebe, wie gegen einen Menschen, dem man sehr viel verdankt. Und ich, die ich so sehr an schlechtem Gewissen leide, bin Physikerin ohne jedes böse Gewissen.
Lise Meitner in einem Brief an Elisabeth Schiemann 1915
Das ist in meinen Augen gerade der große moralische Wert der naturwissenschaftlichen Ausbildung, dass wir lernen müssen, Ehrfurcht vor der Wahrheit zu haben, gleichgültig, ob sie mit unseren Wünschen oder vorgefassten Meinungen übereinstimmt oder nicht.
Lise Meitner
Es ist alles so schwierig geworden, weil wir an den alten Grundlagen hängen, die nicht mehr da sind. Es ist in der Politik nicht anders als in der Kunst. Überall ist es ein Suchen nach neuen Grundlagen, nach neuen Ausdrucksformen und wenig bewußter Wille, sich gegenseitig zu verstehen und sich zu verständigen. [...] Wir lernen langsam. Trotzdem glaube ich daran, daß es einmal wieder eine vernünftige Welt geben wird, auch wenn ich es nicht mehr erleben werde.
Lise Meitner in ihrer Dankesrede zur Verleihung des Fermi-Preises 1966
[Sexl 2012]
[Hötzenecker 2017]
[Wikipedia 2024 - Lise Meitner]

Vordenker wie Horaz und Kant drücken es positiv aus. Ihre Zitate sind bekannt als Appell, in Krisen das nötige gesellschaftliche Umdenken auszulösen:


Sapere aude!
Quintus Horatius Flaccus
Habe Mut, Dich Deines eigenen Verstandes zu bedienen
Immanuel Kant

Ein Kernproblem ist die mangelnde wissenschaftliche Kompetenz der Bevölkerung. Meine Vorstellung als Lehrer war zunächst, dass der naturwissenschaftliche Bildungsauftrag sich darauf beschränkt, in der Klima-Diskussion die wissenschaftlichen Fakten (im Widerspruch zu den Behauptungen der Klimaskeptiker) objektiv darzustellen, um so die Dringlichkeit des Klimaschutzes zu begründen.

Bis heute hat die naturwissenschaftliche Bildung in diesem entscheidenden Punkt genauso versagt wie der Journalismus und die Öffentlichkeitsarbeit der Regierung, die im Interese ihrer Klientel in weiten Teilen Desinformation nicht nur zulässt, sondern sogar selbst betreibt.
Es wird immer deutlicher, dass Desinformation eine Quelle massiver existentieller Gefahr darstellt, man hat es an der Propaganda des Dritten Reichs, der Tea-Party-Bewegung in den USA und den Verschwörungstheoretikern bei uns bereits gesehen. Ich frage mich, warum wir in Deutschland immer noch nichts dagegen unternehmen. Möglicherweise hat es etwas damit zu tun, dass Desinformation immer noch für bestimmte Ziele als nützlich empfunden wird.

Ähnlich wie man Reihen von CDU-Innenministern die eine jahrzehntelange Bagatellisierung und Duldung von Rechtsextremismus vorwerfen kann, wobei man über das Motiv nur spekulieren kann. Eine denkbare Strategie wäre das Schaffen einer Drohkulisse, die dem gemäßigten Wähler die Notwendigkeit konservativer Politik vor Augen führen soll, sinngemäß - "seht her: wenn wir keine konservative Politik machen, kommen die Autoritären und fordern sie ein." Das lässt sich freilich nicht belegen.
Was sich belegen lässt, ist, dass Merz, wie von Politologen vorhergesagt, damit den rechten Rand stärkt. Dr. Marc Debus, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Mannheim und Projektleiter am Mannheimer Zentrum für europäische Sozialforschung MZES hat seine Gedanken über die Auswirkungen der CDU-Parteistrategie unter Merz im Blog der Deutschen Vereinigung für Politikwissenschaft zusammengefasst und zitiert dort mehrere Studien.
Deutsche Vereinigung für Politikwissenschaft: [Debus 2023]
Der Blog Volksverpetzer nennt weitere Studien.
Cambridge University Press: [Krause 2022]
Volksverpetzer: [Verknüpfung]
In der Frage nach der Windkraft-Politik wurde jedenfalls dem Bundeswirtschaftsminister Altmaier die Unterstützung einer Anti-Windkraft-Bewegung vorgeworfen, die sich nach Recherchen von energiewende.eu größer darstellte, als sie ist. Bezeichnend, dass in Altmaiers Ministerium neben dem Klimaskeptiker Thomas Bareiß sogar der Vorsitzende der AfD-nahen Anti-Windkraft-Bewegung Vernunftkraft e.V., Nikolai Ziegler, beschäftigt war.
Die Jahre der Corona- und Ukraine-Krise waren von Desinformation geprägt, und haben damit rechte Randgruppen-Meinungen in richtung Mitte der Gesellschaft gerückt. In der Opposition zur Ampel-Koalition betreibt der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz einen Rechtsruck der Partei, denn er verspricht sich davon Stimmen von rechts. Was er damit auf jeden Fall erreicht, ist eine Normalisierung rechten Gedankenguts. Begleitet wird er von der Anti-Grünen-Polemik des skandalbehafteten Ex-BILD-Chefredakteurs Julian Reichelt, einem sprichwörtlichen Mann für's Grobe, der sich auffällig am Vorbild des US-Hetzers Tucker Carlson orientiert.
Diese Strategien sind ein Spiel mit dem Feuer. Das zeigt sich gerade in den USA, wo die Energiewende dadurch gefährdet ist, dass Joe Biden nicht genügend stabile Mehrheiten zustande bekommt - weil selbst in seiner Partei Klimaskeptiker in der Debatte mitmischen. Auch bei uns wäre in einer Krise wie durch Corona oder den Ukraine-Krieg nicht sicher, ob die Stimmung pro Regierungspolitik so stabil bleiben würde - angesichts grassierender Desinformation in den "sozialen" Medien. In der Merkel-Regierungszeit wurde in Deutschland kaum etwas dagegen unternommen, im Gegenteil suchen Fachpolitikerinnen der CSU sogar öffentlich die Nähe zu FaceBook, eine wurde dort als EU-Cheflobbyistin engagiert. Nur das Europäische Parlament hat bisher mit dem Digital Services Act einen ernst zu nehmenden Versuch unternommen.
Die NGO Avaaz begleitet das Vorhaben mit einer großen Kampagne und dokumentiert nach der erfolgreichen Gesetzgebung ihren eindrucksvollen Beitrag.
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In Frankreich jedenfalls wird - gemäß EU-Richtlinien aus 2018 - nach einem Gesetz gegen Desinformation auch eine Behörde geschaffen, die solche Fälle behandelt.
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In Finnland wird zumindest an der Grundschule flächendeckend die Resilienz der Kleinen gegen Desinformation aufgebaut.
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Während bei uns mindestens einmal der Föderalismus und seine üblichen behördenrechtlichen Probleme dem im Wege stehen.
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Ob es auch daran liegt, dass in Frankreich schon vor 200 Jahren die Trennung von Kirche und Staat vollzogen wurde, dass Politik in einem säkularen Staat einfach aufgeklärter ist? Oder dass in Nazi-Deutschland eine ganze Generation Intellektueller zum Schweigen gebracht wurde, durch Mord oder Vertreibung ins Exil?
Mit inspiriert wurde das EU-Gesetz wohl von einem Gesetz des dänischen Folketing aus 2017, das die Einrichtung eines staatlichen Ausschusses gegen wissenschaftliche Unredlichkeit vorschreibt. Ein Vorgänger-Ausschuss hatte den Klimaskeptiker Lomborg 2001 öffentlich gerügt. Dänemark ist schon lange einer der wichtigsten Vorreiter im Klimaschutz; eine dänische EU-Kommissarin (Margrethe Vestager) war es auch, die die Regulation der "sozialen" Medien in der EU angestoßen hat.
In Großbritannien versucht man dem Problem der Desinformation punktuell in einem ganz bestimmten Thema, und auch nur in den öffentlich-rechtlichen Medien zu begegnen: die BBC lässt Klimaskeptiker nicht mehr zu Wort kommen ohne den Hinweis, dass es sich um Desinformation handelt. Während in den USA seit Abschaffung der Fairness-Doktrin durch die Regierung Ronald Reagan jegliche journalistische Sorgfalt privaten Interessen geopfert werden darf - und auch wird.

Der Princeton-Politiologe Jan-Werner Müller beklagt in einer Podiumsdiskussion über gesellschaftlichen Diskurs und Zusammenhalt einen rechtspopulistischen Angriff auf wissenschaftliche Autoritäten, und dadurch einen Verlust an Ausgewogenheit in der Darstellung.

"Also wir meinen ja immer, Demokratie mache ständig Fehler, aber wir sind das lernfähige System - und die Autokraten oder die Autokratien lernen nich'. Und das stimmt nicht, denn eines, was sie gelernt haben, ist, dass sie Institutionen zur - wenn man das so sagen darf - Faktensicherung oder Wissensproduktion oder auch Ideenproduktion systematisch angreifen und untergraben müssen. Das hat mit Journalismus zu tun, das hat mit Universitäten zu tun. Das ist kein Zufall, dass Wissenschaftsfreiheit so ein riesiges Thema geworden ist, dass Victor Orban eine Universität aus seinem Land vertrieben hat. Das hat alles seinen inneren Sinn im Sinne davon, dass man in gewisser Weise erst 'mal Autorität von Menschen untergraben muss, die letztendlich auf Grund von spezieller Ausbildung, speziellen Fähigkeiten gewissermaßen autoritativ sprechen.
Und wir haben früher immer gedacht „antiautoritär ist automatisch links“. Es gibt aber auch rechts-antiautoritär. Und das ist sozusagen ein Mechanismus, wie die das machen. Und deswegen ist es unglaublich wichtig mehr darüber nachzudenken, wie diese Institutionen sich verteidigen können, und konkreter, wie man auch auf ganz gewisse Attacken konkret reagiert. Wenn Sie mir ein Beispiel aus den USA erlauben. Die amerikanischen Journalistinnen und Journalisten haben sich jahrelang wahnsinnig schwergetan mit diesem Angriff auf sie, wo man immer gesagt hat, „ihr seid ja alle irgendwie parteiisch“, und sie wussten im Grunde nich', wie sie damit umgehen sollten. Die Antwort, die sie glaub' ich erstmal in der Journalistenschule gelernt haben, die hieß „naja, wir müssen ja auch beide Seiten darstellen“. Das funktioniert aber nur in einem Zweiparteiensystem, wo beide Parteien demokratisch sind. Das funktioniert nicht in einem Zweiparteiensystem, wo sich eine Partei sich mehr oder weniger von der Demokratie verabschiedet hat. Und dann ist eine symmetrische Darstellung eigentlich asymmetrisch [...]. Jemand, der mir heute sagt „die Wahl 2020 ist gestohlen, gefälscht worden“, ist - mit Verlaub - kein Demokrat. Aber davon gibt's sehr viele.


Und das ist glaub' ich der Punkt, wo man sehr genau nachdenken muss, wie kann man Strategien entwickeln, dass man auch nicht immer nur reagiert, also nicht immer nur den Autokraten hnterherläuft und sagt, „halt [...] - neue Form von Angriff - was machen wir jetz'?". Sondern auch ein bißchen proaktiv darüber nachdenkt, wie können wir eigentlich systematisch unsere Fakten generierenden Institutionen verteidigen, [...] wie können wir auch viel offensiver in die Öffentlichkeit gehen? [... Um zu sagen] unsere Institutionen leisten einen ganz ganz wichtigen Beitrag in die Gesellschaft, und wir lassen uns das irgendwann nicht mehr gefallen, immer als liberale Eliten angegriffen zu werden. Das sind Sachen, über die man auch nach so vielen Jahren nach der Konfrontation mit dem Rechtspopulismus viel zu wenig nachgedacht hat.
Jan-Werner Müller
RegierungBW auf Youtube: [RegierungBW 2023] bei 1h 56min

Ich fasse Müllers Ideen zu einer Forderung zusammen.


Wir müssen die Autorität der Wissenschaft gegen die (insofern "antiautoritären") Rechten verteidigen.

Neoliberale fordern in der Schule mehr "wirtschaftliche" Bildung, womit eigentlich betriebs-wirtschaftliche Bildung gemeint ist, und bekommen sie auch. In Nordrhein-Westfalen z.B. wurde von der CDU-FDP-Koalition das Fach "Politik", in dem es bei diesem Thema um die Fragen der Volkswirtschaft geht, durch das Fach "Wirtschaft" ersetzt. Es geht dort also weniger um die Ökonomie des Gemeinwohls als um die Ökonomie privater Interessen. Diese Schulpolitik steht im Einklang mit der Unterdrückung von Aufklärung in Fragen der Umweltkriminalität, einer eigenwilligen Interpretation und Darstellung wissenschaftlicher Ergebnisse und dem Schüren von Wissenschaftsfeindlichkeit in NRW.

Wie weit die USA schon in der rechtskonservativen Gleichschaltung sind, zeigen die neuen, rechtskonservativ revidierten Lehrpläne und die sogenannten Anti-Wokeness-Gesetze für Banken. Damit wird auf Eintreten für Klimaschutz, Gender-Gerechtigkeit und gegen Waffenmissbrauch immer restriktiver reagiert. Mit derart reakionären Politikern, die eine fossile und soziale Restaurationspolitk betreiben und den faschistoiden Reaktionär Trump unterstützen, wollte sich Friedrich Merz im August 2022 über "konservative Werte" austauschen. Einen eigenen Besuch bei dessen ultrakonservativen Parteifreund Ron de Santis, Gouverneur von Florida und Präsidentschaftskandidat, absolvierte 2023 eine hochrangige Delegation der CSU. Kurz darauf wurde mit der Wärmepumpen-Debatte ein Kulturkampf nach amerikanischem Vorbild entfesselt, begleitet von einer Medienkampagne u.a. von Julian Reichelt, der sich verblüffend am amerikanischen "Vorbild" Tucker Carlson orientiert. Diese Strategie verfängt, weil der gesellschaftliche Wandel für unwillige Konservative eine Kränkung bedeutet. Diese stilisieren sich gerne als Opfer einer Meinungsdiktatur und verschieben die Grenzen des Sagbaren mit dem Hinweis "das wird man ja wohl noch sagen dürfen". Die Wärmepumpen-Debatte war nur der Auftakt.


Der Vorwurf der rechten Konservativen, woke zu sein, also ihrer Intoleranz mit Kritik zu begegnen, ist eine Selbstverzwergung (neudeutsch: "mimimi"): Sie fordern allen Ernstes Toleranz für ihre Intoleranz. Die moralischen Maßstäbe haben sich verändert, und das möchten sie restaurieren, rückgängig machen. Weil ihnen in einer liberalen, toleranten Gesellschaft die Argumente fehlen, bleibt ihnen nur Gejammer, Motzen und Wut - nicht mehr als kindische Trotzreaktionen.

Das wirkt zunächst einmal nur lächerlich, solange es keine Konsequenzen hat. Wenn heute jedoch Rechtsradikale zuerst ihr demokratisches Recht auf Meinungsfreiheit einfordern und dann in einem Atemzug die Nazizeit verklären, wird die perverse Verdrehung überdeutlich: abweichende Meinungsäußerung wurde von den Nazis mit dem Tod bestraft, und die nebulösen Ankündigungen "wohltemperierter Grausamkeit" des Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke sind eine offene Drohung für Andersdenkende.

Im Winter 2023/24 macht der ARD-Kabarettist Florian Schröder mit seinem Buch "Unter Wahnsinnigen" von sich reden, weil er sich dort face to face mit Rechtspopulisten auseinandersetzt, u.a. mit dem österreicher Kopf der Identitären Martin Sellner, der mit seiner Teilnahme am aufgedeckten Düsseldorfer Forum in Potsdam für Wirbel sorgte. Konsequenterweise begibt er sich auch in die Höhle des Löwen, in den Youtube-Kanal des Ex-Bild-Chefs Juian Reichelt, der dort rechtspopulistische Hetze betreibt. Dort diskutieren die beiden angeregt auch um den Vorwurf der Cancel Culture, Zitat:

Reichelt: "Mir geht es darum zu sagen: „Ich finde alles, was die Grünen machen, grauenvoll. Und ich finde, es sind lächerliche Gestalten. Und gearbeitet haben sie auch nie.“ Das gilt ja inzwischen auch als Hass und Hetze."
Schröder: "Ja, das ist keine Hass und Hetze, das ist einfach eine drastische Simplifizierung, und es ist eine populistische Vereinfachung. Das isses, aber ob es Hass und Hetze is', weiß ich nich'. Also, das muss jeder für sich beurteilen, ob er sich da verletzt fühlt.
Aber der Punkt ist schon: es gibt eine [...] Cancel Culture oder den Versuch einer Cancel Culture, den ich aber in Deutschland ganz anders bewerten würde als beispielsweise in den USA. Und das Geheule derer, die da sagen, man könne nichts mehr sagen, is' ja häufig nur das Geheule derer, die glauben, dass Meinungsfreiheit funktioniert ohne Widerspruch. Und das funktioniert nich'. Wer für Meinungsfreiheit ist, muss aushalten, dass es Widerspruch gibt und dass es auch harten Widerspruch gibt. Aber es gibt sehr viele Menschen, die sehr gut austeilen können, aber sehr schlecht einstecken können. Und die, die so gut aus[teilen] können, die müssen eben auch zulassen, dass dann Gegenwind kommt."


Aber immer nur zu sagen, "man kann ja nichts mehr sagen", halte ich für eine der albernsten und auch dümmsten Verkürzungen, weil das sagen immer die Leute, die nämlich tatsächlich Dinge sagen, für die man ihnen knallhart widersprechen muss. Das sind nämlich oft die Rassisten, das sind auch einfach die Leute, die sagen wollen, "ich will ein Wort sagen, was [wir] seit 100 Jahren sagen", dann sage ich "nee, gewisse Worte müssen wir einfach nicht mehr benutzen. Punkt." Ohne dass ich die Worte jetzt benutze.
Und das ist das Entscheidende. Und dieses Gejammer kann ich einfach schwer ertragen.
Florian Schröder
Youtube: [Verknüpfung]

Ich habe den unerträglichen Spruch "das wird man ja wohl noch sagen dürfen" auf einem Plakat bei der Demo gegen Rechts in Bitburg umgedeutet.


Was wird man denn wohl noch sagen dürfen, wenn Nazis uns alles diktieren?

Unter dem Eindruck des Nazi-Faschismus erklärte schon der Philosoph Karl Popper Intoleranz zu einer Gefahr für Toleranz, und forderte deshalb Intoleranz gegenüber Intoleranten - er nannte das Intoleranz zweiten Grades. Popper formulierte das Problem im sogenannten Toleranz-Paradoxon:


Weniger bekannt ist das Paradoxon der Toleranz: Uneingeschränkte Toleranz führt mit Notwendigkeit zum Verschwinden der Toleranz. Denn wenn wir die uneingeschränkte Toleranz sogar auf die Intoleranten ausdehnen, wenn wir nicht bereit sind, eine tolerante Gesellschaftsordnung gegen die Angriffe der Intoleranz zu verteidigen, dann werden die Toleranten vernichtet werden und die Toleranz mit ihnen. [...]
Wir sollten daher im Namen der Toleranz das Recht für uns in Anspruch nehmen, die Unduldsamen nicht zu dulden. Wir sollten geltend machen, dass sich jede Bewegung, die die Intoleranz predigt, außerhalb des Gesetzes stellt, und wir sollten eine Aufforderung zur Intoleranz und Verfolgung als ebenso verbrecherisch behandeln wie eine Aufforderung zum Mord, zum Raub oder zur Wiedereinführung des Sklavenhandels.
Karl Popper
[Wikipedia 2024 - Toleranz-Paradoxon]

Ein Beispiel für die Umsetzung eines illiberalen Freiheitsbegriffs ist die Forderung nach einem Gender-Verbot. Es kommt von genau denselben, die eine "woke Verbotskultur" beklagen.
Standard: [Verknüpfung]
SZ: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Die Bundesländer Bayern, Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind Vorreiter und legen ein Anti-Gender-Gesetze für Schulen, Hochschulen, Verwaltung und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk vor. Die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes Ferda Ataman legt ein Gutachten vor, das die Problematik dieses Gesetzes verdeutlicht: Es gebe keinen Genderzwang; "der Staat sollte Respekt und Toleranz fördern, nicht verbieten", das sei ein "Rückschritt in das letzte Jahrhundert".
FAZ: [Verknüpfung]

Der humanistische Freiheitsbegriff ist vollkommen unverträglich mit dem völkischen, der in der Feminismus- und Migrationsdebatte, aber auch in der Forderung nach Freiheit zum fossilen Ökozid Ausdruck findet. Klimagerechtigkeit ist inkompatibel mit Faschismus.


Der Gleichheitsgrundsatz ist eine Prämisse der Demokratie, die aufgrund der Erfahrungen des deutschen Faschismus im ersten Artikel des Grundgesetzes festgesetzt ist. Dass es im Nachkriegsdeutschland Schwierigkeiten gab, diesen Grundsatz mit Leben zu füllen, war ein Grund der Studentenproteste der 68er, die sich auf die Kritische Theorie der Frankfurter Schule beriefen. Solche Probleme werden jetzt wieder deutlich.
In den USA wurde 1977 die Gleichheitsforderung von schwarzen Feministinnen des Combahee River Collective formuliert. Sie gilt als Kristallisationspunkt der globalen Identitätspolitik, die gegen die Diskriminierung von Minderheiten kämpft.


Die Wertschätzung von Vielfalt bedeutet, ohne Angst verschieden sein zu können.
Theodor Adorno
Als menschlich und gleich anerkannt zu werden, ist uns genug.
Combahee River Collective
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Wer daran rüttelt, gefährdet die Grundlagen des Rechtsstaats. Deshalb darf auch die AfD und ein Hubert Aiwanger mit ihrer Exklusions-Agenda einer "Volksgemeinschaft" mit einem vermeintlichen "Volkswillen" einer "schweigenden Mehrheit" nicht mit demokratischen Parteien gleichbehandelt werden.


Um Menschen, um tugendhafte Staatsbürger zu bilden, muss man sie unterrichten, ihnen die Wahrheit zeigen, mit ihnen vernünftig reden, ihnen ihre Interessen sichtbar machen, sie lehren, sich selbst zu achten.
Paul Henry Thiry d'Holbach

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Ein hoher Anspruch. Wie sieht nun die Realität an deutschen Schulen aus?

Mit Wettbewerben und anderen differenzierenden Angeboten werden natur- und kulturwissenschaftliche Eliten herangezogen, die sich von Anfang an als Räder im neoliberalen Wachstumsmotor integireren. Beim wichtigsten dieser Wettbewerbe Jugend Forscht wird diese Elite von mächtigen Sponsoren aus der Wirtschaft nachhaltig auf den Machbarkeits-Mythos eingeschworen. Bei Lateinwettbewerben eine exklusive Eliten-Sprache konserviert, und bei Jugend Musiziert eine exklusive Oberschichts-Kultur gepflegt.
Parallel dazu wird die naturwissenschaftlich-technische Breitenbildung umso stärker vernachlässigt. Der daraus resultierende massive Lehrermangel in den MINT-Fächern verstärkt sich selbst, und der Staat schaut dabei (wie im Wohnungssektor oder den Monopolen und Kartellen) zu, obwohl er im Sinne des Gemeinwohls massiv gegensteuern müsste. Zusätzlich werden neoliberale Tendenzen zur Privatisierung des Bildungswesens deutlich, die die Konsolidierung einer Zwei-Klassen-Gesellschaft vorantreiben. Deren Auswirkungen kann man z.B. im angelsächsischen Raum oder auch in Frankreich beobachten: Armut wie Reichtum werden vererbt, also auch der Zugang zu Bildung. Nur diejenigen, deren Hochbegabung auffällt, können aufsteigen. Aber nicht etwa, um Chancengerechtigkeit zu schaffen, sondern weil Stipendiaten sich überdurchschnittlich oft als produktive Leistungsträger erwiesen haben.

Schulen werden zunehmend als Dienstleistungsbetriebe verstanden, die bei entsprechendem fleißigen Wohlverhalten einen Abschluss bescheinigen - humanistische Bildung ist dabei oft zweitrangig. Gerade männliche Absolventen wissen um ihren Geschlechtervorteil, und brüsten sich gerne damit, ihren schulischen Einsatz auf Effizienz hin optimiert zu haben. Die Generation Golf ist wohlhabend wie keine zuvor, und vielleicht auch keine danach - aber sie will keine anstrengenden Erklärungen, sondern in erster Linie das Leben genießen, denn sie ist von klein an auf Konsum konditioniert.


In Deutschland ist es so: man kokettiert damit, dass man immer schlecht in Mathe war - und damit hat man 'nen Partybrüller.
Christopher Schrader
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Dazu kommt eine schleichende Degression der Fachinhalte, vor allem in Naturwissenschaften, zu Gunsten von soft skills und Kompetenzen, die der gesellschaftlichen Integration dienen sollen - worunter nicht selten v.a. die Verwertbarkeit von Arbeitskraft verstanden wird. Heißt praktisch, den Kindern helfen, die wachsenden Sozialisationsanforderungen in einer zunehmend spannungsgeladenen Gesellschaft zu erfüllen, auch weil überforderte Elternhäuser das immer weniger leisten können. Für ein gehirngerechtes, vernetztes Lernen ist schon die Organisation des Schulbetriebs nicht gerade ideal. Ganz zu schweigen von selbstbestimmtem, also intrinsisch motiviertem Lernen.

In den Ostblockstaaten war der Unterricht zwar sehr traditionell, dafür wurde in der Schule erstaunlich viel Wert auf handwerkliche und naturwissenschaftliche Inhalte und Fertigkeiten gelegt, die dann auch oft erfolgreich vermittelt wurden. Im autoritären Russland Putins nützt dieses Mehr-Wissen an Grundlagen dem Klima allerdings auch nichts - die Medien sind gleichgeschaltet und werden nichts verbreiten, was den Interessen der Öl-Oligarchen widerspricht.

Im Schulbereich ist ein immer größerer Einfluss privater Interessen zu beobachten - allein über private Finanzierung, wobei es ein weites Spektrum von der Vergabe von Drittmitteln bis zur vollständigen Privatisierung gibt.
[Wikipedia 2022 - Schulmarketing]
Beispiel: [Verknüpfung]
Doch es braucht nicht einmal direkten finanziellen Einfluss von außen, damit alles so bleibt, wie es ist.
Viele Kolleg:innen verstehen sich als Konservative, sind aber eigentlich Neo-Konservative und damit aus Clandenken heraus Fossilökonomisten. Für sie ist in erster Linie die Wahrung der Besitzverhältnisse Voraussetzung für stabile Verhältnisse. Echte Wertkonservative wie seinerzeit Herbert Gruhl (†1993), Klaus Töpfer, Josef Göppel (CSU, †2022) oder vielleicht noch Heiner Geißler (†2017), für die die Bewahrung der Schöpfung untrennbar mit ihrem Wertkonservatismus verbunden ist, waren in der CDU/ CSU schon immer ganz seltene Ausnahmen.
[Wikipedia 2023 - Josef Göppel]
[Wikipedia 2023 - Klaus Töpfer]
[Wikipedia 2023 - Josef Göppel]
Unter jüngeren Spitzenpolitiker:innen der CDU finden sich praktisch keine Umweltexperten.
Von den übrigen Kolleg:innen, von denen etliche die Problematik verstehen, verwechseln leider die meisten eine kritiklose Wiedergabe beider politischer Meinungen, also auch wissenschaftlicher Unwahrheiten, mit politischer Ausgewogenheit. Sie entziehen sich ihrer Verantwortung einzugreifen, und berufen sich auf ein vermeintliches politisches Neutralitätsgebot. Sie erhalten damit die angenehme Lüge am Leben, es sei alles in Ordnung, es bestünde kein Anlass zu politischem Engagement. Und wenn eine Lehrkraft doch einmal die Wissenschaftlichkeit verschiedener Akteure kritisch beleuchtet, dann reicht bei vielen Direktionen ein Anruf aufgebrachter Eltern, um hier wieder für Ruhe und Ordnung zu sorgen.

Diese unkritische Obrigkeits-Hörigkeit bezeichnete Kant als "selbstverschuldete Unmündigkeit", davor warnten schon Gottfried Keller und Hildegard Hamm-Brücher, dem widerspricht selbst die scheidende CDU-Kanzlerin Angela Merkel. Ihre bisherige Klimapolitik sei "Pillepalle" gewesen, räumt sie 2020 ein. Die Jugend müsse "Druck machen", sagt sie schließlich 2021 in ihrem letzten offiziellen Interview bei der Deutschen Welle.

Wie weit die klimaskeptische Desinformation gehen kann, beschreibt die US-Journalistin Katie Worth. In etlichen Bundesstaaten bestimmt die Öllobby, was in den Schulen unterrichtet wird.
Buchtip: Katie Worth. Miseducation - How Climate Change Is Taught in America. Columbia Global Reports. Columbia University, New York 2021
Columbia University: [Verknüpfung]

Anstatt den Bürger:innen selbst reinen Wein einzuschenken, lädt Merkel die Bürde des zivilgesellschaftlichen Antreibers den Kindern auf - was freilich ihren bescheidenen Ambitionen in Sachen politischer Machbarkeit entspricht. Die Forderungen linksgrüner Gutmenschen konnte sie geflissentlich ignorieren - die von Greta Thunberg aber nicht, weil die Zivilgesellschaft diese sich aus Gerechtigkeitsempfinden und Empathie zu eigen gemacht hat.

Eine Bürde, die zu tragen schon schwer genug ist. Ohne entsprechende Bildung unvorstellbar - woher sollte Greta denn überhaupt von der ungelösten Anthropozän-Krise wissen, wenn nicht von ihren Eltern, dem Kindergarten, der Schule, den Medien?
Sicher hatte Greta das Glück, in Familie und Schule erste Anstöße zur Beschäftigung mit dem Thema zu bekommen. Das ist noch lange nicht für alle Kinder die Regel.
1998 begrüßt die deutsche UNESCO-Kommission in Köln per Resolution die ersten Arbeitsschritte zur Entwicklung einer BNE (Bildung für Nachhaltige Entwicklung, englisch ESD, Education for Sustainable Development).
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2005 beginnt die UN-Dekade BNE. Danach kommt noch eine lange Liste weiterer Resolutionen, ohne dass BNE in der Breite der Schulen umgesetzt wird, bis heute (2023).
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2015 hat die Generalversammlung der Vereinten Nationen UN 17 globale Ziele für nachhaltige Entwicklung der UNESCO (Nachhaltigkeitsziele, englisch Sustainable Development Goals oder auch Global Goals) formuliert. Laut Ziel Nummer 4 - BNE - soll die Jugend zur politischen Mitgestaltung ihrer Zukunft befähigt, ermächtigt und bestärkt werden. Ohne eine Transformation der Bildung werden Schulen und Lehrer:innen dem Bildungsauftrag der Zukunft nicht gerecht, sagt die UNESCO.
2021 haben viele Unterzeichnerstaaten, auch Deutschland, mit der Berlin Declaration (Berliner Erklärung) ein beeindruckendes Bekenntnis zur Umsetzung dieses Global Goals bis 2030 abgegeben: ESD for 2030. Noch ein gewichtiges Vermächtnis Angela Merkels für die Nachwelt - hier für den Bildungssektor.


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Wir sind davon überzeugt, dass dringend gehandelt werden muss, um die miteinander verknüpften dramatischen Herausforderungen anzugehen, vor denen die Welt steht, insbesondere die Klimakrise, den massiven Rückgang der Artenvielfalt, Umweltverschmutzung, Pandemien, extreme Armut und Ungleichheiten, gewaltsame Konflikte und andere Umwelt-, Gesellschafts- und Wirtschaftskrisen, die das Leben auf unserem Planeten gefährden. Wir sind der Auffassung, dass die Dringlichkeit dieser Probleme, die durch die Covid-19-Pandemie noch verstärkt werden, einen grundlegenden Wandel erforderlich macht, der uns hin zu einer nachhaltigen Entwicklung führt, die auf einer gerechteren, inklusiveren, achtsameren und friedlicheren Beziehung zueinander und zur Natur gründet.
[...] Wir sind zuversichtlich, dass Bildung entscheidend zur positiven Veränderung von Denkweisen und Weltanschauungen beiträgt und alle Dimensionen einer nachhaltigen Entwicklung von Wirtschaft, Gesellschaft und Umwelt zusammenführen und damit sicherstellen kann, dass die Entwicklungspfade nicht ausschließlich auf Wirtschaftswachstum zu Lasten des Planeten, sondern im Rahmen der Belastbarkeitsgrenzen der Erde auf das Wohl aller ausgerichtet sind.
Wir sind zuversichtlich, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) als Nachhaltigkeitsziel 4.7 und als Wegbereiter aller 17 Nachhaltigkeitsziele die Grundlage für den erforderlichen Wandel bietet, indem sie jedem und jeder Wissen, Kompetenzen, Werte und Einstellungen vermittelt, die notwendig sind, um den Wandel hin zu einer nachhaltigen Entwicklung mitzugestalten. BNE befähigt Bildungsteilnehmerinnen und - teilnehmer, kognitive und nichtkognitive Kompetenzen zu entwickeln wie zum Beispiel kritisches Denken und die Fähigkeit, zu kooperieren, Probleme zu lösen und mit Komplexität und Risiken umzugehen, Resilienz aufzubauen, systemisch und kreativ zu denken und ermöglicht so ihr verantwortungsbewusstes Handeln als Bürgerinnen und Bürger, die damit ihr Recht auf hochwertige Bildung entsprechend SDG 4- Agenda Bildung 2030 wahrnehmen können. Wir sind der Ansicht, dass BNE auf der Achtung der Natur sowie von Menschenrechten, Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Nichtdiskriminierung, Chancen- und Geschlechtergerechtigkeit gründen und diese fördern muss. Außerdem sollte sie interkulturelles Verständnis, kulturelle Vielfalt, eine Kultur des Friedens und der Gewaltlosigkeit, Inklusion und das Konzept eines weltweit verantwortungsbewussten und aktiven bürgerschaftlichen Handelns fördern. [...]
Unsere Verpflichtung
[...] Im Rahmen unseres jeweiligen Mandats und Zuständigkeitsbereichs und unter Berücksichtigung unserer Bedürfnisse, Kapazitäten, verfügbaren Ressourcen und nationalen Prioritäten verpflichten wir uns,
[...] sicherzustellen, dass BNE ein grundlegendes Element unserer Bildungssysteme auf allen Ebenen ist, mit Umwelt- und Klimamaßnahmen als ein Kernbestandteil des Lehrplans, und gleichzeitig eine ganzheitliche Sicht auf BNE zu wahren, die dem Zusammenhang zwischen allen Dimensionen der nachhaltigen Entwicklung Rechnung trägt,
[...] BNE mit gemeinsamem Schwerpunkt auf kognitiven Fertigkeiten, sozialem und emotionalem Lernen und Handlungskompetenzen für die individuelle und gesellschaftliche Dimension des Wandels umzusetzen und dabei beim Einzelnen eine Verhaltensänderung für nachhaltige Entwicklung, Chancengleichheit und Achtung der Menschenrechte sowie einen grundlegenden strukturellen und kulturellen Wandel auf Systemebene in Wirtschaft und Gesellschaft zu fördern und auch die notwendigen politischen Maßnahmen für diesen Wandel voranzutreiben,
[...] die Möglichkeiten von BNE für die Umgestaltung unserer Gesellschaften u. a. für einen besseren Zugang zu wissenschaftlichen Erkenntnissen und Datenaustausch zu nutzen, um Forschung, evidenzbasierte Politik, demokratische Entscheidungsfindung und die Anerkennung indigenen Wissens zu ermöglichen, eine nachhaltige und transformative Wirtschaft zu fördern, in der das Wohl der Menschen und des Planeten im Mittelpunkt steht, und um Resilienz zu fördern und besser auf künftige globale Krisen vorbereitet zu sein,
[...] auch die entscheidende Rolle der Lehrkräfte bei der Förderung von BNE anzuerkennen und in die Kompetenzentwicklung von Lehrenden und anderem pädagogischen Personal auf allen Ebenen zu investieren sowie einen bereichsübergreifenden Ansatz bei der Transformation der Bildung sicherzustellen,
[...] das Potenzial neuer, digitaler und „grüner“ Technologien zu nutzen, um sicherzustellen, dass Zugang, Entwicklung und Einsatz der Technologien verantwortungsbewusst, sicher, gerecht und inklusiv gestaltet sind und auf kritischem Denken und Nachhaltigkeitsprinzipien einschließlich einer angemessenen Nutzen-Risiko-Abwägung basieren sowie offene Bildungsmaterialien (Open Educational Resources), offene Wissenschaft (Open Science) und erschwingliche digitale Lernangebote (eLearning) für BNE fördern,
[...] jungen Menschen die aktive Mitwirkung an einer nachhaltigen Entwicklung dadurch zu ermöglichen, dass Lernangebote und Möglichkeiten für bürgerschaftliches Engagement geschaffen und sie mit Kompetenzen und Instrumenten ausgestattet werden, um durch Beteiligung an BNE zum individuellen und gesellschaftlichen Wandel beizutragen [...].
Ausblick [...]
Transformatives Lernen für Mensch und Erde ist überlebensnotwendig für uns und für künftige Generationen. Die Zeit zu lernen und für unseren Planeten zu handeln ist jetzt.
UNESCO

Berlin Declaration (deutsch): [Verknüpfung]

Angesichts des bisherigen Versagens in der Nachhaltigkeitsbildung ein dickes Brett. Ein Neutralitätsgebot in politischer Bildung gibt es jedenfalls schon längst nicht mehr, es wurde bereits 1976 im Beutelsbacher Konsens durch das Kontroversitätsgebot ersetzt. Eine Meinungsäußerung der Lehrperson ist danach nur dann nicht erlaubt, wenn eine einseitig verzerrte Darstellung zu einer Überwältigung der Schüler:innen führt. Eine objektive Darstellung natur- oder auch psychologischer oder wirtschaftswssenschaftlicher Fakten ist davon jedoch nicht betroffen.
[Wikipedia 2022 - Beutelsbacher Konsens]


Sobald du in diese Richtung quasi etwas kommunizierst, dann wird dir vorgeworfen, dass du irgendwas für die Grünen machst. Das ist doch [...] komplettes [politisches] Versagen, wenn andere Parteien nicht damit in Zusammenhang gebracht werden. Es kann doch nicht sein, dass wir bei einem globalen Problem das Ganze einer Partei überlassen. Das müssen alle zusammen machen - Regierung wie Opposition müssen an einem Strang ziehen.
Özden Terli
Youtube: [Sci4F 2022-01]

Besonders heftig, und nicht weniger faktenbefreit, diskutiert man über politische Neutralität gegenüber rechtsextremen Parteien. Diese versuchen, über Beschwerden und Prozesse gegen Lehrpersonen und die Schulverwaltung Kritik zu unterbinden.
Die verbreitete Fehlannahme ist dabei, dass es in der politischen Bildung kein Neutralitätsgebot gibt, im Gegenteil ist die Lehrkraft zum Eintreten gegen verfassungsfeindliche Tendenzen, auch in Parteien, verpflichtet, Beamt:innen sogar per Diensteid. Der Jurist Hendrik Cremer analysiert diesen Punkt für das Deutsche Institut für Menschenrechte.
[Cremer 2019] Die NGO Teachers for Future Germany e.V. weist darauf 2024 mit ihrer Kampagne #DiensteidVerpflichtet hin.
Das Aktionsbündnis Aufstehen gegen Rassismus betreibt seit Jahren Fortbildungsarbeit für öffentlich Beschätfigte und Organisationen, um diese gegen Angriffe der AfD resilienter zu machen.
[Verknüpfung]


Youtube: [Verknüpfung]

Auch im Hochschulbereich hat der Wertewandel im Neoliberalismus für eine Abkehr von der humanistischen, universitären Bildung gesorgt, hin zum Utilitarismus. Wenn Institute für biologische Taxonomie und Ökotoxikologie den Glauben an die Segnungen des Fortschritts untergraben, dann streicht man ihnen die Gelder - man lässt sie ausbluten und sterben.
Staatliche Institute, die Innovationen, also wirtschaftlich verwertbare Ergebnisse produzieren, dürfen stattdessen von privater Hand mit sogenannten "Drittmitteln" unterstützt werden - wofür die Sponsoren Patente bekommen, zwecks privater Wertschöpfung. Diese Variante der neoliberalen Idee von public private partnership steht im diametralen Gegensatz zur gemeinwohlorientierten Forschung eines entrepreneurial state.

Der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht, Direktor des Centrum für Naturkunde der Universität Hamburg, zieht in seinem Standardwerk "Das Ende der Evolution" eine alarmierende Bilanz des Artensterbens. Im phoenix-Interview persönlich mit Michael Krons erklärt er die Krise aus einem grundfalschen Naturverständnis heraus, auf dessen Ursachen ich im nächsten Kapitel eingehe.


Wenn ich jetzt in einer Sendung zugeben würde, dass ich noch nie in einer Kunsthalle war, wäre ich gesellschaftlich tot. Aber wenn ich etwas von Biologie nicht verstehe, dann ist das nicht so problematisch.
Matthias Glaubrecht

Glaubrecht weiter:

"Das abendländische Denken ist [...] eigentlich davon dominiert, dass wir uns ja für Halbgötter wenigstens gehalten haben, und dass wir die Natur beherrschen können. [...] Wir sind [...] noch nicht da angekommen, wo wir sein sollten, uns wirklich als Teil der Natur zu verstehen, dass wir nur mit der Natur existieren können, und dass wir nicht gegen sie arbeiten können.
Letztlich hat es etwas damit zu tun, dass wir diese Pandemie falsch eingeschätzt haben, dass wir lange gedacht haben, solche Krankheiten, solche Pandemien, „die gelten nicht für uns, das ist ein geschichtliches Kapitel, das mag in der Vergangenheit mal der Fall gewesen sein und heute haben wir Möglichkeiten, uns dagegen zu wehren.“ Und ich glaube wir erfahren jetzt, dass unsere Möglichkeiten da sehr beschränkt sind, bei allen Erfolgen. Und ich glaube, wir brauchen ein anderes, neues Verständnis des Miteinanders mit der Natur. Es wird aber sehr schwierig, weil es ist ein dicht besiedelter Planet inzwischen, den wir ja auch bis an die Grenzen ausbeuten, und deswegen bringen wir ihn in eine sehr schwierige Situation."
Video: [Verknüpfung]

Ähnliche kritische Gedanken wurden schon vor etwa einem halben Jahrhundert von prominenten Wissenschafts-Kommunikatoren formuliert, wie Hoimar von Ditfurth, Jacques-Yves Cousteau, Jane Goodall, David Attenborough, Bernhard Grzimek, Walter Sielmann, u.v.a..


For most of history, man has had to fight nature to survive; in this century he is beginning to realize that, in order to survive, he must protect it.
Jacques-Yves Cousteau
[Verknüpfung]

Als Evolutionsforscher greift Glaubrecht auch auf die vorgeschichtliche Menschheitsentwicklung zurück: Mit der Sesshaftwerdung musste der Mensch lernen, Besitz zu organisieren, und hat damit neue Probleme geschaffen. Hierin sieht Glaubrecht eine zukunftsentscheidende Entwicklungsfrage, ganz wie vor ihm z.B. der Philosoph Carl Amery.

Nach den ersten öffentlichen Warnungen 1957 fanden die ersten klimapolitischen Diskussionen 1965 in den USA statt, und kein anderer als der Präsident selbst veröffentlichte die mahnenden Ergebnisse der Expertenkommission.
Seitdem sind Jahrzehnte vergangen, in denen die angekündigte Entwicklung ungebremst stattgefunden hat. Der Klimawandel hat sich langsam zu einer sichtbaren, massiven Krise ausgewachsen. Doch während selbst in der Finanzwelt die Alarmglocken schrillen, zeigt sich die Politik immer noch unwillig, die immer dringender nötigen Einschnitte in die Fossilwirtschaft vorzunehmen. Große Teile der Gesellschaft fürchten, abgehängt zu werden, und Profiteure des fossilen Systems schüren diese Angst. Dabei bedroht eine Klimakatastrophe die menschliche Zivilisation, was man von einer Wirtschaftskrise, die bei richtiger Weichenstellung schon mit einer Geldreform zu beheben ist, nicht behaupten kann.

Wer zudem (wie ich selbst) erwartet hat, die Bestätigung der naturwissenschaftlichen Vorhersagen durch die Naturphänomene selbst würde die längst überfälligen politischen Folgen haben, sah sich bitter getäuscht. Man muss zwar kein Wissenschafts-Genie sein, um die Häufigkeit und Intensität von Unwetter-Katastrophen zu beobachten. Aber die professionellen Klimaschutz-Bremser schafften es bisher, die Eigenheiten der menschlichen Psyche für ihre Interessen erfolgreich zu missbrauchen.
Der Klimaskepsis folgte nicht etwa das konstruktive Angebot zur gemeinsamen Bewältigung der Krise. Stattdessen kam der Klimarelativismus, und diesem folgte eine reflexhafte, völlig unreflektierte Pauschalkritik an allen Maßnahmen des Klimaschutzes, und diesem folgt bei vielen bereits absehbar die Kapitulation vor dem Problem. Nicht nur das: im Windschatten von Corona blüht bei den Anhängern der Verschwörungsmythen auch wieder die Klimaskepsis. Und nicht nur, dass wie beim mythologischen Drachen nach einer widerlegten These gefühlt sieben neue hervorgezaubert werden. Selbst Punkte, die man längst ausdiskutiert wähnte, werden wieder und wieder aus der Mottenkiste gezogen, z.B. die Hockey-Stick-Debatte. Denn die fossile Zivilgesellschaft ist extrem vergesslich, wenn es um Aufklärung ihrer eigenen Fehler geht. So fallen wir in der Aufarbeitung des Anthropozäns kurz nach der Erkenntnis deutlichster Anzeichen immer wieder zurück. Man kann geradezu von reaktantem Verhalten sprechen, das eigentlich typisch ist für Kinder in der Trotzphase oder pubertierende Jugendliche, und möchte seinen Zeitgenossen zurufen: "grow the fuck up!"
Man kann unsere größte Misere auch daran erkennen, dass sich die Gesellschaft, und mit ihr die konservative Elite, zunehmend infantilisiert. Ein genialer Spruch auf Protestplakaten bringt das auf den Punkt: "You know it's time for change when childen act like leaders and leaders act like children."

Es ist deshalb höchste Zeit, sich mit den Hintergründen unseres multiplen gesellschaftlichen Versagens und den Argumenten der Kräfte auseinanderzusetzen, die die Politik des ungebremsten Weiter-So, in Richtung Klimakatastrophe und Massenaussterben, bestimmen und wirksamen Klimaschutz verhindern.


Die Öffentlichkeit muss und kann dann hoffentlich auch akzeptieren, dass die Wissenschaft das beste Werkzeug ist, das die Menschheit überhaupt hat, um sich zukünftigen Gefahren zu stellen. Was wir brauchen, ist eine Diskussion darüber, welche Risiken wir wirklich eingehen wollen. Im besten Fall werden wir bemerken, dass es sich auch wunderbar leben lässt in einer Welt, die eben nicht den Pfad des größten Risikos geht und in der nicht das Prinzip Hoffnung herrscht, nach dem es schon nicht so schlimm kommen wird, weil die Wissenschaft es ja nicht so genau weiß.
Jörg Phil Friedrich
Zeit: [Verknüpfung]

Also mit einer Politik wie sie Hans Jonas forderte: nicht nach Ernst Blochs Ideologie vom Prinzip Hoffnung, sondern nach dem Prinzip Verantwortung.

Leider drängt die Zeit extrem. Deshalb ist es mir lieber, dieses Manuskript als work in progress halbfertig zu veröffentlichen, als noch weiter damit zu warten. Ich bitte deshalb um Verständnis, dass manche Sachverhalte noch in Stichworten formuliert sind, etliche Redundanzen, Überholtes und Rechtschreibfehler vorkommen, und längst nicht alle Internet-Ressourcen bibliographisch im Quellenverzeichnis aufgelistet sind, sondern viele nur im Seitentext mit dem einfachen Hinweis "Verknüpfung".





Inhalt

Seit über 150 Jahren ist wissenschaftlich belegt, dass CO2-Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe das Klima erwärmen können, seit 60 Jahren kennt man die voraussichtliche Entwicklung ungefähr und seit 40 Jahren ziemlich genau. Dennoch führten nahezu 100% aller politischen Entscheidungen im Bereich Wirtschafts- und Klimapolitik seitdem zu einem immer schneller steigenden Konsum fossiler Rohstoffe. Unübersehbar ist die Verseuchung der Welt mit Kunststoff-Produkten, die langsam in immer kleinere Partikel zerfallen, deren ökotoxische Wirkung noch nicht sehr weit erforscht ist. Doch selbst dieser sichtbare Missstand musste bis zur Krise heranwachsen, bis ein zaghaftes politisches Umdenken einsetzte.
Umso schwerer tut sich die Menschheit mit dem farb- und geruchlosen Verbrennungsprodukt CO2.

Die Nutzung der Fossilrohstoffe war von Anfang an so gut wie immer auf stetig wachsenden Konsum ohne grundlegende Vorsorge gegen Umweltschäden ausgelegt. Der erste Milliardär, John D. Rockefeller, strebte schon früh erfolgreich eine Monopolstellung an. seit Jahrzehnten gibt es immer wieder große Konflikte um Ölquellen und -Verbreitungswege, ganze Feldzüge des Zweiten Weltkriegs galten dem Öl, der ölreiche Nahe Osten ist ein Minen- und Trümmerfeld voller Hass und Gewalt.
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Die konventionellen Quellen liefern seit ca. 2010 nicht mehr genug (peak conventional oil); immer schneller wird die Versorgungs-Lücke aus unkonventionellen Quellen gefüllt, deren Ausbeutung schon bei der Förderung immer größere Umweltschäden verursacht.

All diese drängenden Probleme haben die Menschheit trotz enormer Fortschritte in Alternativtechniken nicht bewegen können, ihre technische Evolution entscheidend weiter im großen Maßstab voranzutreiben. Obwohl in den letzten Jahrhunderten viele gewaltige technische Revolutionen stattfanden, obwohl in den letzten Jahrzehnten unglaubliche, erfolgreiche Anstrengungen unternommen wurden, z.B. um zigfache Vernichtungs-Kapazitäten der Erde zu schaffen, gigantische Vernichtungskriege zu führen und die Infrastrukturen danach in kurzer Zeit und meist um Größenordnungen leistungsfähiger wiederaufzubauen, zum Mond zu fliegen, billionenschwere Verluste bei Finanzkrisen zu kompensieren oder eine irrsinnig verschwenderische Konsumindustrie, Massenmobilität und globale IT-Infrastruktur zu betreiben: ein entscheidender Großteil der Gesellschaft glaubt bislang trotzdem nicht an die Möglichkeit einer erfolgreichen Klimawende. Umweltschutz wurde und wird immer noch als Ideologie, Hysterie oder sogar Quasireligion abgetan.
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Die Vorstellung von der Alternativlosigkeit der Fossilwirtschaft ist eine Grundprämisse der Politik, ich spreche von Fossilökonomismus. Jahrzehntelang war es für Klimaschützer nicht opportun, Ideologievorwürfe zu erheben. Wenn aber ein französischer Präsident, erst recht ein Liberaler, bei der Selbstreflektion in einer Rede an die Nation ein Verlassen "ideologischer Trampelpfade" fordert, dann stimme ich ihm gerne zu.
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Wir brauchen eine langfristig angelegte Strategie, die uns ermöglicht, den CO2-Ausstoß geplant zu reduzieren und Vorsorge und Widerstandsfähigkeit zu stärken. Nur so sind wir für künftige Krisen gewappnet.
Emmanuel Macron



Die Wahrheit ist das Kind der Zeit, nicht der Autorität.
Bertolt Brecht - Aus dem Leben des Galilei, Szene 4






Inhalt

Viele Motive des Fossilökonomismus lassen sich besser verstehen, wenn man sich mit der europäisch-christlichen Geistesgeschichte auseinandersetzt. Hier nur ein kleiner, bescheidener Crashkurs von einem geisteswissenschaftlichen Laien - der aber zumindest als Denkanstoß dienen soll.


Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Was darf ich hoffen? Was ist der Mensch?
Immanuel Kant






Noch vor dem Beginn der Geschichtsschreibung zogen die Menschen als Jäger und Sammler in nomadischen Gruppen, in denen der Gemeinschaftsbesitz vorherrschte. Das Paarungsverhalten wurde wie oft im Tierreich durch die Weibchen bestimmt, indem sie der Brautwerbung nachgaben - d.h. das Weibchen erwies dem Erwählten die Gunst. Auch in einer umherziehenden Nomadengruppe gab es längerfristige Bindungen, wenn zwei entschieden, "miteinander" zu "gehen". So nennt man eine voreheliche Beziehung bis heute. Die Kinder einer Frau waren also nicht grundsätzlich die desselben Mannes. Das war auch kein Problem, denn man respektive frau ist prinzipiell trotz mancher Rivalitäten in der Gruppe untereinander freundlich, und so gilt auch heute noch "zur Erziehung eines Kindes braucht es ein ganzes Dorf."

Selbst der zutiefst patriarchale Vordenker des Neoliberalismus Hayek dachte über das Leben vor dem Patriarchat nach und gestand diesen Menschen einen "Gemeinsinn" zu, ob angeboren oder durch Sozialisation erworben.

Die erste Geschichtsschreibung ist eine Dokumentation von Besitz im alten Sumer. Die Besitzverhältnisse hatten sich von der Allmende der Nomaden hin zum Privateigentum der Siedler gewandelt. Das promiskuitive Paarungsverhalten unserer vor- und frühmenschlichen Vorfahren, der Nomaden, wandelte sich spätestens in diesem Zusammenhang zu patriarchalen Regeln, die Männer und Frauen einander mono- oder polygam zuordneten. Die archaischen Kultur-Gesellschaften waren in der Regel patriarchalisch aufgebaut. Ob das für alle zutrifft, und ob die ersten Kulturen noch matriarchalisch organisiert waren, darüber gibt es noch kontroverse Diskussionen. Leider gibt es über die ältesten Kulturen keine Schriftzeugnisse, sondern nur Reste von Bauten, Werkzeugen, Bestattungen, Wandmalereien und Plastiken.
[Wikipedia 2022 - Muttergöttin]
Audiobeitrag im BR: [Verknüpfung]
Manuskript: [Verknüpfung]
Eine feministische Archäologin zum Thema: [Verknüpfung]
Und eine Gegenposition: [Verknüpfung]

Dass dem Patriarchat auf keinen Fall der Status einer natürlichen Regel zukommen kann, zeigen die, teils archaischen, matrilinearen Gesellschaften.
[Wikipedia 2021 - Matrilinearität - Verbreitung]
Es gibt paläontologische Hinweise, dass diese Gesellschaftsform mit weiblicher Partnerwahl eher dem Verhalten von Urmenschen entspricht als die Dominanz aggressiver Alpha-Männchen, wie sie bei manchen Affenarten vorherrscht. Mitunter töten diese den Nachwuchs ihrer Konkurrenten. Doch so einfach lässt sich die "natürliche Partnerwahl" nicht darstellen - unter unseren nächsten rezenten Verwandten, den Menschenaffen, sind alle Varianten vertreten:
[Wikipedia 2021 - Sexuelle Selektion - Paarungsstrategien und Paarungssysteme]
[Wikipedia 2022 - Schimpansen]

  • von den aggressiv-dominierenden Alpha-Männchen der pflanzenfressenden Gorillas mit ausgeprägtem Geschlechtsdimorphismus inclusive Eckzähnen, die allein dem Konkurrenzkampf der Männchen dienen
  • über die patriarchal-polygam organisierten, aggressiven (Gemeinen) Schimpansen
  • und die solitär lebenden Orang-Utans
  • bis hin zu den friedlichen ausgeprägt promiskuitiv lebenden Bonobos (Zwergschimpansen) mit matriarchalen Gruppenstrukturen

Die Eckzähne als Selektionsmerkmal von Alpha-Männchen bei Vormenschen wurden mit wachsendem Gehirn immer kleiner.
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Charles Darwin interpretierte das Paarungsverhalten von Affen und Menschen und begründete damit eine Theorie der female choice, die das patriarchale Rollenverständnis wissenschaftlich zu begründen versuchte. Die Biologin Meike Stoverock kommt heute zu einer ganz neuen Interpretation, die freilich klar feministisch geprägt ist. In Anspielung auf das Narrativ vom "Ende des Abendlandes" spricht ihr Interviewpartner Chrisitian Rabhansel in Deutschlandfunk Kultur vom "Ende der männlichen Zivilisation".
Eine neue Subkultur ist die der selbsternannten "ungewollt zölibatären" Männer (Incels), die aggressiv ein menschenverachtendes Frauenbild propagieren und sexuelle Gewalt gegen Frauen verherrlichen. Dieses Problem trete immer stärker hervor und müsse deshalb in zukunftigen Gesellschaften besondere Beachtung finden.
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Im Dunstkreis der Trump-Fans bewegen sich die Incel-Aktivisten Andrew Tate und Nick Fuentes.
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Welche Sprengkraft dieses Problem für die liberale Gesellschaft besitzt, zeigt sich an den autoritären Tendenzen weltweit, vor allem bedeutsam in den schwindenden Öl-Imperien USA und Russland, aber auch am zunehmenden Machokult bis hin zur toxischen Männlichkeit in Europa.
DLF: [Verknüpfung]
In der taz wird Stoverock so zitiert: "Zivilsation ist androzentrisch".
taz: [Verknüpfung]
taz: [Verknüpfung]
Die Psychologin Greta Olson zeichnet die Zusammenhänge nach, die Rechtsextreme zwischen Antifeminismus und Antisemitismus erstellen.
FR: [Verknüpfung]
Besonders perfide ist es auch, wenn Konservative ihre vorgebliche Gleichberechtigung zum Anlass für Antiislamismus nehmen.

In Gesellschaften mit aufgeklärtem Selbstbild zeigt sich in der Frage der Geschlechtergerechtigkeit, wie weit es mit der Aufgeklärtheit her ist.
1997 stimmte Friedrich Merz zusammen mit etlichen Parteigenoss:innen wie Volker Kauder und Horst Seehofer gegen die Bestrafung von Vergewaltigung in der Ehe.
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In den USA wird Gewalt gegen Frauen bis hin zum absoluten Abtreibungsverbot betrieben, das vom Obersten Gerichtshof in einem vielkritisierten Urteil 2022 bundesweit durchgesetzt wurde. Zur Rechtfertigung wird jede noch so absurde unwissenschaftliche Behauptung herangezogen. Was für Wähler:innen der Republikaner alles denkbar ist, zeigt die unglaubliche These des Senatskandidaten Todd Akin, die seit 2012 von Parteigenoss:innen immer weiter aufgegriffen, und immer noch heftig diskutiert wird (zu sehen an den Wikipedia-Artikeln): bei einer Vergewaltigung sei eine Schwangerschaft ausgeschlossen.
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[Wikipedia 2022 - Pregnancy from rape]
[Wikipedia 2022 - Rape and pregnancy statement controversies in the 2012 United States elections]

Das problematische, patriarchale Rollenverständnis wird auch reproduziert über Mütter, die ihren wichtigsten Lebenssinn aus dem Bemuttern von Nachkommen, vorzüglich Jungen, ziehen. Väter, die sich emotional distanzieren oder ganz entziehen, machen die emotionale Ablösung junger Männer von der Mutter noch schwieriger, und lassen viele bei dem Versuch, in die Männerrolle zu wachsen, emotional verkümmern bis verrohen, erklärt die Psychologin Irmgard Hülsemann in die Zeit: "Dann merkt er, dass ihre Liebe zur Falle wird." Sie erklärt damit auch die Ausbildung von Schwulenhass, Misogynie und toxischer Männlichkeit.
Zeit: [Verknüpfung]

In der patriarchalen Gesellschaft ist der Status stärker durch Eigentum definiert, als es noch in der Nomadengruppe der Fall war, wo soziale Kompetenz wichtiger war. Die Sesshaftwerdung, also Landbesitznahme, hat deshalb das Patriarchat etabliert - zumindest unter Konkurrenzbedingungen mit anderen Gruppen.
Ein Gegenbeispiel ist allerdings die Indusgeselschaft, von der leider nur sehr eindrucksvolle Baudenkmäler geblieben sind, mit riesigen Ziegelbauten und einer höchst ausgeklügelten Kanalisation. Hinweise auf eine hierarchisch-patriarchale Kultur wie Paläste oder Tempel finden sich jedenfalls dort nicht.
[Wikipedia 2022 - Indus-Kultur]
Weitere Beispiele egalitärer Gesellschaften wie Çatalhöyük in Anatolien oder einer Regenwaldkultur, die vom Amazonas bis Peru reichte, bringen der Anthropologe David Graeber und der Prähistoriker David Wengrow in ihrem Buch 2021 "Anfänge".
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"Macht Euch die Erde untertan", lautet das fatale Motto in der Bibel, dessen negative Nachwirkungen wir erst heute, nach 3000 Jahren, in der vollen Welt zu spüren bekommen, genau wie die der Unterordnung der Frauen, die gleichzeitig mit der Eva-Geschichte ihre religiöse Begründung fand. Die monotheistischen Gesellschaften sehen sich traditionell in der Rolle, im Kampf gegen die Widrigkeiten der Natur bestehen zu müssen. Dieser Existenzkampf findet auch im Inneren dieser Gesellschaften statt. Agrarische Hochkulturen fördern in jeder Hinsicht hierarchische Gesellschaften, sei es zur Organisation der Vorratshaltung und gemeinsamen Verteidigung, sei es durch Arbeitsteilung und Geldsysteme. Viele prinzipielle Probleme unserer heutigen Kultur haben dort ihren Ursprung.
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Buchtips:
Carel van Schaik und Kai Michel. Die Wahrheit über Eva. Rowohlt 2020
Ian Morris. Beute, Ernte, Öl. DVA 2020

Der Evolutionsbiologe Matthias Glaubrecht erklärt unser verhaltensbiologisches Erbe im phoenix-Interview, Zitat:

"Tatsächlich haben wir eine Mentalität, die eher so aus dieser Nomadenzeit des Menschen stammt. Wir sind gewohnt, weiter zu ziehen. Unsere Intuition ist "wir nehmen uns, was da ist und wir plündern diese Resourcen so lange aus, wie es geht und dann ziehen wir weiter." Auch als Jäger sind wir den Wildtieren hinterher gezogen und damit sind wir groß geworden. Das hat einen Großteil [...] unserer Menschheitsgeschichte dominiert, und darum sind wir auch so stark darauf gepolt, auch auf Zucker und auf Fett und viele andere Dinge. Das ist unser biologisches Erbe.
Und dann gibt es eben auch das, was wir anerzogen in der Familie, in der Schule lernen, was wir brauchen und was wir auch schon unter Beweis gestellt haben, dass die Menschen das haben: das nennen wir die Vernunft-Natur.
Zum Beispiel wenn wir die Religion als solches verstehen. Die hat über viele hunderte, [...] tausende Jahre gelernt und auch einen Verhaltenscodex entwickelt im Alten Testament als Antwort auf die kolossalen Veränderungen nach der Sesshaftwerdung. Das war nämlich nicht so, dass das das Paradies plötzlich war. Es gab zwar mehr Nahrung, aber es gab plötzlich auch alle Krankheiten, die man sich denken kann. Denn das, was wir heute sehen, ist ja eine Zoonose, eine von Tieren auf den Menschen übergesprungene Krankheit. Und als wir diese Tiere domestiziert haben, vor allen Dingen die Rinder, denken Sie an Masern zum Beispiel. Masern ist ein [...] ursprünglich mit der Rinderpest verwandter Virus, der dann auf die Menschen übergesprungen ist, und der eine Pandemie ausgelöst, die dann teilweise ähnlich wie bei der Pest und bei den Pocken die Hälfte der damaligen Bevölkerung ausgelöscht hat. Also unmittelbar mit der Sesshaftwerdung und der Domestikation hat der Mensch eine ganz andere Umgebung plötzlich vorgefunden, plötzlich gab's Besitz. Wir haben uns deswegen die Frauen abspenstig gemacht, wir haben uns um den Besitz geprügelt, wir brauchten die Söhne, um unseren Besitz zu verteidigen. Der Mensch hat eine komplett andere Natur entwickelt. Und er hat mit Vorschriften darauf reagiert, die Zehn Gebote zum Beispiel. Und diese Vernunft-Natur, die das entwickelt hat, die hat der Mensch, und die brauchen wir jetzt. Wir haben nur nicht [Jahrhunderte] Zeit das zu entwickeln, sondern wir müssen uns auf der Erde über diese globale Verantwortung klar werden und diese nationalen Egoismen versuchen abzulegen."

Die Geschichte des Feminismus ist lang und voller mutiger Frauen, die teilweise große persönliche Opfer gebracht haben, um ihren weiblichen Mitmenschen auch in der Zukunft ein besseres Leben zu ermöglichen. Umso unfassbarer, wenn Frauen diese Rechte in der Politik beanspruchen, um patriarchale Politik zu machen. Beispiele sind neoliberale Politikerinnen der AfD, aber auch der CDU wie Kristina Schröder, Julia Klöckner oder Saskia Ludwig.
Aktionsbündnis Brandenburg: [Verknüpfung]
taz: [Verknüpfung]

Die FDP ist vernetzt mit antifeministischen Organisationen wie Manndat, Wikimannia oder Liberale Männer, die teilweise häusliche Gewalt verharmlosen, die Rechte alleinerziehender Frauen gegenüber den Vätern beschneiden wollen usw.. In diesem Netzwerk ist auch die AfD aktiv. Das Recherchenetzwerk correctiv deckt die Verbindungen in einer großen Recherche auf.
correctiv: [Verknüpfung]
FDP-Justizminister Dr. Marco Buschmann ist jedoch zurückhaltend gegenüber den antifeministischen Positionen, und kommt ihnen eher da entgegen, wo offensichtlich das traditionelle Frauenbild der CDU die Gesetzgebung zu ungunsten geschiedener Väter bestimmt hat. Wo allerdings alleinerziehende Frauen durch diese Politik mehr schlecht als recht über die Runden kamen, so drohen ihnen durch neue Väterrechte weitere Einbußen.
Insgesamt ist bei Buschmann eine liberale Politik zu erkennen; so hat er sich auch für die Berücksichtigung frauenfeindlicher Motive bei der Verurteilung von Gewalttaten eingesetzt, für den Rechtstatus alternativer Familienmodelle und sexuelle Selbstbestimmung.
SZ: [Verknüpfung]
Friedrich-Ebert-Stiftung: [Verknüpfung]
taz: [Verknüpfung]

Die feministische Philosophin Eva von Redecker beschreibt die engen weltanschaulichen Verbindungen zwischen den heutigen autoritären Rechtskonservativen in den USA und Russland, die ja auch im Politischen bestehen. Deren Supermacht des 20. Jahrhunderts basierte v.a. auf der Verteilung von Öl.
Auch das saudische autoritäte Regime nimmt Einfluss auf Trump.
Washington Post: [Blake 2023]
Rolling Stone: [Wade 2023]

Redecker übernimmt vom Politologen der University of California Los Angeles UCLA Michael Ross den Begriff "Petro-Patriarchat". Ross hatte allerdings 2008 diesen Zusammenhang nur konservativ-illiberalen islamischen Staaten zugeschrieben; die Rückkehr des Patriarchats in den USA ist auch ein Warnzeichen für den Niedergang des liberalistischen Globalisierungsmodells, und allgemein auch des philosophischen Liberalismus: wenn der Liberalismus zur Erhaltung der fossilen Geschäftsmodelle ausgedient hat, wird der nationale Autoritarismus installiert.
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Die Angst vor dem Verlust dieser Supermacht zeigt sich in Putins Ukraine-Krieg in Extremform als russischer Z-Faschismus, in den USA in der Tea-Party-Bewegung, die auch unter Biden über Trumps Besetzungspolitik des Supreme Court massive Restauration betreibt, und in den international verknüpften rechtspopulistischen Netzwerken. In den US-Bundesstaaten können wieder Abtreibungsverbote beschließen, Waffenbesitzverbote werden außer Kraft gesetzt. Es steht zu befürchten, dass dort auch Rassismus wieder verstärkt höchstrichterlich legitimiert wird.
Die Kultur der männlichen Aneignung definiert sich über die Aneignung von Frauen, was Redecker als "Phantombesitz" bezeichnet. Homophobie, zunehmende sexuelle Gewalt bis zum Femizid und die Incel-Bewegung sind besorgniserregende Anzeichen dieser Entwicklung.
Entsprechend ist der Widerstand in Russland gegen den Ukraine-Krieg auch ein Widerstand gegen den antiliberalen Kulturkampf - er wird v.a. getragen von russischen Frauen.
[Verknüpfung]


Die Grenze zum Faschismus ist in meinen Augen überschritten, wenn der Phantombesitz nicht nur verteidigt und hochgehalten wird, sondern liquidiert. Wenn also die, die sich wehren oder den männlichen Besitzanspruch stören, vernichtet werden sollen. So funktioniert der rechte Terror, der auch gerade Deutschland unsicher macht, so funktioniert der Diskurs des „Incel-Faschismus“, der angeblich von weiblicher Aufmerksamkeit unterversorgte Männer aktiv zu Vergewaltigungen ermutigt. Und das Z steht seinerseits dafür, dass die Ukrainer:innen nicht mehr nur unterworfen, sondern ausgelöscht werden sollten.
Eva von Redecker
[Verknüpfung]

Von Redecker erklärt in einem Aufwasch das Problem der (patriarchalen) Aneignung von Sachen, die auf externe Konsequenzen - also für Menschen an anderem Ort oder zu anderer Zeit - keine Rücksicht nimmt.


Die Sachherrschaft, also das Recht auf Missbrauch und totale Verfügung im Kern des Eigentums, strukturiert die Art und Weise, wie wir uns im Kapitalismus – und auch im Staatskapitalismus des real existierenden Sozialismus – auf Kosten anderen Lebens versorgen. Es gab schon immer Gewaltexzesse im Zuge dieser Akkumulation. Neu ist, dass wir jetzt unweigerlich wissen, dass die Aufrechterhaltung unseres ganz normalen Alltags die Zerstörung der Lebensgrundlage in der Zukunft zum Preis hat. Angesichts dieses Wissens kommt Putins Petro-Patriarchat zumindest eine gewisse Stringenz zu. Es erklärt die Gewalt für alternativlos, und geht dann auch gleich von der extraktivistischen Ressourcennutzung zur faschistischen Bevölkerungspolitik über.
Eva von Redecker
[ebenda]

Der Club of Rome erkennt das Männer-Problem an und fordert in der Konsequenz die "Ermächtigung der Frauen".
Autoritäre fossile Profiteure, die Petro-Patriarchen, legitimieren ihre Macht durch Gewährung fossiler Privilegien; das autoritär-männliche Imponieren mit diesen Privilegien bezeichnet man als Petromaskulinität.
[Wikipedia 2024 - Petromaskulinität]
Der Youtube-Kanal der ARD funkkolleg geht der Frage nach: "Klimawandel - sind die Männer schuld?"


Youtube: [Verknüpfung]

Man spricht von der "Dunklen Triade" negativer Persönlichkeitsmerkmale, die bei autoritär-toxischer Männlichkeit besonders ausgeprägt ist: Narzissmus, Machiavellismus und Psychopathie.
Psychologie Heute: [Verknüpfung]
Die möglicherweise verursachenden Gene haben seit Menschengedenken einen gewissen konstanten Anteil am Genpool, denn toxische Männer sind auf manche Frauen besonders attraktiv - allerdings wäre ein höherer Anteil schädlich für das Gemeinwesen, weshalb er wohl durch kulturelle und soziale Mechanismen ein gewisses Maximum nicht überschreitet.
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Männliche Dominanz wird auch durch patriarchale Kultur reproduziert, wie z.B. bei traditionellen Initiationsriten an europäischen, amerikanischen und indischen Universitäten, wo die Eliten ausgebildet werden. Hier ein Beispiel aus Spanien, gegen das sich die Opfer, junge Frauen, endlich zur Wehr setzen. Sie sind ermutigt durch neue Gesetze der linken Sanchez-Regierung gegen Vergewaltigung - Konservative und Rechtspopulisten hatten dagegen gestimmt.
Zeit: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Toxische Geschlechts-Rollenbilder ziehen sich durch Männerseilschaften im Top-Management, bis in höchste elitäre Kreise, wie man am MeToo-Skandal, am Epstein-Missbrauchsnetzwerk oder an der VW-Betriebsrat-Affäre sehen konnte.
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Von Epsteins Frauenhandel profitierte sogar eine Bank, die Deutsche Bank. In einem paritätisch besetzten Vorstand wäre so etwas nur schwer vorstellbar.
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Dass toxische Männlichkeit keine feministische Erfindung ist, zeigen die populären Extrembeispiele, z.B. Andrew Tate, der von Nigel Farage und Donald Trump unterstützt wird.
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Einen anderen Ausdruck findet die toxische Männlichkeit in einem krankhaften Bestreben, über Andere zu dominieren; wenn das schon nicht im Alltag gelingt, flüchten sich manche in die Spielsucht oder in Risikoverhalten, das genauso süchtig machen kann.
Viele nutzen ihre toxische Männlichkeit zur Selbstvermarktung. Soziokulturell gesehen ist es besonders problematisch, wenn dabei Gewaltphantasien im Spiel sind. Der Anspruch auf Meinungs- und Kunstfreiheit wird missbraucht, wenn Starkult zum Machtmissbrauch durch sexuelle Ausbeutung dient. Allerdings ist auch das sexuelle Rollenverständnis der Frauen zu hinterfragen, die sich Persönlichkeiten wie Till Lindemann der Rockband Rammstein ausliefern.
Der Skandal um betäubte Opfer sexueller Ausbeutung aus "row zero" bei den Konzerten ist bezeichnend. Nach Lindemanns Vorgeschichte, u.a. einem Gedicht über eine Vergewaltigung einer Rohypnol-sedierten Frau, und einem ekelerregenden Gewaltporno, sind die Vorwürfe zwar nicht überraschend.
Zeit: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
ORF: [Verknüpfung]
Umso mehr aber irritiert der Umstand, dass die Zuschauer:innen sich davon nicht beeindrucken lassen und die Konzerte weiter massenhaft besuchen, und Lindemann auf der Bühne die Opfer verhöhnt, unter dem Applaus der Masse.
RND: [Verknüpfung]
Lindemanns Exzesse wurden bisher immer wieder mit künstlerischer Distanz von seinem "lyrischen Ich" gerechtfertigt - als eine Form von "Kunstfreiheit". Wieder ein Fall falsch verstandener Freiheit als Recht des Stärkeren.
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Die ultimative Form der Dominanz über den Gegner ist dessen Tod. Schwer zu glauben, aber der libertäre Milliardär und Trump-Unterstützer Palmer Luckey, der seinen Profit mit 3D-Brillen seiner Marke Oculus gemacht hat, erfand 2022 eine spezielle 3D-Spielbrille. In der Brille des Unterlegenen zündet eine Sprengladung, die gezielt das Gehirn zerstört - eine moderne Form des Duellierens. Die Frage der Ehre ist hier allerdings nur simpel, wer das Spiel besser beherrscht. Nach seinem Ausscheiden bei Oculus betreibt er die Weiterentwicklung von VR-Brillen für die Rüstungsindustrie. Der Name der neuen Firma ist Anduril, das Schwert des neuen Königs von Mittelerde aus dem Tolkien-Universum.
[Wikipedia 2023 - Palmer Luckey - VR headset that kills its user]
Vice: [Verknüpfung]

Die Popularität dieser Extremfälle lässt seit Jahren negative Wirkungen auf die Sozialisation junger Männer befürchten. Eine Bestätigung kommt durch eine Befragung 2023, nach der ein Drittel der Befragten häusliche Gewalt gegen Frauen akzeptieren. Auch wenn Statistiker die Methode kritisieren und damit die Zahlengenauigkeit fraglich ist, so zeigen sich doch viele von prominenten Vorbildern übernommene toxische Einstellungen, die man alltäglich bei Jugendlichen beobachten kann.
Tagesschau: [Verknüpfung]
Spektrum: [Verknüpfung]
Die Gleichstellung von Frauen orientierte sich am männlichen Maßstab, kritisiert Psychologe Markus Theunert im taz-Interview mit Simone Schmollack.

"Das Problem ist doch die Instrumentalisierung des Gleichstellungsansatzes durch das patriarchal-kapitalistische System. Denn dabei bleibt der Mann der Maßstab. Ohne fundamentale Männlichkeits- und Patriarchatskritik lassen sich keine gerechten Geschlechterverhältnisse gestalten. [...]
Das Gleichstellungskonzept war der politisch machbare Kompromiss, um überhaupt erst einmal voranzukommen. Und ich freue mich für jede Frau, der es gelingt, in Männerbünde vorzudringen, eine Führungskraft zu sein. Gesamtgesellschaftlich aber ist es kein Fortschritt, wenn Gleichstellung letztlich meint, dass sich Frauen ähnlich ausbeuterisch verhalten wie Männer.
[Wir kommen aus diesem Dilemma heraus, indem] wir, um es mit den Worten des französischen Soziologen Pierre Bourdieu zu sagen, das „androzentrische Unbewusste“ ausleuchten."


Wir müssen radikaler werden und noch deutlicher sagen, dass der Planet nur eine Überlebenschance hat, wenn wir das Patriarchat überwinden. Das liegt keineswegs im Sterben. Im Gegenteil, es hat sich frisch legitimiert. Ausbeutung als patriarchale Grundoperation ist aber wie eh und je unhinterfragte Normalität.
Markus Theunert
taz: [Verknüpfung]

50 Jahre nach den ersten Frauenhäusern sind überfüllte Frauenhäuser und sogar Femizid immer noch ein häufiges Phänomen in Deutschland. Der Europarat rügte Deutschland 2022 wegen unzureichender Umsetzung der Istanbul-Konvention von 2011.
ARD: [Verknüpfung]
ARD: [Verknüpfung]

Der bayerische, links-intellektuelle Nachkriegs-Schriftsteller Carl Amery (alias Christian Anton Mayer) verstand sich selbst als katholischer Moralist und bezog sich dabei auf die französischen Philosophen der Aufklärung. Er verließ 1974 aus ökologischen Gründen die SPD und gehörte zu den Gründern der Grünen.
[Wikipedia 2022 - Carl Amery]
[Wikipedia 2022 - Französische Moralisten]
In den 70er Jahren, nach den ersten Veröffentlichungen des Club of Rome, erklärt Amery die patriarchale, kirchliche Interpretation der Bibel zu einer bedeutenden Ursache der heutigen Umweltzerstörung.


Jedem möglichen Zweifel über diese absolute und totale Überlegenheit steht Gottes Auftrag entgegen. Es ist der ausdrückliche Auftrag der totalen Herrschaft. Sonne und Mond sind Beleuchtungskörper, sonst nichts; Rohstoffe, Flora, Fauna sind ein Arsenal, über das er frei verfügt, sind Jagdterrain und Ernteacker.
[...] Stellen wir uns vor, was Tieck, was Eichendorff, was Stifter vom Zustand unserer Wälder zu künden hätten. Was Jean Paul an und in unseren Wiesen vorfinden würde. Was Goethe, Platen, Heine über den Tod des Mittelmeers der Delfine und der Nereïden mitzuteilen hätten.
Carl Amery
[Ehrich 2022]

Entsprechend kritisch stand er den restaurativen Kräften in der katholischen Kirche gegenüber, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil aktiv waren. Sie inspirierten ihn u.a. zu dem historischen Science-Fiction-Roman "Das Königsprojekt" über die Reformation und ihre Folgen.
In der anstehenden ökologischen Transformation sieht er nicht weniger als eine "Reifeprüfung" der Menschheit, in deren Verlauf auch die Kirche eine entscheidende Rolle spielen könnte.


Ja, ich seh‘ das Ganze als eine Art Reifeprüfung für die Spezies. Wenn er das schafft, sich selber nachhaltiger zu machen, als ihm eigentlich von seiner natürlichen Ausrüstung her gegeben ist, dann ist das eine Reifeprüfung von nicht geringen Graden, und das interessiert mich wirklich.
Carl Amery
[Ehrich 2022]

Um noch ein Kant-Wort zu zitieren:


Transformation ist der Aufbruch der Menschheit aus ihrer selbst verschuldeten Zukunftsunfähigkeit.

Dass das Patriarchat nicht zukunftsfähig ist, zeigt sich erst jetzt, als nach den Voraussagen des Club of Rome die Grenzen des Wachstums erreicht sind, also in einem Zustand, den Ernst Ulrich von Weizsäcker als "volle Welt" bezeichnet.
Es ist nur konsequent, dass eines der 17 UN-Entwicklungsziele (SDG) 2015 Geschlechtergerechtigkeit ist, und dass der Club of Rome in seinem Programm Earth for all 2022 dieses als das dritte der fünf Ziele nennt. Die Grüne Außenministerin legt ihren persönlichen Schwerpunkt von Anfang an auf feministischer Außenpolitik.
Dass die Transformation so schwer ist, liegt in den vermeintlichen Erfolgen begründet, den das Patriarchat in der "leeren Welt" verbuchen konnte, mit Wahlsprüchen und Redensarten wie "Bedenken second" oder "et hätt noch ëmmer joht jejange". Hinter diesen Sprüchen steckt das psychologische Phänomen, dass unser Risikoverhalten unterschiedlich ausfällt je nachdem, ob Gewinne oder Verluste zu erwarten sind.
Nicht weniger problematisch ist die Art, wie Interessenkonflikte in einer patriarchalen Welt allzu oft gelöst werden: traditionell mit Konkurrenzkampf und Krieg. Denn in der "vollen Welt" sind die zerstörerischen Konsequenzen so weitreichend wie noch nie zuvor.

Die aggressive Selbstabgrenzung von Gruppen anderer ethnischer, religiöser oder weltanschaulicher Art bezeichnete der Sozialpsychologe und Religions-Philosoph Erich Fromm als Gruppennarzissmus, und nannte diesen eine wichtige Voraussetzung für Krieg. Narzisstische Gruppen erweckten nach innen den Anschein, realistische und vernünftige ethische Urteile, heute spricht man von Mindset, zu vermitteln. Als Beispiel hatte Fromm den nationalsozialistischen Faschismus vor Augen, heute kann man dies jedoch auch auf extrem-fundamentalistische religiöse und politische Gruppen - ob christlich, muslimisch, hindi oder jüdisch, ob links oder rechts - anwenden. Gerade religiöse und rassistische Fundamentalisten (Faschisten) leiden unter einer krankhaften Wahnvorstellung des Auserwählt-Seins, ob nun religiös oder durch vermeintlich evolutive Selektion.
[Wikipedia 2021 - Gruppennarzissmus]
Yuval Harari erklärt sehr anschaulich den Unterschied eines (gesunden) Nationalismus zum (toxischen) Faschismus. Der Historiker sieht die Idee einer Weltgemeinschaft ohne Nationen als Illusion - Staaten ohne Nationalbewusstsein würden von Stammeskriegen zerrissen. Von da her habe eine nationale Identität durchaus ihre Berechtigung, solange sie sich nicht als den anderen überlegen versteht. Als Metapher für die faschistische Verführung nimmt er ein geschöntes Spiegelbild - in der Psychopathologie würde man wie Fromm von Narzissmus sprechen.
Die psychologischen Mechanismen, wie ein verzerrter Gruppen-Mindset entsteht, beschreibt die Agnotologie.
Es gibt Formen von Identitäten, die Vorstufen des Gruppennarzissmus darstellen, aber nicht offen aggressiv auffallen. Man spricht dabei heute von Clandenken, das man z.B. bei konservativen weißen, oft männlichen anti-feministischen Klimaskeptikern vorfindet, die oftmals auch mehr oder weniger homophob und rassistisch orientiert sind - eine Ansammlung von Stereotypen des modernen Patriarchats. Dass sie nicht auffallen, liegt an ihrer Verbreitung und Bedeutung in der Gesellschaft.
Der haitianische Filmmacher und ehemalige Kulturminister Raoul Peck untersucht in einer Koproduktion von HBO und arte die Geschichte der verschiedenen Formen von europäischem Gruppennarzissmus, den die Siedler auch nach Amerika, und die Kolonialherren in alle Welt brachten. Am Ende beschreibt er den Nationalsozialismus als ein Verschmelzen der Ideologien von kolonialem Rassismus und Antisemitismus. Er zeigt, dass das Problem mitnichten verschwunden sein kann, wenn z.B. selbst amerikanische Präsidenten vor laufender Kamera über mexikanische Einwanderer oder japanische Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg von Tieren sprechen, oder offen rassistische Gruppen in den USA vom Präsidenten Trump unterstützt werden.
Filmtip: Rottet die Bestien aus! Raoul Peck. arte 2022
Youtube: [Verknüpfung]
SWR: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2023 - Raoul Peck]
Die abschreckende Erfahrung des Faschismus hat lange Zeit offenen deutschen Chauvinismus unterdrückt. Latent war er jedoch immer vorhanden, wird seit dem amerikanisch-israelischen Schulterschluss immer offener, und mit dem Wegsterben der letzten Zeitzeugen auch aggressiver ausgelebt, Motto: "man muss auch 'mal einen Schlussstrich ziehen". Mit dem Wiederaufleben rechtskonservativer Tendenzen werden auch immer öfter Rassismus und Sexismus offen demonstriert. Wer diese Tendenzen von Gruppennarzissmus aufdeckt, wird zunehmend mit dem Gegenvorwurf des Wokenenss oder Wokismus, einer vermeintlich übertriebenen Sensibilität gegenüber Intoleranz, konfrontiert.
Dieser Gegenvorwurf steht bei uns in der Tradition der Nachkriegszeit, wo nach oberflächlicher Entnazifizierung auch schon ein "Schlussstrich" gefordert wurde, oder mit dem Verabsolutieren des NS-Terrors, den man auf gar keinen Fall mit irgend einer anderen Erscheinungsform des Problems vergleichen dürfe. Mit diesem vermeintlich "absoluten Bösen" hat die faschistoide Nachwelt das Problem ganz praktisch in einem Giftmüll-Container entsorgt, hat es von sich weggeschoben.
Dieses Containment treibt schillernde Blüten. Besonders perfide die Zurschausstellung der "Juden in der AfD". Als gäbe es keinen Faschismus ohne Antisemitismus, dient diese Gruppe als Deckmantel für faschistoiden Antiislamismus. Angesichts der Forderung des führenden AfD-Mitglieds und Geschichtslehrers Björn Höcke nach einer "180°-Wende in der deutschen Erinnerungskultur" ist diese jüdische Zusammenarbeit schwer nachzuvollziehen. Nicht weniger absurd Putins Darstellung der ukrainischen Führung als "Nazis" - Selensky ist Jude. Es ist allerdings nicht hilfreich für die Wahrnehmung der Ukraine als Demokratie, wenn Selensky sich zusammen mit Soldaten zeigt, die ihre Uniformen mit Abzeichen der SS versehen, wie der Wolfsangel und dem Totenkopf.
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Die Ausbeutung des Globalen Südens geht in neokolonialen Strukturen bis heute weiter. Die perfideste Variante des Rassismus ist die von bisherigen Klimaskeptikern, die nun die kommende Klimakatastrophe als Regulativ der Weltbevölkerung im Globalen Süden begrüßen: der Klimafaschismus.







Jesus von Nazareth rief mit seiner Lehre jedoch gerade die Aufhebung gesellschaftlicher Unterschiede zwischen Schichten und Gechlechtern aus. Damit war er eine Bedrohung der Konservativen und wurde deshalb letztlich einer abschreckenden Hinrichtungsprozedur unterzogen. Sein Einstehen für zukunftsweisende ethische Prinzipien seine Jünger und Jüngerinnen nachhaltig beeindruckt.

Die Fragen ob er bei der Kreuzigung starb, oder ob Maria von Magdala seine gleichberechtigte Partnerin war, sind wieder offen, seit in den letzten Jahren nach Jahrhunderten der Unterschlagung alternativer Schriften verschiedene Sichtweisen des Urchristentums wiederentdeckt werden. Die Ankündigung eines jungfräulichen Geburt des Messias ist beim Propheten Jesaja im Alten Testament jedenfalls sicher nicht zu lesen, sondern wurde falsch aus dem Hebräischen ins Griechische übersetzt.
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Der römische Kaiser Konstantin der Große sah sich dreihundert Jahre nach Christus mit dem Zerfall seines patriarchalen Riesen-Reiches konfrontiert. Er entschied, den vielen regionalen Religionen das Christentum als Staatsreligion überzuordnen, weil es gleich mehrere Vorteile hatte:

Hierzu, und zu anderen machtrelevanten Themen hatte sich schon früh nach Jesus' Tod der ehemalige Christenverfolger Saulus von Tarsus geäußert, der sich als Christ Paulus und einen Apostel nannte.
Saulus stammte als Pharisäer mit römischen Bürgerrechten in Jerusalem zur jüdischen Elite. Seine Herkunft aus dem heutigen türkischen Mittelmeerraum verschaffte ihm bei der Migration nach Jerusalem einen erweiterten kulturellen Horizont. Zunächst integrierte er sich in die Jerusalemer Schicht der Juden. So stimmte er auch der Steinigung des populären, als Griechen jedoch "heidnischen", Bußpredigers Stefan zu, der sich laut Apostelgeschichte auf "den Gerechten" berief - so wurde damals Jesus genannt.
Bei einer Reise zwecks Christenverfolgung nach Damaskus, so schildert er, sei er durch ein Wunder zum Christentum bekehrt worden. Zurück in Jerusalem nannte er sich Paulus. Die Gemeinde der Christen war gespalten in die sogenannten traditionellen "Judenchristen", die unter sich nur beschnittene Juden duldeten, und die restlichen "Heidenchristen", zu denen auch Stefan gehört hatte. Paulus überwarf sich mit dem Anführer der Judenchristen, dem ersten echten Apostel Simon "Petrus", und setzte sich für die Integration der "Heidenchristen" ein, also denen, die nicht aus der jüdischen Gemeinschaft stammten. Er hatte großen Zulauf, und so wurde er in der Urkirche extrem einflussreich. Er dehnte die Kirche auf die ganze römische Welt im Mittelmeerraum aus, indem er auf zahlreichen Reisen christliche Gemeinden besuchte und gründete, und auch mit Briefen den Kontakt hielt. Diese Briefe bilden einen Großteil der Apostelgeschichte im Neuen Testament der Bibel.
[Wikipedia 2024 - Paulus von Tarsus]
[Wikipedia 2024 - Stephanus]
In diesen Briefen spiegelt sich eine zutiefst autoritär-patriarchale Weltsicht.


Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie dem Herrn. Denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Gemeinde ist, die er als seinen Leib erlöst hat. Aber wie nun die Gemeinde sich Christus unterordnet, so sollen sich auch die Frauen ihren Männern unterordnen in allen Dingen.
Paulus von Tarsus



Da Maria angeblich die ideale Frau verkörperte, wurde sie zum Vorbild. Entsprechend hatte sich jede Frau an Marias Eigenschaften, Keuschheit, Gehorsam und Demut zu orientieren.
Ausgehend von diesen Attributen leitete die katholische Kirche wiederum ab, dass Frauen nicht eigenständig, nicht kritisch und nicht selbstbestimmt zu sein haben. Mit diesem Rollenbild begründet die katholische Kirche bis heute, Frauen von allen kirchlichen Ämtern auszuschließen und weist der Frau allzu gerne die Rolle der dienenden Magd zu.
Sabine Kaufmann
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Im Konzil von Nicäa hat Konstantin den autoritären paulinischen Kanon gegen viele Widerstände als "katholisch", also allumfassend, mit Staatsgewalt durchgesetzt. Die bis dato in vielen Gemeinden führenden Frauen wurden komplett aus dem Klerus ausgeschlossen, und ein geistiges Oberhaupt, der Papst, bestimmt seitdem mit den Kardinälen alle Richtlinien. Man kann das auch als religiöse Gleichschaltung bezeichnen. Seitdem wurden immer wieder Abweichler als Häretiker verfolgt, oftmals zur Abschreckung von der weltlichen Komplizenschaft brutal ermordet.
Gleichzeitig sorgte Konstantin dafür, dass die regionalen Bräuche in die Riten der lokalen Kirchen integriert wurden, um eine weitestgehende Integration zu ermöglichen.
Eine zentrale Doktrin ist seitdem ein Gebot, das die biblische Überlieferung (drei der vier Evangelien, mit Ausnahme des von Johannes) dem Religionsgründer Jesus nachsagt: "Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist." Will z.B. sagen, die Kirche soll sich nicht in die Politik einmischen. Tatsächlich, so steht es dort auch geschrieben, distanzierte Jesus sich damit vor den feindseligen Schriftgelehrten von den aufständischen Zeloten, um der Verfolgung durch die Römer zu entgehen.

Paulus geht viel weiter. Er fordert im 13. Römerbrief von seinen Glaubensbrüdern und -Schwestern völlige Unterwerfung unter die weltliche Macht, denn diese sei gottgewollt. Solche Forderungen sind von Jesus nicht überliefert.

"1 Jeder ordne sich den Trägern der staatlichen Gewalt unter. Denn es gibt keine staatliche Gewalt außer von Gott; die jetzt bestehen, sind von Gott eingesetzt. 2 Wer sich daher der staatlichen Gewalt widersetzt, stellt sich gegen die Ordnung Gottes, und wer sich ihm entgegenstellt, wird dem Gericht verfallen. 3 Vor den Trägern der Macht hat sich nicht die gute, sondern die böse Tat zu fürchten; willst du also ohne Furcht vor der staatlichen Gewalt leben, dann tue das Gute, sodass du ihre Anerkennung findest! 4 Denn sie steht im Dienst Gottes für dich zum Guten. Wenn du aber das Böse tust, fürchte dich! Denn nicht ohne Grund trägt sie das Schwert. Sie steht nämlich im Dienst Gottes und vollstreckt das Urteil an dem, der das Böse tut. 5 Deshalb ist es notwendig, sich unterzuordnen, nicht allein um der Strafe, sondern auch um des Gewissens willen. 6 Das ist auch der Grund, weshalb ihr Steuern zahlt; denn in Gottes Auftrag handeln jene, die Steuern einzuziehen haben. 7 Gebt allen, was ihr ihnen schuldig seid, Steuer, wem ihr Steuer schuldet, Zoll, wem ihr Zoll schuldet, Furcht, wem ihr Furcht schuldet, Ehre, wem ihr Ehre schuldet!"
Paulus von Tarsus

Daran hielt sich die Kirche. Die Unterdrückten wurden jahrhundertelang mit der Aussicht auf Erlösung durch den Tod abgespeist: "euer Lohn im Himmel wird groß sein".
Das Ideal des demütigen Untertanen kommt in einem alten Kirchenlied zum Ausdruck, das in der katholischen Kirche immer noch gesungen wird:
"Was Gott tut, das ist wohlgetan, es bleibt gerecht sein Wille; wie er fängt seine Sachen an, will ich ihm halten stille. Er ist mein Gott, der in der Not mich wohl weiß zu erhalten; drum lass ich ihn nur walten."
Das Prinzip politischer Zurückhaltung der Kirche galt jedoch nicht gegenüber den Machthabern. Die geistliche Autorität der Kirche mischte sich hier sehr wohl ein und erhob den ultimativen Machtanspruch.
Nämlich zuerst bei der Feststellung der Gottgefälligkeit, der Legitimation der Mächtigen: sie begründete das Gottesgnadentum.

Das klingt in den Evangelien jedoch ganz anders. Liest man z.B. im Lukasevangelium das Magnificat, den Lobgesang der schwangeren Maria auf die Macht und Gerechtigkeit Gottes, dann wird die Behauptung einer generellen Gottgefälligkeit aller Mächtigen aus dem Paulusbrief doch sehr zweifelhaft:


Er [Gott] vollbringt mit seinem Arm machtvolle Taten:
Er zerstreut, die im Herzen voll Hochmut sind.
Er stürzt die Mächtigen vom Thron und erhöht die Niedrigen.
Die Hungernden beschenkt er mit seinen Gaben und lässt die Reichen leer ausgehen.
Maria von Nazareth
[Wikipedia 2024 - Magnificat - Text]

Jesus' populärste Predigt, die Bergpredigt, ist im Kern eine reine Dekonstruktion weltlicher Machtansprüche, eine beherzte Begründung von Demokratie: das, was Katholiken jahrhundertelang bekämpft, und dem sie sich erst unter dem Druck der Aufklärung unter großen Widerständen gefügt haben.


Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf den Berg. Er setzte sich und seine Jünger traten zu ihm. Und er öffnete seinen Mund, er lehrte sie und sprach:
1: Selig, die arm sind vor Gott; denn ihnen gehört das Himmelreich.
2: Selig die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.
3: Selig die Sanftmütigen; denn sie werden das Land erben.
4: Selig, die hungern und dürsten nach der Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.
5: Selig die Barmherzigen; denn sie werden Erbarmen finden.
6: Selig, die rein sind im Herzen; denn sie werden Gott schauen.
7: Selig, die Frieden stiften; denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.
8: Selig, die verfolgt werden um der Gerechtigkeit willen; denn ihnen gehört das Himmelreich.
9: Selig seid ihr, wenn man euch schmäht und verfolgt und alles Böse über euch redet um meinetwillen. Freut euch und jubelt: Denn euer Lohn wird groß sein im Himmel. So wurden nämlich schon vor euch die Propheten verfolgt.
Jesus von Nazareth

Auch der jüdische Psychologe Erich Fromm erklärt in seinem epochalen Werk "Haben oder Sein" 1976 u.a. die Vision Jesu aus der Tradition der jüdischen Propheten. Danach sei - im Gegensatz zum Bibelwort - im Messianischen das Religiöse und Politische nicht zu trennen.
Buchtip: Erich Fromm. Haben oder Sein. dtv. München 1976
Filmtip: Gespräche über "Haben oder Sein". Südwestfunk. Mainz 1977

Mohammed hat manche Prinzipien für den Islam teilweise übernommen, die angreifbare Konstruktion des Gottesgnadentums jedoch von Anfang an vermieden. Stattdessen sind hier die Oberhäupter der Religionspraxis gleich auch die des "Gottesstaates". Dschihadisten, die "heiligen Krieger", nutzen ihre Familien auch heute noch ohne Bedenken als menschliche Schutzschilde, weil sie - wie Christen - von einer Belohnung der Märtyrer nach dem Tode überzeugt sind.

Während Jesus gesagt haben soll (z.B. im Matthäus-Evangelium), die göttliche Erlösung setze gute Taten voraus...

"So bringt jeder gute Baum gute Früchte, aber der faule Baum bringt schlechte Früchte. 18 Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, noch [kann] ein fauler Baum gute Früchte bringen. 19 Jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. 20 Deshalb, an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen." (Mt 7)
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... reicht für Paulus der Glaube allein (siehe 4. Brief an die Römer):

"Dem, der Werke tut, werden diese nicht aus Gnade angerechnet, sondern er bekommt den Lohn, der ihm zusteht. Dem aber, der keine Werke tut, sondern an den glaubt, der den Gottlosen gerecht macht, dem wird sein Glaube als Gerechtigkeit angerechnet." (Röm 4)
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Damit schafft Paulus den Mächtigen die Rechtfertigung, ihre Macht zu missbrauchen, was sie dann auch ausgiebig taten: "Hauptsache heilig". Die prächtigen Kathedralen geben dafür ein eindrucksvolles Zeugnis.

Und noch eine weitere Überlieferung der Worte Jesu, die sich mit Fehlverhalten befassen, ist für die Macht der katholischen Kirche bedeutsam: "Wem ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben." Ob es eigentlich als psychologisches Hilfsangebot zur Bewältigung von Schuldgefühlen gedacht war - niemand weiß es.
Kleriker haben den Gläubigen die Vergebung der Sünden zur unbedingten Voraussetzung für das versprochene jenseitige Paradies erklärt, und damit machten sie die Lossprechung (Absolution) durch einen Priester zum wichtigsten Mittel der politischen Einmischung. Das zusätzlich eingeführte Schweigegelübde schützte die klerikalen Mitwisser zudem vor dem Zwang zur juristischen Aufklärung. Wer gegen die Machtinteressen der Kirche stand, dem drohte sie mit ihrer ultimativen Waffe, dem Ausschluss aus der Kirchengemeinschaft (Exkommunikation).
Nun kann man ja über Schuld und Gerechtigkeit noch streiten; das ist besonders schwierig, wenn es gilt, Machtinteressen zu rechtfertigen. Was, wenn nun aber alle Menschen von Geburt an Sünder sind und deshalb alle der Gnade der Kirche bedürfen, egal wie rechtschaffen oder sogar schutzbedürftig sie sind? Auch diese Erzählung ging gar nicht von Jesus selbst, sondern wieder von dem misogynen Ex-Christenverfolger, dem sogenannten "Apostel" Paulus von Tarsus aus, der in einem Brief an die römische Gemeinde die Idee der Erbsünde formulierte; Zitat aus dem 5. Römerbrief:

"Durch einen einzigen Menschen [Adam] kam die Sünde in die Welt und durch die Sünde der Tod, und auf diese Weise gelangte der Tod zu allen Menschen, weil alle sündigten. [...] Sind durch die Übertretung des einen die vielen dem Tod anheim gefallen, so ist erst recht die Gnade Gottes und die Gabe, die durch die Gnadentat des einen Menschen Jesus Christus bewirkt worden ist, den vielen reichlich zuteil geworden."

Alle, auch die Mächtigen, mussten sich also von der katholischen Kirche (a priori) legitimieren lassen, und ihre aus religiöser Sicht oft verbotenen Taten, die "Sünden", auch (a posteriori). Mit dieser Auslegung von Christentum konservierte der Katholizismus das heidnische Narrativ vom Herrscher als überlegenem, dominantem, und natürlich männlichen Helden. Hauptsache, man hielt sich an die heiligen Riten - und an die geschriebenen und ungeschriebenen Spielregeln des Klerus. Hauptsache devoter Respekt vor der Heiligkeit, alles andere war sekundär: Hauptsache heilig. Dass die Maßstäbe dieser Heiligkeit immer von einem Menschen (dem Papst) definiert wurden, diese Frage war im Katholizismus sakrosankt.

Religiöse Fanatiker in allen monotheistischen Religionen machten daraus in Verbindung mit der Schöpfungsgeschichte, dass Eva vom Satan zur Verführung Adams motiviert worden sein soll, ein Instrument gewaltsamer Unterdrückung; auch die Aufklärung konnte die Misogynie nicht überwinden. Die Hexenverfolgung und die in wiederkehrenden Phasen repressive Sexualmoral in Europa sind historische Beispiele, in Teilen des Islams und in christlichen Sekten haben extreme Formen bis heute überdauert.

Sie werden auch in der vermeintlich aufgeklärten, postreligiösen Welt reproduziert. Das kulturell extrem überformte Sexualverhalten verursacht vielfältige psychische Verletzungen und Störungen, was wiederum Ausbruchs-Versuche aus der Norm provoziert. Manche Menschen flüchten sich in Sex-Sekten. Die Auslandskorrespondentin Anke Richter schildert in der taz ihre eigenen Erfahrungen und Begegnungen mit Opfern, die sie letztlich zum Ausstieg bewegten. Sie zitiert die US-Pädagogin Janja Lalich, die 1996 ihre Erfahrungen in Rehabilitionseinrichtungen für Sektenopfer zusammenfasst. Sie spricht von 40% der Frauen, die von sexuellem Missbrauch berichteten - egal ob in christlichen oder esoterischen Sekten. Sie schätzt die tatsächlichen Zahlen deutlich höher ein, weil die eigene Wahrnehmung der Situation und die wissenschaftliche Sichtweise auseinander gehen.
taz: [Richter 2023]
Studie: [Lalich 1996]

Heute bezweifeln viele, dass Paulus' Ideen viel mit denen von Jesus zu tun haben, manche finden sogar, dass er das Christentum völlig verdreht hat. Er infiltrierte nicht nur das junge Christentum mit patriarchaler Mysogynie, sondern erfand auch das misanthropische Konzept der Erbsünde und unterband alle revolutionären Ideen.
Franz Alt bringt es in seinem Buch "Ich habe einen Traum!" auf den Punkt.


Wir haben eher ein Paulustum als ein Jesustum.
Franz Alt

In seiner Kritik zu diesem Buch stimmt Dieter Klink in den Badischen Neuesten Nachrichten BNN längst nicht allem, aber diesem Satz eindeutig zu; sie findet sich auch auf Alts eigener sonnenseite im Internet.
BNN: [Verknüpfung]
sonnenseite: [Verknüpfung]

Es ist kein Wunder, dass angesichts von Ungerechtigkeiten in der Kirche auch immer wieder Menschen eigene Gedanken entwickelten und Machtfragen stellten. Das geschah natürlich nur auf theologischer Ebene, doch wenn die Kritik zuviel Resonanz fand, bekamen die Kritiker die Macht der Kirche zu spüren. Viele bezahlten mit dem Leben.
Der erste theologische Streit um Verantwortung entbrannte in der Spätantike.
Der Bischof Augustinus von Hippo behauptete, der an sich schlechte, weil erbsündige, Mensch sei seinem Schicksal hilflos ausgeliefert, und seine Erlösung sei allein ein Akt göttlicher, respektive klerikaler Gnade. Damit bedient er sich stark seiner ursprünglichen Religion, dem Manichäismus, der die Welt in Gut und Böse einteilt.
Sein Gegenspieler, der asketische Prediger Pelagius, erkannte die manichäischen Wurzeln in Augustinus' Ideen. Pelagius kritisierte Augustinus' Fatalismus als heidnisch und lehnte die Erbsündenlehre ab. Er ging, wie später die Humanisten, von einem positiven Bild des Menschen aus, der im Leben immer wieder ethische Entscheidungen fällen müsse. Damit forderte er Moralismus, und stellte die Gottgegebenheit der Machtverhältnisse fundamental in Frage.
Natürlich war Pelagius damit dem römischen Katholizismus als Legitimation willkürlicher Macht ein Dorn im Auge, weshalb seine Lehren im ganzen Mittelmeerraum als Häresie unterdrückt wurden. Augustinus dagegen wurde zu einem der vier "Kirchenväter". Seine illiberalen Grundsätze wirken bis heute nach: Intoleranz gegen Andersgläubige, Antijudaismus, Glaube an gerechte Gotteskriege und körperfeindliche Sexualethik.
[Wikipedia 2023 - Augustinus von Hippo]
[Wikipedia 2023 - Pelagius (Theologe)]
[Wikipedia 2023 - Manichäismus]
Bis zur Aufklärung vergingen danach mehr als 1000 Jahre.

Die dramatische Erosion der Macht in Folge der Aufklärung, deren Reaktion Europa in Jahrhunderte von Religionskriegen stürzte, gipfelte letztlich im fragwürdigen Versuch von Papst Giovanni Mastai Ferretti (Pius IX), im Kulturkampf seine absolute Deutungshoheit zu konservieren - mit der dogmatischen Behauptung aus dem Ersten Vatikanischen Konzil, dass der Papst immer dann recht hat, wenn er "ex cathedra", von seinem Thron herab, spricht. Er war es auch, der im Mariendogma den Ausdruck von der "unbefleckten Empfängnis" in die Welt gesetzt hat. Mastai Ferretti hat die Glaubwürdigkeit seines Amts damit in den Augen der Weltöffentlichkeit nachhaltig beschädigt.
[Wikipedia 2021 - Kulturkampf]
Konstantin der Große hatte im Christentum das antike Patriarchat konserviert, und 1700 Jahre theologischer Wissenschaft, Reformation und auch der Aufklärung konnten daran nicht rütteln. Nicht umsonst heißen die hohen Kleriker in der orthodoxen Kirche, die im oströmischen Reich entstand, Patriarchen. Man muss sich auch über Kirchenlieder nicht wundern, wo Jesus von Nazareth als "Herr der himmlischen Heerscharen", "mächtig in dem Kampf" etc. glorifiziert wird. Das ist das genaue Gegenteil des historischen Jesus.

Vom Urchristentum blieb nur eine fragmentarische Überlieferung zurück, die stark für politische Zwecke zugeschnitten war. Gott sei Dank konnte dieses Bild durch Funde weiterer Quellen in jüngster Zeit ergänzt und korrigiert werden. Ob und wann eine durchgreifende Rückbesinnung auf urchristliche Werte noch einmal in der Kirche einsetzen wird, kann niemand sagen.
Filmtip: BBC. Die Welt der Antike 6 - Der Aufstieg des Christentums
Buchtip: Franz Alt. Die außergewöhnlichste Liebe aller Zeiten. Herder Verlag. Freiburg 2021
In seiner Kritik dazu erklärt Benedikt Collinet vom Katholischen Bibelwerk Stuttgart e.V., dass Alt dem Irrtum erliegt, die aramäische Fassung sei älter als die griechische - dabei sei sie in der Neuzeit entstanden, durch Übersetzung des Hamburger Pastors Günther Schwarz aus dem griechischen Original. Die Bedeutung von Maria Magdalena in der Gemeinde bestreitet Collinet jedoch nicht, auch wenn er Alt in Fragen einer sexuellen Beziehung und dem Scheintod nicht folgen kann.
Katholisches Bibelwerk Stuttgart e.V.: [Verknüpfung]







Die staatsreligiösen Oberhäupter im christlichen Rom fanden schnell Interesse daran, ihren Einfluss auf die Gläubigen für politische Zwecke auszunutzen, angefangen beim antiken Mailänder Bischof Ambrosius und seinem Täufling Augustinus, über den Investiturstreit und die Nahost-Politik im Mittelalter, oder die berüchtigten Intrigen der Renaissance-Päpste, bis hin zu Karol Woitylas Einfluss auf das kommunistische Polen.
[Wikipedia 2021 - Ambrosius von Mailand]

Jede Macht wird früher oder später in Frage gestellt. Wo immer sich der Protestantismus etabliert hatte, verlor Rom seinen Einfluss. Den vollständigen Machtverlust konnte Rom bis heute abwenden, um den Preis etlicher schrecklicher Konfessionskriege in Europa, u.a. des Dreißigjährigen. Die jahrhundertelangen Rivalitäten zwischen den Kolonialmächten Spanien und Frankreich mit England wurden vom Papst befeuert. (Das erzkatholische Bayern beansprucht heute noch Privilegien gegenüber dem überwiegend preußisch-protestantischen Rest Deutschlands: ungeklärte Fragen des Wahlmodus spalteten jüngst die konservativen "Schwesterparteien" CDU und CSU in der Kanzlerkandidaten-Frage 2021).
Auch dem englischen König Henry VIII wurde die römische Einmischung in seine kriminellen Familienangelegenheiten zuviel, und er gründete eine eigene protestantische, die anglikanische Kirche.
In Frankreich war man sich bei der gewaltsamen Abschaffung des Feudalismus der unheiligen Allianz von Kirche und Staat bewusst. Die Revolution schaffte konsequenterweise jegliche staatliche Unterstützung von Kirche ab, auch der protestantischen (die ohnehin hier kein Treiber war). Kemal Atatürk machte es mit dem Islam in der Türkei genauso. Eine Ursache der problematischen Entwicklung in der Türkei ist in der Restauration des Islamismus durch Recep Tayyip Erdoğan zu sehen, die vom Ölstaat Saudi-Arabien aus unterstützt wurde. Genauso unrühmlich ist die Rolle des Patriarchen von Moskau Kyrill in der Entwicklung des Putinschen Faschismus.

Den Schritt zur Säkularisierung hat Deutschland jedoch bis heute nicht geschafft.

Zum nationalen Einigungswerk des deutschen Kaisertums gehörte die Aussöhnung des protestantischen Herrscherhauses Hohenzollern mit den katholischen Bundesländern. Dessen Engagement bei der Vollendung des größten deutschen Gotteshauses ist dafür symbolisch. Der mächtige Kölner Dom war seit dem Mittelalter eine Bauruine. Wilhelm II erklärte seine Fertigstellung zum nationalen Großprojekt. Seitdem thront er förmlich auf der Domplatte über dem neuen prachtvollen Bahnhof. Alle Züge über die Hohenzollern-Rheinbrücke rollen heute noch an der Statue Wilhelms II vorbei. Die Treue zu Kaiser, Gott und Vaterland war keine Frage der Konfession mehr.

Zwar hatten die Nazis sich säkular präsentiert, ja sogar scheinbar unchristliche, germanisch-heidnische Helden-Kulte hochstilisiert, und eine "neue politische Religion des Blutes" vertreten. Das täuscht jedoch darüber hinweg, dass sich auch religiös-konservative Gruppen im deutschen Reich mit der Zustimmung von Eugenio Pacelli (Pius XII, Reichskonkordat mit Hitler am 20. Juli 1933) bzw. der Fürsprache "Deutscher Christen" aus der Evangelischen Kirche von der vermeintlichen Gottgefälligkeit der nationalsozialistischen Staatsdoktrin überzeugen ließen.
Die Tradition der vorchristlichen Kulte zeigt zunächst, dass der Katholizismus sie seit Konstantin als Zugeständnis für die von oben verordnete Christianisierung nicht nur geduldet, sondern sogar kultiviert hatte.
Der heidnische, patriarchale Heldenmythos durfte im Faschismus auch in manchen Pfarreien wieder aufleben. Als "katholische Wegbereiter des Nationalsozialismus" nennt der kirchenkritische Philosoph Flasch die Theologen Schmaus, Lortz und Piper. Der Antisemitismus hatte in der katholischen Kirche zwar große Tradition, und zumindest von Martin Luther ist Antisemitismus sicher überliefert.
DLF: [Verknüpfung]

Ein begeistertes Bekenntnis des katholischen Klerus zum Nationalsozialismus war jedoch nicht die Regel. Zuerst hatte die deutsche katholische Kirche ihren Mitgliedern die NSDAP-Mitgliedschaft verboten. Am 23.03.1933 stimmte die katholische Zentrumspartei Hitlers Ermächtigungsgesetz zu. Fünf Tage später nahm die katholische Kirche ihr Verbot zurück.


Es ist leider nicht zu verneinen, dass das katholische Volk sich, abgesehen von wenigen Ausnahmen, dem neuen Regime mit Enthusiasmus zugewandt hat.
Cesare Orsenigo, Apostolischer Nuntius in Berlin, am 22. März in einer Botschaft zum Papst nach Rom
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Die Kirche versuchte von da an weitgehend, neutral zu bleiben, und hielt sich mit offener Agitation gegen die Nazi-Verbrechen weitgehend zurück. Um den deutschen Klerus zu schützen, vereinbarte Papst Achille Ambrogio Damiano Ratti (Pius XI.) mit Hitler 1933 eine Kooperationsvereinbarung, das sogenannte Reichskonkordat. Er und sein Nachfolger Eugenio Pacelli (Pius XII) wurden später vielfach wegen mangelnden Einsatzes gegen die Nazi-Verbrechen kritisiert. Pacellis Zurückhaltung ging wohl auch auf seine Erwägung zurück, dass die Nazis die Ausbreitung des Bolschewismus verhindern könnten. Die heftigen Vorwürfe der 60er Jahre wurden von Historikern teilweise relativiert, vor allem nach der Öffnung der Vatikanischen Archive 2020.
[Wikipedia 2022 - Pius XII. - Historische Debatte]
Wie auch immer man es bewerten mag: die Kirche hatte ihre Not damit, in Nazi-Deutschland ihre Rolle als staatstragende Institution zu spielen, die sie seit Konstantin spielte, und in der sie auch Hitler gern vereinnahmen wollte. Zitat aus seiner Regierungserklärung vom 23.03.1933, Zitat:

"Ebenso legt die Reichsregierung, die im Christentum die unerschütterlichen Fundamente der Moral und Sittlichkeit des Volkes sieht, größten Wert auf freundschaftliche Beziehungen zum Heiligen Stuhl und sucht sie auszugestalten."

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Die Behauptung einer göttlichen Legitimation wurde schon vom preußischen König Wilhelm I. in die Gürtelschnallen der Militär-Uniformen eingeprägt, und von da an bis in die Zeiten der NS-Reichswehr und -Marine: "Gott mit uns".
[Wikipedia 2024 - Gott mit uns]

Öffentliche Bekenntnisse von Pfarrern gegen den Nationalsozialismus waren nicht so selten und führten 2579 Vertreter des niederen Klerus in den Tod im Konzentrationslager Dachau, wo es einen eigenen Pfarrerblock gab. An den prominenten Münsteraner Bischof von Galen, der offen die Eutanasie kritisierte, trauten sich die Nazis nicht heran.
[Wikipedia 2022 - Clemens August Graf von Galen - Reaktion des Regimes]
katholisch.de: [Verknüpfung]
katholisch.de: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2022 - Pfarrerblock (KZ Dachau - Katholische Geistliche)]
Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es in der Bischofskonferenz intern regimekritische Vertreter gab, z.B. Bischof Preysing von Berlin, die sich jedoch mangels Rückendeckung aus Rom nicht durchsetzen konnten. Vorsitzender der Bischofskonferenz war Fürstbischof Bertram von Breslau. Er wählte als Form des Protests nichtöffentliche und deshalb folgenlose Eingaben bei der Regierung, und beließ es dabei. Damit setzte er sich im Sinne des Reichskonkordats durch. Zitat aus einem Aufsatz des Rheinischen Landesverbandes: "Bertram blieb zu sehr seiner traditionellen Vorstellung von rechtmäßigen Beziehungen zwischen Kirche und Staat verhaftet, um zu erkennen, dass gegenüber der NS-Regierung eine andere Vorgehensweise nötig gewesen wäre. [...] An den Meinungsverschiedenheiten zwischen Preysing und Bertram wäre die Konferenz 1940 beinahe auseinander gebrochen."
[Verknüpfung]

Für ihren Widerstand gegen die Nazi-Ideologie ist die evangelische "Bekennende Kirche" wesentlich bekannter, v.a. wegen des hingerichteten Widerständlers Dietrich Bonhoeffer. Sie richtete sich im sogenannten "Kirchenkampf" gegen den Großteil der evangelischen Kirche, die sich als "Deutsche Christen" der Gleichschaltung unterworfen hatten.

Bonhoeffers Briefe aus dem Gefängnis wurden zu wichtigen Zeitzeugnissen und inspirieren seitdem viele Menschen, ob gläubig oder agnostisch, ob religiös oder areligiös.
Er beschäftigte sich mit der problematischen Vorstellung vieler Menschen von der direkten Wirksamkeit Gottes in der Welt, die nach seiner Auffassung von der Aufklärung unberührt geblieben ist.

In den Unterrichtsmaterialien der Internationalen Bonhoeffer Gesellschaft IBG werden wichtige Gedanken Bonhoeffers einsortiert und zusammengefasst.
Der Ausschluss von Religion als Kriegsrechtfertigung ist einer der Ausgangspunkte des Völkerrechts, das zuerst während des 30-jährigen europäischen Religionskrieges formuliert wurde von Hugo Grotius. Er schrieb in "De Iure Bello Ac Pacis" 1625 in §11:
"Et haec quidem quae iam diximus, locum aliquem haberent etiamsi daremus, quod sine summo scelere dari nequit, non esse Deum, aut non curari ab eo negotia humana."
[Wikipedia 2022 - De Jure Belli Ac Pacis]
Übersetzung mit translate.google.com: "Und tatsächlich hätten diese Dinge, die wir bereits gesagt haben, einen Platz, selbst wenn wir ihnen das geben würden, was nicht ohne das größte Verbrechen gegeben werden kann, dass es keinen Gott gibt oder dass die menschlichen Angelegenheiten nicht von ihm erledigt werden."
Übersetzung der IBG: "Diese Zeilen würden auch dann ihre Gültigkeit behalten, wenn wir die große Sünde begehen würden, die Existenz Gottes oder seine Fürsorge für uns zu leugnen."

Bonhoeffer greift diesen Gedanken 1944 auf, bereits inhaftiert. Wir müssten in der Welt leben "etsi Deus non daretur", als ob es Gott nicht gäbe, und untermauert damit Forderungen nach einem säkularen Staat. Als Theologe verwahrt er sich natürlich vor dem Vorwurf der Gottesferne oder gar der Gottesleugnung. Er tut das aber nicht aus politischen Gründen, so wie es der Staatsphilosoph Grotius es noch musste. Bonhoeffer begründet theologisch, dass erst mit einer aufgeklärten Gottesvorstellung eine größere Nähe zu Jesus möglich wird.

Bonhoeffer zeichnet das Gottesbild seiner Zeit als eine mittelalterliche Heteronomie (Fremdbestimmtheit) des Individuums durch Klerikalismus, an dem die Aufklärung nicht viel geändert habe.
Zitat aus den Materialien der IBG:

"Wer sich also von einem Bild des allein auf die Rolle des Nothelfers beschränkten Gottes leiten lässt, der missachtet in Bonhoeffers Augen Gott, weil dieser zu einem Objekt der menschlichen Bedürfnisse abqualifiziert werde. Gott übernimmt in einem solchen Bild die Aufgabe des letzten Retters, der mit all seiner Macht in die Geschicke des Menschen und der Welt eingreifen kann und dies vor allem in Notsituationen auch tut. Ein solches Gottesbild steht fraglos auch hinter der Prägung „Gott mit uns“, die auf den Koppelschlössern der deutschen Soldaten bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zu finden ist. [...]
Die Säkularisierung befreit den christlichen Glauben von der Wirkung religiöser Bedürfnisse des Menschen. Die Menschen bilden eine „mündig gewordene Welt“, die zwar „Gott-loser und darum vielleicht gerade Gott-näher als die unmündige Welt“ ist. [...]
Säkularisierung bewirkt dann nicht per se den Glaubensverlust und die Entkirchlichung/ Entchristlichung, sondern vielmehr für ein um die Religion geläutertes Christentum, in dem nicht der Mensch mit seinen Bedürfnissen, sondern Gott im Mittelpunkt steht. „Der Gott, der uns in der Welt leben lässt ohne die Arbeitshypothese Gott, ist der Gott, vor dem wir dauernd stehen. Vor und mit Gott leben wir ohne Gott. Gott lässt sich aus der Welt herausdrängen ans Kreuz, Gott ist ohnmächtig und schwach in der Welt und gerade und nur so ist er bei uns und hilft uns.“ [...]
Gott sei verdrängt worden aus der menschlichen Existenz, der Öffentlichkeit. Ihm sei der Platz im Privaten („Kammerdienergeheimnisse“) zugewiesen worden, dem „Jagdgebiet der modernen Seelsorger“. Damit werde der Blick auf die „Sünden der Schwäche“ gelenkt (Bonhoeffer nennt als Beispiele die Ehebrüche bei Napoleon und Goethe), anstatt die „starken Sünden“ beim Namen zu nennen: die Hybris, das Durchbrechen der Ordnung oder die Scheu vor der freien Verantwortung."

Er bezieht sich damit auf Luther, der dazu aufrief, die "Freiheit eines Christenmenschen" anzuerkennen, und die Verantwortung, die damit verbunden ist.
Dazu im Gegensatz steht die Beschäftigung der katholischen Kirche mit den Tätern unter Vernachlässigung der Opfer, die zu Luthers Zeiten für den Ablasshandel missbraucht wurde, anstatt für Gerechtigkeit zu sorgen. Dem zugrunde liegt das katholische Verständnis von Vergebung als göttlichem Gnadenakt, der durch den Klerus vermittelt wird. Diese Hinwendung zu den Tätern unter Vernachlässigung der Opfer wird ihr selbst heute noch im Missbrauchsskandal vorgeworfen.

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Die IBG führt die Gedanken Bonhoeffers weiter aus:

"Deshalb: „Jesus ruft nicht zu einer neuen Religion, sondern zum Leben. [...] Wenn man von Gott nicht-religiös sprechen will, dann muss man so von ihm sprechen, dass die Gottlosigkeit der Welt dadurch nicht irgendwie verdeckt, sondern vielmehr gerade aufgedeckt wird und gerade so ein überraschendes Licht auf die Welt fällt.“ [Das Für-andere-dasein Jesu ist die Transzendenzerfahrung! Aus der Freiheit von sich selbst, aus dem Für-andere-dasein bis zum Tod entspringt erst die Allmacht, Allwissenheit, Allgegenwart. [Diese Attribute Gottes werden traditionell jeglicher Gotteslehre vorangestellt.] Gott ist das Teilnehmen an diesem Sein Jesu. (Menschwerdung, Kreuz, Auferstehung.) Unser Verhältnis zu Gott ist kein religiöses zu einem denkbar höchsten, mächtigsten, besten Wesen – dies ist keine echte Transzendenz –, sondern unser Verhältnis zu Gott ist ein neues Leben im Dasein-für-andere, in der Teilnahme am Sein Jesu. Nicht die unendlichen, unerreichbaren Aufgaben, sondern der jeweils gegebene erreichbare Nächste ist das Transzendente.]"

Das ist eine Interpretation des Jesus-Worts "gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist". Nach diesem Verständnis kann Kirche niemals irgendwelche weltliche Macht legitimieren.


Imagine there's no heaven, it's easy if you try. No hell below us, above us only sky.
Imagine all the people living for today.
Imagine there's no countries, it isn't hard to do. Nothing to kill or die for, and no religion too.
Imagine all the people living life in peace.
You may say I'm a dreamer, but I'm not the only one. I hope someday you'll join us, and the world will be as one.
Imagine no possessions - I wonder if you can. No need for greed or hunger, a brotherhood of man.
Imagine all the people sharing all the world.
You may say I'm a dreamer, but I'm not the only one. I hope someday you'll join us and the world will live as one
John Lennon

Ein Adressat von Bonhoeffers Briefen war sein Freund Eberhard Bethge, der sie 1951 unter dem Titel "Widerstand und Ergebung" zu einem der wichtigsten Bücher der Aufarbeitung des Nazi-Terrors machte, und viele inspiriert hat.
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Arbeitsblatt mit dem Brief vom 16.07.1944 als Ablichtung: [Verknüpfung]
Der Brief als Textdatei: [Verknüpfung]
Bonhoeffer-Gesellschaft: [Verknüpfung]
In seinem Brief an seine Verlobte Maria von Wedemeyer zum Jahreswechsel 1944/45, kurz vor seiner Hinrichtung, bringt Bonhoeffer im Gedicht "Weihnachtsgruß" sein unerschütterliches Gottvertrauen und seine Liebe zur Menschheit zum Ausdruck. Es wurde in beiden Konfessionen zu einem der beliebtesten Kirchenlieder.


Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben und mit euch gehen in ein neues Jahr.
Noch will das alte unsre Herzen quälen, noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach, Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern, des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern aus deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst du uns noch einmal Freude schenken an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken und dann gehört dir unser Leben ganz.
Lass warm und hell die Kerzen heute flammen, die du in unsre Dunkelheit gebracht.
Führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen. Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet, so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet, all deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Dietrich Bonhoeffer
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[Wikipedia 2022 - Von guten Mächten]

So sehr Bonhoeffer im Nachkriegs-Deutschland postum geehrt wurde - man zog aus seinen Ideen nicht die Konsequenz, Kirche und Staat endlich zu trennen. Dass diese Forderung aktuell blieb und immer noch global aktuell ist, zeigen nicht nur die vatikanische Unterstützung faschistischer Regimes in Spanien, Peru und Chile, sondern auch islamistische Staaten und Terroristen, sondern auch die Kreuzzugs-Rhetorik des US-Präsidenten George W. Bush jr vor dem zweiten Irak-Krieg und die enge Beziehung des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill zum faschistischen Diktator Putin. Die Rolle der russisch-orthodoxen Kirche war bis zum Ende des Zarenreichs so staatstragend wie nirgends sonst. Auch Putins Vernetzung mit rechtsnationalen europäischen Parteien erfolgte über fundamentalchristliche, katholische Kreise. Die ultrakonservativen Seilschaften zwischen Kirchenkreisen und Politikern sorgen in Deutschland bis heute für Irritationen, Konflikte und gesellschaftliche Spaltung.

Nachkriegs-Deutschland berief sich nach dem moralischen Volks-Bankrott auf christliche Werte. Bei den Gründungsmitgliedern der CDU waren keine Nazis, einige waren als Gegner der NSDAP sogar zeitweise inhaftiert gewesen, auch ihr erster Bundeskanzler Konrad Adenauer. Doch nach wie vor blieb man dem konstantinischen Verständnis vom Christentum als Staatsreligion treu. Bis heute werden die großen Kirchen in Deutschland durch Steuern finanziert.

Adenauer setzte sich gegen die frühe Strömung eines christlichen Sozialismus durch, aber vor allem um den Namen zu verhindern. "Mit dem Wort Sozialismus gewinnen wir fünf Menschen und zwanzig laufen weg."
[Kleßmann 1992 S. 145]
Im Neheim-Hüstener Programm, das von Adenauer mitbestimmt wurde, werden Gedanken formuliert, die sich deutlich vom rechten Materialismus distanzieren: "Die CDU will ein neues, ein anderes Deutschland aufbauen. Die Epoche in der die materialistische Weltanschauung in Deutschland die geistige Grundlage wurde, Staat, Wirtschaft und Kultur beherrschte, soll zu Ende sein. Auch der Nationalsozialismus wurzelte in dieser Weltanschauung, er führte die ihr entstammenden Grundsätze bis zur äußersten Konsequenz durch. [...] An die Stelle der materialistischen muss wieder die christliche Weltanschauung treten. [...]"
[Kleßmann 1992 S. 426]
[Wikipedia 2021 - Neheim-Hüstener Programm]
Die FDP betonte bei ihrem Zusammenschluss aus verschieden orientierten liberalen Landesparteien auch ihre national orientierten Grundwerte und hatte demgemäß im Bundestag ihre Sitze rechts von der CDU.
[Wikipedia 2021 - Freie Demokratische Partei - Liberale Parteien nach 1945]
Politisch aktive Ex-Nazis sammelten sich zunächst auch in anderen kleinen Parteien wie DP und SRP. Als mit der Zeit Gras über die NS-Zeit wuchs, wechselten sie zu CDU/ CSU oder zur FDP.
[Wikipedia 2021 - Christlich Demokratische Union Deutschlands - Geschichte]

Ohne Kirche ist immer noch kein deutscher Staat zu machen. Bis heute wird die Kirchensteuer nicht angetastet, und bis heute wird damit die beredte Tatenlosigkeit der Kirche gegenüber strukturellen Ungerechtigkeiten erkauft, wie der grassierenden Reichtumsakkumulation oder der existentiell gefährlichen Externalisierung von Kosten in die Zukunft.






Seit Konstantin hatte im Katholizismus das Gottesgnadentum den Adel legitimiert, so wie Paulus es schon angedacht hatte. Doch dieser Machtanspruch der Kirche wurde angesichts ungerechter Zustände immer wieder in Frage gestellt, bis es durch den Aufstieg des Bürgertums zum Bruch der mittelalterlichen Ordnung kam.

Die ersten Widerstände reformatorischer Kleriker sind seit dem Mittelalter bekannt. Meister Eckharts Vorstellung von einem "Seelengrund", der eine innere Verbundenheit des Menschen zu Gott darstellt, war der katholischen Kirchenmacht ein Dorn im Auge. Denn sie beanspruchte den exklusiven Zugang des Menschen zu Gott, für sich. Eckhart wurde am Hof des Papstes in Avignon der Prozess gemacht, dessen Ende er nicht mehr erlebt hat. Girolamo Savonarola richtete sich direkt politisch gegen die katholisch legitimierten Oligarchen in Florenz und begründete seinen Widerstand mit der Ferne des Klerus zu den Ursprüngen des Christentums - und wurde dafür verbrannt. Jan Hus kritisierte nach dem englischen Vorbild John Wyclif die Macht des Klerus, und wurde dafür ebenfalls verbrannt - im Gegensatz zu Wyclif, der im seinerzeitigen England verschont wurde, was für seine Nachfolger aber schon nicht mehr galt.
[Wikipedia 2022 - Seelengrund - Meister Eckhart]
[Wikipedia 2022 - Girolamo Savonarola]
[Wikipedia 2022 - John Wyclif]
[Wikipedia 2022 - Jan Hus]

In der Renaissance hatten sich viele Adelshäuser zur Finanzierung von Kriegen und Luxus in die Abhängigkeit bürgerlicher Geldgeber begeben. Deren Geldmacht brachte die Macht des Adels ins Wanken. Mit der Macht des Adels schwand auch die der Kleriker, die die Adelsmacht mittels Religion legitimierten.

Unter dem berüchtigten Papst Rodrigo Borgia (Alexander VI) kam es im Machtgefüge zum ersten Bruch: das Geburtsrecht des Adels wurde in Frage gestellt, und dieser zuerst schleichende Prozess wurde zu einer akzeptierten Norm, als er in einer epochalen Beschreibung Niccolò Machiavellis offen idealisiert wurde.
Borgias offiziell bestätigter Sohn Cesare hatte sich über das Geburtsrecht des Adels hinweggesetzt, als er sich zum Fürsten ernannte. Vom damals normalen Nepotismus der Päpste ("Begünstigung von Neffen") konnte nicht mehr die Rede sein. Ein nach damaliger Norm "illegitimer" Sohn des Papstes erhob sich zum Adeligen - das war ein Vorgang, der in vielen Adelshäusern für Aufregung gesorgt haben dürfte. Der Staatsphilosoph Niccolò Machiavelli beschrieb in seinem Buch "Il Principe" ("der Fürst") diesen und weitere Fälle, in denen nichtadlige Männer zur Macht kamen, entgegen der "abendländischen" Tradition, bis hin zu Bürgern. Machiavelli löste sich von religiösen und moralischen Denkmustern seiner Zeit und idealisierte das reine Machtkalkül. Wichtigste Legitimation eines machiavellistischen Herrschers: Tüchtigkeit, Entscheidungsfreudigkeit, wenn nötig auch Grausamkeit. Alles gerechtfertigt im Sinne des Machterhalts: der Zweck heiligt die Mittel.
Seine Schrift hätte Machiavelli wohl den Kopf gekostet, hätte sie nicht den Sohn des Papstes verherrlicht, denn sie brach mit der sakrosankten mittelalterlichen Ordnung. So ist es vielleicht der Anmaßung der Familie Borgia zu verdanken, dass es zu diesem Bruch gekommen ist.
Doch Machiavelli war kein freier Mann. Er schrieb das Buch 1513, als er sich in Haft befand - möglicherweise auch, um die Machthaber, die papsttreue Familie Medici, zu besänftigen, gegen die er sich vorher aufgelehnt hatte. Deren Patriarchen "Magnifico Lorenzo di Piero di Medici" ist das Werk im Titel gewidmet. Die Medici waren die bedeutendsten Bankiers ihrer Zeit. Gleichzeitig mit "Il Principe" hat Machiavelli mit "Discorsi" ein Buch über die bürgerliche Freiheit in der Republik veröffentlicht. Ob sein Werk also später von skrupellosen Machtpolitikern und Ökonomen einseitig missdeutet wurde, ist deshalb bis heute umstritten.
[Wikipedia 2021 - Der Fürst - Rezeption]
Wie jedes zweideutige Werk gibt es bis heute Menschen, die es in ihrem Sinne einseitig interpretieren. Machiavelli machte das, war wir heute "Realpolitik" nennen, moralisch kompatibel. Ein Herrscher - egal ob per Geburt von Gottes Gnaden oder nicht - war demnach nicht mehr einer Kirche gegenüber rechenschaftspflichtig, die nach außen hin strenge moralische Maßstäbe predigte, z.B. mit dem Katechismus. Demütige Gottesfurcht und Respekt vor den Geboten der Kirche mochten Instrumente zur Unterdrückung des Volkes sein - aber nicht für die Machthaber. Stattdessen grassierten Machtgehabe und Prunksucht, ganz so wie es die obersten Vertreter der Kirche selbst vorlebten, die berühmt-berüchtigten Renaissance-Päpste. Ein wichtiger Mosaikstein der Geistesgeschichte, der die Aufklärung mit provozierte.

Eine Revolte gegen Rom brauchte einen noch stärkeren Auslöser, und das war wieder ein Papst, der die Grenzen seiner Macht überschritt - dieses Mal bezeichnenderweise in Geldfragen. Der italienische Geldadel hatte das moderne Bankwesen in Europa eingeführt. Die ihrerzeit mächtigste Bankiersfamilie de Medici hatte es geschafft, einen eigenen Vertreter auf dem Papstthron zu installieren - Giovanni (Leo X). Zur Finanzierung seines gigantischen Prestige-Projekts, des neuen Petersdoms, ließ de Medici Zertifikate der Absolution (vorgeblicher göttlicher Vergebung) verkaufen (dt. "Ablassbriefe"). Ablasshändler wie Tetzel konnten riesige Summen für Rom eintreiben, und das in extremen Krisenzeiten von Seuchen, Kriegen und Nahrungsknappheit.
Kein Wunder, dass sich die Konflikte rivalisierender deutscher Kleinstaaten an der Frage der Papsttreue umso heftiger entzündeten. Manchen Anti-Papisten kam der papstkritische Mönch Martin Luther mit seinen 95 Thesen gerade recht. Luthers Bibel-Übersetzung führte zur Alphabetisierung der nicht-klerikalen Welt, und Gutenbergs Druckerpresse ermöglichte die Verbreitung neuer Ideen. Wissenschaft, Forschung und Lehre wurden zu Antreibern des Fortschritts, und damit der zunehmenden bürgerlichen Vorherrschaft.
Revolutionär war seine Vorstellung von der Eigenverantwortung des Menschen vor Gott, die er 1520 zum Ausdruck brachte mit Buchtitel von der Freyheyt eyniß Christen menschen, und die er 1521 vor dem Reichstag Kaiser Karls V. in Worms bekräftigte mit den Worten: "wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!".
[Wikipedia 2022 - Von der Freiheit eines Christenmenschen - Ursache und Zielrichtung]

Katholiken sehen bis heute den Bedarf an Reformen und geben die Versuche nicht auf, diese endlich umzusetzen. Das zeigen Bewegungen wie die Befreiungstheologie, das KirchenVolksBegehren oder Maria 2.0, aber auch katholische Kirchenkritiker wie der Gegenspieler von Josef Ratzinger, der Theologe Hans Küng, der Verfassungsrichter Böckenförde oder der Nachkriegs-Schriftsteller und Grünen-Gründer Carl Amery, der die Rolle der katholischen Kirche vor und nach der Reformation reflektierte.
In der intelligent konstruierten Science-Fiction-Erzählung "Das Königsprojekt" schickte Amery katholische Agenten auf Zeitreise, um Martin Luther in der Wartburg zu ermorden. Soviel sei verraten: die Sache ging ziemlich schief.
Auch in seinem Essay "Die Kapitulation oder Der real existierende Katholizismus" arbeitete er sich schmerzhaft an seiner eigenen katholischen Konfession ab.

Auch die neue Machtelite, das reiche Bürgertum, konnte sich in der katholischen Renaissance ihrer moralischen Verantwortung entziehen - per Ablasshandel. Im Gegenzug behielt die Kirche durch die Einnahmen ihren exklusiven Zugang zum neuen Mittel der Macht, dem Geld.
Dieser Versuch des Klerus, auch an der neuen, der Geldmacht des Bürgertums, einen Anteil zu bekommen, ging schief. Durch Luthers Aufklärung über den Ablass-Betrug verlor der Katholizismus mit der Absolutionslehre seine theologische Glaubwürdigkeit, und damit fiel auch das Gottesgnadentum, und schließlich übernahm im Protestantismus der Geldadel selbst die Macht. Dies erforderte eine neue Legitmiation.
Im Protestantismus ersetzt deshalb die calvinistische Lehre von der göttlichen Vorsehung das Gottesgnadentum, und das Wohlstandsevangelium erklärt den wirtschaftlichen Erfolg zum alleinigen Gradmesser der Gottgefälligkeit. Wenn jemand Erfolg hat, zeigt das nach der calvinistischen Theologie, dass Gott auf seiner Seite ist. Sprichworte sagen "Gott ist mit dem Tüchtigen", "hilf dir selbst, dann hilft dir Gott", oder auch "wenn jeder an sich selbst denkt, ist an jeden gedacht". Eine komplette Verdrehung der christlichen Botschaft. Entsprechend wandelte sich der wirtschaftliche Erfolg zum Maßstab des sozialen Erfolgs, der sich bis heute gehalten und in Zeiten des Neoliberalismus wieder an Bedeutung gewonnen hat.
Der Soziologe Max Weber beschäftigte sich intensiv mit dem Auftieg der protestantischen Bürgerschaft nach der Aufklärung. Sein Werk die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus zählt neben Wirtschaft und Gesellschaft zu seinen wichtigsten Beiträgen zur Soziologie und ist ein Standarderk der Religionssoziologie.
[Wikipedia 2021 - Wikipedia 2021 - Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus]

Konfession katholisch protestantisch urchristliche Praxis
Herrschaftsinstrument Adel Geld keins
religiöse Legitimation der Herrschaft Gottesgnadentum göttliche Vorsehung (Prädestination) Geschwisterlichkeit der gleichberechtigten "Kinder Gottes" - es gibt keine Herrschaft über andere ("selig die Sanftmütigen - denn sie werden das Land erben")
Rechtfertigung eigennütziger Vorteilsnahme gegenüber den Mitmenschen nachträgliche Vergebung durch den Klerus als göttliche Statthalter (Ablass) gottgefälliger Wohlstand (Wohlstandsevangelium)
[Wikipedia 2021 - Wohlstandsevangelium]
Uneigennützigkeit - es gibt keinen persönlichen Besitz
Narrativ "[...] curae nutu suo caelesti terrena omnia moderanda commisit." (dt. "ihm habe der „himmlische Wille alles Irdische zur Lenkung anvertraut") (überliefertes Selbstverständnis von Konstantin dem Großen) Gleichnis von den Talenten (Matthäus 25,14–30 und Lukas 19,12–27)
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2. Brief von Paulus an die Korinther (Kapitel 8): "Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet. [...] Nun aber vollendet auch das Tun, damit, wie ihr geneigt seid zu wollen, ihr auch geneigt seid zu vollenden nach dem Maß dessen, was ihr habt. Denn wenn der gute Wille da ist, so ist jeder willkommen nach dem, was er hat, nicht nach dem, was er nicht hat."
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"Der freie Markt ist gelenkt von der unsichtbaren Hand Gottes." - so wird der Philosoph Adam Smith falsch zitiert (während man diesen Markt zum eigenen Vorteil manipuliert - also unfrei macht).
"There is no such thing as a free lunch." (Margret Thatcher)
"Liebe Deinen Nächsten wie Dich selbst."
"Sorgt Euch nicht um Besitz - sehet die Lilien des Feldes, sehet die Vögel des Himmels. Sie säen nicht, sie ernten nicht, und ihr himmlischer Vater ernährt sie doch."
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Extrembeispiele der Geschichte Kreuzzüge, Verbrennungen von Häretikern, Aufteilung der transatlantischen Kolonien durch Papst Rodrigo Borgia (Alexander VI), ... Sklavenhaltung, Manchesterkapitalismus, angloamerikanischer Imperialismus in Ostasien, Kolonialpolitik, Völkermord an den Indigenen und Rassenfrage in den USA (KuKluxKlan, Tulsa-Massaker 1921), Verfolgung religiöser und anderer Minderheiten durch Deutsche Christen im Dritten Reich, ... Einstehen Jesu für seine Lehren bis zur letzten Konsequenz; Hl. Franziskus, Hl. Elisabeth, Albert Schweizer, Mutter Theresa, Desmond Tutu, Oscar Romero, ...
prominente Beispiele von heute Einkommensverteilung in den USA, Zurschaustellen von Luxus, auch kombiniert mit Wohltätigkeit (beides zur Pflege des Heldenmythos), Donald Trump beruft sich auf die Bibel, blinder Fortschrittsglaube, White Supremacy in den USA, ... Linux, Gemeinfreie Lizensierung, OER, Open Access, wikipedia, Gemeinwohlökonomie, ...

Der Katholizismus hat viel an Einfluss verloren - das Patriarchat jedoch hat die Aufklärung überstanden, indem es sie vereinnahmte. Eine neue Elite, die Freimaurer, betrieben in einer verschwörerisch-konzertierten Weise die Abschaffung der feudalen Strukturen und legitimierten das mit sogenannten Menschenrechten. Als historischer Meilenstein gilt die Erklärung der Menschenrechte in der Verfassung der USA - von denen allerdings Frauen und Nicht-Weiße ausgenommen waren.
Ironie der Geschichte: Ausgerechnet die Kirche brachte mit ihrem Bauboom irrwitzig aufwändiger Prachtbauten die Freimaurer zusammen - in den Dombauhütten konzentrierte sie die größten Kreativen ihrer Zeit.
Der Anspruch der USA, ein Hort der Freiheit zu sein, wird von Nationalisten immer noch geradezu religiös vertreten. Nach dem Fall des Kommunismus sind dort die reaktionären Tendenzen, Frauen- und Minderheitenrechte auf den Status der Gründerväter zurückzustutzen - also auf Null - immer erfolgreicher. Gerade hier finden sich auch die ausgeprägtesten Tendenzen, wissenschaftliche Erkenntnis nach nützlich (profitable sound science) und schädlich (im fossilökonomistischen Sinne fortschrittsfeindliche Junk science) einzuteilen. In Erinnerung an den Aufstand der Siedler gegen die britische Krone nennt sich diese Bewegung auch Tea Party.
Filmtip: Tempel, Logen, Rituale. MDR 2008
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Die USA haben von Anfang an das Selbstbild als Gottes erwähltes Volk zur Staatsdoktrin gemacht. Hier grassiert das Wohlstandsevangelium in extremer Form bis heute, vor allem bei den evangelikalen Freikirchen. Die Fellowship Foundation (bekannt als the Family und Prayer Breakfast Movement) hat enormen Einfluss auf die ultrakonservative US-Politik. In ihrem Gästehaus in Washington DC finden regelmäßig religiöse Events (National Prayer Breakfast) statt, die sich in einer Weise mit politischen Themen beschäftigen, die man in Europa niemals mit religiösen Motiven verbinden würde. Themen: "God and the oil industry", "God and the defense economy". Hier vernetzen sich einflussreiche Lobbyisten des militärisch-industriellen Komplexes, vor dem US-Präsident Eisenhower bei seiner Abschiedsrede eindrücklich gewarnt hatte.
Filmtip: Macht und Machenschaften
In der aktuellen Rassismus-Diskussion in den USA kommt wieder die tiefe Verankerung von Rassismus in bestimmten evangelikalen Kreisen der Südstaaten deutlich zum Ausdruck. Hier eine Zusammenstellung des katholischen Kölner Senders Domradio.
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Im Magazin evangelisch.de kann man von Bestrebungen führender Baptisten lesen, diese Tradition endlich in Frage zu stellen.
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2017 veröffentlichte der Kirchenvorstand Southern Baptist Convention eine Distanzierung von white supremacy.
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Aber es gibt dazu auch eine Gegenbewegung.

Es gibt Anzeichen, dass die Kontroversen um die white supremacy in der evangelikalen Welt zur Zerreißprobe werden: Trumpisten unter den Evangelikalen erklären Jesus für "zu links". Diese Anzeichen sind an Absurdität nur schwer zu überbieten: worauf die gottesfürchtigen Trumpisten ihr Christentum begründen wollen statt auf die Lehren von Jesus Christus, wird spannend. Der Trump-kritische frühere Baptisten-Vorstand Russell Moore, der 2021 zurückgetreten ist, beklagt dieses Problem 2023 in seinem Buch "Losing our religion: An Altar Call For Evangelical America".
Leider wird die Glaubwürdigkeit der Kleriker auch in den USA erschüttert von Missbrauchsskandalen, was von den weltlichen Trumpisten ausgenutzt wird, um deren Meinung zu unterdrücken.
FR: [Krappitz 2023]
Interview bei WAMU: [Verknüpfung]
Interview bei NPR mit Transkript: [Verknüpfung]


Almost every part of American life is tribalized and f[r]actionalized. [...] I think if we're going to get past the blood and soil sorts of nationalism or all of the other kinds of totalizing cultural identities, it's going to require rethinking what the church is.
(Fast jeder Teil des amerikanischen Lebens ist tribalisiert und fraktionalisiert. [...] Ich denke, wenn wir den Blut-und-Boden-Nationalismus oder all die anderen Arten totalisierender kultureller Identitäten überwinden wollen, müssen wir überdenken, was die Kirche ist.)
Russell Moore

Doch auch in der katholischen Kirche blieb nicht immer alles beim Alten, wie Traditionalisten es gerne darstellen. Nach Jahrhunderten erbitterter Machtkämpfe zwischen und innerhalb der Konfessionen tobt gerade in der katholischen Kirche wieder eine Zerreißprobe zwischen Reformern und Reaktionären.

Die Einbußen an weltlicher Macht ermöglichten erstaunliche Reformen in der katholischen Kirche. Im 19. Jahrhundert trieben gerade Teile der Kirchen mit Protagonisten wie Don Bosco, Kolping und von Ketteler den Staat in der Sozialen Frage zum Handeln an. Damals entstand die katholische Soziallehre.
[Wikipedia 2022 - Katholische Soziallehre]
Seitdem haben vier reformerisch denkende Kardinäle den Papstthron besetzt: 1878 Vincenzo Gioacchino Pecci (der "Arbeiterpapst" Leo XIII), 1958 Angelo Giuseppe Roncalli (Johannes XXIII, "der gute Papst"), der mit der Einberufung des 2. Vatikanischen Konzils die längst überfälligen Reformen angestoßen hat und damit die Befeiungstheologie-Bewegung auslöste; 1978 Albino Luciani (Johannes Paul I), der von Gott als Vater und "vor allem" als Mutter gesprochen hat (wie es in der Urkirche auch üblich war); und 2013 Jorge Mario Bergoglio (Franziskus), der sich im Sinne der Armen offensiv gegen die Verursacher der Anthropozän-Krise und der Armut richtet.


Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht, Gehorsam aber zu Verbrechen.
Vincenzo Gioacchino Pecci (Papst Leo XIII)
[Verknüpfung]

Bergoglio steht in der Kirche nicht allein gegen die reaktionären Kräfte. Es gibt viele Theolog:innen, die sich im Sinne der Verteilungs- und Generationengerechtigkeit äußern, und deshalb aktuell die Klimagerechtigkeits-Bewegung unterstützen.

Wie schwer Veränderungen in Genderfragen im Vatikan zu bewirken sind, beschreibt Marco Politi in der Zeit.
Zeit: [Verknüpfung]
Die feministischen Hoffnungen auf einen progressiven Papst, der in revolutionärer Weise Gerechtigkeit gegenüber den Armen fordert, sind bitter enttäuscht worden. Das sexistische Frauenbild, auf dem die männliche Machtentfaltung im Katholizismus basiert, ist selbst Franziskus völlig sakrosankt.

Das schließt auch die Fragen der vielfältigen nichtbinären sexuellen Identitäten mit ein, aller wissenschaftlichen Evidenz zum Trotz. Geschlechtsumwandlungen lehnt Franziskus ab.
Spektrum: [Hiort 2021]

Der Rechtsphilosoph und Verfassungsrichter Ernst Wolfgang Böckenförde erkannte und kritisierte die stabilen Verbindungen von Staat und deutscher Kirche, die selbst den Krieg und die Demokratisierung in der Nachkriegszeit unbeschadet überdauert hatten. Er war aktiver Katholik und ab 1967 gleichzeitig Sozialdemokrat - zu einer Zeit, in der die katholische Kirche noch massiv ihren Einfluss auf Wahlentscheidungen für die CDU und gegen die SPD missbrauchte. Noch vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil 1962 forderte er 1957 von der katholischen Kirche in einem Aufsatz "Das Ethos der modernen Demokratie und die Kirche" die vorbehaltlose Anerkennung der Demokratie, und versuchte 1961 eine Aufarbeitung der Rolle der katholischen Kirche im Dritten Reich mit dem Aufsatz "Der deutsche Katholizismus im Jahr 1933". Wie sehr er vom Ergebnis des Konzils begeistert war, zeigt ein Zitat aus Wikipedia: "Die schließlich verabschiedete Erklärung Dignitatis humanae (1965) bezeichnete [Böckenförde] mit einer Formulierung Josef Isensees als „kopernikanische Wende“ der kirchlichen Lehre, insofern das Konzil erstmals den Vorrang der Religionsfreiheit vor dem religiösen Wahrheitsanspruch anerkannt habe, – in Böckenfördes Worten: „Damit ist der prinzipielle Schritt vom Recht der Wahrheit zum Recht der Person getan.“"
Mit Roman Schnur gründete er die interdsiziplinäre Zeitschrift "Der Staat. Zeitschrift für Staatslehre, Öffentliches Recht und Verfassungsgeschichte", in der neben Juristen auch Politologen, Historiker und Philosophen schrieben. Die bis dato wichtigste juristische Fachzeitschrift "Archiv des öffentlichen Rechts" war bezeichnend für die junge Bundesrepublik, in der "das Verständnis für die politische und rechtliche Bedeutung staatlicher Autorität geschwunden, der Staat zerredet worden" sei.
Sein berühmtestes Zitat stammt aus dem Aufsatz "Die Entstehung des Staates als Vorgang der Säkularisation" aus dem Jahre 1964, das Böckenförde-Diktum. Es beschäftigt sich auch mit der alten Kantschen Frage, wo die Grenzen der Freiheit in einem (hier demokratischen) Staat liegen.


Der freiheitliche, säkularisierte Staat lebt von Voraussetzungen, die er selbst nicht garantieren kann. Das ist das große Wagnis, das er, um der Freiheit willen, eingegangen ist. Als freiheitlicher Staat kann er einerseits nur bestehen, wenn sich die Freiheit, die er seinen Bürgern gewährt, von innen her, aus der moralischen Substanz des einzelnen und der Homogenität der Gesellschaft, reguliert.
Anderseits kann er diese inneren Regulierungskräfte nicht von sich aus, das heißt mit den Mitteln des Rechtszwanges und autoritativen Gebots zu garantieren suchen, ohne seine Freiheitlichkeit aufzugeben
und – auf säkularisierter Ebene – in jenen Totalitätsanspruch zurückzufallen, aus dem er in den konfessionellen Bürgerkriegen herausgeführt hat.
Ernst Wolfgang Böckenförde
[Wikipedia 2022 - Böckenförde-Diktum]
[Verknüpfung]

Anlässlich der Moralismusvorwürfe u.a. in der Klimadebatte setzt Böckenförde 2009 in einem taz-Interview mit Christian Rath seine Aussage in ihren damaligen Kontext und erklärt, warum sie immer noch aktuell ist, Zitat:

"[Rath:] Wie kann der Staat die öffentliche Moral stützen und fördern?
[Böckenförde:] Dazu gehört nicht zuletzt der Erziehungsauftrag der Schule, auch wenn der heute leider nur noch schwach wahrgenommen wird. Außerdem kann der Staat selbst glaubwürdig moralische Ziele verfolgen, zum Beispiel soziale Gerechtigkeit, und so ein Klima schaffen, in dem Moral ernst genommen wird.
[Rath:] Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie die ethische Kraft der Religion überbetonen.
[Böckenförde:] Diese Kritik übersieht den Kontext, in dem ich 1964 diesen Satz formuliert habe. Ich versuchte damals vor allem den Katholiken die Entstehung des säkularisierten, das heißt weltlichen, also nicht mehr religiösen Staates zu erklären und ihre Skepsis ihm gegenüber abzubauen. Das war also noch vor 1965, als am Ende des Zweiten Vatikanischen Konzils die katholische Kirche erstmals die Religionsfreiheit voll anerkannte. In diese Skepsis hinein forderte ich die Katholiken auf, diesen Staat zu akzeptieren und sich in ihn einzubringen, unter anderem mit dem Argument, dass der Staat auf ihre ethische Prägekraft angewiesen ist.
[Rath:] Sie wollten damals also nicht behaupten, dass allein die Kirche und die Religion den Ethos schaffen, der den Staat zusammenhält?
[Böckenförde:] Nein, das lesen vielleicht manche Kirchenvertreter hinein, aber so war das nicht gemeint. Auch weltanschauliche, politische oder soziale Bewegungen können den Gemeinsinn der Bevölkerung und die Bereitschaft fördern, nicht stets rücksichtslos nur auf den eigenen Vorteil zu schauen, vielmehr gemeinschaftsorientiert und solidarisch zu handeln."
[Verknüpfung]

Der demokratische Staat steht also im Spannungsfeld zwischen Ausübung von Zwang und Gewährung von Freiheit. Gewährt er zuviele Freiheiten, dann droht Ungerechtigkeit, und will er diese durch Regulation verhindern, geht das auf Kosten der Freiheit.
Dem entspricht auch seine (kontroverse) Stellungnahme zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 1995 gegen eine Vermögenssteuer, die Heribert Prantl im DLF sinngemäß so wiedergibt: "Die Sicherung unbegrenzter Eigentumsakkumulation ist nicht Inhalt der Eigentumsgarantie. Der Gesetzgeber darf nicht zum Akkumulationsgehilfen werden. Die Ungleichheit darf ein gewisses Maß nicht überschreiten, sonst geht sie über in Unfreiheit. Das muss der Sozialstaat verhindern."
In der Krise schaffen es die rechtskonservativen Populisten, bei autoritär denkenden Menschen Zweifel an der Handlungsfähigkeit des demokratischen Staates zu säen, was z.B. zum Ende der Weimarer Republik geführt hat, und weshalb man bei der Gründung der Bundesrepublik das Ideal einer "wehrhaften Demokratie" verfolgte.
2009 forderte Böckenförde als Gegenmittel in seinem Aufsatz "Woran der Kapitalismus krankt", die katholische Soziallehre aus ihrem "Dornröschenschlaf" zu erwecken.
[Wikipedia 2022 - Ernst-Wolfgang Böckenförde]
Lesenswert ist auch der Nachruf vom Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung Heribert Prantl auf Böckenförde, der dessen Diktum als "E=M.c2" der Staatsrechtslehre bezeichnet.
[Verknüpfung]

Doch die restaurativen Kräfte waren in Rom immer sehr stark, und so diente sich die katholische Kirche schließlich den neuen patriarchalen Machthabern an: der rechtskonservativen Geldelite.
Die politische Dimension des katholischen Konservatismus ist die Leugnung des Politischen im Messianischen, und das Beharren auf der Nichteinmischung der Kirche im Staat. Zwar bedeutet es zunächst nur de facto die Zementierung der politischen Verhältnisse, wird aber über das Schriftwort hinaus interpretiert als Begründung für den Kampf gegen alles Neue.
Das begann mit Konstantins Nicäischem Konzil, also in Zeiten der Adelsherrschaft. Nach deren meist schleichend verlaufenen Ablösung hat man sich schließlich auch in der katholischen Kirche nolens-volens mit den neuen bürgerlichen Machthabern, dem Geldadel, arrangiert. Davon zeugen die Seilschaften in zahlreichen katholischen Burschenschaften ebenso wie rechtskonservative Denkfabriken, auch solche mit großer Nähe zum Vatikan. Sie wirken konspirativ im Hintergrund und unterlaufen mit ihrer intransparenten Einflussnahme z.B. bei Auftragsvergaben und Stellenbesetzungen die Prinzipien des Rechtsstaats, und das weltweit.
Ein herausragendes Beispiel ist die Organisation Opus Dei, gegründet von José María Escriba Albás (später adelte er sich selbst mit dem Namen Josemaría Escrivá de Balaguer y Albás) als fundamental-christliche Unterstützer-Organisation des faschstischen Franco-Regimes in Spanien. Zu den kontemplativen Praktiken der Mitglieder gehören Schlafen auf nacktem Boden und Selbstgeißelung. Von Spanien aus verbreitete sich Opus Dei in christlichen Staaten weltweit. Ihre Vertreter sind in höchsten Positionen von Wirtschaft, Kirche und Staat zu finden.
Medienbeiträge über eine direkte Einflussnahme von Opus Dei beim Putsch in Chile durch General Pinochet wurden zwar teils erfolgreich durch Unterlassungsklagen unterbunden. Allerdings war 2002 im Hamburger Abendbatt zu lesen, dass Escriba das Gemetzel Augusto Pinochets in Chile während einer Konferenz im Jahr 1974 als "nötiges Blutvergießen" gerechtfertigt hat.
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[Wikipedia 2022 - Opus Dei - Zur politischen Ausichtung]
Die Nähe von Opus Dei zu autoritäten Diktatoren hielt Carol Wojtyła (Johannes Paul II) jedenfalls nicht davon ab, die Organisation 1982 zur päpstlichen Personalprälatur zu erheben und den Gründer Escriba 2002 heilig zu sprechen; sein Nachfolger Joseph Ratzinger (Benedikt XVI) ist Ehrendoktor der Opus-Dei-Universität und besetzte wichtige Posten im Vatikan mit Mitgliedern von Opus Dei. Sie unterstützten ihn bei der Restauration der katholischen Kirche nach den Reformen des 2. Vatikanischen Konzils. Ratzinger hatte schon als Vorsitzender der Kongregation für den rechten katholischen und apostolischen Glauben (im Mittelalter bekannt als Heilige Inquisition) hartnäckig daran gearbeitet, die Reformen von Johannes XXIII rückgängig zu machen und alle neuen Ideen im Keim zu ersticken, z.B. die Befreiungstheologie. Er wird von deutschen rechtskonservativen Katholiken deshalb besonders verehrt. Seine Seligsprechung wurde durch den Missbrauchsskandal, in dessen Rahmen Ratzinger sich als erster Papst der Geschichte vor einem weltlichen Gericht verantworten musste, verhindert.
correctiv: [Verknüpfung]
Ratzingers Umgang mit dem kriminellen Orden der Legionäre Christi zeigt, dass es ihm weniger um Integrität der Kirche als um Aufrechterhaltung einer Fassade geht.
Zeit: [Verknüpfung]
Teile von Opus Dei stehen kritisch zur katholischen Soziallehre und vertreten Positionen des Neoliberalismus, die in vielen Punkten verblüffend mit dem Wohlstandsevangelium übereinstimmen. Das ist auch konsequent, denn hohe Vertreter von Opus Dei besetzen Spitzenposten in Wirtschaft und Politik.
Filmtip: Die Geheimnisse des Opus Dei - Glaube, Macht, Manipulation. ZDF 2021
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[Wikipedia 2021 - Opus Dei - Neoliberalismus und Kritik an der Katholischen Soziallehre]
Ein wichtiger Vordenker bei Opus Dei ist Martin Rhonheimer, Universitätsprofessor für Ethik und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce (PUSC) in Rom, Mitglied der Hayek-Gesellschaft und Mitbegründer des neoliberalen Lord-Acton-Kreises.
[Wikipedia 2021 - Martin Rhonheimer]
Rhonheimer schreibt in der NZZ über sein Vorbild Lord Acton: "Die Freiheit, die er meine, sei die Sicherheit eines jeden, tun zu können, was er für richtig halte, ohne von irgendwelchen Autoritäten, der Mehrheit, von Sitten und Bräuchen oder durch die Meinung anderer daran gehindert zu werden. Staatliche Einschränkungen der Freiheit des Einzelnen, so Lord Acton, sind nur gerechtfertigt, wenn sie im Dienst der Ermöglichung der Freiheit aller stehen."
Er berichtet dort auch über Ratzingers Sympathie für dessen "katholischen Liberalismus".
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Der Lehrbeauftragte Daniel Saudek kritisiert Rhonheimers Neoliberalismus.
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Rhonheimer gehört zum Kreis der Autoren in der rechtskonservativ-katholischen Zeitschrift Die neue Ordnung, die auch Schriften offen AfD-naher Autoren (wie Nathanael Liminskis Vater Jürgen) publiziert - was allerdings interne Kontroversen provozierte.
[Wikipedia 2021 - Die Neue Ordnung]
Rhonheimer zeigt sich auch in der Evolutionsfrage durchaus aufgeklärt. In seinem Lehrbuch "Homo sapiens - die Krone der Schöpfung" verteidigt er die biologische Lehrmeinung gegenüber Kreationisten. Der Mensch lasse sich - analog zur theologischen Auffassung als jüngste Schöpfung Gottes nach seinem Ebenbild - als Krone der Schöpfung via Evolution verstehen.
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Eine rechtskonservative politische Einstellung zu vermuten liegt bei Nathanael Liminski, dem Chef der NRW-Staatskanzlei unter Ministerpräsident Armin Laschet, nahe. Liminski war zum Praktikum in den USA bei dem evangelikalen Mitglied der republikanischen Partei Mark Souder und wurde im deutschen Fernsehen bekannt als Gesicht der Bewegung Generation Benedikt. Dabei forderte er voreheliche Enthaltsamkeit (auch wenn sein erstes Kind dann vorehelich geboren wurde).
Liminski zählt sich zum wertkonservativen Flügel der CDU, und hat schon für das heute AfD-nahe Organ Freie Welt Beiträge geschrieben, allerdings nur bis 2009, also lange bevor es die AfD gab. Auch für Roland Koch, der vor der AfD mit Ausländerfeindlichkeit auf Stimmenfang ging, hat er Reden geschrieben.
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[Wikipedia 2021 - Nathanael Liminski]
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In dieser Zeit bediente er rechtskonservative Ressentiments gegen "Genderismus" und attestierte Angela Merkel "ein tiefes Misstrauen gegenüber den Familien und damit gegenüber den Bürgern". Ihre damalige Familienministerin Ursula von der Leyen habe "als Erfüllungsgehilfe ihrer ideologischen Strategen im Familienministerium" dem traditionellen Modell "Vater, Mutter, Kind, verheiratet" den Kampf angesagt; Homosexualität habe "Krankheitscharakter".
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Liminski meint, es sei in Deutschland "leichter, ein Kind abzutreiben, als einen Baum zu fällen"; 2010 beklagt er beim WDR-Talk Hart aber fair die "wachsende Deutschenfeindlichkeit".
Zeit: [Verknüpfung]
Liminskis Vater Jürgen war Journalist, u.a. beim Deutschlandfunk und gehört zum Autorenkreis der rechtskonservativen Schriften Die Neue Ordnung und Freie Welt, und ist zudem Mitglied bei Opus Dei. Als achtes seiner zehn Kinder hatte Nathanael gegenüber dem Vater eine Sonderrolle, die dieser mit dem Begriff "Sekretär" beschreibt. Ob er sich jetzt politisch seinem Chef Armin Laschet, dem eine Nähe zu Merkel und den Grünen nachgesagt wird, annähert oder umgekehrt, kann man noch nicht sagen. Denn Liminski hält sich seit Antritt als Chef in Laschets Staatskanzlei mit öffentlichen Äußerungen vollständig zurück. Auch Menschen, die mit ihm zusammenarbeiten, sind mit ihren Einschätzungen diesbezüglich auffällig zurückhaltend. Immerhin ist überliefert, dass er von Merkels christlicher Motivation in der Flüchtlingskrise beeindruckt war.
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Laschet selbst ist ebenso tief im rechtskatholischen rheinischen Milieu verankert. Er gehört durch die alteingesessene Aachener Familie seiner Frau zu katholischen Männerbünden, u.a. den Burschenschaften Ripuaria Bonn und Aenania München; einer der Protektoren war schon damals Josef Ratzinger. Nach Angaben des (ansonsten gut informierten) Grünen-Lokalpolitikers Volker König ist Laschet seit 1974 Ritter des besonders elitären Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, der direkt auf die mittelalterlichen Kreuzritter zurückgeht. Leider habe ich keine weitere Bestätigung gefunden, aber auch wer diese Quelle anzweifelt, dem sollten die katholischen Burschenschaften Beleg genug für seine Gesinnung sein.
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Liminskis enger Freund ist der CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak. Wie Laschet gehört auch dieser zum Netzwerk der katholischen Studentenverbindungen.
Die politische Philosophie der Rechtskonservativen zeigt sich besonders deutlich in ihrem Verständnis vom Rechtsstaat. Eigentlich war dieser eine Errungenschaft des Liberalismus und diente den Bürgern zum Schutz vor missbräuchlichen Übergriffen durch den Staat. Unter CDU-Führung u.a. in NRW wird jetzt den Bürgern eine repressive Politik des Law and Order - also das genaue Gegenteil - mit gerade diesem Etikett verkauft.
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Für Polizist:innen sollen die Prinzipien Bürgernähe, Deeskalation und Kommunikation nicht mehr im Vordergrund stehen - sie sollen laut Innenminister Reul "gewaltfähiger" werden.
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Weitere Details zu Laschets Sicherheitspolitik zeigen dieselbe Tendenz.
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Es lässt sich festhalten, dass Liminski, Laschet und viele andere rechtskonservative CDU- und auch AfD-Politiker - sich in Kreisen bewegt, die sich der Konservierung des römischen Patriarchats verschrieben haben.
Seit Konstantin dem Großen mit dem Zusatz "katholisch" versehen. Und in meinen Augen nicht zu verwechseln mit den visionären Vorstellungen des christlichen Religionsstifters Jesus von Nazareth.
Die folgenden Zitate von Armin Laschet zeigen sein religiös motiviertes Obrigkeitsdenken. Das erste stammt aus einem Spiegel-Interview.


Der Glaube an Gott ist prägend für mein Verständnis der Welt, [...] wenn man daran glaubt, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht, macht man auch Politik anders als zum Beispiel ein Kommunist, der bis zum Lebensende dringend mit allen Mitteln das Paradies auf Erden schaffen will.
Armin Laschet
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In seiner Rede zum Wahlkampf-Auftakt formuliert er seinen Führungsanspruch, und insinuiert dabei - das liegt nach obigem Zitat klar auf der Hand - auch einen göttlichen Auftrag.


Wir werden kämpfen, ich werde kämpfen, mit allem was ich kann, dass dieses Land nicht von Ideologen übernommen wird, dass wir die Chance haben, unsere Ideen von diesem modernen Deutschland durchzusetzen, dafür kämpfen wir. [...] Es ist fundamental, wer regiert. Wir wollen regieren. Nicht [...], weil wir Lust haben am Regieren, sondern weil wir regieren müssen, damit Deutschland einen guten Weg nimmt.
Armin Laschet
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Getreu dem Kampfruf der Kreuzritter, den die Masse dem Papst Odo de Chatillon (Urban II) 1095 nach seinem Aufruf zum Kreuzzug zugerufen haben soll.


Deus lo vult!
(mittellateinisch: Gott will es)
Odo de Chatillon

Zitat aus Wikipedia: "Der Ausdruck gibt Zeugnis für ein religiöses Sendungsbewusstsein, das zur Erreichung seiner Ziele auch Gewalt einzusetzen bereit war. Diese wurde entsprechend dem Modell des gerechten Krieges als auf Verteidigung bzw. Rückeroberung widerrechtlich angeeigneter Gebiete ausgerichtete militärische Gewalt für sittlich vertretbar, ja sogar für gottgewollt gehalten. Der Kreuzzug als Krieg der Papstkirche wurde – so die Intention des Ausdrucks – in der Stellvertreterschaft Gottes geführt. [...]
Heute wird dieser Spruch von einigen rechten Gruppierungen vereinnahmt und findet sich gemeinsam mit dem Wappen des OESSH auch auf Plakaten bei Demonstrationen christlich-patriotischer Gruppen in Polen, z. B. beim Marsch zum Jahrestag der polnischen Unabhängigkeit."
[Wikipedia 2021 - Deus lo vult]

Auflehnung gegen den göttlichen Willen ist in Laschets Augen Hybris.


Die Religionen bieten eine Medizin gegen Ideologie an, die sich selbst überhöht und das Himmelreich auf Erden schaffen will.
Armin Laschet
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Abschließend versuche ich den Fanatismus religiös motivierter Fossilökonomisten einmal zu verdichten: "Gott will es, dass unser technologischer Fortschritt der Menschheit zum Segen Gottes wird. Auch wenn es Opfer kostet, aber unsere Vorherrschaft ist Gottes Wille."

Bei Erkenntnis der Klima- und Biodiversitätskrise geraten religiös motivierte Fortschrittsgläubige in eine tiefe Sinnkrise. Einen Ausweg zeichnet der Literatursoziologe und Publizist Andreas Öhler in Christ und Welt.


Doch so kalt erwischt, wie die Philosophen vermuteten, wurde die Kirche bei dieser Frage dann doch nicht. In der jüdisch-christlichen Tradition hat die Apokalypse ihren Platz. Sie ist der Katalysator, der den Menschen dazu zwingt, sich ethisch zu entscheiden. Die Naturgewalten stehen dort für die Strafe Gottes: Sodom und Gomorrha versanken als Städte der Sünde in den Flammen. Lot überlebt. In der Sintflut wird Noah mit seiner Arche zum irdischen Bewahrer der Schöpfung. All diese Miseren sollen dem Menschen als Warnung dienen, sich nicht über Gott zu erheben. [...] Die Brände in Griechenland und die Flutkatastrophe hierzulande werden keine Büßerbewegungen mittelalterlichen Stils auslösen, die zur Umkehr aufrufen. Doch das alte Sündendenken ist in verwandelter Form immer noch gegenwärtig, auch wenn die Gotteshäuser nur noch eine marginale Rolle spielen. Entfesselte Wasser und Feuer erinnern uns daran, dass wir unser Verhalten ändern müssen. Diese Einsicht predigt nun kein Hohepriester mehr, sondern sie zählt zum kleinen Einmaleins des Umweltschutzes.
Andreas Öhler
Zeit: [Verknüpfung]

Leider wählen allzu viele die bequeme Alternative der Resignation. Der in seiner Sturheit unaufgeklärte Fortschrittsglaube war wie auch die daraus folgende Endzeitvorstellung freilich nicht immer eine Eigenheit der Katholiken, im Gegenteil. Wie es dazu kam, erkläre ich im nächsten Kapitel.







Im 19. Jahrhundert kam die technologisch-kreative Wirkung des Geldes voll zur Geltung. Ohne Loslösung der Wissenschaften von der Theologie, und ohne bürgerliche Freiheiten wäre die Industrialisierung nicht denkbar gewesen. Die Freiheiten von Wissenschaft und Religion waren zentrale Grundsätze der staatlichen Verfassungen, die sich aus der Aufklärung ergaben. In Europa und den USA wurden etliche große Universitäten eingerichtet, die zahlreiche technische Innovationen hervorbrachten. Aus einer Mischung von Wohlstandsevangelium und heidnischem, patriarchalem Heldenmythos entstand die quasireligiöse Vorstellung einer Überlegenheit der weißen Weltbevölkerung, deren Fortschritt von Gott gewollt sei, und die die Unterdrückung der Menschen des Globalen Südens und der Frauen rechtfertige.
Zur wissenschaftlichen Begründung wurde zuerst der Anthropozentrismus oder Exzeptionalismus, die biblische Vorstellung vom Menschen als Höhepunkt der göttlichen Schöpfung, biologistisch formuliert. In direkter Konsequenz wurde in der Rassenkunde die weiße, europäischstämmige Weltbevölkerung als höherwertig erklärt, begründet mit Büchern voller pseudowissenschaftlicher Thesen, die heute widerlegt sind. In letzter Konsequenz wurden schließlich entsprechende Thesen über die Höherwertigkeit des männlichen Geschlechts formuliert. Die Rassen- und Geschlechterlehre des 19. Jahrhunderts war pure patriarchale Ideologie, die jedoch bis heute weiter, besonders explizit selbst definiert in der mächtigen rechtskonservativen Bewegung White Supremacy, vor allem in den USA.

Der Wissenschaftsjournalist und Gesellschaftskritiker Hoimar von Ditfurth setzte sich wie Erich Fromm und Carl Amery mit den Ursachen des selbstzerstörerischen Handelns der Menschheit auseinander, und identifizierte den antiken Anthropozentrismus, der trotz Aufklärung nicht überwunden wurde, als grundlegendes Problem. Er fasste seine wichtigsten Gedanken 1987 in einem ZDF Sonntagsgespräch mit Klaus Bresser zusammen.

Eine erste Konzentration des Kapitals führte - wie Karl Marx es vorhergesagt hatte - vermehrt zu sozialen Unruhen, die jedoch mittels Sozialpolitik befriedet werden konnten. Doch dies konnte die rasante Konzentration des Geldes in den Händen einer großbürgerlichen Elite nicht bremsen, denn mit den Kolonien hatte man ein gigantisches Potential für weitere Ausbeutung, das bis heute immer weiter erschlossen wird.
Nur waren die bürgerlichen Geldeliten damals noch stark ihren nationalen Ideologien und Interessen verpflichtet, was letztlich zu zwei Weltkriegen führte. Während die Kirchen sich im späten 19. Jahrhundert im Kulturkampf u.a. mit der sozialen Frage beschäftigten, entwickelte sich in eher kirchenfernen Kreisen eine neue Ideologie. Darwins Evolutionstheorie wurde schnell auf die Theorie menschlicher Gesellschaften übertragen. Die sogenannten Sozialdarwinisten sahen darin die Rechtfertigung für die rücksichtslose Durchsetzung des Bestangepassten - im Wettbewerb der Völker (wie heute dem des freien Markts). Ethische Fragen wurden zu gunsten einem vermeintlichen Daseinskampf (Evolution) der Ethnien ausgeklammert. Damit schufen sie eine von Theologie befreite, pseudowissenschaftliche Version von der Überlegenheit der europäischen Kultur, die jedoch geistesgeschichtlich auf dem katholischen Gottesgnadentum der Obrigkeit und dem daraus entwickelten protestantischen Wohlstandsevangelium basiert.

Der Komiker Charlie Chaplin deutete 1940 in seinem Film "Der große Diktator" die Weltsicht des Sozialdarwinisten Anton Hinkel alias Adolf Hitler in einer verstörend-lächerlichen Spielball-Metapher.


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Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs kam es in Deutschland zwar zu einer sozialdemokratisch geführten Regierung. Doch anstatt die neuen Machthaber zu unterstützen, waren die Siegermächte bei den Friedensverhandlungen revanchistisch motiviert. Zwar hatte man den renommierten britischen Reform-Ökonom John Maynard Keynes von der Cambridge-Universität als Verhandlungsführer der Briten gewonnen, doch dieser hatte sein Mandat unter Protest abgegeben, weil die Verhandlungen auf eine massive wirtschaftliche Unterdrückung Deutschlands hinausliefen - wovor Keynes eindrücklich gewarnt hatte. So kam es dann auch: angesichts der massiven Reparationsforderungen der Siegermächte hatte die deutsche Sozialdemokratie keinen Spielraum für Entwicklungs- und Sozialpolitik. Währenddessen schafften es konservative Kräfte, den desaströsen Kriegsverlauf und Friedensschluss den Sozialdemokraten anzulasten. Sie propagierten erfolgreich die Dolchstoß-Legende von der "im Felde unbesiegten" Wehrmacht, der die Sozialdemokraten mit ihrem Friedensschluss den "Dolchstoß in den Rücken" versetzt hätten - eine klassische Verschwörungserzählung.
In diese Phase des europäischen Niedergangs fiel schließlich die US-Wirtschaftskrise. Deutschlands Sozialdemokratie, die ihr Versprechen von sozialer Gerechtigkeit nicht hatte einlösen können, wurde von konservativen Kräften abgelöst. Dies war auch eine Reaktion auf die bolschewistische Revolution in Russland - die noch vom deutschen Kaiser Wilhelm als Destabilisierungsversuch des Weltkriegs-Gegners, seines Cousins Zar Nikolaus II., ausgelöst worden war.
Die besitzstandswahrende Austeritäts- und Industriepolitik des Konservativen Brüning führte Deutschland endgültig in den Ruin und damit in den Faschismus. Denn als Sündenböcke wurden Kommunisten, Sozialdemokraten und Juden angeprangert, unter dem Vorwurf einer Weltverschwörung gegen Deutschland. Tatsächlich finanzierte die von der konservativen Politik geschonte Rüstungsindustrie den Aufstieg Hitlers als Volkstribun, und dann über Kriegsanleihen (Mefo-Wechsel) direkt die Aufrüstung - weil sie sich satte Renditen aus dem Kriegsgewinn versprach. Es gab auch massive Unterstützung von US-amerikanischen Industriellen.

Die selbsternannten "Erlöser des Volks" von der Misere krisengeschüttelter, kaputtgesparter Staatswesen sind in der Regel ausgerechnet diejenigen, die vom Status Quo den größten Profit hatten.
Die NSDAP wurde finanziert von der Adolf-Hitler-Spende der Deutschen Wirtschaft, die Aufrüstung (praktisch die ganze deutsche Volkswirtschaft) finanziert über die Mefo-Wechsel, Kriegsanleihen der Industrie. Die Kriegswirtschaft wurde von Investoren und Profiteuren aus den USA unterstützt. Der gerade emeritierte NS-Experte der Humboldt-Universität Berlin Michael Wildt erklärt im Interview mit t-online, dass die NSDAP keineswegs eine linke Partei war, und dass im Gegenteil die Reichen unter ihrer Herrschaft noch reicher wurden. Die antikapitalistischen Strömungen der ersten Jahre in der Bewegung endeten mit der Ermordung von Georg Strasser 1934, die von Hitler selbst angeordnet wurde. Schon im Namen der Partei "NSDAP" kommt diese Irreführung zum Ausdruck: nationalsozialistische deutsche Arbeiter-Partei.
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Darstellungen der Einflussnahme des Hauses Hohenzollern auf die NS-Machtergreifung werden von den Nachfahren seit Jahren mit großem Aufwand gerichtlich angefochten. Es geht dabei um ihren Anspruch auf Entschädigungen, der für diejenigen Enteigneten nicht besteht, die dem Nationalsozialismus oder dem Kommunismus erheblichen Vorschub geleistet haben. Der Verband der Historiker und Historikerinnen Deutschlands sammelt die Klagen in einer Datenbank.
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War against a foreign country only happens when the moneyed classes think they are going to profit from it.
George Orwell
[Wikiquote 2021 - George Orwell]

Damit bewahrheitete sich wieder der alte Wahlspruch der SPD "nur die allerdümmsten Kälber wählen den Metzger selber."
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Filmtip: arte - Die Nazis, die Arbeit und das Geld. Frankreich 2020
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Filmtip: ZDF history - Hitler und das Geld
ZDF: [Verknüpfung]
Youtube: [Verknüpfung]

Beispiele von NS-Investoren, deren Erben nach dem Krieg unbehelligt ihre Geschäfte bis weit in die Nachkriegszeit oder sogar bis heute weiterführen konnten und damit zu Milliardären wurden, waren Ferdinand Porsche, Günther Quandt, August Oetker, August von Finck und Hermann von Siemens.
Während Deutschland in Nazi-Terror und Weltkrieg versank, wurden die USA vom Reform-Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der seinerseits Keynes als Berater engagiert hatte, aus der Krise geführt. Sein New Deal war geprägt von Staatsinterventionismus, und wurde von Konservativen als Kommunismus kritisiert. Doch konnte er die USA vor dem Faschismus bewahren.
Dieser Erfolg brachte Keynes auch in die Expertengruppe, die die Nachkriegs-Wirtschaftsordnung von Bretton Woods entwarf, inklusive fester Wechselkurse, Weltbank und UN. Leider starb Keynes bereits 1946. Schon früh formierten sich konservative Kräfte, um den Wirtschafts-Liberalismus des 19. Jahrhunderts zu restaurieren. Keynes' Einfluss war jedoch so nachhaltig, dass diese Kreise erst in den 70er Jahren den Neoliberalismus durchsetzen konnten.
In Kriegszeiten hatten die Wissenschaften vor allem dem nationalen Interesse gedient. Doch nicht nur intellektuelle Naturwissenschaftler wie Andrej Sacharov, Albert Einstein oder Clara Immerwahr kritisierten den Missbrauch wissenschaftlicher Erkennntnisse für machtpolitische Zwecke. Wenn selbst Dwight D. Eisenhower als republikanischer Präsident, der als General im Zweiten Weltkrieg die Bedeutung von Bewaffnung schätzen gelernt hat, in seiner Abschiedsrede vor dem militärisch-industriellen Komplex warnt, sollte das damals den Menschen zu denken geben - tat es aber nicht nachhaltig. Auch als der Erfinder der Wasserstoffbombe, Edward Teller, vor der globalen Erwärmung warnte, war das Echo bescheiden. Technischer Fortschritt, Konsum und Wachstum dienten laut der Propaganda der Public Relations dem nationalen Interesse und standen deshalb nicht zur Debatte.
Erst Ende der Sechziger Jahre entstand in den USA parallel zur Friedens- und Bürgerrechts-eine große Umweltbewegung, die eine veritable Desinformations-Industrie auf den Plan rief, die die wissenschaftlichen Warnungen, besonders prominent die naturwissenschaftlichen des Club of Rome, aber auch sozialpsychologische wie die von Erich Fromm, komplett übertönte.
Das atomare Wettrüsten im Kalten Krieg führte zu mehreren Beinahe-Katastrophen. Die politische Entspannungsphase danach dauerte nicht lange. Das zweite Wettrüsten, das vom ersten neoliberalen US-Präsidenten, dem Republikaner Ronald Reagan, massiv angetrieben wurde, brachte die UdSSR an die Grenze der wirtschaftlichen Belastbarkeit, und die Nuklearkatastrophe von Tschernobyl führte schließlich zu ihrem Zusammenbruch. Die damals große Gefahr der globalen nuklearen Vernichtung konnte auch dadurch abgewendet werden, dass die Führung unter dem Reformer Michail Gorbatschow klug genug war, nicht wie einstmals Hitler in einen Weltkrieg zu flüchten.
Das Ende der UdSSR führte auch zur Erosion sozialdemokratischer Politik in Europa, denn jede noch so zaghafte Form von Sozialismus galt fortan als untaugliches Gesellschaftsmodell. Margaret Thatcher und Helmut Kohl führten in Europa Reagans den Neoliberalismus ein. Gewerkschaften verloren massiv an Einfluss. Die politisch- soziale Emanzipation der 68'er wurde geschickt trivialisiert zu einer Befreiung durch individuellen Konsum. Auch Demokraten und Sozialdemokraten wie Bill Clinton, Tony Blair oder Gerhard Schröder blieben konsequent bei der neoliberalen Agenda, denn all ihre linken Ideen wurden von wirtschaftlichen Machthabern blockiert - und deren Profite wuchsen in immer neue Dimensionen.
Strengere Umwelt- und Sozialgesetze waren kein Problem, denn problematische Produktionen wurden nach China und anderswo ausgelagert. Nationale Rivalitäten waren ausgeräumt, es schlug die Stunde der großen Beschleunigung des Konsums durch Globalisierung, also weitgehender Aufhebung von Handelsschranken. Die Folge war ein ruinöser Wettbewerb um die geringsten Sozial- und Umwelt-Auflagen, die Bildung internationaler Megakonzerne und die Konzentration eines Großteils des Kapitals auf einen kleinen Kreis von Superreichen.

Doch Staaten sorgen nicht nur in Kriegszeiten für Forschung und Entwicklung. Schon im Kalten Krieg ließen die Mondfahrtprogramme etliche Innovationen abfallen, unter anderem verbesserte Computertechnik, aber auch Weiterentwicklungen von Brennstoff- und Solarzellen.
In Friedenszeiten wandelte sich die Sinngebung von Innovation in Forschung und Entwicklung endgültig weg vom Nationalinteresse hin zur profitablen Massenproduktion von Konsumgütern. Der Ort des Wettbewerbs war nicht mehr das Schlachtfeld, sondern der globale Markt. "Wirtschaft ist Krieg mit anderen Mitteln." Deshalb setzte sich in der Wissenschaftspolitik die Vorstellung durch, dass privater Finanzierung der staatlichen gegenüber der Vorzug zu geben sei. Die "unsichtbare Hand", die über freie Märkte die effektivste Kapitalallokation ermögliche, würde auch mit den profitabelsten "Innovationen" den größten Fortschritt für die Menschheit hervorbringen, so die neoliberale Ideologie.
Neolibertäre bezeichnen patentierbare Forschung nach solchen Innovationen als sound science (profunde Wissenschaft), alles andere als junk science (Müll-Wissenschaft).

Hinter der neoliberalen Ideologie steckt der Glaube an die göttliche Auserwähltheit der christlich-abendländischen Kultur, in der neuzeitlichen Variante als Wohlstandsevangelium, also als Glaube an ihren unaufhaltsamen Fortschritt durch profitgetriebene Innovation auf einem Markt, in der die allwissende unsichtbare Hand ihren Segen spendet.
Eine der Wurzeln dieser Religion liegt im Kalifornien nach dem Goldrausch. Der Industrielle Leland Stanford hat aus den Profiten für den transkontinentalen Eisenbahnbau die Stanford University gegründet, wo Generationen elitärer, darunter viele Rassisten, Patente sammelten und weltweit für neue Profite nutzten.
Die aktuellen Gebetsmühlen der neoliberalen Religion drehen sich um Spaltung und Fusion von Atomkernen, E-Fuels und Wasserstoff als PKW-Antriebe, Klimaanpassung durch grüne Gentechnik und künstliche Intelligenz. All diese Innovationen haben gemeinsam, dass sie die existentiellen Anforderungen der Menschheit bis 2040 nach Lehrmeinung der Wissenschaft ganz sicher nicht werden erfüllen können: drastische Treibhausgas-Emissionsminderung auf netto Null und das Ende des Artensterbens. Sie sind nur Scheinlösungen, denn sie kommen zu spät, wirken zu wenig oder sind kontraproduktiv. Was sie vermeintlich versprechen, ist der Fortbestand der Industriegesellschaft, also Sicherung der Profite von Investoren. Dabei unterschätzen die Neoliberalen die Probleme, die die Klimakrise global auslösen wird - im Gegensatz zu einem überragenden Teil der Wirtschaftswissenschaften, darunter viele Nobel-Gedächtnispreisträger:innen und der WEF. 2019 unterzeichneten 23.000 deutschsprachige Wissenschaftler:innen die Solidaritätserklärung der Scientists for Future für Fridays for Future, 2021 unterzeichneten 28.000 Wissenschaftler:innen den "World Scientists’ Warning of a Climate Emergency 2021", und 125 Nobelpreisträger:innen den Appell "Our Planet, Our Future".

Wenn es emotional wird, lassen Mächtige und Meinungsmacher uns besonders tief in die Abgründe ihrer Religion schauen:

Der Wissenschaftler, Autor und Journalist Hoimar von Ditfurth dagegen kritisierte die reine Profitorierentierung von Wissenschaft als Anthropozentrisimus. Er erinnerte daran, dass die Aufklärung mit dem Streit um das anthropozentrische Weltbild begann.


Naturwissenschaft läßt sich auch definieren als jener geistige Prozeß, der es dem Menschen möglich macht, sich von einer anthropozentrischen Weltbetrachtung zu befreien.
Hoimar von Ditfurth
[Boente 2004]

Fortschrittsreligion ist also in gewissem Maße reaktionär, weil sie die Machtverhältnisse legitimiert - wenn auch die der Moderne. Ihre Extremform findet sich nicht umsonst überproportional oft bei Fundamentalchristen, die hinter jeder Form von Gemeinwohlorientierung und Umweltschutz Sozialismus vermuten, ein Werk des Teufels. Sie stellen ihre Profitmaximierung, die ihrer Darstellung nach dem Wohle der (privilegierten) Menschheit diene - über alles, auch über das Leben anderer. Dann spricht man von Klimafaschismus.

So ungerecht, wie er organisiert ist, bringt der Markt nur im Ausnahmefall die nachhaltigsten Produkte hervor, und längst nicht einmal die besten für die Verbraucher.

Die Problematik des Besitzes an geistigem Eigentum diskutiert die Direktorin des Max-Planck-Instituts für Wissenschaftsgeschichte Berlin Dagmar Schäfer im Podcast detector.fm.
detector.fm: [Verknüpfung]

Die Zwillingsschwester der Innovationsreligion ist die Marktreligion. Innovation und Markt werden oft in einem Atemzug genannt, denn in Analogie zur Evolutionstheorie versteht die neoliberale Ideologie

  • den Markt wie das Ökosystem, in dem die Selektionsfaktoren wirken,
  • und die Innovation eines (selbstverständlich privaten) Unternehmens wie die Mutation, die dem jeweiligen Organismus zu einer neuen Angepasstheit verhilft.

Dennis Meadows bezeichnet in einem Interview 2007 diese Ideologie als Vorwand der Klimaschutz-Blockierer.

Wie der Name Neoliberalismus schon sagt, ist die Idee des radikalen Marktliberalismus nicht neu. Er war nur lange verpönt, denn er hatte zu zwei Weltkriegen beigetragen. Man wollte danach eine Wirtschaftsordnung, die nicht gleich wieder einen Weltkrieg verursachen würde. Das freie, gefährliche Spiel der Geldmacht sollte reguliert werden durch staatliche Interventionen, international koordiniert durch multilaterale Abkommen. Entscheidend geprägt wurde das Sytem vom englischen Ökonomen John Maynard Keynes, ein wichtiger Baustein war das Abkommen von Bretton Woods.
Keynes hatte nach dem Ersten Weltkrieg die Siegermächte vor der wirtschaftlichen Zerstörung Deutschlands durch die Versailler Friedensverträge gewarnt - sie ignorierten die Warnung und stürzten Deutschland in eine Wirtschaftskrise, die den Faschismus auslöste. Währenddessen hatte Keynes die USA mit Roosevelts New Deal aus der Wirtschaftskrise geführt und damit vor dem Faschismus bewahrt.
Von Anfang an regte sich Widerstand gegen die staatlichen Beschränkungen der Freiheit des Kapitals. Schon 1947, ein Jahr nach Keynes' Tod, gründet der österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek auf dem Mont Pelerin bei Genf die konspirative Mont Pelerin Society MPS. Die Teilnehmer waren sich einig, dass der "Keynesianismus" abgeschafft werden muss. Der britische Rechtskonservative Antony Fisher gründete 1955 die Denkfabrik Institute of Economic Affairs IEA, das 1959 ein Treffen der Mont Pellerin Society organisierte und als zentraler Baustein des Atlas Network gilt, das bis heute international die rechtskonservativ-neoliberale bis libertäre Politik der MPS vorantreibt.
[Wikipedia 2023 - Institute of Economic Affairs]
Die Mont Pelerin Society plante von langer Hand eine globale wirtschaftliche Liberalisierung der Industriestaaten. Die davon ausgehende Denkrichtung bezeichnet man heute als Neoliberalismus, so wie es schon in einer Vorläufer-Konferenz der Mont Pelerin Society, dem Colloque Walter Lippmann, 1938 beschlossen worden ist. Lippmann hatte mit seinem Buch "The Good Society" die Diskussion ausgelöst.
[Wikipedia 2022 - Colloque Walter Lippmann]
Zum wichtigsten Protagonisten der Bewegung wurde Milton Friedman. Der Ökonom Paul Krugman (Nobel-Gedächtnispreis 2008) zieht 2007 für Friedmans Auseinandersetzung mit Keynes einen historischen Vergleich, der eine gewisse ironische Distanz gegenüber seinem Fach deutlich macht: Vergleiche man Keynes mit dem religiösen Reformator Luther, entspreche Friedman am ehesten dem Jesuiten Ignatius von Loyola als Vertreter der konservativen Gegenreformation.
Dieser Vergleich ist allerdings berechtigt: allzu gerne verwenden Neoliberale den Begriff "Religion", wenn jemand ihre pseudo-naturwissenschaftliche Lehre von der "unsichtbaren Hand des Marktes" in Frage stellt. Mit diesem Whataboutism verschleiern sie, dass sich ihre eigene Wissenschaft genauso wenig mit naturwissenschaftlichen Grundsätzen begründen lässt. Zugrundeliegend sind vielmehr die ganz großen Werte- und Moralfragen, die sich auch nicht mit noch so ausgefeilten Berechnungen in Dollar und Euro klären lassen. Und hier hat der Neoliberalismus außer purem Sozialdarwinismus, der euphemistisch zu einem fragwürdigen Freiheitsbegriff verbrähmt wird, nicht viel zu bieten.
[Verknüpfung]
Kritiker sprechen bei derart ideologisierter Ökonomie von Marktreligion.
[Verknüpfung]
Alois Weber bringt es im Spiegel auf den Punkt: "Wer bestehen will, muss sich den Gesetzen des neuen Gottes unterwerfen; wer in den politischen Diskursen noch kompetent mitreden will, der muss sich als Gläubiger des Marktes erweisen, sonst gilt er als Spinner, Utopist oder irrelevanter Heide des alten Glaubens an die Steuerbarkeit, Regulierbarkeit und Gestaltbarkeit der Gesellschaft durch staatliche Vorgaben."
[Verknüpfung]

Dass Hayeks Marktradikalismus religiöse Züge hatte, zeigte sich auch in seiner Einstellung zu den Wissenschaften. Sie seien in ihrer Gesamtheit viel zu komplex, als dass ihre Erkenntnisse als Grundlage ökonomischer und politischer Entscheidungen taugten: Hayek kritisierte wissenschaftlich begündete Eingriffe in den Markt als "Anmaßung von Wissen". Stattdessen setzt Hayek auf die überlegene Intelligenz des Marktes, so Maja Beckers in der Zeit.
Zeit: [Beckers 2021]
Der neolibertäre Aktivist Leonard Read, Gründer der Denkfabrik Foundation for Economic Education, goss diese Vorstellung Hayeks 1958 zu seinem exemplarischen Lehrstück "I, pencil", das immer wieder neu aufgelegt und schließlich animiert verfilmt wurde. Er lässt einen Bleistift erzählen, wie Gott ihn durch die unsichtbare Hand des Marktes erschafft, ohne dass irgend eine wissende oder regulierende Macht eingreifen würde. Read gehört zu den Calvinisten in der Österreicher Schule und verbindet das Narrativ der unsichtbaren Hand mit dem religiösen Motiv des Wohlstandsevangeliums.
[Wikipedia 2021 - I, Pencil]
Diese Wissenschaftsskepsis passt zu Hayeks politischen Vorstellungen. Konservative zeigen oft eine selektive Akzeptanz neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse: was nicht passt, wird passend gemacht. Autoritäre Machthaber (rechte wie linke) schließlich unterdrücken unliebsame Wahrheiten, sie greifen zur Zensur.
[Verknüpfung]
Hayek und Friedman arbeiteten bei der Intercollegiate Society of Individualists zusammen (später Intercollegiate Studies Institute), eine amerikanische neolibertäre Studentenorganisation.
[Wikipedia 2021 - Friedrich August von Hayek]
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[Overtfeldt 2009]
Die Kritik am Neoliberalismus wird mit der Krisenanfälligkeit des Systems immer lauter, und die Kritik kommt zunehmend aus der Finanzelite, besonders seit der Subprime-Krise. In einer Anhörung vor einem US-Finanzausschuss räumt der langjährige Notenbankchef Alan Greenspan, ein persönlicher Jugendfreund von Ayn Rand, den Irrtum seiner Lebens-Ideologie ein.
Thomas Piketty spricht bei autoritärem (Neo-) Libertarismus von Proprietarismus.

Nachdem Keynes die Nachkriegs-Weltwirtschaft geordnet hatte und die gegenseitige atomare Bedrohung der Weltmächte einen Burgfrieden schuf, befeuerten die (für den Krieg mobilisierten) fossilen Brennstoffe ein nie da gewesenes Wirtschaftswachstum. Weil jeder wusste, dass die ultraliberale Wirtschaftspolitik ein Hauptauslöser war für die schrecklichen Krisen und Weltkriege, wirkte der Keynesianismus lange nach.
Friedman ging erst 1970, 23 Jahre nach der Gründung der Mont Pelerin Society, mit seiner Trickle-Down-Doktrin an die Öffentlichkeit.
Das Projekt wurde erst ab 1975 versuchsweise von Milton Friedmans Schülern unter dem international geächteten Diktator Augusto Pinochet, dem schwere Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen wurden, in Chile umgesetzt. Schon beim Begründer Hayek zeigen sich die autoritären Potentiale des Neoliberalismus, die sich in der Weiterentwicklung, dem Neolibertarismus deutlch zeigen.
1979 startet der reale Neoliberalismus unter der Premierministerin Margaret "Maggie" Thatcher im Vereinigten Königreich, 1981 in den USA unter dem republikanischen Präsidenten Ronald Reagan und danach weltweit. Seine größte Beschleunigung erfuhr er aber mit dem Ende des kalten Krieges: als der Sowjetkommunismus abgewirtschaftet hatte, führte das weltweit zu einer Schwächung von linker Politik und Staatsintervention.
Der Neoliberalismus unterwandert auch die Sozialdemokratie, denn von der krassen Ausbeutung ist nun nicht mehr die Arbeiterschicht in den Industrieländern betroffen, sondern die Menschen im globalen Süden, wie zu Zeiten des Kolonialismus. Die Unterwerfung geschieht im Neokolonialismus nicht mehr militärisch, sondern finanziell. Diese sogenannte Globalisierung lässt die Profite der Investoren explodieren, und ermöglicht in den Industrieländern bürgerliche Privilegien wie hoher Fleischkonsum, Auto, Eigenheim und Urlaub selbst für untere Einkommen. Die Angst der Unterschicht, diese Privilegien zu verlieren, wird von neoliberalen Politiker:innen immer mehr als Rechtfertigung ihrer ökoziden Politik, und schließlich in der Krise von Populisten für ihre Hetze instrumentalisiert.
Während der Konsum in den Industrieländern enorm zunimmt, steigt bald nicht mehr die Zufriedenheit, das Glück der Menschen. Die durch Werbung provozierte Konkurrenz um Privilegien und Statussymbole entsolidarisiert die Menschen zunehmend. In der Krise häufen sich die psychischen Störungen: Einsamkeit, Überlastung und Verlust-Ängste, oft auch existentielle Zukunfts-Ängste grassieren einerseits wie Narzissmus, sexuelle Aggression und Psychopathie andererseits.
Selbst die Subprime-Krise 2008 führt nur zu einem kurzen Innehalten. Höhepunkt dieser Besinnung ist das Eingeständnis des gefeierten neoliberal-neolibertären Notenbankchef Alan Greenspan, über 40 Jahre von einer falschen Ideologie geleitet worden zu sein.
Ungeachtet dieses Offenbarungseids, einem Fanal in der Subprime-Krise, im Niedergang des Systems, radikalisiert sich seitdem der Neoliberalismus. Ausgehend von den Öl- und Tech-Milliardären in den USA, v.a. zu nennen die Koch-Brüder, Robert Mercer, Peter Thiel, Steve Bannon, Elon Musk, und letztlich auch Vladimir Putin entwickelt er sich zum Libertarismus. Der Soziologe Matthias Quent spricht von "Anarchie für Reiche". Die Erfolg von Brexit, Trump, Bolsonaro und anderen Rechtspopulisten ist fatal für das Klima - politisch wie physisch.
Eine Alternative ist die Abkehr vom Bruttoinlandsprodukt als Gradmesser für Wohlstand, und eine Neudefinition von Glück.
Filmtip: The Economics of Happiness (Die Ökonomie des Glücks). BBB

Die radikale Form des Neoliberalismus ist der (eigentlich Neo-) Libertarismus, dessen Urform aus dem 19. Jahrhundert stammt und aus dem extrem unterschiedliche Ausprägungen hervorgingen.
[Wikipedia 2024 - Libertarismus]
Die neolibertäre Vordenkerin Ayn Rand prangerte seit den dreißiger Jahren mit fiktionaler Literatur und Interviews die vielfachen Beschränkungen wirtschaftlicher Freiheit an. Rands bekanntestes Buch ist eine Bibel der Libertären und hat den Titel "Atlas shrugged", übersetzt "Atlas wirft die Welt ab" - eine Metapher für die Befreiung der globalen Leistungsträger (der Unternehmer) von ihren Fesseln.
[Wikipedia 2021 - Ayn Rand]
[Wikipedia 2023 - Atlas wirft die Welt ab]
Der Philosoph Wolfram Eilenberger beschreibt Rand in seinem Sachbuch "Feuer der Freiheit" als eine der vier prägenden Denkerinnen des 20. Jahrhunderts, Zitat:

"In Rands Romanwelten wird der zivilisatorische Fortschritt einzig von ebenso schöpferischen wie asozialen Einzelgängern ermöglicht [...]. Die paradigmatische Verkörperung des Menschen als Schöpfer ist in einer solchen Welt nicht etwa der Dichter, sondern der selbständige Ingenieur als unternehmerischer Innovator."

Eine zentrale Figur des Neolibertarismus war Murray Rothbard. Er war frühes Mitglied der Mont Pelerin Society und gründete 1982 in Alabama, einem konservativen Südstaat der USA, das Ludwig von Mises Institute for Austrian Economics. Rothbard verfolgte die Idee der Sezession, also der Zersetzung von Nationalstaaten. Unternehmer sollen die chaotische Gründungsphase der neuen staatlichen Organisationen nutzen, um libertäre Politik zu unterstützen oder zu machen - Rothbard prägte den Begriff Anarcho-Kapitalismus. Für den Zweck der Sezession schaffte er es sogar eine Zeitlang, linkslibertäre Anarcho-Kommunisten für den Libertarismus zu vereinnahmen.
Modelle für libertäre Sezession hatte Rothbard, z.B. die Pinochet-Diktatur in Chile und den Zusammenbruch der Sowjetunion.
Die linke kanadische Journalistin Naomi Klein analysierte das Vorgehen der Anarcho-Kapitalisten 2007 in ihrem Buch "die Schock-Strategie".
[Wikipedia 2024 - Naomi Klein - Schock-Strategie]
Spätestens die enge Annäherung an Rechtspopulisten machten jedoch den Anarcho-Kapitalismus mit linken Ideen unvereinbar. Rothbard war für Segregation; z.B. unterstützte er 1992 die Kandidatur des Ku-Klux-Klan-Chefs David Duke, einem bekannten Antisemiten, Holocaust-Leugner und White-Supremacy-Rassisten, für die Präsidentschafts-Vorwahlen. Mit seinem engen Vertrauter Llewelyn Rockwell veröffentlichte er Prepper-Anleitungen für Weiße für den Fall von Rassenaufständen, wie denen in Südafrika gegen das Apartheids-Regime. In Ron Paul fanden sie einen weiteren Kandidaten für die Präsidentschafts-Vorwahlen, ihre Hetzschriften nannten sie Ron Paul Survival Report.
Die Verbindung von Libertarismus mit Rechtspopulismus bezeichnet man auch als libertären Populismus, Rockwell prägte den Begiff Paläolibertarismus. Auch die Geschichte des Kolonialismus wurde ideologisiert, am Beispiel der weißen Besiedlung von Südafrika und Nordamerika. Die weißen Siedler hätten ihre Besitzansprüche hart erarbeitet; die indigene Bevölkerung dagegen habe "unter einem kollektivistischen Regime" gelebt, der Anspruch solcher "Protokommunisten" auf das Land sei deshalb nichtig.
Blätter: [Slobodian 2024]
[Wikipedia 2024 - Libertarismus]
[Wikipedia 2024 - Anarchokapitalismus]
[Wikipedia 2024 - Murray Rothbard]


Wir müssen der Sozialdemokratie ein Ende machen. Wir müssen der Great Society ein Ende machen. Wir müssen dem Wohlfahrtsstaat ein Ende machen. [...] Wir müssen das 20. Jahrhundert rückgängig machen.
Murray Rothbard

1995 starb Rothbard, und sein Vertrauter Hans-Hermann Hoppe übernahm sein geistiges Erbe. Der Volkswirtschaftler will sogar das zweite Jahrtausend rückgängig machen, zurück zu mittelalterlichen Besitzeinheiten, die mittels nachbarschaftlichen Vereinbarungen organisiert werden sollen.
[Wikipedia 2024 - Hans-Hermann Hoppe]
Hoppes Property and Freedom Society PFS veranstaltet regelmäßig Treffen der rechtslibertären Elite - bei denen oftmals rechtsextreme Positionen geäußert werden. 2010 z.B. erklärte der junge Historiker Richard Spencer seine Vorstellung von einem rassisch aufgeteilten Nordamerika. Nach seinem Magazin "The Alternative Right" benannte sich die Alt-Right-Bewegung, und er wurde 2016 mit der Trump-Variante des Nazi-Grußes "Sieg Heil" zum enfant terrible: "Heil Trump! Heil unserem Volk! Heil dem Sieg!".
Der prominente Milliardär und Trump-Unterstützer Peter Thiel sagte einen angekündigten Vortrag bei der PFS in letzter Minute ab.
2016 schwärmte der Mises-Institutsleiter Jeff Deist, Trump habe "die Risse im globalistischen Narrativ" von einer geeinten Weltregierung aufgedeckt, und das sollten die Libertären zum Vorantreiben der Sezession nutzen. Das Institut nährte bis heute die Corona-Verschwörungserzählungen einer parasitären "globalistischen" Weltregierung.
Blätter: [Slobodian 2024]

Die deutsche Zeitschrift der Neuen Rechten aus dem Anthaios-Verlag heißt "Sezession". Dass sich die rechtspopulistische AfD aus einer wirtschaftsnahen Partei entwickelte, die eine Sezession Deutschlands aus der EU betrieb, ist kein Wunder. Nach einem sozialdarwinistischen Leistungprinzip rechtfertigt die AfD die stärksten Steuerentlastungen für Reiche. Die AfD-Anhänger unterer Einkommensschichten glauben dem Versprechen, dass Unternehmer weit besser mit Geld umgehen können als der Staat. Nicht der Sozialstaat sichere ihr Einkommen durch gerechte Umverteilung, sondern freies Unternehmertum und eine autoritäre Politik der Segregation, also der Ausschluss v.a. von Migranten. Die "hart arbeitende Bevölkerung" solle nicht die Nutznießer des Sozialstaats, die als "Parasiten" verstanden werden, durchfüttern müssen. Diese sind die Sündenböcke, und die politischen Kräfte, die in ihrem Interesse Sozialpolitik betreiben. Globalisierung diene einer internationalen Elite, die sich gegen die Völker verschworen habe.
Ein bekennender Anarcho-Kapitalist ist der neue Präsident von Argentinien Javier Milei.
SZ: [Verknüpfung]

Auch wie Trump und die AfD offen über die Beseitigung des politischen Gegners sprechen, zeigt die Verbindung zum Libertarismus. Besonders explizit spricht der Vordenker Hans-Hermann Hoppe über "physical removal". Sein Konterfei ist die "Hoppean Snake“, eine Schlange, die die Mütze des chilenischen Diktators Augusto Pinochet trägt und mitunter zusammen mit einem Helikopter abgebildet wird. Das ist eine Anspielung auf südamerikanische Todesschwadronen, die linke Oppositionelle ins offene Meer warfen. Im Jahr 2018 schrieb Hoppe das Vorwort für ein Buch mit dem Titel "White, Right, and Libertarian". Der Umschlag zeigt das Bild eines Hubschraubers, an dem vier Körper hängen, deren Köpfe mit den Symbolen von Kommunismus, Islam, Antifa und Feminismus versehen sind.


In einer libertären Gesellschaftsordnung kann es keine Toleranz gegenüber Demokraten und Kommunisten geben. Sie werden physisch von der übrigen Gesellschaft getrennt und ausgestoßen.
Hans-Hermann Hoppe

Blätter: [Slobodian 2024]

Libertarismus leitet sich von lateinischen libertas, Freiheit, ab. Meinungs- oder gar politische Freiheit ist damit jedenfalls ganz sicher nicht gemeint.

Viele Marktradikale kommen jedoch - zumindest in den Massenmedien - zunächst ohne diese sozialdarwinistischen, faschistoiden Ideen daher. In der Theorie klingt ihre Marktideologie plausibel - wenn der reale Markt denn so funktionieren würde. Das tut er jedoch nicht im Mindesten, denn er wird von vielen Seiten manipuliert; und die Preisbildung durch die "magische Hand" funktioniert weder global noch intertemporal, sondern entkoppelt sich von Externalitäten. D.h. er verursacht Schäden an anderem Ort und zu anderer Zeit, die aber nicht in den Marktpreisen abgebildet werden. Sir Nicholas Stern, Chefökonom der Weltbank, sprach 2006 in seinem großen Bericht vom "größten Marktversagen" aller Zeiten.

Mächtige Markt-Akteure haben viele Möglicheiten, nachhaltige und gemeinwohlorientierte Fortschritte zu blockieren oder Forschungsresultate zu unterdrücken, um aus ihrem alten Geschäftsmodell weiter Profite zu generieren. Also den Markt zu manipulieren.
Entweder entwickelt oder kauft sie Patente und lässt sie in der sprichwörtlichen "Schublade" verschwinden, oder sie verhindert die Forschung per politischer Macht (Lobbyismus, Korruption) oder Marktmacht (durch Quersubvention z.B.). Das sind wichtige Instrumente zur Bildung von Monopolen und Kartellen.
Wenn Innovationen sich gegen die etablierte Konkurrenz nicht durchsetzen, spricht man nach Clayton Christensen vom Innovator's Dilemma. Wird die gemeinwohlorientierte Forschung unterdrückt, spricht man nach David J. Hess von undone science.
Je länger jedoch die Konkurrenz eine Innovation unterdrückt, desto disruptiver wird die Umstellung verlaufen. Je länger eine Gefahr ignoriert wird, desto unwägbarer werden die Folgen der Gegenmaßnahmen.

Undone Science ist zumindest nicht schädlich für die wissenschaftliche Reputation des Wissenschaftlers: Niemand kann ihm vorwerfen, nicht geforscht zu haben. Etwas anderes ist nachweislich gekaufte Wissenschaft - da reagiert die Fachwelt allergisch.
Der renommierte Fossilökonomist Justus Haucap, der regelmäßig linksgrüne Politik kritisierte, ist nach dem Uber-Files-Skandal kleinlaut geworden. Bis dahin hatte Haucaps Wort großes Gewicht, z.B. in der FAZ. Zitat Tagesschau: "[Haucap ist] einer der vielleicht renommiertesten Wirtschaftswissenschaftler Deutschlands und ein Aushängeschild der Universität Düsseldorf, wo er eine Professur für Volkswirtschaftslehre innehat. Haucap gilt als Koryphäe auf seinem Gebiet. Er war mehrere Jahre lang Vorsitzender der deutschen Monopolkommission, ist gern gesehener Interviewpartner und Redner. Vor allem gilt Haucap, der auch häufig für die arbeitgeberfinanzierte Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) publiziert, als Verfechter einer radikalen Wettbewerbspolitik." Bei Uber Files geht es u.a. um Haucaps Gutachten als Entscheidungsgrundlage für Gesetze, die die amerikanische Fahrdienstleister-Plattform Uber bevorteilen. Vermittelt wurde Haucaps Auftragsarbeit vom FDP-Wirtschaftspolitiker Otto Fricke.
Tagesschau: [Verknüpfung]
Tagesschau: [Verknüpfung]
heise online: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2023 - Otto Fricke]
[Wikipedia 2023 - ]
Unter dem Skandal-Radar der gekauften Wissenschaft agiert bisher sehr erfolgreich der neoliberale Ökonom Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg, der ebenfalls für das INSM arbeitet und dessen Frau Claudia für die FDP im Wirtschaftsministerium der Ampel-Koalition sitzt und laut Ansage den Sozialstaat grundlegend umgestalten will.

Ganz legal war gekaufte Wissenschaft jedoch in den geheimen, selbst organisierten Forschungsgutachten für die Zulassungsverfahren in der chemischen und pharmazeutischen Industrie für Jahrzehnte. Diesem unglaublichen Missstand hat erst 2022 das EU-Parlament auf Initiatiave der Grünen einen Riegel vorgeschoben: jetzt müssen die Forschungsergebnisse veröffentlicht werden, so dass sie unabhängig überprüft werden können.

In der Gründerzeit wurde die vermeintlich wissenschaftliche Rechtfertigung für Profite mitunter zum Krieg erklärt. Die Bayer AG z.B. machte um die Jahrhundertwende gute Geschäfte mit Heroin, das sie als eine Art Allheilmittel vermarktete. Als erste Kritiker laut wurden, ging Carl Duisberg, der erste Vorsitzende der Bayer AG, in die Offensive. Er wies nachweislich den Bayer-Pharmakologen Heinrich Dreser zu einem Gegengutachten an, um die heroin-kritischen Forscher als "Gegner mundtot schlagen" zu können.
Ähnlich kritisch ist der Umgang mit Wissenschaft in der Frage der Zulassung von Pestiziden und Arzneimitteln zu sehen, der heute noch auf höchster Ebene der Gesetzgebung immer wieder für Kontroversen sorgt. Oft dauert es Jahrzehnte, bis die Nutzung eines nachgewiesen schädliches Produkt endlich eingeschränkt wird.
Filmtip: Wilfried Oelsner. Akte D - Die Macht der Pharmaindustrie. ARD 2016 (Minute 6)


[Oelsner 2016]

Aber auch staatliche Forschungseinrichtungen, die ihre Ergebnisse veröffentlichen müssen, sind vor Einflussnahme aus Wirtschaftskreisen nicht gefeit.
Nach einem Fernseh-Interview zu seiner aktuellen gentechnik-kritischen Studie über Leptin-haltige Kartoffeln wurde der englische Genetiker Arpad Pusztai von höchsten Kreisen, bis hin zur Royal Society, beruflich vernichtet. Die Zeitschrift The Lancet druckte danach seinen Artikel über seine Versuchsreihe aus, begleitet von einem kritischen Kommentar über Zweifel an seinen Methoden. Von Fachkollegen verteidigt, wurde er schließlich er von einem skandinavischen Team aufgenommen. Der Fachausschuss-Vorsitzende der Royal Society Lachmann war Mit-Inhaber eines Gentechnik-Unternehmens.
Jahre später beschäftigt sich Katrin Weigmann im Blog scilogs von Spektrum der Wissenschaft mit dem Fall. Eine endgültige Entscheidung, ob die Kartoffel krebserregend ist oder nicht, steht bis heute aus. Pusztais Versuche wurden nicht wiederholt, auch nicht mit verbesserten Methoden - warum auch immer. Die Kartoffel ist bis heute noch nicht auf dem Markt - ob das an einem Risiko liegt oder nicht, bleibt ebenfalls unklar.
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Filmtip: Arpad Pusztai and an Aphid-Killing Transgenic Potato


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Ein Ausweg aus dem Innovator's Dilemma ist z.B. die Verstärkung der öffentlich finanzierten, gemeinwohlorientierten Forschung und Entwicklung, oder ein entrepreneurial state nach den Ideen aus dem gleichnamigen Buch der Ökonomin Mariana Mazzucato aus dem Jahr 2013. Sie widerspricht der neoliberalen Ideologie von Innovation, die Profitmaximierung als beste Motivation für sinnvolle Forschung ansieht.
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Buchtip: Mazzucato, M.. The Entrepreneurial State - debunking public vs. private sector myths
pdf-Datei in Open Access: [Mazzucato 2013]
Mazzucato ist Co-Chair des Global Future Council beim WEF und lieferte einen zentralen Forumsbeitrag 2022.
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Mazzucato wendet sich 2019 in ihrem Buch "Wie kommt der Wert in die Welt - von Schöpfern und Abschöpfern" gegen die radikal-neolibertären Ideen wie das Lob des Monopols von Peter Thiel.


Wir leben in einem parasitären System. Darin ist die schnelle Mitnahme von Gewinn, Shareholderdividenden und Bankerboni attraktiver als das Schaffen von Wert, als der produktive Prozess, der eine gesunde Wirtschaft und Gesellschaft antreibt. Wir verwechseln die Schöpfer mit den Abschöpfern und haben den Blick dafür verloren, was wirklich Wohlstand schafft.
Die renommierte amerikanisch-italienische Ökonomin Mariana Mazzucato stellt in ihrem neuen Buch die für die Veränderung unseres Wirtschaftssystems entscheidende Frage: Wer schöpft Werte und wer zerstört sie? Im Kern geht es darum, in welcher Welt wir eigentlich leben wollen. Wir brauchen einen neuen Kapitalismus, von dem alle etwas haben!
aus der Verlagsinformation zu "Wie kommt der Wert in die Welt" von Mariana Mazzucato
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Mazzucatos Interview zum Buch der WEF-Autoren Klaus Schwab und Thierry Maleret gibt einen guten Überblick. Mazzucato plädiert für einen New Deal, eine neue Partnerschaft zwischen Staat und Wirtschaft - doch ein schlanker Staat kann diese Rolle nicht adäquat spielen, auch dann nicht, wenn er mit Geld um sich wirft. Ein solcher Staat kostet, die Profite der Privatwirtschaft werden kleiner ausfallen müssen.


Rethinking the state – period! Literally, three words. But the extra sentence is not because the state is better or is more important, but because we have under-theorized, under-imagined the role the state can play in collaborating with business. I really believe that, in the end, it’s all about partnership. But whereas we have a lot of thinking about the private sector – we have business schools, amazing courses, strategic management and decision sciences – for the state, we have at best thought about it as fixing markets. That’s the kind of state we get, which is too little, too late, always in fixing mode, out of breath!
It’s about public-private partnerships, but the partnership is being weakened by an ultra-financialized business sector and an under-theorized and constant-fixing-mode public sector.
And now, where we have the state back in terms of budgets, that’s not enough. You can’t just throw money at problems. The problem is also literally redesigning public funds to be less “handout machines”, to be less about guarantees and subsidies, and really have that kind of build-forward-better idea within them. That requires a very different type of public-private partnership, and the private sector is critical to that. You still get really regressive lobbying done by large pharmaceutical or tech companies, and somehow the state ends up giving in because the narrative about innovation and growth remains captured by a small set of value creators.
That, I think, is the hardest bit – creating a more confident set of civil servants. The energy in the room unfortunately continues to be more on the private side, and so the word “deal” is very important, as in the Green Deal. For the “green” bit, we know what to do – to be honest, it’s not rocket science – but the “deal” bit is extremely hard, and that means a new social contract. Exactly how to do that requires a lot more acceptance because it does mean that a lot of the current rents and incumbency, the excess profits out there, need to be reduced.
Mariana Mazzucato

Als Negativbeispiel zeigt Mazzucato, wie wenig gemeinwohlorientiert die Public-Private-Partnership in der Innovation neuer Corona-Impfstoffe funktionierte.

"We have very problematic partnerships and parasitic ecosystems. Look at what’s happening with the COVID-19 vaccine: billions have been put in by both the public and private sectors, with a lot of early-stage private money in the most high-risk stage of the vaccine development for all six vaccines and, yet, then we allow the ecosystem to remain its usual kind of parasitic self, which is on the back of huge amounts of public funding. We then allow these intellectual property rights and very high prices, which then the state has to subsidize over and over through different types of means. That’s a very inefficient way to drive a public-private partnership in the innovation ecosystem.

Schließlich geht sie auf die Grundursache der Ungleichverteilung ein, die selbst im WEF seit Jahren thematisiert wird. Fazit: Der Staat muss sich stärker einmischen, auch in Monopole und undurchsichtige Geschäftsfelder.

Also, the context is one where the labour share of global income is at the lowest it’s ever been, and the profit share is one of the highest it’s ever been, and a lot of those profits are rents.
And, it can’t just be increasing well-being indicators and GDP. We actually have to rid our measures of growth of all the rent seeking, and rents that are being accrued by different types of monopoly power. It’s very important and is part of the deal itself, but that requires a much more careful, granular understanding of what’s happening in the digital platform space, in the health innovation space, in the sustainable/energy revolution space. We need to get our hands dirty with the details."


History tells us that innovation is an outcome of a massive collective effort – not just from a narrow group of young white men in California. If we want to solve the world’s biggest problems, we better understand that.
Mariana Mazzucato

Das alles gab es schon vor 100 Jahren, als Roosevelt die USA mit Keynes' New Deal aus der Wirtschaftskrise holte.
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Video: [Verknüpfung]
Die Wirtschafts-Informationsplattform Quartz sagt über Mariana Mazzucato: "One of the world’s most influential economists... on a mission to save capitalism from itself".
Quartz: [Verknüpfung]
Wired titelt: "Diese Ökonomin hat einen Plan, um den Kapitalismus zu reparieren. Es ist an der Zeit, dass wir alle zuhören."
Wired: [Medeiros 2019]

Gemeinwohlorientierte Forschung stellt ihre Ergebnisse der Allgemeinheit zur Verfügung - sie ermöglicht Fortschritt für die Allgemeinheit oder schützt sie vor Gefahren. Ohne staatlich finanzierte Forschung würden Umwelt-, Klima- und andere Katastrophen ohne Vorwarnung über uns hereinbrechen, und ohne dass wir wissenschaftliche Strategien dagegen entwickeln könnten.
Gemeinwohlorientierte Forschung findet aber nur statt, solange die Ergebnisse den Mächtigen nicht zu unangenehm sind. Sonst streicht man eben die Mittel, wie z.B. in vielen Instituten der biologischen Taxonomie und der Ökotoxikologie. Eine weitere Art von undone science.
[Ronzheimer 2018]
Ich konnte als Student in den 90er Jahren den Abbau des Lehrstuhls für Botanik bei Prof. Patzke an der RWTH Aachen miterleben, der sich mit Pflanzengesellschaften befasste.
[Wikipedia 2022 - Erwin Patzke]
Matthias Glaubrecht schlägt anlässlich der Weltartenschutz-Konferenz in Montreal 2022 in der Zeit Alarm.
[Verknüpfung]
Man reduziert gezielt die Ausgaben für bestimmte Forschung und Lehre, und ermöglicht public private partnership, was im Bildungssektor Einwerbung von sogenannten "Drittmitteln" aus der Wirtschaft bedeutet. Natürlich schadet das der grundgesetzlich verankerten Unabhängigkeit von Forschung und Lehre.
[Wikipedia 2022 - Drittmittel - Drittmittel von Unternehmen]
Der Anteil an drittmittelfinanzierten Projekten an öffentlichen Hochschulen und Instituten ist entsprechend immer weiter gestiegen, immer mehr Patente werden daraus an private Firmen vergeben. Dabei wurden immer mehr dem Gemeinwohl zuwiderlaufende, fragwürdige Patente vergeben, so z.B. für Tiere und Pflanzen.
Zeit: [Verknüpfung]
Transformative Akteure versuchen, diesem Trend etwas entgegen zu setzen. Die Right Livelihood Award Foundation verleiht seit Jahren den oft so bezeichneten "alternativen Nobelpreis", das Wuppertal Institut seit 2019 den Forschungspreis "Transformative Wissenschaft", usw., das Bundesumweltministerium u.a. den Bundes-Umweltpreis, usw..
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[Wikipedia 2022 - Right Livelihood Award]
Unter dem Titel "Nachhaltige Wissenschaft" veröffentlichte der BUND 2012 eine kritische Analyse der Forschungs- und Bildungslandschaft. Laut Coautor Uwe Schneidewind vom Wuppertal Institut hat sie zu "einem Aufhorchen in der Politik und im BMBF geführt und mit der Gründung der zivilgesellschaftlichen Plattform Forschungswende eine zentrale Fortsetzung gefunden". Von einer "gesellschaftsgetriebenen Wissenschaftspolitik", seien wir aber noch weit entfernt.
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[Ronzheimer 2018]

Der österreichische Ökonom und Kulturwissenschaftler Walter Ötsch spricht im Interview mit Florian Rötzer von einem neoliberalen Erosionsprozess in der Wissenschaft.


[...] angesichts der kommenden Klimakatastrophe gibt es kein prinzipielles Erkenntnisdefizit. Das Problem liegt in der aktuellen ökonomisierten Gesellschaft, weil der Ort der Produktion eines gesicherten Wissens, der früher die Universitäten waren, durch den Neoliberalismus erodiert ist. Genau wie Sie sagen: Das gilt es wiederherzustellen, aber dafür muss der Strukturwandel durch die Ökonomisierung verstanden werden."
Walter Ötsch

Die Biodiversitäts-Krise blieb auch deswegen öffentlich unerkannt, weil Forschungsmittel für ökologische Forschung fehlten. Nachdem jahrzehntelang öffentliche Stellen in der Diagnose der Krise versagten, machten sich Vereine diese Aufgabe zu eigen. Doch dieses Versagen war der neuen FDP-Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger nicht genug. Im Sommer 2022 folgte sie den Sparvorgaben des FDP-Finanzministers und Parteivorsitzenden Christian Lindner und nahm weitere Kürzungen der ökologischen Forschung vor, und in der Sozialforschung gleich mit, u.a. über Rechtsextremismus in Deutschland. Abgesehen davon, dass diese Einsparung im Vergleich zum Beispiel zu fossilen Subventionen der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein sind. Stattdessen soll "naturwissenschaftliche Forschung" gefördert werden.
[Verknüpfung]
[Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Dem großen internationalen Projekt BioTip z.B., an dem die Stelle Forschung Nachhaltigkeit FONA beim BMBF beteiligt ist, wurde vom Ministerium mitgeteilt, es verfolge "neue Schwerpunktsetzungen hin zu Forschungsaktivitäten, die einen schnellen Impact erzeugen". Das habe sie so nicht gesagt, so Stark-Watzinger. Die Gelder sind trotzdem gestrichen, was nicht nur in der Wissenschaft große Aufregung verursacht.
FONA über BioTip: [Verknüpfung]
Tagesspiegel: [Verknüpfung]
Auch bei der Bundeszentrale für politische Bildung bpb werden von der FDP die Mittel gekürzt. Die bpb bereitet wissenschaftliche Erkenntnisse für Schulen auf.

Diese Entscheidungen werfen die Frage auf, wo Frau Stark-Watzingers Grenzen "naturwissenschaftlicher Forschung" sind. Förderungswürdig ist für sie jedenfalls Forschung nach Innovation, also wirtschaftlich verwertbarem, privatisierbarem Wissen. Auf gemeinwohl-orientierte naturwissenschaftliche Forschung dagegen kann sie verzichten: "Was die Gesellschaft nicht weiß, macht sie nicht heiß."
Die Bremse für Forschung über Klima, soziale Gerechtigkeit und Rechtsextremismus ist kein Wunder, gehört Stark-Watzinger als ehemalige Vorsitzende der Hessen-FDP doch zu den bedeutsamsten Adressbuch-Einträgen des AfD-Netzwerkers Tom Rohrböck.

Auch im Schulbereich ist ein immer größerer Einfluss privater Interessen zu beobachten - zunächst ganz direkt durch Privatisierung und die Vergabe von Drittmitteln. Davon abgesehen gibt es in nahezu allen Schulen einen gravierenden indirekten Einfluss dadurch, dass private Interessen in einer neoliberalen politischen Landschaft gegenüber den Gemeinwohl-Interessen ein sehr hohes Gewicht haben. Viele Lehrkräfte sind selbst Fossilökonomisten, die sich in ihrer als deformation professionelle bezeichneten Berufskrankheit ungern kritisch mit eigenen Überzeugungen auseinandersetzen. Von den anderen jedoch folgen viele im vorauseilenden Gehorsam einem selbst auferlegten Neutralitätsgebot - das es nach dem Beutelsbacher Konsens seit 1976 [sic!] gar nicht mehr gibt.

Zur Verbreitung des unbedingten Fortschrittsglaubens tragen natürlich auch die Medien maßgeblich bei. Deren Unabhängigkeit wurde genau wie im Bildungssektor durch finanzielle Rahmenbedingungen weitgehend zerstört: zahlungskräftige Werbekunden möchten neben ihrer Anzeige bzw. nach ihrer Werbesendung keinen kritischen Beitrag über sich lesen bzw. hören. Selbst in den meisten öffentlich-rechtlichen Medien wird Werbung geschaltet, außer in den Sendern des Deutschlandradios, der Deutschen Welle und den sogenannten Spartenkanälen - das ist auch da, wo Werbung keine große Reichweite erzielt. Aber selbst diese Qualitätsmedien sind vor einer false balance nicht gefeit: immer wieder verzagen sie angesichts der offensichtlichen Lüge, da dies der Unterdrückung einer politischen Meinung gleich käme. Und so, wie Klimaskeptiker jahrzehntelang ihre Saat des Zweifels vebreiten konnten, lässt man sie weiterhin als Klima- und Artenschutz-Bremser gleichberechtigt neben Experten auftreten.
Als Begründung für vermeintliche Neutralität wird immer wieder der verstorbene Chefmoderator der ARD Tagesthemen, der höchst renommierte Hanns-Joachim Friedrichs, nach dem auch ein wichtiger Journalistenpreis benannt ist, aus einem Spiegel-Interview von Cordt Schnibben im Jahr 1995 falsch zitiert. Er soll gesagt haben: "Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache." Tatsächlich hat Friedrichs das "sich-gemein-Machen" gar nicht in einen Zusammenhang mit gutem Journalismus gestellt, was Schnibben 2018 selbst klarstellt.
Über Medien: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Die Journalistin Sarah Schurmann fordert ihre Kolleg:innen in einem viel beachteten Aufruf 2020 zum Umdenken auf.
[Verknüpfung]
2022 legt sie nach, denn der deutsche "Journalismus kommt nicht hinterher".
[Verknüpfung]
In den USA ist die NGO endclimatesilence aktiv.
endclimatesilence:
Im September 2022 unterstützen ganze 241 Journalist:innen die Charta des Netzwerks Klimajournalismus in Deutschland, eine ähnliche Initiative in Frankreich wurde über 500mal unterzeichnet.
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Der taz-Autor Bernd Pötter spricht 2019 von Medienversagen in der Klimakrise.
uebermedien: [Pötter 2019]

Besonders augenfällig ist das Medienversagen bei Studien und Rechenfehlern, die eigentlich jeder für sich ein Skandal sind. Keiner davon wurde groß diskutiert.

Der neoliberale Weltbürger glaubt an den unbegrenzten Fortschritt der Menschheit durch Innovation, die v.a. durch Konsum nach den Regeln des vermeintlich freien Markts befördert wird. Den Wert eines Menschen definiert die neoliberale Gesellschaft über dessen Konsum; Fromm spricht sogar von einem Marktwert des Menschen, der sich z.B. in sexuellem Erfolg und sozialer Anerkennung auszahlt.
Nicht das Genug-Haben zum Wohl-Sein ist das Ideal. Sondern Wohl-Haben, also Mehr-Haben-als-der-andere, wird zum Lebenszweck. Dass Haben in grotesker Weise zum Heldentum hochstilisiert wird, ist am besten sichtbar in der Werbung. Der Konkurrenzdruck, der damit aufgebaut wird, macht Menschen auf vielfältige Weise krank, ob durch Sucht, Selbstüberforderung, Minderwertigkeitsgefühle, Ausgrenzung etc..
Durch die Sozialisation bleibt vom Geschlechts- und Selbsterhaltungstrieb mehr oder weniger viel übrig. Toxische Männlichkeit würde ich als das definieren, was über das ökosozial verträgliche Maß hinausgeht. Oftmals geht dieses Imponierverhalten mit übersteigertem Konsum einher.
[Wikipedia 2022 - Toxische Männlichkeit]
Das Gegenstück dazu ist die sexuelle Selbstvermarktung der neoliberalen Frau, die in hohem Maße mit einem toxischen Schönheitsideal einhergeht, und die ich entsprechend als toxische Weiblichkeit bezeichnen würde. Die Bewegung restauriert das patriarchale Frauenbild der 50er Jahre und geht von der Verleugnung individueller Eigenschaften bis hin zu Selbsthass, Magersucht und Suizid. Jessica de Fino berichtet aus eigener Erfahrung mit dem Geschäftsmodell der Kardashians.


Wenn du schlank bist, bist du gesund. Gesundheit ist wiederum mit moralischer Überlegenheit und einem ethischen Ideal konnotiert – wovon die Diätindustrie stark profitiert hat. Dasselbe passiert mit Skincare. Gesunde Haut soll prall und jugendlich sein, wenig Falten, keine Unreinheiten, keine Unebenheiten, keine Hyperpigmentation haben, einen Glow. Diese Ästhetik aber hat gar nichts mit gesunder Haut zu tun. [...]
Wir müssen uns um uns kümmern. Schönheitspflege gibt einem das Gefühl, dies zu tun – aber gleichzeitig spielt man damit den patriarchalen, sexistischen, altersdiskriminierenden Schönheitsstandards in die Hände.
Jessica de Fino
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Nie zuvor gab es so viele so zahlungskräftige Konsumenten - nicht umsonst ist in der Ukraine-Krise der Besitzer des Luxusmarken-Konzerns Moët Hennessy – Louis Vuitton SE LMVH der reichste Mann der Erde.

Alexander Prinz alias der dunkle Parabelritter dekonstruiert die toxische Narzissten-Show in der Öffentlichkeit, die die Menschen kaputt macht und die Gesellschaft zersetzt.


Youtube: [Verknüpfung]

Nach dem sozialdarwinistischen Terror der Faschisten und seinen fatalen Folgen galten in der europäischen Nachkriegszeit wieder soziale Tugenden wie Solidarität, Kooperation und Rücksichtnahme als gesellschaftsbildend (neudeutsch "systemrelevant"), und waren damit moralisch erwünscht. Seit den 70er Jahren, wo Ölkrisen und sozialdemokratische Politik in eine wirtschaftliche Stagnation führten, wurden sie allerdings hinderlich für's Geschäft. Der Neoliberalismus verklärte den Konsum zum Motor eines "Wohlstands für alle", und brachte damit die Wirtschaft wieder in Fahrt.
Schon vor dem Neoliberalismus hatte der Konsum triebhaften, bis in die Sucht gesteigerte Züge angenommen. Dieser narzisstische Irrsinn ist undenkbar ohne einen Wettbewerb um die vermeintlich wertvollsten Insignien dieses "Wohlstands", die letztlich alle dem Fortpflanzungserfolg dienen. Ohne Gewinner und Verlierer gibt es keinen Wettbewerb - für den sozialen Frieden sorgt am Ende, dass auch die Konsumbedürfnisse der Verlierer befriedigt werden.
Wenn der Wert eines Konsumprodukts nicht den Vorstellungen des Produzenten entspricht, lässt dieser sich durch angewandte Psychologie deutlich steigern - die Bewerbung von Marken ist ein zig-Milliardengeschäft.

Wie sehr dagegen in einem egalitären System die Motivation leidet, konnte man im Niedergang des Ostblocks beobachten, was von neoliberalen Eliten auch immer wieder und auch zu Recht als abschreckendes Beispiel genutzt wurde.

Bezeichnend für die neoliberale Gesellschaft ist das permanente Verschieben moralischer Freiheitsgrenzen. Welche Rolle moralische Maßstäbe dabei spielen, lässt sich an vielen Beispielen studieren.

Ein zumindest kurzfristig sehr erfolgreicher Protagonist war der Big-Brother- Teilnehmer Christian ("Nominator") Möllmann mit seinem Titel "es ist geil, ein Arschloch zu sein".
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[Wikipedia 2022 - Christian Möllmann]

Kais Harrabi diskutiert die problematische Rolle von Bekleidungsmarken in der Frage sozialer Zugehörigkeit und Klassengesellschaft.
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Viele Menschen gehören nicht [in unsere Kleidung], und sie können nicht dazugehören. Sind wir ausgrenzend? Auf jeden Fall.
Mike Jeffries (Chef der Bekleidungsmarke Abercrombie & Fitch)
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Die folgenden Werbeanzeigen sind exemplarisch für die Narzissmus-Kultur der 2010er Jahre. Die Globalisierungsgewinne erreichen einen neuen Höhepunkt: die großen Märkte sind stabil, die Finanzkrise ist überwunden, die erste breitere Klimadebatte der Nuller Jahre wurde darüber wieder vergessen, und die moralische Vertretbarkeit der Lieferketten wird weiterhin nicht in Frage gestellt.
Unter den Folgen dieser fundamentalen Gesellschaftskrankheit des Neoliberalismus werden die nächsten Generationen furchtbar leiden.

Mit dem Fortschrittsglauben hat sich nur eine neue Lesart des Wohlstandsevangeliums entwickelt: "das Leben wird von Generation zu Generation immer besser", und im Grunde lag und liegt dieser festen Überzeugung die Annahme zugrunde, dass Gott seine irdische Gunst nur den wahren Christen erweise, und zwar in Form von Wohlstand. In Konsequenz zum Selbstverständnis als "Krone der Schöpfung" und dem alttestamentarischen Auftrag "macht Euch die Erde untertan." Dabei wurde zwar immer mehr soziale Rücksichtnahme auf benachteiligte Menschen durchgesetzt - aber in Europa immer nur lokal, und die Ausbeutung wurde dafür zum Globalen Süden hin externalisiert. In den USA hat sich die systemischen Unterdrückung von Afroamerikanern, Latinos und Asiaten in bestimmten Aspekten bis heute erhalten.
Die Gräuel des Faschismus hatten den zugrundeliegenden Sozialdarwinismus des 19. Jahrhunderts weltweit in Verruf gebracht. Der abendländische Konservativismus wandte sich damit vom Materialismus ab und wieder einem friedvollen Christentum zu. Während linke Kräfte die institutionellen Religionsgemeinschaften als einen Grund des Übels wahrnahmen, entwickelte sich mit dem späteren Neoliberalismus in immer größeren Kreisen des konservativen Spektrums nach und nach eine zunehmende Religionsferne. Das Wohlstandsevangelium hat auch diese Entfremdung überlebt - zuerst nicht als materialistischer, aggressiver Sozialdarwinismus, sondern als psychisches Konstrukt. Auch unter Esoterikern und selbst Atheisten findet sich weit verbreitet die Gerechte-Welt-Theorie: der quasireligiöse Glaube an eine höhere Macht, deren "unsichtbare Hand" jedem zukommen lässt, was er verdient.
[Wikipedia 2021 - Gerechte-Welt-Glaube]
Wer Misserfolg hat, für den gilt: "selbst schuld". Wenn jemand anders dafür mitverantwortlich ist, kommt es nach diesem Konstrukt zur Täter-Opfer-Umkehr, zum victim blaming.
[Wikipedia 2021 - Victim Blaming]
Die Psychologen Melvin Lerner und Leo Montada haben anlässlich einer Konferenz an der Universität Trier 30 Jahre psychologischer Forschung zu diesem Thema zusammengetragen.
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Skrupellose Egomanen wie die Filmfigur Gordon Gecko aus Wall Street sind für Finanzberater wie Robert Pagliarini zu Vorbildern geworden. Geckos Vorlage, Ebenezer Scrooge aus Charles Dickens' Weihnachtsgeschichte, sollte seinerzeit Abscheu hervorrufen.
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Wenn versucht wird, Neoliberalismus mit derartigen Vorstellungen ethisch zu rechtfertigen, kann man schon von einer Quasireligion sprechen. Ein gutes Beispiel liefert die Präsidentin des Ethikverbandes der deutschen Wirtschaft Irina Kummert, die im DLF-Interview ethische Aspekte der Freigabe von Corona-Impfstoff-Lizenzen recht eigenwillig diskutiert.

Der technische Fortschritt wurde bis 2020 kaum durch Ressourcenbegrenzung gebremst. Doch die Frist, die zuerst der Club of Rome und später andere bis zur Erschöpfung der planetaren Ressourcen berechnet haben, läuft gerade ab.
Dass die Wissenschaften darüber so gut bescheid wissen, ist der Tatsache zu verdanken, dass neoliberale Politiker es bisher nicht geschafft haben, die Mittel staatlicher Umweltforschung komplett zu steichen. Zwar wurden z.B. Versuche unternommen, Klimaforschung zu verhindern, z.B. unter den US-Präsidenten Reagan und Trump, und das hat die Aufklärung über die Klimakrise in fataler Weise verzögert. Das Eintreffen der Prognosen wird für viele deshalb leider gerade erst erkennbar.

Und auch hier wirken konservative Kräfte in der Kirche gegen den Fortschritt des Gemeinwohls. Der Kölner Bischof Kardinal Woelki z.B. bezeichnet Klimaschutz als "Ersatzreligion". Diese Sichtweise teilt er mit etlichen Politikern der CDU. Deren Schnittmenge mit den Akteuren bei Korruptions-Skandalen und Machtmissbrauch auffällig groß ist. Auch Woelki ist mit schweren Vorwürfen konfrontiert - nämlich zunächst der Vertuschung im Missbrauchsskandal.
Nach fünfmonatiger Auszeit nach den Querelen mit dem opponierenden Kirchenvolk in seinem Bistum sieht sich Woelki mit einem Finanzskandal konfrontiert: um mehr Einfluss auf die katholische Lehrerausbildung zu bekommen, übernahm er 2019 die Trägerschaft der "Hochschule für katholische Theologie" in Köln mit acht Professorenstellen, die vorher vom ultrakonservativen Orden der Steyler Missionare betrieben wurde. Angesichts der Irritationen über die Finanzierung, die von Rom nicht unterstützt wird, ist Woelkis Generalvikar Hofmann 2022 zurückgetreten.
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Die Steyler Missionare waren mindestens in zwei der größten Korruptionsskandale der CDU verwickelt: 1981 die Flick-Affäre und 1999 die "Bimbes-" Affäre von Helmut Kohl.
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Mit all dem stellt sich Woelki mit den klimaskeptischen Lautsprechern der christlich-demokratischen Union gegen den Papst, der 2015 mit seiner Enzyklika Laudato si' in (nach katholischer Lesart unfehlbarer Weise) die Verantwortung skrupelloser Menschen für die ökologische Krise beklagt hatte. Bergoglio hat das Problem zwar erkannt und benannt, kann sich jedoch nicht gegen die rechtskonservative Kurie durchsetzen.
[Wikipedia 2021 - Laudato si']


Diese Wirtschaft tötet.
Jorge Mario Bergoglio (Papst Franziskus)

In der Deutschen Bischofskonferenz konnten sich die reaktionären Kräfte um Kardinal Woelki - in seinem Bistum liegt die deutsche Prälatur von Opus Dei - in der Klimafrage nicht durchsetzen. Viele andere Bistümer und kirchliche Organisationen stellten sich schon früh auf die Seite der Fridays-for-Future-Demonstranten.
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Aber auch unabhängig von den Jugendprotesten positionieren sich hohe Kirchenvertreter eindeutig für nachhaltige Klimaschutz-Maßnahmen und sparen auch nicht an Kritik der bisherigen Politik - das kann nicht als "Weiter-So" interpretiert werden.
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Die reformwilligen deutschen Bischöfe versuchten 2019 mit ihrem zaghaften "synodalen Weg" ein Beteiligungsmodell für das Kirchenvolk. In Italien, den Niederlanden und Luxemburg fand die Bewegung Anklang. Doch im November 2022 wurde ihr von Rom aus jegliche Legitimation abgesprochen.
[Wikipedia 2023 - Synodaler Weg]

Die letzte Stufe des Fossilökonomismus wurde - nach vielen entmutigenden Erfahrungen fossiler Gegenwehr - 2007 vom Club-of-Rome-Protagonisten Dennis Meadows vorausgesagt: jetzt, wo die lange geleugnete drohende Katastrophe endlich anerkannt werden muss, kommt es in bestimmten konservativen Kreisen zum Fatalismus. So beklagt 2021 z.B. der Philosoph Wolfram Eilenberger eine "Hybris" der Klimabewegung, ihr fehle es zudem an "transzendentalem" Bezug.
Zeit: [Verknüpfung]
Abgesehen davon, ob ich mich damals getraut hätte. Aber mit Wolfram Eilenberger hätte ich sicher keine französische Revolution, Abolition, Gewerkschaftsgründung etc. bestreiten wollen. Von Hybris zu sprechen, wenn Aktivisten überlegen, wie sie nach Jahrzehnten der Warnungen aus der Wissenschaft die nicht enden wollende Selbstvernichtungs-Orgie der weißen Patriarchen stoppen können, ist für mich eine totale Verdrehung. Im Gegenteil ist gerade die Ausbeutung von Mensch und Natur seit den Zeiten von Kolonialismus und Sklaverei Zeugnis einer Hybris allerhöchsten Grades. Sie hat ihre gesellschaftlichen Ursprünge in der religiösen Legitimation des vermeintlich christlichen Blutadels, und zwar seit Konstantin dem Großen. Dieser Schritt hat dem Christentum jegliche Transzendenz seiner Ursprünge vollständig ausgetrieben. Die Calvinisten haben den Blutadel nur durch den Geldadel ersetzt.

Andere, vornehmlich radikale Rechtskonservative suchen die Flucht nach vorn. Besonders in den USA wird die Fortschrittsideologie von neolibertären Kreisen vertreten, oft verbunden mit fundamental-christlichen Motiven von Gottes erwähltem Volk. Hier können die Konservativen seit Jahrzehnten die Forderungen der Umweltbewegung als linke Ideologie abtun. Weil sie vom politischen Gegner kommen, können sie in ihren Augen nicht gerechtfertigt sein.
"Gott ist mit den Tüchtigen", so könnte man es auch vom Ober-Klimaskeptiker Trump hören, der sich mit der Bibel während der Antirassismus-Demonstrationen beim Weißen Haus präsentiert, und sich im Wahlkampf von Evangelicals for Trump wie ein Messias feiern lässt - Wohlstandsevangelium extrem.
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[Krappitz 2023]

Während Trump auf der Bühne von prominenten Freikirchlern umringt ist, die mit verzückter Mine ihre segnende Hand zu ihm ausstrecken, dichtet Pastor Jentezen Franklin aus Gainesville aus dem Off in Variation von Trumps Wahlspruch MAGA: "God bless our President Donald Trump. [...] God is great in America again. In Jesus' name we pray, Amen."
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Video: [Verknüpfung]
Doch nicht alle Evangelikale folgen Trump, und erinnern an die Überlieferung der Worte Jesu, die im Widerspruch zu Trumps Politik stehen. So wie Trump im Allgemeinen mit Logik auf Kriegsfuß steht, so etikettieren seine evangelikalen Anhänger nun Jesus als "zu schwach" und "zu links". Der ehemalige Baptisten-Vorstand Russell Moore beklagt diese innere Zerrissenheit seiner Kirche im Buch "Losing our religion".
Die Journalistin Annika Brockschmidt analysiert den politischen Einfluss der Evangelikalen und ihre fundamentalchristlichen, rassistischen Wurzeln. Der russisch-orthodoxe Diktator Wladimir Putin wurde in diesen Kreisen bis vor dem Ukraine-Krieg wegen seiner autoritäten, fundamentalchristlichen Politik geschätzt. Brockschmidt spricht zusammenfassend von einer "religiösen Rechten", mit großer Überschneidung zu Christian Stöckers "globalen Rechten".
Zeit: [Verknüpfung]
Auch in Deutschland findet sich eine staatsfeindliche religiöse Rechte, sowohl unter Katholiken wie Krall oder Krah wie auch unter evangelikalen Sekten und Freikirchen.
Zeit: [Verknüpfung]

Mit Panikmache vor dem kommunistischen Niedergang motivierte Donald Trump, der sich kurz zuvor mit der Bibel in der Hand an derselben Stelle den Anti-Rassismus-Demonstranten präsentierte, einen faschistischen Mob zum Sturm auf das Kapitol.

Der Neolibertarismus ist längst über den Atlantik nach Europa geschwappt und steht in der Radikalität des Denkens dem US-Vorbild kaum nach - allerdings schon noch in der Breite der gesellschaftlichen Unterstützung. Die Alt-Right-Wählerschaft in den USA rekrutiert sich bereits aus der Mitte der amerikanischen Bürgerschicht und ist mehrheitsfähig, während die Wählerschaft der deutschen AfD bei Weitem nicht deckungsgleich mit der neolibertären Elite der rechten Brandstifter:innen ist.
Eine zentrale Figur in Deutschland ist der rechtskonservative Milliardär August von Finck junior, der neben der CSU nachweislich mehrere rechte Parteien anonym finanzierte, zuletzt die AfD, so wie andere anonyme rechte Schwerreiche.
Die Familie von Finck zählt zu den gewichtigsten Förderern und Profiteuren des Nationalsozialismus. August von Finck senior vergrößerte sein Vermögen durch die Arisierung jüdischen Vermögens (u.a. von Rothschild und Dreyfus), die im direkten Zusammenhang mit dem Völkermord an den Juden steht, und wurde damit zu einem der reichsten Männern in Nazi-Deutschland. Nach dem Krieg entgeht von Finck der Strafverfolgung, weil er den Ankläger Julius Herf wegen Homosexualität erpressen konnte.
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Von Finck junior erinnert 2010 bei der Namensänderung seines Goldhandels an die schwere historische Belastung seiner Bank, indem er den Namen der Deutsche Gold- und Silber-Scheide-Anstalt, einem Unternehmen mit mindestens ebenso schwerer historischer Belastung, kauft.
Zitat Wikipedia: "Von Finck erwarb [2010] die Namensrechte für den Namen des Konzerns Degussa, um diesen für seinen Goldhandel zu nutzen (Degussa [Sonne/Mond] Goldhandel). Bei Degussa handelt es sich um einen historisch belasteten Namen, die Degussa lieferte über Tochterfirmen den Giftgasentwickler Zyklon B für die Gaskammern der Vernichtungslager während der Zeit des Nationalsozialismus. In den Schmelzöfen der Degussa wurde weiterhin das Zahngold eingeschmolzen, das den vergasten Juden herausgebrochen wurde." Zitat Ende. Außerdem wurden Gefangene aus Ghettos und KZ zur Zwangsarbeit genötigt. Die Goldbarren mit dem alten Degussa-Logo lässt die Namensnachfolgerin vom Partner-Metallkonzern Umicore prägen.
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[Wikipedia 2020 - August von Finck junior]
[Wikipedia 2022 - Degussa - Verkauf der Markenrechte für den Edelmetallhandel]
[Wikipedia 2022 - Degussa Sonne/ Mond Goldhandel]
[Konicz 2018]
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Die Degussa Goldhandel war es auch, die im Auftrag der AfD DM-Münzen verkaufte. Zu den so generierten Einnahmen von 2 Millionen Euro musste der Staat wegen des Parteiengesetzes weitere 2 Millionen zuschießen, bis 2015 das Gesetz geändert wurde.
Filmtip: ZDF Frontal21 vom 21.01.2021: Die Goldhändler von Degussa - AfD-Geschäfte und rechte Gesinnung (seit 2023 nicht mehr abrufbar): [Bartz 2021]
Video in der ZDF-Mediathek (seit 2023 nicht mehr abrufbar): [Bartz 2021V]
Manuskript im Archiv docplayer: [Bartz 2021M]
Der Video-Blogger Johannes vom Youtube-Kanal Wahn & Sinn holt noch etwas weiter aus und erklärt weitere Verbindungen zu FDP und CSU.
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Die Süddeutsche Zeitung berichtete schon 2010 über von Fincks Parteispenden...
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... und 2016 über ein Buch der Expertin Liane Bednarz über von Finck, aus dem vor dem Druck brisante Details gestrichen wurden.[Verknüpfung]
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Die Schweizer Wochenzeitung und der Spiegel deckten 2018 die Verbindungen zur AfD auf.
Wochenzeitung (Kurzfassung): [Verknüpfung]
Wochenzeitung: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
SZ: [Verknüpfung]
David de Jong dokumentierte 2022 die Geschichte der von Fincks zusammen mit der der Oetkers und Quandts in "Braunes Erbe".
Von Finck starb 2021. Er hinterließ vier Kinder, die sein Erbe antreten, und durch vielfältige wirtschaftliche und politische Einflussnahme einen großen Wirkungskreis.
Die Engagements des Partner-Konzerns Umicore sind ein Indikator für die ganz großen Geschäfte der Zukunft: ehemals Katalysator-Materialien, jetzt Brennstoffzellen, Silizium, Seltene Erden. Dieser Konzern bereitet sich wie alle anderen auf die Energiewende vor. Gleichzeitig wird die Verschwörungstheorie verbreitet, die Energiewende sei von sinistren Geldgebern gesteuert.
[Wikipedia 2022 - Umicore]
Von Finck war nicht nur eng mit der AfD, sondern auch mit den Größen der CSU verbunden.
Einer der engeren Vertrauten und Mitarbeiter aus von Fincks Wirkungskreis ist der rechtslibertäre Dr. Markus Krall, Mitglied und bis Ende 2022 Sprecher der Geschäftsführung bei Degussa Goldhandel. Er betätigt sich in vielen rechten Platttformen als Redner, Autor und Interviewpartner. Sein Bestseller aus dem Jahr 2020 heißt "Die bürgerliche Revolution", in dem er offen zur Bewaffnung und im Falle einer linksgrünen Politik zur Konterrevolution aufruft. Damit lehnt er sich stark an die konservative Revolution" des Vordenkers der Neuen Rechten, des Schweizer Nazis Armin Mohler, an. Am 30.11., ein Jahr nach dem Tod August von Fincks, wurde ihm durch den Erben August François von Finck fristlos gekündigt - kurz vor der Razzia bei Heinrich XIII Prinz von Reuß und seiner Verschwörergruppe, über die schon im Vorfeld weit mehr Leute bescheid wussten, als einem lieb sein kann.
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Ein halbes Jahr später wird aufgedeckt, was zu vermuten war: es gab nachweislich Verbindungen zwischen Krall und Reuß. Krall war bis Herbst 2022 Finanzminister im Schattenkabinett, der "Kaiserlichen Reichsregierung". Krall lobhudelte Reuß in einer EMail, dieser habe alles Nötige getan, "damit das Heilige Deutschland wieder Struktur annehmen kann". Reuß hatte bei Kralls Arbeitgeber Degussa Sonne/Mond Goldhandel Gold im Wert von 6 Millionen Euro gekauft und deponiert, und als Nationalität gab er dabei "Deutsch / Reuß" an. In einem Gespräch im Herbst 2022 zwischen Reuß und einem Vertrauten kam man nach Informationen der Zeit jedoch überein, dass Krall "verrückt" sei. Reuß hatte Krall daraufhin aus seiner Funktion entlassen, der "Rat" der Putschisten tagte nach allem, was bekannt ist, ohne Krall.
Doch auch bei Krall gab es im Rahmen der Putschisten-Razzia eine Durchsuchung seiner Wohnung in Frankfurt.
Zeit: [Verknüpfung]
Während dieser Durchsuchung nahm Krall Kontakt mit dem Juristen und Ex-Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz Hans-Georg Maaßen auf, mit dem er einen WhatsApp-Privatchat hatte, den die Ermittler im August 2023 auswerteten. Zum Geburtstag 2022 grüßte Maaßen Krall in diesem Chat mit den Worten: "Wir müssen weiter kämpfen." Wie Krall will auch Maaßen von den Umsturzplänen aber nichts gewusst haben. "Aus berufsrechtlichen Gründen" wollte er sich nicht zu Krall und seiner Kommunikation mit ihm äußern. Er kämpfe "für die freiheitlich-demokratische Grundordnung", der "Versuch, mich zu einem irren Reichsbürger zu machen" sei der "traurige Höhepunkt" einer gegen ihn laufenden "Diffamierungskampagne", ist in der Zeit und im Spiegel zu lesen.
Zeit: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Welt: [Verknüpfung]

Filmtip: ZDF Magazin Royale vom 1. September 2023. Rechtsextreme Fans und Kinderarbeit: Ist Gold gar nicht so woke, wie es tut?


Youtube: [Verknüpfung]

Krall ist als Autor mehrerer Wirtschafts-Sachbücher nicht nur in der rechtslibertären Wirtschafts-Szene prominent, seine Bücher schafften es teilweise in die Spiegel-Bestsellerliste; er gehört zu den Autoren des rechtskonservativen Magazins Tichys Einblick und hält Vorträge bei Wirtschaftsverbänden, Vereinen etc..
In einem offensichtlich gestellten Interview auf dem Youtube-Kanal Grosse Freiheit TV stellt Krall Klimaschutz in die Tradition von "nationalem und internationalem" Sozialismus - er spricht von "Klimasozialismus". Er zeichnet ein mittelalterlich-religiöses Fratzenbild von teuflischen Klimaschützern und spricht ihnen die Menschlichkeit ab. Weiter bedient er sich bei höchst umstrittenen antisemitischen Theorien. Es lohnt sich deshalb, näher hinzuschauen.

Zuerst definiert Krall Sozialismus.

"Der Sozialismus nährt sich von der Substanz, die der Kapitalismus und der Fleiß der Menschen schafft, installiert dann sein System der Ausbeutung und der Machtergreifung und der Umverteilung, nicht von [...] oben nach unten, sondern von allen an die herrschende Klasse des Funktionariats, wenn Sie so wollen, und führt dann die Gesellschaft schrittweise in den Untergang und die Barbarei. [...]
Wenn [der Philosoph Richard Precht] über seine Liebe zu Verboten redet, dann weiß ich ganz genau, dass der neue Sozialismus das gleiche Antlitz hat wie der alte, und dass das kein menschliches ist, sondern die Fratze des Bösen. Der Sozialismus, um da einmal überhaupt kein Missverständnis aufkommen zu lassen, hat kein menschliches Gesicht; er kann sich eine Maske aufsetzen, das tut er auch regelmäßig, wenn er versucht an die Macht zu kommen. [...] In Wahrheit ist der Sozialismus ein menschenfeindliches, ideologisches Konstrukt, dessen Zielbild mit dem Wohl des Menschen überhaupt nichts zu tun hat. [...]
Der Sozialismus hat in der Vergangenheit, in der Geschichte sich immer als Zerstörer von Wohlstand und Wohlfahrt des Volkes erwiesen, und der ist in aller Regelmäßigkeit im Völkermord gemündet [...], der nationale Sozialismus wie auch der internationale Sozialismus.

Der nationale Sozialismus und der internationale Sozialismus unterscheiden sich vornehmlich in der Frage, wer beraubt und ermordet werden soll, und nicht, ob beraubt und ermordet werden soll. Beide Konzepte sind im Grunde Zwillingsbrüder, eigentlich siamesische Zwillinge, die viel mehr miteinander verwandt sind, als den meisten Menschen klar ist. [...] Wer also heute noch dem Sozialismus, die sich als völkermörderischste Ideologie aller Zeiten erwiesen hat, das Wort redet, weiß entweder nicht wovon er redet, dann ist er ein nützlicher Idiot - oder er weiß wovon er redet, dann ist er ein Verbrecher. [...] Die Nationalsozialisten haben im Grunde genommen genauso ein kollektivistisches System installiert, bei dem [...] das Individuum unterdrückt wurde wie die Sozialisten, oder die internationalen Sozialisten. Die haben genauso 'ne Planwirtschaft errichtet als Kriegswirtschaft wie die Kommunisten in Russland. Sie haben die Meinungsfreiheit genauso unterdrückt wie die Kommunisten, sie haben die Demokratie abgeschafft genauso wie die Kommunisten, sie haben Völkermord betrieben genauso wie die Kommunisten."

Dann rechnet er vor, dass der Sozialismus mehr Tote verursacht hat als der Nationalsozialismus, und kommt zu dem Schluss:

"Das sind beides im Grunde genommen sozialistische Phänomene gewesen, die den Krieg gebraucht haben, um ihren kollektivistischen Raubzug zu rechtfertigen."

Nochmal zum Mitschreiben: der Geschäftsführer einer Firma, deren Kapital u.a. auf Arisierungsgewinnen basiert, die ihren international bekannten Markennamen von einer Firma gekauft hat, die mit Zwangsarbeit, Zyklon B und Zahngold Profite gemacht hat, die über den Goldhandel-Skandal an der Finanzierung der AfD beteiligt ist, sagt also: der Nationalsozialismus ist nur eine Form von Sozialismus, und Sozialismus ist böse und völkermörderisch. Keine Rede davon, dass Kapitalisten wie der Vater des Inhabers seiner Firma genau dieses völkermordende Nazi-System unterstützt hat. Keine Rede davon, dass die autoritären Kräfte, die unverblümt Drohungen gegen Politiker, Kultur- und Medienschaffende aussprechen, in der AfD immer lauter werden. Kurz: eine völlige Verdrehung der Tatsachen, eine klassische Täter-Opfer-Umkehr.

Viel naheliegender ist für mich eine umgekehrte Sichtweise: Eva von Redecker erklärt am Beispiel des Z-Faschismus im Ukraine-Krieg, dass der real existierende Sozialismus wie der westliche Kapitalismus auf patriarchaler Aneignung basierte, sie spricht von Staatskapitalismus.

Krall betreibt damit in meinen Augen Volksverhetzung.

Warum der Sozialismus nicht funktioniert, ist für Krall schnell erklärt:

"Erstens kann er nicht funktionieren, weil der Sozialismus kein Konzept hat, um Ressourcen an die für Ziele notwendige Stelle zu rücken. [...] Im Kapitalismus ist die Freiheit und die Entscheidung des Einzelnen das, was die Allokation der Ressourcen an ihren Verwendungsort bestimmt, und im Sozialismus ist der Plan einer Zentralbehörde und weniger Menschen dann das, was die Allokation der Ressourcen bestimmt."

Dass der kapitalistische Weltmarkt in seiner heutigen Form aus Gründen der Marktverzerrung voller Ungerechtigkeiten ist, wodurch sich gar kein Wettbewerb der besten Lösungen entwickeln kann, sagt er nicht. Ob die gegenwärtige ökologische Krise überhaupt existiert, lässt er bewusst offen. Er sagt natürlich auch nicht, dass Spitzenökonomen längst nachgewiesen haben, dass sie durch das größte Marktversagen der Menschheitsgeschichte verursacht worden ist.
Als nächstes rechnet Krall mit der neuesten Form, dem "Klimasozialismus", ab, wie er die wissenschaftlich fundierten Zukunftsmodelle von Klimaschutz nennt. (Die er en passant als Spinnerei abtut: "Was natürlich aber sowieso nie passieren wird, weil kein anderes Land der Welt so dämlich ist wie die deutsche Politik zur Zeit, das wird einfach nicht passieren.") Dazu rechnet er zuerst die Umweltschäden durch den Ostblock-Sozialismus gegen die des Kapitalismus auf. Da der Sozialismus beim Schaffen von Wohlstand eindeutig versagt habe, sei er auch ungeeignet für die vermeintlichen Aufgaben von Klimaschutz.
Und jetzt wird es religiös-fundamentalistisch: Krall malt für die Zukunft der Welternährung einen sprichwörtlichen klimasozialistischen Teufel an die Wand - im diametralen Widerspruch zur Lehrmeinung der Erdsystemforscher, und das ohne jeden Beleg:

"Ohne Industrie und industrielle Landwirtschaft haben wir hier eine Landwirtschaft auf dem Planeten, die maximal zwei Milliarden Menschen ernähren kann. Wir sind aber acht Milliarden. Das heißt also, dieses Programm [der "Klimafuzzis"] verurteilt sechs Milliarden Menschen zum Hungertod. Und zwar ohne jede Frage. Das Programm, wie es jetzt da steht, ist in sich schon genozidal. [...] Die Message: Wir wollen jede Industrie auf den Prüfstand stellen, und alles was irgendwie mit dem Klima kollidiert, muss weg, und das Ergebnis wären sechs Milliarden Hungertote. [...] Der Klimasozialismus, der ist schon in seinen Anfängen, wo er noch gar nicht die Macht ergriffen hat, die mit Abstand genozidalste, übelste und teuflischste Variante aller Sozialismus-Formen der Geschichte, er sagt "naja, dann sind wir halt sechs Milliarden zuviel."

Er verschweigt nicht nur, dass die globale Überbevölkerung von Rechtskonservativen als Hauptursache ökologischer Krisen angeführt wird. Er behauptet sogar, die Idee des schwedischen Ökonomieprofessors Magnus Söderlund (Stockholm School of Economics) von Kannibalismus als Klimalösung gehöre zum Gedankengut der Klimaschutzbewegung. Dabei könnten dessen Ideen auch aus rassistischem, rechtem Gedankengut entspringen - zumindest haben Nazis aus den Leichen von KZ-Opfern Seife hergestellt.
Krall weiter:

"Was zurückbleiben wird, ist eine in Verteilungskämpfen und Kriegen ausgezehrte und ausgemergelte Ökologie, in der die Menschheit nicht überleben kann. Und das ist letzten Endes auch immer schon das Ziel des Sozialismus gewesen. Ich habe letztes Jahr an diesem Ort hier ein Interview gegeben zu dem Vortrag, den ich letztes Jahr hier gehalten habe über Igor Schafarewitsch, der aus einer Vielzahl von Quellen gezeigt hat, dass der Genozid und die Vernichtung der Menschheit schon immer die eigentlichen Ziele des Sozialismus waren. Sozialismus hat mit Menschenfreundlichkeit nichts zu tun, er ist ein menschenfeindliches, ideologisches Konstrukt und eigentlich die Antithese des Menschlichen."

Mit dem Mathematiker und Hobby-Historiker Schafarewitsch, der die russische Oktoberrevolution als eine Verschwörung kleiner antirussischer jüdischer Gruppen bezeichnet, zitiert er einen Antisemiten. Schafarewitschs Theorie zählt damit zum Narrativ der jüdisch-sozialistischen Weltverschwörung - ein Narrativ der Rechtsextremen.
[Wikipedia 2021 - Igor Rostislawowitsch Schafarewitsch - Politisches Wirken]
Zwischen Manchester-Fundamentalkapitalismus und Sowjet-Kommunismus gibt es ein breites Spektrum von Möglichkeiten einer ökosozialen Marktwirtschaft. Kralls Schwarz-Weiß-Malerei negiert jeglichen wissenschaftlich-technischen und sozialen Fortschritt, und negiert die enormen Effizienzpotentiale fleischreduzierter Ernährung. Neue Ideen und Technologien wurden jahrzehntelang durch monopolistische Industriepolitik und marktverzerrende Rahmensetzungen und Subventionen blockiert. Die fossilökonomistische Gleichsetzung von Industriealisierung mit Abgasentwicklung aus Schloten und Auspufftöpfen entstammt dem 19. Jahrhundert. Hier versucht ein Interessenvertreter der fossilen Profiteure den nachhaltigen Fortschritt zu verhindern, indem er arrivierten Wohlstandsbürger:innen Angst vor der Zukunft macht. Die Zukunftsängste der jungen Generation sind ihm gleich.
Spätestens wenn Krall auf dem Höhepunkt des Interviews Klimaschützern die Menschlichkeit abspricht, überschreitet er die Grenze zur Volksverhetzung: Entmenschlichung ist eine hinreichend erforschte Methode faschistischer Extremisten, von den Nazis bis zur RAF, zur Ausschaltung des Gegners.
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Nachdem Krall seine faschistoide Munition verschossen hat, widmet er sich im letzten Kapitel seiner Ausführungen der Bürokratie.

"Bürokratie muss wachsen, weil sie sonst [...] den wachsenden Verteilungskampf, den sie selbst befeuert hat, nicht mehr befriedigen kann und die Unzufriedenheit die Herrschenden dann hinwegfegt. Deswegen wächst die Bürokratie an, bis sie alle Ressourcen usurpiert hat, und die Produktivität der Volkswirtschaft in den Sinkflug und damit in den Sturzflug übergeht [...] und die dann erstickt, den Wirt umbringt. Ja, das ist der Sozialismus."

Damit trifft er natürlich einen populistischen Nerv - niemand würde ernsthaft bezweifeln, dass deutsche Bürokratie ein überbordendes Problem darstellt. Aber über die Wachstumszwänge durch die Verschuldungskrise einfach so hinwegzugehen, ist schon arg monokausal gedacht, und auch wieder im Widerspruch zur wissenschaftlichen Lehrmeinung.
Zum Schluss kommt das neolibertäre Glaubensbekenntnis und ein Aufruf zur bürgerlichen Revolution.

"Ich habe aber die Hoffnung, dass unsere Aufklärungsarbeit und die aus ihrer Schale ausbrechenden und aufbrechenden Libertären, dass wir genug sein werden und viele sein werden, die den Deutschen dann sagen: „Da gibt's eine andere Hoffnung. Diese Hoffnung ist nicht der leichte Weg, nicht der breite Weg, der zum Verderben führt, der schon in der Bibel beschrieben ist. Dieser Weg ist steil und steinig, aber er führt auf den Gipfel und nicht ins Tal. Und dieser Weg heißt Freiheit.“ Freiheit, Marktwirtschaft, Eigenverantwortung, Fleiß - die Tugenden der Marktwirtschaft. Und wenn wir es schaffen, diese Krise dafür zu nutzen, den Menschen das wieder zu verdeutlichen, und auf den Trümmern dieses gescheiterten Parteienstaates ein neues Gemeinwesen zu errichten, dann haben wir die absolut besten Zeiten vor uns, die wir uns überhaupt vorstellen können."
Grosse Freiheit TV auf Youtube: [Krall 2020]

In seinem Buch "Freiheit oder Untergang" bedient Krall sich weiter bei christlich-fundamentalistischen Motiven, z.B. der Apokalypse des Johannes.
[Verknüpfung]
Der Antisemitismusforscher Michael Blume sieht bei Krall eine gefährliche Verbindung zwischen Rechtskonservativismus und christlichem Fundamentalismus, mit der auch Alt Right in den USA große Erfolge erzielt, und momentan in der Querdenker-Szene große Resonanz findet.
Der Rektor der Theologischen Hochschule Chur Prof. Christian Cebulj bewirkt im November 2022, dass Kralls Vortrag beim Dekanat des Bistums Chur abgesagt wird. Krall hatte sich dem Bistum als hingebungsvoller Familienvater und Mitglied des päpstlichen Ritterordens vom Heiligen Grab empfohlen.
kath.ch: [Verknüpfung]
NZZ: [Verknüpfung]
Beim FinanzBuch-Verlag sammelt sich mit Otte, Krall, Polleit und dem radikalen Exil-Querdenker Oliver Janich eine geballte Querdenker-Prominenz.
Zeit: [Verknüpfung]
Der Soziologe Andreas Kamper hat sich mit der Analyse dieser Tendenzen und die Verbindungen zur AfD verdient gemacht. Nach Kemper vertritt Krall die Ideologie des Ludwig-von-Mises-Instituts, das 2012 gegründet wurde von Thorsten Polleit, dem Chefökonomen bei Degussa Goldhandel, und mit dem amerikanischen Alabama Institute verbunden ist. Es beruft sich auf den Ökonomen Hans-Hermann Hoppe, einen Kritiker der Demokratie, der "Freiheit statt Demokratie" fordert. Diese Ideologie bezeichnet sich selbst als "Anarcho-Kapitalismus" oder "Paläo-Libertarismus". Noam Chomski spricht von einer unzulässigen Aneignung des Libertarismus-Begriffs - dieser sei mit Kapitalismus unvereinbar. Thomas Piketty spricht von "Proprietarismus".
Nach Hoppe sei die derzeitige Demokratie eine Ochlokratie, eine "Herrschaft der Minderwertigen" (eine solche Sprache benutzt auch der AfD-Faschist Björn Höcke). In "die bürgerliche Revolution" sagt Krall eine links-islamistische Revolution voraus, der mit einer schnellen konservativen Konterrevolution begegnet werden müsse. Die Waffengesetze sollen dafür gelockert werden. Das Wahlrecht gelte danach nur noch für eine Elite mündiger Leistungsträger, die nicht auf staatliche Unterstützungsleistungen jeder Art (dazu zählt er auch die Subvention ihrer Arbeit) angewiesen sind.
Damit verbreitet Krall eine Idee der ultrakonservativen, nationalistischen Gesellschaft zur Verteidigung von Tradition, Familie und Privateigentum TFP, die aus Brasilien stammt und in den USA und auch Deutschland Mitglieder hat, z.B. AfD-Spitzenpolitikerin Beatrix von Storch. Von Storch erkennt das Ergebnis der Brasilien-Wahl 2022 nicht an und unterstützt den Faschisten Bolsonaro, dessen Anhänger auf Demonstrationen offen den Hitlergruß zeigen und einen Militärputsch fordern. Die TFP fordert die Rückkehr zur Monarchie.
taz: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2022 - Tradition, Family, Property]
Von Storch ist die Enkelin zweier Nazigrößen. Ihr Großvater Johann Ludwig Graf Schwerin von Krosigk war 1932-1945 Finanzminister und wurde als Kriegsverbrecher verurteilt; ihr anderer Großvater, der letzte Erbgroßherzog Nikolaus von Oldenburg war hochrangiges Mitglied der SA.
[Wikipedia 2023 - Beatrix von Storch]
Im Dezember 2022 flog ein rechtsradikales Netzwerk von Reichsbürgern und QAnon-Verschwörern um den Adeligen Heinrich XIII. Prinz von Reuß auf, das einen Staatsstreich vorbereitete.

Tomasz Froelich, Assistent des (gemäßigten) AfD-Vorsitzenden Hans-Georg Meuthen, hat vor dem EU-Parlament zusammen mit Markus Krall referiert. Er bekam wie Markus Krall die Roland Baader-Auszeichnung, in der Jury saß Degussa-Chefökonom Thomas Polleit. Froelich verlangt u.a. die völlige Privatisierung des Bildungssektors und die Legalisierung von Kinderarbeit, Zitat: "Man kann sich ja auch Lesen selber beibringen an einer PlayStation."
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[Wikipedia 2022 - Hans-Hermann Hoppe]
Das erinnert an die Absprache mit dem Priester, den das Sprichwort dem König in den Mund legt:


Halt' du sie dumm, ich halt' sie arm.
Sprichwort
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Das Bündnis eines Teils der Elite mit dem Mob ist eine Voraussetzung des Faschismus. Vor unseren Augen wird dieses Bündnis geschmiedet.
Hannah Arendt
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Was Krall so gefährlich macht: er hat in bürgerlichen Kreisen ein großes Publikum. Seine Bücher stehen auf der Spiegel-Bestsellerliste, er schreibt für die bei rechtskonservativen Bildungsbürger:innen salonfähigen Blätter Tichys Einblick und Cicero, ja selbst für das liberalkonservative Massenblatt Focus. Immer wieder meldet er sich in den "sozialen" Medien.

Roland Tichy hat zu Krall offenbar einen sehr kurzen Draht; er ließ sich durch Krall auf einem Vortragsabend von Pro Mittelstand Hamminkeln kurzfristig vertreten, was im Publikum für Applaus, in der lokalen CDU aber immerhin für Proteste sorgte.
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Tichy gehört auch zu dem Netzwerk des inoffiziellen CDU-Experten für rechtskonservative Medien, Michael Fuchs, der auch den gefallenen Krawall-Journalisten Julian Reichelt wieder aufbaute. Tichy ist aktiv in der Hayek-Gesellschaft und der INSM und gilt Lobbypedia als "einer der hartnäckigsten Klimaskeptiker"; selbst Friedrich Merz war es schon 2018 zu heikel, mit ihm auf einer Bühne zu stehen.
Lobbypedia: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Beim Aufruf einer Seite auf Tichys Einblick wurde in meinem Browser ein Spendenaufruf eingeblendet, dessen Hetzbotschaft ich auf rechtsextremen Plattformen verorten würde (Triggerwarnung!):

"Es geht nicht um Wärmepumpen. Die Ampel plant mehr: Die Zerstörung von Daheim und Heimat, die Zerstörung von Vorsorge und Unabhängigkeit. Das Leben in vertrauten Zusammenhängen, vor Ort, mit Freunden und Familie. Menschen sollen entwurzelt werden; Ältere ihre Wohnungen räumen - es soll Platz gemacht werden. TE wird weiter über diese Pläne berichten. Wir bedanken uns bei allen Unterstützern, die das ermöglichen."


[Verknüpfung] (abgerufen am 03.04.2023)

Diese identitäre Panikmache spricht für sich. Auf Tichys Facebook-Seite fand ich jede Menge solcher Inhalte; auch einen hervorgehobenen Kommentar mit AfD-Wahlempfehlung.
Die Potsdamer CDU lädt Tichy ein - und die AfD wirbt dafür.
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Von den täglichen Dramen von Verdrängung, die sich auf dem neoliberalen Wohnungsmarkt massenhaft abspielen, liest man bei Tichy eher weniger. Wieder ein vermeintlicher "Robin Hood", der keiner ist.
Zeit: [Verknüpfung]

Der Demographie ist man sich auch in den rechten Kreisen der CDU bewusst, und so gibt es entsprechende Versuche, auch jüngere Rechtskonservative zu gewinnen. Dafür braucht es jüngere Gesichter, nicht nur in der Klima-Union.


© Superbass / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), 2018-11-07-Julian Reichelt-Maischberger-1141, CC BY-SA 4.0
Seit 2022 ist der nach dem großen Sex-Skandal um Machtmissbrauch bei der BILD-Zeitung entlassene Julian Reichelt wieder im Geschäft, dieses Mal aber als rechtspopulistischer Videoblogger mit Anschlussfähigkeit zur CDU. Eine Folge seines Video-Blogs "Achtung Reichelt!" heißt "warum die CDU wieder rechts werden muss".

© Raimond Spekking / CC BY-SA 4.0 (via Wikimedia Commons), Hart aber fair - 2019-03-18-6629, CC BY-SA 4.0
Gleichzeitig wird vom Historiker Andreas Rödder und einer ehemaligen CDU-Nachwuchshoffnung, der Merkel-Familienministerin Kristina Schröder mit Republik 21 R21 eine neue CDU-Denkfabrik mit ähnlicher Ausrichtung gegründet. R21 widmet sich - wie die Rechtspopulisten in den USA - dem Kulturkampf von Rechts gegen linksgrüne Wokeness.

Auf die Anzahl der Rügen durch den Presserat hat sich Reichelts Entlassung spürbar ausgewirkt. BILD kassierte 2022 zwar immer noch für 42% der Rügen, im Jahr davor waren es jedoch 76%.

Infografik: Bild kassiert 2022 deutlich weniger Rügen | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

Auftraggeber für Reichelts Comeback ist der IT-Milliardär Frank Gotthardt aus Koblenz (Rheinland-Pfalz), der im Vorstand der CDU-nahen Organisation Wirtschaftsunion sitzt und enge Kontakte in den Bundesvorstand der CDU hat, u.a. zu Julia Klöckner, die lange in Rheinland-Pfalz Landesvorsitzende war. Der Wirtschaftsrat gilt als wichtiger Akteur bei der Wahl von Friedrich Merz zum CDU-Parteivorsitzenden.
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Wichtige Fäden wurden wahrscheinlich vom rechtskonservativen CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs (aka "Atom-Fuchs") gezogen, der als Koblenzer Mittelständler Gotthardts wirtschaftsliberale Positionen teilte. Fuchs saß auch in Gotthardts Unternehmen CompuGroup Medical im Aufsichtsrat und führte für dessen Sender Interviews, z.B. mit dem populistischen Parteivize Jens Spahn und dem FDP-Verkehrswende-Vollbremser Volker Wissing. Auch als Roland Tichy 2014 bei der Wirtschaftswoche gehen musste, hat Fuchs ihm beim Aufbau der rechtsliberalen, klimaskeptischen Plattform Tichys Einblick unterstützt.
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[Wikipedia 2023 - Michael Fuchs (Politiker, Februar 1949)]
Auch wenn der Milliardär Gotthardt Wert auf Stil legt - er betreibt in Koblenz das Nobelhotel Fährhaus - so residiert er jetzt dennoch nicht mehr in einer schicken Unternehmenszentrale, sondern im benachbarten ehemaligen Büro des verstorbenen Verlegers der Koblenzer Rhein-Zeitung, Werner Theisen. Das Gebäude ist nicht im Mindesten repräsentativ, aber Theisen war über die Region hinaus bekannt als besonders beharrlicher, man könnte auch sagen sturer, Rechtskonservativer.
Verlagsgebäude Rhein-Zeitung.jpg

Theisen hatte zu seinem 60. Geburtstag notariell verfügen lassen, dass eine Nachbildung des martialischen Reiterstandbilds Kaiser Wilhelms I. von Preußen am Deutschen Eck wieder auf den leeren Sockel gesetzt werden sollte. Das Original war im Zweiten Weltkrieg einer amerikanischen Bombardierung zum Opfer gefallen. Was er sich von der notariellen Beurkundung versprach, bleibt ein Rätsel. Jedenfalls kam das für CDU-Ministerpräsident Bernhard Vogel nicht in Frage, der Sockel sollte als Mahnmal der deutschen Einheit leer bleiben. Wilhelm I. ist bei Demokraten höchst umstritten. Er hatte die zerstrittenen deutschen Kleinstaaten unter der Ideologie des deutschen Nationalismus vereint, der den Nazis als Vorlage diente. Doch in jahrelangem Streit gegen die folgenden SPD-Landesregierungen konnte Theisen sich 1993 schließlich durchsetzen - Ministerpräsident Scharping überließ die Fläche der Stadt Koblenz, die ihrerseits das Vorhaben unterstützte. Theisen hatte die Statue inzwischen bereits selbst in Auftrag gegeben und bezahlt, noch bevor der Streit entschieden war. Die Vollendung der Restauration hat er dennoch nicht mehr erlebt.
Von Holger Weinandt - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0 de, Link
[Wikipedia 2023 - Werner Theisen - Rekonstruktion des Reiterstandbildes am Deutschen Eck]
Der Karthäuser Mai 2013 S.26: [Verknüpfung]

In Reichelts Aufwind kommen neue, Ekel erregende Vorwürfe eines sexuellen Machtmissbrauchs als BILD-Chefredakteur ans Licht. In ihrer NDR-Polit-Show Reschke Fernsehen widmet Anja Reschke nach einem ersten Teil über Sexismus international einen zweiten, deutschen Teil zum Thema überwiegend der BILD-Zeitung und dort vor allem Ex-Chefredakteur Julian Reichelt.
Nach eigenen Angaben wurden 50 ehemalige Mitarbeiter:innen Reichelts interviewt. Leider ist keine Person aus Angst vor Repressalien bereit, aus der Anonymität zu treten. Von einer Zeugin ist bekannt, dass sie im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen Geldzahlung eine Unterlassungserklärung unterzeichnete, also einen Vergleich akzeptierte.
Kurz vor dem Rauswurf bezeichnete sein Chef Mathias Döpfner Reichelts Übergriffe als "einvernehmliche Beziehungen", was "allerdings, wenn eine Führungskraft eine solche Beziehung mit einer abhängig Beschäftigten unterhält und das nicht transparent macht, nicht akzeptabel" sei.
Nach dem ersten Skandal kam es zu einer kurzen Beurlaubung und einer internen Untersuchung der Kanzlei Freshfields. Deren Protokolle sprechen von "Angst vor Repressalien", und von einer beruflichen Verschlechterung, die eine Betroffene in Kauf nahm, um der Bedrängung zu entgehen. Nach seiner Rückkehr habe Reichelt die Betroffenen, die gegen ihn ausgesagt hatten, aus der Firma gedrängt. Das würde bedeuten, er habe die Aussagen gekannt, was eigentlich weitere Fragen über mögliche Mittäter im Springer-Konzern aufwirft. Acht Monate später stand der Kauf des US-Politmagazins Politico auf der Kippe, weil in der New York Times ein bitterer Artikel über die Reichelt-Affäre für Aufregung sorgte. Gleich nach Erscheinen wurde Reichelt endlich gefeuert.
Zeit: [Gilbert 2023]
Spiegel: [Verknüpfung]
Der Rechtsanwalt Christian-Oliver Moser, der einige der Opfer betreut, spricht von "systematischem Machtmissbrauch". Als Höhepunkt zitiert Reschke eine schockierende Textnachricht Reichelts an eines seiner Opfer: "Weil ne dumme Affäre wie du es nicht besser verdient hat, ganz einfach: Bumsen, belügen, wegwerfen".
Erica Solomon von der Financial Times berichtete über strategische Überlegungen Döpfners, gegen die Kampagne gegen die BILD-Zeitung in den USA juristisch vorzugehen.
Am Ende ihrer Sendung liest Reschke eine Gegendarstellung von Reichelts Anwalt vor, der alles abstreitet, was nicht gerichtlich bestätigt ist.
Filmtip: Reschke Fernsehen: Julian Reichelt und die Frauen: Bumsen, belügen, wegwerfen. ARD 09.02.2023
Rescke Fernsehen: [Verknüpfung]
Tagesschau: [Verknüpfung]
Die Verfügbarkeit des Videostreams konnte Reichelt kurzzeitig per einstweiliger Verfügung unterbinden, eine rechtssichere Version wurde vom NDR kurz danach wieder eingestellt. Im August 2023 legte der NDR eine Anzeige wegen Verdachts auf Falschaussage in einer eidesstattlichen Erklärung - eine Tat, die mit Gefängnisstrafe belegt ist.
Tagesspiegel: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Caroline Rosales, die selbst vier Jahre beim Axel-Springer-Verlag gearbeitet hatte, berichtete seinerzeit, am 21.10.2021, im ZDF bei Markus Lanz von mehreren Vorfällen, die sich in ihrer Laufbahn abgespielt haben.
Youtube: [Verknüpfung]

Der auf seine Kündigung folgende Rechtsstreit zwischen Reichelt und Springer wirft weitere Fragen bezüglich seiner Glaubwürdigkeit und Integrität auf. Das Verhalten des Presserats zeigt dabei, wie weit seriöser Journalismus in Deutschland geht. Peinlich genau pocht er auf den Gleichbehandlungsgrundsatz: selbst Julian Reichelt, der für seine Meisterschaft der Verleumdung und Verleugnung verrufenste deutsche Journalist, genießt Quellenschutz.
tagesspiegel: [Verknüpfung]

Der Medienforscher und Politologe Prof. Dr. Markus Linden von der Universität Trier verortet Reichelts Kanal klar im Rechtspopulismus, allerdings ohne die sonst übliche Parteinahme für Wladimir Putin, was zur Zeit für eine Kompatibilität mit der CDU unabdingbar ist.
Frankfurter Rundschau: [Verknüpfung]
Am 17.02.2023 berichtet Nils Altland im NDR-Magazin Zapp über Reichelts Methoden der Hetze und Desinformation. Er zeigt minutiös die Parallelen zu einem rechtspopulistischen Hetzer in den USA, dem Milliardärssohn Tucker Carlson, auf, die Narrative, die Darstellung, sogar den Tonfall. Carlson und Reichelt reproduzieren v.a. Donald Trumps Hetze gegen eine korrupte globale Elite, deren Klimaschutz-Agenda eine Bedrohung des Wohlstands, und deren Ausländerpolitik eine Bedrohung der nationalen Identität darstellt. Als Beispiel nachweislich irreführende Zitate und Einblendungen aus "Achtung Reichelt!":

Mit seinem Massenmord-Narrativ reiht er sich neben Markus Krall und Axel Bojanowski in die rechte Hetzer-Gruppe ein. Wie Tucker Carlson lädt Reichelt regelmäßig die niederländische Rechtspopulistin Eva Vlaardingerbroek ein, die - abgesehen vom Putin-Verständnis - mit Verve das ganze Repertoire der AfD-Parolen vorträgt: den Geschichtsrevisionismus der postfaschistischen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die komplette Leugnung des anthropogenen Klimawandels, das Überfremdungsnarrativ der Identitären, für deren Kampagne 120 Dezibel sie Werbung macht. 120 Dezibel hetzt gegen Ausländer, deren "Horden von Männern" sie als herausragende Tätergruppe sexueller Gewalt gegen "schutzlose Frauen" in Deutschland darstellt. Die identitäre Kampagne richtet sich ausdrücklich gegen die feministische #MeToo-Bewegung. Sie nutzte dazu 2018 eine #MeToo-Veranstaltung auf der Berlinale mit einer Störung als Bühne, um das Thema zu kapern, wie es die Soziologin Paula-Irene Villa ausdrückt. #Metoo klagt den sexuellen Machtmissbrauch weißer Männer an - und der prominenteste Angeklagte in Deutschland ist Julian Reichelt.
Frankfurter Rundschau: [Verknüpfung]
Frankfurter Rundschau: [Verknüpfung]
Tagesspiegel: [Verknüpfung]
Jetzt: [Verknüpfung]
Unter Reichelts Mitarbeitenden bei Rome Medien finden sich mit Judith Sevinc Basad und Ralf Schuler ehemalige Kolleg:innen, die den Springer-Konzern wegen seines Einknickens vor der woken Bewegung verlassen haben.
In den Kommentaren zu Reichelts Videos finden sich zahlreiche Bekenntnisse zur AfD.
Eva Vlaardingerbroeks Twitter-Konto wurde offenbar im März 2023 gesperrt, ausgerechnet nachdem Twitter-Chef Elon Musk Donald Trump die Rückkehr erlaubt hat.
Twitter: [Verknüpfung]


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Filmtip: NDR Zapp 17.02.2023: [Verknüpfung]

Das Recherche-Videoblog Simplicissimus stellt dar, wie sich Reichelts Redaktion aus rechtspopulistischen, von unabhängiger Seite besonders unseriös eingestuften Medien wie Achse des Guten zusammensetzt, und welche Kontakte zum rechtskonservativen Milliardär Frank Gotthard und auch zu dem ungarischen rechtspopulistischen Präsidenten Viktor Orban bestehen. So hat sich zum Beispiel Reichelts Chefredakteur Ralph Schuler, der schon in der BILD-Zeitung zu seinem Team gehörte, in Orbans Denkfabrik Mathias Corvinus Collegium ausführlich fortgebildet. Die Autoren nennen das Video "Der gefährlichste YouTube-Kanal Deutschlands".
Die wichtigsten Details zu den Gotthard-Kontakten stammen vom Journalisten Lars Wienand von t-online. Im Blog wird er zu der Recherche interviewt.


Youtube: [Verknüpfung]

Umso bedenklicher, welche CDU-Größen sich in Reichelts Studio die Klinke in die Hand geben: Michael Ploß, Mark Henrichmann, Wolfgang Bosbach, Andreas Scheuer etc.. Das verbindet Reichelt mit den alten Herren Fuchs, Krall und Tichy. Diese bewegen sich in denselben Kreisen wie die CDU-Mitglieder Hans-Georg Maaßen und Max Otte, dem Vorsitzenden der Werte-Union, von der sich Parteioffizielle aber zunehmend distanzieren, während Maaßen noch in der letzten Bundestagswahl als Direktkandidat aufgestellt wurde. Auch die offizielle Distanzierung vieler CDU-Mitglieder beendet nicht den Einfluss dieser Gruppierung. Je mehr die Union nach rechts rückt, desto mehr wird ihre Abgrenzung zu verfassungsfeindlichen Personen zu einem für sie lästigen, für die Öffentlichkeit aber umso aufschlussreicheren, Thema.
[Wikipedia 2022 - Werte-Union]
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Ein anderer Treffpunkt bürgerlicher Rechtskonservativer ist das Neue Hambacher Fest, das seit Jahren von Max Otte organisiert wird. 2018 und 2019 lud er Krall als Redner ein, und lobt dessen Buch "die bürgerliche Revolution": "ein Reformprogramm für Deutschland – umfassend, durchdacht und auf den Punkt gebracht." Anlass für den die Stiftung Hambacher Fest 1832, dem entgegenzutreten.
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Ulrich Riem hat sich für die Stiftung eingehend mit Krall beschäftigt und seine Argumente widerlegt. Seine Analyse ist alarmierend. Die Rollen von Otte und Krall in einem Interview mit Tichy bezeichnet er als "Biedermann" und "Brandstifter".
Teil 1: [Verknüpfung]
Teil 2: [Verknüpfung]
Teil 3: [Verknüpfung]
Otte hetzte bei der Diskussion um Hans-Georg Maaßens Verharmlosung der Menschenjagd in Chemnitz von "Meinungsterror" und bei der Coronapolitik von "Diktatur". Dies und Ottes Vorsitz der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung seit 2018 hat der CDU nicht für ein Parteiausschluss-Verfahren gereicht, wohl aber Ottes Kandidatur auf das Amt des Bundespräsidenten für die AfD 2021.
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[Wikipedia 2022 - Max Otte]
Otte ist Anglikaner und steht damit zumindest fundamentalchristlichen Einstellungen sehr nahe.
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Krall und Otte gehören zu einer neokonservativen wirtschaftspolitischen Elite, und da ist ein Draht zur FDP natürlich auch nachvollziehbar. Die Hessen-FDP hatte 2021 einen Skandal um den vielfach in der rechten Politik-Szene vernetzten Politikberater und Medienunternehmer Tom Rohrböck, der Spitzen der Hessen-FDP mit der AfD zusammenbrachte. Darin war in erster Reihe die Vorsitzende Bettina Stark-Watzinger verwickelt. Die Partei grenzte sich gegen Rohrböck ab, belohnte jedoch Stark-Watzinger noch im gleichen Jahr mit dem Bundes-Bildungsministerium.
Zeit: [Verknüpfung]
Strg-F beim öffentlich-rechtlichen youtube-Kanal funk:[Verknüpfung]
vice:[Verknüpfung]
Auch in der CDU gibt es immer wieder Annäherungen an rechtsextreme Positionen, im Oktober 2022 forderte der ehemalige Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag Mike Mohring ein Ende der Ausgrenzung der AfD.
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Einer von Kralls Coautoren und Videoblog-Partner, der umstrittene Börsen-Guru und Great-Reset-Verschwörungstheoretiker Florian Homm, zeigt ebenfalls Nähe zu christlichem Fundamentalismus. 2016 schrieb er das Buch "Die Botschaften der Barmherzigkeit der Jesusmutter Maria für die Welt".

2018 hat Max Otte mit Prof. David Engels (Université Libre de Bruxelles) die Oswald Spengler Society gegründet. Spengler warnte 1922 in seinem Hauptwerk "Der Untergang des Abendlandes" vor der Rache der ehemaligen Sklaven und Ausgebeuteten, und ruft zur Entscheidungsschlacht für das westliche Abendland, zur "konservativen Revolution". Er begrüßte die Machtergreifung Adolf Hitlers mit den Worten: "Niemand konnte die nationale Umwälzung mehr herbeisehnen als ich. Ich habe die schmutzige Revolution von 1918 vom ersten Tag an gehaßt, als den Verrat des minderwertigen Teils unseres Volkes an dem starken, unverbrauchten, der 1914 aufgestanden war, weil er eine Zukunft haben konnte und haben wollte."
Zeit: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2022 - Oswald Spengler]
Auf der Internetseite der Oswald Spengler Society diskutiert Otte zum Thema Humanevolution die Parallelen zwischen Darwin und Spengler, und spannt den Bogen von der Soziobiologie zum Darwinismus. Dabei umkreist er den Begriff Sozialdarwinismus, ohne ihn explizit zu nennen. Sein Fazit: "In fact, where Charles Darwin is mentioned, a second name should appear whenever predecessors of modern sociobiology are discussed in the case of human societies: Oswald Spengler."
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Darwin musste seine Theorie gerade gegen den christlichen Konservativismus durchsetzen, gegen Leute wie Homm, Engels, Otte und Krall. Dass er heute von Fundamentalchristen vereinnahmt wird, ist eine unglaubliche Verdrehung, die bei Biologen bestenfalls Belustigung, bei Christen jedoch noch tiefere Abscheu provoziert.

Wer noch mehr fundamentalchristliche Verbindungen zu extremen Verschwörungsnarrativen sucht, findet sie sogar in hohen Kreisen des Vatikans. Z.B. wird man bei Deutsche Wirtschafts-Nachrichten fündig, wo der Trump-nahe, emerititerte katholische Nuntius des Vatikan in den USA, Bischof Viganò einen ganzen Kübel von Verschwörungstheorien aus Great Reset, Deep State, Deep Church, Gates-Soros-Verschwörung, Globalismus, Pseudo-Pandemie, Tyrannei des Satans, Föten-Impfstoff etc. ausgießt, alles sorgsam ins Deutsche übersetzt: "Der Tiefe Staat und die Tiefe Kirche verfolgen die gleiche Agenda" und "Die Kräfte der Finsternis greifen nach der Macht."
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Die Nähe zwischen Vertretern einer radikal-elitären Finanzbourgeoisie, Politiker:innen der Union, der AfD, katholischen Burschenschaften, konservativen Teilen des Klerus und fundamentalchristlichen Organisationen mit Verbindungen zum konservativen Kern im Vatikan ist nicht zu übersehen. Sie sind zutiefst religiös überzeugt von einem göttlichen Auftrag, die Welt zu beherrschen.


Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. […] Niemand kann zwei Herren dienen: Entweder er wird den einen hassen und den andern lieben, oder er wird an dem einen hängen und den andern verachten. Ihr könnt nicht Gott dienen und dem Mammon.
Jesus von Nazareth (nach Matthäus-Evangelium Kapitel 6, Verse 19-24)
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In den USA wird das fundamentale Christentum eher von protestantischen Evangelikalen repräsentiert, doch gibt es enge Verbindungen über den Atlantik.

Die Verschärfung der Klimakrise hat breite, bisher untätige Schichten für Gegenmaßnahmen bereit gemacht. Die Klimabewegung bringt die Zivilgesellschaft nun an einen sozialen Kipppunkt.
Für den Großteil der Bevölkerung, der Klimaschutz bisher mit ablehnender Skepsis begegnete, ergeben sich jetzt mindestens vier Perspektiven.

  1. Ein Teil der Elite, auch der konservativen, erkennt die Chancen und lässt sich auf einen konstruktiv-sachlichen Dialog ein.
  2. Gemäßigte Rechtskonservative rücken endlich von ihrem unerschütterlichen Glauben an eine positive göttliche Vorsehung ab, den sie für ihre sture Ablehnung von Klimaschutz so militant vertreten haben, und stellen sich der Realität vom drohenden ökologischen Untergang. Sie entwickeln einen blinden Glauben an die Erlösung durch Innovation, der ebenfalls dem Wohlstandsevangelium entspringt.
  3. Besonders christlich-fundamentale Rechtskonservative erkennen zwar auch die drohende Katastrophe, ändern aber trotzdem nichts an ihrer Politik. Ihr Fatalismus entspringt der religiösen Vorstellung, die Menschheit hätte die Prüfung Gottes nicht bestanden, ihr Versagen löse ein Gottesgericht (das "Jüngste") aus: den Untergang der Menschheit. Ankämpfen gegen die göttliche Vorsehung sei reine Hybris, den Klimaschützern fehle die transzendentale Perspektive.
  4. Der autoritär-rechtskonservative Teil der Elite radikalisiert sich zum Rechts- oder Neo-Libertarismus: oft vom Wohlstandsevangelium religiös motiviert, negieren Neolibertäre nach wie vor die Klimakrise, und rüsten sich für einen Bürgerkrieg, der sich in den USA schon deutlich abzeichnet. Als Gottes Volk sehen sie sich erwählt, die göttlichen Segnungen des fossilen Fortschritts auch unter Opfern in die Welt zu bringen; die Extremisten unter ihnen sehen sich zur Gewalt gegen den teuflischen Gegner dieses Fortschritts aufgerufen, der die Menschheit vernichten will: den ökologisch motivierten Sozialismus. "Freiheit oder Untergang" lautet der neueste Titel von Markus Krall.
Der Chefautor des ersten Berichts des Club of Rome Dennis Meadows sagte diese Entwicklungen schon 2007 voraus.

Möglicherweise neigen Protestanten noch länger dazu, der Idee des Wohlstandsevangeliums anzuhängen als Katholiken, die in ihrer Gottergebenheit schneller in Fatalismus verfallen. Diese Erzählung vermischt sich bei manchen Rechtsaußen-Konservativen mit heroischen Endzeit-Vorstellungen heidnisch-germanischer Kulte.
Eine transzendentale Inspiration durch Jesus, Buddha oder wen auch immer, könnte manchem aus der Klima-Lethargie helfen. Wer jetzt nicht für das Klima aufsteht, unterstützt weiter das Selbstvernichtungsprogramm der Menschheit.







Manchmal ist es überlebenswichtig, sich voller Selbstvertrauen in eine Auseinandersetzung zu stürzen. Dabei ist eine gewisse Portion Selbstüberschätzung oft hilfreich. Männer sind hormonbedingt überdurchschnittlich oft betroffen, auch von Narzissmus.
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Doch Helden allein werden die Klimakrise nicht lösen. Warum z.B. die modernen Superhelden der Innovation, die Milliardäre, uns nicht retten, erklärt Christian Stöcker im Spiegel, Zitat:

"Helden erobern, sie verteidigen eher selten und wenn, dann gegen einen äußeren, übermächtigen Feind, nicht gegen die eigene Unzulänglichkeit. Wenn Helden etwas retten, dann andere Menschen, Schätze oder Kunstwerke. Fällt Ihnen spontan eine berühmte Erzählung aus der Literaturgeschichte ein, in der die Heldin oder der Held ein Ökosystem vor der Vernichtung durch den Menschen bewahrt?
Noah baut keine Dämme, sondern eine Arche. Der heroische Akt besteht in der Rettung einiger weniger, nicht in der Abwendung der Katastrophe für alle.
Katastrophale Vernichtungsereignisse gehen in Mythos und Religion in der Regel von Göttern aus, die Menschen sind hilflos ausgeliefert. Wir dagegen haben hier drüben in der Realität eine Situation geschaffen, die in unseren Geschichten nicht vorkommt: Wir selbst sind die Verursacher der Katastrophe. Die vorbildhafte Erzählung, in der wir uns selbst überwinden, nicht um zu erobern, sondern um zu bewahren, fehlt. There is no glory in prevention."
[Verknüpfung]

Heldentum allein nützt uns also genauso wenig wie wissenschaftliche Aufklärung. Die Menschheit steckt in einer tiefen Sinnkrise, andere Narrative von Gemeinschaft und Solidarität sind gefragt. Bernd Ulrich und Petra Pinzler erklären das in der Zeit.
Zeit: [Pinzler 2020]
Das patriarchale Rollenmodell der Männer war immer wieder in Frage gestellt worden, zuletzt Ende des 20. Jahrhunderts, als die '68er auch die gesellschaftlichen Verhältnisse ins Wanken brachten. Dort gab es auch eine christliche Reformbewegung, die Jesus People.
Auch in der katholischen Kirche gab es Bewegung. Im 2. Vatikanischen Konzil kam es zu einer Renaissance urchistlicher Ideen.
Nach diesen großen und kleinen Revolutionen wurden die patriarchalen Verhältnisse jedoch wieder teilweise restauriert. Der Neoliberalismus unterwanderte die Sozialdemokratie und entsolidarisierte Menschen weltweit, und auch etliche Erfolge der Antirassismus- und Emanzipations-Bewegung stehen wieder zur Diskussion. Die multiple Krise befördert eine Rückkehr autoritärer, patriachaler Systeme. Das Spiel mit alten Geschlechter-Klischées dient der Werbung, denn es heizt den Konsum enorm an. Die Reduktion der Menschen auf ihre biologischen Grundbedürfnisse, und das Schüren von Angst vor der Konkurrenz setzt enorme Potentiale frei. Beim Konsum geht es schon lange nicht mehr allein um Suffizienz (die Deckung der Grundbedürfnisse), sondern vor allem um Statussymbole.


Genug, das ist das Beste was es gibt.
André Gorz

Es ist für mich deshalb kein Wunder, dass in der Klimabewegung überwiegend emanzipierte Frauen aktiv und erfolgreich sind.







(1) Vor Jahrzehnten gab es noch die Option eines allmählichen Umstiegs aus der Fossilwirtschaft. In den 70er Jahren förderte US-Präsident Carter die Erneuerbaren, was zu einem ersten Preissturz führte. Viele Wind-Rotoren wurden aus Dänemark importiert, das auch in Folge dessen bereits 2011 beachtliche 40,7% erneuerbaren Anteil an der Stromerzeugung erreichte.
[Wikipedia 2019 - Energiewende nach Staaten]

(2) Ein weiterer Preissturz kam 1996 durch das dänische Windkraft-Programm Energi 21, und 2000 durch das deutsche EEG, das einen zusätzlichen Windkraft- und PV-Boom zuerst in Deutschland und danach in China auslöste. (2) Ein weiterer Preissturz kam 1996 durch das dänische Windkraft-Programm Energi 21, und 2000 durch das deutsche EEG, das einen zusätzlichen Windkraft- und PV-Boom zuerst in Deutschland und danach in China auslöste.

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Von Jahobr - Eigenes Werk Diese Datei enthält Elemente, die von folgender Datei entnommen oder adaptiert wurden:  EnerconE-126vsCologneCathedral.svg (von Jahobr)., CC0, Link

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Von 1-1111 - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link

US-Solarpionier Richard Swanson beschrieb die logarithmische Preiskurve der PV-Industrie 2006 erstmals, man sprach (analog zum Mooreschen Gesetz) von Swansons Gesetz. Die einzige größere Abweichung ergab sich 2006 durch eine Verknappung an Silizium. Danach setzte sich die Entwicklung umso schneller fort.
Swansons-law de
File:Swansons-law de.png. (2020, September 20). Wikimedia Commons, the free media repository. Retrieved 14:34, February 27, 2021 from https://commons.wikimedia.org/w/index.php?title=File:Swansons-law_de.png&oldid=466297345.
[Wikipedia (english) 2020 - Swanson's law]
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Beides reichte aber bisher noch nicht, denn in beiden Fällen folgten massive Gegenmaßnahmen, die die Hegemonie der Fossilwirtschaft weiter zementierten: jahrzehntelang wurden die Alternativen schlechtgeredet, zum Teil sogar sabotiert oder ihre Patente in der sprichwörtlichen "Schublade" abgelegt, wie bei dem absichtlich gescheiterten Versuchswindrad GroWiAn, den vielfältigen Sabotage-Projekten gegen die Deutsche Bahn, dem 20 Jahre verzögerten Einsatz des Elsbett-Motors oder den Ovonic-NiMH-Akkus des Elektroautos EV1 von General Motors, das vor der Jahrtausendwende aufgrund kalifornischer Gesetze exklusiv per Leasing auf den Markt kam und dann nebst seinen Akkus nach Lockerung des Gesetzes wieder vom Markt verschwand - trotz massiver Proteste der Kunden.
Erst im Jahr 2020 schaffen die Erneuerbaren Energien den endgültigen Durchbruch, aber nicht aus ethischen Gründen, sondern aus rein wirtschaftlichen: die Internationale Energieagentur IEA erklärt sie zur billigsten Energieform.

(3) In vielen Ländern wurden CO2-Steuern eingeführt, die auch Lenkungswirkung erzielten - aber meist bei Weitem nicht genug. Immerhin liegt Vorreiter Schweden auch beim Anteil Erneuerbarer Energien in Europa weit vorn.


[Franck 2019]

Die weltweite fossilökonomistische Energiepolitik führte schließlich wie vorhergesagt zur Klimakrise unserer Tage, die in unseren südeuropäischen Nachbarländern bereits heftig spürbar ist und auch dort zu politischem Umdenken führt. In Italien ist Klimaschutz seit 2019 Schulfach, Frankreich und Spanien riefen in 2019 bzw. 2020 den Klimanotstand aus.

Aller Gegenwehr aus Wirtschaft und Politik zum Trotz wurden die Energie-Alternativen dennoch konkurrenzfähig, teils sprichwörtlich im letzten Augenblick. Mittlerweile zeichnen sogar immer mehr Ökonomen einen schnellen, disruptiven Ausstieg als letzte, aber auch realistische Chance, die drohende Klima-Katastrophe abzuwenden.
Die ökonomische Welt-Elite beim WEF nimmt die Corona-Krise als Gelegenheit, mit einer neuen Weltwirtschaftsordnung eine planvolle Umschichtung von Kapital vorzunehmen, die möglicherweise die vorhergesagte Disruption der Fossilwirtschaft auslösen wird - wie auch immer die Auswirkungen zu bewerten sind, falls das Projekt Erfolg hat. Falls es jedoch misslingt, ist nur die Frage, welche Krise zuerst katastrophale Auswirkungen hat: die Klima-, die Biodiversitäts- oder die Geldsystemkrise.






Ideologien erkennt man v.a. an ihren inneren Widersprüchen. Der Fossilökonomismus ist voll davon.

Die christlichen Parteien bekennen sich seit Jahrzehnten zur "Bewahrung der Schöpfung", zu der sie von ihren religiösen Autoritäten auch immer deutlicher aufgefordert werden. Aber schon die CDU-Vorsitzende Angela Merkel gab selbst zu, dass sie als Kanzlerin diesem Anspruch nicht gerecht geworden ist. Darauf wies die Umwelt-NGO Greenpeace damals in einer spektakulären Entführung hin.

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Dass die christliche Botschaft im diametralen Gegensatz zur neoliberalen Ideologie steht, ist 2023 endlich auch den fundamentalchristlichen Evangelicals for Trump klar geworden, die im Wahlkampf 2020 Trump eine wahre Anbetungs-Show geliefert haben. Leider ziehen sie nicht die Konsequenz, diese Ideologie in Frage zu stellen - stattdessen stellen sie fest: Jesus sei "zu schwach" und "zu links".
Die institutionalisierte Trennung von Staat und Kirche lässt solche Fragen in Deutschland gar nicht aufkommen. Hier käme kein Priester auf die Idee, Markus Söder oder Friedrich Merz mit Gottes Segen für höhere Aufgaben auszustatten. Deshalb interessierte sich auch lange niemand für die Besuche von Unionspolitiker:innen in den USA, wo sie sich bei Trumps Unterstützer:innen die Blaupause für den deutschen Kulturkampf, und gerichtliche Blockaden gegen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit abholen.
Merkels Nachfolger in der Opposition Friedrich Merz agiert in der Klima-, Sozial- und Migrationspolitik der Ampelkoalition völlig destruktiv, indem er in der deutschen Bevölkerung Exklusion und populistische Spaltung durch Desinformation betreibt. Das ist das Gegenteil der Ideen von Jesus Christus, der es schaffte, inklusiv zu wirken, alle mitzunehmen - außer den Mächtigen, die ihn dafür hinrichten ließen.
Im neuen Grundsatzprogramm bezeichnet die CDU nun die Kirchen als "gesellschaftspolitische Stabilitätsanker", willkommene "Partner bei der Gestaltung unseres Gemeinwesens". Merz und sein Generalsekretär Carsten Linnemann haben scheinbar nicht bemerkt, dass mit Jorge Mario Bergoglio seit zehn Jahren in Rom ein Papst sitzt, der sich nach dem Heiligen Franziskus, einem Bettelmönch, benannt hat, und der die exklusive fossile Politik der Industrieländer massiv anklagt: "Diese Wirtschaft tötet." Mit seiner Enzyklika "Laudato 'Si" 2015 und dem Lehrschreiben "Laudate Deum" 2023 greift er sehr konkret die systemkonservativen Positionen an, die besonders von der CDU und der AfD eingenommen werden: die Klimakrise würde von ihnen heruntergespielt, die negativen Konsequenzen von Klimaschutz würden von ihnen überbewertet. Seine vernichtende Kritik an der Ausbeutung von Mensch und Welt fasste er zusammen in dem Satz: "Diese Wirtschaft tötet." Auch deutsche Bischöfe haben sich für entschlossenen Klimaschutz positioniert.
Auf katholisch.de warnt der Jurist und Theologe Georg Essen die Union davor, ihr historisch gewachsenes Fundament aufs Spiel zu setzen.


Aus theologisch-politischer Sicht ist es wiederum äußerst beunruhigend, dass es im Feld des Christlichen Denominationen und Gruppierungen gibt, für die ein sich radikalisierender Konservativismus durchaus attraktiv ist, der das Kulturkämpferische sucht. Auch hierzulande stiftet der antiliberale und demokratiefeindliche Rechtspopulismus ein Identitätsangebot für konservativ-christliche Milieus. Das Verhältnis von Christentum und Konservativismus verlangt, mit anderen Worten, nach einer Neubestimmung.
Meines Erachtens versäumt es der Programmentwurf jedoch, den es leitenden Begriff des Konservatismus differenzierungsbereit zu klären. Denn es sollte klar sein, dass es derzeit vor allem diese politische Strömung ist, von der dort, wo sie ideologisch entgleist und sich radikalisiert, für die liberale Demokratie eine ernsthafte Gefahr ausgeht. Von welcher parteiprogrammatischen Grundoption her aber will die CDU ihren Konservativismus heute bändigen und normativ einhegen? Darauf gibt der Programmentwurf leider keine zufriedenstellende Antwort. Gelingt der CDU diese Selbstaufklärung nicht, wird sie alsbald mit der Frage konfrontiert sein, ob sie Christen noch eine politische Heimat bieten kann. Es stünde nicht gut um die CDU, wenn nicht nur Konservative das "C" in Frage stellten, wie es ja bereits geschieht, sondern auch Christinnen und Christen.
Georg Essen
katholisch.de: [Verknüpfung]

Soziale Gerechtigkeit war für die Grünen, die Umwelt-NGOs und die Klimaprotestbewegung von Anfang an ein zentrales Thema. Denn ihnen allen war von Anfang an klar, dass ein Verzicht auf die zweifelhaften fossilen Privilegien für die unteren Einkommensschichten eine unzumutbare Härte bedeuten würde: pestizidbelastete, tierleidbehaftete Nahrung, unsanierter, durch Spekulation superreicher Investoren völlig überteuerter Wohnraum, dafür billige fossile Brennstoffe zum Heizen und billiger Verbrenner-Treibstoff.
Doch von Anfang an schafften es die Fossilökonomisten, weite Teile der unteren Einkommens-Schichten gegen Umweltschutz einzunehmen. Die Alternativen, also energetisch sanierter Wohnraum, Bio-Essen und Elektroautos sind in der fossilen Welt nur für die Besserverdiener erschwinglich. Klimaproteste werden als ein Projekt von ideologisierten, elitären Gutmenschen dargestellt - obwohl die linken Forderungen nach Umverteilung über Ökosteuer (2000) bzw. Klimabonus (2020) immer ganz oben stehen. Die wahre Ursache dafür, dass nachhaltiges Leben unerschwinglich ist, die massive und immer schneller wachsende Ungleichverteilung, wird dagegen kaum jemals in Frage gestellt. Die Beteuerungen, im Sinne der Armen im Klimaschutz moderat zu sein, sind also nur ein Vorwand, die Armen werden instrumentalisiert, um weitere, die Klimaopfer, zu rechtfertigen.
2023, mitten im Überlebenskampf der Verbrenner-Industrie und auf einem Höhepunkt der fossilen Reaktion auf die Wärmepumpen-Offensive des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck, entfesselt die oppositionelle CDU einen populistischen Kulturkampf. Den verunsicherten Bürgern wird suggeriert, "die Grünen...

... mit einem Wort: sie lehnen Euch und Eure Art zu leben ab, sie sind eine Katastrophe für Deutschland." Rechtskonservative drehen daraus gar die verschwörerische Absicht, den Menschen ihre Heimat zu nehmen, Deutschland zerstören zu wollen. Das Vorbild für ihren Kulturkampf haben die deutschen Rechtspopulisten aus den USA.
Grünenhass wird mittlerweile bei Konservativen ähnlich gepflegt wie der Hass auf die Sozialisten in der Weimarer Republik, deren Forderungen jedoch damals durch linksradikale Schlägertrupps gewaltsam unterstrichen wurden, während ich von "grüner Gewalt" noch nie etwas gehört habe.
Die multiplen Krisen führen nicht etwa zu einer Kritik an denjenigen, die sie verursacht haben - die konservative Panikmache vor grüner Politik funktioniert stattdessen umso besser. Im Herbst 2023 ist "Grünenhass" ein neues Modewort, und jeder Klimaschützer wird mit vermeintlich terroristischen Klimaklebern assoziiert.
Der Grünen-Pionier Ernst Paul Dörfler wurde für seine Aktivitäten schon in der DDR verfolgt und erklärt die besondere Lage im Osten.
t-online: [Verknüpfung]

Klimaaktivist:innen wie die der Bewegungen Ende Gelände oder Letzte Generation LG weisen mit zivilem Ungehorsam auf die Hunderten Millionen bis etlichen Milliarden von Toten in der Zukunft hin, und damit auf das größte Verbrechen der Menschheitsgeschichte; aber Konservative versuchen mit allen Mitteln, von diesem größten Verbrechen abzulenken, indem sie den unangenehmen Aktivismus zu einem Verbrechen stilisieren, teilweise sogar eine Nähe zum Terror suggerieren.
Der Rechtsstaat hat ausreichende Mittel, um sich gegen Verkehrsblockaden oder Sachbeschädigung zu wehren, doch Konservative fordern für diese spezielle "Tätergruppe" eine schärfere Paralleljustiz. Zum Beispiel wurden nicht nur bei den Reichsbürger-Verschwörern, die einen bewaffneten Putsch inklusive Beseitigung politischer Gegner:innen planten, Hausdurchsuchungen durchgeführt, sondern kurz danach ebenfalls bei Mitgliedern von Last Generation, weil sie Öl-Pipelines in Schwedt zugedreht haben.

Die deutsche Versorgungssicherheit im europäischen Stromverbund ist nicht von französischem Atomstrom abhängig, wie Konservative oft behaupten, dafür ist diese zu unstetig. Der Strompreis ist so hoch wegen vieler Fehlenscheidungen unter Merkel, wird von Konservativen aber vor allem den Grünen angelastet. Mit ihrer Ablehnung der Abschaltung der letzten 4% an atomarer Kraftwerkskapazität tut die CDU gerade so, als würde der Wirtschaftstandort Deutschland daran zugrunde gehen. Dabei negiert sie einfach, dass dem finalen Ausstiegsbeschluss ein langer, schmerzhafter Aushandlungsprozess vorangegangen ist, und dass dieser letztlich mit Unterstützung einer breiten gesellschaftlichen Mehrheit erfolgte, unter einer CDU-Kanzlerin. Die im Übrigen die in wechselnden Koalitionen die Energiewende blockiert, und gegen den Protest der Grünen die Abhängigkeit von russischen Gas zementiert hat, als Putin schon die Krim besetzt hielt.
Die CDU negiert genauso, dass ein 100%iger Ersatz der gesamten Stromproduktion Investitionen in Billionenhöhe, und Bauzeiten mehrerer Jahrzehnte erfordern würde. Die globalen Kernbrennstoffe würden vielleicht für Deutschland reichen - aber niemals für eine globale Wende zur Kernenergie. Knappe Brennstoffe werden teurer, und die Entsorgungsfrage, die schon im aktuellen Maßstab der Atomwirtschaft höchst kritisch ist, ist immer noch weitestgehend ungeklärt.
Wir haben für 100% Atomkraft weder die Zeit, während eine Dekarbonisierung sich rechtzeitig durch Erneuerbare erreichen lässt, noch das Geld.

CDU-Politiker:innen heizten die öffentliche Empörung über die Schulschwänzer bei den Freitags-Klimaprotesten an - jetzt heucheln sie ihre Besorgnis um die gesellschaftliche Akzeptanz von Klimaschutz. Sie reden eine Gefährdung der Erfolge von Fridays for Future durch den zivilen Ungehorsam herbei. Die Menschen würden gegen Klimaschutz voreingenommen. Mit Begriffen wie "Klima-Kleber" und "Klima-RAF" spalten sie die Gesellschaft.
Wer bisher von der Dringlichkeit von Klimaschutz überzeugt war, wird seine Meinung nicht ändern. Die übrigen werden entweder zum Nachdenken gebracht, oder machen sich die bequeme Ad-hominem-Erzählung zu eigen, das Klimaschutz-Anliegen sei abzulehnen - wegen der Protestform.
Die CDU spielt sich damit auf als der Gralshüter des Klimaschutz-Gedankens, obwohl sie weiter klimaschädliche Politik machen.
Die CDU verbreitet fleißig die Erzählung, behauptet mittlerweile sogar explizit, sie sei "die wahre Klimaschutz-Partei", plant aber nur Scheinlösungen und stimmt entsprechend auch aktiv in Parlamenten gegen echten Klimaschutz.

Alisa Schellenberg interviewte in der Zeit verschiedene Soziolog:innen zu der Diskussion, die einen ganz anderen Trend sehen: "Die Radikalisierung der Generation Weiter-So". Die konservativen Klimaschutz-Gegner rüsten auf und schrecken dabei nicht davor zurück, die Mittel des Rechtsstaats bis an die erlaubte Grenze und darüber hinaus zu strapazieren. Jedenfalls ist diese Radikalisierung dem bürgeschaftlichen, demokratischen Dialog nicht zuträglich. Schellenberg zitiert den Protestforscher an der Humboldt-Universität zu Berlin Christian Volk, den Kommunikationswissenschaftler an der Universität Hamburg Michael Brüggemann, die Klimasoziologin an der Universität Graz Ilona Otto und Prof. Matthias Quent.
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Konservative picken bei Kobalt und Lithium moralische Rosinen gegen die postkoloniale Rohstoff-Versorgung beim Elektroauto, ihre Partei CDU versucht derweil, das eigene Lieferkettengesetz wieder auszusetzen, das zuerst von den Grünen, und dann auch von der SPD gefordert wurde. Mit der CDU konnte bisher keine faire Rohstoffversorgung realisiert werden, genauso wenig für Elektroautos wie für alle anderen Konsumgüter - für deren Herkunft keine öffentliche Aufmerksamkeit besteht, abgesehen vom Einsturz einer Fabrik in Bangladesh.

Der FDP-Vorsitzende und Finanzminister Christian Lindner entlastet großzügig die Wirtschaft von den Kosten der Energiekrise im Ukraine-Krieg, ist aber nicht bereit zu einer Übergewinnsteuer. Mittel für die Klimawende, die den unteren Einkommensschichten und den kommenden Generationen zugute kämen, hält er zurück, wie z.B. die Verlängerung des 9€-Tickets. Den Sozialstaat will seine Haushaltsexpertin Raffelhüschen "auf ein gesundes Niveau zurückführen". Ihr Mann tritt auf als neutraler Experte, ist aber Lobbyist der Versicherungswirtschaft.

In der Aufklärung wurde religiös begründete Moral als Herrschaftsinstrument der Mächtigen abgelehnt. Darauf beruft man sich heute, wenn man den Moralismus der Klimaaktivisti beklagt, und einen Entzug von Freiheitsrechten. Das ist eine Verdrehung der Herrschaftsverhältnisse, denn der Klima-Moralismus dient dem Schutz derer, die sich nicht wehren können, vor der Zerstörung ihrer Naturressourcen.
2024 positioniert sich endlich der Ethikrat: Klimaschutz ist eine moralische Pflicht.

In immer mehr europäischen Metropolen boomt der Radverkehr - zugunsten des Klimas, der Gesundheit der Verkehrsteilnehmer und nicht zuletzt des Steuerzahlers. In der Schweiz kam 2022 die rechtskonservative SVP auf die Idee, Radfahren per Vignette zu besteuern. Die FDP Coburg zieht wenige Tage später nach.
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Die CDU punktet im Wahlkampf immer wieder mit der Forderung, Parkraum in den Straßen der Innenstädte vor Radwegen und Verkehrsberuhigung zu sichern.
ARD: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
klimareporter: [Verknüpfung]

Obwohl allein die Stromversorgung mit Erneuerbaren Energien bei seinen Wählern bis vor Kurzem noch als ferne Illusion galt (sie ist nach Studienlage lange vor 2050 wirtschaftlich möglich), und obwohl viele denken, ein vollständiger Ersatz fossiler Primärenergien würde unseren enormen Primärenergiebedarf weiter erhöhen (in Wirklichkeit wird er mehr als halbiert), und obwohl auch der Strombedarf für Elektroautos allgemein weit überschätzt wird, plante der seinerzeit scheidende Wirtschaftsminister Peter Altmaier den Strombedarf 2021 für 2030 viel zu niedrig, und versuchte damit eine weiterhin viel zu kleine Zubaurate Erneuerbarer Energien zu rechtfertigen.

Während die Auto- und Agrarlobby in Europa am Parlament vorbei immer weiter die Import-Erlaubnis für genmanipuliertes, Glyphosat-resistentes Tierfutter über die EU-Kommission verlängern lässt, erkämpft in Mexiko eine Bienenzüchterin das Verbot von Genmais und Glyphosat. Was die Autoindustrie mit Genmais zu tun hat? Der Import von Genmais aus den USA erfolgt im Deal gegen niedrige Autozölle, so haben es EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und Donald Trump 2018 abgemacht.

Neoliberale propagieren einen sogenannten "freien" Markt, der aber in Wirklichkeit durch Manipulationen finanzstarker Investoren völlig verzerrt ist. So kommt es z.B., dass in Deutschland 2020 die Verbrennung von Kohle planwirtschaftlich bis 2035 (respektive 2038) angeordnet wird, obwohl die IEA nur zwei Monate später feststellt, dass erneuerbare Energien am günstigsten sind.

Dass nur ein winziger Teil des Kassenbetrags beim Lebensmittel-Discounter an die Bauern geht, die deshalb zu einem guten Teil von gigantischen EU-Subventionen aus Steuermitteln alimentiert werden müssen, ist vielen Verbrauchern zwar klar - trotzdem hält sich das Gerücht, dass wir am Bio-Anbau verhungern oder bankrott gehen würden. Dabei würde schon ein erträglicher Fleischverzicht riesige Flächen freimachen und das Gülleproblem deutlich abmildern. Die industrielle Landwirtschaft hat Millionen Arbeitsplätze vernichtet, die durch eine Agrarwende z.T. wieder hergestellt würden.

Pro Tag werden bei uns etwa 20ha neue Verkehrsflächen versiegelt - doch der Ausbau einer Handvoll Fernleitungen zieht sich wegen Anliegerprotesten über viele Jahre; ihre Bedeutung für die Energiewende wird zwar von vielen Fachleuten bezweifelt, doch die Bundesregierung begründet das Schneckentempo der Energiewende auch mit den Verzögerungen dieser Fernleitungen durch Anlieger-Proteste. Gleiches gilt für den Ausbau der Windkraft, der mit den Widerständen der Windkraft-Gegner begründet wird. Dabei sitzen diese Leute sogar in Peter Altmaiers Ministerium.

Die Energiewende wird von CDU in Koalition mit FDP und SPD seit Jahrzehnten ausgebremst, der Bau von Stromtrassen dauert Jahrzehnte, man lässt Firmen mit zigtausenden Arbeitsplätzen sterben und das Know-How verkaufen - doch der deutsche Anschluss an neue LNG-Terminals und der Bau von EAuto-Fabriken (VW und Tesla) geschehen plötzlich im Rekordtempo. Nicht nur die Genehmigungen des Baus, auch die der Subventions-Gelder werden in Rekordtempo erteilt.
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Zeit: [Verknüpfung]
Währenddessen beklagt die CDU in der Opposition zur Ampel-Koalition die drohende Deindustrialisierung. Dabei gefährdete sie mit ihrer Politik gegen das Elektroauto die Autoindustrie, die gegen die amerikanische und vor allem die chinesische Konkurrenz auf den entscheidenden Weltmärkten nicht mehr mithalten kann, und verursachte den Niedergang der Zukunfts-Industrie für Erneuerbare Energien inklusive einem Verlust von über 100.000 Arbeitsplätzen. Gleichzeitig schürt sie Vorbehalte gegen Zuwanderung, beklagt aber andererseits fehlende Fachkräfte für den Zubau Erneuerbarer Energien, erklärt die Ausbauziele deshalb für unrealistisch - und spricht sich stattdessen für den massiven Ausbau der Kernkraft aus. Also für Kernkraft sollen genug Fachkräfte da sein, für Erneuerbare nicht? Zum Vergleich: für Konstruktion, Bau und Betrieb von Kernkraftwerken werden hochqualifizierte Spezialist:innen benötigt, für Erneuerbare lassen sich Maschinenbauer und Elektrofachkräfte, von denen es in Deutschland relativ viele gibt, spezialisieren. In der Verbrenner-Industrie werden viele Arbeitsplätze obsolet, da wären die Erneuerbaren eine sinnvolle Anschlussbeschäftigung.

Höchst klimaschädliche Projekte wie die Erweiterung des Braunkohle-Tagebaus Gartzweiler 2, LNG-Terminals, Startbahn West, Datteln IV oder die Autobahn durch den Dannenröder Forst werden gegen Bürgerproteste durchgedrückt - die Ausbau des Schienennetzes erfolgt seit Jahrzehnten mit angezogener Handbremse, vorwiegend auf Hochgeschwindigkeits-Strecken. ÖPNV-Strecken werden weiter rückgebaut. Der Betrieb vieler Strecken leidet an erodierenden Strukturen.

Konservative Politiker:innen propagieren einerseits die Kompensation neuer Emissionen durch Wald-Biomasseaufbau, aber gleichzeitig die Wiederfreisetzung des gebundenen CO2 durch eine Steigerung der Holzverbrennung. Dabei setzen sie auf Monokulturen, die laut Wissenschaft am wenigsten klimaresilient sind, und die keinerlei Beitrag zur Lösung der Biodiversitätskrise leisten.

In der Bevölkerung geht immer noch das Gerücht von den ruinösen erneuerbaren Energien - während tatsächlich nur 1/3 der Strom-Mehrkosten in die Einspeisevergütung fließen, und die EEG-Zulage in absehbarer Zeit fallen wird: die Erzeugungspreise für Sonnen- und Windkraft liegen nämlich mittlerweile unter denen für Atom- und selbst für Kohlestrom, und die teuersten Anlagen der Pioniere fallen ab 2020 zunehmend aus der Förderung. Ein weiterer Strompreistreiber ist die EEG-Umlage, die bei einem zeitweilig extrem niedrigen Börsenstrompreis besonders hoch ausfällt. Der wiederum müsste aber gar nicht so niedrig sein, wenn nicht unflexible Atom- und Kohlekraftwerke die Grundlast und damit ein zeitweiliges extremes Überangebot liefern würden: flexible Gaskraftwerke (die zudem später noch in der Sektorenkopplung aus P2G aus 100% erneuerbarer Energie befeuert werden können) sind viel besser geeignet, werden aber abgeschaltet - weil die Strombörse so organisiert ist. Die Industrie dagegen bekommt z.T. den günstigen Börsenpreis und wird so versteckt subventioniert.
Währenddessen leisten wir uns jährliche, tendentiell eher steigende Importkosten für Fossilbrennstoffe von z.Zt. 50-70 Milliarden Euro (sie waren sogar schon höher). Durch Konflikte und Handelskriege ist der Preis hohen, schwer kalkulierbaren Schwankungen ausgesetzt. Die externen Kosten von Öl-Kriegen und v.a. Klimaschäden sowie Klimafolgen-Anpassungsmaßnahmen tauchen in dieser Rechnung noch gar nicht auf. China und Indien - zwei Milliardenvölker - konkurrieren irgendwann möglicherweise aus Wassermangel um die schwindenden Himalaya-Gletscher.


[Quaschning 2014]

Zusätzlich bringt unsere Volkswirtschaft noch eine massive Subventionierung konventioneller Energien von zig Milliarden Euro pro Jahr auf (eine Tatsache, die selbst von OECD und Internationalem Währungsfonds kritisiert wird). Man hält sie damit in der Abhängigkeit von Fossilbrennstoffen, die jährlich nochmals viele zig Milliarden aus unseren Kassen in die der Profiteure schwemmen. Über Jahrzehnte kommt man so auf Beträge von etlichen Billionen.
Gleichzeitig paralysiert man den ahnungslosen Bürger mit einer Billionen-Rechnung der Energiewende. Externe Kosten wie Förderschäden, Ölkonflikte und Klimafolgen der Zukunft werden freilich nicht mit eingerechnet. Auch nicht die eingesparten Import- und Subventionskosten fossiler Brennstoffe nach der Energiewende.
Man rechtfertigt so die Deckelung der Wind- und Solarenergie. Warnt vor marktverzerrender "Planwirtschaft" bei der Beförderung der Energiewende. Idealisiert die "Technologie-Offenheit", weil ja nur diese in einem liberalen Markt zwangsläufig die beste Innovation an den Markt bringt. Die man zu fördern zur obersten Priorität erklärt. Predigt einerseits den sakrosankten, freien Markt und betreibt andererseits fossile Planwirtschaft.
1993 behaupteten die Energiekonzerne in Zeitungs-Anzeigen, dass die Erneuerbaren auch langfristig niemals mehr als 4% unserer Stromversorgung schaffen könnten. Die zwei - im Vergleich gesehen völlig unbedeutenden - Subventionsrunden für die Erneuerbaren (USA 1979 und D 2000) haben schon gereicht, um diese Behauptung Lügen zu strafen. Sie haben Optimierungsprozesse in Gang gesetzt, die endlich die Konkurenzfähigkeit der Erneuerbaren in greifbare Nähe rückten. China hat den Stab übernommen und rüstet die Welt nun immer günstiger mit Erneuerbaren aus, so dass selbst die Dritte Welt sich zunehmend gegen konventionelle Energien entscheidet.

China beliefert die Welt mit riesigen Mengen an Konsumgütern, deren Produktion noch große Mengen CO2 freisetzt, weil ein Großteil des Stroms (wie bei uns) aus Kohlekraftwerken stammt. Wir importieren diese Produkte und machen gleichzeitig China für die Emissionen verantwortlich. Wir hätten China längst über CO2-Importzölle unter Druck setzen können, die Produktion weniger emissionsintensiv zu gestalten - aber wir taten es bisher nicht.
Die Exportschlager aus China, die die Energiewende möglich machen, sind Photovoltaik, Windkraft und Akkumulatoren für Elektroautos und Speichersysteme. Deren Massenproduktion wurde zwar wesentlich in Deutschland entwickelt und begonnen, mit vielen neuen, zukunftsfähigen Arbeitsplätzen, von denen aber über 100.000 durch die Energiekehrtwende wieder verloren gingen - weil sie den Interessen der Kraftwerksbetreiber und der Verbrennerindustrie entgegenstanden. Die deutsche Windkraftbranche ist zwar noch international wettbewerbsfähig - stand aber in den letzten Jahren der Merkel-Regierung auf der Kippe, weil die Vergabe von Projekten nach damaliger Politik zu viele Unsicherheiten barg.

Gaskraftwerke könnten die Atom- und Kohle-Grundlast durch ihre hohe Flexibiltät obsolet machen, und später sukzessive auf regeneratives Saison-Speichergas umgestellt werden. Man bräuchte sie praktisch nur noch im Winter, wo ihre Abwärme zum Heizen dienen könnte (Sektorenkopplung). Ihre hohen Kosten ließen sich damit und mit dem günstigen Sommerstrom ausgleichen, auch würde die EEG-Umlage sinken, weil der Börsen-Strompreis stabilisiert würde. Stattdessen stehen deutsche Gaskraftwerke still, und Top-Hersteller Siemens stampfte pünktlich zu den Klimaverhandlungen COP23 2017 in Bonn seine deutsche Produktion ein.

Die erneuerbaren Energien bieten in Deutschland z.Zt. 400.000 Arbeitsplätze mit hohem Steigerungs-Potential - doch viel bekannter sind die 35.000 Baunkohle-Arbeitsplätze. Dabei wird geflissentlich ignoriert, dass von diesen 35.000 Arbeitsplätzen 2030 (dem Jahr des von Umweltverbänden geforderten vorgezogenen Kohleausstiegs) nur noch 5.000 übrig sein werden.

Weltweit boomt das Elektroauto - während hierzulande der Dieselbetrug erst einmal dazu geführt hat, dass massenhaft Benziner und danach Hybride verkauft wurden. Die Mobilitätskonzepte der Umweltverbände mit ihrer Priorisierung von Rad und öffentlichen Verkehrsmitteln, die von kleinen Elektroautos lediglich ergänzt werden, werden vollständig ignoriert - man rechnet jetzt stattdessen mit einem 1:1-Ersatz der Verbrenner durch "alternative Antriebe", bei denen man dem Verbraucher "Technologie-Offenheit" verspricht, damit aber v.a. Unsicherheit bezüglich der besten Lösung und damit Kaufzurückhaltung auslöst. Die zögerliche Umsetzung der Erhöhung der Elektroauto-Kaufprämie auf 6000€ im Winter 2019/20 wirkt in dieselbe Richtung.
[Rüsberg 2020]
Die Unterstützung von Fahrrad- und öffentlichem Verkehr hierzulande lässt sich nach jahrzehntelanger Benachteiligung und Vernachlässigung bestenfalls als halbherzig bezeichnen, auch wenn Verkehrsminister Scheuer oft auf dem Fahrrad vor der Kamera herumfährt. Immerhin macht er damit auch Werbung für's Radfahren. Er sollte es dem Bürger aber nur mit dem Hinweis "auf eigene Gefahr" empfehlen, denn jedes Jahr sterben mehr Radfahrer auf deutschen Straßen.

Dank des Kabarettisten Sebastian Pufpaff kann man sogar darüber lachen.
Er erklärt den Sinn öffentlicher Verkehrsmittel 'mal ganz anschaulich (leider ist die Sendung nicht online verfügbar, ich fand sie ziemlich lustig...):

[Pufpaff 2019]
Die Deutschen und ihr Auto in der Krise:

[Verknüpfung]

Mit Technologie-Offenheit wird auch die Blockade der Erneuerbaren Energien gerechtfertigt. Altmaiers nationale Wasserstoff-Strategie setzt langfristig tatsächlich auf Import von Wasserstoff als Ersatz für Wind- und PV-Strom, den man eigentlich auch im Lande produzieren könnte, sogar mit einer Beteiligung der Bürger und Kommunen an den Gewinnen. Er tut dies Expertenberechnungen zum Trotz, die vor einem Wettbewerbsnachteil durch hohe Importkosten und vor einer Fortsetzung der Importabhängigkeit warnen.
Das einzige, was nach dem Abwürgen von Onshore-Windkraft und PV noch effektiv gefördert wird, sind Kohlekraft und Windräder offshore, die ebenfalls ausnahmslos Konzernen gehören. Außerdem indirekt die Atomkraft, zu deren Entsorgung die Stromversorger nur einen Pauschalbeitrag leistet, der sehr wahrscheinlich durch den Steuerzahler noch einmal deutlich aufgestockt werden muss.

Die CO2-Bilanz des Elektroautos wird mit Kohlestrom schlechtgerechnet (egal, ob die meisten privaten Elektroautofahrer mit erneuerbarem Strom laden), und die Angst vor einer Überlastung der Erzeugugskapazitäten und der Netze geht um - gleichzeitig wird aber die Energiewende blockiert. Stattdessen wird die Massenverfügbarkeit von grünem Wasserstoff und daraus gewonnenen P2X-Treibstoffen in nahe Aussicht gestellt - obwohl Wasserstoff weit mehr als die doppelte und P2X die mindestens siebenfache Strommenge benötigt, und obwohl das Erdgasnetz für reinen Wasserstoff gar nicht geeignet ist, die Investitionen für ein Wasserstoffleitungen also hoch sein werden, von den 900bar-Verdichtern an den Zapfpunkten (incl. Energieverlusten) ganz zu schweigen. DIW-Energieexpertin Claudia Kemfert bezeichnet Wasserstoff als den "Champagner der Energiewende" - keine Basis für eine Massenversorgung.
Der Strombedarf zur Versorgung unserer Verbrennerflotte mit P2X-Treibstoffen würde unseren Gesamt-Strombedarf etwa verdreifachen. Dieselben Lautsprecher haben jahrzehntelang propagiert, die Erneuerbaren wären nicht einmal langfristig in der Lage, auch nur einen relevanten Anteil des Stroms zu erzeugen. Nicht genug der Widersprüche: im selben Atemzug wird jetzt auch noch in Frage gestellt, ob denn für Elektroautos genug elektrische Energie verfügbar wäre, und ob das Stromnetz nicht zusammenbräche. Tatsächlich bräuchte man selbst bei einem 100%-Umstieg nur ein Drittel mehr Strom, und auch das Blackout-Szenario ist sicher beherrschbar.
Aber auch die politische Bewertung der Reserven von Lithium-Salzen erfolgt ganz nach industriepolitischer Windrichtung. Als es noch galt, die Verbrenner-Technik gegen die Forderungen der Klimaschützer zu konservieren, wurden diese massiv klein geredet. Jetzt, wo deutsche Autobauer gezwungen sind, sich auf dem Elektroauto-Weltmarkt zu positionieren, ist davon keine Rede mehr. Kein seriöser Klimaschützer hat jemals gefordert, alle Verbrenner-Antriebe 1:1 durch akkuelektrische zu ersetzen, erst recht nicht die der großen Spritschlucker. Ganz einfach deshalb, weil der überwiegende Teil der Autos für alle (außer für die Automobilindustrie) gewinnbringend ersetzbar ist. Schaut man sich die kommerziellen Elektroautos an, so dominierten zwar in der ersten Generation (2011-2016) noch kleinere Fahrzeuge. Seit dank gefallener Akkupreise (-85% von 2012 bis 2022) und staatlicher Förderung der Massenmarkt angesprochen werden kann, werden die Autos schnell groß, schwer und reichweitenstark - entgegen aller Forderungen der Klimaschützer. Die Behauptung mangelnder Lithium-Reserven ist jedenfalls kein Thema mehr.
All diese Behauptungen ermöglichen es den Autoherstellern, weiter aus der abgeschriebenen Technik des 20. Jahrhunderts Profite zu generieren. Die Verzögerung beim Ausbau der Eigen-PV, mit der die Betriebskosten des Akku-Autos noch einmal drastisch sinken würden, trägt ebenfalls dazu bei - ein Synergie-Effekt für Autohersteller, Ölkonzerne und Energieversorger. Alles auf Kosten von Klima und Umwelt.

Viele Verbraucher zeigen ihren Sinn für Humanität vor allem dann, wenn es um Lithium- und Kobaltsalze in Elektroautos geht, oder ihre Naturverbundenheit, wenn es um Vogelsterben durch Windräder geht. Nicht, dass diese Probleme keiner Lösung bedürften. Aber wer konsequent nach derartigen Maßstäben konsumiert, kann heute nur auf wenige einwandfreie Produkte zurückgreifen: die Bio- und Weltläden würden unter dem Ansturm zusammenbrechen. Ein Lieferkettengesetz würde diesen Missstand beenden, wurde aber jahrzehntelang vom Wirtschaftsflügel der CDU und von der FDP blockiert, und die erste Fassung von 2021 wird als nahezu wirkungslos kritisiert. Selbst dieses schwache Gesetz sollte 2023 laut Antrag der CDU für zwei Jahre ausgesetzt werden. Erst das EU-Parlament bringt 2022 ein wirksames Gesetzesvorhaben in Gang, das aber wieder von den Regierungen im Europarat abgeschwächt werden kann.

Schülerstreiks und jüngste massive Anzeichen der Klimakrise haben zu einem breiten gesellschaftlichen Umdenken geführt. Doch Fossilökonomisten setzen immer noch Konsum-Verzicht gleich mit dem Verlust persönlicher Freiheit - obwohl mit dem Bestand der Zivilisation jedwede Voraussetzung von Freiheit auf dem Spiel steht. In ihrer misanthropischen Weltsicht sprechen sie den Menschen die Fähigkeit zu Empathie oder Solidarität ab, oder zumindest die Einsicht in die Notwendigkeit von Verzicht. Damit lenken sie die Menschen davon ab, über ihre eigene Verantwortung nachzudenken.

An Stammtischen wird Angst vor dem abrupten Verlust des Lebensstandards geschürt - obwohl alle von Umweltverbänden geforderten Maßnahmen einen kontinuierlichen Umstieg ermöglichen. Man hält an Arbeitsplätzen in der Technik des letzten Jahrhunderts fest, obwohl die Welt (inclusive der Finanzwelt) auf ein Signal wartet, das den disruptiven Ausstieg einläutet. Bisher galt: wer zu früh aussteigt, hat verloren. Doch die Angst, zu spät zu sein, wird immer größer. Vieles deutet daraufhin, dass nach der Subprime- und Corona- die Ukraine-Krise endlich ein ausreichender Anlass ist.

So ist z.B. schon abzusehen, dass man in einer dekarbonisierten Welt keine Verbrenner mehr braucht. Doch noch im Dezember 2018 verkündete der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Bundestagsfraktion Joachim Pfeiffer im DLF-Interview, "ohne Verbrenner würde das Klima sicher nicht gerettet", und auf ihrer wichtigen Rede zum Parteitag im November 2019 bekennt sich die CDU-Vorsitzende Kramp-Karrenbauer zum Kampf für den Verbrenner-Standort Deutschland. Ihre Nachfolger bauen auf den Antrieb der Verbrenner mit E-Fuels.

Die Regierung trägt mit der "Schwarzen Null" die Haushaltsstabilität als Voraussetzung für die Zukunft wie eine Monstranz vor sich her. Dabei ist die aktuelle Austeritätspolitik höchst umstritten. Was aber weit gravierender ist: die Erhaltung der natürlichen Ressourcen wird - schwarze Null hin oder her - zweitrangig behandelt, obwohl das Überleben der Menschheit bedroht ist. Das Versagen von Geldsystemen hat die Menschheit schon vielfach verkraftet, ein Bankrott der Natur ist einmalig - und endgültig.


There is no planet b.
Mike Berners-Lee

Trotz der Ankündigung eines Kohleausstiegs sieht der Gesetzesentwurf nur einen freiwilligen Ausstieg bei Steinkohle-Kraftwerken vor, und im Herbst 2019 wurde mit Datteln IV für Uniper ein neues Kohlekraftwerk genehmigt. Dennoch sah sich Wirtschaftsminister Altmaier damals im Klimaschutz "auf Zielkurs" - während die eigenen Sachverständigen ein viel höheres Tempo anmahnen.
[Bundesregierung 2019-1]
[Löschel 2018]

Die Fossilökonomisten instrumentalisieren die wirtschaftlich Benachteiligten: sie spielen deren Interessen gegen die der Kinder aus, obwohl die Ursachen der Benachteiligung ganz wo anders liegen. Den zahlreichen Elendstreibern haben sie in Zeiten des Neoliberalismus wenig entgegengesetzt, wenn sie ihnen nicht sogar Vorschub geleistet haben. Jetzt soll für Klimaschutz kein finanzieller Spielraum mehr sein - nach vielen Jahrzehnten, in denen die industriellen Volkswirtschaften allen Warnungen zum Trotz keine Vorsorge getroffen und damit in der Summe noch mehr profitiert haben. Klimaschutz wird zu einer weiteren Verteilungsfrage herabgesetzt, und Konservative wehren sich grundsätzlich gegen jede Umverteilung von oben nach unten.

Mit Fridays for future wurde Klimaschutz 2019 - zumindest nach ihrem Bekunden - zu einer der wichtigsten Richtlinien der Bundesregierung. Es sollte bei den Regierungsparteien also eigentlich ein Konsens bestehen, diese Richtlinie auch vor der Bevölkerung überzeugend zu vertreten. Während in der SPD-Bundespolitik Klimaskeptiker zumindest nicht mehr laut in Erscheinung treten (Fritz Vahrenholts politische Karriere endete in der Landespolitik 1997, Wolfgang Clement ist aus der Partei ausgetreten), so gibt es zumindest in der CDU-Bundestagsfraktion noch echte Klimaskeptiker.

Fossilökonomisten behaupten immer wieder, die Eindämmung der Überbevölkerung sei gegenüber dem Klimaschutz vorrangig. Zunächst steht diese Einschätzung im Gegensatz zu Demographen, die ein absehbares Ende des Bevölkerungswachstums prognostizieren.
[Verknüpfung]
Was unsere eigene Rolle angeht: in Industrieländern betragen die Pro-Kopf-Emissionen meist ein Zigfaches der Werte in den Ländern, in denen das Bevölkerungswachstum hoch ist. Dort sind die meisten Klimaopfer zu beklagen, und natürlich werden auch die Klimaschäden der Zukunft dort die meisten Opfer fordern.
[Verknüpfung]
Die Regierungen versuchen z.B. mit Rekord-Baumpflanzaktionen, den unverantwortlichen Emissionen der Industrieländer irgend etwas entgegen zu setzen. An den dortigen prekären Verhältnissen haben die europäischen Kolonialmächte eine historische Verantwortung - doch auch die postkolonialen Beziehungen haben dort viele negative Folgen. Eine neue ausbeutbare Ressource ist die Fläche, die für die Kompensation unserer Emissionen zur Verfügung steht, außerdem das Potential zur Gewinnung von Erneuerbarer Energie.

Es ist nur eine Frage der Zeit, wann die Bevölkerungen der Entwicklungsländer, aber auch die der südlichen EU-Staaten die Betreiber und Nutzer der CO2-Schleudern im Norden und die Zerstörer ihrer Ökosysteme zu Recht für die zunehmenden Klima- und andere Ökosystemschäden verantwortlich machen werden. In vielen Ländern hat sich jetzt schon die Verschuldung durch Klimaschäden extrem verschärft. Eine Flutkatastophe wie in Mosambik oder Dürre wie in Äthiopien verursacht Kosten in der Größenordnung eines Haushaltsjahres. Verständlicherweise werden die Entschädigungsforderungen auf den Welt-Klimakonferenzen immer lauter.
[Siebert 2020]

Bei uns dagegen wird immer mehr Menschen klar, dass man ihnen jahrzehntelang nicht die Wahrheit gesagt hat - verständlich, dass sie über die Zukunftsaussichten zutiefst verunsichert sind. Gerade Jugendliche können nur schwer abschätzen, mit welcher Berufswahl sie Chancen am Arbeitsmarkt haben werden.

Deshalb sollen hier Hintergründe beleuchtet werden: wie ist das Dilemma entstanden - und welche Optionen haben wir? Die Geschichte von Wissenschaft, Wirtschaft, Gesellschaft und Politik greifen ineinander.





Inhalt


Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft.
Wilhelm von Humboldt

Nach den Riesenmaßstaben der Klima-Erdgeschichte unterscheidet man paläoklimatische Erdzeitalter. Unser paläoklimatisches Zeitalter nennt man das Quartäre Känozoische Eiszeitalter - denn beide Polkappen sind nachweislich seit dem Ende der Warmzeit Pliozän vor 2,6 Mio Jahren durchgehend vereist, auch wenn der Vereisungsgrad seitdem fluktuiert. 800.000 Jahre alte Zeugnisse regelmäßiger Wechsel von Glazial- (ebenfalls Eiszeit, also i.e.S., oder Kaltzeit) und Interglazialzeiten (Zwischeneiszeiten, oft auch Warmzeiten genannt) sind in antarktischen Eisbohrkernen erkennbar.

[Wikipedia 2019 - Känozoisches Eiszeitalter]

Interglaziale beginnen mit einer sehr schnellen Erwärmung und enden mit einer sehr langsamen Abkühlung. (Die Zeitachse auf der Abbildung ist umgekehrt, ybp - years before present.)

[Wikipedia 2019 - EPICA]

Die vorangegangene Interglazialzeit war das sogenannte Eem vor 120.000 Jahren, damals war sogar der grönländische Eisschild instabil.

Die Feuernutzung erlaubte dem Menschen die Migration aus Afrika nach Europa vor 70.000 Jahren, also in einer Glazialzeit. Damit beginnt sozusagen die Feuerzeit, das Pyrozän. Die Geschichtsschreibung der Menschheit beginnt viel später mit der Sesshaftwerdung durch Ackerbau und Viehzucht bei sogenannten optimalen Temperaturen mitten in der darauf folgenden, aktuellen Interglazialzeit, die bis vor 200 Jahren wieder langsam auf ihr Ende zu ging: in den fünf Jahrtausenden der Geschichtsschreibung kühlte die Erde ganz langsam in Richtung der nächsten Glazialzeit ab.
Holocene Temperature Variations German.png
CC BY-SA 3.0, Link

Innerhalb der letzten 200 Jahre hat der Mensch diese Abwärtsentwicklung der Temperatur nolens-volens zunächst zum Stillstand gebracht - durch Verbrennung fossiler Brennstoffe. Sie dienten zunächst dem Erhalt der Wälder, die in den späteren Industrieländern durch Abholzung zur Gewinnung von Brennholz massiv bedroht waren - im Mittelmeerraum waren sie schon in der Antike dem Schiffbau zum Opfer gefallen. Schnell wurde der hohe Energiegehalt der Kohle zur Eisenverhüttung genutzt. Dampfmaschinen - die ersten Wärmekraftmaschinen - machten die Energie für Bewegung nutzbar. Die Entdeckung der Elektrodynamik ermöglichte Kohlekraftwerke und damit eine Versorgung von Industrie und Haushalten mit elektrischem Strom. Leistung und Effizienz von Wärmekraftmaschinen wurde durch den neuen flüssigen Brennstoff Öl im 20. Jahrhundert vervielfacht. Die Industrieproduktion, auch für zwei Weltkriege, explodierte, auch durch die chemische Industrie, die vor allem durch den Ölboom neue Massenprodukte erfand. Durch die exponentiell wachsende Extraktion von Rohstoffen aus der Erdkruste, Deposition und Emission klimawirksamer und ökotoxischer Abfälle, Versiegelung und Kultivierung von Landflächen zur Landwirtschaft (v.a. Viehzucht) mit Massenanwendung von Bioziden droht der Menschheit im 21. Jahrhundert der Ökozid.
Der Atmosphärenchemiker Paul Crutzen, der 1995 den Chemie-Nobelpreis für seine Ozonforschung bekam und 2002 der meistzitierte Autor war, schlug im Mai 2000 im Newsletter des International Geosphere–Biosphere Programme IGBP am ein neues Erdzeitalter vor, das Anthropozän. Die anthropogenen Veränderungen der Erdkruste seien noch in Jahrmillionen mit heutigen geologischen Methoden deutlich sichtbar.
Artikel im IGBP Newsletter: [Crutzen 2000] (S. 17)

Dass die Profite aus der Zerstörung der Erde extrem ungleich verteilt wurden, konnte durch Massenkonsum, nach dem römischen Motto in seiner neuzeitlichen Abwandlung carnem et circenes, bisher überspielt werden. Das Narrativ vom fossil betriebenen Fortschritt für alle wurde fest in den Köpfen verankert. Hierdurch wird die Transformation auch zu einer schwierigen sozialen Frage.


[Arte 2019]
Filmtip: Die Erdzerstörer
Eine der besten Dokus zum Anthropozän.

Obwohl die Risiken des Ökozids durch eine globale Erwärmung (Revelle und Suess 1957) und die durch industrielle Landwirtschaft und Umweltgifte (Carson 1962) seit weit über einem halben Jahrhundert bekannt sind, und obwohl die konventionelle Industrie mittlerweile viele andere ökozide Potentiale immer sichtbarer entfaltet, intensiviert man sie immer weiter. Die Temperaturkurve schießt - wie die CO2-Konzentration der Atmosphäre - immer steiler nach oben. Wegen dieser massiven globalen Eingriffe, u.a. in das Paläoklima, spricht man vom Anthropozän.


Von DeWikiMan, based upong fig. 1a) of Pages2K (2019), doi:10.1038/s41561-019-0400-0 - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link
[Wikipedia 2019 - Klimageschichte]

2017 brachte ein Vorreiter der politisch aktiven Klimaforscher, James Hansen, eine Aktualisierung seiner Forschungsergebnisse heraus - die seine Vorhersagen aus den 80er Jahren bestätigt. Seine Temperaturkurve des Holozän-Zeitalters lässt sehr gut die Größenordnung und Geschwindigkeit der sich anbahnenden Katastrophe erahnen.

Hansens Artikel bei earth system dynamics: Young peoples' burden:
[Verknüpfung]
[Hansen 2017]
Um die Dimensionen in der Klimageschichte einzuordnen: die Tiefsttemperaturen des letzten Glazials vor 22.000-16.000 Jahren lagen 5,4K tiefer als heute.
[Wikipedia 2020 - Letzteiszeitliches Maximum - Temperaturen]
Um die Relation der aktuellen Erwärmungsgeschwindigkeit zu der natürlichen Erwärmung von damals bis zum frühgeschichtlichen Optimum zu zeigen, habe ich hier die beiden Darstellungen kombiniert:

Die antarktischen Proxy-Temperaturabweichungen aus den EPICA-Eisbohrkernen wurden hier (wie bei Hansen 2013) für eine grobe Schätzung der globalen Durchschnittstemperaturen halbiert.
[Hansen 2017], kombiniert mit Daten aus [Jouzel 2007] gemäß [Fergus 2015] und [Hansen 2013]
Eine ähnliche Darstellung aus einem Nature-Artikel hat neulich eine Klimaskeptiker-Debatte ausgelöst.

Eine Comic-Geschichte der Menschheit ist hier mit einer Temperaturkurve kombiniert:
[Munroe 2019]

So hohe CO2-Konzentrationen wie jetzt gab es zuletzt vor dem aktuellen känozoischen Eiszeitalter, also vor über 2,6Mio Jahren, im Pliozän. Damals lag der Meeresspiegel 20m über NN, die Temperaturen lagen 2-4°C höher als 1800. Aktuelle Klimamodelle sagen für das Ende des Jahrhunderts 3-6K Erwärmung voraus.
[Röhrlich 2019]
Die hohe Zuverlässigkeit der Modelle zeigt sich darin, dass sie die Entwicklung der letzten Jahrhunderte zuverlässig rekonstruieren können, z.B. das Modell des Deutschen Klimarechenzentrums DKRZ:

[Verknüpfung]
Nach dem zweiten Weltkrieg baute Johann von Neumann die ersten Computer für militärische Wettervorhersagen. Die Berechnungen teilten den Raum der Atmosphäre in Planquader, so wie in den seinerzeit noch zweidimensionalen Rechnungen des Briten Lewis Richardson im Ersten Weltkrieg mit Planquadraten.
Schon 1967 zeigten Syukuro Manabe (Nobelpreis 2021, zusammen mit Klaus Hasselmann) und Richard Wetherald (†2011), dass die IR-Strahlung im atmosphärischen Treibhaus gar nicht durch die IR-opake Dampf-Atmosphäre abgestrahlt wird, sondern erst in der Stratosphäre, die kaum Wasserdampf enthält. Dennoch wurde die Irrelevanz von CO2 gegenüber dem dominanten Wasserdampf als Klimagas noch bis vor Kurzem regelmäßig als Begründung für Klimaskepsis vorgebracht.
1969 berechneten Manabe und Wetherald eine Klimasensitivität (Erwärmung duch Verdopplung der CO2-Konzentration) von 2,3°C. Damit liegen sie noch ein Viertel unter dem "besten Schätzwert" des IPCC von 2021, der sich aus den Berechnungen der neuesten Klimamodelle auf Supercomputern ergibt: 3°C, mit einem Fehlerbereich von 2,5 bis 4°C.
[Verknüpfung]
[Wikipedia 2022 - Syukuro Manabe]
[Wikipedia 2022 -Richard Wetherald]
[Wikipedia 2024 -Klimasensitivität]


klimafakten: [Verknüpfung]

Eine hohe Zuverlässigkeit bewiesen auch schon die Modelle, die die von Exxon intern beauftragten Forscher in den frühen 80er-Jahren benutzt haben. Sie prognostizierten die Erwärmung bis heute sehr genau - doch Exxon behauptete in der Öffentlichkeit das Gegenteil.
Bei unkontrollierter positiver Rückkopplung der Erwärmung durch Kipppunkt-Effekte sind noch weit größere Temperaturerhöhungen sehr wahrscheinlich.
Wegen der Unwägbarkeiten der Kipppunkte sind zwar genaue Vorhersagen unmöglich, und Temperaturen von +14K haben tatsächlich zur Zeit der Dinosaurier geherrscht. Nur würden die Änderungen in unvergleichlich kurzer Zeit ablaufen, was die Wahrscheinlichkeit eines globalen Biosphären-Kollaps (inclusive Vernichtung der Menschheit) in Richtung 100% bringt. Wir sehen schon bei dem aktuellen Wert von 1K, dass Hitzestress und Migrations-Druck durch Verschiebung der Klimazonen unzählige Arten zum Aussterben bringt.
Eine vergleichbar kurze, heftige Erwärmung fand vor 56 Millionen Jahren statt, das Paläozän-/ Eozän- Temperaturmaximum (PETM). Sie führte zu einem katastrophalen Massenaussterben.
[wikipedia 2020 - Paläozän/Eozän-Temperaturmaximum]
Sie betrug 5-8K und wurde verursacht durch einen gigantischen Vulkanausbruch, der die atmosphärische CO2-Konzentration schlagartig erhöhte. Nach einer Studie unter Prof. Pogge von Strandmann an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz wurde mit der Erwärmung auch eine dreifache physikalische Erosion, und eine um 50% erhöhte chemische Gesteinsverwitterung ausgelöst, was die CO2-Konzentration wieder senkte - das dauerte allerdings Zigtausende von Jahren. Das ist auch der Zeithorizont für die Erholung einer "Hothouse Earth".
[Verknüpfung]
Presserklärung JGU Mainz: [Verknüpfung]
Studie: [Verknüpfung]
Das Massenaussterben am Ende des Perm vor 250 Millionen Jahren hängt mit drastischen Veränderungen der Sauerstoff-Konzentrationen im Meer zusammen, wie wir sie - ausgelöst durch Erwärmung, Zirkulationsstörung und Überdüngung - bereits beobachten können, warnen Sean Newby und Jeremy Owens von der Florida State University.
MDR: [Verknüpfung]
Studie: [Verknüpfung]
Warnungen wie diese werden von Fossilökonomisten als Hysterie bezeichnet - obwohl es sich um die Lehrmeinung einer Wissenschaft handelt, die mit ihren Modellen seit 40 Jahren die Entwicklung bis heute hinreichend genau vorhersagen konnte, und die ihre Methoden in der Zwischenzeit stark verbessern konnte, allein schon wegen Verbesserung der Rechenleistung um mehrere Größenordnungen.

All palaeotemps G2.svg
Von User:Glen Fergus, User:hg6996 - https://commons.wikimedia.org/wiki/File:All_palaeotemps.png, CC BY-SA 3.0, Link
[Wikipedia 2020 - Klimageschichte]
Das anthropogene Massenaussterben wird mittlerweile von einem internationalen Forschergremium beobachtet und auch nach Klimaeffekten ausgewertet, dem IPBES.

Seit 2020 wird in Wikipedia-Artikeln Klima-Themen eine interaktive, "klickbare" Imagemap("Bildkarte") genutzt, deren Verknüpfungen auf die entsprechenden Wikipedia-Artikel verweisen.

Phanerozoikum Eiszeitalter#Ordovizisches Eiszeitalter Eiszeitalter#Permokarbones Eiszeitalter Perm-Trias-Ereignis Kreide-Paläogen-GrenzeKänozoisches EiszeitalterKreide-Paläogen-GrenzePaläozän/Eozän-TemperaturmaximumEocene Thermal Maximum 2Eem-WarmzeitLetzteiszeitliches MaximumAtlantikumJüngere DryaszeitGlobale ErwärmungWarmklimaEiszeitalterKambriumOrdoviziumSilurDevon (Geologie)KarbonPerm (Geologie)Trias (Geologie)Jura (Geologie)Kreide (Geologie)PaläogenNeogenQuartär (Geologie)PaläogenNeogenQuartär (Geologie)PaläozänEozänOligozänMiozänPliozänPleistozänHolozänChristopher ScoteseChristopher ScoteseJames E. HansenJames E. HansenJames E. HansenEPICAEPICAGreenland Ice Core ProjectDelta-O-18Repräsentativer Konzentrationspfad

Klickbare rekonstruierte Temperaturkurve des Phanerozoikums (zum Teil etwas vereinfacht), erstellt auf der Basis verschiedener Proxy-Daten. Die Angaben für 2050 und 2100 beruhen auf dem 5. Sachstandsbericht des IPCC unter Annahme einer steigenden Kohlenstoffdioxidkonzentration nach dem RCP8.5-Szenario.
CC-BY-SA-4.0: Own work, see below for work this is based on; Author of combined chart DeWikiMan, graph in lower panel and description below based on work by User:Glen Fergus, User:hg6996, curve in upper panel based on work by Christopher R. Scotese
[Wikimedia 2022 - Datei: oberflächennahe Temperaturen im Phanerozoikum] mit ausführlicher Beschreibung und Nachweis der Quellen
Daten des Paläogen und Miozän: [Hansen 2013]

Der exponentiell wachsende schädliche Einfluss des Menschen beschränkt sich nicht nur auf das Klima.
Der australische Klimaforscher Will Steffen prägte den Begriff "the great acceleration".

Steffens Folien werden oft in Vorträgen eingesetzt, deshalb hier zwei Foliensammlungen aus slideshare.

Great acceleration von Owen Gaffney 2011
Great Acceleration 2015 von International Geosphere-Biosphere Programme 2015

Ein deutsches Dossier zur Großen Beschleunigung bringt die Bundeszentrale für politische Bildung:
[Verknüpfung]
Über die Grafiken bekommt man eine schnelle Übersicht:
[Verknüpfung]
2012 startete der Paläontologe und Geobiologe (heute Präsident des Naturkundemuseums Berlin) Reinhold Leinfelder bei SciLogs (Blogger-Kanal von Spektrum der Wissenschaft) den Blog "Der Anthropozäniker - Unswelt statt Umwelt".
[Verknüpfung]
Die internationale Stiftung future earth publiziert seit 2016 die kostenlose Zeitschrift Anthropocene.
[Verknüpfung]
So wie mit dem IPCC seit Jahrzehnten ein UN-beauftragtes Forschergremium das Klima beobachtet, wird seit einigen Jahren auch die Biodiversitäts-Forschung von der UN organisiert: in Form des IPBES.
Die Klimakrise verstärkt auch massiv die Biodiversitätskrise.
Studie: [Verknüpfung]

Will Steffen war es auch, der das Ausmaß der Dürren und die katastrophalen Folgen für die Nahrungsmittelversorgung der Öffentlichkeit präsentierte.
Original-Video (24'20'' wichtigste Auswirkung: starke Einschränkung der Nutzpflanzenproduktion und Erdsystemforschung): [Verknüpfung]
deutsche Synchronfassung: [Verknüpfung]
Schon der IPCC-Report 2013 war dazu eindeutig (Bildteil e).


[Verknüpfung]
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Auch die Paläoklimatologen einer fernen Zukunft werden wohl staunen: der Wechsel zwischen Eis- und Zwischeneiszeiten ist nach Kenntnis der Klimawissenschaft unterbrochen, die nächste Eiszeit fällt aus. Das ist natürlich nicht per se eine schlechte Nachricht. Die Frage ist, mit welchem Preis an Menschenleben und Verelendung wir sie erkaufen. Aus der Perspektive der heutigen Erdbevölkerung ist der Preis sehr hoch. Eine moderate Erwärmung wird es bei derzeitiger Politik eben nicht, sondern eine, die etlichen Milliarden Menschen die Existenz, vielen davon sogar das Leben kosten wird; die resultierenden Konflikte bedrohen überall auf der Erde die Zivilisation.
[Verknüpfung]

Der Erdsystemforscher Johan Rockström prägte 2009 mit den hochdekorierten Kollegen Will Steffen, Paul Crutzen, James Hansen, Katharine Richardson, Diana Liverman und PIK-Gründer Hans-Joachim Schellnhuber den Begriff der neun planetaren Grenzen, von denen laut PIK 2022 bereits sechs überschritten sind.
Die gravierendsten Grenzüberschreitungen sind noch Überdüngung und Zerstörung der Biodiversität (beide eng verknüpft mit Landwirtschaft), Einbringung neuartiger Substanzen und Organismen und Wasserverfügbarkeit. Die Klimakrise hat noch nicht viel Zerstörungskraft entfaltet, die (rasch steigende) Temperatur liegt noch im gelben Bereich - aber nicht mehr lange.

Planetare Belastungsgrenzen 2022
[Wikipedia 2022 - Planetare Grenzen]
Mitteilung des PIK: [Verknüpfung]
Studie in nature: [Verknüpfung]
Studie in ACS: [Verknüpfung]
Studie in ACS: [Verknüpfung]
erste Studie aus 2009 in Ecology & Society: [Verknüpfung]

Einen Weg zum guten Leben innerhalb dieser Grenzen und sozialer Möglichkeiten beschreibt Kate Raworth mit der Donut Economy als radikale Transformation der Industriegesellschaften.
[Wikipedia 2022 - Donut-Ökonomie]
Julia Steinberger von der Universität Lausanne referiert dazu: [Verknüpfung]

Doughnut (economic model).jpg
By DoughnutEconomics - Own work, CC BY-SA 4.0, Link

Kohle, Öl und Gas haben zwar tatsächlich einer Minderheit der Menschheit für extrem kurze Zeit extremen Wohlstand gebracht, der von Kritikern sogar wieder als schädlich betrachtet wird. Doch der vermeintliche Segen der Fossilbrennstoffe verblasst angesichts der tödlichen Konsequenzen.
Wir haben die Emissionen bis zuletzt immer weiter gesteigert, d.h. eine Null-Emission oder gar Netto-Sequestrierung (Austragung aus der Atmosphäre) ist bei der derzeitigen Entwicklung nicht absehbar.


[Quaschning 2018]

Wir erleben schon jetzt den Beginn des sechsten Massenaussterbens der Erdgeschichte.

Zur globalen Erwärmung kommt die immer weiter zunehmende Einengung, Überdüngung und Vergiftung der Biosphäre, die katastrophale Ausmaße erreicht hat. Das zeigen direkt die Bestandserhebungen der flugfähigen Tiere am Anfang der Nahrungsketten, der Insekten und Vögel. Da das Artensterben qua Wissenschaftspolitik aus dem staatlichen Blick geraten ist, mussten Vereine die Zivilgesellschaft alarmieren. Das gelang erst, nachdem die Klimakrise in einer unübersehbaren Häufung von Extremwetter-Ereignissen der Zivilgesellschaft unangenehm deutlich wurde, mit der Krefelder Studie 2013 - 51 Jahre nach Rachel Carsons "Silent Spring". Etliche weitere Studien bestätigten die schockierenden Zahlen: die Insekten-Biomasse ist dort, wo industrielle Landwirtschaft dominiert, in den letzten 40 Jahren um ca. 80% zurückgegangen. 2019 folgte der Alarm des Welt-Biodiversitätsrats IPBES, der nach Auswertung tausender Studien einen RÜckgang der Insekten-Arten um 25% angibt.
In Deutschland fand 2020 eine weitere große Studie Beachtung, für die über 50 Jahre am Randecker Maar am Rand der Schwäbischen Alb akribisch Unmengen ziehender Insekten und Vögel bestimmt wurden - ebenfalls von einem Verein, dem Forschungsstation Randecker Maar e.V.. Der Rückgang der betroffenen Arten wurde 2019 von einem neu einberufenen UN-Beirat IPBES, der tausende Studien ausgewertet hat, mit ca. 25% angegeben. Diese Zahl wurde 2022 wieder bestätigt von einer Studie des Bundesamts für Naturschutz BfN, die Studien zu 6750 Insekten-Arten ausgewertet hat; 26,2% sind im Bestand gefährdet.
[Wikipedia 2022 - Insektensterben]
Der Alarm des IPBES wird besonders wahrgenommen, denn er beweist eine Kausalität zwischen Artensterben und der Häufung von Pandemien, die schon seit Jahrzehnten vorhergesagt wird.
Die Ergebnisse zum Biomasse-Rückgang der Krefelder Studie werden 2023 von einer Wetterdaten-Analyse relativiert, doch die Debatte um Naturschutz wurde dadurch nicht beendet.

Das Artensterben kommt wie seit den 60er-Jahren vorhergesagt, es ist menschengemacht, und auch die Zivilisation der Menschheit wird ihm zum Opfer fallen - wenn wir es nicht schaffen, das fossile Feuer innerhalb weniger Jahre, und zwar drastisch, zu reduzieren, und ungestörter Natur wieder großen Raum geben. Wir müssen sofort damit anfangen.

Die gute Nachricht, die Fossilökonomisten übertönen wollen: wir können es, wir hätten viel früher mit dem Ausstieg anfangen können. Um zu verstehen, wer und was uns bisher davon abgehalten hat, müssen wir die Geschichte der fossilen Brennstoffe genauer betrachten.








753 v. Chr.

Gründung des römischen Reichs, das streng patriarchalisch organisiert ist und als Imperium Romanum zur Hegemonialmacht im ganzen erweiterten Mittelmeerraum aufsteigt. Es löst u.a. die Kultur der Etrusker in der Region Toskana ab. Nachdem man für die Etrusker lange ein Matriarchat diskutiert hat, spricht man heute eher von Matrifokalität.
[Verknüpfung]


507 v. Chr.

Nachdem er die Tyrannei der Peisistratiden aus dem Exil heraus erfolgreich bekämpft hatte, reformiert Kleisthenes die Athener Gesetzgebung, die nach den Ideen des Staatsphilosophen Solon verfasst war. Die Polis der Athener ist eine patriarchal geprägte Oligarchie, die stimmberechtigten Bürger sind Namensgeber der Politiker.
[Wikipedia 2023 - Kleisthenische Reformen]
[Wikipedia 2023 - Solon]

Unter Athener Vorherrschaft entwickelt sich unter dem Druck der Bedrohung durch Nachbarvölker, v.a. der Perser, der attische Seebund. Hier erkämpften sich die Theten, bei Solon noch die unterprivilegierten Ruderer der Kriegsschiffe und später allgemein Tagelöhner, höhere Mitbestimmungsrechte. Dieser Schritt gilt heute als Erfindung der Demokratie.
[Wikipedia 2023 - Perserkriege]
[Wikipedia 2023 - Attischer Seebund]
[Wikipedia 2023 - Theten]
Tyrannisch agierende Bürger konnten per Scherbengericht, einer Art Volksabstimmung, in eine zehnjährige Verbannung geschickt werden.
[Wikipedia 2023 - Scherbengericht]


7-4 v. Chr.

Jesus von Nazareth wird geboren. Als Erwachsener zieht er predigend durch das heutige Israel und verkündet die Existenz einer liebenden Gottesmacht. Er fordert seine Mitmenschen zur bedingungslosen Nächstenliebe auf, über alle Unterschiede von Geschlecht, Ethnie, Hautfarbe und Beruf hinweg. Er mobilisiert eine große Anhängerschaft und wird auf Betreiben der römischen und der mit ihnen kollaborierenden jüdischen Machthaber gekreuzigt. Von den ersten schriftlichen Zeugnissen seines Wirkens wird nur ein Teil überliefert, vom Rest wird ein Teil viel später zufällig gefunden und z.T. von Archäologen erfasst. Seine Anhänger werden im römischen Reich lange verfolgt. Die urchristlichen Untergrund-Gemeinden werden häufig von Frauen geleitet, Gott wird - in jüdischer Tradition - als Mutter und Vater verstanden. Auch die Römer kennen weibliche und männliche Götter - wenn es auch einen höchsten männlichen Gott gibt.
Zeit: [Verknüpfung]


325

Konzil von Nicäa: der römische Kaiser Konstantin der Große erklärt das Christentum zur Staatsreligion. Im Vielvölkerstaat ist damit keine der etablierten Parteien bevorzugt - alle sind gleichermaßen benachteiligt. Der Klerus legitimiert von da an die Machtausübung des Kaisers (auch durch Waffengewalt) und arbeitet eng mit ihm zusammen: er entscheidet über die Zugehörigkeit zur Kirche und die Absolution von Sünden (die gemäß der katholischen Theologie zur Erlösung nach dem Tod unabdingbar sind). Gott wird zum Vater erklärt, und Frauen sind von da an in der katholischen Kirche von allen geistlichen Ämtern ausgeschlossen - bis heute. Die Aussicht auf eine Erlösung im Himmel dient als Beruhigung unterdrückter Massen. Auf ihrem Weg dorthin seien die "Wege des Herrn" für die Menschen "unergründlich" (Römerbrief Kapitel 11).
[Verknüpfung]


527

Die von Konstantin begründete Symphonia (Gleichklang, Einheit) von Roms Staat und Kirche findet ihren Höhepunkt unter der Herrschaft des Kaisers Justinian, der in der späteren oströmischen Kirche als Heiliger verehrt wird.


800

Nach jahrhundertelangem Zerfall des weströmischen Reichs gewinnt der fränkische König Karl der Große seine jahrzehntelangen blutigen Kriege gegen die Sachsen und andere nicht-katholiche Ethnien, und lässt sich von Papst Leo III (den er gegen dessen Gegner geschützt hatte) in Rom zum ersten poströmischen Kaiser krönen, und zum patricius romanorum, und damit zum Schutzherrn über Rom. Damit wird die Hegemonie römisch-katholischer Macht auch ins nichtrömische Zentraleuropa ausgedehnt. Bis heute bezeichnen sich europäische König:innen als "Beschützer:in des Glaubens".
In der Erklärung zur sächsischen Kapitulation legt Karl fest: "Sterben soll, wer Heide bleiben will und unter den Sachsen sich verbirgt, um nicht getauft zu werden oder es verschmäht, zur Taufe zu gehen."
[Wikipedia 2021 - Christianisierung]
Was mit der Lehre des Jesus von Nazareth vollkommen unvereinbar ist. Auch nach dem katholischen Kirchenrecht ist die Zwangstaufe verboten.

Karls Reich kann nur kurz an das römische anknüpfen, auch wenn sich viele Nachfolger als "Kaiser des Heiligen Römischen Reichs" bezeichnen, von einer nachhaltigen Befriedung Europas kann keine Rede sein. Schon seine Söhne zerstreiten sich um das Erbe, und bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945, das von außen herbeigeführt wird, bleibt Europa im Dauerkrieg mit Unterbrechungen; 77 Jahre ist Frieden, doch 2022 geht es in der Ukraine wieder los.
Die staufischen Nachfolger Karls überwerfen sich 1160 mit dem legitimen Papst Rolando Bandinelli (Alexander III) und installieren als Gegenpapst Guido von Crema (Paschalis III), der Karl 1165 trotz seines gravierenden Verstoßes gegen das Kirchenrecht heilig spricht.

Trotz Kriegen mit den omayyadischen Moslems in Spanien betreibt Karl gegenüber dem wichtigsten islamischen Machthaber, dem abbasidischen Kalifen Harun-al-Raschid von Bagdad, Entspannungspolitik. Ein Grund dafür war der gemeinsame Feind, das oströmische Reich. Wie auch immer, durch diese Übereinkunft konnten christliche Pilger die Kultstätten in Israel unbehelligt besuchen.
[Verknüpfung]


867

Im oströmischen Reich wird die Symphonia, die Einheit von Kirche und Staat weiter gefestigt, vor allem unter Basileios I, der in der Tradition Kaiser Justinians in seinem Gesetzbuch Epanagoge diese Einheit mit der von Körper und Geist vergleicht.
[Wikipedia 2022 - Symphonia (Theologie) - Geschichte]

Auf diese Einheit beruft sich 2022 der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill, der Putins Krieg gegen die Ukraine - im Widerspruch zu den übrigen orthodoxen Patriarchen - als Maßnahme gegen die gottlose Dekadenz des Westens begrüßt. Diese Sichtweise teilt er mit den rechtspopulistischen, oft fundamentalchristlichen und mitunter offen faschistischen Kräften, die Putin in nahezu allen europäischen Staaten und in Amerika über Jahre mit aufgebaut hat.
[Verknüpfung]
Während im Sowjet-Imperium die Kirche noch unterdrückt wurde, übernimmt sie jetzt in Putins Restauration des russischen Imperiums wieder eine staatstragende Funktion wie vormals im Zarenreich.
[Verknüpfung]
Nach Basileios benannt ist die fundamentalchristlich-nationalistische Stiftung St. Basilius der Große des Oligarchen Konstantin Walerjewitsch Malofejew. Sie hat im Oktober 2015 den Besuch des AfD-Vorsitzenden und Ex-CDU-Politikers Alexander Gauland nach St. Petersburg organisiert, wo er Vernetzung mit Putins Partei Einiges Russland betrieb.
[Verknüpfung]
Verbindungen der russischen fundamentalchristlichen Fraktion bestanden auch zu Papst Carol Wojtyła (Johannes Paul II). Der hatte seinerzeit den erzkatholischen Europa-Abgeordneten Jean-Luc Schaffhauser als Mittelsmann nach Russland geschickt, der dort im Auftrag der Öl- bzw. Rüstungsunternehmen Total, Dassault und Thales tätig wurde, und seiner Partei Front National einen russischen Kredit über 9,4 Millionen Euro vermittelte.
[Verknüpfung]


1095

Jerusalem ist seit etwa 100 Jahren von verschiedenen innermuslimischen Konflikten betroffen. Auch Juden und Christen fallen den Auseinandersetzungen zum Opfer. Deshalb ruft Papst Odo von Chatillon (Urban II.) in Clermont-Ferrand zur Eroberung der Pilgerstätten Jerusalems in einem sogenannten "Kreuzzug" auf. Laut dem Chronisten Fulcher von Chartres ruft die Masse "Deus lo vult" (dt. "Gott will es"). Odo verspricht den Kriegern, sogenannten Kreuzrittern, die Absolution. Auch wenn Kleriker vielfach die Gewaltausübung von Herrschern legitimierten und Krieger segneten - der direkte Aufruf eines Klerikers zur kriegerischen Gewalt ist dennoch äußerst ungewöhnlich.

[Wikipedia 2021 - Deus lo vult]
Die Kreuzritter organisieren sich in Laienorden, den sogenannten Ritterorden.

Auch wenn die Tradition der Kreuzritter kirchenintern über die Jahrhunderte immer wieder Kritiker fand, setzte sie sich bis heute durch, u.a. als Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem. Dieser wurde 1868 als juristische Person des Vatikans anerkannt, und zwar vom antisemitischen Papst Giovanni Mastai Ferretti (Pius IX), der für seine umstrittenen Dogmen von der unbefleckten Empfängnis Mariens und der Unfehlbarkeit traurige Berühmtheit erlangte. Seitdem wurde dieser Status des Ordens immer wieder bestätigt, zuletzt durch Papst Karol Wojtyła (Johannes Paul II) 1996.
1933 wird die deutsche Statthalterei eingerichtet, wonach viele rechtskonservative Politiker beitraten.
[Wikipedia 2021 - Ritterorden vom Heiligen Grab zu Jerusalem]
Die Kultur der Kreuzritter wird ansonsten bis heute tradiert vom Malteser- und dem Deutschen Orden.


1228

Giovanni di Pietro di Bernardone wird schon zwei Jahre nach seinem Tod als Heiliger Franz von Assisi heilig gesprochen. Der Sohn aus reichem Hause hat als Aussteiger nach dem Vorbild Jesu den ersten sogenannten Minderorden begründet. Der erste Papst, der diesen Namen annimmt, ist Jorge Mario Bergoglio im Jahre 2013.

Stauferkaiser Friedrich II bricht widerwillig zum Kreuzzug auf, um sich von der Exkommunikation durch Papst Ugolino dei Conti di Segni (Gregor IX) zu rehabilitieren. Ein Jahr später schließt er mit dem ayyubidischen Sultan al-Kamil (einem Neffen Saladins) einen 10-jährigen Waffenstillstand, der Pilgern den freien Zugang zu den meisten Kultstätten ermöglicht. Das ist ihm auch dadurch möglich, weil er als multikulturell sozialisierter Sizilianer u.a. arabisch spricht.
[Wikipedia 2021 - Friedrich II. (HRR)]


1267

Der Franziskaner Roger Bacon erwähnt die Verwendung von Schwarzpulver, eine leicht entzündliche, und unter Druck explosive Mischung von Kohle, Schwefel und Nitratsalz (damals Salpeter genannt). Der waffenfähige Sprengstoff wurde in China erstmals schon um 1044 erwähnt und hatte wohl über die Seidenstraße den Weg nach Europa gefunden, vielleicht sogar durch Bacons Ordensbruder Wilhelm von Rubruck.
[Wikipedia 2021 - Schwarzpulver - Geschichte]
[Wikipedia 2021 - Wilhelm von Rubruk]
Weil die chinesischen Kaiser traditionell eine isolationistische Politik verfolgten, konnten sich über die Jahrhunderte europäische Machthaber weltweit mit ihren Schusswaffen durchsetzen.


1492

Christoph Kolumbus nimmt für den spanischen König in der Karibik die ersten "westindischen" Kolonien in Besitz. Damit begann etwa 500 Jahre nach der ersten dänischen Besiedlung durch Leif Eriksson eine jahrhundertelange brutale Unterdrückung, Vertreibung und Ermordung der Indigenen Amerikas, an der sich später auch Siedler aus Großbritannien, Deutschland und Frankreich beteiligten. Als kostenlose Arbeitskräft wurden in Nordamerika afrikanische Zwangsarbeiter als sogenannte Sklaven unter brutalsten Bedingungen eingesetzt.


1494

Papst Rodrigo Borgia (Alexander VI) teilt die Erde außerhalb Europas in eine spanische und eine portugiesische Hälfte. Die beiden Seemächte plündern alle Ecken und Enden der Welt, die sie mit ihren Segelschiffen erreichen können, im Namen ihrer Könige regelrecht aus, und erheben territoriale Ansprüche auf Kolonien. Da diese Königreiche auf Raubzüge angewiesen sind, entwickeln sie bis in die Moderne keine konkurrenzfähig produktiven Volkswirtschaften.
[Wikipedia 2021 - Vertrag von Tordesillas]

Das globale Zeitalter des Kolonialismus endete mit der Auflösung der britischen Kolonie Indien kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Verschuldungs- und Handelsbeziehungen, die den Globalen Süden benachteiligen, sind jedoch immer noch da, zuerst im Kalten Krieg als imperialer Einfluss der Großmächte. Im Zeitalter der Globalisierung spricht man heute von Postkolonialismus. Auch die Ungerechtigkeit, dass die Verursacher der Klimakatastrophe in den Industrieländern nicht annähernd die Verantwortung für die Opfer im Globalen Süden übernehmen, wird dazu gezählt.
Die Geschäfte mit dem spätkommunistischen China der 90er-Jahre, die aus einem Entwicklungs- ein Schwellenland machten, hätten uns eine Lehre sein können. Wir haben ein extraktivistisches, staatskapitalistisches Regime großgemacht, geführt von diktatorischen Funktionären. Die Profite waren wichtiger als unsere außenpolitischen Lippenbekenntnisse, nach dem Prinzip "Wandel durch Handel" Demokratie und Menschenrechte fördern zu wollen. Diese Entwicklung hätte sich vermeiden lassen, wenn wir selbst bereits die sozial-ökologische Transformation als Modell angegangen wären.
Die indische Autorin und Menschenrechtsaktivistin Arundhati Roy sieht in unserem Paktieren mit Unrechts-Regimen in Entwicklungs- und Schwellenländern eine postkoloniale, rassistische Einstellung: Demokratie und Menschenrechte sind zeitgemäß für die Menschen des Westens, nicht aber für die anderen. In Roys Heimat Indien bildet sich seit 20 Jahren ein hindu-nationalistischer Faschismus aus, der regelmäßig Pogrome gegen religiöse Minderheiten veranstaltet, unterstützt von Gautam Adani, einem der reichsten Männer der Welt, der seinen Reichtum seinen Beziehungen zum Autokraten Narendra Modi verdankt. Dennoch führen westliche Regierungen mit dem Modi Verhandlungen, ohne diese Verbrechen anzusprechen. Roy ruft ihre Landsleute auf, gegen diesen Nazi-Faschismus aufzustehen, auch auf die Gefahr des Scheiterns hin.
blaetter.de: [Roy 2023]


1517

Der Mönch Martin Luther schlägt seine reformatorischen Thesen an die Wittenberger Schlosskirche, was zur Spaltung sowohl der Kirche als auch Europas in papsttreue Katholiken und reformierte Protestanten führt. Weltliche Herrscher, die die politischen Einmischungen Roms nicht tolerieren wollten, haben diese Entwicklung betrieben - sonst wäre Luther sicher wie seine Vorgänger als Abtrünniger ("Ketzer") hingerichtet worden.
In der Folge kommt es zur Aufklärung und schließlich zum Verlust der religiösen Legitimation der Adelsherrschaft, letztlich auch in den katholischen Gebieten. Die neue herrschende Schicht, das Bürgertum, begründet ihre Macht auf Geldwirtschaft.
Ruinöse Misswirtschaft des Adels und besonders die Entfaltungsmöglichkeiten in den britischen Kolonien von Nordamerika treiben die Demokratiebewegungen weltweit voran. Doch auch da, wo die Monarchie erhalten bleibt, geht die Macht nach und nach auf die Wirtschafts-Akteure über. Zu groß ist die Abhängigkeit der Staatsmacht von Gewerbe, Handel und Industrie, also der Wirtschaft - die die Adeligen von Anfang an nicht als ihre Sache verstehen. Eine wichtige Rolle bei der Geldkonzentration spielt die Ausbeutung von Sklaven in den Kolonien.


1580

Francis Drake kehrt nach einer Weltumsegelung (58 Jahre nach dem Portugiesen Magellan) zurück nach London. Die britische, protestantische Königin Elizabeth unterstützt diese und auch viele folgende Fahrten englischer Seeleute, die der Erkundung und Kolonisation dienen.
Damit tritt Großbritannien in Konkurrenz mit Spanien und Portugal, der in verschiedenen Kriegen zugunsten Großbritanniens ausgeht. Seinen Höhepunkt hat das British Empire zur Zeit der Industrialisierung im 19. und frühen 20. Jahrhundert, die größte Ausdehnung 1922. Mit den Unabhängigkeitsbestrebungen der Kolonien zerfällt das Imperium, auch weil die militärische Macht der USA besonders nach dem Zweiten Weltkrieg gezielt eingesetzt wird, um die globalen Ölströme zu kontrollieren.


1602

Zwei Jahre nach dem englischem Vorbild bilden auch niederländische Kolonial-Handelshäuser ein Kartell, die Niederländische Ostindien-Kompanie, um die gegenseitige Konkurrenz zu vermeiden. Es wird in Asien die größte Konkurrenz der Engländer.
[Wikipedia 2022 - Niederländische Ostindien-Kompanie]
Andere Staaten, die noch nicht (oder nicht mehr erfolgreich) im Kolonialgeschäft sind, tun es ihnen nach.
[Wikipedia 2022 - Niederländische Ostindien-Kompanie]

Der mal festere, mal losere deutsche Kleinstaaten-Bund wird erst im 19. Jahrhundert zu einer unbedeutenden Kolonialmacht. Die Ambitionen des preußischen Königshauses, dieses Manko mit Industrialisierung und Aufrüstung zu kompensieren, führen Europa in die Weltkriege des 20. Jahrhunderts, und durch das Anzetteln der russischen Revolution auch zur Destabilisierung Russlands, die bis heute nachwirkt.
Mit der Ablösung der Kolonialmächte Spanien 1898 (Spanisch-Amerikanischer Krieg) und England 1958 (Staatsstreich im britisch kontrollierten Ölfördergebiet Iran) wurde die liberale Industrienation USA zur imperialen Macht, die in beiden Weltkriegen dominierte und dadurch neben der Sowjetunion zur Supermacht wurde.


1648

Der Dreißigjährige ist der bis dato verheerendste europäische Krieg, und findet im Westfälischen Frieden ein Ende. Beeindruckt von den Schrecken dieses Religions-Kriegs fordert der Theologe und Staatsphilosoph Hugo Grotius die Loslösung von staatlicher und kirchlicher Macht, also die Säkularität der Staaten, und formuliert damit den ersten Grundsatz des Völkerrechts.

1713, ein Jahr vor seinem Tod, ist der sächsische Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz immer noch nachhaltig beeindruckt von den Verwüstungen des Krieges, und vermacht seinem Fürsten August dem Starken mit seinem Buch "Sylvicultura oeconomica, oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht" das Prinzip der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft. Auf seiner Grand Tour in der Nachkriegszeit hatte er die Diskussionen um John Evelyns Buch "Sylva" in England und um das neue Waldgesetz von Louis XIV in Frankreich 1669 erlebt.
[Hans Carl von Carlowitz]
Fiktives Gespräch im Oekom Podcast: [Verknüpfung]


Wird derhalben die gröste Kunst / Wissenschafft / Fleiß / und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen / daß es eine continuirliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weiln es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse [lat. Dasein, im Sinne von Wesen] nicht bleiben mag.
Hans Carl von Carlowitz

1715

Der Sonnenkönig Louis XIV, Vorbild aller absolutistischen Herrscher, stirbt. Der Höhepunkt des Feudalismus ist auch sein Wendepunkt, denn Louis hinterlässt einen bankrotten Staat. Der wird nun von einem Bürgertum, das seinerseits durch Kolonialismus Profite generiert, weiterfinanziert, das dadurch erheblich an Macht gewinnt. Dieses Bürgertum wird sich gegen Ende des Jahrhunderts des teuren Adels entledigen und gewaltsam die Macht an sich reißen.
[Wikipedia 2022 - Ludwig XIV.]


1776

Eine Antwort auf die Preisfrage der Académie de Dijon des Jahres, "Quelle est l’origine de l’inégalité parmi les hommes, et est-elle autorisée par la loi naturelle? („Was ist der Ursprung der Ungleichheit unter den Menschen, und lässt sie sich vom Naturrecht herleiten?"), wird eingereicht von Jean-Jacques Rousseau, aus der sicheren Distanz in Amsterdam.


Der erste, der ein Stück Land eingezäunt hatte und es sich einfallen ließ zu sagen: dies ist mein und der Leute fand, die einfältig genug waren, ihm zu glauben, war der wahre Gründer der bürgerlichen Gesellschaft.
Jean-Jacques Rousseau

Zitat Wikipedia: "In dessen Folge erklärt Rousseau die soziale Ungleichheit aus der Herausbildung der Arbeitsteilung und der dadurch ermöglichten Aneignung der Erträge der Arbeit vieler durch einige wenige, die anschließend autoritäre Staatswesen organisieren, um ihren Besitzstand zu schützen. Rousseau wurde mit dieser wahrhaft revolutionären Schrift einer der Begründer des europäischen Sozialismus."
[Wikipedia 2022 - Jean-Jacques Rousseau]

Im gleichen Jahr erscheint "The Wealth of Nations", das bekannteste Werk des schottischen Staatsphilosophen Adam Smith. Er rechtfertigte den Kapitalismus, und wird von Neoliberalen deshalb heute noch gefeiert, warnte aber auch deutlich vor Fehlentwicklungen - was von diesen jedoch komplett ignoriert wird. Er war nicht nur Wirtschafts-, sondern auch Moralphilosoph.
[Wikipedia 2024 - Adam Smith]


The selfishness and avarice of the masters
All for ourselves and nothing for other people, seems, in every age of the world, to have been the vile maxim of the masters of mankind. As soon, therefore, as they could find a method of consuming the whole value of their rents themselves, they had no disposition to share them with any other persons.
(Der Egoismus und die Gier der Herren
Alles für uns selbst und nichts für andere Menschen scheint zu allen Zeiten der Welt die abscheuliche Maxime der Herren der Menschheit gewesen zu sein. Sobald sie also eine Möglichkeit fanden, den gesamten Wert ihrer Renten selbst zu verbrauchen, waren sie nicht mehr geneigt, sie mit anderen Personen zu teilen.)
Adam Smith
[Verknüpfung]


1740

Der von einer hugenottischen Gouvernante aufgezogene Preußenkönig Friedrich der Große liebäugelt mit den Ideen der französischen Aufklärung, und formuliert in diesem Sinne: "ein jeder soll nach seiner Façon selig werden". Er tat dies wohl auch, weil er vorwiegend hugenottischen Kritikern des französischen Königs einen Unterschlupf geben konnte, z.B. 1762 Jean-Jacques Rousseau. In seiner Politik war er freilich absolutistisch.


1776

Die englischen Siedler in Nordamerika wollen sich vom fernen König nicht mehr besteuern lassen. Die Unabhängigkeitserklärung der USA wird wegen ihrer Erklärung der Menschenrechte gefeiert - doch gilt sie nur für die Waffenträger, also weder für Frauen, noch für Indigene, Sklaven oder Freigelassene. Der Völkermord an Indigenen wird in der Neuen Welt genauso fortgesetzt wie die Ausbeutung der Sklaven aus den Kolonien und die Unterdrückung der Frauen unter englischer Kolonialherrschaft. Die Indigenen müssen vor der Feuerkraft der europäischen Schusswaffen dahin weichen, wo kein Siedler hin will, oder sterben.
Der Ausbeutung von Menschen des Globalen Südens und Asiens zur Bewirtschaftung des amerikanischen Kontinents sind keine Grenzen gesetzt, nachdem ihre Länder schon von Papst Rodrigo Borgia (Alexander VI) als Eigentum zwischen Spaniern und Portugiesen aufgeteilt worden waren. Auch Frauen haben nur so viel zu sagen, wie ihre Männer ihnen traditionell zugestehen.
Die industrielle Landwirtschaft wird Ende des 19. Jahrhunderts in den USA auch durch ein staatliches Quasi-Monopol auf den Handel mit südamerikanischem Guano vorangetrieben.

In seinem Protestsong über Apartheid "Maß aller Dinge" drückt es Herbert Grönemeyer 1986 so aus: "Jeder Mensch ist gleich, der Weiße ist gleicher."
[Wikipedia 2021 - Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten]

Die patriarchalen Attribute Rassismus, Klassismus und Sexismus haben sich bis heute erhalten, in Form von Neokolonialismus, Proprietarismus, Sozialdarwinismus und ganz neu extremem Frauenhass und Klimafaschismus.


1787

Die amerikanische Verfassung gibt den neuen Siedlern das Versprechen von Life, Liberty and the pursuit of Happiness. Dieses Versprechen lässt sich leicht mit Gewalt einlösen, denn es geht aus von einem leeren Kontinent, bis zu dem der Arm der Kolonialmächte nicht stark genug herüberreicht. Es gilt bis heute als historischer Ausdruck des American Dream.
[Wikipedia 2022 - Verfasssung der Vereinigten Staaten]


1789

Die franzöische Revolution, in der Adel und Klerus entmachtet werden, beginnt - doch Frauen erhalten, obwohl sie mitkämpfen, kein Wahlrecht. Eine besonders wirksame Maßnahme zur Unterdrückung restaurativer Kräfte ist die Säkularisierung der Kirche, also ihre Trennung von allen staatlichen Strukturen.








1660

Die europäischen Königshäuser erkennen im Zuge der Aufklärung die Bedeutung der Naturwissenschaften, zuerst in England. Das ist kein Wunder, denn England ist schon damals in Bergbau, Metallurgie, Schiffsbau und kolonialer Expansion führend. Die Wurzeln des Londoner Invisible College, einem erlesenen Club von Naturphilosophen, liegen im Freimaurerertum, einer aufklärerischen bürgerlichen Geheimbewegung. Das Königshaus wird allerdings schnell auf den Geheimclub aufmerksam: ein Jahr nach seiner Gründung wird er offiziell zur Royal Society.
[Wikipedia 2021 - Royal Society]

[Wikipedia 2021 - Invisible College]

Das Vorbild der Engländer weckt den Ehrgeiz der Franzosen. Immerhin schwärt der britisch-französische Konflikt bereits seit 600 Jahren, als 1666 Jean-Baptiste Colbert - der weitsichtige Ökonom Ludwigs XIV - die Académie des sciences gründet. Die absolute Monarchie wirtschaftet dennoch immer weiter herunter, was letztlich zur Revolution führt.
[Wikipedia 2021 - Académie des sciences]
1700 schließlich gründet Preußenkönig Friedrich III. die Preußische Akademie der Wissenschaften.
[Wikipedia 2021 - Preußische Akademie der Wissenschaften]


1698

Großbritannien: Thomas Savery baut - auf Basis der Dampfdruckpumpe des Franzosen Denis Papin - die erste kommerzielle kohlefeuerbetriebene Wasserpumpe. Sie hieß "the miner's friend", weil mit ihr Bergwerke entwässert werden konnten, setzte sich aber nicht durch. 1712 schaffte Thomas Newcomen 1712 weitere Verbesserungen der Maschine, die dann auch kommerziell Erfolg hatte. Die Kohleförderung in Großbritannien wurde damit massiv intensiviert. Doch erst 1769 patentierte James Watt seine legendäre Dampfmaschine, die einen besseren Wirkungsgrad, also geringeren Kohleverbrauch zeigte.


1791

John Barber patentiert das Prinzip einer Gasturbine mit Wasserdampf, schafft es allerdings mangels geeigneter Werkstoffe noch nicht, einen funktionsfähigen Prototypen zu bauen.

Das gelingt erst dem Schweizer Adolf Meyer 1935 für den Elektrokonzern Brown, Boveri & Co. BBC, der damit Strom-Generatoren für Kraftwerke antreibt. Die Gasturbine ist bis heute die effizienteste Wärmekraftmaschine für die Stromerzeugung.
[Wikipedia 2023 - Gasturbine]
Die Ableitung von Heizwärme aus einem Kraftwerk ist eine sinnvolle Ergänzung zur effizienten Verwertung der Heizenergie im Kraftwerk. Dies wurde schon 1902 in Beelitz-Heilstätten realisiert, und damit das erste Blockheizkraftwerk - allerdings noch angetrieben von Dampfmaschinen. Das Kraftwerk war bis 1975 in Betrieb und ist heute ein Museum.
Blockheizkraftwerk 24: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2023 - Beelitz-Heilstätten]


1800

Italien: Alessandro Volta begründet mit seinen Säulen aus in Reihe geschalteten Kupfersalz-Batterien die Elektrochemie - die Grundlage für Batterien und Akkumulatoren.
Im gleichen Jahr nutzen William Nicholson und Anthony Carlisle die Voltasche Säule zur Elektrolyse von Wasser, also die elektrisch angetriebene Zersetzung zu Wasserstoff- und Sauerstoffgas.
[Wikipedia 2022 - William Nicholson (chemist)]

Nur drei Jahre später baut der in Jena von den Geistesgrößen Goethe und Brentano hochgeschätzte Philosoph Johann Wilhelm Ritter eine Apparatur aus Kupferplatten und kochsalzgetränkten Pappplatten, die eine Elektrolyse von Oxonium- und Chlorid-Ionen ermöglichte. Nach der Elektrolyse kann er aus den Produkt-Teilchen H2 und Cl2 er eine deutliche Spannung erzeugen: er beschreibt in seiner Veröffentlichung den ersten Akkumulator. Ritter stirbt mit 33 Jahren, wohl an Tuberkulose. Die Universität Ulm hat Ritters historische Versuchsbeschreibung online veröffentlicht.
[Verknüpfung]
Spiegel: [Gunkel 2010]


1802

Der Naturforscher Alexander von Humboldt landet in Peru und nimmt dort Proben eines natürlichen Mineraldüngers, der von den Indigenen "Huanu" genannt wird. Er entsteht durch Verwitterung von Kalkgestein durch Vogelkot, der in den Brutkolonien an der Ostküste Südamerikas konzentriert wird. Er fällt dort in gigantischen Mengen an, denn das mineralstoffreiche Küstenwasser weist eine sehr hohe Produktivität auf. Die patriarchal-religiösen Machtstrukturen der dortigen indigenen Hochkulturen haben sich unter anderem durch die Verteilung dieser Ressource herausgebildet, denn Huanu gilt als ähnlich wertvoll wie Gold.
In Paris und Berlin bestätigen die bekanntesten Chemiker von Humboldt die extreme Düngewirkung von Guano.

1840 erwähnt Justus von Liebig das Material, was einen kolonialen Boom durch "Guano" auslöst, wie der Dünger dann in Europa genannt wird. Das stark nach Ammoniak riechende, ätzende und staubende Material wird von chinesischen Sklaven, den "Kulis", von den Felsen gekratzt und mit ganzen Flotten europäischer Kolonialhändler exportiert. Allein aus Peru werden über vier Jahrzehnte schätzungsweise 11-20 Mio t davon exportiert, bei Erlösen von 750-2000 Mio US-$.


Laderaum eines Sklavenschiffs mit einer neuen Ladung Kulis.
[Verknüpfung]

Chinesische Kulis beim Abbau von Guano, El Gran Montón, Isla Norte, Islas de Chincha, 1865.
[Verknüpfung]
Kaum ein Kuli überlebte die Vertragszeit von acht Jahren.
Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien HiN: [Rott 2016]

Der Guanohandel ist auch ein typisches Beispiel für die unfairen Wirtschaftsbeziehungen im Kolonialismus, auch für die rohstoffreichen Länder. Schon 1849 überstiegen die Gewinne aus peruanischen Staatsschulden die Erlöse aus dem Guanohandel. 1879 kam es zum Salpeterkrieg zwischen Chile und Bolivien. Ende des 19. Jahrhunderts war Peru bankrott und vollkommen von europäischen Investoren abhängig.


Für Peru war es die klassische Geschichte „vom Tellerwäscher zum Millionär“, mit elegantem Lebensstil einer gehobenen Schicht, umfangreichen Importen von Luxusgütern, Populismus und Geschenken an das Volk, einem erkauften politischen Frieden und unbegrenztem Kredit bei den Banken in London. Ähnliches beobachten wir heute für Länder mit umfangreichen Lagerstätten begehrter Ressourcen wie Erdöl und Erdgas. „Könnte es sein, dass Guano der Stab des Moses, der Huf von Pegasus ist, der Wasser in der Wüste entspringen lässt?!“, so der Ausruf eines Guanohändlers im Oktober 1851. Welch ein Irrtum! [...]
Im Jahr 1854 waren die Lebensbedingungen in London für die 2.5 Mio. Menschen katastrophal. Abwasserkanäle transportierten vor allem Überlauf aus den Sickergruben und oberflächlichen Ablauf über eine kurze Entfernung in die Themse. Das Prinzip, das ja auch heute noch weitgehend zum Tragen kommt, hieß „aus den Augen, aus dem Sinn“. In London entstand ein umfangreiches Kanalnetz. Indem man nun die Fäkalien in Wasser kippte anstatt sie auf die landwirtschaftlichen Flächen zurückzuführen, wurde durch die Veränderung der sanitären Einrichtungen aus einer Gesellschaft, die Phosphor wiederverwertete, eine Gesellschaft, die diesen als Durchflussmaterial nutzt, zu einer modernen Wegwerfgesellschaft. Phosphat, nun vermeintlich unbegrenzt verfügbar, wurde einmal genutzt und dann als unbrauchbar in Durchlaufsystemen „entsorgt“. Die Sorge um die öffentliche Gesundheit stand im Vordergrund und gab zusammen mit den wirtschaftlichen Bedingungen der Industriellen Revolution die Richtung vor. Die sichere Entsorgung der Exkremente war wichtiger und wohl auch billiger als die Wiederverwendung als Dünger. Die Entwicklung in London war richtungsweisend für Europa und Nordamerika.
Bärbel Rott
Internationale Zeitschrift für Humboldt-Studien HiN: [Rott 2016]

Mit Guano wird in der Kolonialzeit der große Mangel an Stickstoffverbindungen in der Landwirtschaft, aber auch in der Sprengstoffherstellung, bekämpft. Vorher war der Mangel so groß, dass ein eigener Berufszweig davon leben konnte, die Salpetersieder oder "Saliterer". Mancher Herrscher hatte sie unter Vertrag, um seine Sprengstoffproduktion zu sichern. Die Salpetersieder nutzten alle verrottende Biomasse, die sie verwerten konnten, von Latrinen über Stallgebäude bis zu Massengräbern, die nach den damals häufigen Kriegsschlachten ausgehoben wurden. Die Salpetersieder waren nicht sesshaft, und galten der Landbevölkerung als Plage.
[Wikipedia 2023 - Salpetersieder]
Das erklärt den Guano-Boom im Kolonialismus; die USA entwickelten schließlich ein Monopol. Nach dem Ersten Weltkrieg stehen schließlich in Deutschland riesige Kapazitäten zur Ammoniak-Produktion nach dem Haber-Bosch-Verfahren zur Verfügung, deren Produkte die Stickstoff-Verbindungen aus Guano ersetzen können. Die Ammoniak-Produktion ist im preußischen Kaiserreich aus Angst vor einer Guano-Seeblockade errichtet worden, um die Herstellung kriegswichtiger Sprengstoffe zu sichern. Die Anlagen werden nun profitabel weiterbetrieben für die "grüne Revolution". Das Phosphat dafür wurde nach dem Guano boom zuerst aus Unmengen von Knochen, u.a. aus Massengräbern der vielen Kriege, mittels Knochenmühlen gewonnen, bevor man mineralische Phosphatlager entdeckte, aus denen man meist auch Uran extrahieren konnte. Deren Erschöpfung wird für dieses Jahrhundert erwartet.
[Wikipedia 2023 - Guano]
[Wikipedia 2023 - Metabolic Rift]
[Clark 2012]
ResearchGate: [Verknüpfung]
Chicago Journals: [Verknüpfung]


1821

Vereinigtes Königreich: Michael Faraday baut einen einfachen Elektromotor mit Batterieantrieb. 1831 entwickelt er daraus den ersten Generator.
[Wikipedia 2021 - Electric motor - Early motors]
[Wikipedia 2021 - Homopolar generator]


1827

Der deutsche Apotheker Emanuel Merck wendet in seiner Darmstädter Fabrik ein Verfahren zur Extraktion von Morphinen (Opium-Alkaloiden) erstmals in industriellem Maßstab an. Das so gewonnene Schmerzmittel Morphium (Name abgeleitet von Morpheus, dem griechischen Gott der Träume) begründet den Erfolg des heute fünftgrößten Chemieunternehmens der Welt.
[Wikipedia 2022 - Emanuel Merck]
[Wikipedia 2022 - Morphin]

Morphium wird in 10 Millionen Dosen im amerikanischen Bürgerkrieg eingesetzt, wodurch die Produktion massiv gesteigert wird. Es stellt sich heraus, dass es schnell abhängig macht.
1836 wird Kokain, das Alkaloid aus den Blättern des Coca-Strauchs, als euphorisierendes, nicht abhängig machendes Mittel beschrieben. 1879 wird Kokain zur Bekämpfung der Morphiumsucht eingesetzt. Kokain macht zwar nicht physisch, aber dafür psychisch abhängig.
1898 erfindet Bayer Heroin (Name zeitgemäß abgeleitet vom griechischen Wort für Held) und vermarktet es gegen Asthma und Husten bei Kindern.
[Wikipedia 2023 - Heroin]


1834

Jacob Perkins erfindet in England die dampfgetriebene Wärmepumpe. Der Kühleffekt wird erzeugt durch das Verdunsten von Ether in einem Verdampfer, dessen Dampf anschließend unter Kompression kondensiert und dabei wieder Wärme abgibt. Perkins' Wärmepumpe wird eingesetzt zum Kühlen. Der Schotte John Gorrie ersetzt Ether durch eine explosionssichere Flüssigkeit, und der Deutsche Carl von Linde setzt 1876 mit Ammoniak als Kältemittel einen frühen hohen Standard, der international auch großtechnisch zur Bierkühlung - also auch großtechnisch - eingesetzt wird. 1903 schaffen es Lindes beste Maschinen, Stickstoff zu kondensieren.
[Wikipedia 2022 - Jacob Perkins]

Seit der Elektrifizierung werden Wärmepumpen elektrisch angetrieben. Weil zu ihrem Betrieb kein Feuer notwendig ist, werden sie ab 1875 nicht nur zum Kühlen, sondern auch zum Heizen benutzt.
Eine moderne Wärmepumpe gibt dabei etwa viermal so viel an Wärmeenergie ab, wie sie an elektrischer Antriebsenergie aufnimmt. Aus einer Kilowattstunde elektrischer werden etwa vier Kilowattstunden Wärme. Das ist kein Widerspruch zum Energieerhaltungssatz, denn die Wärme stammt aus der Umgebung, und die elektrische Energie dient nur zur Umkehrung der Dissipation. Lord Kelvin erklärte diese Fähigkeit von Wärmepumpen schon 1852, lange bevor sie für Heizzwecke genutzt wurde.
Stammt der Strom aus einem Kohlekraftwerk, dann entsteht etwas etwa gleich viel CO2, als wenn man die Wärme des Feuers direkt zum Heizen nutzen würde. Je mehr erneuerbare Energie genutzt wird, desto weniger CO2 wird frei. Den kompletten Ersatz fossiler Heizungen durch Wärmepumpen und Fernwärme aus CO2-neutralen Kraftwerken bezeichnet man - in Kombination mit wirksamer Wärmedämmung - als Wärmewende.
Als Alternative im Wärmesektor senkt die Wärmepumpe den Primärenergiebedarf auf einen Bruchteil ab. Da dieser Sektor in Deutschland einen Großteil des Primärenergiebedarfs verursacht, ist dies eine Schlüsseltechnologie der Wärme- und Energiewende. Politische Einflüsse der Ölproduzenten sorgen bis 2022 dafür, dass diese Effizienz-Revolution verhindert wird.
[Wikipedia 2022 - Wärmepumpe]
[Wikipedia 2022 - Carl von Linde]


1838

Schweiz: Christian F. Schönbein bringt Wasserstoff- und Sauerstoffgas an Platinelektroden zur Reaktion und verursacht damit einen elektrischen Strom: die erste Brennstoffzelle.
[Wikipedia 2019 - Geschichte der Brennstoffzelle]


1839

Mit dem Handel indischen Opiums gegen chinesisches Porzellan machen englische Händler gigantische Profite, und legen gleichzeitig das chinesische Kaisertum lahm. Als der chinesische Kaiser den Handel unterbindet, beginnt England den Ersten Opiumkrieg. Mit seinen modernen Waffen und durch Verbündung mit oppositionellen Gruppen, den Triaden, setzt England schließlich 1842 den freien Marktzugang für seine Opiumhändler durch. Die Triaden sind bis heute eine mafiöse Organisation.
Es war eine Ironie der Geschichte, denn das Rezept für das Treibmittel der englischen Waffen stammte aus China, das aber in seiner traditionellen Isolationspolitik mittels großer Mauern im Norden die Waffenentwicklung vernachlässigt hatte. Europäer dagegen führten seit Menschengedenken Krieg, und hatten die Schusswaffen immer weiter verbessert.

Wie der Kolonialhandel und die Sklaverei, so wurde auch der internationale Handel mit Drogen und Alkohol zu einem hochwirksamem Mittel imperialer Machtpolitik.
Seit dem 19. Jahrhundert dienen Drogen bis heute den Imperien zur Ausübung von Macht in ihren Einflussgebieten. Dabei fördern sie dort mafiöse Strukturen. Intern dagegen sind sie mit zunehmenden Problemen immer mehr um Regulation bemüht. Das geschah anfangs mit dem Beginn der Sozialpolitik, aus der gleichen Motivation: der massenhaften Verelendung.
In Schweden hat die Beschränkung des Alkoholkonsums im 20. Jahrhundert messbar positive Effekte ausgelöst, in den USA dagegen führte die überzogene Prohibition zu neuen Dimensionen der Kriminalität, und verhalf dem Präsidentschaftskandidaten Franklin D. Roosevelt zum Wahlerfolg, weil er ihre Abschaffung versprach. Ein Wahlerfolg, der immerhin mit dem New Deal die Überwindung der katastrophalen Austeritäts-Politik, und das Eingreifen der USA im Zweiten Weltkrieg ermöglichte.
Bei legalisierten Drogen wie Alkohol und Zigaretten liegt die Frage des Gemeinwohls immer zwischen privaten Geschäften und Steuereinnahmen auf der einen und Gesundheitsschäden, Unfällen und Gewalttaten, die ganze Familien ins Unglück stürzen, auf der anderen Seite. Bei illegalen Drogen fällt das Staatsinteresse offiziell weg -aber nicht bei Imperien, die ihre Machtentfaltung auf der Verteilung illegaler Drogen aufbauen und diese mit Waffengewalt verteidigen.
Zuletzt flog flog die Finanzierung von Waffen für amerikatreue Rebellen durch Drogengeschäfte in der Iran-Contra-Affäre auf. Doch diese Geheimdienst-Geschäfte haben eine lange, internationale Tradition. Auch diese Geschäfte gehen nicht nur auf Kosten des Gemeinwohls in anderen Ländern, sondern auch in denen der Drahtzieher: momentan stirbt in den USA alle fünf Minuten ein Mensch an einer Überdosis Drogen, meist an dem Super-Opioid Fentanyl - über 100.000 im Jahr. Schon vorher, seit 1995, gibt es OxyContin von Purdue Pharma, das über 800.000 Tote verursacht hat. Besonders häufig betroffen sind Menschen, die durch Arbeitslosigkeit aus dem wirtschaftlichen (sozial kann man es nicht nennen) Netz der USA fallen, oder die den wirtschaftlichen Druck nicht ertragen.
Zeit: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2023 - Opioidkrise in den Vereinigten Staaten]
Die NZZ sieht Gefahren auch für Europa.
NZZ: [Verknüpfung]
Filmtipp: Der große Rausch. Arte 2021.
Folge 1 - Das Zeitalter der Imperien: [Verknüpfung]
Folge 2 - Die Stunde der Drogenbarone: [Verknüpfung]
Folge 3 - Der globale Drogenkrieg: [Verknüpfung]
Mittlerweile werden oft kulturelle Fragen aus wirtschaftlichen Interessen zu Argumenten hochstilisiert, wie z.B. in der aktuellen deutschen Debatte um Einschränkung von Alkohol- und Legalisierung von Cannabis-Konsum.

Frankreich: Alexandre Becquerel entdeckt als erster eine Form des photoelektrischen Effekts, auf dem Photovoltaik beruht.
[Wikipedia 2021 - Becquerel-Effekt]

Russland: Moritz von Jacobi baut einen 220W-Elektromotor mit Batterieantrieb, mit dem er immerhin ein Boot fahren lässt.
[Wikipedia 2019 - Jacobi-Boot 1839]
[LeifiPhysik 2019 - Jacobi-Motor]


1848

1832 hatten liberale Intellektuelle beim Hambacher Fest Demokratie gefordert. Am 31. März 1848 findet die deutsche Revolution mit dem Vorparlament in Frankfurt ihren Höhepunkt. In der Frankfurter Paulskirche erarbeitete das Vorparlament eine erste deutsche Verfassung, die am 28. März 1849 verabschiedet wurde. Zu den Zukunftsvisionen der Freiheitskämpfer gehört die Überwindung der Kleinstaaterei, die als bedeutendes Hemmnis für die freie Entwicklung des Bürgertums, v.a. seiner Wirtschaft, erkannt wurde, durch die Gründung eines Nationalstaats aller Menschen deutscher Sprache.
Im Juli 1849 wird sie mit der Einnahme von Rastatt durch den späteren Kaiser Wilhelm I. von Preußen blutig niedergeschlagen.
[Wikipedia 2023 - Paulskirchenverfassung]

So wie das Christentum von Konstantin, so wird der aufklärerische Freiheitsgedanke des deutschen Nationalismus vom neuen Patriarchen vereinnahmt: der preußische König Wilhelm I., der alle zugrundeliegenden Ideen von Demokratie im Keim erstickt, zwingt alle deutschen Kleinstaaten mit militärischer Gewalt unter seine Herrschaft. Der völkische Gedanke wird von ihm als Mittel zur Abwehr regionaler Ressentiments gegen die preußische Hegemonie überall kultiviert; das preußische Beamtentum spielt dabei eine zentrale Rolle, auch in den Schulen.
[Verknüpfung]
Wilhelm I. orientiert sich wie seine Vorfahren weiter am Vorbild Konstantins, indem er die christlichen Kirchen instrumentalisiert, und bricht so endgültig mit den Ansätzen des preußischen Philosophenkönigs Friedrichs des Großen. Ohne Kirche ist für die Hohenzollern kein preußischer, und insbesondere für Wilhelm I. kein deutscher Staat zu machen. Natürlich finden sich auch in der Kirche willige Kollaborateure, die sich für Wilhelms autoritären Nationalismus instrumentalisieren lassen. Im ganzen Land unterstützt Wilhelm großzügig den Bau von Kirchen, z.B. die um hunderte Jahre verschleppte Fertigstellung des Kölner Doms, oder die Wiederherstellung der Konstantin-Basilika in Trier.
[Wikipedia 2024 - Kölner Dom]
[Wikipedia 2024 - Konstantinbasilika]
[Verknüpfung]
So wie Konstantin das Christogramm auf die Schilde seiner Legionäre malen ließ, so ließ Wilhelm I. die Gürtelschnallen der Soldaten mit einem Kreuz und dem Spruch prägen: "Gott mit uns". Nach dem erfolgreichen Krieg um linksrheinische Gebiete gegen Frankreich lässt Wilhelm I. sich 1871 zur Demütigung des französischen Hofs in Versailles zum deutschen Kaiser krönen. Danach steigt er in heilloser nationaler Selbstüberschätzung in das längst entschiedene Rennen der europäischen Mächte um die Kolonien ein, was die Militarisierung, Sozialdarwinismus und Rassismus in Preußen vorantreibt, und ein Hauptgrund des Ersten Weltkriegs sein wird.
[Wikipedia 2024 - Wilhelm I. (Deutsches Reich)]

Viele der freiheitlich-demokratischen Studentenverbindungen, auch etliche christliche, werden von autoritären Nationalisten gekapert. Diese sogenannten "Burschenschaften" gehören bis heute zu den wichtigsten Keimzellen des Rechtsextremismus.
bpb: [Kurth 2017]
Die Paulskirchen-Verfassung wurde nie rechtskräftig. Erst 100 Jahre, und zwei durch den preußisch-deutschen Nationalismus ausgelöste Weltkriege später, wird sie jedoch in großen Teilen in das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland übernommen.
2019 veranstalten Rechtslibertäre und Nationalisten, darunter etliche rechtsextreme Studentenverbindungen, das Neue Hambacher Fest. Historiker und Politikwissenschaftler protestieren gegen diese erneute Vereinnahmung.

Eine Gruppe um die amerikanische Frauenrechtlerin Lucretia Mott initiiert in Seneca Falls bei New York die "Seneca Falls Convention". Die Sklavereigegnerin Elizabeth Cady Stanton entwirft hier die weltweit erste Frauenrechtserklärung "Declaration of Sentiments", auch bekannt als "Seneca Falls Declaration". Von da an finden dort bis 1881 jährliche Treffen statt, die eine zentrale Rolle in der amerikanischen Frauenrechtsbewegung spielen. Zu den ersten Unterzeichner:innen zählt die spätere (erst postum geehrte) Begründerin der Klimaforschung Eunice Newton Foote.
[Wikipedia 2022 - Seneca Falls Convention]
[Wikipedia 2022 - Declaration of Sentiments]

Footes Tochter Mary trat später ebenfalls für Schwarzen- und Frauenrechte, und für Vegetarismus ein. Sie war verheiratet mit dem Senator John B. Henderson, der mit anderen die Verfassungsänderung zur Abschaffung der Sklaverei einbrachte.
[Wikipedia 2022 - Mary Foote Henderson]
[Wikipedia 2022 - John B. Henderson]
1977, erst über ein Jahrhundert später, formuliert ein Kollektiv schwarzer Feministinnen das Combahee River Collective Statement, das die Forderung nach dem Schutz aller Minderheiten, die sogenannte Identitätspolitik, begründet.


1850

Der Deutsche Wilhelm Josef Sinsteden entwickelt den ersten Blei-Akkumulator. Weiterentwickelt durch die Franzosen Gaston Planté und Camille Alphonse Faure, wird dieser der erste Massen-Akkumulator, der heute noch in Starterbatterien für Verbrennungsmotoren eingesetzt wird.

1887 gründet Adolph Müller mit der Accumulatoren-Fabrik Tudor’schen Systems Büsche & Müller oHG AFA eine Blei-Akkumulatoren-Fertigung, deren Vertrieb ab 1904 unter dem Namen Vertrieb, Aufladung, Reparatur transportabler Akkumulatoren VARTA bekannt wurde. Die Unternehmensgründung löste Versuche der Konkurrenten Siemens und AEG aus, im schnell wachsenden Markt Fuß zu fassen - und mussten letztlich aufgeben.

Die Blei-Akkumulatoren dienten u.a. dem Antrieb der ersten Elektroautos, die bis zur Erfindung des elektrischen Anlassers 1910 das Großstadt-Straßenbild des frühen 20. Jahrhunderts dominierten. Auf oberleitungsfreien Bahnstrecken wurden bis 1914 163 Triebwagen mit diesen Akkumulatoren eingesetzt, die teilweise bis 1964 im Einsatz waren. VW baute noch 1976-1993 verschiedene Golf-Modelle "City-Stromer" und einen elektrischen T3 als Versuchsfahrzeuge mit Blei-Akkus. Trotz mehreren 100kg Akkumulator-Masse hatten sie Reichweiten deutlich unter 100km.
[Verknüpfung]
Besondere Bedeutung bekommen Blei-Akkumulatoren in der Kriegstechnik, wo sie lange eine Schlüsseltechnologie für U-Boote und Torpedos darstellen. Das umsatzstärkste Geschäftsfeld bleibt die Starterbatterie für Verbrennermotoren, die für Kriegsgerät massenhaft benötigt werden.
Ab 1922 erwirbt der Industrielle Günther Quandt Firmenanteile und steigt zu einem der wichtigsten industriellen Unterstützer des Nazi-Regimes auf. Nach dem Krieg hat VARTA als Zulieferer der mächtigen Verbrenner-Industrie bis 2009 kein Interesse, EAuto-taugliche Akkus zu entwickeln.
[Wikipedia 2023 - Varta AG]
[Wikipedia 2023 - Akkumulatorenfabrik (Hannover)]
Möglicherweise blieb man so lange bei dieser extrem schweren Akku-Technik, um keinen Massenmarkt für die neuen, weit besseren Akku-Typen zu schaffen. Denn mit dem Natrium-Nickelchlorid- (Zebra-), dem Natrium-Schwefel- und dem Ovonic-NiMH-Akkumulator wurden mindestens drei brauchbare Kandidaten für Elektroautos entwickelt, die in mehreren Prototypen bzw. im Falle des Ovonic-Akkus sogar in Serienautos eingebaut wurden. Das Ovonic-Patent wurde vom Ölkonzern Chevron, später vom Gaskonzern BASF gekauft und in der Schublade eingemottet, die Autos des Herstellers GM nach Aufösung der Leasing-Verträge bis auf ein Museumsstück verschrottet. Bezeichnend, dass der ansonsten gut informierte Chronist der Akku-Geschichte Christoph Gunkel im Spiegel 2010 davon gar nichts schreibt. Gunkel beklagt - zwei Jahre nach dem Bau des Tesla Roadster mit den bewährten Lithium-Ionen-Akkus - immer noch das Fehlen geeigneter Akkutechnik.
Spiegel: [Gunkel 2010]
Das Recycling der Blei-Akkumulatoren wird seit Jahrzehnten unter extrem menschen- und umweltschädlichen Bedingungen im Globalen Süden durchgeführt. Aber alle Welt spricht gerade von der Gefährlichkeit der Lithium-Ionen-Akkus.
Ein eigenes Kapitel ist die Expansion des Unternehmens im Zuge der deutschen Aufrüstung zum Zweiten Weltkrieg in Nazi-Deutschland unter dem frühen Hitler-Unterstützer Günther Quandt, dessen Erben heute zu den reichsten Deutschen zählen.


1854

Suquamish-Häuptling Seattle hält vor dem Gouverneur des Washington Territory Isaac Stevens eine Protest-Rede; dabei warnt er die Siedler vor ihrem zerstörerischen Umgang mit den natürlichen Ressourcen.
Bei den folgenden Zitaten handelt es sich um eine freie Wiedergabe des anwesenden Dichters Henry Smith aus seinen Notizen, inhaltlich später bestätigt durch weitere anwesende Stammesmitglieder.
[Wikipedia 2020 - Chief Seattle's speech - The oldest version: 1887]
Andere Autoren unterstellen Smith einen romantischen Blick und zweifeln an der Version. Die Debatte erinnert an den aktuellen Versuch, die Geschichte des Rassismus in den USA umzuschreiben.

"[...] Ihr müßt eure Kinder lehren, daß der Boden unter ihren Füßen die Asche unserer Großväter ist. Damit sie das Land achten, erzählt ihnen, daß die Erde erfüllt ist von den Seelen unserer Vorfahren. Lehrt eure Kinder, was wir unsere Kinder lehrten: Die Erde ist unsere Mutter. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Wenn Menschen auf die Erde spucken, bespeien sie sich selbst. Denn das wissen wir - die Erde gehört nicht den Menschen, der Mensch gehört zur Erde. Alles ist miteinander verbunden, wie das Blut, das eine Familie vereint. Alles ist verbunden. Was die Erde befällt, befällt auch die Söhne der Erde. Der Mensch schuf nicht das Gewebe des Lebens, er ist darin nur eine Faser. Was immer ihr dem Gewebe antut, das tut ihr euch selber an. [...]
Die Luft ist kostbar für den roten Mann, denn alle Dinge teilen denselben Atem: das Tier, der Baum, der Mensch - sie alle teilen denselben Atem. Der weiße Mann scheint die Luft, die er atmet, nicht zu bemerken. Wie ein Mann, der seit vielen Tagen stirbt, ist er abgestumpft gegen den Gestank. Aber wenn wir euch unser Land verkaufen, dürft ihr nicht vergessen, daß die Luft uns kostbar ist, daß die Luft ihren Geist teilt mit all' dem Leben, das sie erhält. [...]
Der weiße Mann, vorübergehend im Besitz der Macht, glaubt, er sei schon Gott, dem die Erde gehört. Wie kann ein Mensch seine Mutter besitzen? [...]
Eines wissen wir, was der weiße Mann vielleicht eines Tages erst entdeckt: Unser Gott ist derselbe Gott. Ihr denkt vielleicht, daß ihr ihn besitzt, so wie ihr unser Land zu besitzen trachtet, aber das könnt ihr nicht. Er ist der Gott der Menschen - gleichermaßen der roten und der weißen. Dieses Land ist ihm wertvoll. Und die Erde zu verletzen heißt ihren Schöpfer zu verachten. Auch die Weißen werden vergehen, eher vielleicht als alle anderen Stämme. Fahret fort, euer Bett zu verseuchen, und eines nachts werdet ihr im eigenen Abfall ersticken. [...]
Wenn wir euch unser Land verkaufen, liebt es, so wie wir es liebten, kümmert euch, so wie wir uns kümmerten, behaltet die Erinnerung an das Land so, wie es ist, wenn ihr es nehmt. Und mit all eurer Stärke, eurem Geist, eurem Herzen erhaltet es für eure Kinder und liebt es - so wie Gott uns alle liebt. Denn eines wissen wir - unser Gott ist derselbe Gott. Diese Erde ist ihm heilig. Selbst der weiße Mann kann der gemeinsamen Bestimmung nicht entgehen. Vielleicht sind wir doch - Brüder. Wir werden sehen."
[Verknüpfung]


1856

Eunice Newton Foote (USA) entdeckt als erste, dass CO2 (das Produkt der Verbrennung fossiler Brennstoffe) ein Treibhausgas ist, und ihre Erkenntnisse werden in den USA unter dem Titel "Circumstances Affecting the Heat of Sun’s Rays" publiziert. Von allen Gasen, die Foote untersuchte, hatte es die stärkste Wirkung: "Thirdly. The highest effect of the sun's rays I have found to be in carbonic acid gas."
[Hayhoe 2016 - Foote 1856]
Nachdem sie sich bereits mit Paläoklimatologie beschäftigt hat, setzt sie die Temperaturen mit CO2 in Verbindung und sagt eine mögliche globale Erwärmung voraus.


An atmosphere of that gas [CO2] would give to our earth a high temperature; and if as some suppose, at one period of its history the air had mixed with it a larger proportion than at present, an increased temperature must have necessarily resulted.
Eunice Newton Foote
[Wikipedia 2022 - Eunice Newton Foote]
[Foote 1856]

Lange galt der Ire John Tyndall als Entdecker des anthropogenen Treibhauseffekts, der diese Entdeckung 1861 ausdrücklich für sich beanspruchte. Erst der Geologe Raymond Sorenson entdeckte 2010 Hinweise auf einen Vortrag über Footes Ergebnisse am 23.08.1856 bei der American Association for the Advancement of Science AAAS 1856, und berichtete darüber 2011 in Search and Discovery der American Association of Petroleum Geologists AAPG.
Sorenson in Search and Discovery: [Verknüpfung]
Den Vortrag hielt der damals wohl bedeutendste Wissenschaftler der USA, der Physiker Joseph Henry, erster Sekretär und damit Kopf des Smithsonian Institute, mit dem Eunice Foote und ihr Mann Elisha in einem landesweiten Wetterdaten-Projekt zusammenarbeiteten; Eunice Foote durfte nur zuhören. Henry befand ihre Ergebnisse auch nicht als bedeutsam genug, um im Tagungsband der AAAS abgedruckt zu werden. Unter ihrem eigenen Namen konnte Eunice Foote ihre Beiträge nur in weniger bedeutenden Zeitschriften unterbringen, schlicht weil sie eine Frau war und damit als Laie galt. Inhaltlich waren die Ergebnisse offensichtlich interessant, doch die Nennung ihres Namens wurde teils umgangen. Das schottische Edinburgh New Philosophical Journal z.B. überschrieb die Meldung merkwürdig doppelt: "On the heat on the sun's rays. By Elisha Foote", darunter derselbe Titel, aber "by Mrs. Elisha Foote" (was nach damaliger patriarchaler Etikette die "Frau von Elisha Foote" bezeichnete). In Deutschland schließlich wurde einfach berichtet über "Herrn Foote" - ob man Eunice versehentlich als männlichen Vornamen ansah oder einfach nur pragmatischen Sexismus betrieb, lässt sich nicht mehr feststellen.
Henrys und Footes Artikel waren jedenfalls zwei bis drei Jahre vor Tyndalls erschienen - auch in Europa. Scientific American würdigte Foote für ihre Forschung am 13.09.1856 in einem halbseitigen Artikel als eine der "Scientific Ladies". Auch die Tageszeitung New York Herald berichtete über den Vortrag. Das American Journal of Science druckte schließlich ihren Artikel, und direkt daneben einen weniger interessanten Artikel ihres Mannes Elisha. Nun wurde zwar Elishas Artikel vom britischen Philosophical Magazine übernommen, Eunices aber nicht. Einer der Herausgeber dort war John Tyndall. Vor diesem Hintergrund ist es schon merkwürdig, dass Tyndall bei seiner Entdecker-Behauptung bleiben konnte, und Footes Leistung erst 155 Jahre nach Henrys Vortrag wiederentdeckt wurde.
Maura Shapiro hält in Physics Today für unwahrscheinlich, dass Tyndall damit durchgekommen wäre, wenn Footes Artikel ausreichend bekannt geworden wäre. Dem berühmten Lord Kelvin war sehr am Thema, und Tyndalls Erzrivalen Peter Guthrie Tait sehr an einem Plagiatsnachweis gelegen. Footes Forschung sei schlicht von der gesamten europäischen Wissenschaftsgemeinde übersehen worden. Sie zitiert den Tyndall-Biographen Roland Jackson: "It is possible that readers saw Foote’s name and skipped over her paper because of her gender. Perhaps European bias came into play as well. Much like the country itself, the scientific infrastructure in the US was relatively new, and many European scientists looked down on the work of American scientists." Dass Foote sich nicht wehrte, könnte am Bürgerkrieg gelegen haben, der 1861 ausbrach, und an dem sie als Abolitionistin besonderes Interesse hatte.
Maura Shapiro in Physics Today: [Verknüpfung]
Roland Jackson: [Verknüpfung]
Royal Society: [Verknüpfung]


Preisgekrönter Dokudrama-Kurzfilm bei Youtube: [Verknüpfung]

Eine ausführliche Würdigung von Eunice Footes Arbeit geschah erst 2018 auf einem Symposium der University of California Santa Barbara UCSB - vielleicht auch, weil der Fall akribische Recherchen erforderte. Denn Tyndall ist ein britischer Nationalheld, das nationale Klimaforschungs-Institut trägt seinen Namen. Entsprechend musste sorgfältig argumentiert werden, und das tat v.a. John Perlin, der seit 2017 Tyndalls Entdecker-Anspruch ein "Verbrechen der Wissenschaft" nennt. Der Physiker Perlin wurde vom Nobelpreisträger Walter Kohn an die UCSB geholt. Perlin ist hochdekorierter Autor der Sachbücher "A Forest Journey", eines der Harvard's top 100 books, über die Geschichte der Waldnutzung, und "Let it shine", die Geschichte der Nutzung von Solarenergie.
Perlin bezeichnet Foote als die "Rosa Parks der Wissenschaft", Zitat: "She was the first woman to have a paper read at a major scientific meeting. She was the first woman to have a paper published in the proceedings of a major scientific meeting. She was the only woman to be published in serious physics journals until Madame Curie."
Von Tyndall dagegen zeichnet Perlin das Bild eines Serien-Plagiators, und nennt als weiteres Beispiel die Erfindung des Nebelhorns, das eigentlich auf den Kanadier Robert Foulis zurückgeht. Joseph Henry berichtete Tyndall bei einem Besuch davon. Tyndall entwickelte das System zwar weiter, bezeichnete sich jedoch fortan auch als der Erfinder. Perlin präsentiert dazu noch einen Artikel der feministischen Zeitung The Revolution vom 14. April 1868, in dem sich ausgerechnet Eunice Foote über die vielen Erfindungen beschwert, die von Frauen gemacht und von Männern patentiert worden seien - ihr Mann war Chef des US-Patentamts.
Bericht über Perlins Aufklärungsarbeit in Santa Barbara Independent: [Verknüpfung]
Filmtip: Gute Einsicht in Perlins umfangreiche Folien mit Anmerkungen gibt es in seinem Vortrag bei einer Videokonferenz der Solar Family 2020 bei Youtube: [Verknüpfung]
Perlins Vortrag bei einer Videokonferenz des New York Archives Magazine "Science knows no gender? Eunice Foote" 2020 bei Youtube: [Verknüpfung]
Vortrag beim UCSB-Symposium 2018 bei Youtube: [Verknüpfung]
Symposium der UCSB bei Youtube: [Verknüpfung]
Über das Symposium der UCSB: [Verknüpfung]
Katherine Wilkinson in Time zu Footes 200. Geburtstag: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2022 - Eunice Newton Foote]

Footes Tochter Augusta Foote Arnold schrieb 1901 mit "The Sea-Beach at Ebb-Tide" ein Buch über Küstenbiotope, das immer noch gedruckt wird und u.a. die Begründerin der Umweltbewegung Rachel Carson inspirierte.
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Eunice Foote ist auch als Unterzeichnerin der "Seneca Falls Declaration" für Frauenrechte 1848 bekannt. Ihre Geschichte inspirierte 2019 klimabewegte Frauen zur "Women’s Connected Leadership Declaration on Climate Justice" für mehr Verantwortung für Frauen weltweit. Dies ist auch die dritte von fünf Maßnahmen im Programm "Earth for All" des Club of Rome und das SDG-Ziel Nummer 5 der UN.
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The climate movement cannot succeed without an urgent upsurge in women’s leadership across the Global South and the Global North. Women and girls are already boldly leading on climate justice, addressing the climate crisis in ways that heal, rather than deepen, systemic injustices. Yet, these voices are often under-represented and efforts inadequately supported.
Now is the moment to recognize the wisdom and leadership of women and girls. Now is the moment to grow in number and build power. We invite all of our sisters to rise and to lead on climate justice, and for those with relative power and privilege to make space for and support others. To change everything, we need everyone.
Women’s Connected Leadership Declaration on Climate Justice
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1858

USA: John D. Rockefeller baut eine Raffinerie, Basis für sein Ölmonopol Standard Oil, mit dem er der erste Milliardär der Geschichte wird. Dabei geht er oft manipulativ vor. 1872 z.B. versucht er illegale Absprachen mit der Bahngesellschaft zu ungunsten seiner Wettbewerber. Nach dem Publizisten Jack Mulcaire hat Rockefeller Kerosinlampen verbilligt abgegeben, um die Kunden an sein so genanntes "Standard-" Öl zu binden, u.a. 8 Millionen in China. Das Öl ist durch spezielle Destillation frei von leicht flüchtigen Erdölbestandteilen, also weniger explosionsgefährlich. Die Lampe ist einfacher gebaut als bessere Lampen, die einen Explosionsschutz besitzen. Nutzt man die kostenlose Lampe mit dem billigen Öl der Konkurrenz, kann es zur Explosion kommen.
[SDI Research 2009 - Rockefeller-Prinzip 1901]
[Mulcaire 2015]
Die teilweise hochkriminellen Methoden seiner Monopolbildung sind dokumentiert, z.B. das Cleveland-Massaker und etliche Bestechungen. Sie inspirierten manches US-Gesetz, um dies im Sinne des Gemeinwohls zu unterbinden. Bis heute werden dennoch immer wieder Mittel und Wege gefunden, Monopole zu begründen.
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1859

Edwin Drake bohrt in Titusville in Pennsylvania zum ersten Mal mit einer Dampfmaschine erfolgreich nach Öl und begründet damit den US-Ölboom. Heute sind 3,2 Millionen verwaiste Bohrlöcher erfasst; aus vielen davon strömt bis heute Methan aus.
[Verknüpfung]

Der Ire John Tyndall, Mitgled der alt-ehrwürdigen Royal Society, veröffentlicht erste Ergebnisse umfangreicher Messungen zur Treibhausgas-Wirkung atmosphärischer Gase inklusive CO2 und Wasserdampf, drei Jahre nach der Veröffentlichung von Eunice Foote, die unter mysteriösen Umständen bis 2011 von der Fachwelt zuerst unterdrückt und dann vergessen wurde - ein Plagiat ist denkbar.

1861 fasst er seine Ergebnisse in Philosophical Transactions zusammen und beansprucht die Entdeckung des Treibhauseffekts von Wasserdampf und CO2: "The Bakerian Lecture. - On the absorption and radiation of heat by gases and vapours, and on the physical connexion of radiation, absorption, and conduction". Die Royal Society präsentiert den Artikel ohne jeden Hinweis auf die Kontroverse seit 2011 über das mögliche Plagiat - Tyndall ist Nationalheld und Namensgeber des nationalen Klimaforschungs-Zentrums.
[Verknüpfung]


1860

Frankreich: Lenoir entwickelt einen Zweitakt-Verbrennunsgsmotor, 1863 fährt Lenoir mit seinem Hippomobile 18km am Stück.
[Wikipedia 2019 - Automobil - Geschichte]
1872 erfindet und patentiert der Österreicher Christian Reithmann den Viertakt-Motor, der später als Otto-Motor bekannt wird. Reithmann verzichtete später im Patentstreit in einem Vergleich mit dem Besitzer der Deutz-Werke Eugen Langen - aus wirtschaftlichen Gründen.
Zeit: [Verknüpfung]


1871

Das Königshaus Preußen ist nach dem Sieg gegen Frankreich auf dem Höhepunkt seiner Macht. Wilhelm I. von Preußen nutzt den Moment zur Unterwerfung der anderen deutschsprachigen Kleinstaaten, die er zu einer Nation vereinte, dem Deutschen Kaiserreich.

Das Deutsche Reich schaffte jedoch nicht mehr den Anschluss an die europäischen Nachbarn, was die koloniale Ausbeutung der globalen Ressourcen betraf. Der Neid von Wilhelm II. auf seine europäische Königs-Verwandtschaft, und sein Dünkel einer zumindest kulturellen und wissenschaftlich-technischen Überlegenheit lösten den ersten Weltkrieg aus. Nach dessen opferreichen Verlust und der preußischen Abdankung nährte sich derselbe großdeutsche Größenwahn vom Hass auf die Siegermächte, und führte zum zweiten Weltkrieg.


1875

Jules Verne überspringt in seiner visionären Science Fiction das Ölzeitalter. Er schreibt in seinem Buch "Die geheimnisvolle Insel" begeistert über die Brennstoffzelle: "Das Wasser ist die Kohle der Zukunft. Die Energie von morgen ist Wasser, das durch elektrischen Strom zerlegt worden ist. Die so zerlegten Elemente des Wassers, Wasserstoff und Sauerstoff, werden auf unabsehbare Zeit hinaus die Energieversorgung der Erde sichern."
[Verne 1875]


1877

Otto-Viertaktmotor mit 3PS


1881

Gustave Trouvé präsentiert auf der Internationalen Strommesse in Paris ein Elektroauto.
Trouve trike 1881a.jpg
By G. Dupré ? - "Physique et Chimie populaires" Band 2, 1881-1883, Alexis Clerc (1841-1894), Public Domain, Link
[Wikipedia 2019 - Geschichte des Elektroautos]

Thomas Edison präsentiert Europa in Paris die elektrische Glühbirne. Emil Rathenau entwickelt daraus ein monopolistisches Geschäftsmodell, denn er sichert sich die Patente für Deutschland und gründet 1883 die Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektrizität, später AEG. Sie teilt sich im Kartell mit dem Generatoren-Hersteller Siemens den ersten deutschen Strommarkt auf. Die Dynamos wurden von Dampfmaschinen angetrieben.

Die Berliner Elektricitäts-Werke sind 1884 die erste deutsche Public-Private-Partnership, denn die Deutsche Edison-Gesellschaft kann öffentliche Flächen für die Installation ihrer Infrastruktur (z.B. Verteiler in Litfaß-Säulen) nutzen und der Berliner Senat erhält dafür 10% der Gewinne. Rathenaus Geschäftsmodell inspiriert Hugo Stinnes zum Aufbau des RWE.
Youtube: [Opitz 2014]

Edison selbst ist ebenfalls stark interessiert an Monopolen, die er durch Patente sichert.
Er liefert sich einen legendären Wettbewerb mit George Westinghouse um die Stromversorgung in den USA, der als Stromkrieg bekannt ist. Westinghouse kann den brillianten ehemaligen Edison-Mitarbeiter Nikola Tesla gewinnen, die Wechselstromtechnik zu entwickeln, die schnell in den USA zu einem Konkurrenten von Edisons Gleichstromtechnik wurde. 1891 wird die Überlegenheit der Wechselstrom-Anlagen von Westinghouse Electric am neuen Wasserkraftwerk Ames Hydroelectric Generating Plant für die Goldgruben-Industrie und der Drehstromübertragung Lauffen–Frankfurt über 176km deutlich, was als Entscheidung im Stromkrieg gilt.
[Wikipedia 2023 - Thomas Alva Edison]
[Wikipedia 2023 - Stromkrieg]
Ein Mitbewerber im Filmgeschäft, der Kamera-Erfinder Louis Le Prince, verschwindet auf mysteriöse Weise auf einer Zugreise. Danach betätigt sich Edison mit mafiösen Methoden auch im US-Filmgeschäft. Erst Carl Laemmle kann Edisons zahlreiche Patentklagen umgehen und gründet mit den Universal Studios die Filmstadt Hollywood.
Spektrum der Wissenschaft: [Verknüpfung]
Spektrum der Wissenschaft: [Verknüpfung]
Edison hat zwar den Strom- und den Filmkrieg verloren, aber er hält noch viele andere Patente, die er u.a. für Monopole nutzen kann. Seine Firma General Electric besteht bis heute.

Siemens baut die erste elektrische Eisenbahn mit Oberleitung. Die Vorläufer hatten noch eine Stromversorgung mit unterschiedlicher Polung der beiden Schienen bzw. über die Schienen und einem Mittenkontakt, was aus Sicherheitsgründen noch eine Absperrung durch Zäune erforderlich machte.
[Wikipedia 2023 - Geschichte des elektrischen Antriebs von Schienenfahrzeugen]


1886

Carl Benz baut den Patent-Motorwagen mit Otto-Motor, das erste in Serie gebaute Automobil.
[Wikipedia 2019 - Benz Patent-Motorwagen]


1890-1911

USA: Nach J.P. Morgans Eisenbahn- und Andrew Carnegies Stahlimperium wird John D. Rockefellers Monopol Standard Oil vom Staat zerschlagen. Federführend dabei war der Präsident Theodore Roosevelt, der von den Monopol-Kapitalisten zunächst als Vizepräsident kaltgestellt worden, und nur aufgrund eines Attentats auf den industriefreundlichen Präsidenten McKinley ins Amt gekommen war.

Die zeitgenössische Karikatur stellt Standard Oil als Kraken dar, der die USA im Würgegriff hält.
[Hengsterman 2017]

In Dänemark gehen die ersten elektrischen Windkraft-Anlagen in Betrieb, z.T. umgerüstete alte Windmühlen, versuchsweise auch zur Elektrolyse.
[Verknüpfung]


1891

Der Eisenbahn-Industrielle Leland Stanford gründet die Stanford University, drei Jahre später die benachbarte Universitätsstadt Palo Alto (mexikanisch "hoher Pfahl"). Dort wird von Anfang an das Bild von science and progress (Wissenschaft und Fortschritt) der weißen Rasse reproduziert.
Der erste Präsident war David Starr Jordan, ein Eugeniker, der sich um das "Blut der Nation" und die "Entartung der Rassen" sorgte, und der in Kalifornien einen neuen, verjüngten Menschentyp schaffen wollte.
Zeit: [Verknüpfung]

Von Stanford aus hat der Eugeniker Lewis Terman den Stanford-Binet IQ-Test etabliert, den er als Optimierungs-Instrument zur sexuellen Selektion der Eugenik propagiert und zur Rechtfertigung von Rassismus nutzt (racial IQ).
[Verknüpfung]
Lewis Termans Sohn Fred wird Stanford-Direktor und fördert dort die Halbleiter-Forschung, die für Rüstungszwecke intensiv vorangetrieben wird. Fred Terman gilt zusammen mit dem Eugeniker William Shockley als Begründer des Silicon Valley.
Shockley wird beschrieben als autokratisch, herrschsüchtig, unberechenbar, schwer zufrieden zu stellen und zunehmend paranoid. Acht seiner Mitarbeiter, die traitorous eight, verlassen 1957 Shockleys Team und gründen die eigene Firma Fairchild Semiconductor, aus deren Forschungsergebnissen viele weitere Firmen hervorgingen. Shockley wechselt als Professor nach Stanford, und wird dort auch bekannt für seine Ideen von Rassismus und Eugenik.
[Wikipedia 2023 - William Shockley - Shockley Semiconductor]
[Wikipedia 2023 - William Shockley - Views on race and eugenics]
Der Journalist Malcolm Harris beschreibt in seinem Buch Palo Alto das System der kapitalistischen Verwertbarkeit von patentierbarem Wissen, das schließlich zum Mindset der ausbeuterischen Plattform-Ökonomie wurde.


[Für diesen Managertyp] waren Konkurrenz und Dominanz, Ausbeutung und Ausschließung, Regierung durch Minderheiten und Klassenhass [...] keine Probleme, die kapitalistische Technologie löst. Sie waren der Zweck kapitalistischer Technologie. [...] Dies war Jordans Plan, Hoovers Plan, Shockleys Plan, und heute ist es Peter Thiels.
Malcolm Harris

Harris' negative Bilder seiner realen Protagonisten ähneln den Idealtypen der neoliberalen Vordenkerin Ayn Rand.


1896

Der spätere Chemie-Nobelpreisträger Svante Arrhenius (ein weitläufiger Verwandter von Greta Thunberg) schätzt die Klimasensitivität von CO2 auf 5°C, also knapp oberhalb des maximalen IPCC-Schätzwerts. Arrhenius verweist trotz dieses hohen Werts nicht auf die Gefahren der Entwicklung.
[Arrhenius 1896]


1898

Der Zechenbetreiber Hugo Stinnes betreibt mit dem Prozessdampf seiner Zeche Victoria Mathias in Essen seine erste Stromgenerator-Turbine.

1902 kauft Stinnes die Rheinisch-Westfälischen Elektrizitätswerke RWE. Stinnes vergibt Aktien an die Kommunen, die mit den RWE Versorgungsmonopol- (sogenannte Konzessions-) Verträge schließen, und stellt noch jedem Bürgermeister einen Dienstwagen zur Verfügung; etliche Kommunal- und Regionalpolitiker im Rheinland besetzen direkt lukrative Posten im Unternehmen. Damit sichert Stinnes die lukrativen Anschlussverträge, und steigt auf in die Riege der regionalen Strom-Monopolisten, 18 Jahre nach dem ersten Stromversorgungs-Monopol Emil Rathenaus in Berlin.
[Wikipedia 2023 - Hugo Stinnes - Rheinisch-Westfälische Elektrizitätswerke]
Nach einer Kartellabsprache zur Gebietsaufteilung, dem vermeintlichen "Elektrofrieden" von 1927, formiert sich unter weiteren Konkurrenzkämpfen und Geheimabsprachen bis Ende der 20er Jahre ein stables, nationales Stromkartell. Das RWE hat in diesem Kartell bis heute eine führende Rolle, seit 1948 wurde es erstmals öffentlich sichtbar organisiert, und zwar als eingetragener Verein.
[Wikipedia 2023 - Deutsche Verbundgesellschaft - Geschichte]
Das ist der historische Auftakt einer nationalen monopolkapitalistischen Basisversorgung in Deutschland mit Strom, später auch mit Erdgas, durch Konzerne, die ihre Kunden in enger Abhängigkeit halten. Diese Konzerne werden später zum Schutz ihres Geschäftsmodells die Energiewende jahrzehnte lang blockieren, ja Klimaskeptiker und eine Politik der Energiekehrtwende befördern; und sie haben damit zentrale Verantwortung für die ökozide deutsche Klimapolitik. Sie bilden von Anfang an einen Kern der Deutschland AG, die bis heute entscheidend die ökozide deutsche Politik bestimmt.
Sowohl in der Weimarer Republik, als auch im Dritten Reich, als auch unter dem Druck der Siegermächte in der Nachkriegszeit, scheiterten Ansätze der Verstaatlichung der Strom-Monopolisten - an Lobbyismus, Korruption und Drehtür-Beschäftigung von Politikern.
Verschiedene NGOs haben viele Klagen gegen die Geschäfte von RWE eingereicht. Das RWE-Tribunal ist ein zivilgesellschaftliches Bündnis verschiedener NGOs, das seit Jahren Belege für eine Anklage des Konzerns sammelt, und 2023 diverse Klagen eingereicht hat.
RWE-Tribunal: [Verknüpfung]
Wortlaut der Anzeige: [Verknüpfung]


Filmtip: Florian Opitz (dafür zum zweiten Mal ausgezeichnet mit dem Grimme-Preis 2015). Akte D - Die Macht der Stromkonzerne. ARD 2014.
Youtube: [Opitz 2014]




1901

Der schwedische Meteorologe Nils Ekholm knüpft an die Arbeit seines Freundes Arrhenius an und beschäftigt sich mit der erdgeschichtlichen Entwicklung von atmosphärischem CO2 und der Temperatur. Er sagt eine deutliche Erwärmung durch fossile Wirtschaft in den folgenden Jahrtausenden voraus, die die Rückkehr des Polareises verhindern werde, und erhofft die Fähigkeit der Menschheit, das Klima zu beeinflussen, als eine weitere Stufe der Evolution.
[Wikipedia 2024 - Nils Ekholm]
Studie: [Verknüpfung]
Pdf: [Verknüpfung]




1902

Sabatier und Senderens entwickeln ein Verfahren zur Synthese von Methan als Erdgas-Ersatz aus CO2 und H2 (Nobelpreis 1912).
[Wikipedia 2020 - Sabatier-Prozess]


1903

Theodore Roosevelt setzt als Präsident der USA fünf Jahre nach ihrem Sieg über die Kolonialmacht Spanien das Monopol auf den Panamakanal durch und begründet damit ihren Anspruch auf kontinentale Hegemonie. Um lokale Interessen auszuschalten, wird eigens der Staat Panama begründet.
[Wikipedia 2022 - Spanisch-Amerikanischer Krieg]
[Verknüpfung]


1905

Einstein beschreibt den photoelektrischen Effekt, auf dem die Energewende per Photovoltaik basiert. 1915 bekommt er dafür zu Recht seinen Nobelpreis (nicht, wie manche meinen, für die Relativitätstheorie).


1908

USA: Ford beginnt die Fließbandproduktion des Verbrenner-Autos Model T.


1900-1910

Elektrische Kutschen ersetzen zunehmend Pferdekutschen und beherrschen das Straßenbild in US-Großstädten; Ferdinand Porsche baut für Lohner (Wien) sein erstes Auto: ein Elektroauto mit Kontroller und Drehstrom-Radnabenmotoren - das Grundprinzip ist immer noch aktuell.
Lohner Porsche.jpg
Von Unbekannt - photo from 1902, Gemeinfrei, Link
[Wikipedia 2023 - Lohner-Porsche]







Inhalt




1910

Der elektrische Anlasser für den Verbrennungs-Motor bereitet dem Massen-Elektroauto ein (vorläufiges) Ende.


1911

Deutschland. Am 8. Juni gewährt das Kaiserliche Patentamt Berlin dem Karlsruher Chemieprofessor Fritz Haber mit dem Patent Nr. 235.421 das geistige Eigentum am Hochdruckverfahren zur Synthese von Ammoniak, aus Luftstickstoff und synthetischem Wasserstoff. Dieser stammt aus Synthesegas, das damals ebenfalls in einem neuen Verfahren durch Verschwelen von Kohle mit Wasserdampf erzeugt wird. Auch für die Wasserstoffdruckleitungen müssen eigens neue Stahlsorten, die Chrom-Nickel-Stähle, entwickelt werden, denn die herkömmlichen Kohlenstoffstähle verspröden und reißen zu schnell.
[Wikipedia 2023 - Water-gas shift reaction]
Haber verkauft das Patent an die BASF, mit der er zusammenarbeitet, zur Entwicklung großtechnischer Anlagen. Diese ist in höchstem Maße von nationalem Interesse, weil die preußischen Sprengstoffhersteller seit Jahren eine Blockade ihrer bisherigen Rohstoffversorgung mit Chilesalpeter befürchten - das ist Guano, ein ätzender natürlicher Mineraldünger aus Vogeldung und verwittertem Gestein, das von billigsten Arbeitskräften in den Kolonien von Felsen gekratzt wird, nicht selten unter Lebensgefahr.

Carl Bosch entwickelt das technische System 1910. Die erste industrielle Ammoniak-Synthese nach dem Haberschen Verfahren geht 1913 bei BASF in Ludwigshafen in Betrieb. Ende 1914 handelt Carl Bosch (BASF) in Abstimmung mit Carl Duisberg (Bayer) und dem Chemiker Emil Fischer, der schon früh das Potential von Ammoniak erkannt hat, mit der Obersten Heeresleitung OHL im "Salpeterversprechen" aus, dass für die Produktion der auch so genannten "Kriegschemikalie" Ammoniak 35 Millionen Reichsmark jährlich garantiert werden. Im Januar 1915 folgen entsprechende Verträge mit weiteren Unternehmen. Erst das ist der Start der Massenproduktion von Ammoniak in Deutschland, und nicht die Produktion von Stickstoffdünger.
Haber leitet ab 1914, von Anfang an, Forschung, Kampfausbildung und Feldversuche im Krieg mit tödlichem Giftgas, die seit 1899 in der Haager Kriegsordnung verboten sind. Die erste promovierte deutsche Chemikerin Clara Immerwahr, seine Frau und Mutter des gemeinsamen Sohnes Hermann, begeht 1915 wegen persönlicher Differenzen über die Kriegschemikalien Suizid, ein besonders tragisches Beispiel für die männlich-nationalistische Kultur, die im deutschen Kaiserreich auch die akademische Gesellschaft durchdringt.
Haber erhält 1918 dennoch den Nobelpreis für Chemie. Als Haber im zunehmend antisemitischen Deutschland als Jude in Ungnade fällt, geht ein weiterer Chemie-Nobelpreis 1931 dann auch der "Arier" Bosch. Der Preis ist gestiftet ausgerechnet vom Sprengstoffhersteller-Erben Alfred Nobel, der 20 Jahre lang mit der Friedensaktivistin Bertha von Suttner befreundet war, und Zeit seines Lebens nur ein einziges Patent für waffentauglichen Sprengstoff angemeldet hat. Zum Hintergrund der Preisverleihungen an Haber und Bosch gehört sicher, dass die wissenschaftliche Weltsprache der Chemie damals noch deutsch ist.
Etliche deutsche Chemie-Patente gehen nach dem Ersten Weltkrieg als Kriegsreparation an die USA, und spätestens nach dem Zweiten wird die unangefochtene Chemiker-Weltsprache schließlich Englisch. Im englischsprachigen Raum spricht man nur vom Haber process. 2007 wird einem weiteren Deutschen ein Chemie-Nobelpreis für das Verfahren verliehen an Gerhard Ertl, der den Mechanismus aufklärte - natürlich publiziert auf Englisch.
[Wikipedia 2023 - Salpeterversprechen]
[Wikipedia 2023 - Fritz Haber]
[Wikipedia 2023 - Carl Bosch]
[Wikipedia 2023 - Haber-Bosch-Verfahren]
[Wikipedia 2023 - Haber process]


1912

Weniger betroffen vom nationalistischen Muskelspiel in Europa, haben Menschen in Neuseeland wohl den Blick frei für eine vernünftige Reflexion der Klimawissenschaft. Am 14. August 1912 erscheint in der Rodney and Otamatea Times eine "wissenschaftliche Notiz" über die Klimaveränderung durch Kohleverbrennung. Die Erkenntnisse der Europäer Tyndall und Arrhenius haben sich auch ohne Internet bis zum anderen Ende der Welt herumgesprochen.

Der Wissenschafts-Journalist Alex Kasprak geht 2016 für die Faktenchecker-Plattform snopes der Behauptung von Klimaschutz-Gegnern nach, es handle sich um eine Fälschung - das ist nachweislich nicht der Fall. Der Artikel findet sich in der neuseeländischen Nationalbibliothek. Kasprak fand in der australischen Nationalbibliothek weitere zeitgleiche Artikel zum Thema, so in The Braidwood Dispatch and Mining Journal vom 17. Juli. Dieser wieder zitiert einen Artikel aus der März-Ausgabe des Magazins Popular Mechanics: "Remarkable Weather of 1911: The Effect of the Combustion of Coal on the Climate — What Scientists Predict for the Future".
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Nach seinem Aufsatz über "Die Energiequellen der Zukunft", in der er den Übergang von der fossilen zur solaren Energieversorgung beschreibt, prägt der Nobelpreiträger für Chemie 1909 Wilhelm Ostwald in seinem Buch "Der energetische Imperativ" den Energieeffizienz-Gedanken: "Vergeude keine Energie - nutze sie!"
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1913

Ägypten: In Maadi nimmt das erste solarthermische Kraftwerk in Parabolrinnen-Bauweise des US-Ingenieurs Frank Shuman seinen Betrieb auf. Mit 25PS aus einer Dampfturbine wird Wasser gepumpt. Kurz vor Beginn des Ersten Weltkriegs sagt der deutsche Reichstag Shuman 200.000RM zur Finanzierung einer größeren Anlage in Deutsch-Südost-Afrika zu. Deutschland war bei der Aufteilung ölreicher Kolonien leer ausgegangen.
[Wikipedia 2020 - Frank Shuman]

Erst Ende des 20. Jahrhunderts werden in Almeria (Spanien) neue Versuchskraftwerke errichtet. Etwa 100 Jahre nach Shuman macht man in Afrika mit dem Projekt Desertec einen neuen Anlauf für solarthermische Regelkraftwerke. Doch die Photovoltaik ist bereits wirtschaftlich derart überlegen, dass nur wenige Anlagen in Betrieb gehen.


1916

Der österreichische Arzt Sigmund Freud beginnt nach vielen Jahren wissenschaftlicher Überzeugungsarbeit unter Kollegen in Wien die Vorlesungsreihe "Elementare Einführung in die Psychoanalyse", die sein Werk weltweit berühmt machte. Freud geht aus von einem triebhaften, stark von Kindheitserfahrungen bestimmtem Unterbewussten, das von der Gesellschaft kontrolliert werden müsse.
Exemplarisch für diese Sichtweise ist die Tatsache, dass er die Masturbation seiner Tochter Anna zum Anlass für psychoanalytische Sitzungen hielt. Die Verbrechen der Nationalsozialisten nahm er als Bestätigung seiner Theorie.

Freuds Tochter Anna machte seine Theorien in den USA zu einem zivilgesellschaftlich bestimmenden Moment - möglicherweise begünstigt durch die puritanische Kultur. Anna Freud beförderte auch für den Austritt von Wilhelm Reich aus der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung IPV im Jahr 1934, der sich mit Freud über die Frage der Unterdrückung sexueller Bedürfnisse überworfen hatte.
Reich formulierte eine Theorie der psychischen Panzerung, die sich in erhöhter Anspannung bestimmter Muskelgruppen äußert. Daraus entwickelte er körpertherapeutische Ansätze, die bis heute weiterentwickelt wurden - die Vegetotherapie. Er starb 1957 in den USA im Gefängnis, wo er wegen Scharlatanerie einsaß - er hatte behauptet, mit seinen Apparaten eine bis heute nicht anerkannte Form von Energie, Orgon, für medizinische Zwecke nutzen zu können. Seine Bücher zum Thema wurden verbrannt. Erst in den 60er Jahren wurde seine analytische und therapeutische Leistung wieder erkannt.
[Wikipedia 2022 - Wilhelm Reich]
[Wikipedia 2022 - Vegetotherapie]
Freuds misanthropisches Menschenbild motivierte seinen Neffen Edward Bernays zur Manipulation der Massen durch Public Relations, die bis heute den konservativen Eliten zum Machterhalt dient.


1917

Sykes-Picot-Abkommen: Nach dem Zusammenbruch des osmanischen Reichs kommt es zur Aufteilung des ölreichen Nahen Ostens zwischen England und Frankreich.

Red-Line-Abkommen: erste Aufteilung von Ölförder-Gebieten zwischen Kolonialmächten

1. Weltkrieg: Der englische Admiral Winston Churchill entscheidet sich für den besseren Schiffstreibstoff: Diesel statt Kohle. Das entscheidet den Seekrieg mit Deutschland.

Flugbenzin ermöglicht den ersten Luftkrieg.

Der russische Dissident Vladimir Iljitsch Uljanow, ein Kommunist, wird aus seinem schweizer Exil mit einem geheimen deutschen Zug nach Russland gebracht. Dort führt er unter dem Namen "Lenin" die bolschewistische Revolution an, die nach dem Plan des Kaisers Wilhelm II die russische Front gegen Deutschland schwächen soll.

Unter Lenins Führung gerät das kommunistische Russland schnell von einer demokratischen Räteregierung zu einer blutigen Diktatur; Lenins letzter Widersacher Leo Trotzki wurde ermordet. Der grausame Höhepunkt der russischen Diktatur ist der Massenmord unter Josip Bros, der sich "Stalin" ("der Stählerne") nennt. Er kostet zig Millionen Menschen das Leben, und die Konkurrenz des sowjetischen Staatskapitalismus mit dem westlichen Privat-Kapitalismus beherrscht die Welt nach dem Zweiten Weltkrieg, dem "Kalten Krieg", in dem die Gegener sich atomar für eine vielfache Vernichtung der Welt aufrüsten. Als Maßnahme zur Entspannung beginnt der Westteil des zwischen den Gegnern gespaltenen Deutschlands den Import von russischem Gas.
Der autoritäre Nimbus der Union der sozialistschen Sowjet-Republiken UdSSR unter der Hegemonie Russlands überdauert ihren Zusammenbruch unter Michail Gorbatschow und Boris Jelzin 1989. Der als Präsident gestartete Wladimir Putin wird als Partner vom Westen abgelehnt. Er errichtet daraufhin eine neue Diktatur und bekennt sich offen zum großrussischen Erbe, und zu Stalin als staatsmännischem Vorbild. Nach der Vernichtung verschiedener westlich orientierter Regime in ehemaligen Sowjet-Nachbarländern lässt er 2014 in der Ukraine Gebiete mit russischer Bevölkerung wie den Donbass und die Krim besetzen. Die große Koalition unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) verkauft Putins Gaskonzern dennoch zentrale deutsche Gas-Infrastruktur. 2022 beginnt Putin einen Krieg zur vollständigen Annexion der Ukraine, durch die große russische Gas-Pipelines nach Deutschland verlaufen. Deutschland muss seine Energieversorgung von einem Tag auf den anderen neu aufstellen.


1918

Der britische hochdekorierte Mathematiker und Ökonom John Maynard Keynes steht der englischen Delegation bei den Versailler Friedensverhandlungen vor. Er warnt vor einer revanchistischen Politik gegenüber dem Kriegsverursacher Deutschland und tritt unter Protest von seinem Posten zurück. 1919 sagt er in seinem Buch The Economic Consequences of the Peace die sozialen Folgen voraus, die letztlich - finanziert von deutschem und auch amerikanischem Großkapital - zum Aufstieg des deutschen Faschismus führte.
Keynes tritt gegen unbedingten Liberalismus und für staatliche Wirtschafts-Intervention ein.

Auch unter dem Eindruck der Vorgänge in Deutschland bewegt er 1933 den US-Präsienten Roosevelt zum New Deal. Die Stabilisierung der Weltwirtschaft nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Abkommen von Bretton Woods wird von ihm entscheidend mitbestimmt.
[Wikipedia 2021 - John Maynard Keynes]


1919


Edward Bernays - Neffe des Begründers der Psychoanalyse Sigmund Freud - wählt als Berufsbezeichnung Public Relations Counsel. Neben seinem Konkurrenten Ivy Lee gilt er als Erfinder der PR. Bekannt wird Bernays zuerst mit dem Narrativ von Zigaretten als Vehikel der weiblichen Emanzipation.
[Wikipedia 2022 - Edward Bernays - Counsel on public relations]
Derweil gründet Ivy Lee im selben Jahr als Berater von John D. Rockefeller das American Petroleum Institute API, das bis heute die Interessen der US-Ölindustrie vertritt.

Lees API begründete und verbreitete die Ideologie des Fossilökonomismus, z.B. mit dem push (damalige PR-Sprache für Narrativ) "Oil for Progress", und das bis heute ein wichtiges PR-Organ der Ölindustrie darstellt.
Lee war bis zu seinem Tod in den Diensten Rockefellers. 1914 koordinierte er die Desinformations-Kampagne nach dem Ludlow-Massaker, bei dem Streikende einer Kohlemine mit Frauen und Kindern brutal erschossen worden waren. Lee wandelt mit der Zeit Rockefellers Bild vom meistgehassten Mann der USA zum verehrten Philanthropen. Später arbeitet er auch für Rockefellers deutschen Kooperationspartner IG Farben und die Nazis.
[Wikipedia 2022 - Ludlow-Massaker]
[Verknüpfung]
Amy Westervelt auf DeSmog Blog Podcast mit Naomi Oreskes und Bob Brulle (nur Text): [Verknüpfung]
Audio: [Verknüpfung]

Auch Bernays' Einfluss ging weit über die Werbung für Konsumprodukte hinaus. Er war geprägt vom misanthropischen Menschenbild seines Onkels Sigmund Freud. Bernays' Tochter attestiert ihrem Vater im Interview mit dem britischen Dokumentarfilmer Adam Curtis ein Selbstbild hoher geistiger Überlegenheit, vor allem gegenüber der Masse, die er für dumm hielt und zutiefst verachtete. Nach den Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und des Bolschewismus hielten neoliberale Kreise um den Ökonomen Walter Lippmann eine psychologische Steuerung der Massen durch eine ökonomische Elite für ein legitimes Werkzeug zur Erhaltung der Demokratie - und Bernays führte diesen Plan aus, er wurde zu einer zentralen Figur in der New Yorker High Society. Als Werbeprofi wusste er Bedürfnisse zu wecken und Ängste zu schüren. Das Narrativ, der Mensch sei als Homo oeconomicus unfähig zu Solidarität, und Konsum und Wachstum deshalb unabdingbare Voraussetzungen für sozialen Frieden, bestimmt bis heute die Politik, besonders nach dem Durchbruch des Neoliberalismus unter Ronald Reagan.
Die Fähigkeit zu Empathie, Solidarität und Teilen lernt man in der Kindheit. Manche Menschen schaffen dieses Stadium der Sozialentwicklung nicht, und im Neoliberalismus wird der infantile Egoismus schließlich zur Tugend erhoben. Die Bearbeitung von Gefühlen, wie z.B. in der gewaltfreien Kommunikation, wird von Konservativen bestenfalls als nebensächlich, bei tendentiell autoritär Denkenden sogar als schädlich verstanden. Deshalb ist auch die Berufs-, Schul- und Medienwelt nach wie vor vollkommen kopflastig, und deshalb ist es für PR-Profis so einfach, die Massen zu manipulieren.
Das Schüren der Angst vor einem Sozialkonflikt, sowohl die Angst vor Freiheitseinschränkungen des Einzelnen als auch die Angst vor der Wut der anderen, ist heute noch das wirkungsvollste Werkzeug der Klimaschutz-Bremser. Die Idee der PR-Agentur Ogily & Mather, mit dem Carbon Footprint die Verantwortung der Eliten für den Ökozid auf die Konsument:innen (respektive Bürger:innen) abzuwälzen, steht letztlich in Bernays' Tradition.
Filmtip: Adam Curtis. The Century of the Self. BBC. Großbritannien 2002
Zitat Curtis: "Diese Serie handelt davon, wie die Mächtigen Freuds Theorien dazu verwendet haben, die gefährliche Volksmenge im Zeitalter der Massendemokratie zu analysieren und zu kontrollieren."
[Wikipedia 2022 - The Century of the Self]
Teil 1: Happiness machines: [Verknüpfung]
Teil 2: The Engineering Of Consent: [Verknüpfung]
Teil 3: There is a Policeman Inside All Our Heads; He Must Be Destroyed: [Verknüpfung]
Teil 4: Eight People Sipping Wine in Kettering: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2022 - Adam Curtis]




1922

Der Vorstand des US-Autobauers General Motors Alfred P. Sloan setzt eine Arbeitsgruppe ein, die den Ersatz elektrischer Straßenbahnen durch Busse durch Lobbyarbeit und Korruption betreiben soll. Das Projekt führte später zu einem Skandal und z.T. zu gerichtlichen Verurteilungen.
[Wikipedia 2019 - Großer Amerikanischer Straßenbahnskandal - Geschichte]
Pacific-Electric-Red-Cars-Awaiting-Destruction.jpg
Von Los Angeles Times - http://digital2.library.ucla.edu/viewItem.do?ark=21198/zz0002tqg9, Gemeinfrei, Link

Günther Quandt, dessen Industrie-Imperium auf Uniformen für den Ersten Weltkrieg basiert, kauft systematisch Firmenanteile der Akkumulatorenfabrik AFA, später VARTA.

1928 erwirbt er die Mehrheit der Berlin-Karlsruher Industrie-Werke AG, die während des Ersten Weltkriegs noch als Deutsche Waffen- und Munitionsfabriken AG DWM riesige Mengen Munition produzierte, und noch unter einem Produktionsverbot der Siegermächte steht.
Schon lange vor der Machtergreifung 1933 unterstützt Quandt Adolf Hitler finanziell und ideell. Er und seine zweite Frau Magda sind wichtige Akteure in der faschistischen Berliner High Society, die in Hitlers Kreisen verkehren. Dabei trifft Magda auf den späteren Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, den sie 1931 heiratet. Trauzeuge ist Adolf Hitler, dem der Goebbels-Biograph Peter Longerich ein sexuelles Interesse an ihr nachsagt; er spricht von einer "Dreiecksbeziehung". Magda Goebbels besetzt im Dritten Reich die Rolle der First Lady. Ihr gemeinsamer Sohn mit Günther Quandt, Harald, wird dabei von Kindheit an als arischer Vorzeige-Mensch vorgeführt, und bleibt in dieser Rolle bis zum Kriegsende in den deutschen Medien präsent; Goebbels lässt ihn und seine sechs Kinder mit Magda als deutsche Vorzeigefamilie inszenieren. Günther Quandt bleibt Hitler verbunden, er gehört zum engsten Kreis der Industriellen um Hitler, die vom Krieg enorm profitieren werden.
[Wikipedia 2023 - Magda Goebbels]




1925

D: Fischer und Tropsch entwickeln das Sabatier-Verfahren weiter zur Synthese flüssiger Kohlenwasserstoffe (Erdöl-Ersatz) aus Wassergas - einem CO- H2- Gemisch aus der Vergasung von Kohle mit Wasserdampf, weshalb das Verfahren auch landläufig als "Kohle-Verflüssigung" bezeichnet wurde.
[Wikipedia 2019 - Fischer und Tropsch 1925]
Es erlaubt bald dem Nazi- und später in noch viel größerem Umfang dem Apartheids-Regime den Ersatz von Rohöl. Die nazideutschen Anlagen werden nach dem Krieg von den Westmächten demontiert, im Osten werden die Leuna-Werke weiterbetrieben.
[Wikipedia 2022 - BRABAG]
Aus dieser Vorarbeit wurden etwa 100 Jahre später die Verfahren P2X und Sun-to-X entwickelt.


1928

Schottland: As-Is- oder Achnacarry-Abkommen der sog. Seven Sisters

Auf Achnacarry Castle (damals Eigentum von H. Deterding) kommt es zur Absprache von Henry Deterding (Shell), Walter C. Teagle (Standard Oil (Rockefeller)) und John Cadman (Anglo-Persian Oil Company, später British Petrol BP) über die Aufteilung des globalen Ölmarkts; das Kartell ist 1952 durch einen US-Senatsausschuss bekannt geworden, benannt als "Seven Sisters" durch Eni-Chef Enrico Mattei.
[Wikipedia 2019 - Achnacarry-Abkommen 1928]
[Bamberg 1994]
[Haberman 2002]
[Corsetti 2010]
[Vassilou 2018]


1929

Der jahrelange Aktienboom in den USA findet am Schwarzen Donnerstag, dem 24.10., ein jähes Ende. Die Krise wird ausgelöst von Kleinanlegern, denen gierige Banken massenhaft Kredite für den Aktienkauf gewährt haben, selbst als der Markt schon lange überhitzt ist. Deren Überschuldung löst eine Vertrauenskrise bei den Banken aus - eine jahrelange schwere Depression folgt, die erst durch Roosevelts Staatsintervention New Deal beendet wird.
[Verknüpfung]
Die folgende weltweite Wirtschaftskrise ist tiefgreifend. In Deutschland wird sie verschärft durch vorzeitige Rückforderung von Krediten aus den USA, die das durch Reparation belastete Land in die Hyperinflation stürzt. Eine verfehlte liberal-konservative Austeritätspolitik tut ihr Übriges dazu. Die verantwortlichen rechtskonservativen Kreise geben erfolgreich dem internationale Judentum die Schuld und stellen die Sozialisten als deren Helfer dar: der Weg führt in den nationalistischen Faschismus.


1932

Unterstützung der NSDAP durch die Fossil- und Rüstungsindustrie

Die Großindustrie betreibt aktiv die Schwächung der parlamentarischen Demokratie in der Weimarer Republik; manche Industrielle wie Quandt, Thyssen und Deterding (Shell) unterstützen Hitler finanziell schon vor der Machtergreifung. Deterding siedelt 1936 von den Niederlanden nach Deutschland über.
[Wikipedia 2019 - Großindustrie und Aufstieg der NSDAP]
[Wikipedia 2022 - Industrielleneingabe]

In den Wirren vor der Machtergreifung konzentriert sich die Unterstützung durch Industrielle nicht nur auf Hitlers Partei NSDAP. Ihre reaktionären Tendenzen zur Zerschlagung der Weimarer Republik sind jedoch genauso unstrittig wie die Nazi-Aktivitäten einzelner Protagonisten.
[Wikipedia 2023 - Großindustrie und Aufstieg der NSDAP]
Obwohl Deutschland wirtschaftlich vom verlorenen Ersten Weltkrieg, horrenden Reparationsforderungen und Wirtschaftskrise gezeichnet war, trieb der vormals gescheiterte Putschist Hitler wie lange angekündigt die Wiederaufrüstung Deutschlands voran. Sie wurde anschubfinanziert durch Kriegsanleihen, die die deutsche Großindustrie von Finanzminister Hjalmar Schacht erwarb, sogenannte Mefo-Wechsel. D.h. sie liehen dem Staat das Geld für einen Krieg, von dem sie sich Rückzahlung plus Rendite versprachen. Zwangsarbeit, eine besonders menschenverachtende Form der Externalisierung, verbilligte die Produktion massiv und erhöhte damit die Profite.
Die Aufrüstung verschaffte deutschen Konzernen der chemischen, Schwer-, Waffen-, Automobil- und Flugzeugindustrie gigantische Wachstumsraten. Das chemische Industriekonglomerat IG Farben wurde nach dem Krieg zerschlagen, die größten Tochterkonzerne existieren noch heute. Die übrigen Hersteller ließ man größtenteils nach dem Krieg weiterexistieren, viele bis heute. Es fand keine Enteignung der Eigentümer statt.
Hitlers Aufstieg wurde vom mächtigsten Mann der USA aus unterstützt: John D. Rockefellers Standard Oil kooperierte mit der amerikanischen Tochter German Dye Trust der deutschen IG Farben, und sie teilten sich einen hochbezahlten Berater: Ivy Lee, neben Edward Barneys als Erfinder der Public Relations (deutsch etwa "Öffentlichkeitsarbeit") bekannt.
US-Botschafter William Dodd beschuldigt Lee später, 1933 auch Goebbels und Hitler beraten zu haben, als das Nazi-Regime in den USA sehr schlechte Presse bekam. Eine massive Aufstockung Lees Gehalts ist verbürgt; es kommt jedoch zu keiner Verurteilung, denn Lee stirbt während der Anhörungen an einem Hirntumor.
Auch andere gewichtige US-Investoren kooperierten mit Hitler.
[Wikipedia 2019 - Adolf-Hitler-Spende der deutschen Wirtschaft]


1933

Nach der Machtergreifung unterstützten die verbliebenen, nichtjüdischen Vertreter des deutschen Großkapitals und der Großindustrie Hitler, jetzt bei der Stabilisierung der neuen Diktatur. Am 20. Februar 1933 fand z.B. auf Einladung Hermann Görings ein Geheimtreffen statt. Auch vorher reservierte Akteure schlagen sich aus Opportunismus auf die Seite des Diktators, auch um Nachteile zu vermeiden.

  • Gustav Krupp von Bohlen und Halbach, (Vorsitzender des Präsidiums des Reichsverbandes der Deutschen Industrie)
  • Albert Vögler (erster Vorstandsvorsitzender der Vereinigte Stahlwerke AG)
  • Fritz Springorum (Hoesch AG)
  • Ernst Tengelmann (Vorstandsvorsitzender der Gelsenkirchener Bergwerks-AG)
  • August Rosterg (Generaldirektor der Wintershall AG)
  • Ernst Brandi (Vorsitzender des Bergbauvereins)
  • Karl Büren (Generaldirektor der Braunkohlen- und Brikett-Industrie AG, Vorstandsmitglied der Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände)
  • Günther Heubel (Generaldirektor der C. Th. Heye Braunkohlenwerke AG, Vorstandsmitglied der „Vereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände“)
  • Georg von Schnitzler (Vorstandsmitglied der I.G. Farben)
  • Hugo Stinnes junior (Vorstandsmitglied des Reichsverband der Deutschen Industrie, Mitglied des Aufsichtsrats des Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats)
  • Eduard Schulte (Generaldirektor Giesches Erben, Zink und Bergbaubetrieb, später Widerständler)
  • Fritz von Opel (Vorstandsmitglied der Adam Opel AG)
  • Ludwig von Winterfeld (Vorstandsmitglied der Siemens & Halske AG und Siemens-Schuckert-Werke AG)
  • Wolf-Dietrich von Witzleben (Leiter des Büros von Carl Friedrich von Siemens)
  • Wolfgang Reuter (Generaldirektor der Demag, Vorsitzender des Vereins Deutscher Maschinenbau-Anstalten, Präsidialmitglied des Reichsverbands der Deutschen Industrie)
  • Günther Quandt (Großindustrieller, aufgrund seiner Unterstützung des Regimes späterer Wehrwirtschaftsführer)
  • August Diehn (Vorstandsmitglied der Wintershall AG)
  • Hans von und zu Löwenstein (geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Bergbauvereins)
  • Ludwig Grauert (Geschäftsführer des Arbeitgeberverbandes der Nordwestlichen Gruppe des Vereins Deutscher Eisen- und Stahlindustrieller)
  • Friedrich Flick
  • Kurt Schmitt (Vorstandsmitglied der Allianz AG)
  • August von Finck (im Dritten Reich reichster Deutscher, war in zahlreichen Aufsichtsräten und Fachgremien)
  • Erich Fickler (Generaldirektor der Harpener Bergbau AG, Aufsichtsratsvorsitzender Rheinisch-Westfälischen Kohlen-Syndikats, Vorstandsmitglied des RDI, Mitglied diverser Aufsichtsräte)
  • Paul Stein (Vorsitzender und Generalbevollmächtigter der Gewerkschaft Zeche Auguste Victoria in Marl-Hüls und Verwaltungsratsmitglied der I.G. Farben)
  • Herbert Kauert (Vorstandsmitglied der Gelsenkirchener Bergwerks-AG)
[Wikipedia 2022 - Geheimtreffen vom 20. Februar 1933]

Der jüdische Maschinenbau-Ingenieur Josef Ganz hat ganz ohne Entwicklerstab als Autojournalist ein zukunftsweisendes Fahrwerkskonzept erfunden - mit Pendelachse und Quermotor. Am 21. Mai wird er verhaftet, und geht danach ins Exil, letztlich nach Australien, wo er 1967 verarmt stirbt. Das Konzept seines Modells Maikäfer hat er Hitler auf der Automobilausstellung noch persönlich vorgestellt, und ist in vielerlei Hinsicht Vorlage für den KdF-Wagen, für dessen Produktion Ferdinand Porsche in Wolfsburg ein riesiges Werk erichten lässt. Nach dem Krieg werden die Patente zwei Entwicklern des tschechischen Herstellers Tatra zugesprochen, und das Auto schlägt als Volkswagen Käfer alle Verkaufsrekorde.
[Wikipedia 2023 - Josef Ganz]
[Wikipedia 2023 - Ferdinand Porsche]

Während die Nazis mit diesem Geld Deutschland aus der Wirtschaftskrise holen, indem sie zum nächsten Weltkrieg rüsten, startet in den USA Theodore Roosevelt ein ziviles Aufbauprogramm, den New Deal. Er orientiert sich - im Gegensatz zur Deregulationspolitik seines libertären Vorgängers Hoover - am Staatsinterventionismus des britischen Ökonomen John Maynard Keynes. Historiker unterschieden Roosevelts Maßnahmen nach der Nachhaltigkeit ihrer Wirkung: kurzfristig (relief), mittelfristig (recovery) und langfristig (reform).
[Wikipedia 2020 - New Deal]
Durch die Sozialreformen und die Regulierung des Bankensystems hat Roosevelt die Demokratie der USA bewahrt. Er war mit 12 Amtsjahren der amtsälteste Präsident der USA und starb im Amt kurz vor Ende des zweiten Weltkriegs.
Zeit: [Verknüpfung]

Der autoritäre saudi-arabische Staatsgründer Abd al-Aziz ibn Saud, der den Staat ab 1902 mit Hilfe radikalislamischer Milizen erobert hatte, verkauft eine 60-jährige Ölbohrlizenz Ostarabiens für 175.000$ an die US-Ölfirma SoCal. Diese setzt bei Probebohrungen in den folgenden fünf Jahren etliche Millionen von US-$ buchstäblich in den Sand, so dass die Investoren kurz vor dem Abbruch des Projekts stehen. Am 04. März 1938 sprudelt aus der Probebohrung im Fischerort Dammam plötzlich eine riesige Menge Öl, 255.000l. Die Amerikaner nennen Saudi-Arabien seitdem den Hauptgewinn in der Weltgeschichte. Noch 2019 werden die saudischen Vorkommen mit einem Sechstel als die zweitgrößten der Welt geschätzt, mit einem Großteil in der Ostprovinz.
[Wikipedia 2022 - Dammam]


The United States certainly hit the jackpot by securing a monopoly oil concession in Saudi Arabia.
Manfred Weissenbacher
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Der britische Verlag Foyles schreibt über das 2009 erschienene Buch "Sources of Power: How Energy Forges Human History" des Autors Manfred Weissenbacher (Department of Politics, Philosophy and Management at Copenhagen Business School): "The standard of energy technology is the most determining factor for the fate of human societies. Those who command more energy dominate others and impose their interests or values onto them. Manfred Weissenbacher, the author of "Sources of Power" believes that his latest work will change the way world history is being viewed and taught. In this two-volume set, the main thesis holds that command of energy has been the most critical determinant in human societal and political history, and will thus also decide the future fate of societies and nations. Targeted to a general audience of readers, this is a concise and accessible merger of technological, economic and political history that ultimately leads to an analysis of the current global situation to provide a roadmap towards a prosperous and peaceful future for all. Those who liked (or disliked) Jared Diamond's "Guns, Germs, and Steel" will especially enjoy reading "Sources of Power" as it removes a major flaw of Diamond's thesis by integrating it into a larger energy theory of history that holds good beyond the 16th century, all the way to the present, and even beyond."
🎞Filmtip: 1929 - der große Börsencrash
Teil 1: Schwarzer Donnerstag
[Verknüpfung]
Teil 2: Der Kampf gegen die Krise
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Die Regulierung des Bankensystems umfasste mit dem Glass-Steagall-Act auch die Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken, um Spekulationen mit Spareinlagen zu vermeiden. So wurde das Risiko von Bank Runs, bei denen sich Sparer massenhaft ihre Guthaben in Bargeld auszahlen lassen, vermindert.
[Wikipedia 2020 - Glass-Steagall-Act]

Die Aufhebung des Glass-Steagall-Act 1999 gilt als einer der wichtigsten Auslöser der Subprime-Krise 2008.
In den 1960er Jahren greift Präsident Lyndon B. Johnson mit dem Programm Great Society Roosevelts Politik wieder auf. Es dauert ein halbes Jahrhundert des Neoliberalismus, bis Joe Biden nach dem Sturm eines von Wahlverlierer Donald Trump aufgehetzten rechtsextremen Mobs auf das Kapitol an Roosevelt anknüpft.


1935

Geschäfte der US-Fossilindustrie mit Nazi-Deutschland und Japan

  • D: US-Ölunternehmer Fred C. Koch baut 1935 in Hamburg die drittgrößte deutsche Raffinerie, u.a. für Flugbenzin, und äußerte sich bewundernd über den Faschismus. Seine Söhne gehören zu den reichsten Menschen der Welt und ihre vielfältige finanzielle Unterstützung klimaskeptischer Denkfabriken ist bekannt.
    [Wikipedia 2019 - Fred C. Koch]
  • Walter C. Teagle (Standard Oil) wird nach dem 2. Weltkrieg angeklagt wegen Geschäften mit Deutschland und Japan während der Kriegsblockade.
    [Wikipedia 2019 - Walter C. Teagle]
  • Prescott Bush (Geschäftsführer der Brown Brothers Harriman Bank) macht vor Kriegsausbruch viele Geschäfte mit Nazi-Deutschland. Gegen ihn werden nach dem Krieg Anklagen wegen Gewinnen aus Zwangsarbeit erhoben. An der Union Banking Corporation, die wegen Geschäften mit Nazi-Deutschland enteignet wird, hat er Anteile. U.a. mit der Entschädigung daraus baut er sein Ölgeschäft auf, das von seinem Sohn und Enkel (beide US-Präsidenten) fortgeführt wird. Er unterstützt US-Präsident Eisenhower und wird zu einem wichtigen Mentor von US-Präsident Nixon.
    [Wikipedia 2019 - Prescott Bush]
  • Henry Ford, dessen antisemitische Schriften selbst Hitler inspirierten, betrieb in Nazi-Deutschland kriegswichtige Fabriken, die pikanterweise von den USA von Bombardements verschont wurden.
    [Wikipedia 2020 - Henry Ford - Henry Ford und der Nationalsozialismus]

USA: Beginn der Dust-Bowl-Katastrophe, einer großflächigen Winderosion im mittleren Westen der USA, die ihre Ursache in Bodendegradation durch jahrelange Humus-oxidierende Landwirtschaft hat.
1939 erscheint der Roman "Früchte des Zorns" von John Steinbeck über die Katastrophe und die Migration der Bauern nach Kalifornien. Er wird zuerst von rechtskonservativen Politikern in Kalifornien verboten und öffentlich verbrannt; 1940 erhält Steinbeck für seinen epochalen Bestseller den Pulitzer-Preis.
[wikipedia 2020 - Dust Bowl]


1937

Schweiz: Baur und Preis bauen eine Hochtemperatur-Brennstoffzelle mit Festkörper-Elektrolyt; sie eignet sich auch zur elektrolytischen Wasserstoffproduktion und wird zunächst in der Sowjetunion weiterentwickelt.
[Wikipedia 2019 - Geschichte der Brennstoffzellen]
[Baur und Preis 1937]


1938

Der Ingenieur Guy Stewart Callendar veröffentlicht eine Abschätzung der Klimasensitivität von CO2 von 2K, die als Callendar-Effekt bekannt wird. 30 Jahre später präzisieren Computer mit den ersten Klimamodellen um eine Stelle auf 2,3K. Heute wird sie vom IPCC auf 3K geschätzt.
Callendar erhofft für die Menschheit das Ausbleiben der nächsten Kaltzeit.
[Wikipedia 2019 - Callendar 1938]


1939-1945

Zweiter Weltkrieg: Hitler versucht erfolglos, Ölquellen in Nordafrika (General Rommel in Tobrug) und Aserbaidschan (General Paulus in Stalingrad) zu erobern und betreibt parallel eine Produktion von Ersatz-Treibstoff aus Kohle ("Kohle-Verflüssigung" durch Fischer-Tropsch-Synthese bei diversen Unternehmen, die größte darunter BRABAG).

1950 baut Südafrika große Kapazitäten der Fischer-Tropsch-Synthese. Die Firma Sasol gibt es heute noch.

In seinen Werken lässt er Günther Quandt schätzungsweise 50.000 Zwangsarbeiter unter oft tödlichen Bedingungen leiden; allein im AFA-Werk Hagen werden nachweislich 5200 Zwangsarbeiter beschäftigt, 1500 davon sind in einem eigenen Konzentrationslager interniert, dem KZ Hannover-Stöcken.
[Wikipedia 2023 - Günther Quandt - Quandt und die NSDAP]
[Wikipedia 2023 - KZ Hannover-Stöcken (Akkumulatorenwerke)]

Nach dem Krieg kann Quandt sich unter dem unglaublichen Vorwand der NS-Verfolgung einer Verfolgung entziehen - auch weil die britischen Besatzer wichtige Dokumente zurückhalten, um die Akku-Produktion der AFA in ihrem Sektor nicht zu gefährden. So führen er und seine Nachfahren nach dem Krieg die Geschäfte weiter; besonderes Wachstum erfährt die PKW-Produktion unter der Marke Bayerische Motoren-Werke BMW.
Die Aufklärung der Verbrechen Günther Quandts erfolgt erst 2007 in einer Dokumentation des NDR.
Zeit: [Verknüpfung]
Daraufhin beauftragt die Familie Quandt den Historiker Joachim Scholtyseck, die übrigen Fakten ans Licht zu bringen, bevor andere es tun. Die Zeit berichtet, Chefredakteur Giovanni di Lorenzo und Rüdiger Jungblut führen mit Stefan und Gabriele Quandt ein Interview.
Handelsblatt: [Jungblut 2011]
Zeit: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
2013 kommt die medienscheue Familie wegen einer Großspende an die CDU erneut in die Schlagzeilen, nach der die Merkel-Regierung unter Kanzleramtsminister Eckehard von Klaeden die EU-Grenzwerte für PKW-Emissionen aufgeweicht hat. Von Klaeden wird unmittelbar danach Cheflobbyist bei Daimler-Benz.
Der niederländische Finanzjournalist David de Jong deckt 2022 in seinem Werk "Braunes Erbe" die Nazi-Vergangenheit der Milliardärs-Dynastien Quandt, von Fink und Oetker auf. De Jong produziert auch ein Youtube-Video, das wichtige Punkte zusammenfasst: "Germany: The Dark Secrets of the Super Rich".
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Filmtip:
Das Schweigen der Quandts. NDR 2007.
Youtube: [Verknüpfung]


Filmtip:
Germany: The Dark Secrets of the Super Rich. fern 2023
fern bei Youtube: [Verknüpfung]

Siemens ist bereits eine riesige Tradtionsmarke in Deutschland für Elektrogeräte, gegründet 1847 als Telegraphen-Hersteller. Im Zuge der Aufrüstung in Nazi-Deutschland wird sie zum größten Elektrogerätekonzern der Welt, größer als General Electric. Zitat Wikipedia: "Im Verlauf des Krieges wurden Produktionsstätten in alle Gegenden Deutschlands und in die besetzten Gebiete ausgelagert, wo auch Siemens in großem Umfang „Fremdarbeiter“ sowie Zwangsarbeiter (auch sogen. „Ostarbeiter“) ausbeutete. Für die Rüstungsproduktion ließ Siemens & Halske ab Juni 1942 Fertigungsbaracken in unmittelbarer Nähe zum Frauen-KZ Ravensbrück errichten. [...] Es wurde bald in zwei Schichten gearbeitet außer am Wochenende, weil in dem Betrieb auch Zivilarbeiterinnen beschäftigt waren. Diese Zivilarbeiterinnen der Firma Siemens-Halske unterstanden dem Betriebsleiter und Ingenieur Otto Grade als Angestellte.
Siemens produzierte in Auschwitz und Lublin mit von der SS angemieteten KZ-Häftlingen. [...] Der von 1941 bis 1956 amtierende Firmenchef Hermann von Siemens wurde 1945 zeitweise im Nürnberger Kriegsverbrechergefängnis interniert und als Zeuge vernommen, jedoch kam es nicht zur Anklage. Er gab dem Unternehmen wichtige Impulse für den raschen Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg von München und Erlangen aus."

Siemens ist ein Musterbeispiel für einen Staat im Staate, der sich dem Ideal marktwirtschaftlicher Regeln, wie Adam Smith sie beschrieb, durch den Missbrauch von Industriemacht, durch Unterlaufen internationaler Abkommen, Korruption und Menschenrechtsverstöße immer wieder entziehen konnte, und dies bis zum heutigen Tage tut. Ein besonders krasses Beispiel für die Schattenseiten des Begriffs "Deutschland AG".

  • 1914: Verwicklung von Siemens Vickersin einen Korruptionsskandal, in dessen Folge die japanische Regierung Yamamoto zurücktritt
    [Wikipedia 2024 - Kabinett Yamamoto I]
  • 1964-1985: Unterstützung der brasilianischen Militärdiktatur
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  • 1985: größter deutscher Arbeitgeber in Südafrika, wo die Apartheids-Politik unter hohem internationalen Sanktionsdruck steht; Zitat aus einem Interview mit dem Siemens-Geschäftsführer in Johannesburg, Werner F. Zieler:
    "Investitionsüberlegungen richten sich bei uns nach wirtschaftlichen Kriterien und nicht nach politischen."
    [Verknüpfung]
  • 1996: Verurteilung von Siemens-Mitarbeitern in Deutschland wegen Korruption
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    Singapur schließt Geschäfte mit Siemens für 5 Jahre aus
    [Verknüpfung]
  • 1994-2004: größter internationaler Korruptionsskandal in Deutschland - allein 25 Empfängerländer sind bekannt, darunter auch autoritäre Terror-Regimes - 1,3 Mrd. Schmiergeld, 2,4 Mrd. Strafe
    [Verknüpfung]
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  • 1997: breit angelegte Korruption von Siemens Hellas in Griechenland - der Name Siemens ist dort verrufen
    [Verknüpfung]
  • 1999-2001: Siemens Italia steht im Verdacht, in Staaten des Mittleren Ostens Bestechung praktiziert zu haben.
    [Verknüpfung]
  • 2008-2009: Siemens verkauft entgegen eines internationalen Embargos Abhörtechnik an Iran
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    [Verknüpfung]
  • 2009 Verdacht: Siemens liefert entgegen eines internationalen Embargos Atomtechnik nach Iran
    [Verknüpfung]
  • 1999-2015: Korruption in Brasilien
    2013: Beteiligung am U-Bahn-Kartell von Sao Paolo 2015: Druck auf Brasilien, die Bestrafung wegen Korruption auszusetzen
    [Verknüpfung]
  • 1999-2016: Menschenrechtsverstöße bei Wasserkraft-Projekten, Zitat: "Zwangsumsiedlungen, Gewalt und Morde: Siemens und Voith sind mitschuldig an Menschenrechtsverletzungen in Ländern wie Honduras, Brasilien, Kolumbien und China. Das Hintergrundpapier „Schmutzige Geschäfte mit Wasser“ von Oxfam und GegenStrömung dokumentiert die Rolle der beiden deutschen Konzerne im Zusammenhang mit mehreren umstrittenen Wasserkraftprojekten."
    [Verknüpfung]
  • 2007: Korruption mit einem Diktator in Nigeria
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  • 2010: Anklage wegen Untreue - Führen Schwarzer Kassen
    [Verknüpfung]
  • 2016: Beteiligung an der Ausbeutung der Westsahara durch Marokko
    [Verknüpfung]
  • 2018: Korruption in China
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  • 2019: Geschäfte mit Russland und Weißrussland
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
  • 2013: Kooperation mit dem aserbaidschanischen Autokraten Alijew; Korruption und Geldwäsche in der Gasversorgung von Malta; es kam zur Ermordung der investigativen Journalistin Daphne Caruana Galizia; Zitat:
    "Was passiert, wenn sich zu einem eng verwobenen Geflecht von Wirtschaft und Staat auch noch international agierende Kriminelle gesellen, die ebenfalls versuchen für sich einen größtmöglichen Gewinn zu generieren und mitteleuropäische Großkonzerne möglicherweise als Geldgeber fungieren, zeigt der Fall der maltesischen Journalistin Daphne Caruana Galizia."
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
  • 2023: aserbaidschanische Annexion der armenischen Enklave Berg-Karabach zwecks Ausbeutung von Rohstoffen durch Siemens
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

Youtube: [Verknüpfung]



1944

Auch unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise, die den Zweiten Weltkrieg mitverursacht hat, und dem schwindenden Einfluss Großbritanniens wird ein Jahr vor Kriegsende ein festes Wechselkurssystem der Industrieländer vereinbart, das Bretton-Woods-System. Federführend waren die Ökonomen John Maynard Keynes (UK), der sich für eine internationale Währung und eine starke Rolle des Staats einsetzte, und Harry Dexter White, der den Dollar als Leitwährung durchsetzte. Bis 1971 konnte dieser gegen Gold eingetauscht werden - 70% der Goldreserven lagerten damals in den USA.
[Wikipedia 2020 - Bretton-Woods-System]
Während des Bretton-Woods-Systems gab es auffällig wenige Währungskrisen, es ließ sich jedoch wegen uneinheitlicher Wirtschafts- und Fiskalpolitik nicht durchhalten. Die heutigen Probleme des Euro sind ähnlich.
BankingCrises.svg
Von David MC Eddy; - Eigenes Werk, CC BY-SA 3.0, Link


1945

Es ist kein Wunder, dass in Hamburg und damit in der Britischen Besatzungszone der erste deutsche Nachkriegssender vier Tage vor Kriegsende, also vorzeitig, auf Sendung ging: die britische BBC gilt als Vorbild aller öffentlich-rechtlichen Rundfunk- und Fernsehsender. Aus Radio Hamburg entwickelte sich der Nordwestdeutsche Rundfunk, dessen Nachfolger NDR immer noch die Tagesschau für die ARD produziert, die als Arbeitsgemeinschaft der Regionalsender NWDR, HR, SWF, SDR, BR und RIAS entstand.
Eine im Staatsvertrag festgelegte ausgewogene Berichterstattung muss sowohl die Sichtweisen konservativer als auch progressiver Kräfte abbilden. Nicht alle Berichte investigativer Journalisten haben der konservativen Regierung Adenauer (CDU) gefallen, und deshalb wurden im NWDR schon früh Mitarbeiter des Geheimdiensts BND eingeschleust, um eine allzu progressive Darstellung zu unterbinden. Ohne Erfolg: der deutsche Medienpreis der Öffentlich-Rechtlichen Sender ist nach einem Haupt-Ziel dieser Geheimdienst-Aktivitäten, dem SPD-Politiker Adolf Grimme, benannt.
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[Wikipedia 2021 - Nordwestdeutscher Rundfunk]

1963 ging dann mit dem ZDF ein regierungsnäheres Fernsehen auf Sendung. Lange sprach man von "Adenauer TV". Helmut Kohl ging in den 80er Jahren - wie seine neoliberalen Vorbilder aus den USA und Italien - subtiler vor und schuf das Privatfernsehen. Aber auch später arbeiteten CDU-Politiker:innen an der Durchsetzung ihrer politischer Tendenzen und Demontage der investigativen Tätigkeiten in öffentlich-rechtlichen Medien.

Ein wichtiger Mathematiker im Manhattan-Projekt, der hochbegabte Savant Johann von Neumann, beschreibt im militär-internen Aufsatz "First Draft of a Report on the EDVAC" einen "speicherprogrammierten Rechner", ein Konzept, das von seinen Mitarbeitern John Presper Eckert und John William Mauchly von der Moore School der University of Pennsylvania in Philadelphia für den ENIAC-Computer benutzt wurde. Von Neumann konstruierte danach für das US-Militär Computer, um Vorhersagen für Wetter und die Wirkung von Wettermanipulationen berechnen zu können.
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Trotz des Patents von Eckert und Mauchly spricht man heute auch von der "Von-Neumann-Architektur", die bis heute das wichtigste Grundprinzip von Computern ist.
[Wikipedia 2022 - John von Neumann]

Die Wetterberechnungen wurden schon in den 60er Jahren für Klimamodelle benutzt, zuerst von Syukuro Manabe und Richard Wetherald in Princeton.

Die USA haben durch Massenproduktion eine militärische Vormachtstellung erreicht. Sie haben Westeuropa mit einer gewaltigen Logistik, v.a. von Erdölprodukten, aber auch hohen Opfern v.a. schwarzer Soldaten aus dem Faschismus gerettet, und auch vor der kommunistischen Diktatur Stalins bewahrt. Sie bauen die riesige provisorische Ölversorgung zu einer dauerhaften Infrastruktur mit Pipelines und Tanklagern aus, und begründen damit ihre wirtschaftliche Vormachtstellung. Die zerstörten Städte werden nach amerikanischem Vorbild als Auto-Städte wiederaufgebaut - was heute in weiten Teilen als städtebauliche Fehlentscheidung angesehen wird.

In den 60er-Jahren beginnen erste Städte in Europa damit, die Autos wieder zu verbannen. Die Metropolen Kopenhagen, Amsterdam, Paris, London, Barcelona etc. konkurrieren um das beste Verkehrsberuhigungskonzept. Utrecht gilt heute als die fahrradfreundlichste Stadt der Welt.




1946

Der jüdische Psychiater Viktor Frankl, dessen ganze Familie im Holocaust ermordet wurde, arbeitet seine Erlebnisse in einem Buch auf - und realisiert damit ein Vorhaben, das ihn im KZ am Leben erhalten hat.
Seine Rede an einer Gedenkstätte ist hörenswert.
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Der Nationalsozialismus hat den Rassenwahn aufgebracht. In Wirklichkeit gibt es aber nur zwei Menschenrassen, nämlich die ‚Rasse‘ der anständigen Menschen und die ‚Rasse‘ der unanständigen Menschen. Und die ‚Rassentrennung‘ verläuft quer durch alle Nationen und innerhalb jeder einzelnen Nation quer durch alle Parteien.
Viktor Frankl
[Wikipedia 2021 - Viktor Frankl]

Der britisch-jüdische Verleger Victor Gollancz, der Verwandte im Holocaust verloren hat, besucht das zerstörte Deutschland und wirbt danach in England für Aussöhnung.


Ich war niemals mehr prodeutsch als ich profranzösisch, projüdisch, proarabisch oder sonstwas war. Ich hasse alles, was pro und anti ist. Ich bin nur eins: ich bin pro Menschheit.
Victor Gollancz


Der hochdekorierte Regisseur und Kriegsrückkehrer Frank Capra gründet mit zwei Kollegen die Produktionsgesellschaft Liberty Films, die zwei hoch politische Filme dreht: der Weihnachtsfilm "Ist das Leben nicht schön" mit James Stewart über eine Wohnungsbau-Genossenschaft und "Der beste Mann" mit Katharine Hepburn und Spencer Tracy über eine Präsidentschafts-Kandidatur. Beide Filme sind geprägt von Mut, Tatkraft und Zusammenhalt einfacher, aufrechter Menschen gegen die Gier mächtiger Opportunisten im Kapitalismus. Capra ist kein Kommunist, sondern Konservativer - nur kein wirtschaftsliberaler.

In der Ära McCarthy, unter der Aktivität des House Committee on Un-American Activities gegen Kommunisten, ist diese Botschaft schon bald nicht mehr politisch opportun. Obwohl er selbst nicht auf der Hollywood Blacklist landet, sind viele seiner Mitarbeiter betroffen.
1958 produziert Capra für Bell Systems einen Lehrfilm über den Klimawandel, der in den US-Schulen weite Verbreitung findet.
Erst in den 70er-Jahren wird Capras rühriger Weihnachtsfilm durch jährliche Fernsehwiederholungen in der Weihnachtszeit populär. Er wurde vom American Film Institute zum "inspirierendsten amerikanischen Film aller Zeiten" gewählt.
[Wikipedia 2023 - Frank Capra]


1947

USA: Shockley, Brattain und Bardeen bauen einen p-n-Gleichrichter (Diode) aus dotiertem Silizium als elektronisches Bauteil. Sie bemerken noch nicht seinen photoelektrischen Effekt.

Schweiz: Ein Jahr nach dem Tod des englischen Ökonomen John Maynard Keynes gründet der österreichische Ökonom Friedrich August von Hayek auf dem Mont Pelerin bei Genf die Mont Pelerin Society. Die Teilnehmer waren sich einig, dass der Staatsinterventionismus, der vor allem von Keynes geprägt wurde ("Keynesianismus"), abgeschafft werden muss. An seine Stelle tritt eine Restauration des klassischen, radikalen Marktliberalismus, der Neoliberalismus. Er vertritt die Auffassung, dass die größten Fortschritte der Menschheit, die wirksamsten Innovationen, zustande kommen, wenn die Kräfte des Markts ungehindert wirken.
Der Neoliberalismus gilt immer mehr Wissenschaftler:innen aus Ökonomie, Soziologie, Politologie, Philosophie etc. als die grundlegende Ideologie, der die meisten Probleme unserer Zeit zugrunde liegen.

Der Schweizer Armin Mohler, der 1942 nach Deutschland immigrierte, um zur SS zu gehen, aber wegen Unzuverlässigkeit wieder gehen musste und in der Schweiz inhaftiert wurde, beschreibt in seinem wichtigsten Werk "die konservative Revolution", wie bürgerliche Kräfte zu Hitlers Aufstieg beigetragen haben. Mohler wird Ideengeber der Neuen Rechten, u.a. des Vordenkers der Identitären Alain Benoist.

In seinem späteren Leben wird er deren Netzwerker, u.a. für die Republikaner Reps (eine rechtsnationale Partei der 80er Jahre). Jahre nach seinem Tod 2003 wird die AfD gegründet. Der rechtslibertäre Geschäftsmann und Autor Markus Krall veröffentlicht 2020 einen Bestseller mit dem Namen "die bürgerliche Revolution".
[Wikipedia 2023 - Armin Mohler]
[Wikipedia 2023 - Konservative Revolution]


1948

Einhundert Jahre nach dem deutschen Vorparlament in der Frankfurter Paulskirche beginnt der Parlamentarische Rat, besetzt mit Vertreter:innen der Länderparlamente, im September seine Arbeit an einer westdeutschen Verfassung, die große Teile der deutschen Verfassung von 1848 enthält. Am 23. Mai 1949 wird sie nach Verabschiedung von 10 Länderparlamenten vom Parlamentarischen Rat in Bonn verkündet. Das bayerische Parlament hatte dagegen gestimmt, musste sich aber auf Druck der amerikanischen Besatzung, die einen einheitlichen Bundesstaat wollte, der Mehrheit fügen.
[Wikipedia 2023 - Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland]
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USA: in Dover/ Massachussetts wird das erste moderne Solarhaus bezogen. Ein Cousin der Chemikerin und Solarwärmeingenieurin Mária Telkes, Pofessorin am MIT, hat die Solarthermie-Heizung mit Latentwärmespeicher auf Basis von Natriumsulfat entwickelt und mitgebaut.
[Wikipedia 2024 - Dover Sun House]
[Wikipedia 2024 - Mària Telkes]


1952

Vom 5.-9. Dezember sterben 12.000 Londoner am schwefelsauren Smog, der mit Sichtweiten von 30cm selbst Schauspielaufführungen unmöglich machte. Ein zusätzlicher Treiber war die Umstellung oberirdischer elektrischer Straßenbahnen auf Busse. Die Umstellung der Heizungen von Kohle auf Öl brachte in den Folgejahren leichte Entlastung.
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1953

Iran: Präsident Mossadegh verstaatlicht die bisher private englische Ölindustrie im Land und wird darauf hin von Geheimdiensten der USA und Israel gestürzt - zugunsten des Thronfolgers Schah Reza Pahlavi, der den USA ähnlichen Zugriff auf die Ölreserven ermöglicht wie vorher den Engländern. Damit beginnt die Ablösung Englands als imperiale Öl-Großmacht durch die USA.
Pahlavi betreibt als Günstling der USA eine Öffnung nach Westen und hat deshalb mit Widerständen linker Gruppen einerseits und islamischer Traditionalisten andererseits zu kämpfen. Er schafft es nicht, eine demokratische Republik ohne massive Repression durch Geheimdienst und Folter aufzubauen.

Das Nachkriegs-Deutschland ist an der Image-Pflege des Schah als westlich orientierter Demokrat engagiert beteiligt; beim Staatsbesuch 1967 wird die Frau des Schah Soraya vom Boulevard als Jetset-Popstar gefeiert. Diese außenpolitische Gefälligkeit an die USA ist ein Mit-Auslöser linker Studentenproteste in Deutschland.
Das Schah-Regime findet sein Ende in der islamischen Revolution 1979.


Filmtip: Das Geheimnis der sieben Schwestern (ORF 2013)
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1954

USA: In den Bell Laboratories erkennen Mitarbeiter von Morton Price per Zufall, dass Shockleys p-n-Gleichrichter einen deutlichen photoelektrischen Effekt aufweisen. Die Ingenieure konstruieren daraus die erste Silizium-Solarzelle mit 4% Wirkungsgrad, die als Stromversorgung von Telefonanlagen in abgelegenen Regionen eingesetzt wird.
[Wikipedia 2019 - Geschichte der Solarzelle - Shockley 1954]








1957

USA: Hans Suess und Roger Revelle zeigen 100 Jahre nach dem Nachweis der Treibhausgaswirkung von CO2, dass die bisherigen CO2-Emissionen aus fossilen Brennstoffen in großen Mengen im Meerwasser gelöst wurden. Die begrenzte Aufnahmekapazität werde jedoch in Zukunft zu einer verstärkten Erwärmung führen.

Die Messungen von Paul Quay et al. 1992 zeigen den gleichen Effekt.
[Quay 1992]
Damit führen Revelle und Suess schon 1957 a priori die Behauptung der viel späteren Klimaskeptiker ad absurdum, die atmosphärische CO2-Konzentration werde - wie vor der Industrialisierung - über die Löslichkeit in Meerwasser durch die Global-Temperatur bestimmt, und nicht wie in der Klimakrise umgekehrt. Viele Klimaskeptiker waren sich nicht zu schade, fast in einem Atemzug zu behaupten, es gebe gar keine Erwärmung.
Tatsächlich zeigt sich auch in der Paläoklimatologie beim Übergang aus Eis- zu Zwischeneiszeiten ein Erwärmungseffekt durch CO2 - allerdings jeweils erst 800 Jahre nach Beginn der Erwärmung, die durch die periodische Annäherung der Erdbahn an die Sonne ausgelöst wird. Diese Periodizität nennt man nach ihrem Entdecker Milankovich-Zyklen.
[Rahmstorf 2004]

Seit Callendars Veröffentlichung 1938 sind zwei Jahrzehnte massiven Wachstums der Fossilwirtschaft vergangen. Callendars Hoffnung auf ein Ausbleiben der nächsten Glazialzeit haben sich erfüllt, doch Revelle und Suess warnen nun eindringlich vor der Gefahr einer weitergehenden Erwärmung: "human beings are now carrying out a large scale geophysical experiment of a kind that could not have happened in the past nor be reproduced in the future."
[Revelle und Suess 1957]
Revelle informierte auch die Presse und zeichnete vor dem US-Kongress ein Bild von der Verletzlichkeit der Erde: "The Earth itself is a space ship", es sei gefährdet durch steigende Meeresspiegel und Desertifikation.
Die Hammond Times beschreibt seine Forschungsergebnisse erstmals mit dem Begriff globale Erwärmung: "a large scale global warming, with radical climate changes may result".
[Weart 2008]
[Wikipedia 2019 - Revelle 1957]

Der Ölkonzern Exxon wusste schon damals genau von den fatalen Wirkungen seiner Aktivitäten.
M. Williams von Humble Oil (heute Exxon Mobil) ist Coautor der sogenannten Brannon-Studie, die Revelle und Suess prinzipiell bestätigt. Nur in den Vorhersagen, wie schnell sich die CO2-Konzentrationen ändern, gibt es geringe Unterschiede, die wissenschaftlich diskutiert wurden. Am Fakt der Erwärmung ließ sie keinen Zweifel.
[Verknüpfung]
[Wikiquote english - ExxonMobil climate change controversy]
[Brannon 1957]

25 Jahre später wird in einem geheimen internen Bericht der Exxon-Forschungsabteilung der Verlauf von CO2-Konzentrationen und Temperaturen bis 2020 verblüffend genau vorhergesagt, woraufhin die Firma hunderte von Millionen US-Dollar für PR ausgibt, um die Öffentlichkeit vom Gegenteil zu überzeugen. Nochmals 41 Jahre später wird dieser Bericht zur Grundlage einer Klage des US-Bundesstaats Kalifornien wegen Irreführung der Öffentlichkeit.

Franz-Josef Strauß setzt als vormaliger Atom- und jetzt Verteidigungsminister die zivile Nutzung der Atomkraft durch, um eine Option auf die Atombombe zu bekommen, sein erklärtes Ziel. Er tut dies auch auf Betreiben der Chemieindustrie, aber gegen den Willen der Energieversorger. Dafür überwirft er sich mit den bekanntesten deutschen Kernphysikern, die mit dem Göttinger Manifest dagegen protestiert haben. Trotz der breiten Friedensbewegung Kampf gegen den Atomtod gewinnt die Union die Bundestagswahl, und Strauß bleibt Verteidigungsminister.
Seine Vergangenheit im Nazi-System versucht er gleich nach dem Krieg erfolgreich hinter sich zu lassen, indem er seinen Nachfolger seines Stabspostens bei der Flak-Artillerieschule IV in Altenstadt, den Schriftsteller Hans Hellmut Kirst, denunziert. Seine viel diskutierte Vorgeschichte hält ihn nicht davon ab, als Berater für "Psychologische Kampfführung" Eberhard Teubert, einen hochrangigen Funktionär im NS-Propagandaministerium, zu rekrutieren.

1961 geht bei Kahl in Unterfranken der erste Versuchsreaktor ans Netz.
Strauß löst in seinen vielen Jahren politischer Tätigkeit mehrere Verdachtsfälle und Tatbestände von Korruption und den größten deutschen Medienskandal aus, die Spiegel-Affäre, nach der er als Verteidigungsminister zurücktritt. All das, und auch seine intensiven Kontakte zur Pinochet-Diktatur lassen die Partei jedoch unbeeindruckt: er wird noch Finanzminister und schließlich 1979 sogar Kanzlerkandidat der Union.
[Wikipedia 2023 - Franz-Josef Strauß]

Nahe dem geheimen sowjetischen Kernwaffen-Forschungszentrum Osjorsk befindet sich die erste russische Uran-Produktionsanlage, das Chemiekombinat Majak (russisch: Leuchtturm). Nach Informationen der CIA arbeiten dort insgesamt 70.000 Zwangsarbeiter an bis zu 10 Reaktoren. Es kommt im Laufe der Jahre zu einer großräumigen extremen Verseuchung mit Abwässern, und zu häufigen, oft gravierenden, Störfällen.
Der größte ist eine chemische Nitratexplosion in einem großen unterirdischen Behälter für stark radioaktive Abfälle, der durch Korrosion der Kühlleitungen verursacht wird. Augenzeugen vergleichen es mit einem Vulkanausbruch, der Feuerschein ist hunderte Kilometer zu sehen. 20.000km2 werden verseucht, dort leben 270.000 Menschen. Davon wurden nur maximal 1200 Menschen auf 1000km2 binnen 7-10 Tagen evakuiert, der Unfall wird ansonsten streng geheim gehalten, die unübersehbaren Phänomene mit natürlichen Ursachen erklärt. Nach Einschätzung des Helmholtz-Zentrums München liegt der Unfall auf der höchsten Schadensstufe der internationalen Atomenergiebehörde, zusammen mit den Katastrophen in Tschernobyl und Fukushima.

Der Dissident Schores Medwedjew berichtete der westlichen Welt 1976 im Magazin New Scientist von der Katastrophe. Experten zweifeln den Bericht an, und das Medienecho ist zur Hochzeit der atomaren Hochrüstung im Kalten Krieg und der zunehmenden Verbreitung von Atomkraftwerken sehr verhalten. Erst 1989, drei Jahre nach dem weltweit größten Nuklear-Unfall von Tschernobyl, kommt es im Rahmen der Perestrojka des Generalsekretärs der Sowjetunion Michail Gorbatschow zu einem offiziellen Eingeständnis der Majak-Katastrophe. Sie wird nach der am stärksten betroffenen Stadt "Kyschtym-Unfall" genannt.
[Wikipedia 2023 - Kyschtym-Unfall]
[Wikipedia 2023 - Kerntechnische Anlage Majak]


arte auf Youtube: [Verknüpfung]

In einem Block des Atomkraftwerks Windscale kommt es zu einem katastrophalen Brand im Reaktorkern, der große Mengen Radioaktivität freisetzt. Schon im Normalbetrieb sind große Mengen radioaktiver Substanzen aus der dortigen Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in die Irische See geleitet worden, so wie in der französischen WAA La Hague in den Ärmelkanal. Um der Öffentlichkeit das Vergessen zu erleichtern, wird die Anlage umbenannt in Sellafield.
[Wikipedia 2023 - Sellafield]
[Wikipedia 2023 - Wiederaufbereitungsanlage La Hague]

Die beiden WAA sind bis heute die einzigen, nachdem in Wackersdorf Franz-Josef Strauß mit seinen Plänen am Widerstand der Bevölkerung gescheitert ist.


1958

Die winzige Raumsonde Vanguard 1 ist der erste Raumflugkörper mit Silizium-Solarzellen; diese tun über 6 Jahre lang ihren Dienst.
[Wikipedia 2019 - Raumsonde Vanguard 1]
Der UCSB-Physiker und Sachbuchautor John Perlin interviewte die Erfinder Dr. Mark Prince and Eugene Ralph.
Youtube: [Verknüpfung]

Mit "Meteora: The unchained Goddess" erscheint Frank Capras vierter und letzter Teil der Bell System Science Series, einer aufwändigen naturwissenschaftlichen Doku-Serie. Der Film erklärt die Meteorologie und enthält am Ende eine frühe Warnung vor den Gefahren des Klimawandels. Die Serie zählte drei Jahrzehnte lang zum Standardprogramm in US-Schulen.


Youtube: [Verknüpfung]
1959

New York: der "Vater der Wasserstoffbombe" Edward Teller warnt bei der 100-Jahr Feier des American Petroleum Institute eindringlich vor den Gefahren einer Eisschmelze durch den Treibhauseffekt.
[Franta 2018-1]


1961

Der scheidende US-Präsident (2.-Weltkriegs-General) Eisenhower warnt vor einer Vereinnahmung der demokratischen USA durch den militärisch-industriellen Komplex.


[RawData 2016]
[Gerste 2011]

Den gleichen Begriff nennt 60 Jahre später das erste und bis dato auch letzte russische Staatsoberhaupt, das sich dort ernsthaft für Demokratie und Frieden eingesetzt hat, Michail Gorbatschow. Kurz vor dessen Tod konnte der Dokumentarfilmer Werner Herzog wertvolle Momente einfangen.
Filmtip: Werner Herzog. Gorbatschow: eine Begegnung. Deutschland 2021
Der Interessenkonflikt zwischen Kapital und Gemeinwohl wird in gleicher Weise von Bergbau- und Ölförderunternehmen befeuert - man spricht seit den 80er Jahren von der Holländischen Krankheit.

Der freikirchliche Sektenführer Paul Schäfer, gibt die pädagogische Einrichtung bei Bonn 1961 nach der Aufnahme von Ermittlungen wegen Kindesmissbrauch auf. Er kann jedoch ungehindert in Chile eine neue aufmachen, die Colonia Dignidad, und dort jahrelang Waisen aufnehmen. Das Projekt finanziert er mit Geld aus seiner deutschen Immobilie, die er an die Bundeswehr verkauft. Deutsche Eltern, die arglos ihre Kinder zu einer Chorfreizeit in die chilenische Kolonie schicken, sehen diese niemals wieder, auch das wird aktenkundig. Andere Eltern begeben sich mit ihren Kindern als Sektenmitglieder selbst in die Abhängigkeit Schäfers, der seine Opfer mit Manipulation, brutaler Gruppengewalt, Elektroschocks und Psychopharmaka gefügig macht. Das Gelände ist wie ein KZ fluchtgesichert.

Etliche Menschen sterben durch Misshandlung, im Folterkeller oder auf der Flucht und werden verscharrt. Insassen, denen die Flucht gelingt, werden vom deutschen Botschafter Erich Strätling wieder zurückgeschickt, der die öffentlichen Vorwürfe gegen die Einrichtung scharf zurückweist. Und das, obwohl die Botschaft seit 1967 über das Lager bescheid weiß, und 1972 ein interner Botschaftsbericht nach einem Besuch die Repression im Lager dokumentiert.
Die chilenische Geheimpolizei unter Diktator Pinochet Dina nutzt das Kellersystem unter der Kolonie als Folterlager, berichtet die UNO 1976. Dort finden auch Menschenversuche statt, u.a. mit Giftgas. 1977 beginnt mit einem Bericht von amnesty international ai eine Beschäftigung der deutschen Politik mit den menschenverachtenden Zuständen, die bis heute nicht abgeschlossen ist. Die CDU hat Pinochet von Anfang an unterstützt und zahlreiche Freundschafts-Besucher in die Kolonie entsandt, was den Fall Schäfer besonders prekär macht. Erst sieben Jahre nach dem Sturz Pinochets wird die Kolonie aufgelöst, und erst 2005, weitere acht Jahre später wird Schäfer in Argentinien gefasst. Er kommt bis zu seinem Tod 2010 in Haft.
[Wikipedia 2024 - Colonia Dignidad]


1962

USA: Die Biologin Rachel Carson veröffentlicht ihr Sachbuch "Silent Spring", das die Gefahr eines Zusammenbruchs von Vogelpopulationen durch Pestizide beschreibt und dessen Erscheinen als Beginn der globalen Umweltbewegung gilt.
[Wikipedia 2019 - Rachel Carson]

Die Umweltbewegung kämpfte als erstes jahrzehntelang mit ökotoxikologischen Gutachten und Protesten gegen die Pestizid-Industrie, was bisher zum Verbot vieler persistenter (sehr schlecht abbaubarer) Pestizide in vielen Staaten führte. Spuren dieser Pestizide sind ubiquitär, d.h. sie finden sich immer noch im Eis von Gletschern und Polarregionen, in Muttermilch etc..
Carson und viele nach ihr mussten damals und müssen sich heute noch der Verschwörung mit feindlichen Mächten und Kommunisten bezichtigen lassen. Sie starb 1964 an Krebs und erlebte damit nicht mehr die Bewegung, die sie auslöste.
1991 bringt Bayer eine neue Generation hochwirksamer Insektizide auf den Markt, die Neonicodinoide. In den folgenden Jahrzehnten sinkt die Insekten-Biomasse messbar um über 70%.

Am 27.10. befindet sich ein russisches Atom-U-Boot auf Tauchfahrt vor feindlichem Beschuss vor Kuba, ohne Funkkontakt und mit der Order, bei Angriff unter Wasser die Atomwaffen gegen die USA abzufeuern. Die Hitze des Atomreaktors bei 100% Luftfeuchte erzeugt extremen Stress, der viele an Bord über die physische Belastungsgrenze bringt. Nur der hochrangige Offizier Wassili Archipow verhindert, dass der Kapitän in der unklaren Lage die Atomwaffen abfeuert und damit einen atomaren Vernichtungskrieg der Supermächte USA gegen Sowjetunion beginnt.
[Verknüpfung]


1963

Diazepam wird unter dem Handelsnamen Valium von Hoffmann-La Roche als Massen-Anxiolyticum (Angstlöser) eingesetzt. Man spricht von "rosa Brille auf Rezept", die Rolling Stones von "Mother's little helper". Man weiß seit 1961, das es schnell abhängig macht.
[Wikipedia 2022 - Diazepam]

Seit 2015 wird das Medikament nicht mehr von Krankenkassen bezahlt. 2016 schätzte man die Anzahl der Diazepin-Abhängigen allein in Deutschland auf 1,5 Millionen geschätzt.
[Verknüpfung]








1965

US-Präsident Lyndon B. Johnson greift in seiner Amtszeit mit seinem Programm Great Society die keynesianische Politik des New Deal von Franklin D. Roosevelt auf. Dabei setzt er die ersten Umweltgesetze Water Quality Act und Clean Air Act durch.
[Wikipedia 2021 - Great Society]
1965 setzt er eine Expertenkommission Restoring the Quality of our Environment zum Thema Umweltverschmutzung und Global Warming ein, und veröffentlicht die Ergebnisse
.
Die Wissenschaftler stellen fest, dass es kein Recht auf Verschmutzung gibt ("no "right" to pollute").
[Johnson 1965] (Volltextsuche "pollute")
Es werden Emissions-Abgaben gefordert ("effluent charges").
[Johnson 1965] (Volltextsuche "effluent")

Es folgen 1972 der Bericht Limits to Growth an den Club of Rome, 1980 der Global 2000 Report to the President an Jimmy Carter, seit 1990 regelmäßige Klimaberichte des Weltklimarats IPCC, 2006 der Stern Report und 2019 der Dasguptah Review über die Kosten, jeweils an das Britische Finanzministerium, und 2021 der erste Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES.
Die katastrophalen Vorhersagen werden umso genauer, je näher die Katastrophen heranrücken. Die ersten Vorhersagen des IPCC sind dramatisch; die ab 1995 folgenden werden lange von Konservativen politisch beeinflusst.
Heute stellen sie sich erwartungsgemäß als zu optimistisch heraus.

Der Präsident der Öl-Lobby-Organisation American Petroleum Institute API Frank Ikard sagt über den Klimawandel "time is running out".
[Ikard 1965-1]
Er zitiert aus dem Report der Johnson-Kommission: "...the pollution from internal combustion engines is so serious, and is growing so fast that an alternative nonpolluting means of powering automobiles, buses, and trucks is likely to become a national necessity."
[Franta 2018-2]
In:
[Wikipedia 2019 - Frank Ikard]

Die Rede im Wortlaut mit Kommentar und Markierungen:
[ClimateFiles 2019]
Die Rede als .pdf:
[API 1965]


1968

Robinson Report: nach den Erkenntnissen des US-Präsidenten wollte Exxon eigene Experten mit der Frage befassen, welche Bedeutung man den Berichten über neue Erkenntnisse in der Klimaforschung beimessen muss. Sie bestätigten Revelles Warnungen.
[Robinson 1968]


1969

Wetherald


1970

Vietnamkrieg

USA: Erster bundesweiter Earth Day mit (laut Angaben) 20 Millionen Teilnehmern, vor allem Schüler, Studenten und Wissenschaftlern, unterstützt u.a. vom Vizepräsidentschafts-Kandidaten der demokratischen Partei, Senator Edmund Muskie.


Time: [Waxman 2019]

Der größte Fernsehsender CBS dokumentierte den Tag mit einer Sondersendung, mit vielen Berichten aus dem ganzen Land: "Earth Day - a Question of Survival". Die Sendung hatte einen prominenten Moderator, den Haupt-Nachrichtenprecher Walter Cronkite.

Ähnliche Bilder kennen Zeitgenossen aus dem Deutschland dieser Zeit und dem China von heute unter dem Stichwort "Umweltverschmutzung". Die Bilder von den Kundgebungen lassen einem die genannte Teilnehmerzahl nicht mehr ganz so unglaublich erscheinen - und erinnern in manchen Punkten an Fridays for future.
Die Wiedergabeliste bei youtube: [Verknüpfung]

  • Earth Day 1970 Part 1: Intro (CBS News with Walter Cronkite)
    2'48'': "Highschools were not closed but many announced absence would be excused."
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 2: Gaylord Nelson's Speech (CBS News with Walter Cronkite)
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 3: Washington D.C. (CBS News with Walter Cronkite)
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 4: Albion, Michigan (CBS News with Walter Cronkite)
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 5: Council Bluffs, Iowa (CBS News with Walter Cronkite)
    1'40'': "At the Abraham Lincoln Highschool in Council Bluffs, the atmosphere in the gymnasium where the Earth Day observance was being held, is hot and depressive. But that's because the students who have arranged this program - largely on their own initiative - want it that way. They don’t want You to leave here feeling comfortable."
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 6: Boston, NYC, Chicago, LA (CBS News with Walter Cronkite)
    Die-In auf Boston Airport, Teach-In mit Biologen in LA, Recycling-Vorführung in Stanford
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 7: G.E. and Minneapolis (CBS News with Walter Cronkite)
    Konfrontation eines jugendlichen Demonstranten mit einem Sprecher des Energiekonzerns General Electric vor der Kamera
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 8: Albuquerque (CBS News with Walter Cronkite)
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 9: Interlude (CBS News Special Report with Walter Cronkite)
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 10: Earth Week 1of3 Philadelphia (CBS News with Walter Cronkite)
    1'28'': Extremer Smog in "Filthydelphia"
    2'33'': Studenten bekommen Emissionsdaten der Industriebetriebe von der Kommune und sammeln bei diesen Betrieben 34.000$ für ihre Kampagnen-Arbeit; damit veranstalten sie eine Earth Week, um die Massen über das Thema zu informieren.
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 10: Earth Week 2of3 Philadelphia (CBS News with Walter Cronkite)
    Auch Kirchen unterstützen die Kundgebungen.
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 10: Earth Week 3of3 Philadelphia (CBS News with Walter Cronkite)
    1'00'': Senator Muskie: "We have to chose to say No, to give up some luxury, and these kinds of decisions will be the real measure of our commitment to our environment. It means chasing clean cars instead of fast cars, more parks instead of more highways, and more schools instead of more weapons and more wars."
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 11: White House Reaction (CBS News with Walter Cronkite)
    [Verknüpfung]
  • Earth Day 1970 Part 12: Science (CBS News with Walter Cronkite)
    1'16'': Ansprache des Biologen Prof. Commoner: "It is You to face the frightful task of seeking humane knowledge in a world which has with cunning perversity changed the power that knowledge generates into an instrument of catastrophe. Knowledge is not enough. I think we have to take the knowledge to the people. Let us help them learn what they need to know and what they have to do to decide for themselves the future cores of our society. Let’s organize a national teach-out. Let us begin to learn the facts and teach 'em to everyone in the community. I think the environmental crisis is a grim and terrible challenge. But on this day, the earth’s new birthday, we accept this challenge. We declare that the proper use of science is not to conquer nature but to live in it. That to save ourself we must save our world that is our habitat. On this day we shall begin by our own acts to dedicate the wisdom of science and the power of technology to the welfare of man. We shall survive."
    [Verknüpfung]

In seinem Schlusswort bekräftigt Cronkite die Klage der Jugend und kritisiert mit deutlichen Worten den Umgang der Gesellschaft mit dem Thema. Außerdem beklagt er einerseits die mangelnde Beteiligung der Erwachsenen, andererseits warnt er vor oberflächlichem grünem Populismus. Er sagt Schäden voraus, die US-Bürger noch nie in Friedenszeiten erlebt haben, und fordert zu deren Vermeidung von allen Verzicht, denn es gehe ums Überleben.


Earth Day 1970 Part 13: Conclusion (CBS News with Walter Cronkite)
[Verknüpfung]
Zitat:

"Das Trara des Earth Dayist vorbei. Die Probleme bleiben. Nur die Zeit wird zeigen, ob diese Demonstrationen irgendetwas erreicht haben.
Aber fassen wir einmal die Punkte zusammen, die heute an viele Menschen herangetragen wurden, die diese bisher übersehen haben.
Zum Beispiel die Aufständischen, die all dies als einen Trick des Establishments sehen, um die Aufmerksamkeit von Belangen abzulenken, die ihnen wichtiger sind – wie Bürgerrechte, wie Vietnam.
Sie übersehen, dass es in einer leblosen Welt weder Bürgerrechte noch Frieden gibt.
Zum Beispiel die Politiker, die dies als eine sichere Kampagne betrachten.
Sie übersehen, dass sie viel tiefer in das Leben der Menschen eingreifen müssen als jemals zuvor in unserer Geschichte. Zum ersten Mal könnten sie sogar gezwungen sein, sich gegen die Mutterschaft zu äußern.
Zum Beispiel diejenigen in der Industrie, die die Krise als bloße hysterische Kreation von Gutmenschen betrachten.
Sie haben jeglichen Realitätsbezug verloren, wenn sie die einstimmige Warnung der Wissenschaftler nicht gehört haben, dass halbherzige Maßnahmen und Business as usual uns unmöglich vor dem Absturz bewahren können.
Zum Beispiel die stille Mehrheit. Die größte Enttäuschung heute war der Grad der Nicht-Teilnahme im Land und speziell die Abwesenheit von Erwachsenen. Die jungen Leute, die teilgenommen haben, waren in einer ausgelassenen Stimmung, die im starken Kontrast zur Botschaft der Apokalypse stand.
Den Earth Day zu ignorieren – nun, das ist eine Sache. Die Krise unseres Planeten zu ignorieren ist eine ganz andere.
Die Gleichgültigen übersehen, dass die Säuberung der Luft, der Erde und des Wassers in den wenigen Jahren, die uns laut der Wissenschaft bleiben, persönliche Beteiligung bedeutet und persönliche Opfer bedeuten könnte, wie sie in Zeiten des Friedens noch nie von Amerikanern gefordert wurden.
Die Botschaft des heutigen Teach-in war, dass Amerika seinen Lebensstil revolutionieren muss. Das im Überfluss schwimmende Amerika wird, wie uns gesagt wurde, beinahe mit Sicherheit seine Lebensstandards herunterschrauben müssen. Es muss aufgeben, so viele Autos zu haben, so viele Kinder, so viele Dosen, so viele Bequemlichkeiten, so auffallend viel Konsum."


Eines Tages, haben wir heute gehört, wird die Welt ein besserer Ort sein, falls sie zuhört und handelt. In der Zwischenzeit wird es, vielleicht für eine Generation oder zwei, erschreckend teuer für jeden von uns, das Chaos zu beseitigen, das ein jeder von uns verursacht hat. Doch die Kosten, die auf uns zukommen, wenn wir das nicht tun, sind viel erschreckender. Das ist der Kern der heutigen Botschaft.
Walter Cronkite

"Und die, die heute marschierten, und die, die schliefen, und die, die spotteten, sitzen im selben Boot. Was auf dem Spiel steht, worum es geht, ist das Überleben.
Ich bin Walter Cronkite, gute Nacht."
[Übersetzung von Anne-Ly Redlich]

Cronkite veröffentlicht im selben Jahr das Buch "Eye on the world", in dem er ganz bestimmte große Industriebetriebe direkt anklagt. Auch das Thema Klimawandel spricht er deutlich an. Zitat:

"Every year American power plants pour more than 800 million tons of carbon dioxide into the skies [...] Some scientists suspect that carbon dioxide can turn the planet into a kind of greenhouse, sealing in heat so that temperatures gradually rise until the polar icecaps melt and a new deluge covers the lands of the earth."
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Zur zivilgesellschaftlichen Relevanz seiner epochalen umweltjournalistischen Arbeit:
Cronkite ist nach wie vor einer der renommiertesten US-Nachrichtensprecher aller Zeiten. Er prägte Generationen von Amerikanern. Es war gesellschaftlich unmöglich, ihn der Verschwörung zu bezichtigen, wie man es Jahre zuvor mit der Biologin Rachel Carson getan hat.
[Wikipedia 2020 - Walter Cronkite]
Der Medienprofi Ben Zimmer berichtet 2010 von einer Umfrage in 1972, in der er zum "most trusted man" gewählt wurde.
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In der Folge der neuen Umweltbewegung in den USA kommt es zur Einrichtung der Umweltschutzbehörde (Environmental Protection Agency, EPA) und einer langen Reihe von Gesetzen zur Pestizidregulierung, Reinhaltung von Wasser und Luft, Artenschutz etc.: Clean Water Act, Clean Air Act, Endangered Species Act, ...
Die Probleme der sichtbaren Umweltverschmutzung wurden nach und nach aus den Industrieländern in den Rest der Welt verbannt. Doch auch bei uns gibt es immer noch unsichtbare Produkte der Industrie, deren Gefährlichkeit z.T. schon viele Jahrzehnte lang angemahnt werden: Gase (wie CO2), lösliche Problemstoffe, Mikro- und Nanopartikel.
[Howard 2017]
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Fossilökonomisten ignorieren und leugnen all diese oft unsichtbaren Probleme, und auch die Tatsache, dass die vielen bahnbrechenden Gesetze, die damals auf den Weg gebracht wurden, Wirkung zeigten. Sie werden im Gegenteil nicht müde zu sticheln, dass der Weltuntergang ja damals schon einmal abgesagt werden musste, und zu behaupten, dass Aktivismus nichts bringe.
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Viele Teilnehmer des ersten Earth Day wurden Aktivisten, doch die Mehrheit genießt heute ihren Ruhestand in vollen Zügen, d.h. in SUVs und Flugzeugen. Ihre Kinder ließen und lassen es so richtig krachen, und ein paar wenige ihrer Enkel stehen heute wieder auf den Straßen und demonstrieren für's Klima...

Im gleichen Jahr am 13. September druckte die New York Times die Trickle-Down-Doktrin des Ökonomen Milton Friedman, zu der Zeit Vorsitzender der Mont Pelerin Society: "The Social Responsibility Of Business Is to Increase Its Profits". Damit verdreht er völlig die sozialpolitischen Grundlagen des Gesellschaftsvertrags. Friedman und seine Chicago Boys werden damit zu den wichtigsten öffentlichen Vertretern des beginnenden Neoliberalismus.
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Diese Idee war nicht neu. "Sozial ist, wer Arbeit schafft" - dieser Satz wurde schon 1933 geprägt vom Vorsitzenden der rechtskonservativen DNVP (die Hitlers Machtübernahme ermöglichte), Alfred Hugenberg. Ein vermeintlich soziales Motiv der Nazi-Politik sollte ja auch mit dem Namen der Partei suggeriert werden. Mit der Ermordung von sogenannten "Arbeitsscheuen" in KZ wurde jedoch deutlich, was darunter zu verstehen ist.
Später wurde Hugenbergs Spruch oft abgewandelt wiederholt, u.a. vom INSM, Angela Merkel und Guido Westerwelle.
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Daraus entwickelte sich die Shareholder-Doktrin, die sich allein am kurzfristigen Interesse des Investors orientiert. Diese wird immer heftiger vom WEF kritisiert: es fordert mit dem Great Reset eine Umorientierung auf das Interesse des Unternehmers, des Stakeholders.
Zeit: [Verknüpfung]
Die Trickle-Down-Politik wird von der großen Mehrheit nicht angezweifelt, obwohl sie volkswirtschaftlich keinen langfristigen Effekt hatte. Dass die Spitzensteuersätze des 20. Jahrhunderts oft zwischen 77 und 90% lagen, ist den meisten unbekannt.

Der geniale Ingenieur Ludwig Elsbett meldet einen Viertakt-Dieselmotor mit Turboaufladung und Direkteinspritzung zum Patent an. Ein Mercedes 190 mit einer schon alten 1,5l-Dreizylindermaschine dieses Typs schafft 1993 bei einem ADAC-Wettbewerb einen Verbrauch von unter 4l/ 100km. Das Ergebnis wurde aber geheim gehalten. Denn der Motor fuhr (wie Diesels Ur-Maschine) auch noch mit reinem Pflanzenöl - im Gegensatz zu denen der Konkurrenz der Autoindustrie, die fossilen Dieselkraftstoff oder RME (Rapsölmethylester oder "Biodiesel") benötigten. Eine Gefährdung des quasi-monopolistischen Geschäftsmodells der zentralen Versorgung mit fossiler Energie.
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[Wikipedia 2021 - Kraftfahrzeug-Überwachungsorganisation freiberuflicher Kfz-Sachverständiger]
Auf der Internet-Seite des Elsbett-Museums wird die Geschichte dargestellt.
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Der VW-Konzern baut die davon abgeleiteten TDI-Motoren erst 1989 im Audi 80, massenhaft aber schließlich 1993 im VW Golf ein.

Es ist eines der Bilder des 20. Jahrhunderts: der SPD-Kanzler Willy Brandt kniet vor dem Mahnmal im Warschauer Ghetto nieder. Er zeigt damit eine Geste der Versöhnung Deutschlands mit der Religionsgemeinschaft der Juden wie mit den Völkern Osteuropas. Auf der ganzen Welt wird der "Kniefall von Warschau" als historischer Akt wahrgenommen, der in Osteuropa zur Entspannung mit Deutschland und damit letztlich auch mit dem Westen führt.


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[Wikipedia 2022 - Kniefall von Warschau]

Im gleichen Jahr beginnt Russland damit, die Transgas-Pipeline, die sibirisches Erdgas seit 1967 in die Ukraine transportiert, bis nach Mitteleuropa zu verlängern.
[Wikipedia 2022 - Transgas-Pipeline]

Die gegenseitige Abhängigkeit von Russland und Westeuropa blieb durch russischen Lobbyismus bis in die obersten Ränge der SPD und anderer europäischer Regierungsparteien bis heute erhalten, und damit auch die Blockade der Energiewende.
Nach dem bekanntesten Lobbyisten, dem Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder, ist diese Art der russischen Einflussnahme als "Schröderisierung" benannt.
Einen tragischen Höhepunkt hat diese Abhängigkeit im Ukraine-Krieg 2022.


1971

Die Soziologin Maria Mies, die sich in Indien mit Fragen des Patriarchats beschäftigt hat, nimmt am 05. Januar am Politischen Nachtgebet in der Kölner Antoniterkirche teil, die unter anderem von der Theologin und Friedensaktivistin Dorothee Sölle organisiert werden.


Eine Freundin hatte mich zu der Nachtgebetsgruppe mitgenommen und ich beschloss, dort mitzumachen. Ich war Studentin und trotz meiner Religionskritik noch in der Kirche. Ich wollte diese patriarchalischen Strukturen in einem Politischen Nachtgebet darstellen, kritisieren und zu Veränderungen aufrufen. [...] Als Slogan für unser Flugblatt wählten wir einen von uns etwas abgeänderten Satz von Ernst Bloch: ‚Die Frau liegt (immer noch) unten.‘ Der Kern unserer Kritik galt der üblichen familialen Arbeitsteilung: Der Mann ist der ‚Ernährer‘, der das Geld verdient. Die Arbeit der Hausfrau zählt nicht.“
Maria Mies

Mies gründet 1976 in Köln das erste autonome Frauenhaus. Sie betätigt sich nicht politisch, sondern wird an der Fachhochschule Köln Professorin. Wo Karl Marx als Basis des Kapitalismus die Lohnarbeit ausmachte, sieht sie die "Hausfrauisierung", neudeutsch die Rollenzuschreibung der kostenlosen Care-Arbeiterin. Der Kapitalismus habe keineswegs das Patriarchat überwunden, wie Marx es postuliert hatte.
Sie kritisiert auch die in der feministischen Bewegung weit verbreitete Motivation einer Gleichstellung mit Männern. Die Transformation zu einer nachhaltigen Gesellschaft des "Guten Lebens", die von Substistenz und Solidarität geprägt ist, könne nicht gelingen mit dem patriarchalen Weltbild des Neoliberalismus. Mit ihrer Kritik an patriarchalen Strukturen von Kapitalismus, Konsumkult und Kolonialismus ist sie eine frühe Vordenkerin der heutigen Degrowth- und Klimagerechtigkeitsbewegung. Maria Mies und die indische Physikerin und Umweltaktivistin Vandana Shiva schreiben 1993 das Buch "Ökofemininismus", und prägen damit einen neuen Begriff.


Ich bin gegen diese Gleichstellungspolitik. Mit dem, was Männer heutzutage im kapitalistischen Patriarchat machen, will ich nicht gleichgestellt werden. Die Männer verkörpern nicht das ideale Menschenbild für mich. Die Menschen sollten nicht sein, wie die patriarchalen Männer heute sind. Egal in welchem Land. Wir haben in Deutschland eine Bundeskanzlerin und eine Verteidigungsministerin. Dadurch wirkt das Land vermeintlich fortschrittlich. Viele Feministinnen denken so. Aber die Politik, die diese beiden betreiben, ist doch dieselbe, sie ist patriarchalisch, sie ist kapitalistisch, sie ist kolonialistisch – wie eh und je. Was geändert werden müsste, ist dieses ganze Bild, die ganze Vorstellung und die ganze Weltanschauung, die den idealen Menschen im Mann sieht. Und das ist eine uralte Geschichte. Das hat nicht jetzt erst angefangen.
Maria Mies
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USA: Entbindung des US-$ von der Goldreserve - und damit Aufweichung der Leitwährung der Nachkriegs-Weltwirtschaftsordnung von Bretton Woods. Seitdem hat sich die Geldmenge in dieser globalen Leitwährung immer schneller vermehrt (v.a. in den letzten 30 Jahren des Neoliberalismus), und das viel stärker als die Sachwerte; außerdem nahm die Konzentration des Geldes bei immer weniger Super-Reichen exponentiell ebenso zu wie die Summe der Schulden (bedingt durch das Prinzip der Giralgeldschöpfung ohne entsprechende Entschuldung). Die immer größer werdende Verschuldung von Staaten, Unternehmen und Privatleuten führt zu immer größerer Kapitalkonzentration, Renditeerwartung und Wachstumszwang.
Multinationale Konzerne entkoppeln ihre Kapitalinteressen zunehmend von nationalen Interessen. Politik wird zunehmend von privaten Investitions-Entscheidungen abhängig und verliert an Gestaltungsspielraum, u.a. für Steuererhebung, Sozialpolitik und natürlich nicht zuletzt Umweltschutz.
[Wikipedia 2019 - Nixon-Schock]

Interne Papiere der französischen Ölkonzerne Total und Elf Aquitaine belegen, dass die Klimaproblematik auch hier intern ernst genommen, offizell aber angezweifelt wurde.
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1972

Club of Rome: Die Grenzen des Wachstums
Eine Gruppe Wissenschaftler um den Mathematiker Dennis Meadows und seine Frau, die Chemikerin Donella Meadows, berechnet am MIT im Auftrag der OECD Prognosen der Belastbarkeit der globalen Ressourcen und fordert in ihrer Studie "Limits to Growth" eindringlich eine tiefgreifende Nachhaltigkeitswende des gesamten Wirtschaftssystems
. Am 02. März wird die Studie vorgestellt, danach erscheint das Buch, das 30 Millionen mal verkauft wird.
[Wikipedia 2022 - Die Grenzen des Wachstums]

Donella Meadows, die auch in einem Ökodorf aktiv ist, beschäftigt sich auch mit den zugrunde liegenden soziopolitischen Fragen und wird damit eine der ersten Transformationsforscher:innen - lange bevor sich dieser Begriff etabliert.
1988, als James Hansen die Klimawissenschaft in den Fokus der Weltöffentlichkeit rückt, zieht sie eine Bilanz.


The Limits to Growth was written not to predict doom but to challenge people to find ways of living that are consistent with the laws of the planet. I believe that a sustainable society need not be desperate, dull, unjust, technically stagnant or tyrannical. I think it could be more satisfying than a society that mistakes mindless swelling for progress. If there is any change I would make in the book, it would be to say more about what a sustainable society could be like.
Donella Meadows
[Meadows 1988]

Bis heute versuchen Klimaschutz-Bremser, die Aussagen in "Limits to Growth" damit zu widerlegen, dass sie Abweichungen der Zeitangaben diskutieren - selbst nach 50 Jahren, und sogar im Spiegel.
[Verknüpfung]
Die größte Resonanz hatte damit 2001 der Ex-Greenpeace-Aktivist Björn Lomborg mit seinem Buch "The Skeptical Environmentalist", der damit sein Weltkarriere als Klimaskeptiker begründete.
2004 bestätigte Toby Alan Gardner vom Stockholm Environment Institute in einer Studie die Zuverlässigkeit der Prognosen des Club of Rome in ihrer Tendenz, wenn auch mit leichten Abweichungen der Zeitangaben.
2008 und 2014 folgte Graham Turner von der University of Melbourne. Die Entwicklung folge sogar dem Szenario business-as-usual. Im Guardian konnte er seine düstere Bilanz weiter publik machen, Zitat: "Expect the early stages of global collapse to start appearing soon".
[Verknüpfung]
Studie 2008: [Verknüpfung]
Studie 2014: [Verknüpfung]
Tim Jackson und Robin Webster von der University of Surrey bestätigen das 2016 für eine parlamentarische Kommission des britischen Parlaments: [Verknüpfung]
Forscher des MIT waren jahrzehnte später ebenfalls beteiligt an den Simulations-Projekten von Climate Interactive: C-Roads 2009 und En-ROADS 2019.
Zum 50. Geburtstag gibt es lesenswerte Denkschriften.
[Verknüpfung]
2021 veröffentlichte eine Ökonomin, die KPMG-Beiratsvorsitzende Gaya Herrington, ein Update: es wird bald zu spät sein, eine globale Katastrophe um das Jahr 2040 abzuwenden. Das deckt sich mit der Einschätzung der Denkfabrik National Intelligence Council NIC der US-Geheimdienste.
[Wikipedia 2022 - Limits to Growth]
Coautor Erich Zahn 2023 im Podcast bei RTL (zwei Folgen).
RTL: [Verknüpfung] (Teil 1)
RTL: [Verknüpfung] (Teil 2)
[Wikipedia 2023 - Erich Zahn]
Leider stirbt Donella Meadows 2001 mit 59 Jahren an einer bakteriellen Hirnhautentzündung.
[Wikipedia 2024 - Donella Meadows]

In Stockholm findet kurz nach der Vorstellung der Club-of-Rome-Studie die Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen UNHCE statt, die den Beginn der internationalen Umweltpolitik markiert. Der sozialdemokatische schwedische Ministerpräsident Olof Palme fordert die Anerkennung von Ökozid als völkerrechtlichen Straftatbestand. Er greift die Idee des Yale-Ökologen Arthur Galston auf, der 1970 von den Zerstörungen durch das Entlaubungsmittel Agent Orange des US-Chemiegiganten Monsanto motiviert wurde.

In der Stockholm-Deklaration sind in 26 Thesen die Vorhaben zusammengefasst, von denen die allermeisten bis heute nicht abschließend gelöst sind, die meisten nicht einmal ernsthaft angegangen wurden.
[Wikipedia 2022 - United Nations Conference on the Human Environment - Stockholm Declaration]

Olof Palme wird 1986 ermordet.
1996 wird der Ökozid-Gesetzesentwurf abseits der Öffentlichkeit aus dem UN-Gesetzgebungsverfahren entfernt auf Betreiben der westlichen Ölförderländer USA (George Bush), Großbritanniens (John Major), Frankreichs (Jacques Chirac) und Niederlande (Wim Kok).
[Verknüpfung]
[Wikipedia 2021 - Ecocide]
Die nächste, und bis dato letzte alle Umweltthemen umfassende UN-Umweltkonferenz findet 20 Jahre später in Rio de Janeiro statt.

USA: Das Pestizid DDT wird nach 10 Jahren heftiger zivilgesellschaftlicher Konflikte verboten, andere Industrieländer folgen. In vielen Entwicklungsländern wird es immer noch eingesetzt.
[Verknüpfung]

Nach dem Beschluss des australischen Parlaments, den Urwald Tasmaniens zu einem Industriegebiet zu verwandeln, gründet sich die United Tasmania Group, die erste grüne Partei der Welt, wenige Wochen vor der Values Party in Neuseeland und sieben Jahre, bevor in Baden-Württemberg ein erster grüner Landesverband entsteht.
Zeit: [Verknüpfung]


1973

Munich Re, der größte Rückversicherer weltweit, beschreibt in seiner Publikation "Hochwasser, Überschwemmungen" das mögliche erhöhte Risiko durch die Wirkung von CO2.
[Verknüpfung] (S. 2)

Ölkrise: die Nahost-Förderstaaten bilden ein Kartell zur Preisabsprache (OPEC). Um ihre höheren Preisforderungen durchzusetzen, verknappen sie das Angebot drastisch.

Weltweit gibt es Warteschlangen vor den Tankstellen; in Deutschland werden autofreie Sonntage verordnet, um dem Treibstoffbedarf der Wirtschaft Vorrang zu geben. Ein Spiegel-Artikel aus dem Jahr 2018 ist untertitelt "autofrei - Spaß dabei". Die Fotos zeigen viele entspannte und kreative Menschen auf der Straße - zumindest dort sind keine Wutbürger zu sehen.
[Verknüpfung]

Volkswagen do Brasil kauft 140.000 Hektar Wald am äußersten Südrand des Amazonasgebietes. In den nächsten 12 Jahren wird dort gerodet, um in die Fleischproduktion einzusteigen, wohl auch um damit mögliche Verluste aus möglichen Ölkrisen aufzufangen. Unter der Aufsicht des schweizer Agrarökonomen Friedrich Georg Brügger werden dort Arbeiter unter sklavenähnlichen Bedingungen in Schuldknechtschaft gehalten, teilweise auf der Flucht angeschossen und dann nicht adäquat versorgt. Es gibt Tote.

Erst 2017 kommt es durch eine Recherche der ARD zum Skandal, 2023 ist das Verfahren weiter offen, weil VW einen Vergleich ablehnt.
ARD: [Dodt 2017]
ARD: [Verknüpfung]

Am 11. September stürzt der chilenische Offizier Augusto Pinochet durch ein Bombardement und Invasion des Präsidentenpalasts die demokratisch gewählte, sozialistische Regierung von Salvador Allende. Chile war weniger von Bedeutung für US-Firmen, dafür aber drohte der Arzt Allende als beliebter Präsident erfolgreich einen sozialistischen Modellstaat mit Hilfe eines kybernetischen Modells (basierend u.a. auf künstlicher Intelligenz) aufzubauen. Nachdem die CIA (unter Präsident Nixon und Außenminister Kissinger) mit der Organisation eines Generalstreiks scheiterte und die Massen für den Präsidenten demonstrierten, beschlossen die USA die Organisation eines Miltärputsches. Allende kam während der Invasion ums Leben, sein Kabinett wurde bis auf einen Parlamentär hingerichtet.
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Der Tod des kommunistischen Senators und Literatur-Nobelpreisträgers Pablo Neruda wurde bis 2023 mit seinem Krebsleiden erklärt, bis eine internationale Forschergruppe eine Vergiftung nachweisen konnte. Der linke Liedermacher und Aktivist Victor Jara wurde offen ermordet; die noch lebenden Täter wurden erst 2018 zur Verantwortung gezogen.
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Der Luftwaffengeneral Alberto Bachelet, der loyal zu Allende gehalten hatte, wurde gefoltert und starb ein Jahr später im Gefängnis. Seine Tochter Michelle kann aus dem Foltergefängnis Villa Grimaldi fliehen und wird Ärztin, 2006 und 2014 Präsidentin Chiles, und parallel dazu Menschenrechtsaktivistin. Als solche wird sie 2018-2022 Hohe Kommissarin der UN für Menschenrechte.
[Wikipedia 2023 - Michelle Bachelet]
Zu Allendes wichtigsten Beratern zählte der äußerst erfolgreiche englische Unternehmensberater Stafford Beer, der das Kybernetik-Projekt Cybersyn leitete. Nach dem Putsch wurde er zum Aussteiger.
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2021, 48 Jahre später, wird eine Indigene zur Staatspräsidentin gewählt: Elisa Loncón vom Volk der Mapuche.
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2022 tritt mit Gabriel Boric ein Ministerpräsident an, der das Ende des chilenischen Neoliberalismus verspricht.


Wenn Chile die Wiege des Neoliberalismus war, dann kann es auch das Grab sein. Aber eines, auf dem alle Blumen blühen.
Gabriel Boric
[Verknüpfung]

Der Soziologe Richard Easterlin wertet in einer internationalen Glücks-Studie 30 Umfragen aus 19 Staaten von 1946 bis 1970 aus und kann zwar einen positiven Zusammenhang zwischen Bruttoinlandsprodukt BIP und Glücksempfinden wahrnehmen, der aber ab einem bestimmten Wohlstandsniveau verschwindet - man spricht seitdem vom Easterlin-Paradox. Es wird bis heute heftig diskutiert.
[Verknüpfung]
Eigentlich galt diese Erkenntnis lange als simple Lebensweisheit, eine Vorstellung die den Menschen half, trotz vielfacher Benachteiligungen glücklich zu werden.
Viele Menschen, die selbst bei einer wirtschaftlich erfolgreichen Erwerbsbiografie keine Erfüllung in ihrem Leben finden, oder irgendwann eine innere Leere empfinden, werden psychisch krank. Viele suchen, auch prophylaktisch, bewusst nach Erlösung durch Selbstoptimierung: Sport, Aufenthalt in einer "intakten Natur", soziale Interaktion, Dankbarkeitsreflexionen, Achtsamkeitsübungen und Meditation. Eine Studie zeigt, dass Selbstoptimierungs-Mechanismen kontraproduktiv wirken können, wenn sie nicht zum Erfolg führen und damit das Selbstwirksamkeitsempfinden weiter untergraben.
Zeit: [Verknüpfung]
Studie in Nature: [Verknüpfung]
Die Überlastung der psychologischen Unterstützungsangebote macht die Entwicklung deutlich.
Das Bruttonationalglück-Programm von Bhutan zeigt, dass Glück und Verantwortung für eine lebensfreundliche Umwelt durchaus zusammenhängen können, als eine bedeutende Art von Sinnstiftung.
taz: [Verknüpfung]
DLF: [Verknüpfung]
Das war sicher auch auch ein Teil von dem, was US-Präsident Jimmy Carter in seiner Rede an die Nation 1979 meinte; Carter hatte ein Programm zur Förderung Erneuerbarer Energien gestartet.
In seinem Kinderbuch The Hobbit hatte J.R.R. Tolkien diese Erkenntnis ausgerechnet dem vor Gier kranken König der Zwerge (die ohnehin als gierig verschrien waren) als Abschiedsworte an seine Freunde in den Mund gelegt.


If more of us valued food and cheer and song above hoarded gold, it would be a merrier world. But, sad or merry, I must leave it now. Farewell. - Thorin
J.R.R. Tolkien, The Hobbit, or There and Back Again
[Verknüpfung]

Aber auch was das Feiern angeht, hat der Westen ökozide, toxische Formen entwickelt. Man denke nur an die Flugbewegungen zur Biermeile in Mallorca, zum Oktoberfest oder die Verwüstungen nach Rockfestivals, oder das Zurschau-Stellen widerlicher Sex-Exzesse bei Rammstein-Konzerten.

2009 beginnt das Umweltministerium mit dem UBA mit der Ermittlung eines Nationalen Wohlstandsindex NWI, beginnend mit Daten von 1990. Während das BIP konstant steigt, sinkt das NWI seit der Jahrtausendwende.
[Verknüpfung]


1974

Der bayerische, links-intellektuelle Nachkriegs-Schriftsteller Carl Amery (alias Christian Anton Mayer) ist befreundet mit Heinrich Böll und setzt sich seit den Berichten des Club of Rome kristisch mit der Umweltzerstörung auseinander. Bei der Wahl von Helmut Schmidt zum Bundeskanzler tritt er aus der SPD aus. Später, nach der Gründung der Grünen, wird er es so begründen: "Indem sich die regierten Sozialdemokraten unter dem starken Kanzler zu einer ökonomistischen Politik des Krisenmanagements entschlossen, schufen sie die Voraussetzungen für den Abfall der Grünen. Der Rest ist bekannt."

Am 9. und 10. Juli findet in Wyhl am Oberrhein ein Erörterungstermin statt, um die Öffentlichkeit an der Genehmigung eines Kernkraftwerks zu beteiligen.
Konservative und Progressive taten sich im Protest gegen das Vorhaben zusammen. Es kam zur ersten großen Aktion der deutschen Umweltbewegung.
[Wikipedia 2024 - Kernkraftwerk Wyhl]
An diese und weitere Meilensteine der deutschen und internationalen Umweltbewegung erinnert der Rundfunk-Beitrag in SWR2 Wissen von Gabor Paal und Miriam Mörtl mit etlichen Originalaufnahmen.
Hörtip: Gabor Paal und Miriam Mörtl. Geschichte der Ökologiebewegung. SWR2 Wissen 2017.
SWR: [Paal 2017]

Am 28.02.1975 verhindert eine Demonstration von 28.000 Bürger:innen aus Deutschland, Frankreich und der Schweiz den Bau des Kernkraftwerks. Der Demonstration gingen viele friedliche Protestkundgebungen voraus, die mit Polizeigewalt aufgelöst wurden, inclusive Abhören der Aktivist:innen und Vorwürfe des Kommunismus durch den CDU-Ministerpräsidenten und Ex-NSDAP-Mitglied Hans Filbinger - und das, obwohl etliche Parteigenoss:innen Filbingers mit protestierten.
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Filbinger muss 1978 zurücktreten, weil seine NS-Vergangenheit als NSDAP-Mitglied und Marinerichter bekannt wird - durch seine Unterlassungsklage gegen den Schriftsteller Rolf Hochhuth. Er kämpft jahrelang für seine Rehabilitation und gründet 1979 das rechts-konservative Studienzentrum Weikersheim. Heute gilt dieses als Denkfabrik der Neuen Rechten.
[Wikipedia 2021 - Hans Filbinger]


1975

Klimaskeptiker verbreiten in einer Phase globaler Abkühlung die Angst vor dem Anbruch einer neuen Glazialzeit, die jedoch in Wirklichkeit nach Kenntnis der Klimaforschung durch Aerosole (Global Dimming) verursacht ist. Die weitaus meisten Klimaforscher bleiben dagegen bei ihrer Vorhersage einer globalen Erwärmung. Das hinderte viele Medien nicht daran, die Erzählung von einer kommenden Eizeit reißerisch zu verbreiten.
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An den Artikel "Another Ice Age?", den das Magazin TIME am 24. Juni 1974 brachte, erinnert Christian Stöcker im Spiegel.

TIME: [Verknüpfung]
Gefunden in Spiegel: [Verknüpfung]
Der Atmosphärenforscher Stephen Schneider vom NASA Goddard Institute for Space Studies setzt sich mit den Klimaskeptikern auseinander.
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Er hatte bereits 1971 eine wissenschaftliche Arbeit zu dem Thema veröffentlicht und sich auch in der New York Times zu der Problematik geäußert, dass die Wirkung des Treibhauseffekts durch die Luftverschmutzung überlagert sei.
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[Wikipedia 2019 - Global Dimming]
Auch in den 90er Jahren wird das Phänomen weiter erforscht.
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Die Chicago Boys, Schüler des neoliberalen Ökonoms Milton Friedman, verankern in Chile unter dem Diktator Augusto Pinochet, dem auch nach dem Putsch schwere Menschenrechtsverletzungen nachgewiesen werden, den Neoliberalismus in der Verfassung. Das damalige Chile gilt seitdem Neoliberalisten als Modellstaat.

In den 80er Jahren startet der Neoliberalismus unter Ronald Reagan in den USA und danach weltweit.

Die CDU sucht besonders enge Beziehungen zum neoliberalen Diktator.

1977 besucht eine deutsche Delegation um den bayerischen Ministerpräsidenten der CSU Franz-Josef Strauß den chilenischen Diktator, begleitet von einer Wirtschaftsdelegation, die zahlreiche lukrative Geschäfte einfädelt. Im Speisesaal der schon damals berüchtigten deutschen Sektenkolonie Colonia Dignidad des ehemaligen Wehrmachtssoldaten Paul Schäfer befindet sich seitdem für viele Jahre ein handsigniertes Bild von Franz-Josef-Strauß, von dessen Besuch später in verschiedenen Zeitungen berichtet wird.
FAZ: [Verknüpfung]
RP: [Verknüpfung]
Die Hanns-Seidel-Stiftung der CSU hat das später zunächst bestätigt, dann aber wieder dementiert.
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Im März desselben Jahres sind durch einen Bericht von amnesty international ai die Gräuel in der Colonia Dignidad bekannt geworden.
[ai 1977]
Interview mit Dieter Maier, einem der Autoren: [Verknüpfung]
Das Verfahren wegen Verleumdung, das die deutsche Tochterorganisation der Kolonie gegen ai anstrengt, wird über 20 Jahre verschleppt. In dieser Zeit werden alle Versuche der Zivilgesellschaft, gegen Pinochet und Schäfer vorzugehen, von Unions-Politikern abgeblockt, mit dem Hinweis auf ein laufendes Verfahren: von der Regierung Strauß, von Wolfgang Vogelsgesang (Stadtrat von München), Adolf Herkenrath (Bürgermeister von Siegburg), Ludwig Martin (Generalbundesanwalt) u.a.. Der CDU-nahe ZDF-Journalist Löwenthal unterstützt den Freundeskreis Colonia Dignidad des Ex-SS-Offiziers und Waffenhändlers Gerhard Merthin, dem zeitweise 120 Personen angehören.
Ein Strauß-Vertrauter, der Münchener Soziologieprofessor Lothar Bossle (CSU), besucht das Lager mehrfach und hat dabei nie etwas öffentlich zu beanstanden. 1987 bescheinigt Bossle der Diktatur offiziell, "auf dem Weg zu einer wahren Demokratie" zu sein; auch die griechische Militärdiktatur, die den Enthüllungs-Journalisten Günther Wallraff festhielt, nimmt er gegen deutsche Kritiker in Schutz.
All die Jahre kann ihm die negative Berichterstattung nicht verborgen geblieben sein, Journalisten wurden sogar aus der Kolonie heraus beschossen; auch nicht, dass man ihnen und den anderen wohlgesonnenen Gästen jedesmal ein perfektes Schauspiel einer idyllischen Landgemeinschaft bot, während kritische Beobachter wie eine komplette Delegation des Außenministers Hans-Dietrich Genscher, oder der Arbeitsminister Norbert Blüm, abgewiesen wurden. Doch geheime chilenische Papiere dokumentieren, wie Bossle und Martin gleichzeitig in einem geheimen Brief Pinochet eine Reform der Kolonie empfehlen. Was war passiert?
Der CDU-Arbeitsminister Blüm wurde von vielen Parteikollegen als "Herz-Jesu-Marxist" verspottet, von Chile-freundlichen Unionspolitikern und dem berüchtigt rechtskonservativen ZDF-Journalisten Gerd Löwenthal wurde er hart angegangen, auch weil er sich immer wieder schwer damit tat, Rentengelder in die berüchtigte Kolonie zu überweisen.
Bei einem historischen Gespräch mit Pinochet konfrontiert Blüm diesen mit einer Todesliste von 16 Verurteilten, die in Deutschland Asyl suchen. Kritisiert scharf die Verhörmethoden, u.a. die Folter eines Säuglings mit einer Zigarre, um die Mutter zur gewünschten Aussage zu zwingen. Es wird laut, und Pinochet verweist schließlich auf seine große Frömmigkeit, wohl um zu beteuern, nur im bester Absicht zu handeln. Da ist er bei Blüm, der die Christdemokratie im Wortsinn versteht, an der falschen Adresse. Als Pinochet ihn völlig konsterniert hinauskomplimentiert mit "ihr Deutschen - Auschwitz", verabschiedet sich Blüm: "gerade deshalb".
weltexpresso: [Verknüpfung]
Nach seiner Rückkehr aus Chile legt Blüm die Asylantrags-Liste dem Bundestag vor. Auf der Rednerliste der Bundestags-Sitzung wird er von seiner Fraktion unter Vorsitz von Rudolf Seiters auf den letzten Platz gesetzt, und seine Vorredner überziehen ihre Redezeit derart, dass Seiters Blüms Beitrag streichen kann. Die Grünen geben ihm daraufhin fünf Minuten ihrer Zeit, sein Anliegen vorzutragen, was er dann auch sehr emotional tut. Obwohl der Innenminister Friedrich Zimmermann (CSU) die Antragsteller als "Terroristen" abweisen will, nimmt der CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen, Ernst Albrecht, die Asylanten auf.
Spiegel: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Zeit: [Verknüpfung]
Spiegel: [Verknüpfung]
Domradio: [Verknüpfung]
Auch ein Weltbank-Kredit an Pinochet über 250.000.000$, dem Helmut Kohl zustimmt, kann den chilenischen Staatsbankrott 1990 nicht verhindern, woraufhin Pinochet stürzt.
Schäfers Sektenkolonie wird erst sieben Jahre später aufgelöst, er selbst kann bis 2005 in Argentinien untertauchen und wird an Chile ausgeliefert. Dort bleibt er bis zu seinem Tod 2010 in Haft.
Blüm erhält 2016 vom Botschafter Patricio Pradel die höchste Auszeichnung Chiles: "Mein Land bedankt sich für Ihre tapfere Hilfe, mit der Sie Tausenden von Chilenen das Leben gerettet haben."
Blog der Republik: [Verknüpfung]
Im selben Jahr sorgt der Kinofilm Colonia Dignidad - es gibt kein Zurück noch einmal für Aufmerksamkeit, der Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) räumt diplomatische Versäumnisse ein.
taz: [Verknüpfung]
Doch weitere Aufklärung, auch über die Rolle der deutschen Botschaft, wird vom Auswärtigen Amt unter Merkel behindert, und einer der Täter, der Arzt Hartmut Hopp, bleibt in Deutschland unbehelligt; der chilenische Opferanwalt Hernán Fernández, der u.a. einem Mordversuch der Kolonisten entging, will schon sein Bundesverdienstkreuz zurückgeben. Jan Stehle vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika in Berlin spricht von einem Skandal. Er beklagt, dass die Colonia in Deutschland eine Lobby gehabt habe, vor allem bei CDU und CSU. Der Wissenschaftler habe sich erst durch eine Klage gegen das Auswärtige Amt AA Einblick in die Dokumente verschaffen können.
SZ: [Verknüpfung]
Aktuell beschäftigt sich noch das Recherchenetzwerk Correctiv damit.
correctiv: [Verknüpfung]
Teile der Sekte leben immer noch auf dem Gelände. Sie vermarkten die Kolonie als deutsches Landidyll unter dem Namen Villa baviera (bayerisches Dorf) an Touristen; während die Konditorei immer noch sehr beliebt ist, lebt die autoritäre Kultur in der abgeschlossenen Gemeinschaft weiter, so berichten Aussteiger weiter.
[Verknüpfung]
[Wikipedia 2024 - Colonia Dignidad]


Filmtip: MDR Fakt und Die Story im Ersten: Colonia Dignidad - die Sekte der Folterer
ARD bei Youtube: [Verknüpfung]

47 Jahre nach dem Putsch setzt im Herbst 2020 eine chilenische Bürgerbewegung ein Referendum über eine Verfassungsänderung durch. Ziele der Protestbewegung: eine Stärkung des Staates für mehr soziale Gerechtigkeit.
[Verknüpfung]
79% der Stimmen entschieden: am 11. April 2021 soll die Convención Constituyente gewählt werden, berichtet die Hanns-Seidel-Stiftung.
[Verknüpfung]

Alice Schwarzer führt mit Ester Vilar im WDR-Fernsehen ein Streitgespräch über die Emanzipation der Frau. Vilar ist als antifeministische Bestseller-Autorin bekannt. Sie bezichtigt die Frauen der "Dressur" ihrer Männer, auf deren Kosten sie sich ein leichtes Leben machten. Dieses Stereotyp findet im konservativen Deutschland großen Anklang. Schwarzer hält ihr entgegen, Vilar reproduziere (wie viele Frauen) die Unterdrückungsstrukturen des Patriarchats.
[Wikipedia 2023 - Alice Schwarzer]
[Wikipedia 2023 - Esther Vilar]

Ein Jahr später gründet Alice Schwarzer in Köln die feministische Zeitschrift Emma, die bis heute erscheint.

Filmtip: Alice (2 Teile). ARD 2022.
Zitat Meedia: "In der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen war der erste Teil von „Alice“ mit 0,729 Millionen sogar die meist-gestreamte Sendung des gesamten Jahres 2022."
[Verknüpfung]
[Wikipedia 2023 - Alice (Fernehfilm)]
In der ARD Mediathek nur bis 30.05.2023:
Teil 1: [Verknüpfung]
Teil 2: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2023 - Alice (Fernsehfilm)]


1976

Gründung der Danish Energy Agency DEA zur Beendigung der Energieabhängigkeit und Schaffung einer umweltfreundlichen Energieversorgung.
DEA: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2024 - Danish Energy Agency]

Das wichtigste Programm Energi 21 startet 1996, vier Jahre vor dem deutschen EEG.

Die Vorhersage der Anthropozän-Krise durch den Club of Rome ist vier Jahre alt und wird, auch befeuert durch die Ölkrise, weiter heftig diskutiert. Der Pionier der Sozialpsychologie Erich Fromm erklärt nun die kulturell-historischen Hintergründe der kommenden Krise aus sozialpsychologisch-philosophisch-theologischer Sicht. Sein Sachbuch "Haben oder Sein" stößt in der Zivilgesellschaft auf große Resonanz, vor allem seine Kritik an der westlichen, letztlich religiös motivierten Fixierung auf Statusgewinn durch Konsum, die man heute z.B. als Wohlstandsevangelium oder Gerechte-Welt-Theorie, bis hin zum Sozialdarwinismus, vorfindet. Die konsumistische Konkurrenzgesellschaft entfremde die Menschen, mache sie unglücklich. Er stützt seine Thesen auf Jahrzehnte der Psychoanalyse in den USA, v.a. in New York. Letztlich kann er auch auf das Easterlin-Paradox referieren.
[Wikipedia 2021 - Erich Fromm]
Die aggressive Selbstabgrenzung von Gruppen ethnischer, religiöser oder weltanschaulicher Art bezeichnete er als Gruppennarzissmus, und nannte diesen eine wichtige Voraussetzung für Krieg.

Zitate aus dem SWF-Interview Erich Fromm - Gespräch zu Haben oder Sein (1977): 6'11'' Der politische Messias
"Diese messianische Vorstellung, das war die erlösende und beeindruckende Vorstellung, und die ist es eigentlich bis heute geblieben. Nämlich, damals wie heute, die Vorstellung, in der [...] das Religiöse und das Politische gar nicht voneinander zu trennen sind."
12'05'' Religiosität und Marxismus
"Es ist wohl kaum ein bedeutender Philosoph so völlig entstellt worden wie Marx, sowohl von den Kommunisten wie aber auch von den Sozialdemokraten [...], die ihn so interpretierten, dass es ihm darauf ankommt, dass die Arbeiter ebenso glücklich leben wie die Bürger. [...] Marx war ein Gegner, ein Kritiker der bürgerlichen Werte. Marx sah, dass der Mensch in der kapitalistischen Gesellschaft ein Gefangener ist, nicht nur die Arbeiter, er meinte die Arbeiter seien die aller entfremdetsten und unglücklichsten. Heute ist es sogar so, dass man sehen kann, dass die Gesellschaft der Angestellten, der Manager, der Ingenieure noch entfremdeter ist sogar als die der gelernten Arbeiter [...]. Marx kam es darauf an, den Menschen wieder ins Zentrum zu stellen. Und noch am Ende des dritten Bands [von Das] Kapital sagt er, "die Aufgabe ist, dass der Mensch so lebt, dass der Zweck und das Ziel seines Lebens die volle Entfaltung aller seiner Kräfte sind, als ein Selbstzweck - und nicht als ein Mittel zur Erreichung anderer Zwecke.
Und wenn Sie sich diese Formulierung einmal ansehen und einmal vergleichen, sagen wir einmal mit den Formulierungen von Maimonides, dem größten jüdischen Religionsphilosophen, was er sagt, wie er [...] die messianische Zeit [definiert], dann ist fast kein Unterschied. Das Pathos hinter Marx war ein religiöses Pathos, obwohl er die Religion kritisiert hat [...]. Er hat sie kritisiert nicht von einem bürgerlich-atheistischen Standpunkt, sondern wenn sie so wollen von einem religiös-atheistischen Standpunkt. [...]
Marx' Meinung war, dass solange die reale Welt, die gesellschaftliche Welt, so weit entfernt ist von der Verwirklichung sagen wir 'mal der Prinzipien der Propheten oder der Evangelien, solange braucht man eine Religion als extra Institution, die sozusagen die Ideen wach hält, die aber in Wirklichkeit doch auch die Spaltung schafft: zwischen dem realen sozialen Leben und der religiösen Ideologie, dem religiösen Gefühl, was, sagen wir, am Sonntag befriedigt wird, in der Kirche.
Worauf es Marx ankam, war die Verwirklichung der Religiosität im realen Leben. Dass die Gesellschaft so aufgebaut ist, dass sie die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Liebe, der Wahrheit, der menschlichen inneren Produktivität und Lebendigkeit - oder wie ich es in diesem Buch ausgedrückt habe des Seins und nicht des Habens - dass diese Prinzipien in der Gesellschaft selbst durchgesetzt sind, im täglichen Leben. Dann allerdings braucht man keine Religion mehr als extra Institution, weil die Religiosität, die Normen, die Erlebnisse, die Daseinsart sich in der Praxis der Gesellschaft durchgesetzt hat. Dann sind eben die Gesetze menschliche, humane, die Lebensweise ist eine menschliche, humane. Und dann allerdings versucht man, das Prinzip des Seins, das Prinzip das gemeinsam ist dem Buddhismus wie dem prophetischen Judentum wie der Bergpredigt, alles das zu verwirklichen in der Gesellschaft, in deren Gesetze[n], Bräuche[n], Werte[n] - und das war das Ziel von Marx."
18'09'' Krise des Kapitalismus
"Ich glaube, dass heute schon sehr viele Menschen bereit sind, nach einem Weg zu suchen, der den Menschen befriedigt, der den Menschen respektiert. Und die fühlen, dass ein Leben, wo alles dem Erfolg, dem Geld, der Konkurrenz, der Ausbeutung dient, in Wirklichkeit ein Leben ist, das die Menschen unglücklich mach[t]."
20'15'' Das heidnisch geprägte Christentum
"Christentum heißt: der Glaube an, die Bewunderung von Jesus als dem Heiland, dem Retter. Und das war ein Mann, der war arm, der wollte nichts haben, der wollte keine Macht, der wurde versucht zur Macht und gerade die hat er abgelehnt, der war ein Mann voller Liebe, der sein Leben hingegeben hat für die Menschen.
Ja, nun, demgegenüber steht das heidnische Prinzip der alten Griechen, der alten Teutonen. Das sagt, worauf es ankommt ist Macht, Überlegenheit, und dass es schön ist zu sterben, wenn man weiß, dass man siegt.
Nun, jetzt fragen wir einmal, wo ist denn der christliche Geist in Europa? Wen bewundern wir denn heute? Bewundern wir heute in Europa, oder ein paar hundert Jahre früher, [...] den Armen, den Aufopfernden, den Liebenden?"
21'30'' Der unglückliche Europäer
"Die meisten Menschen geben vor - für sich selbst auch - dass sie glücklich sind. Wenn man unglücklich ist, dann ist man, in Englisch würde man sagen, ein failure, ein Misserfolg. So muss man also eine Maske des Zufriedenseins, Glücklichseins tragen, denn sonst verliert man den Kredit auf dem Markt. Dann ist man ja kein normaler Mensch, kein tüchtiger Mensch. Aber sie müssen sich doch nur die Menschen ansehen [...], wie hinter der Maske eine Unruhe, Gereiztheit, Ärger, Depressionen, Schlaflosigkeit, Unglücklichsein - das was die Franzosen genannt haben die Malaise - liegt. Man hat ja schon vom Beginn des Jahrhunderts an von der Malaise du Siècle gesprochen. Das, was Freud genannt hat "das Unbehagen in der Kultur". Aber es ist gar nicht das Unbehagen in der Kultur, es ist das Unbehagen in der bürgerlichen Gesellschaft, die den Menschen zum Arbeitstier macht. Und alles, was wichtig ist: die Fähigkeit zu lieben, für andere da zu sein, zu denken. Nicht ein Instrument zu sein für die Wirtschaft, sondern der Zweck alles wirtschaftlichen Geschehens. Das macht eben die Menschen so, wie sie sind und ich glaube, es ist eine allgemeine Fiktion, die die Menschen miteinander teilen, dass der moderne Mensch glücklich sei.
Aber diese Beobachtung, die habe nicht nur ich gemacht, die können sie bei einer ganzen Reihe von Leuten finden. Und man braucht nur selbst die Augen aufzumachen und sich nicht vom Schein trügen zu lassen. [...] Die Normalsten sind die Kränksten, und die Kranken sind die Gesündesten. Das klingt geistreich oder vielleicht zugespitzt, aber es ist mir ganz ernst damit, nicht eine witzige Formel. Der Mensch, der krank ist, der zeigt, dass bei ihm gewisse menschliche Dinge noch nicht so unterdrückt sind, dass sie in Konflikt kommen mit den Mustern der Kultur und dass sie dadurch, durch diese Friktion, Symptome erzeugen. Das Symptom ist ja wie der Schmerz nur das Anzeigen, dass etwas nicht stimmt. Glücklich der, der ein Symptom hat. [...] Aber sehr viele Menschen, d.h. die Normalen, sind so angepasst, die haben so ihr Eigenes verlassen, die sind so entfremdet, so Instrumente, so robothaft geworden, dass sie schon gar keinen Konflikt mehr empfinden. Ihr wirkliches Gefühl, ihre Liebe, ihr Hass, das ist schon so weit verdrängt, oder sogar so verkümmert, dass sie das Bild einer leichten chronischen Schizophrenie [... ab]geben."
25'53'' Von der Bedeutung des Habens in der entmenschlichten Gesellschaft
"Unsere Gesellschaft ist aufgebaut auf dem Prinzip, dass das Ziel des Lebens ist, die größere Produktion als Kompensation und auch als Notwendigkeit die größere Konsumption, und [...] der Fortschritt der Wirtschaft, der Fortschritt der Technik, das ist das, wofür wir leben - nicht der Mensch. Was dem Menschen nützt, das interessiert wenig, wenn man darüber denkt, was das Ziel ist, worauf wir hinauslaufen. Sogar nicht einmal, was den Menschen schadet, spielt eine Rolle. [...] Viel von unseren [...] Reklamen preist Dinge an, die ausgesprochen tödlich und schädlich sind [...]. Wenn's um den Profit geht, hat man kein Gewissen, Menschen zu schaden. [...] Im Mittelalter war es eben nicht so, [...] die Kultur diente dem Menschen, und die Wirtschaft war ein Zweck.
Freud hat selbst eine der schärfsten Kritiken an der bürgerlichen Gesellschaft gegeben [...]. Nämlich die bürgerliche Gesellschaft ist eine neurotische Gesellschaft, weil sie beherrscht wird vom Prinzip des Habens, des Ansammelns, [...] des Geizes. [...] Wenn ich mir ansehe eine Gesellschaft von einem Stamm in Afrika oder noch von einem urwüchsigen Bauernleben, wo es das noch gibt, ja die sind doch menschlich viel höher entwickelt als wir.
Der moderne Mensch glaubt [...], je weniger Maschinen man braucht, desto unentwickelter ist man, und deshalb sieht er herab auf die nicht Maschinen-Bauenden und Maschinen-Benutzenden, nicht mechanisierten Menschen als kindlich-unentwickelt. Und das fällt damit zusammen, dass nun die weiße Rasse die einzige ist bisher, die die Macht, die Maschinen entwickelt hat, [...] und so hat die weiße Rasse dann auf alle anderen Rassen herabgesehen als inferior. Angeblich und ideologisiert, weil sie die falsche Hautfarbe haben. In Wirklichkeit, weil sie keine Macht hatten, weil sie keine Maschinen-Menschen waren. Sie sehen's ja heute, die Japaner, die sind schon keine Farbigen mehr. [...] Warum? Die haben genau dieselbe Maschinerie wie wir. Und man kann schon sehen, die Chinesen werden irgendwann auch keine Gelben mehr sein."
30'55'' Club of Rome - Grenzen des Wachstums
"Es gibt [...] bei einer ganzen Reihe von Forschern die Einsicht, dass wenn wir so weiter machen wie wir sind, das heißt alles konsumieren, die Natur zerstören, unseren Nachkommen nichts lassen, nichts als eine zerstörte und verarmte und vergiftete Welt, wenn die Menschen weiter nicht am Leben hängen, sondern am Profit und an der Macht, [...] dass aus rein ökonomischen Gründen in 20, 50, 60 Jahren [...] die Ressourcen so verarmt sind, dass es [...] dann zu Katastrophen kommen muss. [...] Die weiße Festung der Industriegesellschaft, die ist heute nicht mehr uneinnehmbar. [...]
Die [östliche, sogenannte marxistische Gesellschaft] ist noch viel schlimmer, denn die hat noch nicht einmal die lebendigen Elemente, die fortschrittlichen Elemente, die der Kapitalismus hat. Sondern das ist nun der [...] Staatskapitalismus, der einem [...] konservativen Stadium [entspricht] zur Metternich-Zeit. [...]
Das Phantastische ist ja, dass heute jeder Mensch, gewiss jeder Regierungsvertreter, die Daten zur Verfügung hat, die zeigen, dass wir ökologisch schwer bedroht sind. Dass wir, wenn das so weitergeht, Katastrophen kommen müssen. Dass wir in einem Maße verschwenden, wozu wir überhaupt kein Recht haben. Wir leben wie Bankrotteure, wir können die Folgen sehen - aber keiner zieht die Konsequenzen. Man macht so weiter, weil man nicht den Mut, die Initiative hat zu sehen: wo gibt es etwas Neues?"
35'15'' Aufstehen gegen die Verdrängung und die Resignation
"Wenn man mit dem Leben handelt, ist es anders als wenn man mit Geld handelt. Wenn man Geld investieren will und nur eine 2% Chance hat, dass es nicht verloren geht, wird nur ein Narr investieren. Wenn ein Mensch schwer krank ist, und nur eine 2%-Chance ist, dass sein Leben gerettet werden kann, wird die Medizin alle Mittel versuchen, um wegen dieser 2% sein Leben zu retten [...]. Und es geht bei den gesellschaftlichen Fragen um das Leben der Menschheit. [...]
Wir spenden einen großen Teil unserer Energie auf das Verdrängen der Wahrheit, und rennen vo[r] uns davon, rennen vo[r] unseren Einsichten davon und ersetzen die durch alle möglichen Rationalisierungen. Das sehen sie im Einzelfall bei den Individuen [...], und das sehen sie gesellschaftlich, wenn [...] die Menschen alle Daten haben, es auch im Grunde wissen, aber so erschreckt sind, sich so unfähig zeigen oder fühlen, dass sie lieber alles verdrängen."
41'31'' Kein Faschismus ohne Verdrängung
[Die kollektive Verdrängung als Ansatz eines neuen Faschismus] ist eine sehr große politische Gefahr. Ein großes Beispiel für politische Verdrängung ist doch die Hitler-Zeit.
[Verknüpfung]

Dass die psychische Störung ADHS möglicherweise eine Folge von Entfremdung ist, zeigt eine Studie aus 2008: ein Parkspaziergang hat eine ähnliche therapeutische Wirkung wie Ritalin.
Studie: [Taylor 2008]
Pressemitteilung: [Verknüpfung]

VW bringt den Golf Diesel auf den Markt, der bis zum Jahr 2000 mit den 3l-Autos nach dem Peugeot 205D das sparsamste massentaugliche Serien-Auto bleiben wird (4-6l/ 100km); Kleinst-Diesel der 90er (Peugeot 106D, Citroen Saxo D) und selbst moderne Sparautos verbrauchen unwesentlich weniger.
[Spritmonitor 2019 - Golf I Diesel]
[Viehmann 2015]

Erfindung des Natrium-Schwefel-Akkumulators, der wegen seiner Rohstoffzusammensetzung als stationärer Speicher riesige Kapazitäten ermöglicht

Im September sendet Thames Television den Anti-Tabak-Dokumentarfilm Death in the West, und wird daraufhin vom Zigarettenhersteller Philipp Morris verklagt. Man weiß nur von einer einzigen verbliebenen Kopie dieses Films, die der Anti-Tabak-Aktivist Stanton Glantz 1982 seinen Studenten zeigte und vom kalifornischen Lokalsender Kron TV ausgestrahlt wurde. Sie steht auf dem Videoportal DailyMotion zur Verfügung.
[Verknüpfung]
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[Verknüpfung]
1994 werden Glantz interne Papiere eines Zigarettenherstellers zugespielt, die beweisen, dass dieser über die Gefahren sehr genau bescheid wusste, und die bis dahin beispiellose Schadenersatz-Zahlungen der Tabakindustrie zur Folge hatten.


1977

USA: Der Klimaforscher James Black informiert seine Vorgesetzten im Ölkonzern Exxon in einem internen Papier über seine Forschungsergebnisse zum anthropogenen Klimawandel, u.a. einer Prognose von +1,5-6°C für das Jahr 2050. Seine Prognosen erwiesen sich insofern als zutreffend.
[Verknüpfung]
[Verknüpfung]
[Wikipedia 2021 - James Black (Klimatologe)]
Bis 2023 war eine Ablichtung der Studie als Pdf-Datei bei Exxon öffentlich einsehbar. Eine Volltextsuche auf der Homepage von Exxon nach "Black 1977" bringt "keine Treffer".


pdf (Seite 26) im Archiv insideclimatenews: [Verknüpfung]
pdf bei Exxon (Seite 26, seit 2023 nicht mehr erreichbar): [Verknüpfung]

Blacks Tochter Claudia erzählt 2016 seine Geschichte im Guardian. Er habe seinen Vorgesetzten damals ein Zeitfenster von 5-10 Jahren in Aussicht gestellt, innerhalb derer die Menschheit grundlegende Entscheidungen über den Ausstieg aus der Öl-Verbrennung treffen müsse. Stattdessen habe man sich für Geheimhaltung der Ergebnisse und Desinformation entschieden. Sie berichtet weiter, dass ihre Tochter Anna gerade auf der Exxon-Aktionärsversammlung sei, um - wie einst ihr Großvater - den CEO von seinen klimaskeptischen Ansichten und der alten Geschäftspolitik abzubringen.
[Verknüpfung]
Wir wissen heute: auch Blacks Enkelin Anna hat es nicht geschafft, den Exxon-CEO Rex Tillerson zu überzeugen.
Exxons extrem klimaschädliche politische und wirtschaftliche Aktivitäten stehen schon lange unter der kritischen Beobachtung der Zivilgesellschaften: #ExxonKnew.
Blacks und weitere Klimaforschungs-Papiere bei Exxon bis 2014 diskutieren die Wissenschaftshistoriker Naomi Oreskes und Geoffrey Supran 2017.
[Supran 2017]

Ein Kollektiv aus schwarzen Feministinnen, das sich 1974 am Combahee River gegründet hat, veröffentlicht seine Forderungen, das Combahee River Collective Statement. Es gilt als der Beginn globaler Identitätspolitik, die gegen Diskriminierung von Minderheiten kämpft.


Auch wenn unsere ökonomische Stellung immer noch am untersten Ende der amerikanischen kapitalistischen Ökonomie angesiedelt ist, haben eine Handvoll von uns es geschafft, infolge von Tokenismus [d.h. als sogenannte "Feigenblätter"] im Erziehungs- und Arbeitsmarktsystem einige Werkzeuge zu erlangen, die uns potentiell helfen, unsere Unterdrückung effektiv zu bekämpfen. [...]
Vor allem kam unsere Politik zuerst aus dem gemeinsamen Glauben, dass Schwarze Frauen von Natur aus wertvoll sind und dass unsere Befreiung eine Notwendigkeit ist, kein Zusatz zur Befreiung anderer. [...] Wir stellen fest, dass die einzigen, die sich genug für uns interessieren, um sich konsequent für unsere Befreiung einzusetzen, wir selbst sind. Unsere Politik entspringt einer gesunden Liebe für uns selbst, unsere Schwestern und unsere Gemeinschaft [...]. Dieser Fokus auf unsere eigene Unterdrückung ist verkörpert in dem Begriff der Identitätspolitik. Wir glauben, dass die tiefgreifendste und potentiell radikalste Politik direkt aus unserer eigenen Identität entspringt, im Gegensatz zu der Vorstellung, dass wir dafür arbeiten sollten, die Unterdrückung von jemand anderem zu beenden. [...] Wir weisen Podeste, Königinnentum und Hinterherlaufen zurück. Als menschlich und gleich anerkannt zu werden, ist uns genug. [...]
Wenn Schwarze Frauen frei wären, würde das bedeuten, dass auch alle anderen frei sein müssten, weil unsere Befreiung die Zerstörung aller Systeme der Unterdrückung erfordert.
Combahee River Collective
[Wikipedia 2023 - Combahee River Collective]

USA: Ökonom William D. Nordhaus diskutiert die Ausgestaltung einer CO2-Steuer (Nobel-Gedächtnispreis 2018).
[Nordhaus 1977]

Amory Lovins veröffentlicht "Soft Energy Paths" und beschreibt darin eine postfossile Zukunft. Die "harten Energiepfade" der Energieversorger seien nicht nachhaltig und würden die Menschen entfremden. Gemeint ist der völlig unreflektierte Umgang des Verbrauchers mit Strom, der nicht darüber nachdenkt, was hinter der Steckdose passiert. "Der Strom kommt aus der Steckdose" wird zum Bonmot der kritischen Verbraucher.
Zeit: [Hockenos 2012]

1982 zieht er mit seinem Rocky Mountain Institute in sein Passivhaus auf 2200m Höhe in den Rocky Mountains ein, wo er nach eigenen Angaben durch Verzicht auf eine Heizung sogar Kosten gespart hat und Bananen erntet. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass er bei der Dämmung sehr viel Eigenleistung erbracht haben muss, um die Kosten einer Heizung auszugleichen. Seit etlichen Jahren sind die Mehrkosten von Passivhäusern in Deutschland gering - trotdzem finanzierten viele lieber ein teures Auto, als diese Kosten aufzubringen. Jetzt ist allgemein das Gejammer über Energiekosten groß und wird oftmals auch noch den Grünen angelastet.
2016 erhält Lovins das Bundesverdienstkreuz. 2023 blickt er zurück und stellt fest, dass er die Potentiale der Erneuerbaren unterschätzt, und deshalb stärker auf die Potentiale der Effizienz gesetzt habe. Durch den Preisverfall der Erneuerbaren seien elektrische Alternativen wie Autos und Wärmepumpen sinnvoll geworden. Natürlich ist es jedoch weiterhin sinnvoll, auf eine Effizienzsteigerung zu setzen.
Das Bild zeigt ihn sichtlich zufrieden vor seinem Passivhaus in den Rocky Mountains vor einem aufgeständerten Solarpanel. Mittlerweile erntet er von seiner 81. Staude.

[Verknüpfung]
[Wikipedia 2023 - Rocky Mountain Institute]

Im Block A des bayerischen Atomkraftwerks Gundremmingen, dem größten zivilen der Welt, kommt es zu einem gravierenden Störfall, bei dem das Gebäude voll Wasser läuft und große Dampfmengen entweichen. Es kommt zum Totalschaden, d.h., dass die Anlage nicht wiederhergestellt wird. Parallel laufen die Bauarbeiten an Block B. Die genauen Umstände des Störfalls werden nicht transparent gemacht.
BR: [Verknüpfung]
Zwei Jahre vorher sind bereits zwei Arbeiter bei einem Dampfaustritt ums Leben gekommen.
[Wikipedia 2023 - Kernkraftwerk Gundremmingen - Zwischenfälle]




1978

Die bekannten deutschen Wissenschaftsjournalisten Hoimar von Ditfurth und Volker Arzt warnen in ihrer bei Wissenschaftsinteressierten sehr beliebten ZDF-Reihe "Querschnitt" am 8. November eindringlich vor der Gefahr einer globalen Katastrophe durch Klimawandel und Artensterben im deutschen Fernsehen. Die Folge hat den Titel "der Ast, auf dem wir sitzen". Damals gab es ganze drei Fernsehprogramme, das ZDF hatte entsprechend hohe Einschaltquoten.


Die Wüstengebiete werden sich ausdehnen, die Polkappen werden abschmelzen, der Wasserspiegel wird ansteigen, all das wirkt jetzt noch wie ein Szenario aus einem Science-Fiction-Roman, unsere Kinder, spätestens unsere Enkelkinder werden erfahren, dass das mehr ist. [...] Wenn wir von unserem Großhirn, wenn wir von unserer Einsichtsmöglichkeit nicht in absehbarer Zeit Gebrauch machen, dann wird es uns irgendwann nicht mehr geben, dann werden wir ausgestorben sein, wie unendlich viele Arten vor uns und sicher auch noch in Zukunft. Dann wird die Geschichte der Menschheit in der Biosphäre und dem Kosmos eine vorübergehende Episode sein. Dann werden auch wir zugrunde gegangen sein, obwohl wir als erste Lebensform auf der Erde die Chance gehabt hätten, dem Verderben zu entgehen.
Hoimar von Ditfurth


ZDF-Mediathek: [Verknüpfung]
Youtube-Video von Stephan Scheer über die Sendung: [Verknüpfung]
DLF-Beitrag: [Westhoff 2022]

Von Ditfurth beschäftigt sich in den Folgejahren auch mit dem weltanschaulichen Problem, das dem Ökozid zugrundeliegt und nur scheinbar mit der Aufklärung überwunden wurde: dem Anthropozentrisimus.




1979

Schweiz: Auf Einladung der WMO (Weltmeteorologischen Gesellschaft) treffen sich am 12.02. Klimaforscher und Staatsvertreter in Genf zur ersten internationalen Klimakonferenz, die aber noch den Namen Weltwetterkonferenz trägt. Vereinbart wurde eine Zusammenarbeit der Klimaforscher und die Einrichtung des Weltklimarats IPCC. In der Abschlusserklärung steht: "Die Nationen der Welt müssen alles dafür tun, einen menschengemachten Wandel des Klimas zu verhindern, der das Wohlbefinden der Menschheit gefährden könnte."
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Die Tagesschau berichtet und interviewt den Hamburger Meteorologen Prof. Dr. Hermann Flohn, der die bisher beobachtbare Entwicklung vorhersagt und deutliche Worte der Warnung findet.


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Seine Veröffentlichung aus 1981 in den Physikalischen Blättern (Open Access):
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Südafrika: Johan Coetzer und Roy Galloway vom Council for Scientific and Industrial Research (CSIR) in Pretoria entwickeln mit Ron Dell und Roger Bones vom Atomic Energy Research Establishment in Harwell (UK) einen neuen Hochtemperatur-Akku, den Natrium-Nickelchlorid-Akku. Ein 40kWh-Prototyp wird in einen Suzuki-Minibus eingebaut.
Antrieb für die Entwicklungsarbeit des CSIR dafür sind - wie bei der Umsetzung der Kohle-Produktion Sasol - die internationalen Sanktionen gegen Südafrikas wegen der rassistischen Apartheids-Politik, der die Ölkrisen der 70er Jahre verschärft. Es handelt sich also eher nicht um eine sensationelle Innovation durch einen glücklichen Zufallsfund (wie etwa die Solarzelle), sondern um eine Leistung, die auf beharrliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit zurückzuführen ist.
[Wikipedia 2022 - Zebra-Batterie]
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Der Akku kommt ab den 90er Jahren in Autos zum Einsatz, wird aber für diesen Zweck nicht konsequent in Massen produziert, erst viel später als Stromspeicher.

Der demokratische US-Präsident Jimmy Carter lässt - unter dem Eindruck der zwei vergangenen Ölkrisen - Solarthermie auf dem Weißen Haus und Photovoltaik in seiner Heimatstadt Plains (Georgia) installieren.
[Reedy 2017]
Außerdem startet er den Gesetzgebungsprozess für den Energy Security Act, der die Entwicklung Erneuerbarer Energien staatlich unterstützt.
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Es kommt zum ersten bedeutenden Preisverfall für Photovoltaik.
Mit diesem neuen Ansatz in der Energiepolitik betreibt Carter auch eine Abkehr vom US-Imperialismus, was auch seiner Außenpolitik eines "moralischen Internationalismus" und seiner Innenpolitik der Rassenintegration entspricht.

In Kalifornien werden noch in Carters Amtszeit im Rahmen eines Förderprogramms 1000e dänische Windräder aufgestellt (à 55kW Leistung). Durch die Förderung wurde Massenproduktion möglich, was den Preis pro kWh halbierte.
[Trappe 2012]
[Danish Wind Industry Association 2003]
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Dänemark ist 2022 führend im Anteil erneuerbarer Energie, v.a. durch Windkraft.

Carter kann seine Idee vom Multilateralismus nur eine Amtsperiode lang durchhalten, v.a. weil die Krise im Nahen Osten eskaliert. Die islamische Revolution im Iran ist die Reaktion auf den über 100-jährigen anglo-amerikanischen Imperialismus. Sie endet für Carter mit einem blutigen Entführungsdrama in einem außenpolitischen Desaster.
Die Konflikte zwischen liberalen Iranern, einer korrupten Adelselite und dem islamischen Klerus gehen zurück auf die Günstlingspolitik im 19. Jahrhundert zugunsten englischer Tabakhändler, und im 20. Jahrhundert zugunsten englischer Ölgesellschaften. Ausgerechnet hier hatte der amerikanische Öl-Imperialismus seinen Anfang genommen, als die USA 1953 mit der Wiedereinsetzung des Schah die englische Hegemonie ablösten. Die wiederholten Einmischungen Russlands machten aus der Nahost-Krise letztlich einen weiteren Stellvertreter-Konflikt zwischen Russland (egal ob kommunistisch oder nicht) und den USA, der bis heute anhält.
Carter konnte diese viele Generationen schwelenden Konflikte unmöglich in einer Amtsperiode heilen. Er hatte seine Politik mit den Staatschefs von England, Frankreich und Deutschland abgestimmt, und sie alle hatten die Loyalität des fanatischen islamistischen Revolutionsführers Chomeini völlig falsch eingeschätzt. Doch das nutzte ihm innenpolitisch nichts, sein republikanischer Herausforderer Ronald Reagan überzeugt die amerikanischen Wähler mit seiner Forderung nach der Rückkehr zur imperialen Politik der Stärke. Mit der Kontrolle der Ölquellen im Nahen Osten werden die USA zum wichtigsten Ölhändler weltweit.
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Iran gerät in den russischen Einflussbereich, und Afghanistan wird von russischen Truppen besetzt. Die Spätfolgen der imperialen Externalisierung halten bis heute an: Iran, eine Kulturnation, die weit älter ist als Europa, ist nachhaltig destabilisiert und im Dauer-Clinch mit dem Westen.

Carter versucht wie vor ihm u.a. Erich Fromm, in der Zivilgesellschaft ein sozial-ökologisches Umdenken anzuregen, weg vom unreflektierten Konsumismus, hin zu einem bewussten Leben. Am 15.07.1979 findet er dazu vor über 65 Millionen Fernseh-Zuschauer:innen eindrückliche Worte, die im Neoliberalismus aktueller sind denn je.


Human identity is no longer defined by what one does but by what one owns. We discovered that only things and consuming things does not satisfy our longing for meaning. We learned that piling up material goods cannot fill the emptiness of lives which have no confidence or purpose.
(Die menschliche Identität wird nicht mehr durch das definiert, was man tut, sondern durch das, was man besitzt. Wir haben festgestellt, dass nur Dinge und der Konsum von Dingen unsere Sehnsucht nach Sinn nicht befriedigt. Wir haben gelernt, dass das Anhäufen materieller Güter die Leere eines Lebens ohne Selbstvertrauen oder Zweck nicht füllen kann.)
Jimmy Carter
Im Youtube-Video (mit einer kurzen Einleitung) bei 1:27:58 des auch sonst sehr empfehlenswerten Films "Die Erdzerstörer": [Arte 2019]

Filmtip: Der Rock'n-Roll-Präsident

Am 28. März kommt es im Atomkraftwerk Three Mile Island bei Harrisburg (Pennsylvania) zu einer Kernschmelze, bei der der Reaktorblock zerstört wurde. Eine Studie stellte eine 150%ige Zunahme bestimmter Krebserkrankungen in der Abwindrichtung fest.
Im selben Jahr kommt es bei Church Rock zum Dammbruch eines Schlackessees, der sich in das Trinkwasser-Reservoir von Indigenen der Diné-, Hopi- und Pueblo ergießt. Der Gehalt an radioaktiven Substanzen erhöht sich um das 7000fache, weitere Schäden werden nicht erfasst. Experten rechnen mit stark erhöhten Krebsraten. Der Unfall wird in Europa nicht zur Kenntnis genommen.
[Verknüpfung]
[Verknüpfung]
[Reaktorunfall im Kernkraftwerk Three Mile Island]
Studie: [Verknüpfung]

Am 4. Mai wird die neoliberale Politikerin der Tories, die "iron Lady" Margaret Thatcher, Premierministerin. Sie beendet die Sozialpolitik der Nachkriegs-Ära, und sagt dem Wohlfahrtsstaat und den Gewerkschaften den Kampf an. Eine Privatisierungswelle zerstört Einrichtungen des Gemeinwohls wie öffentliche Wasserversorgung, ÖPNV, Post, Telekommunikation. Nur nationale Ikonen wie der beliebte National Health Service und der legendäre öffentlich-rechtliche Rundfunk BBC bleiben verschont.

1981, als der neoliberale Ronald Reagan US-Präsident wird, vernetzt der enge Thatcher-Berater und Hayek-Anhänger Antony Fisher seinen Think Tank Institute of Economic Affairs IEA mit den libertären Pendants in den USA zum Atlas Network.
1986 dereguliert Thatcher die Londoner Börse im Financial Servcices Act, was nach dem Zerfall der Sowjetunion in den 90ern eine massive Kapitalflucht aus Russland auslöst. Ein Großteil der Londoner Immobilien gehört heute kriminellen russischen Oligarchen.
[Wikipedia 2024 - Margaret Thatcher]




1980

Wie 1965 der demokratische US-Präsident Lyndon B. Johnson, so hat auch Jimmy Carter ein großes Gutachten zur ökologischen Entwicklung beauftragt, das nun erscheint - und von der Presse als Doomsday Report(Weltuntergangs-Bericht) gehandelt wird: The Global 2000 Report to the President.
[Wikipedia 2024 - Global 2000 (Studie)]

Am 13. Januar findet in der Karlsruher Stadthalle die Gründungsversammlung der Grünen statt. Dabei sind die linken Intellektuellen Heinrich Böll, Joseph Beuys, Carl Amery, Lukas Beckmann und Milan Horacek, aber auch rechte Protagonisten wie Baldur Springmann, Herbert Gruhl, Werner Vogel oder August Haußleiter, darunter sogar ehemalige Nazis.
Spiegel: [Verknüpfung]
Die Grünen: [Verknüpfung]
Die Grünen: [Verknüpfung] (Pdf-Datei)

Nach kurzer Zeit innerer Querelen hat der linke Flügel der Grünen viele der vorher eingewanderten rechten Vertreter herausgedrängt, die 1981 eine rechtsökologische Partei gründen: die Ökologisch Demokratische Partei ÖDP. Die fundamental-demokratische Organisation der Grünen ermutigt jedoch einige rechte Querulanten weiter zum Versuch, die Parteilinie zu beeinfussen. Die letzten ökofaschistischen Querulanten verlassen die Partei deshalb erst Mitte der 80er-Jahre.
[Wikipedia 2023 - Die Grünen - Gründung erster Landesverbände 1979 und der Bundespartei 1980]

USA: Am 18. September kommt es in Damascus, Arkansas durch einen versehentlich fallen gelassenen Schraubendreher bei er Wartung einer Atomrakete zum Austritt von Treibstoff im Silo und in der Folge beinahe zur Explosion der Rakete.
arte auf Youtube: [Verknüpfung]

UK: Nachdem Stanley Whittingham 1976 für Exxon mit dem Li-Metall-Akku zunächst an Sicherheitsproblemen scheiterte, entwickelt John B. Goodenough (Oxford) den ersten Lithium-Ionen-Akku mit Graphit-Anoden, einen Typ, der von Akira Yoshino 1991 für einen Sony-Camcorder perfektioniert wurde.

Goodenough stößt 1997 auch die Entwicklung des LiFePO4-Akkus an, die 2008 zum ersten Mal von A123 Systems für Hybridfahrzeuge produziert werden; auch der Einsatz im Think EV ist geplant.
Die drei Erfinder des Li-Ionen-Akkus teilen sich den Physik-Nobelpreis 2019.
Zeit: [Verknüpfung]
[Wikipedia 2024 - John B. Goodenough]


1980er Jahre

Große Regierungs-Kampagne der SPD-/ FDP-Koalition zum Energiesparen.
Power Big Meet Västerås 2010 img 0039 01 (35986224086)
[Wikipedia 2020 - Ich bin Energiesparer]

D: Bürgerproteste führen zur Verabschiedung von Umweltgesetzen.

  • Waldsterben => Entschwefelung von Kohle und Kraftstoffen
  • Müll => Müllgesetze
  • Seensterben => Phosphatregulierung
  • Ozonloch (1997) => FCKW-Verbot

[Jänicke 2008]








1981

USA: Der Republikaner Ronald Reagan wird zum Präsidenten ernannt. Er bricht mit der kurzen Phase des Multilateralismus unter seinem Vorgänger Jimmy Carter und setzt die imperialistische Politik der USA umso konsequenter fort. Genauso wirft Reagan mit seiner neoliberalen Agenda die Wirtschafts-Regulation des genialen John Maynard Keynes endgültig über den Haufen. Der neu erfundenen US-Umweltpolitik setzt er nach einem kraftvollen Auftakt ein jähes Ende, den Warnungen des neuen, katastrophalen Berichts Global 2000 zum Trotz. Um dem Wähler eine umweltgerechte Agenda zu suggerieren, setzt der Schauspieler seine Naturverbundenheit in Szene - heute würde man von Greenwashing sprechen.
[Wikipedia 2021 - Environmental policy of the United States - The Reagan Administration (1981-1989)]
Reagan setzt Anne Gorsuch (die Mutter des von Trump eingesetzten Obersten Richters Neil Gorsuch) als Chefin der Umweltbehörde EPA ein. Sie schränkt die Ressourcen und Kompetenzen der Behörde massiv ein. 1986 lässt er bei einer Dachreparatur Carters Solarmodule vom Weißen Haus entfernen. (2010 gelangen einige der Module in ein chinesisches Museum).
[Biello 2010]
Reagan kehrt auch Carters Außenpolitik komplett um und löst mit einem atomaren Rüstungswettlauf den wirtschaftlichen Zerfall der Sowjetunion aus, der in der nuklearen Katastrophe von Tschernobyl einen Höhepunkt findet.
[Verknüpfung]


In this present crisis government is not the solution to our problem - government is the problem.
Ronald Reagan

Auf Betreiben der Mont Pelerin Society setzt sich global der Neoliberalismus durch, eine wirtschaftsgeschichtliche Epoche, in der sich der Staat zurückhält und die (globalisierte) Wirtschaft eher frei (liberal) gewähren lässt; besonders neoliberale Staatschefs:
USA: Ronald Reagan (Republican Party), George Bush sr. (Republican Party), Bill Clinton (Democratic Party), George W. Bush (Republican Party), (Barack Obama (Democratic Party)), Donald Trump (Republican Party)
UK: Margaret Thatcher (Conservative Party) (John Major (Conservative Party)), Tony Blair ("New" Labour), David Cameron, Theresa May, Boris Johnson (alle Conservative Party)
D: Helmut Kohl (CDU), Gerhard Schröder (SPD), Angela Merkel (CDU)
Bemerkenswert: Sowohl in Deutschland als auch in USA und Großbritannien schaffte es die neoliberale Lobby vor der Jahrtausendwende, die jeweils eher linksorientierten liberal-(sozial-) demokratischen Parteien zu unterwandern, teilweise auch zu spalten: in Deutschland (später mit Unterstützung aus Russland) die SPD unter Kanzler Schröder, in den USA die Demokraten unter Clinton, in Großbritannien die Labour-Partei unter Blair.
Mit der Frage, ob man die russische Einflussnahme in den USA unter Trump und in Großbritannien seit Brexit noch als Neoliberalismus bezeichnen kann, will ich mich hier nicht beschäftigen. Letztlich versuchen hier jedenfalls einzelne besonders mächtige Investoren durch einen Rückfall von Staaten in den Isolationismus Vorteile für ihre fossilen Partikularinteressen zu erreichen:

  • America first
  • Spaltung der EU, die als Vorreiter der internationalen Klimaschutz-Politik auftritt
  • Energie-Politik der Visegrad-Staaten
  • Brexit und stärkere Anbindung Großbritanniens (einem Antreiber im europäischen Klimaschutz) an die USA
  • Schwächung des transatlantischen Bündnisses

  • Es könnte daran liegen, dass sich nach dem Paris-Abkommen auf der globalen politischen Bühne und auf den globalen Finanzmärkten immer deutlicher ein baldiges Platzen der Carbon Bubble ankündigt. Der globale Kapitalismus entledigt sich gerade seiner Rolle als Garant der Fossilwirtschaft, und die Fossil-Investoren wollen diesen Prozess natürlich aufhalten.

    Der Tag nach dem traditionellen amerikanischen Familienfest Thanksgiving gilt seit 1939 als die umsatzstärksten des Jahres, weil er von Franklin D. Roosevelt als Start der Weihnachtseinkäufe festgelegt wurde. Am 28. November 1981 spricht der Philadelphia Inquirer zum ersten Mal vom Freitag nach Thanksgiving als "Black Friday". Händlern bietet sich die Gelegenheit, ihre Jahresbilanz mit schwarzen Zahlen abzuschließen. Der Tag entwickelte sich zur Rabattschlacht, und der Online-Händler Amazon läutete 2015 einen weiteren solchen Tag im Juli ein. Sparen tut jedoch nur, wer kauft, was er wirklich sonst auch gekauft hätte. Wenn alle das täten, gäbe es keinen Anreiz der Händler für die Aktion.
    [Wikipedia 2022 - Black Friday (shopping)]
    Umwelt-NGOs rufen zum Boykott oder zumindest zum bewussten Konsum auf, hier Julian Philipp von WWF Deutschland.


    Der Black Friday ist kein Feiertag für unseren Planeten, sondern ein wirklich schwarzer Tag im Wettlauf gegen Klimakrise und Artensterben.
    Julian Philipp
    [Verknüpfung]


    1982

    USA: In Auburn (Alabama) begründet der langjährige Libertäre Murray Rothbard das Ludwig von Mises Institute for Austrian Economics. Rothbard gehörte früh zu den Vordenkern der neoliberalen Mont Pelerin Society. Er war 1976 an der Gründung des Cato Institute beteiligt, das vom Ölmilliardär Charles Koch finanziert wurde, und das zentraler Agent bei der Klimaskeptiker-Bewegung wurde.
    Rothbard wird zu einer zentralen Figur des Libertarismus, einer radikalen Form des Neoliberalismus. Aus der neoliberalen Ablehnung staatlicher Markteingriffe wird bei Libertären eine Agenda zur Überwindung des Staates, zur Sezession.




    1983

    D: die 90.000.000DM-Forschungs-Windkraftanlage GroWiAn wird von MAN fertiggestellt (und nach 5 Jahren wieder abgerissen).
    Dazu Ex-Forschungsminister Matthöfer (SPD): "Wir wissen, dass es nichts bringt. Aber wir machen es, um zu beweisen, dass es nicht geht." RWE-Vorstandsmitglied Günther Klätte gesteht im Februar 1982 freimütig der Welt, dass GroWiAn "ein pädagogisches Modell" sei, um Atomgegner zu bekehren. "Wir hatten keine Ahnung von Windenergie", gesteht der für Aerodynamik zuständige Ingenieur Erich Hau Jahre später dem Journalisten Jan Oelker.
    Zeit: [Kriener 2012]


    1984

    Exxon-Mitarbeiter und Klimaforscher Henry Shaw präsentiert der Geschäftsleitung ein Dossier über den Klimawandel, das die Entwicklungen bis heute mit einer erstaunlichen Genauigkeit vorhersagt. Genau genug, um die Aussage "Exxon wusste bescheid" zu rechtfertigen. Die Ergebnisse bleiben - wie die seines Vorgängers Black 1977 - ein Betriebsgeheimnis.
    [Hall 2015]
    [Spiegel 2019-1]


    pdf (Seite 9): [Shaw 1984]
    [Verknüpfung]

    Die gezeigte Grafik war damals bereits zwei Jahre alt und stammt aus einem Exxon-internen Papier von M. B. Glaser.
    Zeit: [Erdmann 2023]
    Das Dossier von 1982, auf das Shaw sich beruft, findet sich seit September 2015 in den Archiven von insideclimatenews und später auch bei climatefiles.
    insideclimatenews.org: [Glaser 1982]
    climatefiles.com: [Glaser 1982]
    pdf (Seite 14) bei climatefiles.com: [Glaser 1982]
    2015 wurden die Erkenntnisse aus den Archiven der Ölindustrie von Neela Banerjee, John Cushman, David Hasemyer und Lisa Song zusammengefasst im Buch "Exxon: The Road not Taken", das für den Pulitzer-Preis nominiert war.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    2023 ist die Grafik ein Kernstück der wissenschaftlichen Arbeit, die Historiker:innen Geoffrey Supran und Naomi Oreskes mit dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf als Dokumentation der Desinformationskampagnen veröffentlichen. Sie dient als Grundlage einer Klage des US-Bundesstaats Kalifornien gegen Exxon.




    1985

    Baubeginn der Wiederaufbereitungsanlage (WAA) Wackersdorf, neben La Hague in Frankreich und Windscale in England die dritte weltweit, und die einzige, die nicht am Meer liegt. Es ist das Prestige-Projekt des bayerischen Ministerpräsident Franz-Josef Strauß.

    Strauß geht weit aggressiver vor als 1974 der baden-württembergische Ministerpräsident Filbinger in Wyhl, wo die ersten großen Bürgerproteste ein Kernkraftwerk verhindern konnten. Nach einem in Deutschland einzigartig langwierigen und intensiven Protest der Zivilgesellschaft wird der Bau 1989 schließlich gestoppt.
    Wichtige Protagonisten der Protestbewegung sind der Gutachter Prof. Dr. chem. Armin Weiß, die Landräte Hans Schuierer und Dietmar Zierer und viele andere, darunter drei Pfarrer und ein Richter. Die junge Partei der Grünen engagiert sich und bekommt dadurch großen Zulauf. Anti-Atomkraft-Aktivist:innen gründen 1986 in Schönau eine Bürgerinitiative, aus der 1997 alternative Energieversorger Elektrizitätswerke Schönau EWS hervorgeht.
    [Wikipedia 2023 - Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf]

    Filmtip: Wackersdorf. Deutschland 2018
    [Wikipedia - Wackersdorf (2018)]




    1986

    Kernschmelze im Atomkraftwerk Tschernobyl
    [Wikipedia 2019 - Nuklearkatastrophe von Tschernobyl]
    Das Chernobyl Forum fasst unter der Leitung der International Atomic Energy Agency IAEA die Schäden in einem Dossier zusammen. Die Havarie forderte zahlreiche Todesopfer und verursachte viele Krebserkrankungen, auch weit entfernt.
    [Verknüpfung]

    Das Gelände von Tschernobyl ist immer noch nicht bewohnbar; die Abdeckung wurde mehrfach repariert und musste dennoch durch immer größere Abdeckungen ergänzt werden. Der Unfall gilt als eine große Belastung der späten Sowjetunion. Wenige Jahre danach bricht sie zusammen.
    Auch heute noch ist die Region unbewohnbar, und selbst in Deutschland lassen sich Belastungen in Pilzen und Wild nachweisen.
    ingenieur.de: [Verknüpfung]

    Der von Saudi-Arabien (Verbündeter der USA) betriebene Ölpreis-Verfall treibt die von Ölexporten abhängige Sowjetunion endgültig in den Ruin.
    [Kellerhoff 2016]

    Der Spiegel warnt vor der "Klima-Katastrophe".
    [Spiegel 1986]




    1987

    D: Die Deutsche Physikalische Gesellschaft und die Deutsche Meteorologische Gesellschaft warnen in einem gemeinsamen Papier eindringlich vor einem existenzbedrohenden anthropogenen Klimawandel und mahnen, die politische Untätigkeit zu beenden.
    [DPG-DMP 1987]
    USA: der Top-Klimatologe Wallace Broecker warnt vor der Möglichkeit, dass die nordatlantische thermohaline Zirkulation, bekannt als "Golfstrom", abbricht, und dramatischen Folgen für Europa.
    [Verknüpfung]

    USA: Nachdem er vom Medienmogul Rupert Murdoch im Wahlkampf massiv unterstützt worden wurde, schafft der erste neoliberale US-Präsident Ronald Reagan die seit 1949 bestehende Fairness-Doktrin der Federal Communications Commission ab. Sie sollte die Ausgewogenheit der Darstellung in den Medien sicherstellen.
    Diese Abschaffung schadet der Versachlichung und leistet einer zunehmenden Verrohung im öffentlichen Diskurs entscheidenden Vorschub. Es kommt zur Gründung neuer Formate, die heute in den USA dominieren, wie Talkradio, z.B. mit dem berüchtigten Moderator Rush Limbaugh oder Rupert Murdochs Fox News, der US-Präsident Trump bis zum gescheiterten Putschversuch am Kapitol 2021 hofierte. Im Untersuchungsverfahren wurden skandalöse Fälle von absichtlichen Falschnachrichten im Murdoch-Konzern aufgedeckt, in Australien laufen seit 2020 Untersuchungen gegen Murdochs News Corp. Bis heute versuchen US-Politiker:innen der Demokratischen Partei und der parteilose Bernie Sanders vergeblich, die Fairness-Doktrin wieder einzuführen. Rechte Politiker betreiben auf der anderen Seite weltweit eine Zerstörung oder Beschränkung von unabhängigen öffentlich-rechtlichen Medien.
    [Wikipedia 2021 - Fairness-Doktrin]
    [Kuhn 2021]
    Nachahmer findet diese Medienpolitik bei Helmut Kohl, der mit seinem umstrittenen Intimus Leo Kirch in Deutschland das Privatfernsehen etabliert, oder der mafianahe italienische Unternehmer Silvio Berlusconi, der mit seinem Medienimperium Mediaset selbst zum Ministerpräsidenten aufsteigt.
    Rechtspoulistische Regierungen in Osteuropa wie in Ungarn (unter Viktor Orban) oder Polen (unter Jarosław Kaczyński) betreiben dazu eine Gleichschaltung der Medien. Autoritäre Tendenzen zeigen sich jedoch auch in Großbritannien und Deutschland, wo konservative und rechtspopulistische Parteien die öffentlich-rechtlichen Medien beschneiden oder gar abschaffen wollen.
    Eine feste Größe in der nachkriegsdeutschen Medienlandschaft ist allerdings die BILD-Zeitung aus dem Springer-Verlag. Mit dem Gründungsjahr 1946 ist sie älter als die Budesrepublik. So wie die ARD das britische Vorbild der BBC hat, so etablierte sie sich als das Gegenstück zur britischen Tabloid Press, deren Besitzer zu den einflussreichsten Briten zählen. Großen politischen Einfluss im deutschen Konservatismus hatte auch der BILD-Verleger Axel Springer, dessen Witwe den Konzern in die Hände des Neoliberalen Mathias Döpfner legte. Allerdings ist er in seiner wirtschaftlichen Macht nicht vergleichbar mit seinen englischen Vorbildern.
    Guardian: [Monbiot 2011]
    BILD liegt in der Liste der Rügen des deutschen Presserats mit großer Regelmäßigkeit und weitem Abstand ganz vorn. Man könnte hier auch von "Rügenpresse" sprechen.
    Presserat: [Verknüpfung]
    Seit 2020 gehört der Mutterkonzern Axel Springer SE, zu dem auch das Blatt Welt gehört, zum fossilen Investor Kohlberg Kravis Roberts KKR.
    [Wikipedia 2024 - Axel Springer SE]
    Vor der Erfindung der "sozialen" Medien war BILD der mit Abstand wichtigste Kanal rechtspopulistischer Propaganda in Deutschland; ein populäres Rundfunk-Format wie das amerikanische Talk Radio gab es damals auch nicht, nur Spartenangebote wie das ZDF Magazin von Gerd Löwenthal, das aber weit weniger krawallig daherkam, denn es wurde vom damals CDU-nahen öffentlich-rechtlichen Sender ZDF ausgestrahlt, v.a. als Gegenpropaganda zum Schwarzen Kanal der DDR. Dadurch hatte die Sendung natürlich ihre Berechtigung. Doch die Auseinandersetzung mit der bundesdeutschen Linken, die oftmals nähere Kontakte mit Akteuren aus dem Osten hatte (darunter viele unbewusste Kontakte mit Spionen), geriet immer wieder zum Rechtspopulismus.
    [Wikipedia 2024 - ZDF-Magazin]
    Der rechtspopulistische Hetzer Julian Reichelt war vor seinem Skandal um sexuellen Missbrauch Chefredakteur der BILD.

    In seinem Bestseller von 1985 "So laßt uns denn ein Apfelbäumchen pflanzen – Es ist soweit" zeichnete Hoimar von Ditfurth ein düsteres Bild von den Zukunftsaussichten der Menschheit. Am 8. Februar 1987 interviewte ihn der ZDF-Chefnachrichtensprecher Klaus Bresser. Von Ditfurth versucht, über die grundlegenden Missverständnisse, die nach Aufklärung und Evolutionslehre weiterbestehen, aufzuklären.
    Youtube-Video Teil 1: [Verknüpfung]
    Youtube-Video Teil 2: [Verknüpfung]

    Bresser: "Die Hoffnung, dass wir noch einmal davonkommen, sei gering. Also doch kein Ausweg, kein Entrinnen?"
    von Ditfurth: "[...] Die Gefahren, die uns drohen, die auf uns zukommen, wie ein naturnotwendiges Fatum, wie ein Schicksal, das uns zu überrollen droht, sind in Wirklichkeit ja ausnahmslos Konsequenzen unseres eigenen Fehlverhaltens. Wir brauchten nur aufhören damit, für Friedenssicherung zu halten, was in Wirklichkeit sich ja von dem, was man unter Frieden ernstgenommen zu verstehen hat, ja immer weiter entfernt. Man kann nicht Frieden schaffen, indem man dem Anderen mit der jederzeit exekutierbaren Ausrottung droht. [...] Jeder Gärtner, jeder Landwirt weiß, dass er auf einem bestimmten Areal, jeder Terrarien-, Aquarianfreund, nur eine bestimmte Zahl von Mitgliedern ein und derselben Art halten kann, weil sonst die Umwelt überfordert ist. Wir weigern uns einzusehen, dass dieser Planet heute schon von uns zu stark besetzt ist. Wir bilden uns ein, dass wir die ganze Erde in eine Monokultur verwandeln könnten zu unserem Nutzen. Das alles sind Dinge, über die man nachdenken kann, und die man einsehen kann."

    Als nächstes nimmt von Ditfurth die Entwicklungen vorweg, die bisher die Klimaschutz-Gegner in Gang setzen konnten.

    Bresser: "Sie empfehlen ja defensives Verhalten. Verzicht, Genügsamkeit. Aber glauben Sie, dass die Menschen etwa in der Dritten Welt wirklich darauf verzichten Kinder zu zeugen, die Wirtschaft im größten Teil der Welt darauf verzichtet Gewinn zu machen und Wachstum zu fördern? Die Politiker und die Militärs darauf verzichten, weiter aufzurüsten und sich damit sicher zu glauben?"
    von Ditfurth: "Herr Bresser, eben weil ich daran nicht glaube, deswegen glaube ich, dass wir verloren sind, dass wir von eigener Hand sterben werden. Das Aussterben ist in der Geschichte des irdischen Lebens nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Der amerikanische Evolutionstheoretiker Ernst Mayer hat 'mal schriftlich begründet, dass von allen Arten, die es auf der Erde in den zurückliegenden viereinhalb Milliarden Jahren gegeben hat, 99,999% ausgestorben sind. Jede Spezies hat bisher nur vorübergehend auf der Erde existiert, und der Grund des Aussterbens ist in allen Fällen der gleiche gewesen. Nämlich dass eine optimal angepasste Art sich einer Veränderung der Umweltbedingungen nicht rechtzeitig hat anpassen können. Das wird von der Evolution mit Aussterben bestraft, macht dann Platz frei für neue Entwicklungen. Diese Begründung trifft so präzise auf unsere Situation zu. Wir sind mit unseren Emotionen, mit unserer Fremdenangst, mit unserem Misstrauen, mit unserem Hass auf das, was jenseits der als unsere Grenze, unseres Erlebten, Artgenossen angeht, so erfüllt wie in der Steinzeit."

    Als Bresser ihm Fatalsimus vorwirft, erklärt von Ditfurth den Unterschied zwischen blindem, anthropozentrischem Fatalismus und der Erkenntnis der evolutionsbiologischen Realität des menschlichen Daseins.

    Bresser: "Aber ist das nicht Fatalismus? Sie sagen, wir sind nur Gast in diesem Kosmos, [von Ditfurth wirft ein: "das ist kein Fatalismus"] und wir haben daraus wieder zu verschwinden."
    von Ditfurth: "Herr Bresser, ich glaube dass einer der Fehler, den wir machen, der anthropozentrische Mittelpunktswahn ist. [Bresser: "Wenn die Menschen sich selber sehen."] .. ja, und sich im Mittelpunkt sehen. Die Menschen haben sich erst [...] vor knapp 400 Jahren gegen die Erkenntnis gewehrt, mit Feuer und Schwert buchstäblich, dass sie nicht der Mittelpunkt des ganzen Kosmos sind, im Zentrum der göttlichen Aufmerksamkeit. Wir haben inzwischen eingesehen, dass das falsch ist. Für viele Menschen ist die Erde immer noch der Mittelpunkt des Universums, und zum Beispiel davon überzeugt sind, dass der einzige Evolutionsansatz, der zum Auftauchen des geistigen Prinzips geführt hat, sich hier auf der Erde abgespielt hat. Und die Menschen sind insofern noch - man muss es zugespitzt formulieren um die ganze Abstrusität [zu zeigen] - klar der Meinung, dass sie der Mittelpunkt sind, weil sie so tun, als ob die zurückliegenden 15 Milliarden Jahre kosmischer Geschichte zu nichts Anderem gedient hätten, als uns heute in unserem zufälligen heutigen Entwicklungsstand hervorzubringen."
    Einsprung im Youtube-Video: [Verknüpfung]
    Bresser: "Ja, Herr Professor von Ditfurth, aber ein Teil der Evolutionstheorie ist doch auch, dass der Mensch sich verändernden Bedingungen, verändernden Herausforderungen wird anpassen können, und insofern noch eine lange Strecke des Überlebens hätte."
    von Ditfurth: "Das ist eine der Behauptungen. Er kann es kulturell. Unsere kulturelle Anpassungsfähigkeit ist keineswegs unbeschränkt. Auch bei uns gibt es haufenweise heilige Kühe, mit genau denselben Folgen und Konsequenzen wie in anderen Ländern. Man erkennt sie nur immer auf eine bestimmte Mindest-Distanz hin erst. Auch bei uns werden die heiligen Kühe zugedeckt von Vorurteilen, Tabus, usw., usw., das sind unsere nationalistischen Empfindungen, das ist unser Wachstums-Fetischismus, das ist unsere anscheinend unkurierbare Neigung alles, was es gibt, von Dingen bis zu menschlichen Beziehungen, in Geldeswerten auszudrücken und einzuschätzen, so weit sind wir ja längst.
    Kulturell immerhin besteht eine erhebliche Flexibilität und Anpassungsfähigkeit, auch relativ rasch. Nur bestehen wir ja nicht nur aus Geist und aus Kultur, sondern wir sind - auch das ist etwas, was der Mensch immer verdrängt - wir sind immer ja auch biologische Wesen."
    Bresser: "Aber auch die Vernunft könnte sich doch auch dahingehend weiterentwickeln, dass wir erkennen, dass es so nicht weitergeht, dass wir etwas ändern müssen in der Rüstung, in der Umwelt, um unseren Bestand zu sichern."
    von Ditfurth: "Wenn Sie sagen, die Vernunft könne sich weiterentwickeln, müssten Sie mir sagen, meinen Sie damit die Lernfähigkeit innerhalb einer geistigen Gemeinschaft, die man Kultur nennt, oder meinen Sie damit den Entwicklungsstand unseres Gehirns? Das sind zwei ganz unterschiedliche Zeitmaßstäbe. Unsere Lernfähigkeit kann Entwicklungen in real time, augenblicklich, sofort folgen. Unsere Entwicklungsfähigkeit, und daraus resultiert glaube ich die Gefahr, hinkt dem um Jahrzehntausende, um Jahrhunderttausende hinterher. Konrad Lorenz [hat] in einer - fällt mir ein - einer brillianten Formulierung gesagt: „Da sitzen wir nun, in der Hand die Atombombe, und im Herzen die Instinkte unserer steinzeitlichen Vorfahren.“ Genau das ist das Problem."
    Bresser: "Ich bleib' dabei und sage nochmal: Fatalismus. Was soll denn die ganze Aufklärung, die ja auch in ihrem Buch steckt, was soll die ganze Warnung, wenn Sie doch zu dem Ergebnis kommen es hat ja keinen Zweck, der Mensch hat nur seine Spanne Zeit und die ist nach Ihrem Eindruck abgelaufen?"
    von Ditfurth [ringt hörbar um Fassung]: "Herr Bresser, ich habe nie und nirgends gesagt, das hat ja alles keinen Zweck. [...] persönlich hat mich das so beschäftigt, dass ich darüber ein Buch geschrieben habe, dass man die Realität und die eigentliche Bedeutung der Existenz des Menschen erst erkennt, wenn man sich klar darüber wird, dass sie prinzipiell von vorne herein und grundsätzlich nur vorübergehender Natur ist. Dass man also versucht, den Sinn der menschlichen Geschichte nicht in etwa vor dem Hintergrund [...] einer spekulierten Fortschritts-Utopie zu sehen und verstehen zu können, dass man sagt, der Mensch ist deswegen auf dieser Erde und darin besteht der Sinn seiner Existenz, dass er in Zukunft immer glücklicher, immer freier von Krankheit, ein immer bequemeres Leben wird führen können, immer weniger Sorgen haben wird usw.. Das ist ja eine unausgesprochene oder [...] oft auch ausgesprochen existierende Utopie. Und ich glaube, wenn man von der ausgeht, dann kann man in Verzweiflung verfallen, wenn man zu der Erkenntnis kommt, dass diese Utopie gefährdet ist durch die Endlichkeit unserer Existenz. Aber wenn man noch weiter zurücktritt und den Mensch[en] also im Rahmen der gesamten natürlichen Entwicklung und Geschichte sieht, und sich klar darüber wird, dass alle Formen des Lebens nur vorübergehend existieren, um dann weiter und höher entwickelten Formen Platz geben zu können, die den Ansatz und den Entwurf, den die Schöpfung - möchte ich jetzt mal sagen - unternimmt, fortzuführen. Dann finde ich gibt es die Möglichkeit, ohne Verzweiflung, ohne Angst und ohne das Gefühl der Zwecklosigkeit sich damit abzufinden, dass wir provozierend gesagt auch nur die Neandertaler der Zukunft sind."

    Doch diese Einsicht sei kein Grund für Fatalismus; von Ditfurth erklärt die Sinnhaftigkeit von Umweltaktivismus selbst bei hoher Wahrscheinlichkeit des Scheiterns.

    Bresser: "Sich abfinden - ist das nicht eine sehr gelassene Resignation, ein Sichergeben ins Schicksal? Was halten Sie davon, wenn zum Beispiel Ihre Tochter jetzt kämpft, um Ziele sich einsetzt, was ändern will, hat das alles keinen Sinn?"
    von Ditfurth: "O doch. Es hat sehr viel Sinn. Und zwar glaube ich, dass es mit ein Ausdruck menschlicher Selbstachtung und - objektiv von außen gesehen - menschlicher Würde ist. Man muss das, was man für richtig und für moralisch notwendig hält, auch dann tun, wenn man der Überzeugung ist, dass man wahrscheinlich scheitert. Wer sich wehrt, kann verlieren, wer sich nicht wehrt, hat schon verloren."
    Bresser: "Eine Frage der menschlichen Selbstachtung?"
    von Ditfurth: "Ja."

    Bresser: "Weniger dieses Kämpfen, um etwas zu erreichen, um es wirklich zu ändern?"
    von Ditfurth: "Herr Bresser, es ist doch eine Trivialität, dass die Menschen, die wir in unserer menschlichen Geschichte rückblickend für groß halten, nur zu einem kleineren Teil die Menschen gewesen sind, die nach den Maßstäben, über die wir jetzt reden, erfolgreich gewesen sind."
    [...]

    Es ist entscheidend zu verstehen, dass wir unser Weltbild selbst konstruieren. Wir sind die erste Art, die dieses Verständnis aufbringen - und Konsequenzen daraus ziehen kann.

    Bresser: "Was ist es - in einem Satz - was die Menschen wissen sollten über Naturwissenschaft?"
    von Ditfurth: "Meine Hoffnung war, den Menschen, die gehetzt sind von Alltagssorgen, beruflichen Sorgen, Ratenzahlungen, Sorgen um die Kinder, ehelichen Spannungen, denen den Blick frei zu machen auf eine größere Wirklichkeit, die die eigentliche Wirklichkeit ist, und vor deren Hintergrund diese ganzen Alltagssorgen eigentlich zu Miniproblemen zusammenschrumpfen."
    Bresser: "Aber können wir denn die eigentliche Wirklichkeit begreifen? Seit Einstein spätestens wissen wir doch, dass die Wahrheit nicht zu erfassen ist, dass der Geist, das Gehirn nicht ausreicht, um die ganze Welt zu verstehen."
    von Ditfurth: "Ausgezeichnet. Präzise meine Meinung. Es wäre wieder Mittelpunktswahn, anzunehmen, dass nach einigen Millionen Jahren der Entwicklung des menschlichen Großhirns dies Großhirn just in diesem Augenblick ein Fassungsvermögen erreicht hätte, dass das ganze Universum hereinpasst. Sie haben vollkommen recht, immerhin ist ja die Tatsache, dass wir als erste und einzige Art auf diesem Planeten in der Lage sind, zu verstehen, dass die Welt, in der wir herumlaufen, gar nicht die Welt ist, sondern das Bild, das wir uns von ihr machen. Das ist ja etwas, was diesem Geschlecht Homo sapiens einen besonderen Rang verleiht."

    Zum Schluss erklärt von Ditfurth, wie sich aus dieser Weltsicht Dankbarkeit entwickelt, und zeichnet damit einen Gegenentwurf zu dem unwürdigen Gemaule über Verzicht, das bis heute immer lauter geworden ist.

    Bresser: "Was sagen Sie einem Jüngeren, der Hoffnungen hat, Hoffnungen hat, etwas zu verändern in der Welt, wenn Sie zu solchen Erfahrungen gekommen sind, dass der Mensch in der Tat nur ein vorübergehender Gast in dieser Welt ist?"
    Ditfurth: "Die schönste Antwort darauf hat mir ein Leser meines letzten Buches gegeben, der mich ansprach in einer anderen Stadt nach einer Lesung, der mich auf der Straße erkannte und sagte, „Herr von Ditfurth, seit ich Ihr Buch gelesen habe, genieße ich mein Leben überhaupt erst richtig.“ Ich sagte, wie meinen Sie das? Ich dachte zunächst, der sagt jetzt, also in den Tag hineinleben und prassen. Das meinte er gar nicht. Er meinte es auf einem sehr viel höheren Niveau. Er sagte: „Seitdem weiß ich, dass es nicht selbstverständlich ist, wenn ich einen Tag hinter mich bringe, ohne Schmerzen, ohne dass einem meiner Angehörigen etwas passiert, ohne dass Krieg ausbricht. Das genieße ich, das habe ich bisher für selbstverständlich gehalten, jetzt weiß ich, dass es nicht selbstverständlich ist, und genieße es überhaupt erst richtig.“ Der hat was gelernt."
    Bresser: "Ist es richtig, wenn ich abschließend sage, dass Sie vielleicht nicht resignierter, vielleicht nicht pessimistischer, bestimmt aber bescheidener geworden sind?"
    Ditfurth: "Bescheidener und keineswegs resigniert, sondern gelassen und, so seltsam Ihnen das jetzt vielleicht erscheinen mag, getröstet."
    [Boente 2004]




    1988

    USA: Klimaforscher James Hansen bezeichnet vor dem US-Senat die globale Erwärmung mit 99% Wahrscheinlichkeit als anthropogen. Er stellte drei Szenarien vor, dessen mittleres durch die aktuelle Entwicklung bestätigt wird. Der Bericht wird weltweit in allen wichtigen freien Funk- und Printmedien verbreitet, weil Hansen Fachmann ist. Die Debatte wurde mit angestoßen vom Physiker und populären Wissenschafts-Journalisten Carl Sagan, der den Kongress schon drei Jahre zuvor gewarnt hatte.
    New York Times: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2019 - James E. Hansen]
    carlsagandotcom bei Youtube: [Verknüpfung]
    In einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten bestätigt der deutsche Klimaforscher Klaus Hasselmann, der Methoden für den mathematischen Nachweis dieser Behauptungen mitentwickelt hat, und präzisiert Hansens Aussage.


    In 30 bis 100 Jahren, je nachdem, wieviel fossiles Brennmaterial wir verbrauchen, wird auf uns eine ganz erhebliche Klimaänderung zukommen. Klimazonen werden sich verschieben, Niederschläge anders verteilen. Dann wird man nicht mehr von Zufallsergebnissen reden können. Man sollte sich bewusst werden, dass wir in eine Situation hineinkommen, wo es keine Umkehr mehr gibt. Wir müssen vor allem versuchen, mit Öl und Kohle sparsam umzugehen, denn das Kohlendioxid ist wesentlich an der Treibhauswirkung schuld.
    Klaus Hasselmann
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Normalerweise werden wissenschaftliche Beratergremien nur mit Wissenschaftlern besetzt. Der republikanische, neoliberale US-Präsident Ronald Reagan drängt die bestehenden Gremien WMO und UNEP, das neue Klimawissenschafts-Beratergremium IPCC als Hybrid anzulegen: hier haben Staatsvertreter Mitspracherecht. Spencer Weart hat auch dieses Detail der Klimawissenschaft in seinem Online-Buch The Discovery of Global Warming dokumentiert.
    [Verknüpfung]
    Silke Beck nimmt das IPCC als Beispiel für "hybride Organisationen" für ihre Arbeit zum Thema.
    [Verknüpfung]

    2002 führt der Einfluss der US-Regierung George W. Bush junior zur Ablösung des IPCC-Vorsitzenden Robert Watson durch den vermeintlich industriefreundlicheren Rajendra Pachauri.
    Guardian: [Verknüpfung]
    Seit 2015 ist bekannt, dass eine interne Studie bei Exxon schon 1984 die Temperaturentwicklung bis 2020 sehr gut vorhersagte, und dass die Berichte des IPCC weiterhin manipuliert werden.

    Die skandalöse Irrfahrt des mit Giftmüll beladenen Schiffs Khian Sea macht das Problem der Sondermüll-Beseitigung in Entwicklungsländern deutlich. Bis heute gibt es regelmäßig Meldungen über derartige Missstände, trotzdem wird immer noch nicht konsequent auf Kreislaufwirtschaft hin gearbeitet. Daran änderte auch das 1990 eingeführte Duale System nichts Wesentliches.
    Zeit: [Verknüpfung]




    1989

    Der Chef der Wissenschafts- und Strategieentwicklung bei Exxon, Duane Levine, präsentiert dem Konzern die künftige Kommunikations-Leitlinie: die Unsicherheiten der Klima-Prognosen seien zu groß, um politische Maßnahmen rechtfertigen zu können.
    [Verknüpfung]
    Diese Darstellung publiziert Exxon-Klimaforscher Brian Flannery in der firmeninternen Zeitschrift Connections.
    [Verknüpfung]

    D: 10.11. Fall der Berliner Mauer, anschließend Anschluss der DDR an die BRD
    Den stärksten Auftrieb bekam der Neoliberalismus durch den Zusammenbruch des konkurrierenden kommunistischen Volkswirtschaftmodells im Ostblock. Ernst Ulrich von Weizsäcker meint dazu, dass die erhoffte Friedensdividende aus dem Ende des Kalten Kriegs bald aufgezehrt war, Zitat: "Und dann ist das Kapital frech geworden..."
    [Kollmer 2019]

    Die Abwicklung der nicht konkurrenzfähigen DDR-Schwerindustrie im Folgejahrzehnt vermindert die gesamtdeutschen CO2-Emissionen um ca. 11%. Deshalb drängt Deutschland in internationalen Verhandlungen immer darauf, als Referenzjahr für CO2-Emissionen 1990 zu nehmen - damals lief die ostdeutsche Produktion noch.
    [Ziesing 2005]

    Umweltaktivist Frederic Hauge kauft mit seiner NGO Bellona einen Larel Will 202, einen umgebauten elektrischen Fiat Panda, und fordert die Abschaffung der Steuerpflicht für Elektroautos. Er praktiziert mit seinem Auto zivilen Ungehorsam, indem er sich der Mautzahlung verweigert. Das Auto wird wieder und wieder beschlagnahmt und versteigert - und jedesmal schenken die Gewinner der Versteigerung, die Mitglieder der international bekannten Pop-Band A-Ha, Hauge das Auto zurück, so dass dieser die Aktion fortsetzen kann.

    Nach sieben Jahren beschließt das norwegische Parlament 1996 eine erste Steuerbefreiung für EAutos. Bis 2011 ist das Gesetz ohne Auswirkung, bis Nissan mit seinem ersten elektrischen Großserienmodell Leaf dort erste Verkaufsrekorde erzielt. Der erste Tesla Model S geht an Frederic Hauge. Norwegen ist seitdem das Land mit dem höchsten Anteil an EAutos weltweit. 2022 sind dort 79 der PKW-Neuzulassungen elektrisch - trotz einem großen Anteil hoher Berge und skandinavischer Wintertemperaturen.
    Hagerty: [Verknüpfung]
    t3n: [Verknüpfung]


    Leschs Kosmos bei Youtube: [Lesch 2023-1]


    1990

    Erster Sachstandsbericht (Assessment Report, AR1) des Intergovernmental Panel on Climate Change IPCC in Genf. Er ist definiert als Konsenspapier der internationalen Klimawissenschaft und warnt eindringlich vor den Folgen eines ungebremsten Klimawandels. Die Vorhersagen seien sicher genug, um grundlegende Veränderungen im Wirtschaftssystem zu rechtfertigen. Da das Gremium auch mit Politikern besetzt ist, fallen die Warnungen aus heutiger Sicht viel zu zurückhaltend aus.
    [Wikipedia 2024 - Erster Sachstandsbericht des IPCC]
    [Bruderer 2019]

    Erst eine Generation später, 2021, wird die systematische Verharmlosung durch konservative Politiker im IPCC thematisiert.

    Der weltweit bekannte Astrophysiker Carl Sagan spricht an der North Carolina State University. Er erklärt den Klimawandel und die Kipppunkte. Er beklagt 10 Jahre Blockade der Entwicklung von Alternativen zum Öl unter Präsident Reagan, die Carter begonnen hatte. Er äußert sich skeptisch zur Alternative der Kernspaltung und beklagt die Abholzung von Wäldern.


    [Verknüpfung]

    Anything else you’re interested in is not going to happen if you can’t breathe the air and drink the water.
    Don’t sit this one out. Do something.
    You are by accident of fate alive at an absolutely critical moment in the history of our planet.
    Carl Sagan

    Schon 1985, drei Jahre vor Klimaforscher James Hansen, hatte der Astrophysiker Sagan den Kongress gewarnt. Die Lage war in der gesamten Wissenschaft bekannt.
    Youtube: [Verknüpfung]
    c-span: [Verknüpfung]

    Kalifornien, USA: Der neue Clean Air Act mit dem Zero Emission Vehicle Mandate sieht vor, dass bis 1998 mindestens zwei Prozent und bis 2003 zehn Prozent der neu zugelassenen Autos emissionsfrei sein sollen. Das Gesetz löst einige Entwicklungsaktivität bei den Autoherstellern aus, z.B. bei GM, Honda, Toyota und BMW. Im Laufe der nächsten Jahre kommen sogar einige Fahrzeuge mit einem neuen NiMH-Akkutyp auf den Markt. 2002 wird das Gesetz entschärft - und dann lässt man die Autos samt Akkupatent verschwinden.
    [Wikipedia 2019 - California Air Resources Board]

    D: Dagegen stoßen die Ergebnisse der Bundestags-Enquete-Kommission "Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre" im Bundestag auf sehr wenig Interesse.
    Zeit: [Kostede 1990]

    Die im damaligen Zeit-Artikel von Norbert Kostede dargestellten klimapolitischen Probleme sind bis heute weitgehend nicht gelöst.

    Die neoliberale Regierung Helmut Kohl (CDU) schafft die Wohnungsgemeinnützigkeit ab, die mit großzügigen Steuervorteilen die Bereitstellung von Wohnraum für Sozialwohnungen begünstigte. Ab jetzt wird nur noch Wohnen staatlich bezuschusst, und nicht das Schaffen von Wohnraum. Der Unterschied ist, dass Profite aus Immobilienspekulation und Vermietung mehr dem Spiel der Märkte ausgesetzt werden.

    2002 fiel unter dem neoliberalen Kanzler Gerhard Schröder (SPD) auch noch die Besteuerung bei Veräußerung an ausländische Kapitalgesellschaften.
    Seit 1990 sind die Mieten auf ein Maß angestiegen, das den sozialen Frieden bedroht. Die Immobilienpreise erreichen ein Niveau, das schon eine Blase befürchten lässt.
    Die Bezuschussung der Mieten für Sozialfälle belastet zunehmend die Staatskasse, bei deren Füllung die Reichen in Deutschland überdurchschnittlich geschont werden.

    Das Unternehmen Duales System Deutschland soll in öffentlich-privater Partnerschaft (gemäß der für 1991 geplanten VerpackungsVO) eine umweltgerechte Entsorgung - sprich Recycling - von Verpackungsmüll gewährleisten. Mit dem "Grünen Punkt" werden Verpackungen gekennzeichnet, für die der Hersteller Gebühren an das DSD gezahlt hat, um die Entsorgung zu finanzieren.
    [Wikipedia 2019 - Duales System Deutschland]

    Dreißig Jahre später ist das Müllaufkommen hoch wie nie zuvor, und selbst es wird immer noch ein Großteil der Verpackungen "thermisch recycelt", was nur ein sehr gewagter Euphemismus für Verbrennung ist, also Beseitigung in der Atmosphäre und in Sondermüll-Aschen. Aber auch bei Beseitigung ins Ausland mit entsprechenden Bescheinigungen gilt der Müll als recycelt. Mangels Lieferketten-Kontrolle landet er oft genug im Meer oder auf wilden Mülldeponien, wo UV-Strahlung und Scherkräfte die Kunststoff-Produkte zerbröseln lassen. Selbst im ewigen Eis findet man Kunststoffpartikel. Dafür leisten wir uns zur Entlastung unseres Gewissens den Grünen Punkt des Dualen Systems.
    Ein Großteil der Kunststoffverpackungen ist nur unter unvertretbarem Aufwand werkstofflich zu recyceln, weil er schlicht überdesignt ist: er besteht aus vielen verschiedenen Schichten, ist mit Problemstoffen bedruckt, verklebt und imprägniert. Oftmals enthält er eine Schicht Aluminium, die man trotz eines enormen Produktionsaufwands praktisch gar nicht recycelt, sondern letztendlich nur zu stark ökotoxischen Aluminiumsalzen oxidieren lässt.
    Materialien ohne Grünen Punkt sind von der Sammlung ausgeschlossen, auch wenn sie sich gewinnbringend recyceln ließen.
    All das geschieht völlig legal, während Deutschland sich jahrzehntelang als Mülltrenn-Weltmeister feiert - also ein überaus erfolgreiches Projekt von Greenwashing.
    Letztlich dient das alles dem Absatz von Ölprodukten. Wenn 2021 die Ölindustrie unverblümt ihre Pläne verkündet, die Verluste im Brennstoffabsatz durch Wachstum in der Kunststoff-Produktion ausgleichen zu wollen, dann muss mit massivem Lobbying gerechnet werden.
    Die bewährten Pfandsysteme kämpfen daneben seit Jahren ums Überleben, obwohl Umweltverbände von Anfang an einen breiten Ausbau echter Pfandsysteme fordern.
    Im Ausland kann man sehen, dass man Kunststoffe auch recyclingfähig gestalten kann. Der Erfinder des erweiterten Recycling-Begriffs Cradle-to-Cradle, Prof. Michael Braungart ist medial höchst präsent, allein die Politik ändert an der bestehenden Praxis nichts Wesentliches: der Strom des Öls reißt auch in der Kunststoffproduktion noch immer nicht ab.
    [Verknüpfung]
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    An dieser ernüchternden Tatsache ändert auch die beschönigende Darstellung aus dem Bundesumweltministerium nichts. Hier wird im Kapitel "Moderne Kreislaufwirtschaft" davon geschwärmt, wie man das Abfallaufkommen von der Wirtschaftsleistung entkoppelt hat. Das ist kein Kunststück, wenn Verbrennung und Verbringung ins Ausland als Recycling durchgehen.


    [Verknüpfung]


    1991

    Schweden beschließt eine CO2-Steuer (anfangs bei 30, mittlerweile bei 111€/t) - in D hat das bis 2020 niemand durchgesetzt.
    Die EU-Kommission diskutiert eine europäische kombinierte Energie- und CO2-Steuer mit 3US-$ je Barrel Öl ab 1993, mit einer jährlichen Progression von 1$. Der Wert läge heute umgerechnet bei ca. 100$ pro Tonne CO2.
    [Verknüpfung]
    Es kam 2005 ein CO2-Emissionshandel, der lange Zeit wegen deutschen Preis-Dumpings (Null Euro) weitgehend wirkungslos blieb.

    D: Die Grünen haben 8% bei der Bundestagswahl erreicht. Die etablierten Parteien werden nervös.

    Im Bundestag bereitet man sich auf die UN-Klimakonferenz 1992 in Rio de Janeiro vor.
    [Bundestag 1991] (Volltextsuche "Lippold")

    Zu Zeiten einer CDU-FDP-Koalition beschließt eine Mehrheit von CDU/CSU, SPD und Grünen (gegen den Koaltionspartner FDP) in namentlicher Abstimmung das Stromeinspeisungsgesetz, das der Einspeisung von Erneuerbaren Energien Vorrang gibt. Einer der Väter des Gesetzes ist der CSU-Politiker Engelsberger, der als Sohn eines Wasserkraft-Einspeisers das Geschäftsgebahren der Stromversorger als unfair empfindet.
    Zeit: [Berchem 2006]
    [BMWi 2019]

    BMW stellt - auch um dem kalifornischen Zero Emission Vehicle Mandate zu genügen - mit dem E1 ein alltagstaugliches Elektroauto mit Hochtemperatur-Akku vor, zuerst mit Natrium-Schwefel-, dann mit Natrium-Nickelchlorid-Chemie ("Zebra-Batterie"). Daimler-Benz macht Testfahrten mit einem elektrischen Mercedes 190 mit demselben Akkutyp bis 100.000km.
    Das Patent liegt bei Daimler, der BMW-Akku wurde gefertigt von AEG. Der Akku kann bis zu 3000 Zyklen absolvieren und enthält keine kritischen Rohstoffe. Weil er mindestens auf ca. 270°C Bereitschaftstemperatur gehalten werden muss, lohnt allerdings nur ein regelmäßiger Einsatz, wie z.B. in Taxis oder Bussen, oder im Privatbereich bei Pendlern. Mit 19kWh ist der 200kg-Akku nach heutigen Verhältnissen recht klein, eine praxisgerechte Reichweite wäre für einen Kleinwagen ca. 100km. Die Energiedichte ist durchaus vertretbar.
    [Wikipedia 2023 - BMW E1]
    Der Zebra-Akku ist sehr zuverlässig und wird deshalb in französischen Post-Kombis, aber auch in E-Bussen in der Schweiz und Kalifornien eingesetzt, sogar in Militärfahrzeugen und bis heute in Großspeichern und als Notstromversorgung kritischer Infrastruktur wie Mobilfunkmasten.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Aber auch der im 91er-Prototypen verbaute Natrium-Schwefel-Akku war hoch innovativ, nach einem Dornröschen-Schlaf dient er in der Energiewende als günstiger und zuverlässiger stationärer Kurzzeitspeicher.


    By Museumsfotografierer - Own work, CC BY 3.0, Link

    Die Schweizer Firma MES-DEA, die das Patent 1998 kauft, baut den Akku für Ford im halbherzig vermarkteten Think-EV ein, und versucht selbst einige Kleinstwagen-Umrüstungen wie den Renault Twingo, Smart und Fiat Panda, die in der Schweiz und Italien verkauft werden. Da kein großes Kapital für die Massenproduktion eingesetzt wird, bleiben die Preise für die meisten Kunden uninteressant. 2010 wird MES-DES vom italienischen Batteriehersteller FIAMM als Tochter übernommen, die FIAMM SoNick SA.
    Weitere Hersteller dieses Typs sind General Electric mit 100kWh-Module für Großspeicher, die rund 1t wiegen dürften, und Rolls-Royce. Bis 2014 stellten Zebra-Akkus einen großen Anteil der weltweiten Akku-Großspeicher-Kapazität dar.
    Der Akkutyp hat seitdem starke Konkurrenz durch Lithium-Ionen-Akkus, die durch Massenfertigung für EAutos mittlerweile billig verfügbar sind, und die auch höhere Energie- und Leistungsdichten aufweisen. Die für diese Akkus notwendigen Rohstoffe sind allerdings für einen stationären Einsatz mittelfristig viel zu wertvoll. Bei höheren Stückzahlen und damit sinkenden Stückpreisen könnte deshalb der Akku wieder interessant werden. Das Schweizer Bundesamt für Energie BFE sieht auch noch Verbesserungsmöglichkeiten der Konstruktion, die sogar mobilen Einsatz ermöglichen könnten. 2011 wurde deshalb die Entwicklungsarbeit in Meiringen in der Schweiz wieder aufgenommen. Der Entwickler Cord-Henrich Dustmann freut sich, denn er ist damals seit 23 Jahren an der Entwicklung dieses Typs beteiligt. Er sagt: dieser Akku wurde vernachlässigt.
    Bundesamt für Energie BFE: [Verknüpfung]
    Jungfrauzeitung: [Verknüpfung]

    Die großen Autohersteller bringen diese Akkus nicht auf die Straße - auch nicht, als in Kalifornien strenge Gesetze EAutos fordern und Lithium-Ionen-Akkus als Traktionsbatterien oder Brennstoffzellen noch in weiter Ferne liegen. Wie der große NiMH-Akku von Ovonics, der es bis in ein Serienauto schafft, letztlich aber in der Schublade der BASF landet. Denn das Ende der Elektroautos wird mit Hochdruck in Washington vorangetrieben.
    Erst der Internet-Milliardär Elon Musk wagt es 2008 mit einem elektrischen Sportwagen als High-End-Bastelprojekt aus fast 7000 Laptop-Akkus zu zeigen, dass der Durchbruch der Elektroautos längst überfällig ist.

    In der Eroberung des Westens spielte die Eisenbahn in den USA eine entscheidende, unrühmliche Rolle; seit der Massenmotorisierung mit Verbrenner-Autos verlor sie allerdings sehr schnell an Bedeutung. Die Politik wurde maßgeblich bestimmt von der Autoindustrie, nachweislich auch durch Korruption. Anders in weiten Teilen Europas, wo mit der Industrialisierung ein dichtes Schienennetz und eine ausgeprägte Bahnkultur entstand, die erst mit Hitlers Projekten der Autobahn und Massenmotorisierung mit dem KdF-Wagen in Deutschland einen ersten Bruch erlebte.
    Der lange anhaltende Nachkriegs-Boom in der deutschen Autoindustrie änderte nichts daran, dass eine bestimmte, vor allem städtische Klientel weiter gerne die Bahn benutzte. Diese konnte in der Klimadebatte der 90er Jahre mit hoher Energieeffizienz werben.
    Auf Betreiben von Helmut Kohl übernimmt 1991 mit Heinz Dürr jedoch der erste von drei Ex-Daimler-Managern den Vorstandsposten bei der Deutschen Bahn. Sein Projekt, die Privatisierung der Bahn im Jahr 1994, bringt nicht den angekündigten Modernisierungsschub, sondern macht das Bahnfahren noch unattraktiver, zwingt immer mehr Leute zum Autofahren. Denn die hohen Subventionen für den Verbrenner macht die Konkurrenz zu einem höchst ungleichen Rennen. In Großbritannien hatte man bereits ähnlich negative Erfahrungen mit der Privatisierung der Bahn gemacht.
    [Wikipedia 2019 - Heinz Dürr]

    Auf Dürr folgt Hartmut Mehdorn, der danach seine Karriere beim Bauprojekt des Berliner Flughafen BER fortsetzte.
    [Wikipedia 2019 - Hartmut Mehdorn]
    Gefolgt von Rüdiger Grube, der u.a. 2010 den klimapolitischen Appell gegen ein Abschalten von Kohle- und Atomkraftwerken unterzeichnet.
    [Wikipedia 2019 - Rüdiger Grube]
    [Wikipedia 2019 - Energiepolitischer Appell]
    Im März 2022 wirft der CDU-Politiker Ronald Pofalla, ehemals Kanzleramtsminister, überraschend das Handtuch als Vorstand der Konzernabteilung Infrastruktur - die Nachfolge ist ungeklärt.
    [Wikipedia - Ronald Pofalla]
    [Verknüpfung] Zeit: [Verknüpfung]
    Pofalla hinterlässt ein Chaos, für dessen Sanierung der Konzern einen "Grundbedarf" von 86 Milliarden beziffert, die Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) bis 2029 zur Verfügung stellen will. 2023 verschiebt er allerdings den Deutschlandtakt auf das Jahr 2070 [sic!].
    Zeit: [Verknüpfung]
    Tagesschau: [Verknüpfung]
    Tagesschau: [Verknüpfung]
    Der Bundesrechnungshof bezeichnet die Krise der Bahn als chronisch.
    [Verknüpfung]

    Die Sowjetunion zerfällt in unabhängige Staaten. Die Restaurationsversuche von Wladimir Putin seit 2005 bedrohen den Weltfrieden.

    Als am 08.04.1991 erstmals polnische Bürger ohne Visum nach Deutschland einreisen können, werden sie an der Grenze in Frankfurt/ Oder von Neonazis attackiert. Die lokale Neonazi-Szene radikalisierte sich im Laufe der Abwicklung der Transistor-Produktion, wie Christian Bangel in der Kurzdokumentation "Meine Baseballschlägerjahre" von Zeit und rbb zeigt, und wie es in vielen benachteiligten Regionen in der ehemaligen DDR geschah. Schkämpftvorstellbar, dass ein gesellschaftlicher Nährboden für diese Entwicklungen nicht schon zur DDR-Zeit bestand.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Die latente Unzufriedenheit eines autoritär geprägten Prekariats wurde in der Folgezeit von rechten Vordenkern aus Westdeutschland genutzt, um eine organisierte, hochgradig gewaltbereite Szene aufzubauen. Der AfD-Politiker und Geschichtslehrer Björn Höcke z.B. stammt wie der Neonazi Jörg Hähnel aus Hessen.
    Die Gewalt dieser rechten Szene - obwohl sie sich mehr gegen Personen richtete - wurde von Innenpolitik und Rechtsprechung jahrelang nachweislich relativiert mit dem Hinweis auf eine Balance zur linken Gewalt, die allerdings auch mehr gegen Sachwerte gerichtet war.
    BR-Podcast-Reihe: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Todesopfer rechtsextremer Gewalt in der Bundesrepublik Deutschland]
    Stiftung Verharmlosung rechter Gewalt: [Verknüpfung]
    Der Bundes-Verfassungsschutz zählte 2020 weit über 20.000 Straftaten, darunter über 1.000 gegen Personen. Von 1989 bis 2020 zählt er 109 Todesopfer - aber das ist nur etwa halb so viel wie die NGO Amadeo Antonio Stiftung zählt.
    [Verknüpfung]
    Der Extremismusforscher Matthias Quent fordert mit dem Präsidenten des Amtes für Verfassungsschutz in Thüringen Stefan J. Kramer und dem Vorsitzenden des Vereins DeutschPlus Farhad Dilmaghani seit Jahren ein breit angelegtes politisches Aufklärungs- und Fürsorgeprogramm aus 12 Punkten zum Schutz der Jugend gegen Rechtsextremismus. Antirassismus muss Staatsautrag sein. Die Programme müssen verstetigt werden.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Quent macht im DLF-Interview für den zunehmenden Rechtsextremismus, v.a. in Ostdeutschland, auch das Verweigern oder gar Streichen kommunaler Mittel für solche Maßnahmen durch bürgerliche Parteien wie CDU, Freie Wähler und FDP verantwortlich.
    DLF: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    Der rechtskonservative Verfassungsschutz-Präsident Hans-Georg Maaßen (CDU) wurde aus Anlass eindeutig verharmlosender Äußerungen zu einer Neonazi-Hetzjagd in Chemnitz in den einstweiligen Ruhestand versetzt, nach etlichen Kontroversen um Fremdenfeindlichkeit und Begünstigung der rechten Szene. Nur eine große öffentliche Empörung und weitere Provokationen Maaßens hinderten CSU-Innenminister Horst Seehofer, Maaßen in sein Ministerium zu versetzen.
    Golem: [Verknüpfung]
    Maaßens unrühmliche Versetzung in den Ruhestand hinderte die CDU auch nicht, ihn in Thüringen als Direktkandidaten für die Bundestagswahl 2021 aufzustellen, wo er gegen den populären DDR-Sportler Frank Ulrich von der SPD verlor. Kurioserweise folgte auf die Kür zum Bundestags-Direktkandidaten bald ein Parteiausschlussverfahren, das das CDU-Parteigericht 2023 abschlägig beurteilte.
    [Wikipedia 2022 - Hans-Georg Maaßen]
    SPD: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Maaßen hatte während der Vorbereitung des verhinderten Reuß-Putschs engen Kontakt zu Markus Krall, dem Schatten-Finanzminister der "Kaiserlichen Reichsregierung".

    Insbesondere der bayerische Freistaat ist an seiner rechtsradikalen Jugend nicht ganz unschuldig. Im Umgang mit linken zeigt er ein ganz anderes Maß. Während Hubert Aiwanger für seine Volksverhetzung (eine Straftat nach §130 StGB) 1987 mit dem simplen Verfassen eines Referats davonkommt, wird die linke Aktivistin Christine Schanderl 1980 für einen Sticker mit der Aufschrift "Stoppt Strauß" ihr Schüler- und Berufsleben lang von staatlicher Seite massiv bestraft und drangsaliert.
    [Verknüpfung]

    2022 kommt es zu einem dramatischen Höhepunkt fehlender Balance in der Verfolgung rechter und linker Straftaten. Eine Woche nach der Razzia bei den Staatsstreich-Verschwörern rund um Prinz Reuss 2022 wurde eine Razzia bei Vertretern der gewaltlosen Klimaaktivisten-Gruppe Last Generation durchgeführt, die mitunter mit dem Begriff "Klima-RAF" belegt wurden. Die Verharmlosung der Reichsbürger-Gruppe ist umso befremdlicher, als sich unter ihnen Mitglieder von Polizei, Bundeswehr und Kommando Spezialkräfte finden, und größere Mengen Bundeswehr-Munition verschwunden sind.




    1992

    Auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung UNCDE wird die UN-Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change UNFCCC) beschlossen, und die Einrichtung des Sekretariats in Bonn.
    Euphorisiert vom (vorläufigen) Ende des Ost-West-Konflikts spekuliert man auf die "Friedensdividende", die der Menschheit endlich die Ressourcen und den Freiraum verschaffen soll, sich mit den Grenzen des Wachstums zu beschäftigen, sprich, eine nachhaltige Weltordnung zu schaffen.
    [Wikipedia 2019 - Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen]
    [Verknüpfung]

    Die 12-jährige Aktivistin Severn Suzuki aus Kanada spricht sechs Minuten lang vor der Konferenz.


    [Verknüpfung]

    "Hallo, mein Name ist Severn Suzuki, ich spreche im Namen des E.C.O., der „Environmental Children’s Organisation”. Wir sind eine Gruppe von 12- bis 13-Jährigen aus Kanada, die versuchen, eine Veränderung herbeizuführen: Vanessa Suttie, Morgan Geisler, Michelle Quigg und ich.
    Wir haben das gesamte Geld selbst aufgebracht, das nötig war, um die 5.000 Meilen hierher zu reisen und Euch Erwachsenen zu sagen, dass Ihr Eure Lebensweise ändern müsst. Das, was ich hier sage, meine ich Wort für Wort. Ich kämpfe für meine Zukunft.
    Meine Zukunft zu verlieren ist nicht dasselbe, wie eine Wahl oder ein paar Punkte im Aktiengeschäft zu verlieren. Ich bin hier, um im Namen aller zukünftigen Generationen zu sprechen. Ich bin hier, um im Namen der hungernden Kinder dieser Welt zu sprechen, deren Schreie ungehört verhallen. Ich bin hier, um für die zahllosen Tiere zu sprechen, die überall auf diesem Planeten sterben, weil es für sie keinen Platz mehr gibt.
    Ich habe Angst davor in die Sonne zu gehen wegen der Ozonlöcher. Ich habe Angst die Luft einzuatmen, weil ich nicht weiß, welche Chemikalien darin vorkommen. Früher in Vancouver ging ich mit meinem Vater fischen, bis wir dann vor wenigen Jahren Fische fingen, die voller Krebs waren. Und jetzt hören wir von Tieren und Pflanzen, die tagtäglich aussterben – für immer verschwinden. In meinem Leben habe ich davon geträumt, Herden wilder Tiere, Dschungel und Regenwälder voller Vögel und Schmetterlinge zu sehen, doch jetzt frage ich mich, ob das alles für meine Kinder überhaupt noch existieren wird.
    Musstet Ihr Euch über solche Sachen Gedanken machen, als Ihr in meinem Alter wart? All dies geschieht vor unseren Augen und dennoch handeln wir, als ob wir noch alle Zeit der Welt hätten und für alles Lösungen. Ich bin nur ein Kind und ich habe nicht all die Lösungen, aber ich möchte, dass Ihr erkennt, dass auch Ihr sie nicht habt!
    Ihr wisst nicht, wie Ihr die Löcher in unserer Ozonschicht schließen könnt. Ihr wisst nicht, wie man Lachs in einen toten Fluss zurück bringen kann. Ihr wisst nicht, wie man ein ausgestorbenes Tier wieder ins Leben bringen kann. Und Ihr könnt uns die Wälder nicht zurückgeben, die einmal da waren, wo nun Wüste ist.
    Wenn Ihr nicht wisst, wie Ihr all dies rückgängig machen könnt, dann hört damit bitte auf, es zu zerstören! Hier mögen Sie zwar Delegierte Ihrer Regierungen sein, Geschäftsleute, Organisatoren, Reporter oder Politiker, aber in Wirklichkeit sind Sie Mütter und Väter, Brüder und Schwestern, Tanten und Onkel – und Sie alle waren einmal Kinder wie wir!
    Ich bin nur ein Kind und dennoch weiß ich, dass wir alle Teil einer Familie von fünf Milliarden sind, ja tatsächlich von 30 Millionen Arten, und wir alle teilen dieselbe Luft, dasselbe Wasser und denselben Boden – daran werden weder Grenzen noch Regierungen je etwas ändern.
    Ich bin nur ein Kind und doch weiß ich, dass wir alle in einem Boot sitzen und als eine einzige Welt auf ein einziges Ziel hin handeln sollten. In meinem Ärger bin ich nicht blind und trotz meiner Furcht habe ich keine Angst, der Welt zu sagen, wie ich mich fühle. In meinem Land produzieren wir so viel Abfall, wir kaufen und werfen weg, kaufen und werfen weg – und dennoch wollen die nördlichen Länder nicht mit den Armen teilen. Selbst wenn wir mehr als genug haben, haben wir Angst davor, etwas von unserem Wohlstand zu verlieren, fürchten uns davor zu teilen.
    In Kanada leben wir ein privilegiertes Leben mit Essen im Überfluss, Wasser und einem Dach über dem Kopf. Wir haben Uhren, Fahrräder, Computer und Fernseher. Vor zwei Tagen waren wir echt geschockt, als wir etwas Zeit mit den Straßenkindern hier in Brasilien verbrachten. Eines dieser Kinder sagte zu uns: „Ich wollte ich wäre reich, denn dann würde ich all den Straßenkindern Essen, Kleider, Medikamente, ein Dach über dem Kopf, Liebe und Zuneigung schenken.“ Wenn ein Straßenkind, das gar nichts hat, bereit wäre, zu teilen, warum sind wir, die wir doch alles haben, immer noch so gierig?
    Ich kann nicht aufhören daran zu denken, dass diese Kinder in meinem Alter sind, dass es einen unglaublichen Unterschied macht, wo man geboren wird, und dass auch ich eines dieser Kinder sein könnte, die in den Favelas von Rio leben.
    Ich könnte auch ein hungerndes Kind in Somalia sein, ein Kriegsopfer im Mittleren Osten oder ein Bettler in Indien. Ich bin nur ein Kind und doch weiß ich, was für ein wundervoller Ort diese Erde sein könnte, wenn all das Geld, das in Kriege gesteckt wird, dafür verwendet würde, die Armut zu beenden und Lösungen für unsere Umweltprobleme zu finden.
    In der Schule, ja selbst im Kindergarten, bringt Ihr uns bei, wie wir uns in der Welt verhalten sollen. Ihr lehrt uns: nicht mit anderen zu kämpfen, gemeinsame Lösungen zu finden, andere zu respektieren, unseren Müll wegzuräumen, andere Lebewesen nicht zu verletzen, zu teilen – nicht gierig zu sein. Warum um alles in der Welt tut Ihr genau diese Dinge, die Ihr uns lehrt, nicht zu tun?
    Vergesst nicht, warum Ihr solche Konferenzen besucht und für wen Ihr das tut – wir sind Eure Kinder. Ihr entscheidet, in was für einer Welt wir aufwachsen werden. Eltern sollten ihre Kinder beruhigen können, indem sie sagen „alles wird gut“, „wir tun unser Bestes“ und „das ist nicht das Ende der Welt“. Ich denke jedoch nicht, dass Ihr das weiterhin zu uns sagen könnt. Stehen wir denn überhaupt noch auf Eurer Prioritätenliste?
    Mein Vater sagt immer: „Du bist das was Du tust, nicht das was Du sagst“. Nun, was Ihr tut, bringt mich in der Nacht zum Weinen. Ihr Erwachsenen sagt, dass Ihr uns liebt. Ich fordere Euch auf – bitte zeigt uns dies auch in Euren Handlungen! Danke fürs Zuhören."
    [Verknüpfung]

    Auf der Konferenz wird auch die Biodiversitätskonvention beschlossen, in der sich die Unterzeichnerstaaten zum Artenschutz verpflichten. Nur Andorra, der Irak, Somalia und die Vereinigten Staaten haben das Abkommen bis 2020 nicht ratifiziert.
    [Wikipedia 2022 - Biodiversitätskonvention]
    Mit den Klimaschutz-Verhandlungen, die 1997 zum Kyoto-Abkommen führen werden, wird auch die fossile Desinformation professionalisiert, und US-Präsident George Bush sr. macht eine klare Ansage.


    The American Way of Life is not negociable. Period.
    George Bush
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    So am letzten Tag der Rio-Konferenz auf einer Gegenveranstaltung von Klimaskeptikern in Heidelberg eine Unterschriftensammlung etwa 50 namhafter Wissenschaftler präsentiert, die vor einer Deindustrialisierung warnen. Einer der Initiatoren ist Fred Singer.
    [Verknüpfung]

    Bis heute gab es danach nur noch Aufmerksamkeit für die großen Klimakonferenzen, die anderen ökologischen Krisen wie Artensterben, Xenobiotica-Verseuchung oder gestörte Mineralstoffkreisläufe, werden in der Öffentlichkeit kaum beachtet. Eine alle Umweltthemen umfassende Konferenz fand seit Rio nicht mehr statt.
    2018 stellt Ernst Ulich von Weizsäcker fest: "Die Friedensdividenden sind in Steuersenkungen für die Reichen und die Wirtschaft gegangen".


    1993

    D: der Verband deutsche Stromwirtschaft behauptet: "[...] regenerative Energien, wie Sonne, Wasser oder Wind können auch langfristig nicht mehr als 4% unseres Strombedarfs decken. [...]
    Badenwerk Karlsruhe, Bayernwerk München, EVS Stuttgart, Isar-Amperwerke München, Neckarwerke Esslingen, PreussenElektra Hannover, RWE Energie Essen, TWS Stuttgart, VEW Dortmund"
    [EVU 1993]

    Angela Merkel korrigiert diese Maximalprognose erst 2005 auf 20%; doch auch diese Behauptung wird wenige Jahre später von der Realität eingeholt. Bis heute wird von Konservativen die Unmöglichkeit von 100% erneuerbarer Energieversorgung propagiert.

    D: Der Auricher Windturbinen-Hersteller Enercon stellt die getriebelose E-40 vor und setzt damit einen Meilenstein in Langlebigkeit und Effizienz.
    EnerconSizes de.svg
    Von Jahobr - Eigenes Werk Diese Datei enthält Elemente, die von folgender Datei entnommen oder adaptiert wurden:  EnerconE-126vsCologneCathedral.svg (von Jahobr)., CC0, Link

    Japan. Im Shinji-See kommt es zu einem Massensterben wirbelloser Tiere, der zu einem Fischsterben und dem Zusammenbruch der Fischerei führt. Eine neue Klasse von Bayer-Insektiziden, Neonicotinoide, sind in den umliegenden Reisfeldern erstmals in größeren Mengen ausgebracht worden.
    [Wikipedia 2024 - Shinji-See - Wirtschaft]

    Erst 2019 wurde die Katastrophe als Feldbeobachtung im Zusammenhang mit Neonicotinoiden weltweit durch Studien bekannt. 25 Jahre nach der Markteinführung der Neonicotinoide ist die Insekten-Biomasse über 70% zurückgegangen, und die Ökologen sind alarmiert.
    Erst 2023 wird das Verbot nach langem Hin und Her in der EU durchgesetzt.




    1994

    Im Energiecharta-Vertrag ECT, der zwischen etwa 50 Industrieländern im Geheimen - also ohne demokratische Legitimation - geschlossen wird, ist der Schutz fossiler Investments vor staatlicher Regulation vereinbart. Er wird erst 2020 dem breiten Publikum bekannt, weil erste Strafzahlungen öffentlich diskutiert werden.

    Die Bundestags-Enquète-Kommission "Schutz der Erdatmosphäre" empfiehlt eine europaweite Energie-CO2-Steuer.
    [Verknüpfung] (pdf-Datei S. 488)

    Auf Initiative des US-Senators und späteren Klimaaktivisten Al Gore übergeben im Rahmen der Post-Cold-War-Phase die Geheimdienste der USA und der GUS-Staaten (ehemalige Sowjetunion) ihre Klimadaten für das Forschungsprojekt Medea (Measurements of Earth Data for Environmental Analysis).
    [Wikipedia 2020]
    [Verknüpfung]
    Filmtip: Die Klima-Spione
    [Verknüpfung]

    Nach Jahrzehnten von Desinformation, Unterlassungsklagen und Lobbyismus gegen Restriktionen der Tabakindustrie werden die Top-Manager der großen US-Tabakfirmen vor dem Kongress befragt. Unisono erklären sie nicht zu glauben, dass Nikotin süchtig mache.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Kurz darauf bekommt der Mediziner an der University of California San Francisco UCSF und Anti-Tabak-Aktivist Stanton Glantz per Post 4000 Kopien aus geheimen Akten des Tabakkonzerns Brown & Williamson, abgesendet von einem anonymen Informanten, von dem bis heute nur das Pseudonym Mr. Butts bekannt ist - einer Comic-Figur, die Jugendliche zum Rauchen verführt. Diese Akten beweisen, dass die Tabakindustrie sehr genau über die Gefahren des Rauchens bescheid wusste.
    [Verknüpfung]
    Glantz verarbeitet die Kopien u.a. 1996 in seinem Buch The Cigarette Papers. Außerdem entsteht eine Online-Datenbank der UCSF über interne, brisante Akten der Industrie, die mittlerweile viele Millionen Dokumente zu den Themen Tabak, Chemikalien, Arzneimittel, Nahrung und fossile Brennstoffe umfasst.
    [Verknüpfung]
    2008 erscheint das Sachbuch "Doubt is their product" des Epidemiologen David Michaels, das sich auf den Kern eines Tabak-Strategiepapiers bezieht, Zitat:


    Doubt is our product, since it is the best means of competing with the ‘body of fact’ that exists in the mind of the general public.
    Smoking and Health Proposal (1969), Autor unbekannt
    London School of Economics blog: [Verknüpfung]
    Scientific American: [Verknüpfung]
    Brown & Williamson Records: [Verknüpfung]

    Die Papiere wurden bekannt durch den Whistleblower Jeffrey Wigand, der später als Lehrer Programme gegen das Rauchen startete.
    [Wikipedia 2024 - Jeffrey Wigand]
    Die Gesetzgebung gegen das Rauchen hatte in den 60er Jahren begonnen und wurde seitdem immer wieder durch Desinformation und Lobbyismus konterkariert. Nach Veröffentlichung der Cigarette Papers wurden jedoch 1998 in 46 US-Bundesstaaten Schadenersatz-Vergleiche über mehr als 200 Milliarden US-$ mit der Krankenversicherung Medicaid geschlossen.
    [Wikipedia 2022 - Tobacco Master Settlement Agreement]
    Glantz setzt sich über sein Fachgebiet hinaus für wissenschaftliche Redlichkeit ein, er ist einer der Protagonisten der Agnotologie.




    1995

    COP1 (Conference of the Parties): erste Welt-Klimakonferenz in Berlin (Vorläufer von COP21 in Paris); Vorsitz: Umweltministerin Dr. Angela Merkel (CDU)

    Schon lange kennt man aus der Signaltechnik mathematische Methoden zur Unterscheidung eines schwachen Signals von Rauschen. Der Physiker Klaus Hasselmann veröffentlicht als Direktor am Max-Planck-Institut für Meteorologie eine Arbeit, die diese Methoden auf Klimadaten anwendet.
    [Hasselmann 1979]
    [Verknüpfung]

    Anfang der 1990er Jahre schreibt er seine Arbeit so um, dass sie für Kollegen besser verständlich wird, wobei er die Metapher vom "Fingerabdruck des CO2 im meteorologischen Rauschen" verwendet. 2021 erhält Hasselmann mit Syukuro Manabe für seine Klimaberechnungen einen halben Nobelpreis, die andere Hälfte geht an den Statistiker Giorgio Parisi. Hasselmanns Mitarbeiter um Benjamin Santer berechneten 1995 mit dieser Methode eine 95%ige Wahrscheinlichkeit, dass die Klimaentwicklung der Neuzeit auf die CO2-Konzentration zurückgeht. Im Jahr seines Nobelpreises ergibt Hasselmanns Rechenmethode eine Korrelation von nahezu 100%. Santer und Hasselmann sind an den ersten IPCC-Berichten beteiligt.
    MPG: [Verknüpfung]
    MPG: [Verknüpfung]
    Helmholtz-Gesellschaft: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2021 - Klaus Hasselmann]
    Über die Bedeutung der Proteste der Bewegung Fridays for Future und ihre Begründerin Greta Thunberg sagt Hasselmann gegenüber der konservtiven Zeitung Münchener Merkur: "Diese junge Frau hat es geschafft, die Bedeutung des Klimawandels mit all seinen Gefahren öffentlich bewusst zu machen. Das war irgendwie effizienter als es uns Wissenschaftlern möglich ist."
    [Verknüpfung]

    Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (Biologe, Mitglied des Club of Rome, SPD) veröffentlicht mit Amory und Hunter Lovins das Buch Faktor Vier. Die These: unser Wohlstand lässt sich mit einem Viertel des Ressourcenverbrauchs aufrecht erhalten - dank enorm gestiegener Arbeitsproduktivität, und ungenutzter großer Potentiale für Ressourceneffizienz.
    [Wikipedia 2019 - Faktor Vier]
    Auf Gast-Vorträgen sagt er der Windenergiebranche baldige Kostenparität voraus, dass also in wenigen Jahren die Kosten pro kWh auf den Börsenpreis absinken werden. Auch die Kostenparität bei PV stellt er - bei entsprechender anfänglicher Subventionierung - in Aussicht. Die Höhe der notwendigen Subventionen vergleicht er mit den bisher gezahlten Subventionen für Atomkraftnutzung. Er nennt auch die Blockierer der Effizienz-Revolution: die Profiteure der Ressourcen-Verschwendung.
    [Verknüpfung]

    Um die Ressourceneffizienz zu erhöhen und gleichzeitig Lohnarbeit für Arbeitgeber und Arbeitnehmer wieder attraktiver zu machen, setzt er 1999 unter Rot-Grün die Ökosteuer mit ins Werk, die aber danach nicht wie geplant weiterentwickelt wurde.
    2010 aktualisiert er sein Werk zur Ressourceneffizienz und korrigiert den Faktor für das Potential der Ressourcenproduktivität auf Fünf, 2018 folgt eine weitere Aktualisierung für den Club of Rome.
    [Verknüpfung]
    Buchtips: Ernst Ulrich von Weizsäcker et al.. Faktor Vier (1995), Faktor Fünf (2010), Wir sind dran (2018)

    Durch eine Erweiterung wurde der 1994 eröffnete Windpark Eifelwind Koxhausen der größte Binnenlandwindpark Europas. Die Betreibergesellschaft Eifelwind e.V. existiert heute noch unter dem Namen EifelEnergien e.V., die Original-Rotoren laufen weiter.
    [Wikipedia 2019 - Liste von Windkraftanlagen in Rheinland-Pfalz] (Volltextsuche "Koxhausen")
    [Verknüpfung]

    In Nigeria werden der Umweltaktivist, Schriftsteller, Verleger und Fernsehproduzent Ken Saro-Wiwa und acht Mitstreiter in einem fragwürdigen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt und hingerichtet. Saro-Wiwa war gegen die Ölförderung von Shell im Niger-Delta aktiv, die große Umweltschäden und Elend verursachte, ohne dass die Bevölkerung dafür entschädigt wurde. Im Vorfeld des Prozesses kam es zu gravierenden Unregelmäßigkeiten, Zeugen, die erklärten, bestochen worden zu sein, Vernichtung von Beweismaterial etc. Während des Prozesses wurden Saro-Wiwa zwei der heute noch wichtigsten Umweltschutz-Auszeichnungen verliehen, der Right Livelihood Award (alternativer Nobelpreis) und der Goldman Environmental Prize. Die große internationale Aufmerksamkeit konnten dennoch die Verurteilungen und die Hinrichtungen nicht verhindern.
    Auf das Urteil folgten zahlreiche staatliche Sanktionen gegen Nigeria. Den Protesten schlossen sich unter anderem der südafrikanische Friedensnobelpreisträger Bischof Desmond Tutu, der deutsche PEN-Verband und der Börsenverein des deutschen Buchhandels an. Der deutsche Außenminister Kinkel (FDP) zeigte sich bestürzt.
    [Wikipedia 2021 - Ken Saro-Wiwa]
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]

    Ab 2004 wurden Klagen von Geschädigten der Ölförderung gegen Shell verhandelt, die z.T. schon erfolgreich waren. Auch Angehörige von Saro-Wiwa bereiteten eine Klage vor einem US-Bezirksgericht vor; Shell wich dem 2009 durch einen Vergleich aus.
    Nach wie vor werden jedes Jahr viele indigene Umweltaktivisten ermordet, 2019 war ein Rekordjahr mit über 200 Opfern. Saro-Wiwa war natürlich ein besonders eklatantes Beispiel, weil er von der Regierung hingerichtet wurde, deren Kontakte zu Shell aktenkundig sind.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Dr. Curtis Wright gibt die Schmerztablette OxyContin von Purdue Pharma, das den hochwirksamen Wirkstoff Oxycodon in Retard-Dosen enthält, frei. Die Retardierung verteilt die Dosis in zeitversetzte Teildosen. Durch Zerbröseln der Kapseln wird der Effekt ausgeschaltet.

    Wright wird kurz danach gut bezahlter Angestellter bei Purdue. Am Missbrauch der Droge sterben in den USA von 1999 bis 2021 über 840.000 Menschen; Purdue erzielt bis 2017 Gewinne von 35 Milliarden US-$. Dabei wurde Purdue bereits 2007 wegen Fehler im Beipackzettel verurteilt. 2021 wurde sogar die Wirtschaftsberatung McKinsey mit 570 Millionen US-$ mit in die Haftung genommen.
    [Wikipedia 2023 - Oxycodon]
    [Wikipedia 2023 - Curtis Wright IV]
    New Yorker: [Verknüpfung]
    Wall Street Journal: [Verknüpfung]
    Die Besitzer von Purdue Pharma aus der Familie Sackler wurden international bekannt als Kunstspekulanten, die an der Blase der Kunstbranche beteiligt sind, und ließen sich als Mäzene feiern. Die FAZ ätzte 2018 "Kultur wäscht Pharmageld".
    [Verknüpfung]




    1996

    Im Fachbuch "The Warm Water Sphere of the North Atlantic Ocean" beziffern die Ozeanographen Stefan Rahmstorf und Kollegen zum ersten Mal das Risiko der Instabilität der thermohalinen Zirkulation durch die globale Erwärmung, neun Jahre nach den ersten Warnungen des US-Kollegen und Klimaaktivisten Wallace Broecker. Die atlantic meridional overturning circulation (nordatlantische thermohaline Zirkulation) AMOC ist der Teil des Meeresstroms, der die Wärme des Golfstroms in den östlichen Nordatlantik transportiert und Westeuropa milde Winter beschert, obwohl es auf der geographischen Breite wie das viel winterkältere Kanada liegt. Dieser warme Strom wird v.a. angetrieben durch das Absinken des abgekühlten Meerwassers im Polarmeer: die Dichte von Wasser steigt beim Abkühlen bis 4°C, was kaltes Wasser absinken lässt. Die Autoren weisen nach, dass dieser Antrieb immer wieder bei starker Erwärmung der Nordpolregion schwächer wurde und zeitweise ausfiel: die Dichtezunahme des Meerwassers durch Abkühlung wird durch Verdünnung mit weniger dichtem Süßwasser aus der polaren Eisschmelze kompensiert. Die Folge war jedes Mal eine drastische Abkühlung Westeuropas. Die Temperaturen, bei denen diese Ereignisse auftraten, wurden mit paläoklimatologischen Methoden ermittelt.
    [Rahmstorf 1996]
    Bricht die Zirkulation ab, kommt es zu noch größeren Temperaturunterschieden und einer Abnahme der CO2- und O2-Aufnahme im Ozean.

    1999 wird die Studie im 19. Kapitel des warnenden dritten IPCC-Reports von Hans-Joachim Schellnhuber, Rahmstorf und Kollegen zitiert, Titel: Vulnerability to Climate Change and Reasons for Concern: A Synthesis.
    [IPCC WG2 AR3 1999]
    In den Folgejahren bringt Rahmstorf immer wieder die Gefahr in die Klimadiskussion ein. 2023 ist die Messbarkeit überdeutlich. Der Nordatlantik ist die einzige abkühlende Weltregion.
    Studie in nature: [Verknüpfung]
    Stefan Rahmstorfs Blog klimalounge bei Spektrum der Wissenschaft: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]

    Der schwedische sozialdemokratische Energieminister Svend Haugen setzt das Programm Energi 21 der Danish Energy Agency DEA, das auf Effizienz und Windkraft setzt, um und gibt damit der dänischen Energiewende weiteren Schwung.
    IRENA: [Verknüpfung]
    Lexikon der Nachhaltigkeit: [Verknüpfung]
    FES: [Verknüpfung]
    IEA: [Verknüpfung]

    Um dem kalifornischen Zero Emission Vehicle Mandate zu genügen, bringt General Motors (bekannt für das SUV-Modell "Hummer") das Elektroauto EV1 per Leasing auf den Markt und lässt von Ovonic einen leistungsfähigen NiMH-Akku entwickeln; gleichzeitig betreibt GM zusammen mit Ölkonzernen erfolgreich in der Lobby die Lockerung der Gesetze. 2002 werden diese Bemühungen zum Verschwinden dieser Autos von der Straße führen.
    Auch Honda und Toyota bauen Modelle mit diesem Akkutyp.
    [Wikipedia 2019 - General Motors EV1]
    [Wikipedia (englisch) 2019 - Honda EV plus]
    [Wikipedia (englisch) 2019 - Toyota RAV4 electric]

    2001 verkauft GM das Patent für den Ovonic-NiMH-Akku des EV1 an die Ölgesellschaft Texaco, die im selben Jahr von Chevron gekauft wird. Danach dürfen nur noch Akkus bis 10Ah in Lizenz gebaut werden, für vollektrische Autos ist das viel zu klein. Aber auch diese kleinen Zellen erweisen sich - wie die großen im EV1 - als legendär zuverlässig, z.B. die Panasonic-Zellen im Toyota Prius. 2012 geht das Patent (neben anderen Akkupatenten) an die BASF, die über ihre Tochter Wintershall auch in der Öl- und Gasbranche tätig ist.
    Bis heute gibt es Spekulationen über die Gründe, warum der Ovonic-Akku als große Traktionsbatterie - entwickelt lange vor den Lithium-Ionen-Traktionsbatterien und extrem zuverlässig - nicht zum Durchbruch kam.
    [Wikipedia (englisch) 2019 - Patentrechtliche Beschränkungen von NiMH-Traktionsbatterien]
    [Wikipedia 2019 - General Motors EV1]
    Die Zukunftsaussichten wurden jedenfalls positiv bewertet.
    [Verknüpfung]
    Es gibt Belege dafür, dass Toyota die Akkus weiter genutzt hätte, wenn der neue Ovonic-Inhaber Chevron die Produktion nicht eingestellt hätte. Bei der Klage vor dem ICC (International Court of Arbitration) wurde Stillschweigen verordnet.
    [Wikipedia 2019 (englisch) - Toyota RAV4 - Chevron Patentrechtliche Beschränkungen]
    [USSEC 2004-1]
    [USSEC 2004-2]
    2002 fällt das kalifornische Zero Emission Vehicle Mandate, und GM verschrottet gegen massive Kundenproteste nach Ende der Leasing-Verträge bis auf ein einziges alle verleasten EV1 - eine Kaufoption gab es nicht. Honda verfährt mit seinem NiMH-Modell EV plus ähnlich.
    Nur Toyotas RAV4 EV überdauern das Ende des Zero Emission Vehicle Mandate. Dafür, dass sie nur in kleiner Stückzahl gebaut wurden und damit spezielle Reparaturen i.d.R. eher schwierig gewesen sein dürften, laufen die Autos erstaunlich lange.
    [Wikipedia (englisch) 2019 - Toyota RAV4 electric]

    Statt den Entwicklungsvorsprung im Elektroautomarkt zu nutzen, startete GM mit dem Kauf der Militärtransporter-Marke HumVee den weltweiten SUV-Boom und sicherte damit den USA unter seinem Öl-Präsidenten George W. Bush weitere Profite aus der weltweiten Verteilung von Erdölprodukten.

    Die umweltbewussten Kunden wurden mit einer groß angelegten Wasserstoff-Auto-Kampagne über die Zukunftsaussichten des Akkuautos verunsichert: Schon bald werde die Brennstoffzellen-Technik die Akkutechnik überholen, so die Erzählung. Sogar der umweltbewusste Gouverneur von Kalifornien Arnold Schwarzenegger ließ sich vor den Karren spannen, mit einem Brennstoffzellen-Hummer.

    Für die Fans der Verbrenner brachte Vizepräsident Cheney, vormals CEO des Ölfördertechnik-Konzerns Halliburton, 2003 das Versprechen von "alternative Fuels", bei uns bekannt als eFuels. Bis heute sind sie nicht in den versprochenen Massen verfügbar.

    Dieselben Erzählungen verhindern in Deutschland etwa 20 Jahre später den schnellen Durchbruch des Elektroautos, obwohl das akkuelektrische Auto mit Tesla und den chinesischen Herstellern längst seinen Siegeszug angetreten hat.

    Filmtip: Chris Paine. Warum das Elektroauto sterben musste (Who killed the electric car?) Sony Pictures. USA 2006)
    [Wikipedia 2023 - Warum das Elektroauto sterben musste]

    Die Deutsche Bahn bringt - Jahrzehnte nach dem erfolgreichen Vorbild Pendolino aus Italien (1969) - einen eigenen Triebwagenzug mit Neigetechnik auf die Strecke.
    Das finanzielle Desaster durch viele Fehlkonstruktionen in dieser Baureihe 611 von Adtranz (ein Konsortium von Daimler-Benz u.a.) führte dazu, dass viele kurvenreiche Strecken bis heute noch nicht mit Neigetechnik ausgestattet sind - was unzeitgemäß lange Fahrtzeiten zur Folge hat.
    [Wikipedia 2020 - DB-Baureihe 611]
    [Wikipedia 2020 - Pendolino]

    Von 1991 (unter Kanzler Helmut Kohl) bis 2017 (Merkel) wird die Bahn von drei Managern aus dem Daimler-Benz-Konzern nach und nach niedergewirtschaftet, tatkräftig unterstützt von Ex-CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla, der 2022 als Infrastruktur-Chef einen Sanierungsbedarf von wahrscheinlich weit über Hundert Milliarden Euro hinterlässt, der Grundbedarf wird 2023 mit 86 Milliarden beziffert.




    1997

    D: Die Schönauer Bürgerinitiative "Eltern für eine atomfreie Zukunft", gegründet von dem Ärztepaar Michael und Ursula Sladek im Tschernobyl-Jahr 1986, hat sich zu einem Verein gemausert, der nach vielen Widerständen schließlich genossenschaftlich die örtliche Stromversorgung übernimmt. Vor dem EEG wird neben Wasserkraft bereits in die damals noch teure Photovoltaik investiert. Die Elektrizitätswerke Schönau EWS sind nach wie vor einer der großen echten Ökostromanbieter und arbeiten ständig an neuen Ideen für Energiesouveränitat, auch in Entwicklungsländern.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Elektrizitätswerke Schönau]

    D: Umweltministerin Dr. rer. nat. Angela Merkel diskutiert in ihrem Buch "Der Preis des Überlebens" mit Fachleuten Perspektiven der Umweltpolitik, auch CO2-Abgaben. In ihrer Partei ist sie bis heute eine derjenigen, die sich am ehesten dafür aussprechen - mit der politischen Durchsetzung jedoch bleibt sie bis heute hinter den Erwartungen der Fachleute, auch ihren eigenen, weit zurück.
    [Merkel 1997]
    [Heimbach 2019]
    [Strohm 1998]
    [Verknüpfung]


    Für eine 'ehrliche' Umweltpolitik kann kein Weg daran vorbeigehen, die Kosten des Verbrauchs denen anzulasten, die sie verursachen. Wer behauptet, wirksamer Umweltschutz sei zum Nulltarif zu haben, lügt sich entweder in die Tasche oder gaukelt den Menschen etwas vor.
    [...] im Umweltbereich werden aus meiner Sicht an vielen Stellen zu oft nur Sonntagsreden gehalten.
    [...] Nur zu oft, so scheint es, müssen erst Katastrophen geschehen, ehe konkrete und einschneidende Maßnahmen ergriffen werden.
    Dr. Angela Merkel

    Beim "sozialen" Netzwerk X (ehemals Twitter) zeigt Reinhard Steurer 2022 mit ausgewählten Zitaten aus dem Buch, wie gut Merkel damals das Problem erkannt hat. Der damalige Präsident des Bundesverband Deutscher Industrie BDI Olaf Henkel, später frühes Mitglied der AfD, meint dort im Gespräch mit Merkel, er wünsche sich eine "Art CO2-Freßmaschine". Merkel kritisiert daraufhin, dass nicht mit gleicher Intensität an Möglichkeiten der Emissionsreduktion gearbeitet würde, und dass man für das Überleben die simple Verzichtsoption nicht auschließen dürfe. Sie stellt Henkel die ketzerische Frage, was denn eigentlich Wohlstand sei. Zitat:

    "[Es wird] allerdings auch ein tiefer Konflikt mit den internationalen ökologischen Abkommen unübersehbar. [... Es gibt] immer wieder die Tendenz, internationale Abkommen etwa für den Umweltschutz unter das vermeintliche „Oberprinzip“ des liberalen Welthandels zu setzen. Wir werden aber den Prozeß der Globalisierung und Vereinheitlichung wirtschaftlicher Vorgänge nicht in Einklang mit dem Schutz unserer natürlichen Ressourcen bringen, wenn wir keine Gleichrangigkeit internationaler Umweltabkommen mit dem Prinzip des freien Handels erzielen. [...]"
    Henkel: "[...] Ich habe aber zum Beispiel schon den Vorschlag einer Art CO2-Freßmaschine gemacht. Hier gibt es ja erste Forschungsprojekte."
    Merkel: "[...] Ich möchte jetzt nicht mit der von Ihnen angesprochenen Keule kommen, würde aber dennoch sagen, daß Ihnen nicht zuerst Vermeidung an der Quelle einfällt, sondern Möglichkeiten, wie mit viel Technik ein Dilemma wieder entschärft werden kann. Ich habe nicht den Eindruck, daß an der Quelle der CO2-Bildung mit der gleichen Intensität gearbeitet wird, und schließlich erfordert die Industrie dann auch noch staatliche Mittel ein, wenn ein Problem hinterher bereinigt werden muß. [...]
    Ich bezweifle aber, daß es uns tatsächlich allein durch den technischen Fortschritt gelingen wird, diese Aufgabe zu bewältigen, also die Balance des Lebensniveaus global so zu halten, daß wir die natürlichen Ressourcen nicht überfordern. Und was machen wir, wenn der technische Fortschritt hierzu nicht ausreicht? Ich weigere mich, dieses pessimistische Szenario anzunehmen, aber dennoch könnte man darüber nachdenken, unseren Anspruch zurückzuschrauben. Was heißt denn eigentlich Wohlstand?"
    Henkel: "Zurückschrauben widerspricht der menschlichen Natur."
    Merkel: "Es kann aber nicht immer so weitergehen."

    Es ist noch viel tragischer gekommen, als Merkel damals befürchtet hat: zwar haben wir es geschafft, die technischen Möglichkeiten zu erfinden, sie sogar wirtschaftlich umsetzbar zu machen - doch wurden und werden diese von einer Politik blockiert, die die fossilen Interessen in zukunftsvergessener Weise bevorzugt. Am Ende ihrer Amtszeit zieht Merkel eine sehr nüchterne Bilanz ihrer Klimapolitik ziehen und ruft die jungen Leute zum "Druck machen" auf.

    Japan: COP3-Klimakonferenz in Kyoto: erstmals Festlegung von CO2-Reduktionszielen (5,2% bis 2012). Deutschland hat gerade große Teile seiner maroden Ost-Wirtschaft stillgelegt und damit allein schon die Ziele erreicht (im folgenden Video ab 0'00'').
    [Wikipedia 2019 - Kyoto-Protokoll]
    Die Vereinbarung umfasst einen Handel mit Emissionszertifikaten, einen bis heute (2023) wenig wirksamen und umstrittenen, neoliberalen Mechanismus.

    Die Durchsetzung des Emissionszertifikate-Mechanismus in Europa wurde 2005 stark betrieben von der Schwarz-Gelben Koalition unter Angela Merkel, die von den Deutschland zugeteilten Zertifikaten riesige Mengen über Jahre kostenlos herausgab - was die Idee des Mechanismus komplett unterläuft. Gerechtfertigt wurde die Maßnahme mit dem Rückgang der Emissionen, der in Deutschland durch weitgehende Stilllegungen der emissionsintensiven DDR-Altbetriebe seit 1990 erzielt wurde.
    Das Protokoll wird auch erst 2005 rechtskräftig, weil genug Staaten endlich unterzeichnet und ratifiziert haben. Die USA sind nicht dabei, weil sie nach Unterzeichnung 1998 im Jahr 2001 unter dem Öl-Präsidenten George W. Bush wieder austraten.
    [Westhoff 2022]
    [Verknüpfung]

    D: Der Verband der Automobilindustrie fordert einen Ausbau der Straßen und Verkehrsleitsysteme. Die Selbstverpflichtung zur CO2-Emissionsminderung von 25% bis 2005 sei kaum noch zu schaffen, weil Standzeiten in Staus für einen "immensen Benzinverbrauch" verantwortlich seien (im Video ab 2'09'').
    In der Folge hat die Bundesregierung weit mehr für den Straßenbau getan als für eine CO2-Emissionsreduzierung der Fahrzeuge.


    [Tagesschau 01.12.1997]
    [Gipper 2008]
    [Günnewig 2016]

    Die Ukraine, durch die wichtige russische Pipelines verlaufen, schließt mit der NATO einen Partnerschaftsvertrag; damit beginnt eine Krise der USA mit Russland, die sich bis heute immer weiter verschärft hat, und in der Ukraine-Invasion 2022 einen dramatischen Höhepunkt findet.
    [Wikipedia 2019 - Nato-Ukraine-Charta]




    1998

    Das American Petroleum Institute beginnt nach der Klimakonferenz in Kyoto eine geheime, populistisch angelegte Desinformations-Kampagne mit einem 6Mio-$-Etat, um die gesicherten (teils von eigenen Forschern nachvollzogenen) Erkenntnisse der Klimaforschung in Zweifel zu ziehen.

    Sie hat ihr Vorbild in vielen anderen wissenschaftsleugnenden Kampagnen und wirkt bis heute nach. Die nächste Kampagne gegen die Corona-Maßnahmen schürte schließlich Misstrauen gegen liberale Demokratien und verursachte eine Welle autoritärer Regierungswechsel.

    Umweltministerin Merkel nimmt das Gutachten des Sachverständigenrats der Bundesregierung für Umweltfragen SRU entgegen.

    (1) Das Wort "Klima" sucht man in der offiziellen Mitteilung vergebens:
    [BMU 1998]

    (2) In der Mediendarstellung (im Video ab 8'19'') ist die Rede von einer freiwilligen Selbstverpflichtung der Industrie zu 25% Reduktion der Emissionen bis 2005 - eine vollkommen unverbindliche Aussage, die, wie sich später zeigt, mit der Realität nichts zu tun hat.


    [Tagesschau 02.04.1998]


    1999

    In Deutschland wird unter Rot-Grün ein Gesetz zur Verbesserung der Ressourceneffizienz und Entlastung der Wirtschaft von Lohnnebenkosten beschlossen: die sogenannte Ökosteuer. Wenn Arbeit billiger und Ressourcen teurer werden, so die Überlegung, wird es vermehrt zur Ausschöpfung von Effizienzpotentialen kommen, ohne die Gefahr von Massenentlassungen.
    [Wikipedia 2022 - Ökosteuer (Deutschland) - Ökosteuergesetze in Deutschland]


    Das Gesetz sieht eine deutliche Progression vor, die aber nicht durchgehalten wird. Erst 2021 beschließt Schwarz-Rot nach massiven Klimaprotesten mit der CO2-Steuer ein neues, zaghaftes Gesetz, dem aber noch der soziale Ausgleich fehlt.

    USA: Notenbankchef Alan Greenspan, ein bekennender Anhänger der neolibertären Vordenkerin Ayn Rand, leitet eine lang anhaltende Niedrigzinsphase ein, die auch auf den Aktienmärkten große Blasen produziert: die Internet, die Subprime und die größte aller Zeiten, die Carbon Bubble. Allein in seiner Amtszeit verdreifacht sich die Geldmenge. Die folgenden Notenbankchefs schafften es in den folgenden Krisen bis heute nicht, die Geldschwemme zu beenden. Millionen US-Amerikaner kaufen sich ein (oft minderwertiges) Haus und beleihen es mit immer höheren Hypotheken. Durch Spekulation steigen die Hauspreise und die Banken erlauben mehrere Erhöhungen bestehender Hypotheken, weil sie von den steigenden Kreditsummen profitieren wollen.
    Präsident Bill Clinton ist zwar Demokrat, betreibt jedoch neoliberale Politik: er dereguliert das Bankensystem. U.a. schafft er den Glass-Steagall-Act aus 1932/33 ab, der eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanken vorschreibt. Damit löst er eine Fusionswelle und bis heute anhaltende Kapitalkonzentration aus.
    Der Nobel-Gedächtnispreisträger Paul Krugman erklärt die Konsequenzen.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2020 - Alan Greenspan]

    Bis zur Subprime-Krise ist Greenspan ein gefeierter Star der Wallstreet-Ökonomen. Nach der Krise räumt Greenspan 2009 in einer parlamentarischen Untersuchung seinen Fehler ein und gesteht ein, dass er in seiner Karriere einer falschen Ideologie aufgesessen sei.

    Russland: In der Amtszeit des Präsidenten Boris Jelzin sind die fossilen und mineralischen Ressourcen des Landes privatisiert worden; der Ursprung des Wortes (privare lat. - rauben) ist dabei oft wörtlich zu nehmen. Medien benutzen für die Beschreibung der russischen Zustände in der Retrospektive den Begriff "Wildwest", Putin soll ihn 2000 in einer Oligarchenrunde selbst gebraucht haben.
    Tagesschau über die Oligarchen: [Verknüpfung]
    Wirtschaftswoche: [Verknüpfung]
    Jelzin ist vom Alkoholismus gezeichnet und amtsmüde. Am 9. August ernennt er den KGB-Offizier Wladimir Putin zum Ministerpräsidenten, und Wladislaw Surkow zum Stellvertretenden Leiter der Präsidialverwaltung.

    Der dritte Teil der arte-Reihe "Mafia und Banken" schildert die unglaublichen Zustände, unter denen russische Kriminelle sich ganze Industrieanlagen durch Mord und Totschlag mit Hilfe bewaffneter Banden angeeignet haben, und welche Rolle Wladimir Putin dabei spielte.

    Putin wird nach und nach die demokratischen Strukturen aushöhlen und zum Diktator werden, um Russland zu der Größe in Sowjet-Zeiten zurück zu bringen. Erste Anzeichen gab es in einer Parlamentsrede am 25.04.2005.


    Zunächst einmal muss man anerkennen, dass der Zusammenbruch der Sowjetunion die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts war. Für das russische Volk war es jedoch ein echtes Drama. Dutzende von Millionen unserer Mitbürger und Landsleute befanden sich außerhalb des russischen Staatsgebiets. Die Epidemie der Desintegration griff auch auf Russland selbst über.
    Wladimir Putin
    [Wikipedia 2023 - Wladimir Wladimirowitsch Putin - Politik im postsowjetischen Raum]

    Dabei bedient er sich der willfährigen fossilen Oligarchen, die dafür seinen Schutz genießen; wer sein Spiel nicht mitspielt, kommt durch Fenstersturz, Flugzeugabsturz o.ä. ums Leben. Auch Kritiker und Konkurrenten werden regelrecht ausgeschaltet. Das Manager Magazin dokumentiert im August 2022 allein unter Oligarchen acht mysteriöse Todesfälle allein in diesem Jahr. Entgegen seiner Beteuerungen gutbürgerlicher Besitzverhältnisse verwalten seine Mittelsmänner nachweislich Vermögenswerte, die zig Milliarden umfassen.
    Auch mit der amerikanischen Fossil-Elite vernetzt er sich und baut in Europa und den USA ein mächtiges geheimes Netzwerk, zu denen auch der Ex-Präsident Trump gehört. Er betreibt im Westen erfolgreich eine Spaltung von innen: in den USA herrschen mitunter bürgerkriegsähnliche Zustände, die EU ist v.a. vom Brexit geschwächt.
    [Wikipedia 2022 - Wladimir Wladimirowitsch Putin]
    [Verknüpfung]
    Die New York Times bezeichnet ihn im Ukraine-Krieg als Faschisten.
    [Verknüpfung]
    Wladislaw Surkow teilt Putins Abneigung gegen den "dekadenten" Westen und wird für ihn im Hintergrund verschiedene politische Gruppen orchestrieren (von links bis rechts), die einen Anschein von Demokratie erzeugen. Auch in den ex-sowjetischen Satellitenstaaten wie der Ukraine wird er hinter den Kulissen aktiv.
    [Wikipedia 2022 - Wladislaw Jurjewitsch Surkow]
    [Verknüpfung]
    In sowjetischer Tradition wird auf Umweltschutz nicht geachtet - in Westsibirien herrscht seit Jahrzehnten die größte und auch andauernde Ölpest der Welt, die sogar aus dem Weltraum gut zu sehen ist.
    [Wikipedia 2022 - Ölkatastrophe in Westsibirien]

    Ob 69.20156E 66.70185N.jpg
    Satellitenbild der Obmündung. Gemeinfrei, Link

    In Europa interessierte das alles kaum, man bekam dafür billiges Öl und Gas. Putin gewinnt gleich zu Beginn seiner Amtszeit den deutschen SPD-Kanzler Gerhard Schröder als persönlichen Freund, der gleich nach seiner Abwahl Geschäftspartner wird und bis heute - trotz Ukraine-Krieg und Energiekrise - zu ihm hält. Auch seine Nachfolgerin Angela Merkel belässt es - wie bei China - im Interesse der deutschen Wirtschaftspartner bei knappen Protestnoten und höchstens zahnlosen EU-Sanktionen. Selbst im Ukraine-Krieg 2022 wirkt der frischgebackene SPD-Kanzler Scholz in den Sanktionsbemühungen der EU oft eher als Bremser. Deutschland möchte nach Möglichkeit lieber nicht auf das russische Gas verzichten, und lässt sich damit auf Putins Erpressungs-Spiele ein - bis Putin mit dem Krieg den europäischen Klimaschutz wieder von der Prioritätenliste kickt, während er uns weiterhin Gas verkauft- zu horrenden Preisen, über Drittstaaten oder als Flüssiggas über die neuen Terminals in der Ostsee. Auch China springt als Abnehmer ein.


    Filmtip: Putins Komplizen - die geheime Welt der Oligarchen. Film von Florian Huber. ZDF Zeit 21.02.2023.
    Youtube: [Verknüpfung]

    Ab 2013 setzt Putin seine Interessen mit geheimdienstlichen und PR- Methoden auch verstärkt im Ausland durch. Das liberale Europa droht als Gaskunde an den Klimaschutz verloren zu gehen, und ist immer weniger bereit, Putins imperiale Ambitionen eines Großrussland zu tolerieren. Deshalb lässt Putin die westlichen Demokratien, inklusive der verbündeten USA, unterwandern, und schafft ein riesiges Netzwerk rechtspopulistischer Akteure: Brexit-Aktivisten, Trump, Orban, Front National, AfD, Lega Nord, ... .

    Mit dem Ukraine-Krieg setzt Putin die westliche Welt dann unter Schock - wirksamer Klimaschutz wird wie schon unter der Subprime- und der Corona-Krise weiter aufgeschoben, obwohl die beschleunigte Energiewende das beste Mittel für Unabhängigkeit wäre.




    2000

    Im Mai schlägt der Chemie-Nobelpreisträger Paul Crutzen die Definition eines neuen geologischen Erdzeitalters vor, des Anthropozän. Die Zerstörungen durch den Menschen seien für Jahrmillionen in der Erdkruste zu finden.

    D: es kommen tatsächlich zwei 3l-Autos auf den Markt: VW Lupo 3l und Audi A2 1.2TDI.
    Während der Lupo ein Kleinstwagen war, kam der A2 in die Kleinwagenklasse und schaffte dennoch 2,99l/ 100km - dank einer superleichten State-of-the-art Aluminiumkarosserie mit bester Raumausnutzung und einem hervorragenden Luftwiderstand dank Tropfenform.

    Der Audi A2 gilt bis heute als Meisterleistung deutscher Ingenieurskunst und oft wurde die Wiederaufnahme der Produktion mit Elektroantrieb gefordert.
    Die erwünschte Wirkung der freiwilligen Selbstverpflichtung aus 1998 wird dennoch selbst 20 Jahre später weit verfehlt - der Durchschnittsverbrauch deutscher PKW liegt 2017 bei traurigen 7,5l/ 100km, zuletzt sogar wieder steigend, dank Dieselausstieg (Benziner stoßen bei gleicher Leistung mehr CO2 aus) und SUV-Boom.
    [UBA 2019]
    Zwischen 2000 und 2018 waren SUVs die zweitgrößte Ursache für eine Steigerung der CO2-Emissionen (Stand 2019). Deutsche Hersteller haben auch in den USA große Fertigungskapazitäten aufgebaut, um an diesem Boom teilzuhaben.
    [Verknüpfung]
    Als 2022 die Grünen beim Verkehrsministerium unter Volker Wissing (FDP) nach Zahlen über erhöhten Reparaturbedarf der Infrastruktur wegen der schwereren Fahrzeuge anfragt, gibt der sich ahnungslos und sieht kein grundsätzliches Problem. "Die Fachliteratur ist doch voll davon", sagt dazu Verkehrswissenschaftler Helmut Holzapfel. Die Unfallforschung der Autoversicherer fordert schon verstärkte Leitplanken und Schutzwände, die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen empfiehlt weiter größere Parkplatz-Buchten, obwohl die energie- und klimapolitischen Erfordernisse dringend genau das Gegenteil nahelegen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]


    Die geringsten Mehrverbräuche der Kompaktklasse gegenüber dem sparsamsten Modell kann man bei ca. 1l, die der Mittelklasse (incl. größerer Familienkombis) bei ca. 2l höher ansetzen.

    Rot-Grün hat mit dem EEG (Erneuerbare-Energien-Gesetz) die Energiewende eingeleitet: es bedeutet eine massive Förderung der Erneuerbaren Energien. V.a. zu nennen sind die Politiker Hermann Scheer und Dietmar Schütz (SPD), Michaele Hustedt und Hans-Josef Fell (Die Grünen)).
    Scheer ist ursprünglich Friedenspolitiker und bewirbt das Projekt der Bürgerenergiewende als Motor für die Energiewende - weg von fossil-atomarer Zentralversorgung durch das Stromkartell der sogenannten Energieversorgungs-Unternehmen EVU hin zu erneuerbaren Energien in der Hand der Bürger. Er erkannte zuerst die Abhängigkeit von fossilen und atomaren Brennstoffen international als Machtinstrument und Ursache von Konflikten bis hin zu Krieg. Die Energiesouveränität wurde für ihn dann jedoch auch zu einem wichtiges Ziel von Sozialpolitik, das er nicht nur auf nationaler Ebene, sondern auch in Entwicklungsländern verfolgt.
    Das Gesetzespaket beinhaltet einen Abschalt-Plan für AKW.
    [BMWi 2019-2]
    Das Gesetz wurde gegen die Widerstände des Wirtschaftsministers und Manager der Fossilwirtschaft Werner Müller (parteilos) durchgesetzt. Es verwundert mich nicht, dass die Grünen nach diesem Beschluss für Klimaschutz Schröders neoliberaler Agenda 2010 widerwillig zustimmten.
    [Verknüpfung]

    Seit 1990 verfolgte Scheer den Plan einer internationalen Agentur für erneuerbare Energien, erst in seinem letzten Lebensjahr durfte er 2009 die Einrichtung der International Renewable Energy Agency IRENA in Bonn erleben.
    CDU und FDP betreiben nach dem Regierungswechsel 2005 unter Kanzlerin Angela Merkel eine Restaurationspolitik, die das alte Energiesystem konserviert. 2006-2010 produziert Carl-A. Fechner mit Scheer die sehenswerte Dokumentation "Die 4. Revolution", die Scheers visionäre Prognose von Energiesouveränität in Bilder fasste. Scheer stirbt im Jahr der Veröffentlichung, 12 Tage nach dem Ausstieg aus dem Atomausstieg, an einem Herzinfarkt.
    [Wikipedia 2023 - Hermann Scheer (Politiker, 1944)]
    Nachdem er sich jahrelang mit der Energiekehrtwende von Schwarz-Gelb und Schwarz-Rot herumärgern musste, fand Hans-Josef Fell 2020 zusammen mit Ex-Fraunhofer-ISE-Chef Eicke Weber und Ernst Ulrich von Weizsäcker in den Clean Business Tech Club, um dort mit Staaten- und Wirtschaftslenkern die solare Zukunft zu gestalten, begleitet von Claudia Kemfert, Franz Alt, Frank Farenski und vielen anderen Protagonisten der deutschen EE-Szene. Währenddessen knobelt die Bundesregierung aus, ob wir lieber russisches oder amerikanisches Methan importieren sollen.
    [Verknüpfung]




    2001

    New York: 911-Terroranschläge auf das World Trade Center; die USA beginnen bald danach unter dem Vorwand "weapons of mass destruction", den der damalige Außenminister Colin Powell im Nachhinein als Schandfleck seiner Karriere bezeichnet, einen Krieg gegen den Terror und nehmen dabei eines der bedeutendsten Ölförderländer ein: den Irak. Bis heute ist die Region nicht befriedet, das Öl strömt jedoch ungehindert weiter.
    [FAZ 2005]

    Die Whistleblowerin beim britischen Geheimdienst GCHQ, Katherine Gun, wird später verhaftet und angeklagt, im antikriegs-gestimmten Großbritannien hat man die Anklage aber schnell fallen gelassen.
    [Meier 2019]

    Im Hintergrund des Oberbefehlshabers Präsident George W. Bush (Sohn des Ölmillionärs und Ex-Präsidenten George, Enkel des NS-Cofinanziers Prescott) zogen Vizepräsident Richard Cheney (vormals Manager bei Bohrtechnik-Lieferant Halliburton) und Condoleeza Rice (vormals Managerin bei Chevron) die Fäden. Bis heute vermarkten US-Firmen das irakische Öl.

    Filmtip: Vice - der zweite Mann von Adam McKay (USA 2018)




    2002

    Ende des kalifornischen Zero Emission Vehicle Mandate durch US-Bundesgesetze der Regierung Bush Junior. Das bedeutet das endgültige Aus für Elektroautos mit dem Ovonic-NiMH-Akku.

    Andere Entwicklungen mit dem sehr zuverlässigen Natrium-Nickelchlorid-Akku in Europa werden genausowenig weiterverfolgt wie der Bau großer Traktionsakkus mit Lithium-Ionen-Technik, bis 2008 Elon Musk aus fast 7000 Zellen einen Fahrakku für den Tesla Roadster zusammenbauen lässt.
    [Verknüpfung]

    Klimaskeptiker Wolfgang Clement (SPD) wird Wirtschaftsminister unter Rot-Grün.
    Er wird 2006 Aufsichtsrat bei RWE und verlässt - auch auf Betreiben von Hermann Scheer - 2008 die Partei und wechselt zur neoliberalen Denkfabrik INSM.

    Unter Kanzler Gerhard Schröder (SPD) fällt die Versteuerung bei der Veräußerung von inländischen Kapitalgesellschaften weg, was einen Ausverkauf deutscher Sachwerte, v.a. Immobilien, an finanzstarke Investoren v.a. der USA, bald auch aus Russland und Nahost, zur Folge hat.




    2003

    Hitzewelle in Europa mit über 70.000 Todesopfern
    [Wikipedia 2019 - Hitzewelle in Europa 2003]

    Der neoliberale Kanzler Gerhard Schröder (SPD) setzt in der Koalition mit den Grünen, die als Zugeständnis das EEG bekamen, die reaktionäre Agenda 2010 durch, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu erhöhen. Die massiven sozialpolitischen Einschnitte ermöglichen den Wirtschaftsboom der Merkel-Jahre und führen zur Abspaltung der Linken von der SPD.
    [Wikipedia 2024 - Agenda 2010]




    2004

    Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaft DIW berechnet die Kosten der sich anbahnenden Klimakrise und erklärt, dass Klimaschutz sich rechnet.
    [Verknüpfung]
    Originalarbeit: [Verknüpfung]

    Sie wird nicht müde, das Thema immer und immer wieder öffentlich vorzubringen.
    [Verknüpfung]
    2021 legt sie Zahlen des DIW nach und versucht - nach Jahren des Protests gegen die Energiepolitik der Merkel-Regierungen - erneut, die Chancen der Energiewende zu beschreiben. Mittlerweile geht es allerdings darum, den internationalen Zug der Dekarbonisisierung nicht zu verpassen.
    [Verknüpfung]
    Joachim Weimann (Uni Magdeburg) kritisiert den Artikel und bekommt auch Antwort dazu.
    [Verknüpfung]

    Seit 1971 veranstaltet der deutsche Ökonom Klaus Schwab in Davos jährlich das World Economic Forum, das sich von Anfang an der Optimierung der sich abzeichnenden Globalisierung verschrieben hat. Seit 2001 macht eine parallele Protestveranstaltung vieler NGOs von sich reden: Public Eye on Davos. In diesem Jahr hält die Menschenrechts-Juristin und vormalige irische Ministerpräsidentin Mary Robinson die Eröffnungsrede. Sie war vorher UN-Komissarin für Menschenrechte, und wird als UN-Sondergesandte für den Klimawandel die COP 21, die Klimakonferenz von Paris 2015 vorbereiten. Damit öffnet sie die Türen des WEF für die Protestbewegung.
    [Wikipedia 2023 - Public Eye on Davos]
    [Wikipedia 2023 - Mary Robinson]

    Als 2015 die Initiative die abnehmende Bedeutung des WEF erkennt, und das WEF die Fehlentwicklungen selbst klar benennt, beendet Public Eye on Davos seine Arbeit. In den nächsten Jahren wird das WEF zunehmend progressiv und veröffentlicht 2020 die Idee vom Great Reset, der einem Green Deal in vielen Punkten nahe kommt.




    2005

    D: Kanzlerin Merkel macht den Atom-Ausstieg mit der FDP rückgängig.

    Merkel gibt eine Prognose ab, dass Erneuerbare Energien nicht über 20% Anteil an der Stromerzeugung haben können. Damit revidiert sie die 4%-Behauptung der Energieversorger aus 1993 und verbreitet eine völlig aus der Luft gegriffene Behauptung der Energieversorger, die wenige Jahre später genauso widerlegt ist.
    [Pieprzyk 2009] (Volltext-Suche "realistisch")

    Die EU entscheidet sich - auch nach massivem Druck aus Deutschland - gegen eine CO2-Steuer und für einen Handel mit CO2-Emissionszertifikaten, weil der freie Markt das effizientere Regulativ sei. Als erstes legt Deutschland den Preis nahezu all seiner Emissionen für sieben Jahre faktisch auf Null Euro.

    Der frisch abgewählte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wird Aufsichtsratsvorsitzender der Gaspipeline-Gesellschaft Nord Stream AG, einer 51%-Tochter des russischen Gaskonzerns Gazprom.
    [Wikipedia 2019 - Gerhard Schröder]

    Gazprom ist 2019 die Nr. 3 der Firmen mit dem höchsten seit 1965 kumulierten Ausstoß an Treibhausgasen.
    [Taylor 2019]


    2006

    In der sich erwärmenden Welt häufen sich in Mitteleuropa anhaltende, extreme Kälteeinbrüche, gepaart mit Starkniederschlägen. Der Extremwinter 2006 kostet in Europa laut Münchener Rückversicherung Munich Re 790 Menschen das Leben. Konservative Medien greifen das Thema dankbar auf, Zweifel an der Klimaforschung werden wieder lauter geäußert.
    [Witte 2012]
    Erst 2013 werden neue Extremwellen des Jetstreams, sogenannte Rossby-Wellen, als Ursache des Extemwetters beschrieben und als Folge des Klimawandels erklärt. Seitdem gibt es nur selten Phasen mit einem stabilen zirkumpolaren Jetstream auf der Nordhalbkugel und dadurch verursacht viel mehr Extremwetter als früher.

    Die ukrainische Journalistin Anna Politkowskaja wird in Russland ermordet, weil sie von Verbrechen des russischen Militärs und der Vasallenregierung des Diktators und engen Putin-Vertrauten Ramsan Kadyrow in Tschetschenien berichtet.
    [Wikipedia 2024 - Anna Stepanowa Politkowskaja]

    Politkowskaja ist international hochdekoriert und wird damit zum ersten prominenten Opfer einer unaufgeklärten Mordserie an russischen Regimekritikern unter Putin, die gleich im Jahr 2000 beginnt: Igor Domnikow, Iskander Chatloni, Sergej Juschenkow, Jurij Schtschechotschichin, Paul Klebnikow, Alexander Litwinenko, Stanislaw Markelow, Natalia Estemirowa, Sergej Magnizki, Boris Beresowski, Boris Nemzow, Alexej Nawalny. 2023 veröffentlicht Politkowskajas Tochter Vera eine Biografie. Im unmittelbaren Nachgang ihrer Ermordung äußerte der SPD-Ex-Kanzler und Putin-Vertraute Gerhard Schröder zu seiner Einschätzung Putins als "lupenreinem Demokraten". Schröder ist bis heute Mitglied der SPD.
    RND: [Verknüpfung]
    RND: [Verknüpfung]

    UK: Ein britischer Top-Ökonom erklärt (sinngemäß) die Ölparty für beendet, zwei Jahre nach der jungen DIW-Ökonomin Claudia Kemfert. Der Weltbank-Chefökonom Sir Nicholas Stern veröffentlicht im Auftrag des Finanzministeriums eine Schätzung über kommende Klimaschäden für den Fall, dass es beim Verzicht auf wirksamen Klimaschutz bleibt. Sie sorgt in Politik und Zivilgesellschaften für Furore und wird auch in der Ökonomie aufmerksam registriert.
    [Verknüpfung]
    Zitat:

    "Angesichts der Ergebnisse der formellen wirtschaftlichen Modelle schätzt das Review, dass die Gesamtkosten und -risiken des Klimawandels, wenn wir nicht handeln, gleichbedeutend mit dem Verlust von wenigstens 5% des globalen Bruttoinlandsprodukts jedes Jahr, jetzt und für immer, sein werden. Wenn man eine breitere Palette von Risiken und Einflüssen berücksichtigt, dann könnten die Schadensschätzungen auf 20% oder mehr des Bruttoinlandsprodukts ansteigen. [...] Im Gegensatz dazu können die Kosten des Handelns – des Reduzierens der Treibhausgasemissionen, um die schlimmsten Auswirkungen des Klimawandels zu vermeiden – auf etwa 1% des globalen Bruttoinlandsprodukts pro Jahr begrenzt werden."
    [wikipedia 2020 - Stern Report]
    [Stern 2006]

    Stern zufolge sei der Klimawandel verursacht durch das größte Marktversagen, das die Völkergemeinschaft je in Kauf genommen hat. Deshalb müsse die Politik rasch die richtigen Entscheidungen treffen: dem Ausstoß klimaschädlichen Kohlenstoffs weltweit einen Preis verpassen, ökologische Innovationen fördern und sämtliche Hindernisse aus dem Weg räumen, welche die effizientere Verwendung von Energie blockieren. Je früher reagiert werde, desto weniger kostspielig sei der Kampf gegen die Erderwärmung. Schon eine Verzögerung von nur ein oder zwei Jahrzehnten werde die Menschheit auf "gefährliches Terrain" bringen. Die Rettung sei möglich, so seine Botschaft – aber nicht mehr lange.
    Der Träger des Ökonomie-Nobel-Gedächtnispreises 1987, Robert M. Solow, nennt Sterns fast 600-seitige Expertise "ruhig, durchdacht und sorgfältig argumentierend". Der Preisträger von 1998, Amartya Sen, meinte, die Welt wäre geradezu "dumm", ignorierte sie Sterns Botschaft.

    Der spätere Nobel-Gedächtnispreisträger William Nordhaus veröffentlicht 2007 ein zustimmendes Review, 2010 zitiert er Stern in einer eigenen Arbeit über die Welt nach der erfolglosen COP15 in Kopenhagen.
    Blätter: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Nordhaus' Review bei der American Economic Association: [Verknüpfung]
    Nordhaus' Artikel in PubMed Central: [Verknüpfung]
    Wissenschaftliche Unterstützer des Stern-Reports: [Wikipedia 2023 - Stern-Report - Reaktionen von Wissenschaftlern]
    Stern ist heute Leiter des volkswirtschaftlichen Dienstes der britischen Regierung.

    USA: Im selben Jahr erscheint der Film "An inconvenient truth" (deutscher Titel "Eine unbequeme Wahrheit") des Ex-Präsidentschaftskandidaten der demokratischen Partei Al Gore. Er soll das Thema Klimaschutz populär machen und sorgt auch für eine heftige, globale Diskussion. Weil Klimaskeptiker in den USA sehr aktiv sind, melden sich Klimatologen zu Wort. Sie bestätigen Gore, dass der Stand der Wissenschaft weitgehend richtig dargestellt werde.
    [Wikipedia 2020 - Eine unbequeme Wahrheit - Rezeption]

    Russland verriegelt aus politischen Gründen am Neujahrstag die Gaspipeline in die Ukraine, weshalb Europa auf seine (großen) Reserven zurückgreifen muss. Man denkt in Europa deshalb über alternative Gasleitungen und -Quellen nach.
    [Leidel 2006]

    An der RWTH Aachen startet der Professor für Produktionssystematik Günther Schuh mit 50.000€ ein Projekt zur Entwicklung eines konkurrenzfähigen Massen-Elektroautos, perspektivisch für 10.000€. Als erstes Serienfahrzeug entwickelt sein Kollege Professor Andreas Kampker aus diesem Projekt einen Kleintransporter für die Nische städtscher Lieferdienste, den Streetscooter.
    [Wikipedia 2023 - Günther Schuh (Ingenieur)]
    [Wikipedia 2023 - Achim Kampker]

    Die Deutsche Post AG übernimmt 2014 das Konzept und beginnt schließlich 2016 selbst mit der Serienproduktion von letztlich etwa 20.000 Fahrzeugen, die teilweise auch von anderen Gewerben gekauft und wegen der geringen Betriebs- und Wartungskosten geschätzt werden. Letztlich scheitert die Firma 2023 dennoch an der wachsenden Konkurrenz der großen Hersteller, weil die Fehler der Nischen-Firma durch mangelnde Erfahrung mit Großserienproduktion immer mehr ins Gewicht fallen.
    Schuh beginnt 2015 in Aachen die Vorbereitung einer Serienproduktion des Kleinwagens e.GO, der jedoch auch mit der harten Konkurrenz großer Konzerne, v.a. aus China, rechnen muss. Nach mehreren Turbulenzen wird 2022 die Produktion eingestellt. Im Aachener Stadtbild sind die Autos jedoch immer wieder zu sehen.
    [Wikipedia 2023 - Next.e.GO Mobile]
    [Wikipedia 2023 - Streetscooter]
    [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]


    2007

    Im April ist ARD-Themenwoche "Kinder sind Zukunft". Die Kindermoderatorin Carla Zeller vom KiKa fordert im Tagesthemen-Kommentar Klimaschutz. Sie spricht auffordernd-trotzig in die Kamera das, was heute auf Plakaten bei Fridays for Future stehen könnte:


    Vielleicht ist einigen der Klimawandel ja egal, weil sie sowieso nicht mehr lange da sind. Mir ist es aber nicht egal, ich muss noch ein bißchen auf dieser Erde wohnen - eine andere habe ich nicht.
    Carla Zeller

    Am 6. Juni übergibt der Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltfragen WBGU der Bundesregierung sein Gutachten. Er warnt vor den weltpolitischen Folgen einer Klimakatastrophe und mahnt eindringlich zum ernsthaften Klimaschutz.
    [Verknüpfung]

    Think City - die Weiterentwicklung eines von Ford entwickelten Konzepts aus der Zeit des GM EV1 - kommt mit Natrium-Nickelchlorid-Akku ("Zebra-Batterie") auf den Weltmarkt. Der Akku wird von MES-DEA Swiss produziert und kommt auch in anderen Fahrzeugen zum Einsatz: Renault Twingo, Smart, Fiat Panda (Vertrieb in Schweiz und Italien), in französischen Postautos, Bussen, aber auch in Miltärfahrzeugen und als Notstromversorgung von Funkmasten.
    [Wikipedia 2019 - Think City]

    Eine Kooperation mit dem Hersteller von LiFePO4-Akkus A123 Systems endet 2008 - einen Tag nach dem Produktionsstart der Zellen. Kurz danach geht Think (einmal wieder) in die Insolvenz. Auch wenn der Think das wesentlich nachhaltigere Konzept hatte als der dreimal so teure Tesla Roadster - es war nicht kommerziell verwertbar.

    21 Jahre vorher lautete ein Spiegel-Titel "Die Klima-Katastrophe". In der Zwischenzeit sind die Emissionen immer schneller angewachsen, doch der Spiegel titelt jetzt am 06.05. "Die große Klima-Hysterie". Gezeigt wird eine vor Panik schwitzende Blondine im Marvel-Stil mit der Denkblase "Hilfe... die Erde schmilzt." In ihrer Absurdität spielt die Darstellung mit latenter Frauenfeindlichkeit. Chefredakteur war Stefan Aust, der ein Jahr später in den Springer-Konzern zu die Welt wechselte. Den Leitartikel "Abschied vom Weltuntergang" schrieb Olaf Stampf, der seit 2001 das Wissensressort leitet.
    Spiegel-Titel: [Verknüpfung]
    Spiegel-Leitartikel: [Verknüpfung]
    Spiegel-Titelbild: [Verknüpfung]

    Die internationale Energieagentur IEA rät, weitere Ölquellen zu erschließen, weil eine neue Ölkrise drohe. Die IEA wurde 1974 von der OECD nach der Ölkrise gegründet, um weiteren Fehlentwicklungen an den Energiemärkten rechtzeitig vorzubeugen.
    [Verknüpfung]

    Der Wissenschaftliche Beirat Globale Umweltveränderungen der Bundesregierung WBGU warnt vor dem Kollaps fragiler Staaten nach Extremereignissen.

    2019 warnt das NIC vor einem unsicheren Jahr 2040. Zum Beginn der UN-Klimaverhandlungen 2022 spricht der Klimaforscher Stefan Rahmstorf von einem möglichen Ende der Zivilisation, und UN-Generalsekretär Antonio Guterres vom Überleben der Menschheit.




    2008

    Der Hamburger Klimaforscher Mojib Latif sagt eine Pause der Erwärmung voraus, bedingt durch eine negative Phase (Wärmeaufnahme-Phase) der pazifischen dekadischen Oszillation. Er weist aber auch darauf hin, dass danach wieder eine positive Phase folgen muss, bei der wieder Wärme vom Pazifik abgegeben wird.
    [Latif 2008]

    Politiker der USA schwanken in ihrer Position bezüglich des Klimawandels; als Prominente konservative Klimaschutz-Befürworter zu nennen sind Bob Inglis, Newt Gingrich und John McCain.
    Der neue Präsident Barack Obama beruft etliche Wissenschaftler in seinen Beraterstab, u.a. Steven Chu als Energieminister. Obwohl Klimaschutz eine internationale Aufgabe ist, besonders in einer hochgradig globalisierten Wirtschaft, wird sein Green New Deal von den deutschen Grünen in der Opposition begrüßt, von Regierungs-Seite jedoch nicht weiter unterstützt.


    Um die grüne Wende der USA nicht abzuwürgen, sollten die Europäer nicht zuviel Druck ausüben.
    Jürgen Trittin

    [Trittin 2008]

    Auch 2021 und 2022 wartet der nächste demokatische Präsident, Obamas Vize Joe Biden, sowohl unter Merkel als auch unter Scholz vergeblich auf Unterstützung seiner Transformations-Agenda.

    A123 Systems, ein Startup des Massachussetts Institute of Technology MIT, bringt nach sieben Jahren Entwicklungsarbeit Traktionsakkus für Fahrzeuge mit Lithiumeisenphosphat- (LiFePO4-) Technik auf den Markt. Die Zellen werden u.a. von Mercedes in Hybridbussen, aber auch in Elektrowerkzeugen von DeWalt und Black & Decker eingesetzt, und dort von Kunden wegen ihrer Leistungsfähigkeit und Standzeiten sehr geschätzt. Die Zellen entzünden sich nicht, sind sehr robust, zyklenfest, und enthalten außer Lithium keine kritischen Rohstoffe - sie haben nur etwas geringere Energie- und Volumendichten.
    A123 geht nach mehreren abgesagten Deals mit amerikanischen und deutschen Autokonzernen 2012 insolvent. Die prominentesten geplatzten Projekte sind das Joint Venture ENVI zwischen der damaligen Fiat-Tochter Chrysler und dem italienischen Mutterkonzern, und das Think EV.
    [Wikipedia 2024 - ENVI (automobile)]
    Das Patent der Akkus wird an die chinesische Wanxiang Group verkauft; die Akkus werden von BYD, CALB und Winston/ Thundersky dort in Massen produziert. BYD baut damit zunächst Hybrid- und dann auch rein elektrische Autos und wird damit der größte Produzent Chinas. BYD baut damit auch große Mengen hochwertiger Stromspeicher, die auch in Europa verkauft werden. In den 2020ern gewinnt BYD auch in Europa schnell Marktanteile.
    [Wikipedia 2024 - A123 Systems]
    2019 startet Tesla als erster nicht-chinesischer Hersteller in seiner Gigafactory 3 in Shanghai mit der chinesischen Variante des Model 3 den ersten Masseneinsatz der LiFePO4-Akkus.

    Das kalifornische Elektroauto-Startup-Unternehmen Tesla wurde 2003 gegründet von Martin Eberhard und Marc Tarpenning. Der Tech-Milliardär Elon Musk erkannte 2004, dass die Potentiale der Elektromobilität lange von der Fossillobby blockiert wurden, obwohl die Technik bei Massenproduktiuon bereits in den 90er-Jahren konkurrenzfähige Produkte ermöglicht hätte, und sogar schon ein attraktives Serienauto ermöglicht hat. Was es zum Durchbruch nur noch brauchte, war ein starker Investor.
    Nach dem Ausstieg der Gründer setzt Tesla jetzt - mangels größerer Zellen - jeweils 6831 kleine Lithium-Ionen-Zellen für Laptop-Akkus zu einer Traktionsbatterie für einen elektrisch angetriebenenen Umbau des Sportwagen-Klassikers Lotus Elise zusammen - den Tesla Roadster. Der kleine Sportwagen beschleunigt mit 3,7s von 0 auf 100km/h schneller als ein zeitgenössischer Porsche Turbo und kostet ca. 109.000$.
    [Wikipedia 2019 - Tesla Roadster]
    autoplenum: [Verknüpfung]
    Der Manufaktur-Sportwagen verkauft sich v.a. als eines der ersten Statussymbole für reiche Hipster, während das zweckorientierte Öko-Auto Think EV mit den fortschrittlichen LiFePO4-Akkus von A123 Systems zum letzten mal am Markt scheitert. Immerhin zeigt der Roadster, dass das Zeitalter der Elektroautos überfällig ist.
    In China, Korea und Japan beginnt bald darauf die Massenfertigung großer Lithium-Ionen-Akkus, die dort bald in PKW, Vans und ganzen Busflotten eingesetzt werden.
    Was erst 2022 von Elon Musk ausgeplaudert wurde: Noch im Jahr von Musks Übernahme rettet ausgerechnet Daimler-Benz das junge Unternehmen - mit einem Auftrag zur Entwicklung eines Elektro-Antriebs für den Smart, mit einer für Mercedes lächerlichen Firmenbeteiligung von 50 Millionen US-$. D.h. der Elektro-Muffel Mercedes hat die Entwicklung sehr genau im Blick gehabt und versuchte für den Fall einer internationalen Disruption gerüstet zu sein. Mercedes' Firmenanteil betrug damit 10% des Unternehmenswerts.

    2014 stößt Mercedes die Tesla-Anteile wieder ab. 2022 wäre dieser 10%-Anteil mehr wert gewesen als der gesamte Daimler-Benz-Konzern.
    businessinsider.de: [Verknüpfung]
    efahrer: [Verknüpfung]
    Youtube: [Verknüpfung]
    Tesla-Firmenchef Elon Musk setzt dem Hype um seine Firma 2018 einen peinlichen Höhepunkt: er schießt einen Tesla Roadster in den Weltraum.

    Fatih Birol, Chefökonom der Internationalen Energieagentur (IEA) (die Energieberatungs-Agentur der OECD), warnt vor dem Öl-Fördermaximum: "Wir müssen das Öl verlassen, bevor es uns verlässt."
    [Birol 2008]
    [Schneider 2008]



    Der russische Militärstratege Anatoly Tsyganokist ist überzeugt, dass im 21. Jahrhundert in der Regel keine großen Armeen aufeinanderprallen werden, sondern Guerilla-Operationen und Cyberkriege an Bedeutung gewinnen. Russische "Informationstruppen" müssten dafür ausgebildet werden, "Propaganda, Desinformation und Kooperationen mit internationalen Medien zu betreiben". Zum prominentesten Kanal wird jetzt der 2005 gegründete Fernsehsender Russia Today RT. 2013 überschreitet RT, als erster Informationskanal auf YouTube die Grenze von einer Milliarde Views. 2014 startet ein deutsches Programm, das 2022 nach einem EU-weiten Verbot nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs eingestellt wird.
    Zeit: [Probst 2017]
    [Wikipedia 2023 - RT (Fernsehsender)]

    Putins Koch und späterer Chef der brutalen Söldnertruppe Wagner, Jewgenij Prigoschin, organisiert nachweislich seit 2014 aus St. Petersburg einen besonders erfolgreichen Cyberkrieg in den "sozialen" Medien, der später auch aus den USA geführt wird: der Krieg des fossilen Patriarchats gegen die liberalen Demokratien, die für globale Solidarität eintreten und deshalb Klimagerechtigkeit fordern.

    Die Insolvenz der amerikanischen Investment-Bank Lehman Brothers führt zur Subprime-Krise, einer globalen Finanzkrise, die die Reformbedürftigkeit des Finanzsystems schmerzlich offenbart. Sie verdrängt den Klimaschutz schlagartig von der Agenda der Finanzwelt, die durch den Stern-Report sensibilisiert war, doch auch in der gesamten Politik und Zivilgesellschaft.
    Vor allem öffentliche Finanzinstitute der USA und Deutschland gehören zu den letzten, die die faulen Lehman-Papiere halten und damit massive Schäden erleiden.
    [Verknüpfung]
    Ausgelöst wurde die Krise durch eine gigantische Immobilienblase in den USA, wo völlig überbewertete Immobilien sehr kreativ, sprich undurchsichtig zu komplexen Finanzprodukten verbrieft und letztlich (nach diversen Preismanipulationen) an nichtsahnende Abnehmer verkauft wurden. Unterstützt wurden die kriminellen Aktivitäten durch unseriös kundenfreundliche Gutachten (Top Ratings) der Big Four der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, die sich alle einig waren: Ernst & Young, Deloitte, PWC und KPMG. Auf diese Gutachten verließen sich damals die betrogenen Investoren, die Big Four wurden jedoch nicht zur Verantwortung gezogen. Im Gegenteil, saßen sie nach der Krise weltweit wieder in den Lobbys und schrieben an Gesetzen mit. Ernst & Young z.B. war 2020 wieder am Wirecard-Skandal beteiligt.
    Das hindert CDU-Gesundheitsminister Spahn nicht, EY mit großen Beratungsaufträgen zu betrauen.
    [Verknüpfung]

    In den USA wurden danach unter Präsident Obama Gesetze zur Markt-Regulierung eingeführt, die aber unter Trump teils revidiert wurden. Die an der Bewertung der Subprime-Papiere beteiligten Rating-Agenturen sind schnell wieder als Berater sehr gefragt.
    Eine ähnliche Blase ungleich größeren Ausmaßes ist die aktuelle Carbon Bubble, aus der sich mittel- und langfristige Spekulanten bereits zurückziehen, langsam beginnend 2016.

    Der gemäßigt neolibertäre Ex-Notenbankchef Alan Greenspan wurde von der US-Wirtschaft lange als Held gefeiert. Jetzt bezeichnet er gegenüber dem demokratischen Abgeordneten Henry Waxman in einer Anhörung des Repräsentantenhauses zur Subprime-Krise seine Zins-Politik als Fehler. Er sei über 40 Jahre lang einer falschen Ideologie von der Stabilität des freien Markts gefolgt.


    [Verknüpfung]



    2009

    Das Wissenschaftliche Beirat für Globale Umweltfragen gibt der Bundesregierung bis maximal 2020 Zeit, eine radikale Klimapolitik einzuleiten, um das verbleibende Emissionsbudget für CO2 einhalten zu können. Der Bericht warnt u.a. vor Failed States durch klimabedingte kriegerische Konflikte, wie sie kurze Zeit darauf durch die Dürren in Syrien eintraten.

    Autor: WBGU 2009, Lizenz CC-BY-NC-ND
    [WBGU 2009] S.16

    An den Budget-Empfehlungen hat sich seitdem nichts Gravierendes geändert. Die deutsche Politik hat bis 2019 nicht reagiert, auch nicht nach dem internationalen Abkommen von Paris, und 2019 nach den Europawahlen auch nur viel zu zaghaft.

    D: Schröders Ex-Koalitionspartner und persönlicher Gegenspieler Joschka Fischer (Die Grünen) betreibt mit Unterstützung der US-Außenmimnisterin Madeleine Albright und europäischer Partnerstaaten den Bau der Nabucco-Pipeline, die aserbaidschanisches Gas nach Europa leiten soll. Das Projekt soll eine einseitige Abhängigkeit von Russland, das Europa über die Nordstream-Pipeline unter Umgehung der Ukraine beliefert, und eine weitere solche Pipeline plant, verhindern.
    [Welt 2009]

    Diverse "Probleme" wie ein Brand lassen das Projekt im Sande verlaufen.
    correctiv: [Richter 2022]
    Radio Free Europe: [Verknüpfung]

    Im Vorfeld der COP-Konferenz in Kopenhagen gibt es erste deutliche Reduktions-Zusagen wichtiger Emittenten, u.a. den USA und China. Mit dem Simulations-Tool C-Roads des Sloan-Instituts am MIT lassen sich Vorhersagen für die Verhandlungen berechnen.


    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Ein Konsortium von Mitsubishi und PSA-Citroën bringt das erste Großserien-Elektroauto, einen kleinen Viersitzer mit etwa 100km Reichweite im Realbetrieb (baugleich: Mitsubishi iMieV, Peugeot iOn, Citroën C-zero).

    Am 30. Oktober gründen große Finanz- und Energiekonzerne die Dii GmbH, die die schon alten Pläne zentraler, thermischer Solarstrom-Anlagen in Nordafrika für die Versorgung von Europa umsetzen sollen, genannt Desertec. Frank Shumans Idee war 1914 am Ausbruch des Ersten Weltkriegs gescheitert, und wurde fast 100 Jahre lang nicht wieder aufgegriffen.
    [Wikipedia 2022 - Desertec]

    Innerhalb weniger Jahre stellt sich heraus, dass das Projekt um Jahrzehnte zu spät kommt: die Erzeugungskosten dezentraler Photovoltaik sind mittlerweile um Größenordnungen geringer. Da die Desertec-Projekte mit großem Kapital und staatlichen Subventionen ausgestattet sind, werden sie trotzdem umgesetzt, vor allem die Noor-Projekte bei Ouarzazate in Marokko. Die Übertragung nach Europa über die Meerenge von Gibraltar ist sehr günstig. Den enormen Wasserbedarf nachhaltig über eine kombinierte Entsalzung zu decken, würde die Kosten allerdings nochmals deutlich erhöhen. Das Projekt Noor 4 ist deshalb keine thermische Anlage mehr, sondern eine photovoltaische. 2014 wurde die Strategie der Dii GmbH grundlegend geändert, weg von eigenen thermischen Großprojekten hin zu Projektplanung.
    [Wikipedia 2022 - Kraftwerk Ouarzazate]




    2010

    Der World Energy Outlook der International Energy Acency IEA sagt voraus, dass die konventionelle Ölförderung den Wert von 2006 nicht mehr überschreiten wird; 2006 sei demnach der Peak Conventional Oil.


    Crude oil output reaches an undulating plateau of around 68-69 mb/d by 2020, but never regains its all-time peak of 70 mb/d reached in 2006, while production of natural gas liquids (NGLs) and unconventional oil grows strongly.
    IEA
    Pressemitteilung: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]

    Russland, Pakistan: Eine wochenlang stabile, extrem ausgeprägte Ausbuchtung der wellenförmig verlaufenden Jet Streams (Höhen-Strahlströme) über Zentralasien verursacht eine Kombination von Überflutungen in Pakistan und extremer Dürre in Russland, bei der selbst Moore großflächig zu brennen beginnen. Die Torfbrände erzeugen gigantische Rußwolken, die u.a. in Moskau eine signifikante Übersterblichkeit verursachen.
    [Wikipedia 2021 - Torfbrände in Russland 2010]

    2014 veröffentlicht ein Team um Dim Coumou vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung PIK ein Modell, das diese Störungen erklärt.
    [Rahmstorf 2014-1]
    [Viering 2014]
    Studie: [Coumou 2014]
    Studie: [Kornhuber 2019]
    Solche Störungen führen zu zahlreichen Wetterextremen, die die klimatischen Bedingungen für Landwirtschaft dramatisch verschlechtern, denn der Landwirt kann bei der Aussaat nie wissen, welchen extremen Schwankungen seine Pflanzenkultur ausgesetzt sein wird:

    • Hitzewellen in Kalifornien mit riesigen Waldbränden
    • ab 2018 häufige Hitzewellen in Europa mit vielen Waldbränden, extremer Dürre und großer Übersterblichkeit
      Studie: [Rousi 2022]
      Studie: [Vautard 2023]
      Zeit: [Verknüpfung]
    • Kältewelle im Februar 2021 in Texas: Katastrophenalarm mit zig Toten
    • kalter April 2021, kältester seit 1977, danach kalter gewitterreicher Mai und Juni mit zahlreichen Überflutungen durch Starkregen
    • historische Hitzewelle (heat dome) durch eine stabile Omega-Wetterlage über Nordwest-Amerika mit 49,5°C in Lytton/ Kanada fordert hunderte Todesopfer
    • anhaltende Starkregen über Japan lösen eine große Schlammlawine aus
    • Dürre mit Millionen Hungeropfern 2022 in Äthiopien, Madagaskar etc.
    • Hitzewelle mit 50°C in Indien
    • Starkregen mit Millionen Obdachlosen in Pakistan und Florida
    • (es ist müßig, die Liste fortzusetzen, alle paar Tage bis Wochen kommen neue Ereignisse hinzu)

    Obwohl seit Jahren immer wieder Medienberichte dazu auftauchen, gibt es 10 Jahre nach der Veröffentlichung von Coumou et al. immer noch viele, die davon noch nichts gehört haben, und sich zum Beispiel nach einem rekordwarmen Herbst über einen frühen Kälteeinbruch wundern.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    bauernzeitung.ch: [Verknüpfung]
    ARD alpha: [Verknüpfung]
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]
    focus: [Verknüpfung]
    : [Verknüpfung]
    Die Jet-Stream-Vorhersage bei netweather: [Verknüpfung]
    Uni Mainz: [Verknüpfung]
    Ich wüsste gern, in wievielen Erdkunde Leistungskursen immer noch die ursprünglichen Jet Streams als Normalität dargestellt werden. Das Gegenteil ist der Fall: ich sehe mir regelmäßig die Echtzeit-Weltkarte der Winde auf 500hPa an, und so gut wie immer ist auf der Nordhalbkugel kein durchgehendes Starkwindband zu sehen. Beim Blick auf die Südhalbkugel sieht man, wie es früher war.
    Nordhalbkugel bei earth.nullschool.net: [Verknüpfung]
    Südhalbkugel bei earth.nullschool.net: [Verknüpfung]
    Auch ein Blick auf alte Wetterkarten kann helfen. Von zehn archivierten Ausgaben der ARD Tagesschau bei Youtube zeigen etwa neun das übliche Bild: die Hoch- und Tiefdruckgebiete ziehen von West nach Ost.
    ARD Tagesthemen 29.11.1984: [Verknüpfung]
    ARD Tagesschau 22.09.1980: [Verknüpfung]
    ARD Tagesschau 19.03.1977: [Verknüpfung]
    ARD Tagesschau 19.12.1984: [Verknüpfung]
    ARD Tagesschau 26.12.1982: [Verknüpfung]
    ARD Tagesschau 27.09.1980: [Verknüpfung]
    ARD Tagesschau 03.10.1990: [Verknüpfung]
    ARD Tagesschau 09.12.1980: [Verknüpfung]
    ARD Tagesschau 02.02.1980: [Verknüpfung]

    Der Berliner SPD-Finanzsenator Thilo Sarrazin veröffentlicht sein Buch "Deutschland schafft sich ab", das zum Bestseller wird. Die darin geäußerte Behauptung einer Unterwanderung Deutschlands mit kinderreichen, "faulen" Migranten löst eine heftige Debatte über politischen Anstand aus, wie die über political correctness und vermeintlicher woker Cancel Culture in den USA. Rechtspopulisten bestehen hier wie dort auf Freiheit der Meinungsäußerung und beklagen eine Meinungsdiktatur, auch wenn ihre Meinung rassistisch, sexistisch oder andersartig diskriminierend ist, wenn also ihre Äußerung einen Verstoß gegen die Menschenwürde darstellt. In Deutschland ist die Menschenwürde durch den ersten, wichtigsten Artikel des Grundgesetzes geschützt.
    Die Redensart "das wird man ja wohl noch sagen dürfen" macht die Sprache der Rechtspopulisten mehr und mehr zur Normalität in der Alltagskultur. Die Tatsache der gewaltsamen Meinungsunterdrückung, auch durch Mord, im Faschismus zeigt, wie verdreht und gefährlich diese Darstellung ist.

    2013 wird Deutschland vom Antirassismus-Ausschuss der Vereinten Nationen verklagt, weil Sarrazins offen geäußerter Rassismus folgenlos blieb. 2020 kommt es zum Ausschluss aus der SPD, elf Jahre nach dem ersten Parteiordnungsverfahren.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Botsch 2009]
    Eine neue Dimension dieser Täter-Opfer-Umkehr gelingt dem Thüringer AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, als dieser im Strafprozess um seine NS-Sprache im Mai 2024 seine Menschenwürde einfordert.

    Der Erfolg des neolibertären Kulturkämpfers Donald Trump in den USA motiviert die CDU, nach dem Wahlverlust 2021 unter ihrem neuen Anführer Friedrich Merz auch in Deutschland einen Kulturkampf anzuzetteln.

    Am 02.10. beschließt der schwarz-gelb dominierte Bundestag unter Wirtschaftsminister Rösler (FDP) die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke und macht damit den rot-grünen Atomausstieg, der v.a. auf den Protagonisten von Atomausstieg und EEG Hermann Scheer (SPD) zurückgeht, rückgängig. Die folgenden Jahre sind geprägt von einer Energiekehrtwende, die auch unter Schwarz-Rot weitergeht.


    [Zu Atomkraft:] Weil nicht passieren darf, was passieren kann, darf eine Technologie nicht eingesetzt werden.
    Hermann Scheer 2010

    Scheer formuliert hier eine Selbstverständlichkeit verantwortungsvoller Politik, die auch in der Klimafrage gelten müsste: das Vorsorgeprinzip.
    [Wikipedia 2021 - Vorsorgeprinzip]
    Es ist so selbstverständlich, dass es in allen Sprachen sprichwörtlich ist.


    Better safe than sorry. Il vaut mieux prévenir que guérir. Vorsicht ist besser als Nachsicht.

    12 Tage später, am 14. Oktober, stirbt Scheer, kurz vor der Veröffentlichung seines Buchs "Der energethische Imperativ" mit 66 Jahren an einem Herzinfarkt. Besonders sehenswert ist sein letzter Vortrag "Power to the People" bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung vom 30. September. Nicht nur mit dem Titel seines Buchs knüpft er an die knapp 100 Jahre alte Vision des Nobelpreisträgers Wilhelm Ostwald, das fossile Zeitalter könne nur ein Übergangsstadium sein - dessen Ende nur von seinen Profiteuren hinausgezögert würde.
    Wenngleich Scheer kein Philosoph war, so stellt er sich mit seinen ethischen Forderungen auch in die Tradition von Immanuel Kant und Hans Jonas.


    Knapp sind nicht die Erneuerbaren Energien, knapp ist die Zeit.
    Hermann Scheer

    Die taz schreibt "er war der herausragende Politiker seiner und unserer Zeit".
    [Verknüpfung]
    Peter Sloterdijk würdigt ihn in einem denkwürdigen Nachruf in der Zeit.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zum 10. Todestag macht der Energiewende-Blogger Klaus Müller seinem ganzen Ärger über die Energiekehrtwende-Politik von Scheers Parteigenossen Luft.
    [Verknüpfung]
    Scheer war vom Time Magazine mit dem Titel "Hero for the Green Century" bezeichnet worden und Träger des Alternativen Nobelpreises.
    So visionär und wirkmächtig John Maynard Keynes im frühen 20. Jahrhundert, sehe ich Hermann Scheer in seiner Zeit. Beide Politiker verbindet, dass der Neoliberalismus, also die Abkehr von Keynes' Ideen, praktisch die Durchsetzung von Scheers Ideen um Jahrzehnte verzögert und damit die Zukunft der Welt auf's Spiel gesetzt hat.




    2011

    Das Weltwirtschaftsforum in Davos bewertet den Klimawandel als "eines der größten Risiken, mit sehr großen Auswirkungen und einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit".
    [Verknüpfung]

    Die prominent besetzte Ethik‐Kommission Sichere Energieversorgung empfiehlt die Energiewende: Ausstieg aus Atomkraft, hin zu Effizienz und Erneuerbaren, Zitat:

    "Durch Wissenschaft und Forschung, technologische Entwicklungen sowie die unternehmerische Initiative zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle einer nachhaltigen Wirtschaft verfügt Deutschland über Alternativen: Stromerzeugung aus Wind, Sonne, Wasser, Geothermie, Biomasse, die effizientere Nutzung und gesteigerte Produktivität von Energie sowie klimagerecht eingesetzte fossile Energieträger. Auch veränderte Lebensstile der Menschen helfen Energie einzusparen, wenn diese die Natur respektieren und als Grundlage der Schöpfung erhalten."
    [Verknüpfung]

    Die Überflutung des AKW im japanischen Fukushima durch einen Tsunami führt in mehreren der Blöcke zur Kernschmelze und Wasserstoffexplosionen; ein ganzer Landstrich wird sofort atomar verseucht. Das veranlasst Kanzlerin Angela Merkel in Deutschland zum Ausstieg aus dem Ausstieg aus dem Ausstieg aus der Atomkraft. Die verlorenen Kapazitäten werden von der CDU-FDP-Koalition nicht wie von den Erfinder:innen der Energiewende geplant durch Erneuerbare, sondern durch verstärkten Import fossiler Brennstoffe ersetzt: v.a. Erdgas aus Russland und Steinkohle aus Kolumbien; die Untertage-Förderung eigener Steinkohle befindet sich aus Wirtschaftlichkeitsgründen in Abwicklung. Der russische Präsident Wladimir Putin ist bereits durch imperiale Kriege und eine autoritäre Innenpolitik gegenüber Journalist:innen aufgefallen, und in Kolumbien gelten geringe Umwelt- und Arbeitsstandards, tausende von Kohlebergbau-Gewerkschaftern werden getötet.


    Fukushima hat meine Haltung zur Kernenergie verändert.
    Angela Merkel
    [Lobenstein 2021]

    Die Beseitigung der Altlasten in Fukushima ist 2023 immer noch nicht abgeschlossen. Für die Speicherung des Tritium-haltigen Löschwassers wurden riesige Tanklager geschaffen, die jedoch bei Weitem nicht ausreichten. So werden mangels Speicherkapazitäten große Mengen davon unbehandelt in den Pazifik geleitet. Die erhöhte Radioaktivität ist in den US-Küstengewässern nachweisbar.

    Einweihung der deutsch-russischen Gas-Pipeline Nordstream, die die Ukraine über die Ostsee umgeht; Vorsitzender des Aufsichtsrats ist Ex-Kanzler Gerhard Schröder, SPD. Die Ukraine ist zunehmend unter amerikanischen Einfluss geraten, und die USA versuchen ihr Fracking-Gas auch nach Deutschland abzusetzen. Das Geschäft mit dem deutschen Gaskonsum wird zum Zankapfel der Atommächte USA und Russland.

    2022 steht die zweite Röhre Nordstream 2 kurz vor der Inbetriebnahme, da startet Russland seine Ukraine-Invasion. Im September 2022 werden beide Röhren vor Dänemark von unbekannten Tätern gesprengt. Es gab Äußerungen aus höchsten US-Regierungskreisen, die nahelegen, dass solch ein Schlag beabsichtigt war. Der 86-jährige, hochdekorierte Enthüllungsjournalist Seymour Hersh trägt diese und weitere Hinweise zusammen, dass die USA diesen Anschlag verübt haben könnten. Ein sicherer Nachweis wäre ein Aggressionsgrund für Russland. Gesicherte Beweise gibt es nicht, weshalb Hershs Geschichte allgemein angezweifelt, und Hersh Seriosität der letzten Jahre kritisch beleuchtet wird. Angesichts der Brisanz eine nachvollziehbare Maßnahme journalistischer Vorsicht.
    junge welt: [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]
    t-online: [Verknüpfung]

    Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) novelliert die Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung für Pkw. Für die Einstufung eines Fahrzeugs ist jetzt nicht mehr der absolute Energieumsatz (der proportional zu den CO2-Emissionen ist), sondern auch die Fahrzeugmasse. Ein leichtes Auto kann demnach eine schlechtere Einstufung bekommen als ein schweres, auch wenn das wesentlich mehr verbraucht. Zitat aus der Wirtschaftswoche: "Beispiel: So landet ein 2.345 Kilo schwerer Audi Q7 3.0 TDI mit einem Kohlendioxidausstoß von 195 Gramm pro Kilometer ebenso wie ein 2,5 Tonnen schwerer Porsche Cayenne S Hybrid (193 g/km) in der zweitniedrigsten Klasse B, ein Kleinwagen wie der Toyota Aygo jedoch wird trotz wesentlich geringeren CO2-Ausstoßes in Klasse D eingestuft. [...] Eine kleine Rechnung macht die ganze Absurdität klar: Der in aller Welt beliebte deutsche Kampfpanzer Leopard 2, der pro gefahrenem Kilometer 1.500 Gramm CO2 ausstößt, würde dank seines Gewichts von 62 Tonnen in der Logik der neuen Effizienzklassen direkt neben einem VW Golf 1.4 landen."
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2021 - Pkw-Energieverbrauchskennzeichnungsverordnung]
    Das durchschnittliche Fahrzeuggewicht nahm in der Folge mit dem Boom von Mini-Vans und dann SUV rasant zu.
    Rösler zeichnet in seiner kurzen Zeit als Wirtschaftsminister (2011 bis 2013) für bemerkenswert viele hoch umstrittene Maßnahmen verantwortlich.
    [Wikipedia 2021 - Philip Rösler]

    Die neoliberale Denkfabrik INSM von Ex-Wirtschaftsminister und Klimaskeptiker Wolfgang Clement betreibt mit Strompreis-Angst eine massive Kampagne gegen Erneuerbare Energien und stilisiert damit die Energiewende zur sozialen Frage. Zum Gründungsmitglied des Fördervereins der INSM gehört Friedrich Merz (CDU).
    [Wikipedia 2019 - Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft]
    [Verknüpfung]


    [INSM 2011]

    Der Ökostrom-Anbieter Lichtblick startet eine Kooperation mit VW. VW liefert den Kunden ein Blockheizkraftwerk, das elektrischen Strom - zum Selbstverbrauch oder zur Einspeisung - und Heizwärme liefert. Weil die BHKW zentral gesteuert werden, spricht Lichtblick von Schwarmenergie.
    Blockheizkraftwerke sind beliebte Projekte von Pionieren, die damit die winterliche Versorgungslücke ihrer PV schließen; schon lange bewährt z.B. das Modell Dachs von Senertec. Solche Anlagen werden zunächst mit fossilem Brennstoff betrieben, deren Brennwert für die Stromproduktion veredelt wird. Tüftler haben jedoch (wie im Kfz) auch Bio-Kraftstoffe erfolgreich genutzt; heute käme synthetisches, CO2-neutrales P2L in Frage.
    [Verknüpfung]
    Der Einspeisebetrieb hat den Vorteil, dass das Netz damit stabilisiert werden kann.
    2014 wird die Kooperation aufgekündigt. Lichtblick sieht die Konditionen von VW als inakzeptabel an.
    [Verknüpfung]




    2012

    Der Ex-RWE-Manager und Klimaskeptiker Fritz Vahrenholt (SPD) veröfentlicht sein Buch "Die kalte Sonne" und startet einen gleichnamigen Blog. Die Bild-Zeitung greift das Thema reißerisch auf in der Serie "Die CO2-Lüge". Die Titel:
    "Renommiertes Forscher-Team behauptet: Die Klima-Katastrophe ist Panik-Mache der Politik"
    [Verknüpfung]
    "Seit 12 Jahren ist die Erd- Erwärmung gestoppt!" [Verknüpfung]
    "Stoppt den Wahnwitz mit Solar- und Windkraft!"
    [Verknüpfung]
    Das PR-Projekt begleitet die Energie-Kehrtwende, die von der CDU-FDP-Koaltion unter den Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU-Kanzlerin) und Philipp Rösler (FDP-Wirtschaftsminister) eingeleitet wird.
    Eine Reihe von Extremwintern, v.a. 2006, wird in der konservativen Zivilgesellschaft dankbar als Beleg für Vahrenholts These aufgenommen. Der Spiegel listet auf.
    [Witte 2012]

    Der Kurs, die Energiewende zu bremsen, wird von den CDU-Regierungen auch mit der SPD beibehalten, bis zum Regierungswechsel zur Ampel-Koalition 2021, die einen Ausbau der Erneuerbaren Energie ankündigt. Wirtschaftsminister Habeck (Die Grünen) ist im Ukraine-Krieg 2022 jedoch nicht in der Lage, das Ruder herumzureißen. Der Finanzminister Christian Lindner (FDP) verweigert die Mittel und beharrt auf der Schwarzen Null.

    Währenddessen meint Exxon-Chef Rex Tillerson zu den von Trockenheit betroffenen Bauernopfern, Klimawandel sei ein "ingenieurstechnisches Problem", sie könnten sich ja neue Anbaugebiete suchen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]


    We have spent our entire existence adapting. We'll adapt [to climate change]. It's an engineering problem and there will be an engineering solution.
    Rex Tillerson

    Netzparität für Photovoltaik: die Erzeugungskosten für PV-Strom sinken unter den durchschnittlichen Preis für konventionellen Strom.
    [Wikipedia 2019 - Netzparität]

    Zusammen mit Umweltminister Röttgen (CDU) betreibt Wirtschaftsminister Rösler (FDP) eine drastische Abkühlung auf dem überhitzten PV-Markt. In breiten Teilen der Öffentlichkeit wurde dies wie eine notwendige Anpassungsmaßnahme wahrgenommen, v.a. direkt nach der großen Strompreis-Kampagne des INSM.
    [Verknüpfung]
    Der renommierte Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES Jürgen Schmid in der FAZ kritisiert die deutsche Energiewende-Politik als "Chaos". Schmid erlebt nicht mehr, wie recht er hat. Er stirbt im selben Jahr.
    [Verknüpfung]

    Im Zusammenhang mit späteren Maßnahmen wie PV-Deckel, Ausschreibungsverfahren, EEG-Paradox etc. kann man dies jedoch als Auftakt zum Ende der deutschen PV-Industrie sehen. Gleichzeitig erlaubte man jahrelang die Importe subventionierter chinesischer PV-Technik. Der französische Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg hat später dazu gesagt, dass dies ein Deal mit China war, um die deutschen Automobilexporte nicht zu gefährden. Nicht nur die deutsche, sondern die ganze europäische PV-Industrie brach in wenigen Jahren zusammen.
    [Verknüpfung]

    BASF kauft Patente für Akku-Technik, u.a. für den Ovonic-Akku aus dem GM EV1 und den Lithium-Schwefel-Akku.
    [Stahl 2012]

    München feiert Weihnachten bei 20,7°C.
    Spiegel: [Verknüpfung]




    2013

    Der Entomologische Verein Krefeld erfasst in einem Vergleich mit Zahlen von 1989 das Insektensterben bei Fluginsekten in einem Naturschutzgebiet. Er misst Bestandsrückgänge aller in Malaise-Fallen gefangenen Insekten-Arten um 75-82%. Die Zahlen werden jedoch jahrelang nicht veröffentlicht.

    Ein Team um den niederländischen Ökologen Caspar Hallmann wertet 2017 die Zahlen aus Krefeld aus, ergänzt um die Werte bis 2016. Andere deutsche Stationen melden ähnliche Zahlen.
    PLOS: [Hallmann 2017]
    [Wikipedia 2024 - Insektensterben - Studien im deutschen Raum]
    Tatsächlich gab es aber gerade in den beobachteten Jahren auch bedeutende Wettereffekte auf den Bestand von Fluginsekten, wie 2023 eine Studie von Prof. Jörg Müller von der Uni Würzburg in Nature zeigt, Titel: "Weather explains the decline and rise of insect biomass over 34 years". Diese führt den gemessenen Rückgang der Insekten-Biomasse allein ("solely") auf Wettereffekte zurück und fordert eine Neubewertung klimabedingter Risiken für die Stabilität von Ökosystemen in gemäßigten Breiten: die Wirkung des Klimawandels werde massiv unterschätzt. Anlass für die Studie war die Beobachtung einer hohen Insekten-Biomasse im Sommer 2022.
    Nature: [Müller 2023]
    Die Studie wird von Biodiversitätsforschern wie Roel von Klink vom Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung iDiv oder Prof. Hochkirch vom Musée national d'histoire naturelle Luxemburg gestützt. Vertreter der Agrarlobby teilen die Studie fleißig, ihre Schlussfolgerung: Freispruch für die industrielle Landwirtschaft.
    Die Mitteilung der Uni Würzburg zu der Studie titelt jedoch relativierend: "Wichtiger zusätzlicher Treiber des Insektensterbens identifiziert", Zitat:

    "Das Team stellte fest, dass für die Jahre ab 2005 für Insekten überwiegend negative Witterungseinflüsse herrschten. Mal war der Winter zu warm und trocken, mal das Frühjahr oder der Sommer zu kalt und nass. Dagegen war das Wetter 2022 durchgehend günstig für Insekten, und auch der Sommer davor war gut. Folglich erklärt dies die relativ hohe Insektenbiomasse von 2022. [...] Wir müssen uns viel stärker bewusstmachen, dass der Klimawandel bereits jetzt ein wichtiger Treiber für den Niedergang von Insektenpopulationen ist. Das muss in Wissenschaft und Naturschutzpraxis viel stärker mitgedacht werden. [...] Um das Aussterberisiko bedrohter Arten unter diesen Rahmenbedingungen abzuschwächen, müssen die Flächen hochwertiger Lebensräume vergrößert werden. Daher sind die aktuellen Bestrebungen zum Insektenschutz noch dringender als bisher gedacht. Diese Gemeinschaftsaufgabe betreffe sowohl die Landwirtschaft als auch Verkehrs- und Siedlungsräume – also alle Gebiete, in denen hochwertige Lebensräume reduziert oder beeinträchtigt werden."
    Uni Würzburg: [Verknüpfung]

    Prof. Christoph Scherber vom Leibniz-Institut zur Analyse des Biodiversitätswandels warnt jedoch eindringlich davor, jetzt das Wetter allgemein als Hauptantrieb für das Insektensterben heranzuziehen, auch wenn die Ergebnisse der Krefelder Studie davon beeinflusst sind.
    MDR: [Verknüpfung]
    topagrar: [Verknüpfung]
    Ich erinnere mich an eine Urlaubsfahrt mit dem Auto Mitte der 2010er-Jahre. Mit sauberer Windschutzscheibe ging es aus der Eifel quer durch Frankreich bis in die Dordogne, ein Naturschutzgebiet. Nach zwei Wochen Dordogne war die Scheibe voller toter Insekten. Danach wurde sie gereinigt für die Weiterfahrt in die Bretagne, an der Westküste entlang. Eine weitere Woche später ging es zurück in die Eifel. Zuhause angekommen war die Scheibe immer noch sauber.
    Die Krefelder Studie ist Auftakt einer größeren Zahl nationaler und internationaler Studien, die einen Zusammenhang mit industrieller Landwirtschaft belegen.
    2019 bestätigt eine Studie, wieder in Science, den Verdacht, die in den 90er Jahren verbreiteten Neonicotinoide spielten dabei eine entscheidende Rolle. Sie legt nahe, dass ein Massensterben von Wirbellosen und Fischen im Shinji-See in Japan durch Neonicotinoide 1993 vertuscht wurde.
    2019 veranstaltet die Intergovernmental Platform on Biodiversity and Ecosystem Services IPBES eine viel beachtete Weltkonferenz.
    2022 sind staatliche Messprogramme eingerichtet, doch hat die Politik noch keine wesentlichen Konsequenzen aus der Diskussion nach der Krefelder Studie gezogen. Die Pestizidfrage wird hinausgezögert, und die Überdüngungsproblematik bleibt völlig unbeachtet.
    Spektrum der Wissenschaft: [Budde 2022]

    Der (später von Trump kurzzeitig als US-Außenminister engagierte) Chef von Exxon Rex Tillerson teilt mit Putin die arktischen Ölreserven auf...
    [Busvine 2012]

    ...und erhält die russische Verdienstmedaille (Volltextsuche "friendship")
    [Kreml 2013]

    CDU-Umweltminister Peter Altmaier muss gegenüber FDP-Wirtschaftsminister Rösler bei der Preisbremse für Verbraucher-Strom Zugeständnisse machen. Entlastet wird vor allem die Industrie. Altmaier wäre an einer wirksamen Strompreisbremse gelegen gewesen.
    [Verknüpfung]
    Damit wird die deutsche Energiekehrtwende eingeleitet. 2019 kommt der Ausbau der Windkraft fast komplett zum Erliegen, PV sinkt bis da hin dramatisch - im Gegensatz zum Rest der Welt.
    [Spiegel 2013]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Auch die Verkehrswende wird von Altmaier behindert. Schärfere EU-Abgasregeln für PKW würden den Kostendruck auf den Verbrenner erhöhen und den neuen Elektroautos am Markt begünstigen. Das Einschreiten von Angela Merkel gegen die geplanten Verschärfungen lässt sich Familie Quandt (BMW) 690.000€ Parteispenden an die CDU kosten.
    [Verknüpfung]

    Das Kanzleramt lässt im Juni einen über fünf Jahre mit den anderen EU-Staaten ausgehandelten Kompromiss zu strengeren CO2-Grenzwerten für Autos überraschend platzen.
    Ein abgeschwächtes Gesetz wird zusätzlich mit dem Zugeständnis erkauft, dass die Emissionsersparnis von Elektroautos in der Flotte eines Herstellers als super credit bis zu fünffach gewertet wird.
    SZ: [Verknüpfung]
    BSM: [Verknüpfung]
    BSM: [Wikipedia 2024 - Flottenverbrauch]
    Verantwortlicher Staatsminister ist dort Eckhard von Klaeden (CDU). Er bleibt bis Ende September, ab November wechselt er durch die sogenannte Drehtür zur Wirtschaft, seitdem ist er als Cheflobbyist bei Daimler-Benz beschäftigt.
    [Verknüpfung]
    Gegen von Klaeden wird wegen Anfangsverdachts auf Vorteilsnahme ermittelt; das Verfahren wird nach eineinhalb Jahren eingestellt.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Ein Jahr später werden vertrauliche EMails über Abgastests öffentlich, die von Klaedens skandalösen Einfluss im Verkehrsministerium deutlich machen.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    SZ: [Verknüpfung]
    Kurz nach den September-Landtagswahlen wird bekannt, dass die BMW-Eigentümerfamilie Klatten/ Quandt, Nachfahren des NS-"Wehrwirtschaftsführers" Günther Quandt, vor der CO2-Entscheidung 690.000€ an die CDU gespendet hat.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]

    Filmtip: Auto Macht Deutschland. ZDF info 21.10.2020.
    ZDF: [Verknüpfung]

    Die Konkurrenz-Pipeline zur russisch-deutschen Verbindung Nordstream - Nabucco - ist gescheitert.
    [Wikipedia 2019 - Nabucco-Pipeline]

    Oktober: Innerhalb von drei Monaten kommt es zu einer anhaltendern Reihe klimabedingter Naturkatastrophen.
    Schwerer Herbststurm in der Nordseeregion.
    [Verknüpfung]
    Zwei schwere Herbststürme in Indien.
    [Verknüpfung]
    Überschwemmung in Somalia.
    [Verknüpfung]
    Überschwemmung in Sardinien.
    [Verknüpfung]
    Weihnachtssturm in England.
    [Verknüpfung]
    Neujahrs-Blizzard an der Ostküste der USA.
    [Verknüpfung]
    Auf dem Klimagipfel in Warschau bricht der philippinische Vertreter Yeb Saño in Tränen aus, als er vom Taifun Haiyan berichtet, der 7300 Menschenleben gekostet und über 4,3 Millionen obdachlos gemacht hat. Sein anschließender Hungerstreik bewirkt kaum etwas.
    Zeit:
    Zeit:
    In Deutschland wird über all diese Unwetter berichtet, doch gleichzeitig sind Klimaskeptiker und -Relativisten wie Fritz Vahrenholt, Hans von Storch, Frank Schäffler, Nicola Beer, Peter Altmaier, Joachim Pfeiffer, Thomas Bareiss, Carsten Linnemann, Andreas Lämmel, Nikolai Ziegler, Friedrich Merz etc., etc. "gefühlt" omnipräsent, auf den Zeitungsseiten, Bildschirmen, in den Lehrerzimmern und Klassenräumen, in den Büros und Werkhallen.
    Ich persönlich beginne daraufhin, mit meiner Familie ins nahe rheinische Braunkohlerevier auf Demos zu fahren.




    2014

    In der Ukraine wüten Proteste gegen die russlandfreundliche Regierung Janukowytsch, die mit einer Öffnung des Landes nach Westen enden.
    In einem Telefongespräch spricht US-Staatssekretätin Nuland von 5 Milliarden $, die die USA in politische Arbeit in der Ukraine investiert haben sollen.
    [Wikipedia 2019 - Euromaidan]
    Zeit: [Bota 2015]
    Währenddessen arbeitet der Sohn des US-Vizepräsidenten und späteren Präsidenten Joe Biden, Hunter Biden, für die ukrainische Gasgesellschaft Burisma.
    [Bidder 2015]

    Die Korruptionsvorwürfe des FBI-Informanten Alexander Smirnow gegen Joe und Hunter Biden, von Burisma jeweils 5 Millionen US-$ an Bestechungsgeldern erhalten zu haben, um die Firma vor Strafverfolgung zu schützen, erweisen sich noch im Wahlkampf 2024 als Erfindungen des russischen Geheimdiensts. Smirnow drohen 25 Jahre Haft.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Als Reaktion auf die Ablösung der Ukraine beginnt Putin durch Besetzung der Krim-Halbinsel den Ukraine-Krieg.
    [Wikipedia 2024 - Annexion der Krim]

    PV: die hocheffiziente PERC-Rückseitenkontaktierung kommt zunehmend in den Massenmarkt und ermöglicht höhere Wirkungsgrade. Die Pionierarbeit machte schon 1983 Professor Martin Green von der Universität New South Wales in Australien. Er wurde dafür 2022 mit dem Millenium Technology Price ausgezeichnet.
    energie-experten: [Verknüpfung]
    Aleo Solar: [Aleo 2018]
    Recgroup: [Recgroup 2014]

    2022 präsentiert das Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme ISE in Freiburg mit dem Fraunhofer-Center für Silizium-Photovoltaik CSP in Halle (Saale) und dem Recycling-Spezialisten Reiling neue Zellen des PERC-Typs aus 100% recyceltem PV-Silizium.
    Fraunhofer ISE: [Verknüpfung]
    Industrieanzeiger: [Verknüpfung]

    RWE-Dea, die Brennstoff-Sparte von RWE, wird an den russischen Oligarchen Michail Fridman per Ministererlaubnis von Sigmar Gabriel (SPD) verkauft. Begleitet wird das Geschäft vom Protest des Grünen-Politikers Cem Özdemir, der Oligarch bekomme damit Zugriff auf "strategische Erdgas- und Ölvorräte", und den klausulierten Bedenken des Umweltministers Norbert Röttgen, das Geschäft passe "jetzt nicht in die Landschaft".
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Michail Fridman]
    Wenig später, 2015, will Gazprom den größten Speicher in Rheden erwerben, obwohl russische Separatisten die Ostukraine mit massiver Unterstützung aus Moskau besetzt halten. An Warnungen mangelt es wieder nicht, z.B. vom damaligen Oppositionspolitiker Oliver Krischer (Grüne), der heute Parlamentarischer Staatssekretär im Wirtschaftsministerium ist; zusammen mit der späteren Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock stellt er dazu eine Kleine Anfrage im Bundestag.


    Gerade in der aktuellen Krise ist das ein ganz großes Problem. Man kann ja nur darüber staunen, dass wir über Sanktionen gegen Russland, gegen Putin sprechen, und gleichzeitig wird der größte Gasspeicher Deutschlands an Gazprom verkauft. [...] Ich will mir nicht ausmalen, wenn wir tatsächlich mal einen Krisenfall haben, wie dieser Speicher dann eingesetzt wird.
    Oliver Krischer

    Das Minsker Abkommen dient zumindest als Beschwichtigung, um das Geschäft zu rechtfertigen: Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) gibt seine Genehmigung.
    Wintershall erhält zudem 3,8 Milliarden Euro an Staatsgarantien, um die Tauschgeschäfte abzuwickeln: im Gegenzug bekommt es Anteile an einem russischen Gasfeld.
    correctiv: [Richter 2022]
    Das Minsker Abkommen ist das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben wurde. Seitdem kontrolliert Putin seitdem 20-25% der deutschen Reserven. Ende Januar 2022 ist Rheden nur zu ca. 4% gefüllt: der Gaspreis schießt nach oben, als Putin mit dem Gashahn zu spielen beginnt.
    [Verknüpfung]

    In der Energiekrise des Ukraine-Kriegs hält SPD-Kanzler Olaf Scholz am 11.10.2022 auf dem Maschinenbaugipfel des Verbands der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer VDMA in Berlin die Eröffnungsrede. Dort behauptet er, Putins Pläne einer Erpressung mit Gas schon "immer" gekannt zu haben. Diese Selbstoffenbarung ist für einen Hauptverantwortlichen eigentlich wenig schmeichelhaft und wird deshalb am 14. von Till Reiners in der ZDF heute-show gnadenlos auseinandergenommen.
    Scholz beim VDMA: [Verknüpfung]
    heute-show: [Verknüpfung]




    2015

    Durch die aktuelle Strommarkt-Regelung (Merit-Order-Prinzip) werden immer mehr hochmoderne Gaskraftwerke stillgelegt, weil Kohlekraftwerke mit ihrem Billigstrom die Netze verstopfen. CO2-Preisaufschläge würden das verhindern. Gaskraftwerke sind eine Schlüsseltechnologie in der flexiblen Lastregelung und vor allem in der Sektorenkopplung, und daher unverzichtbar in der Energiewende.
    Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel hegt zuerst große Ambitionen für einen Kohleausstieg, knickt aber schnell vor dem Bundesverband deutsche Energiewirtschaft ein: die mittelfristige Abschaltung von fünf Kraftwerksblöcken lässt man sich dort versilbern - mit einer Prämie für das Bereithalten im Bedarfsfall, Vorlaufzeit ganze 10 [sic!] Tage. Mit den 1,6 Milliarden hätte man auch Gaskraftwerke finanzieren können, die wesentlich geeigneter - weil flexibler - eine Sicherheitsreserve bilden könnten.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Siemens verkündet die Schließung seiner Gasturbinen-Produktion in Deutschland.
    [Verknüpfung]

    2016 reguliert Gabriel die Abwärmenutzung von Blockheizkraftwerken, zentrale Bausteine der Energiewende, so, dass sie für die Betreiber unattraktiv werden.

    Deutschland erhält neben Polen und Luxemburg eine klimapolitische Rüge der EU.
    [Verknüpfung]

    Im Mai warnt der Münsteraner MEET-Batterieexperte Prof. Martin Winter in der bei Verbrennerfahrern bekannten Fachzeitschrift Auto, Motor und Sport: innerhalb von zwei Jahren schließe sich für Europa das Zeitfenster, um in der Batteriefertigung noch mithalten zu können. Gleichzeitig startet in konservativen und liberalen Medien eine jahrelange, massive Kampagne gegen das Elektroauto, für "Technologie-Offenheit", sprich Verbrenner (auch mit erneuerbaren Brennstoffen), und Brennstoffzellen-Autos.
    [Verknüpfung]

    Die Conference of the Parties der UN COP21 beschließt nach langen Verhandlungen unter glücklichen Umständen eine Zielsetzung einer maximalen globalen Erwärmung von 2°C, nach Möglichkeit aber 1,5°C.

    Die immensen Kosten für die vielfältigen Transformationsaufgaben für Klimaschutz werden seit langem diskutiert, und das Mega-Rentenproblem, das mit dem Ruhestand der Babyboomer unweigerlich auftreten wird, ebenfalls. Dennoch setzen Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit der Zweidrittel-Mehrhheit der Großen Koalition eine Grundgesetz-Änderung durch, die eine strenge Begrenzung der Netto-Neuverschuldung auf 0,35% des BIP festlegt, die sogenannte "Schwarze Null" oder "Schuldenbremse".

    Diese erweist sich 2023 als Heilige Kuh der Austeritätspolitik, die jegliche Investition der Ampel-Regierung in wichtige Fortschrittsaufgaben blockiert. Für eine Reform hätte die Ampel nicht die nötige Mehrheit, wobei auch der Koalitionspartner FDP sich widerwillig zeigt.




    2016

    Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) setzt der Windkraft in Deutschland einen Deckel auf.
    [Verknüpfung]
    Die halbherzigen Maßnahmen nach Gabriels Autogipfel - begleitet von der penetranten Desinformation gegen Elektroautos - bringen die Elektromobilität in Deutschland nicht so voran wie in Frankreich, Südkorea, USA oder China.
    [Verknüpfung]

    Die Dämmerung der fossilen Epoche setzt am 23.03. ein: der Rockefeller Family Fund divestiert nach über 150 Jahren im Ölgeschäft, 100 Jahre nach der ersten Dollar-Milliarde des Firmengründers.
    [Verknüpfung]
    Der Rockefeller Brothers Fund folgt im Advent 2020 - und zieht eine positive Kostenbilanz.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - ExxonMobil climate change controversy - Relations with the Rockefeller family]

    Barack Obama schreibt vor der Amtsübergabe an Klimaskeptiker Trump:


    Der Trend hin zu sauberer Energieerzeugung ist unumkehrbar.
    Barack Obama
    [Löfken 2017]


    2017

    USA: Klimaskeptiker Donald Trump wird Präsident und setzt den Klimaskeptiker Scott Pruitt als Chef der EPA ein, der die Behörde schnell verkleinert und ihre Möglichkeiten drastisch beschneidet. Der Gebrauch des Wortes "Klimawandel" in Veröffentlichungen der Behörde wird zensiert.
    [Verknüpfung]

    Jahrzehntelang hatte die lebhafte Diskussion über Klimawandel in den USA allein auf wissenschaftlichen Prognosen basiert, und dennoch löste sie präsidentielle Expertenkommissionen, eine riesige Umweltbewegung, Transformations-Förderprogramme und teils strenge Umweltgesetze aus. Angesichts dessen und der 2016 unleugbaren Beweise der Klimakrise ist Trumps Wahl ein unheilvolles Zeichen einer Vertrauenskrise in der mächtigsten Demokratie der Welt. 2021 fand diese Krise mit dem Sturm auf das Kapitol ihren vorläufigen Höhepunkt, eine Beinahe-Katastrophe.

    Während in den USA die Klimawissenschaft mundtot gemacht wird, begründet ein Team um die Physiker Friederike Otto und Geert Jan van Oldenborgh an der Universität Oxford die moderne Attributionsforschung. Diese vergleicht die Wahrscheinlichkeiten, nach der ein Wetterereignis mit und ohne Klimawandel aufgetreten wäre, und nutzt dafür verschiedene mathematische Modelle, die z.T. auf der Vorarbeit von Klaus Hasselmann basieren.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Originalarbeit: [Verknüpfung]
    Der DWD erklärt das Forschungsgebiet...
    [Verknüpfung]
    ... und fasst die Ergebnisse der bisherigen Rechnungen zusammen.
    [Verknüpfung]

    2021 berechnen sie z.B. eine Verfünffachung der Wahrscheinlichkeit für die Flut im Ahrtal durch den Klimawandel.

    Russland: Ex-Kanzler Schröder (SPD) wird Aufsichtsratsvorsitzender des russischen Ölkonzerns Rosneft.

    Eine Gruppe prominenter Schweden erklären öffentlich, dass sie in Zukunft Flüge nach Möglichkeit vermeiden wollen. Sie prägen den Begriff Flugscham.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Flugscham]




    2018


    Mitteleuropa: extrem anhaltende Hitzewelle
    Deutschland erlebt eine Rekord-Dürre.

    Sie ist der Auftakt einer Reihe von katastrophalen Dürrejahren 2019, 2020 und 2022 ist. Viele Niederschläge des Ausreißer-Jahres 2021 führen - weil sie in Form von Starkniederschlägen auftreten und der degradierte Boden diese Wassermassen nicht aufnehmen kann - zu Flutwellen in den Bächen und Flüssen, die das Wasser bestenfalls ungenutzt ins Meer transportieren, schlimmstenfalls hohe Schäden verursachen wie in der Eifel.

    Nach der Wahl von Trump hat Ex-Exxon-Chef Rex Tillerson seine Geschäftsbeziehung mit Putin schnell wieder aufgegeben, um 2017 Außenminister werden zu können. Sonst hätte man ihn eines Interessenkonflikts und Zusammenarbeit mit Russland bezichtigen können.
    [Bershidsky 2018]
    Ein Jahr später, am 12. März 2018 bezeichnet Tillerson Russland jedoch als "verantwortungslose Macht für Instabilität auf der Welt" und verurteilt einen Tag später den Giftanschlag auf Sergei Skripal als "wahrhaft ungeheure Tat" Russlands. Stunden später entlässt der Putin-treue Trump Tillerson samt Staatssekretär Steve Goldstein und nominiert den bisherigen CIA-Direktor Mike Pompeo als neuen Außenminister.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Rex Tillerson]

    Europa plant neue Terminals für Fracking-LNG aus den USA. Gegen den Baubeginn der zusätzlichen deutsch-russischen Pipeline Nordstream 2 machen die USA nicht nur Druck auf Deutschland, sondern auch auf beteiligte Firmen.
    [Spiegel 2019-2]
    [Bidder 2019]

    Die Energiekrise im Ukraine-Krieg 2022 beschleunigt den Aufbau der Terminals auf Rekordtempo, sogar in bekannten Naturschutzgebieten wie der Küste vor Rügen.

    Juli: Als er eine Beschränkung der Kohleindustrie durchsetzen will, wird der australische Präsident Turnbull durch eine vernichtende Medienkampagne des Milliardärs Rupert Murdoch zum Rücktritt gezwungen. Sein Nachfolger ist der ultrakonservative Klimaseptiker Scott Morrison.

    August: Die 15-jährige Schwedin Greta Thunberg beginnt am 20.08. ihren Schulstreik fürs Klima, zwei schwedische Zeitungen berichten am ersten Tag. Eine Woche später die TAZ. Am 29.08. dreht die schwedische Klimaaktivistin Janine O' Keeffe mit ihr ein dreiteiliges Interview.
    [Verknüpfung]
    Ein Jahr später zählt ihre Bewegung Fridays for Future weltweit viele Millionen Unterstützer aller Altersgruppen.
    [Wikipedia 2019 - Greta Thunberg]

    Am 14. September wird im Bergwerk Propser-Haniel Bottrop die letzte Ladung deutscher Steinkohle gefördert. Anstatt die weiterhin benötigten Energiemengen aus Erneuerbaren Quellen zu ersetzen, wird seit Jahren zunehmend Steinkohle importiert. Den Höhepunkt dieser klimaschädlichen Energiepolitik stellte die Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln IV dar.
    [Wikipedia 2023 - Bergwerk Prosper-Haniel]

    Am 17. Oktober protestieren knapp 300.000 Französ:innen, die sich mit gelben Warnwesten - französisch gilets jaunes - kennzeichnen, gegen die vom neoliberalen Premierminister Emmanuel Macron durchgesetzte Erhöhung der Diesel-Steuer ohne Sozialausgleich. Am nächsten Tag kommt es zu zahlreichen Straßenblockaden und Brandstiftungen. In den nächsten Jahren wird immer wieder auf die sogenannte Gelbwestenbewegung verwiesen, als Mahnung vor sozial ungerechtem Klimaschutz. Das tun besonders die Parteien, die bis dato die geringsten Ambitionen in der Sozialpolitik gezeigt haben.
    [Wikipedia 2023 - Gelbwestenbewegung]
    SZ: [Verknüpfung]


    2019

    Januar: Hitze in Australien
    [Verknüpfung]

    Der Lungenarzt Dieter Köhler zweifelt die Lehrmeinung zur Giftigkeit von Stickoxiden massiv an, die die zig Milliarden schweren Schadenersatzklagen gegen Diesel-Hersteller begründeten.
    [Verknüpfung]
    Das Ärzteblatt zitiert eine Studie der World Health Organisation WHO, die die Stickoxid-Belastung 2018 in 28 EU-Ländern für 68.000 Todesopfer verantwortlich macht, allein in Deutschland über 10.000. Auch wenn man Zweifel an der Methodik anmelden kann, so lässt sich eine Schadwirkung nicht wegdiskutieren.
    Ärzteblatt: [Verknüpfung]
    WHO-Studie: [Verknüpfung]
    In der "Köhler-Studie" sieht das Ärzteblatt entsprechend den Versuch einer Bagatellisierung.
    [Verknüpfung]
    Die FAZ dokumentiert die Schlammschlacht.
    [Verknüpfung]
    Zwei der vier Autoren waren Ingenieure der Verkehrstechnik, Thomas Koch vom Institut für Kolbenmaschinen am KIT und Matthias Klingner vom Fraunhofer Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme IVI.
    [Verknüpfung]

    Eine schwedische Studie zeigt 2024 einen Zusammenhang von Luftschadstoffen und Demenz.
    riffreporter: [Verknüpfung]
    Studie bei pubmed: [Verknüpfung]
    Demenz und Lerndefizite sind nachweislich auch auf Stress durch Lärmbelastung zurückzuführen, so eine Studie des Kardiologen Thomas Münzel von der Universität Mainz. Noch gravierendere Folgen sind Gefäßerkrankungen. Besonders krass stresst Fluglärm in der Nachtzeit.
    Zeit: [Kattwinkel 2024]
    Während Deutschland viele Jahre lang über 3000fach zu hoch kommunizierten Infraschall von Windrädern, und nicht signifikante Studien über dessen Auswirkungen diskutiert, geht diese alarmierende Meldung eines echten Problems völlig unter.

    Im Frühjahr legt der ordoliberale Ökonom Hans-Werner Sinn mit Christoph Buchal, einem Festkörper-Physiker vom Forschungszentrum Jülich, einen Emissionsvergleich zwischen Diesel- und Elektroauto vor, der vor allem in der konservativen Echokammer auf große Resonanz stößt und die unentschiedenen Massen verunsichert, aber nach Monaten als widerlegt angesehen wird.
    Die mediale Aufregung in der Diesel-Debatte ist zeitweise so groß, dass sie sogar vom Klimathema ablenkt, und die Hetze gegen die "Schulschwänzer" bei Fridays for Future zusätzlich anheizt. Das Thema "Dieselfahrer" wird neben "fuck you Greta" eines der beliebtesten auf Autoaufklebern.

    Zwei Jahre später, im Juni 2021, tritt Köhlers Coautor Koch als Hauptautor einer neuen Studie auf, die die CO2-Bilanz des Diesels gegenüber dem Elektroauto schönrechnet und vom VDI verbreitet wird. Doch nach dem breiten Verriss der Sinn-Studie und dem Durchbruch der Elektromobilität ist es kein Wunder, dass die Studie außerhalb der rechtskonservativen Medien kritisch gesehen wird, und auch keine neue Debatte auslöst.
    Ende 2023, noch einmal zweieinhalb Jahre später, versucht der VDI mit dem zweifelhaften Marginalstromansatz und einem rekordverdächtigen Golf TDI, die Debatte wieder anzuschieben.

    März: Die Scientists for Future geben ihre erste Pressekonferenz. Ihre Solidaritätserklärung mit dem Schulstreik von Fridays for Future wird binnen wenigen Wochen von 23.000 deutschsprachigen Wissenschaftler:innen unterzeichnet.
    [Wikipedia 2023 - Scientists for Future]
    [Verknüpfung]

    2021 bekommen die Scientists große internationale Resonanz. So unterzeichnen 28.000 Wissenschaftler:innen den "World Scientists’ Warning of a Climate Emergency 2021", und 125 Nobelpreisträger:innen den Appell "Our Planet, Our Future - An Urgent Call for Action".
    Studie in Bioscience: [Verknüpfung]
    Unterschriften: [Verknüpfung]
    National Academies: [Verknüpfung]

    Die Kunststoffindustrie gründet die Allianz gegen Plastikmüll in der Umwelt, um dem Verbraucher zu signalisieren, dass weitere Regulation nicht nötig ist.
    [Verknüpfung]
    Noch 2018 beschwichtigte die Ölindustrie ihre Investoren, die Corona-bedingten Absatzausfälle mit Kunststoff-Produktion ausgleichen zu wollen.

    Mai: Die Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services IPBES veranstaltet sieben Jahre nach ihrer Gründung in Paris eine Weltkonferenz zur Artenvielfalt. Dort wird das globale Ausmaß des Artensterbens, von den besten Wissenschaftlern des Fachs nach allen Regeln der Kunst dokumentiert: während die Zivilgesellschaften mehr oder weniger wegschauten, hat es katastrophale Ausmaße angenommen. Es ist Treiber für massive Schäden am Naturkapital und kann nur durch eine tiefgreifende Änderung der Landnutzung aufgehalten werden.
    [Wikipedia 2022 - IPBES] [Verknüpfung]
    IPBES 2020: [Verknüpfung]
    Studie als Pdf-Datei: [Verknüpfung]
    riffreporter: [Verknüpfung]
    SZ: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]

    2022 zeigt eine Studie die zusätzlichen Risiken auf, die die hohe Geschwindigkeit der Temperaturänderung für die Biodiversität darstellt. Das Deutsche Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung iDiv Halle-Jena-Leipzig bezeichnet sich als Hotspot in Biodiversity Science und erforscht diese Problematik. Die NGO Rewilding Europe seit 2011 setzt sich für die Verwilderung von Ökosystemen ein.
    [Verknüpfung]
    iDiv: [Verknüpfung]
    Podcast bei detector.fm: [Verknüpfung]
    Rewilding Europe: [Verknüpfung]

    Um Biodiversitäts-Schäden zu verschleiern, war es Chemie-Unternehmen in der EU bisher erlaubt, die vorgelegten Studien zur Zulassung von Problemstoffen wie Pestiziden geheim zu halten. Das EU-Parlament hat diese skandalöse Praxis 2019 beendet.
    [Verknüpfung]

    D Sommer: lang anhaltende Gewitterneigung mit Extremniederschlägen wie in mehreren Jahren zuvor. Die großen Regenmengen sind allerdings nicht in der Lage, den Boden bis in die Tiefe zu durchfeuchten, denn ein Großteil fließt oberflächlich ab - die Wassermenge fällt in zu kurzer Zeit und kann nicht einsickern. In der Folge des anhaltenden Bodenwassermangels kommt es zum größten Waldsterben seit den 80er Jahren.

    Indien erlebt im Juni eine anhaltende Rekord-Hitzewelle mit bis zu 50°C
    [Fischer 2019]

    Der Rekord-Orkan Dorian geht mit 350km/h, 800mm/ m2 Regen und extrem geringer Wanderungsgeschwindigkeit (wegen der Rossby-Wellen) über die Bahamas-Inseln, die teils völlig verwüstet werden.

    Südspanien erlebt im September aufgrund des warmen Mittelmeers und der niedrigen Wanderungsgeschwindigkeit eines extremen Tiefdruckgebiets (Rossby-Wellen) einen Rekordniederschlag mit bis zu 400mm/ m2 in kurzer Zeit, Norditalien im Oktober mit 300mm/ m2, Südfrankreich im November mit 700mm/ m2.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Bei Cannes plant man demnach wegen der großen Häufigkeit der Extremniederschläge die Enteignung von Villenbesitzern, um durch Abriss der Häuser den Wasserabfluss zu verbessern.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Iran wird durch US-Sanktionen am Ölexport gehindert, was den Ölpreis steigen lässt - und wogegen Europa erfolglos Widerstand leistet. England und Iran liefern sich daraufhin einen regelrechten Freibeuter-Konflikt, indem der jeweils eine einen Tanker des anderen beschlagnahmt, was die Spannungen verschärft. Iran beginnt, die USA durch Ankündigung der Uran-Anreicherung und Ölschmuggel an Syrien offen zu provozieren.
    [Brüggmann 2019]

    September: Das Klimakabinett beschließt im Rekordtempo ein Klimapaket. U.a. 10€ CO2-Abgabe ab 2021, die nach massiven Protesten - auch zahlreicher Experten - zuerst auf 20, dann auf 25€ heraufgesetzt wurden. Die Fachleute sind entsetzt, die Klimaschützer empört.
    Auch auf EU-Ebene bremst die Bundesregierung im Klimaschutz. Das Finanzierungsverbot der Europäischen Investitionsbank EIB für fossile Projekte wird hinausgezögert, solange es geht.
    [Verknüpfung]

    Eine Studie des Berliner Energieberatungsunternehmens Arepo Consult prognostiziert im Auftrag der Grünen für das Festhalten am Verbrennungsmotor einen Verlust von Hunderttausenden Arbeitsplätzen, und außerdem eine Verteuerung der Stromkosten bei Verschleppung der Energiewende.
    [Verknüpfung]

    In der Ausgabe der Polit-Talkshow Anne Will vom 22.09. sieht sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einer Phalanx von Kritikern gegenüber. Er wird letztlich zum politischen Offenbarungseid gezwungen (sinngemäß): wenn die Bürger von der Energiewende nicht überzeugt sind, können Politiker sie auch nicht durchsetzen.
    Man muss aber dazu sagen: Altmaier hatte - ganz in der Parteitradition - die Energiewende von Anfang an als zu teuer, oft als Armuts-Risiko für die einkommensschwachen Haushalte, dargestellt ("die Oma aus Gelsenkirchen", die sich ihr "Stück Kuchen" nicht mehr leisten kann). Vor Altmaiers Zeiten hieß es in der CDU sogar noch, sie sei völlig unrealistisch.

    Anne Will 22.09.2019 (ARD): Das Klimaschutzpaket der Bundesregierung - großer Wurf oder große Enttäuschung? - auszugweise Mitschrift
    Gäste:
    Peter Altmaier: CDU (Bundeswirtschaftsminister)
    Annalena Baerbock (Bündnis 90/ Die Grünen (Vorsitzende))
    Ottmar Edenhofer: TU Berlin, PIK Potsdam (Direktor und Chefökonom)
    Claudia Kemfert (DIW Berlin, Leiterin Abteilung Energie)
    Bernd Ulrich: Die Zeit (Chefredakteur Wissenschaft)

    18' Altmaier erklärt, dass Deutschland große Anstrengungen leistet, um P2X voranzubringen.
    Will fragt, warum der Meinungsumschwung nicht für effektive Maßnahmen genutzt wird.
    Altmaier stellt noch einmal wortreich sein Programm vor, das von allen Fachleuten als völlig unzureichend kritisiert wird. Und setzt dann an, über die einkommensschwachen Haushalte zu sprechen: "Das sind die, die wir mit einem harten Vorgehen am härtesten treffen würden, und deshalb..."
    20'40'' Ulrich (unterbricht): "Also ich finde das total gut, Herr Altmaier, dass die Parteien, die sonst am meisten die Marktwirtschaft anbeten und auch Ungleichheit ok finden, weil es einen Anreiz bietet, jetzt beim Klima die wahnsinnig interessante Entdeckung machen, dass die Armen sich Dinge nicht leisten können, die sich Reiche leisten können. [...] In jedem Bereich ist das so und es gibt viele Bereiche, wo man 'was ändern sollte. [...] Aber das, was sie jetzt wieder gesagt haben, das geht einfach nicht mehr. Natürlich ist das untere Einkommensdrittel in dieser Republik nicht für den Klimawandel verantwortlich, am wenigsten dafür verantwortlich. Und die können auch nicht die Kosten tragen. Aber was doch seit Jahren und Jahren in Deutschland läuft, ist doch:
    Im Namen der Armen billiges Fleisch - und alle essen dieses Fleisch.
    Im Namen der Armen müssen die Benzinpreise unten gehalten werden - und alle rasen damit [...].
    Im Namen der Armen Billigflüge - und alle fliegen billig.
    Sie müssen das durchbrechen, und das tun sie nicht.
    Sie berufen sich auf die Armen, um nichts zu tun.

    22' Edenhofer: "Also das ist doch wirklich 'ne Geisterdebatte. Wir haben mit den Vorschlägen, die wir gemacht haben, das Thema sozialer Ausgleich ins Zentrum gestellt. Wir haben gesagt, wir könnten durch die Abschaffung der Stromsteuer, durch die Finanzierung des EEG aus den Steuern gerade die einkommensschwachen Haushalte entscheidend entlasten. Wir haben 'ne Klimadividende diskutiert, die ganz schnell dann vom Tisch gefallen ist in ihrem Paket zum sozialen Ausgleich - das lässt in hohem Maße zu wünschen übrig. Sie subventionieren E-Autos, und das betrifft die obere Mittelschicht, und es gibt 'ne ganz geringfügige Entlastung bei [...] der EEG-Umlage. Aber jetzt zu sagen, da gibt es diejenigen, die stellen den Klimaschutz über alles und nehmen dafür die Spaltung der Gesellschaft in Kauf und scheren sich keinen Deut d'rum, wie es einkommensschwachen Haushalten geht, das stimmt einfach nicht, weil man kann eine CO2-Bepreisung sehr wohl so ausgestalten, dass einkommensschwache Haushalte und auch Haushalte auf dem Land entlastet werden. Und ich finde wirklich nicht akzeptabel, dass bei den Vorschlägen, die wir diskutieren können, aber dass so getan wird, als würde man den sozialen Ausgleich und den sozialen Zusammenhalt bei der Klimapolitik völlig vernachlässigen."
    [...]
    34' Edenhofer: "Wenn ein CO2-Preis so kommuniziert wird, dass die Leute das Gefühl haben, sie werden dadurch gegängelt und geschröpft, und man fragt die dann, habt Ihr Lust, gegängelt und geschröpft zu werden, und die sagen Nein, dann muss man sich eigentlich net wundern. Was man doch sagen muss und den Leuten klar machen müsste ist:
    Es gibt doch viele Menschen in unserem Land, die Klimaschutz wollen, die auch persönlich bereit sind ihre Emissionen zu reduzieren. Ein CO2-Preis leistet doch folgendes: Dass meine Anstrengungen, die ich unternehme, nicht durch andere zunichte gemacht werden, die dann noch mehr emittieren. Das ist nämlich der Weg in den Fatalismus. Und dieser Fatalismus, der muss jetzt endlich gestoppt werden. Und wenn man den CO2-Preis den Leuten so klarmacht, das wird alle Investitionsentscheidungen, alle Konsumentscheidungen verändern in Richtung auf Emissionsreduktion. Und dann gibt's für die, die besonders belastet sind, einen sozialen Ausgleich.
    Ich bin eigentlich der Überzeugung, dass man dafür eine Mehrheit bekommt. Wenn man den Klimaschutz aber von vorneherein unter Generalverdacht stellt, dass man gegängelt und geschröpft wird, dann braucht man sich net wundern, dass es dafür keine Mehrheiten gibt."
    35'16'' Altmaier wird zum politischen Offenbarungseid gezwungen:
    Will: "Herr Altmaier, haben Sie es also falsch kommuniziert, von Beginn an, und sind deshalb auf der Strecke plötzlich so mutlos geworden?"
    Altmaier: "Also, ich hab' ja vorhin schon gesagt, dass ich glaube, dass wir in den letzten Jahren noch Fehler gemacht haben, ja, dass wir früher hätten reagieren müssen, ja, vor allem miteinander, aber die Politik muss eben selber Rechenschaft ablegen, was sie tut. Und wir tun mehr als heute abend diskutiert wird. Wir haben zum Beispiel nicht nur die 3 Cent [Anmerkung: Kraftstoffpreis-Erhöhung durch die sog. CO2-Bepreisung], sondern..." Will [unterbricht]: "Sie haben gehört, was Herr Edenhofer gesagt hat..."
    Altmaier: "Ich weiß, ich weiß."
    Will: "Es wird so schlecht kommuniziert, dass die Menschen kein Vertrauen mehr in Sie haben. Das ist vielleicht der Grund."
    Altmaier: "Ja aber wissen Sie, ich hab' die Menschen gefragt, ob sie mitbekommen haben, was der Sachverständigenrat uns empfohlen hat, Herr Edenhofer und sein Potsdamer Institut, das ist in der Öffentlichkeit nicht verankert. Und die Politik hat auch nur begrenzte Möglichkeiten etwas zu kommunizieren, das hat Herr Macron bemerkt, das hängt damit zusammen, dass..."
    Will [unterbricht]: "Er hat's gar nicht kommuniziert. Er hat's doch nicht erklärt." Altmaier: "... dass eben nicht jeder Anne Will anschauen muss, wenn er nicht möchte. Auch nicht die Tagesschau oder die Heute-Sendung. So. Und dann müssen wir als Politiker - wir sind nicht allmächtig. Wir sind nicht allwissend. Wir müssen den Mut haben, bestimmte Dinge zu entscheiden, wir haben zum Beispiel gesagt, wir wollen die Kraftfahrzeugsteuer verändern [Baerbock entgleisen die Gesichtszüge], neben der CO2-Bepreisung kommt hinzu, dass CO2-arme Kraftfahrzeuge weniger zahlen, und CO2-produzierende Kraftfahrzeuge in hohem Stile mehr bezahlen müssen, so, und dann werden die Leute sich überlegen, wenn ich'n neues Auto kaufen muss, kauf' ich dann noch eines, das mehr als der Durchschnitt produziert, oder kaufe ich vielleicht ein anderes. Darüber muss geredet werden auch in den Schulen, darüber muss geredet werden im Deutschen Bundestag, von der Politik, ja, wenn wir mit der Kommunikation besser werden können, ja, aber ich hab' bisher noch nicht denjenigen gesehen, der uns erklärt hat, wie das am besten geht. Die Grünen haben es im letzten Wahlkampf nicht geschafft und im vorletzten Wahlkampf übrigens auch nicht. Das muss man der Ehrlichkeit halber sagen, so einfach ist es offenbar nicht."


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    Am 26.09. kann sich Altmaier bei Maybrit Illner dann eher zurücklehnen, weil hier auch Vertreter der Automobilindustrie zu Wort kommen.
    Illner ist sich einig mit Mario Gutmann, dem Vertreter der Belegschaft bei Bosch Bamberg, über die negative Umwelt-Bewertung des Elektroautos. Gutmann und VDMA-Vizepräsident Karl Haeusgen teilen einen Rundumschlag auf Energie- und Verkehrswende aus und interpretieren dabei auch noch einmal die Dieselkrise auf ihre Weise. All das tun sie unwidersprochen von der Moderatorin Maybrit Illner, obwohl Experten in vielen Punkten weit mehrheitlich ganz anderer Auffassung sind.

    Talkshow Maybrit Illner am 26.09.2020 (ZDF):
    Abschwung, Jobs und Klimarettung – riskieren wir unseren Wohlstand?
    Gäste:

    • Peter Altmaier (CDU, BMWi)
    • Robert Habeck (Bundesvorsitz Bündnis 90/ Die Grünen)
    • Nina Treu (Konzeptwerk Neue Ökonomie)
    • Karl Haeusgen (Vizepräsident VDMA)
    • Mario Gutmann (Betriebsrat Bosch Bamberg)

    Sinngemäße Wiedergabe mit Zitaten:

    26' Gutmann: "Wir sind nicht technologieoffen. Das ist eines der großen Probleme an diesem Standort Deutschland. [Applaus]
    Wenn wir technologieoffen wären, und keiner, auch ich nicht, weiß, was letztendlich zielführend ist im Antriebsstrang, das weiß keiner, aber sich auf eine Technologie zu stürzen, was das Thema Elektrifizierung heute ist, ja, aber die Brennstoffzelle außen vor lässt, das Thema E-Fuels (P2L) außen vor lässt, die Hybridisierung. Der Verbrenner, da bin ich mir sehr, sehr sicher, den wird's noch lange geben, weil der ist heute, wenn man's will, vom CO2 her ideal [Einblendung Haeusgen: lächelt und nickt, sagt "ja"; Zuschauer im Hintergrund mit kritischem Blick nickt bedeutungsvoll], ja, wir können vom CO2 her ideal an das Thema 'rangehen, wenn wir heute ein neues Auto nehmen, egal ob Sie Feinstaub, NOx oder CO2 nehmen, da brauchen wir heut' net d'rüber reden - es interessiert bloß keinen mehr.
    [Applaus]"
    Illner: "Wenn man sagt, Arbeitsplätze und Klimaschutz sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden, dann sagen Sie, das ist richtig, das wollen Sie auch nicht, oder sagen Sie, das ist eine Phrase?"
    Gutmann: "Nein, nein, nein. Das ist das Dümmste, was man machen kann. Und das ist ja genau das, was polarisiert. Wenn wir heute hergehen und versuchen die Arbeitsplätze gegen das ganze Ökonomische und Ökologische auszuspielen, dann haben wir ein Problem. Und ich bin beim Herrn Habeck, wir müssen an dem Thema arbeiten, aber die ganze Hysterie, die hier aufgelegt wird, das was letztendlich daraus gemacht wird, das ist ein Riesen Problem. Wir brauchen Zeit."
    Illner: "[...] Auf wen sind Sie eigentlich wütender? Auf die Politik oder auf die großen Automobilkonzerne, die ihre Milliardendividenden nicht schon 'mal in Investitionen gepackt haben?"
    Gutmann: "[...] als Erstes auf die Politik, weil [...] wir haben zu lange geschlafen um an dem Thema zu arbeiten, wir waren zu lange satt von dem Thema her und das ist, wenn alles läuft, bewegt sich auch keiner [Einblendung Altmaier], aber das eine ist, dass wenn wir jetzt die Politik verantwortlich machen etwas zu tun - und ich bin nicht der Meinung, dass wir mit dem Thema, das als Paket jetzt geschnürt ist, das richtige Thema angehen, weil ich glaube nicht, dass die Elektrifizierung - ich red' jetzt von dem Litium-Ionen-Thema - zielführend ist.
    Und wenn man sich das anschaut, und jetzt auch wieder in Richtung Umwelt 'mal schaut, eine Lithium-Ionen-Batterie, aus was die heut' hergestellt wird..."
    Illner: "Das ist ja überhaupt nicht umweltfreundlich, aber auch da wird ja an Alternativen gearbeitet."
    Gutmann: "Ja, aber die haben wir heute nicht."
    [...]
    33' Habeck: Die Beschäftigten der Verbrennerindustrie baden jetzt schon - ohne Klimapolitik - die Vertrauenskrise der Verbraucher aus, die die Automobilwirtschaft ausgelöst hat. Für die Zukunft haben wir es mit einer strukturellen Veränderung der Weltwirtschaft zu tun.
    Zitat: "Dass eine Exportnation, die dann auch noch auf dem Export von fossil produzierenden Fabrikaten [...] [be]ruht, vielleicht ein echtes Problem hat, vielleicht nicht zukunftsfähig ist."
    34'45'' Roth warnt vor Protektionismus à la Trump.
    34'50'' Habeck: "Vor der Welle bleiben, sofern es noch geht, das heißt die Abkühlung der Konjunktur zu bekämpfen mit allen Mitteln, die wir haben. Das heißt zu investieren. Und zwar nicht mit 5 Mrd. jährlich, sondern tatsächlich jetzt die Notwendigkeit zu nutzen, CO2 einzusparen, Industrie zu unterstützen, Forschung und Entwicklung voranzubringen und die Versäumnisse der letzten 15, 20 Jahre aufzuholen. [...] Wir tun noch immer so, als ob wir die Schlausten, Klügsten und Besten der Welt sind, das sind wir nicht, wir sind weltökonomisch abgehängt."
    35'20' Altmaier will antworten, doch Haeusgen geht dazwischen: er nimmt die Politik (die sein Verband ja auch maßgeblich mitbestimmt hat) in Schutz und gibt der zivilgesellschaftlichen Dynamik die Schuld am Arbeitsplatzabbau in der Dieselbranche.
    37'45'' Altmaier erklärt Entscheidung für die deutsche Akku-Fabrik: man habe 20 Jahre lang den technologieoffenen Ansatz verfolgt, intensiv auch am Brennstoffzellen-Auto geforscht und noch kein konkurrenzfähiges Produkt zu Stande gebracht.
    39'40'' Roth stellt fest, wir seien technologisch abgehängt, und zwar v.a. in KI und E-Mobilität.
    61'20'' Haeusgen: "Es ist nicht eine Frage, wieviele Milliarden wir einsetzen, sondern ob wir sie effizient einsetzen, und wenn ich mir die bisherige Energiewende anschaue, dann sind bisher viele, viele, viele, viele [...] Milliarden sehr, sehr, sehr ineffizient eingesetzt worden und das ist das, was mir Angst macht. Sie haben dieses Batterieprojekt vorangetrieben und Sie haben Volkswagen gerufen in der E-Mobilität. Wer redet über die Brennstoffzelle, wer redet über das Projekt Power-to-X? Das sind Technologien, die vermutlich langfristig CO2-mäßig die bessere Bilanz haben als die batteriebetriebene Elektromobilität."
    [Illner 2019]

    Der UN-Menschenrechtsausschuss fügt dem Artikel 6 des UN-Zivilpaktes - dem Recht auf Leben - die "Allgemeine Bemerkung Nr. 36" hinzu; am Ende wird dort festgestellt:


    Der Menschenrechtsausschuss stellt klar, dass Umweltzerstörung, Klimawandel und ein Entwicklungsmodell, das nicht auf Nachhaltigkeit beruht, einige der dringendsten und schwerwiegendsten Bedrohungen für das Recht auf Leben gegenwärtiger und zukünftiger Generationen darstellen.
    Menschenrechtsauschuss der Vereinten Nationen
    [Verknüpfung]

    Schweden: Die Erfinder des Lithium-Ionen-Akkus bekommen den Nobelpreis für Physik. Doch in der konservativen Zeitung die Welt bestreitet man, dass ein Preis für eine derartig "problematische" Technik angemessen ist, und hält die Vergabe für politisch motiviert und somit fragwürdig.
    Zitat:

    "Würdig eines Nobelpreises?
    Das sind große Worte für eine Technologie, die bei Rohstoffgewinnung und Entsorgung noch große Probleme bereitet. Der Strom, mit dem Lithium-Ionen-Akkus aufgeladen werden, stammt hierzulande zu mehr als 50 Prozent aus Kraftwerken, die mit Kohle, Öl und Gas betrieben werden. Da kann man noch lange nicht von CO2-Neutralität reden. [...] Problematisch ist insbesondere die unterschwellige politische Botschaft dieses Nobelpreises, Elektromobilität sei gut. Vielleicht sind aber letztendlich Autos, die mit Wasserstoff oder synthetischem Benzin betrieben werden ökologisch besser? Da sind sich die Experten noch nicht einig."
    [Verknüpfung]

    November: Die Dürreereignisse im südlichen Afrika wurden in den letzten Jahrzehnten immer häufiger; zur Zeit ist es so extrem, dass die Victoriafälle bis auf ein Rinnsal ausgetrocknet und 45 Millionen Menschen von Hunger bedroht sind.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]

    Der Gesetzesentwurf von Wirtschaftsminister Altmaier zum Kohleausstieg setzt auf Freiwilligkeit bei der Abschaltung.
    Windturbinen-Hersteller Enercon steht auf einer Weltspitzen-Position, doch entlässt 3000 Mitarbeiter aus der deutschen Produktion. Trotz der massiven Kritik von Fachleuten ist Wirtschaftsminister Altmaier (CDU) bei Sigmar Gabriels (SPD) Ausschreibungsverfahren für EE geblieben - was den Ausbau der Windkraft praktisch auf Null gebracht hat. Keine Rede von Änderungen im Ausschreibungsverfahren, ganz zu schweigen von Info-Kampagnen für Klimaschutz mit Windkraft oder gar Arbeitsplatz-Rettungsprogrammen wie in fossilen Industriezweigen. Stattdessen wird die Abstandsregelung für Windräder verschärft auf mindestens 1000m, selbst von Bauerwartungsland (wo also noch gar keine Häuser stehen). Damit sinkt das Potential für Windräder onshore massiv.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    54 Jahre nach der Empfehlung von US-Präsident Johnsons Expertenkommission, und nachdem viele internationale Top-Ökonomen (u.a. 27 Träger des Nobel-Gedächtnispreises) und Wirtschafts-Organisationen wie IWF und OECD sich dafür ausgesprochen haben, erwägt die CDU nach einem Sommer großer Fridays-for-future-Proteste endlich eine "Bepreisung" von CO2. Die GroKo beschließt für 2021 zunächst rekordverdächtig niedrige 10€ pro Tonne - ein Zehntel der Steuern in Schweden oder in der Schweiz), also nur einen Bruchteil der Expertenempfehlungen, die zwischen 50€ (IWF) und 180€ (UBA) liegen.

    Deutsche Nachtzug-Waggons gehen wieder in Betrieb, sogar grenzüberschreitend: allerdings nicht für die DB, sondern für die Österreichischen Bundesbahnen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Frankreich nutzt seine Waggons lieber wieder selbst.
    [Verknüpfung]

    Die internationale Vereinigung der Fluggesellschaften IATA startet als Reaktion auf die Bewegungen Flugscham und Fridays for Future eine PR-Kampagne für das Fliegen. Fliegen sei völkerverständigend und immer effizienter geworden, und man würde die CO2-Emissionen teilweise kompensieren. Dass die Effizienzgewinne vom Wachstum der Branche weit überkompensiert wurden (Rebound-Effekt), und dass die Kompensationspotentiale begrenzt und ohnehin für eine Senkung anderer, unvermeidbarer oder vergangener Emissionen dringend benötigt werden, führt diese Aktion ad absurdum. Klassisches Greenwashing einer der klimaschädlichsten und vermeidbarsten Branchen.
    Mobilitätsforscher dagegen fordern als wirksamen Klimaschutz-Beitrag des Verkehrssektors eine schnelle, drastische Einschränkung des Flugverkehrs:

    • generell wo möglich Ersatz durch Videokonferenzen
    • Ersatz von Kurzstreckenfluglinien durch Schnell- und Nachtzüge
    • vollständiger Ersatz fossiler und pflanzenbasierter durch regenerative Treibstoffe (die allerdings nicht für die Individualmobilität verschwendet werden dürfen, weil es da Alternativen gibt)

    All diese Empfehlungen und auch die lauter werdenden Schüler-Klimaproteste halten die Bundesregierung nicht davon ab, die Kampagne der IATA werbewirksam auf der Nationalen Luftfahrtkonferenz in Leipzig 2019 zu unterstützen. Das folgende Startbild des Videos im FAZ-Artikel zeigt Kanzlerin Merkel mit den Fachministern Altmaier und Scheuer und ist im Video mit großen, fetten Buchstaben unterlegt: "Umweltschonend, nachhaltig und wettbewerbsfähig".

    [Verknüpfung]
    Ein kritischer Kommentar aus der gleichen FAZ-Ausgabe ist überschrieben mit "Fliegen macht die Welt klein."
    [Verknüpfung]
    Er zitiert eine ältere Kampagne aus 2016, für die der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft einen Film produziert hat mit der Botschaft "Fliegen ist das neue Öko". Mit einer Mischung aus Nostalgie und Ironie spielt der Film mit den Stereotypen von "Ökos", die zwar noch ihren coolen Bulli haben, aber mit ihrer Attitüde und Sprache extrem aus der Zeit gefallen sind. Am Ende erkennen die Protagonisten dann den ökologischen Mehrwert des Fliegens, womit die Verdrehung perfekt ist.


    [Verknüpfung]

    Nur einen Monat später wird der internationale Flugverkehr aufgrund von Corona-Schutzmaßnahmen extrem heruntergefahren, die Lufthansa erhält 9 Milliarden Soforthilfen und Konkurrenten klagen wegen Ungleichbehandlung. Der Ferienflieger und Kreuzfahrtveranstalter TUI, Nachfolgerin des ehemaligen Rüstungskonzerns Preussag, bekommt 4,3 Milliarden. Anstatt die Chance für einen Umbau zu nutzen, wird die krisenanfällige fossile Struktur subventioniert.
    Verkehrsminister Scheuer prognostiziert für 2024 eine Rückkehr des Luftverkehrs auf das Niveau von 2019. Währenddessen kündigt Lufthansa eine Rückzahlung der Staatshilfen und Stellenabbau an.
    [Verknüpfung]
    Auf der Nationalen Luftfahrtkonferenz 2021 kündigt Merkel "disruptive Vorgänge" in der Luftfahrt an - mit ganzen 2% P2L-Treibstoffen bis 2030. Disruption ist ein ökonomischer Fachbegriff, der das Verschwinden einer Technologie in kurzer Zeit bedeutet, bei Energie und Mobilität z.B. inerhalb von 10 Jahren. Entweder hat sie den Begriff Disruption nicht verstanden (was unwahrscheinlich ist), oder sie gebraucht ihn bewusst in grober Weise irreführend.
    Zeit: [Verknüpfung] [Verknüpfung]
    Am 04.10.2021 wurde in Werlte überraschend von Umweltministerin Svenja Schulze persönlich eine Pilotanlage in Betrieb genommen, die auf die von Kanzlerin Merkel angekündigten Mengen hochskaliert werden soll, Betreiber ist das für CO2-Kompensation im Flugverkehr bekannte Unternehmen Atmosfair. Auch ein werbewirksamer Name wird an diesem Tag geprägt: E-Kerosin.
    [Verknüpfung]
    Die Kosten pro Liter liegen bei weit über 5€, und bei günstigem Strom kämen sie nach damaligen Projektionen in absehbarer Zeit auch nicht weit unter 5€. Beim Preisvergleich mit fossilem Kerosin muss man zudem beachten, dass dieses steuerbefreit ist. Die Treibstoffkosten würden sich also etwa verfünf- bis verzehnfachen, ein Masseneinsatz wäre höchst unwirtschaftlich.
    [Verknüpfung]

    30. Oktober: Obwohl die Kohlekommission ein Ausstiegsgesetz angekündigt hat, erhält Uniper die Betriebsgenehmigung für ein neues Steinkohlekraftwerk in Datteln, NRW, das ausschließlich mit Importkohle betrieben werden soll. Die erfassten CO2-Emissionen zählen allerdings erst ab dem Schornstein in Datteln. Alte Kraftwerke, die als Reserve nur einen Bruchteil der Zeit in Betrieb waren, werden nun mit diesem Kraftwerk ersetzt, das verstärkt im Dauereinsatz betrieben werden soll.
    [Verknüpfung]
    Das BMWi sieht sich im Kohleausstieg dennoch "auf Zielkurs"
    . Der Abstand zur städtischen Bebauung beträgt weniger als 500m. Dabei ist NRW nach Bayern das Bundesland mit den schärfsten Abstandsregeln für Windräder.
    [Bundesregierung 2019-1]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die Inbetriebnahme am 30. Mai 2020 wird begleitet von massiven Protesten, u.a. von Fridays for Future. Am 26. Oktober 2021 erklärt der Senat des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen unwiderruflich den Bebauungsplan für ungültig.
    [Wikipedia 2023 - Kraftwerk Datteln]

    Dezember: 47 Jahre nach seinen epochalen Computer-Simulationen für den ersten Bericht des Club of Rome "The Limits to Growth" präsentiert das Sloan Institute am MIT En-ROADS, ein neues Simulations-Tool, das online jedermann zugänglich ist. Der Benutzer kann klimapolitische Weichenstellungen in 18 verschiedenen Einflussgrößen variieren und die MIT-Server berechnen in sofort die nach dem Stand der Wissenschaft zu erwartenden Einflüsse auf Atmosphäre und Temperatur.
    [Sterman 2019]
    Das Sloan Institute ist der vielfach preisgekrönte Ökonomie-Fachbereich am Massachussetts Institute of Technology, 2023 wieder die Universität mit dem weltbesten Ranking.
    [Wikipedia 2023 - MIT Sloan School of Management]
    [Verknüpfung]
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    Die COP25 werden von den konservativen, klimaskeptischen Regierungschefs der USA (Donald Trump) und Australien (Scott Morrison) blockiert. Kurz danach erlebt Australien schon zu Beginn der Brandsaison epochale Buschbrände mit bis zu 70m hohen Flammen.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]

    Siemens beteiligt sich derweil an der Ausstattung einer neuen australischen Kohlemine.
    [Verknüpfung]
    Waldbrand-verhütende Leistungsschalter verkauft Siemens gleich mit dazu.
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    2020

    Wir schreiben 63 Jahre und +0,8°C nach Revelles eindringlicher Warnung vor der globalen Erwärmung.

    Januar: In Australien wurde das schon von Aborigines praktizierte Backburning (Abbrennen des Unterholzes), in den letzten Jahren vernachlässigt oder war witterungsbedingt unmöglich. Klimaskeptiker behaupten sogar, die australischen Grünen hätten sich dagegen ausgesprochen - eine komplette Verdrehung der Tatsachen. Dass die Buschfeuer in diesem Jahr alle Rekorde brechen, wird von ihnen v.a. auf diese Tatsache geschoben, und auf Brandstiftung. Sie ignorieren, dass die Temperaturen seit Jahren auf immer neue Rekordwerte steigen und der Regen Rekordminima erreicht. In diesem Jahr brennen sogar Regenwälder. Die giftigen Rauchschwaden ziehen bis Südamerika.
    Zeit: [Verknüpfung]
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    Während das Bureau of Meteorology zaghaft einen Zusammenhang zwischen den Feuern mit Temperaturerhöhung und Niederschlagsrückgang herstellt, tönt der fossilökonomistische Ministerpräsident Scott Morrison von der Rücksichtslosigkeit der Klimaschützer.
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    BlackRock-Chef Larry Fink kündigt den Rückzug seiner Vermögensverwaltung - der größten der Welt mit der vielbeachteten Analyse-Plattform Aladdin - aus fossilen Investments an. Der ehemalige Deutschland-Chef von BlackRock, Kanzleraspirant Friedrich Merz, ist mit seinen vorher heftigen Angriffen auf Fridays for Future bemerkenswert zurückhaltend.

    Bei Maybrit Illner beschönigt Altmaier zuerst die katastrophalen Auswirkungen seiner Energiepolitik auf die Energiewende. Er spricht von einem PV-Boom, der von Experten jedoch auf das absehbare Ende der Förderung (PV-Deckel) zurückgeführt wird. Dann verteidigt er diese Politik mit der Rücksichtnahme auf Bürgerbewegungen. Süffisant verweist er auf die traditionelle Bedeutung von Bürgerbewegungen für die Grünen, verschweigt dabei aber geflissentlich seine engen persönlichen Kontakte und die seiner Mitarbeiter zur Windgegner-Szene.

    "Dann sollten Sie doch wenigstens so ehrlich sein zu sagen, dass wir einen Boom haben beim Ausbau der Photovoltaik. Und wir haben beschlossen als Koalition, wir schaffen diesen Deckel ab. Wir haben einen Boom beim Ausbau der Windenergie auf hoher See. Der Anteil des Stroms wird jede Woche, jeden Monat größer. [...] Wir sind eine Demokratie, wo uns gerade die Grünen gezeigt haben, dass es wichtig ist, mit den Menschen vor Ort zu reden, und sie haben Bürgerinitiativen zu allen möglichen Themen organisiert. Und damit müssen sie jetzt leben, dass sich Menschen bei Themen zu Wort melden, die ihnen vielleicht nicht ganz so genehm sind."
    [Illner 2020] 34'

    Februar:
    Antarktis: ein Eisberg von 300km2 Fläche bricht bei 18,3°C ab.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Temperaturen in der Antarktis erreichen sogar 20,75°C.
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    März:
    Weil ein Ende des Ölstroms noch lange nicht absehbar ist, steigt die Konfliktgefahr der Großmächte um die arktischen Ölreserven weiter an:
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    April:
    Obwohl er zwei Jahre lang heftig kritisiert wurde: der Photovoltaik-Deckel bleibt bestehen, und jetzt zeigt er Wirkung: immer mehr Planungen für PV-Anlagen werden aufgegeben oder gar nicht erst in Angriff genommen. Auch die Windkraft-Abstandsregelung bleibt restriktiv: die deutsche Energiewende bleibt blockiert.
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    In den USA erreichen PV-Module mit mehreren unterschiedlich dotierten Silizium-Schichten einen Wirkungsgrad von beinahe 50%; wie ein halbes Jahrhundert zuvor, ist die Technik nur für die Raumfahrt wirtschaftlich.
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    Juni: Kurz vor dem drohenden Verschließen des PV-Deckels ringt sich die Große Koalition endlich durch, ihn abzuschaffen. Für viele PV-Installateure zu spät.
    [Verknüpfung]
    Der PV-Deckel wurde jedoch von Seiten der CDU als Druckmittel benutzt, um die Zustimmung der SPD für schärfere Windkraft-Abstandsregeln zu bekommen. Eine bundeseinheitliche 1000m-Regel konnte die SPD jedoch verhindern. Dafür kommt sie in NRW (wo Ministerpräsident Laschet (CDU) zuerst mit Wirtschaftsminister Pinkwart (FDP) sogar 1500m wollte) und eine 10H-Regel in Bayern.
    [Verknüpfung]
    Offshore dagegen wird Windkraft zugelassen - da, wo sich keine Bürgerenergiegenossenschaften finden, sondern nur große Energiekonzerne.
    [Verknüpfung]
    Die Warnungen von Energiefachleuten, dass die Anlagen weit weniger wirtschaftlich sind als onshore, interessiert niemanden, auch nicht in Großbritannien, wo sich der größte Offshore-Windpark als unrentabel heraustellt.
    [Verknüpfung]
    Das Rennen war lange offen. Im Focus sagte der Leiter des Fraunhofer-Instituts für Windenergiesysteme IWES Jürgen Schmid voraus, dass Offshore irgendwann günstiger sein würde. Dieser Zeitpunkt scheint jedoch 10 Jahre nach seinem frühen Tod aber noch weit entfernt.
    [Verknüpfung]
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    16 Unternehmen des deutschen Finanzsektors mit 5,5 Billionen Euro Kapital vereinbaren gemeinsame Ziele zur Erreichung der Pariser Klimaziele.
    [Finanzsektor 2020]
    Während also Big Money mehr und mehr aus Angst vor Stranded Assets aus den fossilen Investments flüchtet, wirft Europa und allen voran Deutschland diesen irgendwann "faulen" Anlagen weiter frisches Geld hinterher, statt es in Zukunft zu investieren.
    [Investigate Europe 2020]

    3. Juli: Bundestag und Bundesrat beschließen den Kohleausstieg "spätestens 2038", begleitet von großzügigen Entschädigungszahlungen für die Betreiber.
    [Verknüpfung]
    Fachleute betrachten in einem regierungsinternen Gutachten einen wesentlich früheren Ausstieg zum einen als möglich, aber vor allem als klimapoltisch dringend geboten.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die NGOs in der Kohlekommission fühlen sich betrogen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Kommunale Energieversorger sehen sich im Nachteil gegenüber den großen Konzernen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Angesichts der Preisentwicklung der Erneuerbaren Energien kann man das Gesetz getrost als Bestandsgarantie für Altanlagen ansehen, die in absehbarer Zeit unrentabel sein werden. Die unflexible Kohle-Grundlast kostet den Kunden jetzt schon viel Geld.
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    Das Gesetz, das Fridays for Future Deutschland als "Kohleeinstiegsgesetz" bezeichnet, sieht 4,35 Milliarden Euro Entschädigung für die Braunkohle-Konzerne RWE und LEAG vor - obwohl die Anlagen schon bei CO2-Preisen ab 50€ unrentabel werden. Unter diesen Bedingungen besteht gar kein Entschädigungs-Anspruch.
    Ein regierungsinternes Gutachten, das diese Punkte klar darlegt, hält Altmaier zurück.
    [Verknüpfung]
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    Die EU-Wettbewerbskommission unter Margrethe Vestager sieht die Entschädigung als staatliche Beihilfe, die sogar möglicherweise gegen die EU-Beihilfevorschriften verstößt und prüft den Fall (Stand März 2021).
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    Mit den Entschädigungen für die Braunkohle-Industrie werden Begehrlichkeiten geweckt bei der seit Jahrzehnten in Abwicklung befindliche Steinkohle-Industrie, die ihren Brennstoff längst nicht mehr aus Deutschland, sondern aus teils prekärer Ausbeutung bezieht.
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    Allein die hohen Subventionen könnten EU-Strafzahlungen nach sich ziehen, ganz zu schweigen vom durchaus denkbaren Schadenersatz für Klimafolgen.
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    Der spanische 50%-Ausstieg aus der Kohlekraft 2020 aus wirtschaftlichen Gründen und die Pläne für einen 100% Ausstieg bis 2030 lässt für die Rentabilität deutscher Kohlekraft in den nächsten 18 Jahren nichts Gutes erwarten. Insofern kann man den Begriff "Kohle-Ausstieg" schon als Euphemismus für "Kohle-Bestandsgarantie" ansehen.
    [Verknüpfung]
    Die Folgeschäden durch Grundwasserabsenkung und Einstrom belasteter Tiefenwässer werden ebenfalls in der öffentlichen Debatte oft übersehen.
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    Im Dezember wird bekannt, dass ein Gutachten zurückgehalten wurde, das einen geringeren Bedarf für das rheinische Revier, eine Schonung der Dörfer im Abbaugebiet und weit geringere Emissionen vorsah.
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    Auch die Tatsache, dass Braunkohlekraftwerks-Betreiber mit günstig eingekauften Verschmutzungsrechten handeln können, macht ihren Weiterbetrieb profitabel.
    [Verknüpfung]

    Der VDI bezeichnet PV 2020 als "Joker der Energiewende" und hält Preise von 1ct/ kWh für möglich. Ein forcierter Umstieg auf elektrische Fahrzeugantriebe werde zudem den Synergieeffekt bei der Kostensenkung der Stromspeicher weiter verstärken und damit die Potentiale von PV zusammen mit Windkraft deutlich erhöhen.
    [Verknüpfung]
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    2023 ist es soweit. Das saudi-arabische Kraftwerk Al Shuaiba PV IP gibt 1,04ct an.
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    Nur einen Monat nach dem Kohleausstiegsgesetz, am 5. August, räumt Peter Altmaier öffentlich ein, 15 Jahre im Klimaschutz "viel Zeit verloren" und "Fehler gemacht" zu haben, und es einen "enormen Nachholbedarf" gebe. In den nächsten Monaten müsse daher dafür gesorgt werden, "dass der Weg zur einer CO2-Neutralität unumkehrbar wird." Wie er zu diesem Sinneswandel gekommen ist, sagt er nicht. Zu der Zielvorstellung der CO2-Neutralität im Jahre 2050, die von der Fachwelt als viel zu spät kritisiert wird, äußert er sich jedoch auch nicht.
    [Verknüpfung]
    Die Netzbetreiber planen, die Nutzung von Eigen-PV-Strom unrentabel zu machen. Währenddessen bleibt die Zwangsabschaltung von zunächst 18.000 Altanlagen der Bürgerenergiewende in 2021, in den Folgejahren von hunderttausenden, weiter im Raum. Wirtschaftsminister Altmaier bleiben ganze drei Monate, um das zu verhindern.
    [Hirsch 2020]
    Am 20. August wird Greta Thunberg, genau zwei Jahre nach ihrem erstem Schulstreik, mit drei weiteren Aktivistinnen von Fridays for Future von Angela Merkel empfangen und äußert deutliche Kritik. Merkel verspricht "mehr Mut im Klimaschutz", und das Freihandelsabkommen Mercosur mit südamerikanischen Staaten in der derzeitigen Form nicht zu ratifizieren.
    [Verknüpfung]

    Seit 1928 ist Standard Oil of New Jersey, Schwergewicht des Rockefeller-Öl-Imperiums, im wichtigsten Börsenindex der Welt, dem Dow Jones, aufgelistet. Nun wird die Nachfolgerin Exxon Mobil nach 40% Kursverlust ausgelistet.
    [Verknüpfung]

    Am 19.08.2020 offenbart die prominente ARD-Talk-Moderatorin Sandra Maischberger in ihrer Sendung "Die Woche" im Gespräch mit Richard David Precht auf erschreckende Weise, dass sie Klimaskeptikerin ist. Precht erklärt ihr die möglichen katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels, die bei gegenwärtiger Tendenz mit hoher Sicherheit prognostiziert sind - und sie erinnert an die Ängste vor dem Waldsterben, das ja dann doch nicht eingetreten sei. Prechts Einwand, dass es damals massive Gegenmaßnahmen gegeben habe, überhört sie, und suggeriert süffisant, dass die Möglichkeit eines spontanen Endes des Klimawandels genauso denkbar sei wie Prechts Darstellungen. Sie erklärt ihn für einen Radikalen mit "Lust auf Verbote", und er erklärt die Untätigkeit für radikal.
    [Verknüpfung]
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    September: der neue Ceneri-Tunnel am Gotthard würde einen durchgehenden Hochgeschwindigkeits- und Güterzugverkehr von den Nordseehäfen nach Italien ermöglichen. Wenn Italien und vor allem Deutschland nur endlich die Lücken schließen würden. Geplant ist der deutsche Lückenschluss 2035. Die ist dann aber immer noch nicht komplett hochgeschwindigkeits-tauglich.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    33 Jahre nach Wallace Broeckers Warnung vor dem Abbrechen der nordatlantischen thermohalinen Zirkulation, bekannt als "Golfstrom", und 24 Jahre nach seiner eigenen ersten Risikoabschätzung, erklärt Stefan Rahmstorf die wissenschaftlichen Indizien, dass dieser Kipppunkt in absehbarer Zeit eintreten wird, den neuesten Schätzungen zufolge möglicherweise schon gegen Ende des Jahrhunderts.
    [Verknüpfung]

    Verkehrsminister Scheuer probiert beim Corona-Auto-Krisen-Gipfel einen zweiten Anlauf für Verkaufs-Prämien ("Recycling-Prämie") für "saubere Verbrenner" und plädiert für Technologieoffenheit, denn es werde ja kräftig an "synthetischen" erneuerbaren Treibstoffen geforscht, die zuerst als Power-to-X P2X, heute meist als E-Fuels bezeichnet werden.
    [Verknüpfung]
    Wirtschaftsminister Altmaier unterstützt die Greenwashing-Kampagne tatkräftig mit einem Umwelt-Etikett für neue Verbrenner, mit dem z.B. das Umweltministerium und erst recht die Umwelt-NGOs gar nicht einverstanden sind.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Sein Staatssekretär Thomas Bareiss mischt in der Diskussion wieder munter mit, bekommt aber auch die richtige Antwort:

    Fachleute können darüber nur den Kopf schütteln. Bis vor Corona bedeutete Technologie-Offenheit beim Verbrenner immerhin die ferne Aussicht auf CO2-neutrale Kraftstoffe nach dem P2L-Verfahren - auch wenn diese Option von Fachleuten angesichts des 5-6fachen Strombedarfs gegenüber Elektroautos als völlig unrealistisch angesehen wird. Coronabedingte Verkaufsprämien und grüne Etiketten für neue Verbrenner, für die selbst mittelfristig keine Chance auf genug P2L-Treibstoffe bestehen, kann man getrost als Subvention und Greenwashing für Technik bezeichnen, deren Klimaschädlichkeit dem Stand des letzten Jahrhunderts entspricht: der CO2-Ausstoß pro Liter Kraftstoff ist unabhängig von der Schadstoffklasse des Fahrzeugs, denn diese bezieht sich auf die Emissionen von Stickoxiden, die gar nicht relevant für die Klimawirkung sind. D.h. ein 40 Jahre alter Golf 1,6D stößt bei 5l Verbrauch pro 100km dieselbe Menge CO2 aus wie ein aktuelles Modell - nur die Fahrleistungen sind bei diesem Verbrauch geringer. Ein Schüler der Mittelstufe sollte das aus dem Chemie-Unterricht nachvollziehen können, dann sollte es auch ein Spitzenpolitiker können, oder wenigsten seine Berater.
    [Hajek 2020]

    Oktober
    Fatih Birol, seit 2015 Vorsitzender der Internationalen Energieagentur IEA, stellt persönlich den jährlichen World Energy Outlook vor und bezeichnet 2020 die Erneuerbaren als die wirtschaftlichsten Energien, Photovoltaik als "König der Energiemärkte".
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Das ist nicht weniger als eine Sensation, denn Fatih Birol stammt von der OPEC und hat die Weltwirtschaft jahrzehntelang pro Öl beraten; die IEA ist die Energie-Denkfabrik der OECD.

    In Staaten einschließlich China, Indien und Deutschland ist es jetzt billiger, ein neues, großes Solarkraftwerk zu errichten, als ein bereits existierendes Kohle- oder Gaskraftwerk weiterzubetreiben.
    Bloomberg New Energy Finance (BloombergNEF)
    [Verknüpfung]

    Bis 2016 hatte die IEA die Potentiale der Erneuerbaren Energien regelmäßig kleingerechnet.
    Reality versus IEA predictions - annual photovoltaic additions 2002-2016.png
    By Auke Hoekstra, Maarten Steinbuch, Geert Verbong: Creating Agent-Based Energy Transition Management Models That Can Uncover Profitable Pathways to Climate Change Mitigation. Complexity 2017. - https://doi.org/10.1155/2017/1967645, CC BY-SA 4.0, [Verknüpfung]
    Ein Artikel in Bloomberg New Energy Finance BNEF kündigte schon 2016 die Wende an. Selbst billige Kohle könne die Energiewende nicht mehr aufhalten.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Allerdings kam der Sinneswandel nicht von einem Tag auf den anderen, Birol warnte die Fossilindustrie 2008 vor diesem Tag.
    [Wikipedia 2020 - Die 4. Revolution - OPEC-Connection: Ein Erdöl-Experte berät Regierungen]

    Auf dem Höhepunkt der Debatte um die Proteste von Fridays for Future verspricht CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier wirksame Klimapolitik. Die folgende Grafik zeigt die verschiedenen diskutierten Pfade zur CO2-Neutralität neben den Prognosen, die sich aus der aktuellen Politik ergeben. Sie zeigt, dass die aktuelle Politik der Bundesregierung nach dem Stand der Wissenschaft nicht ansatzweise geeignet ist, die Zusagen des Pariser Klimaschutz-Abkommens von 2015 einzuhalten. Dabei gehen diese Rechnungen noch von einer paritätischen Aufteilung des verbliebenen CO2-Budgets aus.
    Wie klein die verbleibenden globalen Budgets sind, kann man der folgenden Grafik entnehmen:

    © Stefan Rahmstorf/Global Carbon Project; Figueres, C.: Three years to safeguard our climate. In: Nature 546, S. 593-595, 2017; Dt. Bearbeitung: Stefan Rahmstorf (Ausschnitt)
    Bei den historischen Emissionen allerdings liegt Deutschland in der Nationenwertung auf Platz 3, die Frage ist also, ob historische Emissionen nicht eigentlich auf das Restbudget angerechnet werden müssten. Angesichts der Tatsache, dass die Klimakrise seit Jahrzehnten Gegenstand internationaler Gespräche ist, kann niemand sagen, das Thema sei plötzlich vom Himmel gefallen. Mit Hilfe der gigantischen CO2-Emissionen haben wir auch einen Entwicklungsstand erreicht, der uns zusätzlich eine herausragende globale Verantwortung für Klimaschutz auferlegt.
    Die folgende Tabelle vergleicht zwei Neutralitätspfade mit der Klimapolitik der schwarz-roten Bundesregierung des Jahres 2020 näher im Detail.

    Wuppertal-Institut (fff) Oktober 2020

    Agora Energiewende Oktober 2020

    Bundesregierung September 2020

    Ziele

    CO2-neutral in allen Sektoren bis 2035, Ausnahme:
    keine Planung zum Agrarsektor, auch nicht zu dessen möglichen CO2-Senkenwirkungen

    95% weniger CO2-Emissionen (gegenüber 1990) in allen Sektoren bis 2050 bei mäßigem bis gutem Wirtschaftswachstum

    80-95% weniger CO2-Emissionen (gegenüber 1990) in allen Sektoren bis 2050; keine konkrete Planung außer im Energiesektor

    Etappenziele 2030

    • in allen Sektoren: 70% weniger CO2-Emissionen bis 2030
    • Stromsektor: deutlich über 70% Erneuerbare Energien (EE) bis 2030 (also weit mehr als +20% gegenüber 2020)
    • in allen Sektoren: 65% weniger CO2-Emissionen bis 2030
    • Stromsektor: 70% EE bis 2030
    • (also +20% gegenüber 2020)
    • Stromverbrauch wächst dabei bis 2030 um 9% (v.a. für Verkehrs- und Wärmesektor)
    • noch keine sektorenübergreifende Planung
    • Stromsektor: 65% EE bis 2030
      [Verknüpfung]
    • (also nur +15% gegenüber 2020)
    • bezogen auf Stromverbrauch von 2020 - bei Mehrverbrauch sinkt dieser Anteil wieder

    Ausbau EE

    • jährliches Zubauziel an EE: 25-30GW
    • dadurch wächst die Erzeugungskapazität bis 2035 um weit über 100% (2019: 214GW)/li>
    • bei Verfehlen des Ziels wird ergänzt durch Wasserstoff-Importe
    • jährliches Zubauziel an EE: 15GW
    • dadurch wächst die Erzeugungskapazität bis 2050 um weit über 100% (2019: 214GW
    • unzureichende Versorgung mit EE wird ergänzt durch Wasserstoff-Importe

    •jährliches Zubauziel an EE: 6-8GW
    •dadurch wächst die Erzeugungskapazität bis 2050 um weniger als 100% (2019: 214GW)
    •unzureichende Versorgung mit EE wird ergänzt durch massive Wasserstoff-Importe

    Nachteile

    • Festlegung auf aktuell beste Technik statt Technologieoffenheit
    • "aus technischer und ökonomischer Sicht zwar extrem anspruchsvoll […], grundsätzlich aber möglich", denn der Zeitraum beträgt statt 30 nur 15 Jahre
    • Profite werden sinken, denn soziale Härten müssen ausgeglichen werden

    Umsetzungschancen

    "...keine grundsätzlich unüberwindbaren technischen und ökonomischen Hürden, um das Ziel von null Emissionen bis 2035 zu erreichen" (Manfred Fischedick, WI)
    [Verknüpfung]
    "Wuppertal weiß, dass es nicht umsetzbar ist" (Andreas Kuhlmann, DENA)
    [Verknüpfung]

    "Klimaneutralität 2050 und ein neues deutsches Zwischenziel von minus 65 Prozent Treibhausgase bis 2030 sind machbar, brauchen aber eine komplett andere Gangart in der Klimapolitik." (Patrick Graichen, Agora Energiewende)

    • EE-Zubau wurde jahrelang gebremst und gedeckelt; dies und die Bestandsgarantie der Kohlekraft bis 2035 ist Planwirtschaft
    • die Kapitalflucht aus fossilen Assets, der Preisverfall der EE und die zunehmenden externen Kosten lassen eine noch disruptivere Rezession der Fossilwirtschaft erwarten
      [Verknüpfung]

    Klimawirksamkeit

    Bei Erreichen der Klimaneutralität bis 2035 besteht noch eine gewisse Chance (ca. 66%), das Pariser 1,5°-Ziel einzuhalten.
    IPCC: [Verknüpfung])

    Bei Erreichen der Klimaneutralität bis 2050 ist die Chance, selbst das 2°-Ziel einzuhalten, gering, denn die Gefahr des Überschreitens von Kipppunkten ist groß.
    Stefan Rahmstorf im Spiegel: [Verknüpfung]
    Figueres, Schellnhuber, Whiteman, Rockström, Hobley und Rahmstorf 2017 in nature: [Verknüpfung])

    Nach den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen wird das 2°C-Ziel weit verfehlt und es kommt zum Überschreiten von Kipppunkten und damit zur Klimakatastrophe. Das Risiko, dass in der klimakrisen-belasteten Welt überhaupt noch Potentiale verfügbar sein werden, CO2 aus der Atmosphäre zu holen.

    Klimagerechtigkeit

    Diese Rechnung geht von gleichen Emissionsrechten aller heute lebenden Menschen aus (Parität). Sie berücksichtigt weder die historischen Emissionen, noch die unterschiedlichen technischen und ökonomischen Möglichkeiten.

    Je später Deutschland klimaneutral wird, desto ungerechter. Mit Wasserstoff-Importen beschneidet D die Potentiale der Exportländer für Klimaschutz.
    [Verknüpfung]

    Je später Deutschland klimaneutral wird, desto ungerechter. Mit Wasserstoff-Importen beschneidet D die Potentiale der Exportländer für Klimaschutz.
    [Verknüpfung]
    Kompensationen zusätzlicher Emissionen im Ausland verschlechtern deren Bilanz.

    Kritik

    • Das IPCC vernachlässigt die Emissionen aus Zementherstellung und internationalem Schiffs- und Luftverkehr.
    • Die Agrarwende konnte aus Kostengründen nicht begutachtet werden - dabei ermöglicht sie den Schutz der überlebensnotwendigen Artenvielfalt und eine Senkung des atmosphärischen CO2-Gehalts.
      [Verknüpfung]
    • Rechnet man die historischen Emissionen mit ein, dann wäre es im globalen Vergleich gerechter, wenn Deutschland die Klimaneutralität schon 2026 erreichen würde
      [Verknüpfung]

    Auch wenn die Umsetzbarkeit heute realistischer erscheint, so ist es aus Sicht der kommenden Generation nicht mehr als ein Kompromiss, der in die richtige Richtung geht.
    Die Katastrophe lässt sich nur mit riskantem Geoengineering vermeiden, begleitet durch eine aufwändige nachträgliche Senkung der atmosphärischen CO2-Konzentration (Sequestrierung).
    Es bleibt nur zu hoffen, dass der disruptive Ausstieg aus der Fossilwirtschaft früh genug die nötige Beschleunigung bringt.
    [Verknüpfung]

    • Während weltweit EE boomen, liegt ihr Zubau in D 2020 viel zu niedrig. Ob mit der vorgelegten EEG-Reform selbst die viel zu niedrig geplanten Zubauraten überhaupt erreicht werden, ist fraglich.
    • Die Bürgerenergiewende - also die Beteiligung der Bürger an den Gewinnen der EE - wird verhindert.
    • Die EU-Agrarwende wurde im Mai 2021 erneut verschoben, weil die Agrarlobby, deren Positionen von der deutschen Agrarministerin Klöckner vertreten werden, sich nicht mit dem EU-Parlament, das endlich die lange angekündigte Durchsetzung höherer Auflagen verlangt, einigen konnte.
      [Verknüpfung]
    • Auch Verkehrs- und Wärmewende werden weiter gebremst.

    Kurzfassung

    Wir müssen alles daran setzen, 2035 soweit wie irgend möglich klimaneutral zu werden.
    Die Agrarwende muss mit gleicher Anstrengung umgesetzt werden, denn der Agrarsektor trägt weltweit ca. ein Viertel zu den Klimagas-Emissionen bei und das Artensterben ist ebenso bedrohlich wie die Klimakrise.

    2050 ist gut machbar - aber viel zu spät. Die Klimakrise wird sich verschärfen, möglicherweise bis zur Katastrophe. Diese gigantischen externen Kosten unseres bequemen Abwartens für Klimaschäden und deren Vorsorge, Geoengineering und Sequestrierung, Migration und Konflikte, sowie Schadenersatz und Sanktionen zahlen die kommenden Generationen.

    Selbst 2050 werden wir nach diesen Plänen nicht sicher klimaneutral. Es droht eine lange andauernde internationale Blockade bis zur Klimakatastrophe, mit allen bekannten und noch unbekannten Folgen.
    Diese Politik ist im Sinne von Art. 20 GG (Schutz der Lebensgrundlagen) unverantwortlich.



    Die Auftraggeber der WI-Studie von Fridays for Future Deutschland kommentieren die Ergebnisse in einem Video "Die Zerstörung der deutschen Klimapolitik".
    [Verknüpfung]
    Der Spiegel berichtete über die Studie.
    [Verknüpfung]
    Carla Reemtsma äußert sich in der Zeit.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Gleichzeitig wird in der Corona-Krise der Unmut der Bevölkerung gegen Sicherheitsmaßnahmen vor der unsichtbaren Gefahr des Virus genutzt, um Zweifel an Wissenschaft zu schüren. Die sogenannten Querdenker beklagen die tiefgreifende Diktatur einer Wissenschaft über alle Lebensbereiche, die jeglicher Grundlage entbehre. Staatsmedien würden diese Diktatur selbst über die Meinungsräume ausdehnen.
    Dieses Narrativ wird von Populisten verbreitet, um Verschwörungstheorien zu untermauern. Wie weit es toleriert wird, zeigt am 21. November die Demorede einer jungen Frau in Hannover, die sich als "Jana aus Kassel" vorstellt. Ihr Nachname bleibt unveröffentlicht, denn mit ihrer Rede überschreitet sie alle Akzeptanz-Grenzen, selbst die ihrer Mitdemonstranten, denen Meinungsfreiheit über alles geht. Sie wird ausgebuht, weil sie sich in ihrer Querdenker-Rolle mit der NS-Widerstandskämpferin Sophie Scholl vergleicht. Auch wenn der Shitstorm gewaltig ist: im Gegensatz zu der hingerichteten Sophie Scholl blieb sie von staatlicher Seite völlig unbehelligt, so wie alle anderen, die eine Meinungsdiktatur unterstellen.
    tagespiegel: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Ja, hallo, ich bin Jana aus Kassel]
    Die Theorien über eine linke Klimaverschwörung kursieren in den gleichen rechtsautoritären Kreisen und werden von der Corona-Verschwörungstheorie massiv befeuert.

    Das Insekten- und Vogelsterben wurde lange unterschätzt, auch auf Grund mangelnder öffentlicher Forschungsgelder, und hat dramatische Ausmaße angenommen. Nach der Krefelder Studie wird dies 2013 durch eine weitere Langzeitstudie belegt. Der Förster Wulf Gatter war bis 2008 Leiter des ökologischen Lehrrevieres der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg und leitet die Forschungsstation Randecker Maar am Rand der Schwäbischen Alb, wo Vogelzüge und Insektenwanderungen besonders gut zu beobachten sind. Die Station wird seit 1970 von einem Verein betrieben und verzeichnete z.B. einen Rückgang der Schwebfliegen um ganze 97%.
    [Wikipedia 2022 - Forschungsstation Randecker Maar]
    FAZ: [Verknüpfung]
    Nürtinger Zeitung: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    als Audio: [Verknüpfung]




    2021

    Januar

    Nachdem Trump nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse mit seinen Manipulations-Versuchen an todesmutigen Sicherheitskräften gescheitert ist, versucht er am 06. Januar einen Mob in das Kapitol zu führen, um die Bestätigung des Wahlergebnisses durch seinen Vizepräsidenten Mike Pence zu verhindern. Auch dieser widersteht Trumps Forderungen, woraufhin der Mob skandiert "hang Mike Pence!", und das Kapitol erstürmt. Die Gewalt endet kurz vor den Türen des Repräsentantenhauses, wo verängstigte Politiker:innen von Personenschützer:innen mit gezogener Waffe durch Geheimgänge aus dem Haus begleitet werden müssen.
    Die US-Demokratie wurde gerettet von einer kleinen Menge von Polizist:innen, die dabei ihr Leben riskierten. Fünf starben, 140 wurden z.T. schwer verletzt, vier begingen in den Folgemonaten Suizid. Trump selbst hatte dafür gesorgt, dass die Nationalgarde im Hintergrund blieb und nicht eingriff.
    Es bleibt der Justiz überlassen, die Dinge aufzuarbeiten, denn die republikanische Partei bleibt auf der Seite Trumps. Um den Prozess wasserdicht zu machen, zieht sich die Sache quälend lange hin. Im Oktober 2023 standen bisher nur Kapitol-Terroristen und einige Anwälte Trumps vor Gericht, es gab etliche Verurteilungen und Geständnisse. Trump dagegen verbreitet weiter seine Lügen, und seine Umfragewerte sind weiter hoch.
    [Verknüpfung]

    Viele Republikaner sind zuerst empört, laufen aber kurze Zeit später auf Trumps Druck hin in dessen Unterstützer-Lager zurück, u.a. der Vorsitzende des Justizausschusses Lindsey Graham, mit dem Friedrich Merz im August 2022 ein Treffen plante. Graham war als Vorsitzender des Justizausschusses und ist als bedeutender Senator einer der Hauptverantwortlichen bei der Verhinderung von Strafen gegen Trump.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Es dauert über zweieinhalb Jahre, bis die US-Justiz offiziell damit beginnt, Trump zur Rechenschaft zu ziehen. Am 01. August 2023 erfolgt die Anklage eines Geschworenen-Gerichts wegen Verschwörung gegen Staat und Verfassung.
    [Verknüpfung]

    Februar

    Das UN-Umweltprogramm UNEP schlägt Alarm: bereits ein Viertel aller Erkrankungen sind ökologisch bedingt, also auf Störung der planetaren Gesundheit zurückzuführen: Zoonosen, Hitze, Verschmutzung, v.a. der Luft.

    Der Autohersteller überschlagen sich im Corona-Winter 20/21 mit Ankündigungen der Decarbonisierung. Jaguar verkündet das Ende der Produktion von Verbrenner-PKW für 2025, GM und Volvo für 2030, GM leichte Nutzfahrzeuge 2035, Ford für PKW am europäischen Markt ebenfalls 2030, Audi komplett 2035. Mercedes stellt eine Vorverlegung von 2039 um 5-9 Jahre in Aussicht.
    [Verknüpfung]
    Der US-Bundesstaat Texas wird von einer gigantischen Kaltluftblase getroffen, verursacht durch eine anomalen Rossby-Welle. Seit Jahren gelangen immer wieder extreme Kaltluftblasen weit in die Great Plains der USA, aber dieses Jahr ist ein neuer Rekord: die Infrstruktur, die nicht für Frost gebaut ist, bricht zusammen. Der Katastrophenfall wird ausgerufen. Man zählt 178 Tote und fast 200 Milliarden US-$ an Schäden.
    [Wikipedia 2021 - February 2021 North American Cold Wave]
    [Verknüpfung]
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    Konservative versuchen das Desaster mit den Fehlern der Klimaschützer zu erklären: Windräder seien Schuld am Stromausfall und fossile Brennstoffe die einzige Lösung, so Gouverneur Greg Abbott in Fox News.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der kanadische Observer dagegen erklärt den größeren Zusammenhang und stellt große Probleme der Welternährung in Aussicht.
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    Eine abgeschwächte Form des Phänomens verursacht den kältesten April seit 1977, was Klimaskeptiker wieder genüsslich für ihre Desinformation nutzen. Wenn die Rheinische Post zwar einen Klimaforscher zitiert, der diese Wetterlage nicht als Gegenbeweis für Klimawandel sieht, aber die Ursache nicht erklärt, leistet sie der Desinformation Vorschub, die in "sozialen" Medien grassiert.
    [Verknüpfung]

    Hitzewellen in der Atmosphäre durch Rossby-Wellen haben eine Entsprechung in der Meereszirkulation: periodische pazifische Heißwasser-Konvektionen, sogenannte Warmwasserblasen oder englisch "Blobs". Sie führen zu ozeanischen Massensterben.
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    Mit seinem Gesetzesvorhaben 2021 würde der Ministerpräsident von NRW, CDU-Kanzlerkandidat Laschet, die Onshore-Windkraft-Potentiale seines Bundeslandes nach Prognosen von Experten auf nahezu Null senken. Der Interessenverband LEE spricht von einem "Schlag ins Gesicht".
    [Verknüpfung]
    Gleichzeitig zerschlägt er mit der Energieagentur NRW eine wichtige Denkfabrik der Energiewende. Die Ersatz-Einrichtung in4climate umfasst nur ein Fünftel der Stellen - und das in einer Zeit, wo alle Welt von EE spricht. Chef wird ein Vertreter der Industrie: Ulf C. Reichardt von der IHK Köln, vormals beim Schwerindustrie-Konzern Thyssenkrupp.
    [Verknüpfung]
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    Die französische Forschungskooperation CEA Ines/ ENEL präsentieren eine neue PV-Technologie, die 25% und im Labor jetzt schon 29% Wirkungsgrad bringt: die Heterojunction-Technik.
    [Verknüpfung]
    Diese neue Generation macht die PV-Industrie in Europa wieder hoch profitabel, Eicke Weber, Ex-Chef des Fraunhofer ISE, empfiehlt staatliche Bürgschaften wie in den USA. Die Tandem-Technik werde in 5 Jahren eine weitere große Wirkungsgrad-Steigerung ermöglichen. Deutschland drohe den Anschluss zu verlieren, denn die Regierung verfolge eine einseitige Klientelpolitik der alten Industrie und versuche zu wenig, neuen Akteuren (green entrepreneurs) mittels Zukunfts-Anreizen per venture capital eine Chance zu geben.
    [Verknüpfung]

    April

    Der National Intelligence Council, das Beratungsgremium aller 17 US-Geheimdienste beim Präsidenten, veröffentlicht alarmierende Prognosen für die nationale und internationale Sicherheit im Jahre 2040, wenn nicht sofort global mit Klimaschutz Ernst gemacht wird.
    [Verknüpfung]
    Er zeigt, dass es jetzt regelrecht brandgefährlich wird, wenn konservative Politiker:innen weiter an ihrem Narrativ festhalten, genug für den Klimaschutz zu tun, und dass mehr wirkungslos oder gar schädlich wäre. Die faschistoide US-Politik der letzten Jahre, die im Sturm auf das US-Kapitol vorläufig endete, sollte Warnung genug sein. Sollte Biden scheitern, droht Europa als letzter bedeutender demokratischer Motor im Klimaschutz zu verbleiben. Die europäische Zurückhaltung bei der Unterstützung Bidens ist deshalb grob fahrlässig.

    Die New York Times warnt in ihrer Besprechung des Berichts angesichts zunehmender gesellschaftlicher Spaltung vor einem Scheitern des Klimaschutzes, Zitat (übersetzt): "Die Warnungen sind klar. Die eigentliche Frage ist, ob wir – die Regierung, die globalen Institutionen, unsere Gesellschaften – in einer Zeit, in der sich Staaten und Gesellschaften nach innen wenden und der politische Diskurs vergiftet worden ist, in der Lage sind, sie zu beachten."
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    Das Magazin Anthropocene geht auf die prognostizierten sozialen Risiken ein, die Klimaschutz gefährden; Zitat (übersetzt): "Unter den Trends, die die Geheimdienste beunruhigen: Fehlinformationen, Misstrauen, soziale Zersplitterung in widersprüchliche Identitätsgruppen, technologische Verlagerung von Arbeitsplätzen und Unterdrückung von Meinungsverschiedenheiten, von der Regierung unterstützte Konflikte sowie wirtschaftliche Ungleichheit und Verschuldung nehmen zu.
    Das Wachstum der globalen Mittelschicht, die Fortschritte bei der Bekämpfung von Armut und Krankheit sowie die Trends bei den Bildungsleistungen gehen zurück. Das Verhältnis von Arbeitnehmern zu Rentnern, das Vertrauen in die Regierung, der Schutz von Minderheiten, das globale Demokratieniveau und die Presse- und Justizfreiheit sinken."
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    Am Earth Day, 22. April 2021, spricht Joe Biden von einer moralischen Verpflichtung zum Klimaschutz.
    Am 29. April, an Hermann Scheers 77. Geburtstag erklärt Biden dann seinen Bürger:innen nach den ersten 100 Tagen seiner Präsidentschaft seine Vision von einer Wiederherstellung des Mittelstands durch die Klimawende.
    Am selben Tag erklärt das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe das Klimagesetz von 2019 nach Klage von Klimaschützer:innen und Klimajurist:innen wie Felix Ekardt und Franziska Heß in Teilen als verfassungswidrig.
    IPG-Journal: [Verknüpfung]
    BUND: [Verknüpfung]
    Es war damals als Klimapaket verkündet und von Klimaaktivisten als Klimapäckchen bezeichnet worden. Das Gericht stellt fest, das Gesetz verstoße gegen die Grundgesetz-Artikel 2 und 20a, und bürde der nächsten Generation umso schwerere Pflichten auf, je weniger die jetzige zu schultern bereit sei - damit schränke es die Freiheiten der künftigen Generation zugunsten der jetzigen zu sehr ein; Zitat:

    "Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen. Subjektivrechtlich schützen die Grundrechte als intertemporale Freiheitssicherung vor einer einseitigen Verlagerung der durch Art. 20a GG aufgegebenen Treibhausgasminderungslast in die Zukunft. Auch der objektivrechtliche Schutzauftrag des Art. 20a GG schließt die Notwendigkeit ein, mit den natürlichen Lebensgrundlagen so sorgsam umzugehen und sie der Nachwelt in solchem Zustand zu hinterlassen, dass nachfolgende Generationen diese nicht nur um den Preis radikaler eigener Enthaltsamkeit weiter bewahren könnten.
    Die Schonung künftiger Freiheit verlangt auch, den Übergang zu Klimaneutralität rechtzeitig einzuleiten. Konkret erfordert dies, dass frühzeitig transparente Maßgaben für die weitere Ausgestaltung der Treibhausgasreduktion formuliert werden, die für die erforderlichen Entwicklungs- und Umsetzungsprozesse Orientierung bieten und diesen ein hinreichendes Maß an Entwicklungsdruck und Planungssicherheit vermitteln. [...]
    Der Staat kann sich seiner Verantwortung nicht durch den Hinweis auf die Treibhausgasemissionen in anderen Staaten entziehen. [...]
    Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind."
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    In der Zeit wird bei dieser Gelegenheit noch einmal ausführlich über den Begriff der Freiheit reflektiert, der in letzter Zeit in diesem Zusammenhang so oft überstrapaziert worden ist.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]

    Von allen Seiten (außer der AfD) gibt es Applaus - selbst von Seiten der Politiker, die für das verfassungswidrige Gesetz direkt oder indirekt verantwortlich sind.

    Scholz (SPD): "Lieber Kollege @peteraltmaier, nach meiner Erinnerung haben Sie und CDU/CSU genau das verhindert, was nun vom Bundesverfassungsgericht angemahnt wurde. Aber das können wir rasch korrigieren. Sind Sie dabei?"
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    Altmaier (CDU): "Ich kann mich gar nicht erinnern, dass die Kollegin Schulze überhaupt jemals in diesem Prozess auf mich persönlich zugekommen ist, weil die wesentlichen Weichenstellungen im Koalitionsausschuss unter Anwesenheit des Vizekanzlers und auch der SPD-Partei und Fraktionsführung verhandelt und beschlossen worden sind."
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    Das Hin- und Herschieben der Verantwortung erweckt nicht den Eindruck einer visionären, konsequenten und aufrechten Politik. Altmaier beschuldigt die Umweltministerin Schulze - als könnte diese auch nur einen Federstrich ohne Zustimmung der Klimaskeptiker in der CDU machen. Die umweltpolitische Sprecherin Marie-Luise Dött ist da deutlicher, nur wird sie kaum wahrgenommen: "Ich habe nicht den Eindruck, dass beim Klimaschutz was fehlt".
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    Es sei, so Dött, "für den heutigen Gesetzgeber beinahe unmöglich, bereits zehn Jahre im Voraus sektorscharfe Emissionsreduktionen und Klimaschutzmaßnahmen zu beschließen". So wie sie es vor 10 Jahren "sehr, sehr einleuchtend" fand, als US-Top-Klimaskeptiker Fred Singer bei einer Bundestags-Anhörung der Klimaforschung die Fähigkeit zu Klimaprognosen absprach. Aber 19 weitere Jahre Kohlekraft waren 2019 kein Problem für sie.
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    Disruption in der Politik - das ist gefährlich. Man hätte sie vermeiden können, indem man die Energiewende nicht blockiert, die PV-Industrie nicht der Auto-Exportpolitik geopfert und die Elektromobilität gefördert hätte. Langfristige Bindungen wie der Kohle-"Ausstieg", GAP, Nordstream 2 oder ECT berauben uns jetzt einfacher Handlungsoptionen für den unverzichtbaren Klimaschutz.

    125 Nobelpreis-Träger veröffentlichen auf dem Nobelpreisträger-Treffen eine Forderung nach sofortigen, durchgreifenden politischen Reformen für den Schutz von Klima und Biosphäre.
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    Mai

    In Deutschland ist es einfacher, vom windstromreichen Norden eine Stromtrasse durch die Nordsee nach Norwegen zu ziehen, als auf dem Landweg nach Bayern. Tennet nimmt die Trasse NordLink in Betrieb, die je nach Bedarf norwegischen Wasserstrom nach Süden oder deutschen Überschussstrom nach Norden fließen lässt.

    Über Deutschland treffen (nicht zum ersten Mal in einem Klimakrisen-Frühjahr) wochenlang polare auf feuchtwarme Luftmassen und verursachen Starkregen, Hagel und Gewitter. Auch das veranlasst Klimaskeptiker wieder zu einem Versuch, die öffentliche Meinung zu beeinflussen.

    Nach dem deutlichen Preissignal für PV im letzten Herbst fordert die IEA jetzt das Ende weiterer Investitionen in fossile Energien. Die Experten warnen jetzt offiziell vor stranded assets (gestrandeten Geldanlagen), und prognostizieren einen baldigen Rückgang der unkonventionellen Ölförderung. Diese werde durch einen Preisverfall unrentabel, und die konventionelle sei konkurrenzfähiger. Die globale Energiewende sorge für viele Millionen von Arbeitsplätzen.
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    Nach der Verurteilung zu Schadensersatz für Opfer der nigerianischen Ölförderung im Januar muss der Ölkonzern Shell ein weiteres Urteil eines niederländischen Gerichts hinnehmen. Er wird verurteilt, bis 2030 für eine 45%-Reduktion der CO2-Emissionen von 2019 zu sorgen - auch bei seinen Konsumenten.
    Am selben Tag werden bei Chevron Regeln zur Reduktion der CO2-Emissionen beschlossen, und in den Vorstand von Exxon werden gegen den Widerstand des Vorstandsvorsitzenden Darren Woods zwei Klimaschutz-Aktivisten gewählt, auf Betreiben des Vermögensverwalters BlackRock.
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    Juni

    Der EuGH verurteilt Deutschland wegen Gefährdung der Bevölkerung durch Stickoxide.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der Dieselskandal hatte die deutschen Autohersteller in den USA zig Milliarden gekostet. In Deutschland löste er wenig mehr aus als einen Schutzreflex der Politik gegen negative Konsequenzen für die Industrie. Im Gegenteil, mit einer Abwrackprämie wurden viele Kunden motiviert, vom Diesel auf einen Benziner umzusteigen statt auf ein elektrisches Auto. Obwohl die Diskussion der Technologie bei Experten längst pro Akku-Auto abgeschlossen war, tat eine unnötige Technologieoffenheits-Debatte ihr Übriges dazu, die Kunden vom Elektroauto abzuhalten. Die Stickoxid-Belastung stieg weiter - bis zum pandemiebedingten Lockdown auch der Diesel-PKW in der Corona-Krise.

    Die von der Strompreis-Kampagne bekannte INSM betreibt die 10-Verbote-Religionskampagne, in der sie die üblichen Ängste vor Freiheitseinschränkungen schürt: Annalena Baerbock wird in einem jüdisch anmutenden Gewand mit 2 Steintafeln präsentiert, auf denen 10 denkbar stereotyp formulierte Verbote notiert sind - eine Anspielung auf die jüdischen 10 Gebote.
    Die INSM nutzt den Ärger über die erratische Corona-Verbotspolitik der Regierung und lenkt ihn geschickt um auf die Grünen. Dabei nutzt sie antisemitische Motive, die bei Verschwörungstheorien in der Corona-Krise oft zu hören waren, erklären u.a. der Politologe Michael Koß, der baden-württembergische Antisemitismus-Beauftragte Michael Blume und die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München, Charlotte Knobloch.
    Auch wenn manche Konservative dem INSM beispringen und Moses für alle drei monotheistischen Religionen vereinzunahmen versuchen, um so dem Vorwurf des Antisemitismus zu widersprechen: dieser Darstelung widersprechen katholische Medien und äußern sich kritisch.
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    Von überall außer rechts kommt heftige Kritik - nur aus der CDU kommt sie eher verhalten. Dort wird immer wieder mit zweierlei Maßen gemessen, wenn es um Antisemitismus geht.
    Zeit: [Verknüpfung]
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    Kurz darauf spricht auch CDU-Parteisekretär und Liminski-Freund Paul Ziemiak von Antisemitismus. Allerdings nicht im Zusammenhang mit dem INSM, sondern als Carolin Emcke (Friedenspreis des deutschen Buchhandels 2016) auf dem Grünen-Parteitag vor der Verunglimpfung von Klimaschützern warnte, weil sie dabei einen Vergleich mit der von Minderheiten und politisch Andersdenkenden in Nazi-Deutschland gezogen hat.
    Ziemiak empört sich heftig auf Twitter: "Das ist eine unglaubliche + geschichtsvergessene Entgleisung auf dem Parteitag der @Die_Gruenen. Ich erwarte von @abaerbock dazu heute absolute Klarheit! Beim Thema Antisemitismus darf es keinen Raum für Interpretation geben. Da gibt es nur Klartext!"
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    Viele Konservative stimmen ein, z.B. BILD, die Welt oder Julia Klöckner.
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    Doch der einzige nennenswerte Experte, der Emcke öffentlich kritisiert, ist Elio Adler von der Jüdischen Werteinitiative, der sich in BILD äußert: "Berechtigte Klimaanliegen zu verteidigen, indem man die Opfer jahrhundertelanger Verfolgung und Mordtaten instrumentalisiert, ist völlig inakzeptabel".
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    Dass Emckes Zitate völlig aus dem Zusammenhang gerissen und die Vorwürfe konstruiert sind, wird z.B. im Spiegel erklärt.
    Der Grünen-Abgeordnete Cem Özdemir lenkt dennoch ein: "Unsere Demokratie wird von vielen Seiten bedroht. Das hat Carolin Emcke in ihrer Rede sehr deutlich gemacht. [...] An einer Stelle war das aber in der Rede unglücklich formuliert. Vergleiche mit dem Hass, dem Menschen jüdischen Glaubens ausgesetzt sind, sind nicht angemessen."
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    Özdemirs Einlassung wäre gar nicht nötig gewesen, denn Ziemiak hat schließlich nach massivem Gegenwind aus der jüdischen Gemeinschaft seine Vorwürfe zurückgezogen.
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    Offensichtlich war Ziemiak und Klöckner keine Konstruktion zu abenteuerlich, um den Antisemitismus-Vorwurf für eine Verunglimpfung des Gegners zu instrumentalisieren. Sie demonstrieren offensiv eine Empfindlichkeit für Antisemitismus, die ihnen anderswo jedoch schmerzlich fehlt: von allen bedeutenden Beobachtern wird das Ferment des INSM gegen die Grünen klar als antisemitisch bezeichnet, doch die CDU-Parteispitze lässt es unkommentiert gären. Es irritiert doch sehr, dass man dort bisher kein einziges Wort darüber verloren hat. Das überlässt man dem weitgehend unbekannten CDU-Bundestagsabgeordneten Matthias Hauer, der forderte, die INSM solle ihre Kritik "sachlich-fundiert darlegen und nicht so armselig-plump". (Hauer ist im Bundestag Mitglied im Finanzausschuss, sowie im Ausschuss Digitale Agenda; in anderen Ausschüssen ist er stellvertretendes Mitglied.)
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    [Wikipedia 2021 - Matthias Hauer]
    Das ist nicht das einzige Beispiel für verzerrte Maßstäbe des Generalsekretärs der CDU, die sich gern als Partei von "Maß und Mitte" versteht, für Antisemitismus. Zur Bundestags-Kandidatur von Hans-Georg Maaßen, der u.a. wegen seiner verharmlosenden Äußerungen zu rechtsradikalen Straftaten in Chemnitz in den einstweiligen Ruhestand versetzt wurde, und der immer wieder offen antisemitische Codes von Rechtsextremen verbreitet, sagte Ziemiak jüngst noch zu BILD: "Herr Maaßen ist keine wichtige Frage für Deutschland".
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    Ende Juni kommt es zur Verabschiedung der Gemeinsamen Agrarpolitik (eines 400 Milliarden Euro schweren 7-Jahres-Plans) GAP (englisch CAP) durch den Europarat. Der ursprüngliche Vorschlag des EU-Parlaments, in dem die Grünen "aus irgendeinem Grund" stark vertreten sind, hatte die jahrzehntelang angekündigten ökologischen Reformen auf den Weg gebracht: v.a. stärkeres Aufbrechen der Kulturflächen durch Wildwiesenstreifen, Gehölze wie Hecken und Wälder, Einschränkung von Mineraldüngung und Pestizideinsatz, Schutz von natürlichen bzw. naturnahen Ökosystemen. Doch bei den Beratungen der Mitgliedstaaten im Europarat über diese Vorlage hat sich die Agrarlobby wieder durchgesetzt, besonders auf Betreiben der deutschen Fachministerin Julia Klöckner (CDU).
    Die Verbände für Umweltschutz und ökologische Landwirtschaft protestieren unisono.
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    Ihr Protest wird untermauert durch das vernichtende Gutachten einer breit angelegten Expertenkommission, die die Bundesregierung selbst 2019 zu einer Einschätzung beauftragt hat, die Zukunftskommission Landwirtschaft ZKL.

    Die Ergebnisse der ZKL stehen in einer Reihe mit allen unabhängigen agrarwissenschaftlichen Studien der letzten Jahre, die also nicht von Agrarkonzernen finanziert wurden. Sie alle zeigen, dass die profitorientierte, ökozide Agrarpolitik der Vergangenheit die Zukunft der Menschheit nicht sichert, sondern im Gegenteil gefährdet. Diese Studien sollten als Richtschnur der Koalitionsverhandlungen nach den Bundestagswahlen im Herbst dienen, und stehen im diametralen Gegensatz zur CAP, die wie gesagt bis 2027 gilt und entscheidend durch die CDU-Ministerin Julia Klöckner bestimmt wurde, und vom WBGU explizit als unzureichend für Klima- und Biodiversiätsschutz kritisiert wird.
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    Damit nicht genug für die Lobby des Bauernverbands, der die Interessen der industriellen Landwirtschaft vertritt. Im Winter 2023/24 werden wesentliche ökologische Reformen durch Bruch der FDP mit der Koalitionsvereinbarung und durch Federstrich der EU-Kommissionspräsidentin als Reaktion auf Bauernproteste gestrichen.

    Zwei Jahre nach der fachfremden und grob fehlerhaften Emissions-Vergleichsstudie zwischen EAuto und Diesel von Hans-Werner Sinn und Christoph Buchal bringt der VDI unter Federführung von Prof. Thomas Koch eine ähnliche Studie, die aber schnell als unseriös betrachtet wird - außer in rechtskonservativen Kreisen.

    Nocheinmal zweieinhalb Jahre später, Ende 2023, bringt der VDI eine dritte Emissions-Vergleichsstudie, dieses Mal mit dem Mariginalstromansatz. Auch hier beschränkt sich die positive Rezeption auf rechtskonservative Medien.

    Juli

    In Eifel und Ardennen kommt es zur größten deutschen Flutkatastrophe der Neuzeit, in Deutschland werden über 180 Menschen getötet.
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    Schon am 24. August präsentieren die Forscher:innen der Arbeitsgruppe World Weather Attribution den Abgleich der Flutkatastrophen-Daten mit ihren Klima-Simulationen (mit und ohne Klimawandel). Die Wahrscheinlichkeit für das Ereignis ist mit dem Klimawandel demnach signifikant gestiegen. Aus einem 2000-Jahre-Ereignis wurde ein 400-Jahre-Ereignis.
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    August

    ZDF-Umweltexperte Volker Angres spricht in mehreren Nachrichten-Interviews über die IPCC-Berichte im Vorfeld der COP in Glasgow vom Export moderner Kohlekraftwerke in Schwellenländer als probates Mittel im Klimaschutz, das vom IPCC gefordert werde: "Man nehme ein modernes, deutsches Kohlekraftwerk, baue es in Indien oder in Afrika. In Südafrika könnte man locker drei bis vier alte Kraftwerke dort stilllegen, die deutschen sind so gut, mit guten Wirkungsgraden. Das würde Klimaschutz großskalig voranbringen. Und genau das fordert der Weltklimarat." Kein Wort über das Verfehlen der Klimaziele in den Industrieländern.
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    Weder fordert der Klimarat moderne Kohlekraftwerke in Schwellenländern - im Gegenteil, er fordert einen sofortigen Baustop. Noch spart er nicht mit Kritik an den Industrieländern, die ihre Verpflichtungen zum Klimaschutz nicht erfüllen. Die Interessengruppe Klima vor acht hat deshalb darüber beim ZDF eine Programmbeschwerde geführt.
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    Der Klimalügen-Detektor berichtet in Klimareporter über den weiteren Verlauf der Beschwerde. ZDF-Programmdirektor Thomas Bellut sieht keinen Verstoß gegen die Regeln des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.
    [Verknüpfung]
    Nach einer dezidierten Klarstellung aus dem Sekretariat des IPCC hört Klimalügen-Detektor noch einmal bei der ZDF-Pressestelle nach: "Das sei alles ein „Missverständnis“, lässt Angres ausrichten. Sein Satz „Und genau das fordert der Weltklimarat“ – siehe Zitat oben – habe sich gar nicht auf den Neubau von Kohlekraftwerken bezogen. Sondern nur darauf, dass man jetzt „Klimaschutz großskalig voranbringen“ müsse."
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Volker Angres - Kontroversen]

    Der Energiecharta-Vertrag ECT wurde 1991 geheim zwischen Industriestaaten ausgehandelt und hebelte ab 1998 die nationalen Umweltgesetze aus. Er ermöglicht es fossilen Profiteuren, die Unterzeichnerstaaten vor privaten Schiedsgerichten auf Schadenersatz zu verklagen. Selbst nach Austritt besteht diese Klagemöglichkeit noch 20 Jahre. 2016 war Italien ausgetreten.
    Am 02. September stellt der Europäische Gerichtshof EuGH in Den Haag fest, dass die Klagemöglichkeit zwischen EU-Staaten unwirksam ist. In Deutschland gibt es bisher nur eine Absichtserklärung der Ampel-Koalitionspartner, die aber von der FDP an einen Abschluss des bei Grünen umstrittenen CETA-Abkommens gekoppelt ist. Nachdem die FDP bereits mehrfach Vereinbarungen mit den Grünen gebrochen hat, ist das eine sehr unsichere Position. Deutschland wird regelmäßig wegen Verstößen gegen EU-Regeln zu Strafzahlungen verurteilt - man kann auch sagen, es kauft sich davon frei. D.h. fossile Firmen können weiterhin von Schiedsgerichten Ausgleichszahlungen zugesprochen bekommen, für die der Steuerzahler aufkommen muss - genauso wie für die Strafzahlungen an die EU.
    [Verknüpfung]

    Im Herbst 2022 treten zuerst Polen und Spanien, dann die Niederlande (ein starker Antreiber der Schiedsgerichte) und Frankreich aus. Deutschland bleibt weiter im Vertrag. Der Vorsitzende des Umweltausschusses im Europaparlament und Macron-Vertraute Pascal Confin zeigt sich verständnislos.


    Wir haben auf die Deutschen gewartet, aber es wurde immer alberner, die Verkündung der Entscheidung [zum Austritt aus dem ECT] hinauszuzögern.
    Pascal Confin
    Handelsblatt: [Verknüpfung]
    telepolis: [Verknüpfung]

    Oktober

    Die BBC berichtet von einem Whistleblower, der aufdeckt, wie Regierungen die Berichte des IPCC zu manipulieren versuchen.
    [Verknüpfung]
    Das IPCC war 1988 auf Druck des neoliberalen republikanischen US-Präsidenten Ronald Reagan von Anfang an als Hybridgremium aus Wissenschaftlern und Regierungsvertreter:innen angelegt worden. Die Vorhersagen wurden seitdem immer als Bereich angegeben, der entlang der Zeitachse immer breiter wurde. Ein solcher Unsicherheitsbereich ist in der Wissenschaft durchaus üblich, und bietet Anlass für die bekannten Diskussionen. Die Optimisten gehen von den unteren Werten aus, die Pessimisten sind alarmiert.
    Die Temperatur-Messungen seitdem liegen durchweg im oberen Vorhersagebereich der IPCC-Prognosen, die sich also als zu optimistisch herausgestellt haben.
    Interne Studien von Exxon 1984 dagegen geben einen ziemlich engen Bereich an, in dessen Mitte die Messwerte für CO2 und Temperatur von 2020 liegen. Exxon wusste also nicht nur bescheid, Exxon wusste besser bescheid als die, die sich auf den IPCC-Report verließen.

    Am 28.10. sind die Chefs der großen US-Ölfirmen vor einen Kongress-Ausschuss geladen, um zum Vorwurf von jahrzehntelangen Klima-Desinformationskampagnen Stellung zu nehmen. CBS interviewt dazu auch die Wissenschafts-Kommunikationsexpertin Naomi Oreskes, die sich bei der Überführung von Klimaspektikern verdient gemacht hat.
    [CBS 2021]
    [Verknüpfung]
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    Im Vorfeld diskutierte Oreskes' Kollege Geoffrey Supran mit Patti Lynn von der NGO Corporate Accountability das Thema in der Los Angeles Times.
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    Beobachter sprechen in Erinnerung an die Aufarbeitung der Tabak-Desinformation von einem "big tobacco moment".
    [Verknüpfung]
    UN-Generalsekretär Antono Guterres fordert 2023 vor dem World Economic Forum, die Öl-Manager zur Verantwortung zu ziehen.
    [Verknüpfung]
    Ähnliche Diskussionen und Prozesse sind auch bei uns zu erwarten.

    Vor dem UN-Klimagipfel COP26 in Glasgow sprechen sich über 400 Wissenschaftler gegen eine Kriminalisierung friedlicher Formen zivilen Ungehorsams im Klimaschutz aus.
    [Verknüpfung]
    In ihrem letzten Interview als Kanzlerin mit der Deutschen Welle fordert Angela Merkel die Jugend auf, für Klimaschutz "Druck zu machen".


    [...] die Warnungen des IPCC [sind] immer warnender und immer bedrohlicher geworden. [...] Wir müssen sehr, sehr viel schneller werden. [...] Und da sage ich den jungen Leuten: sie müssen Druck machen, und wir müssen schneller werden. [...] Wir müssen wieder den wissenschaftlichen Einschätzungen folgen.
    Angela Merkel
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    Währenddessen werden die Hoffnungen der Klimaschützer:innen auf eine beherzte US-Klimapolitik unter dem demokratischen Präsidenten Joe Biden bitter enttäuscht. Der Senator von West Virginia Joe Manchin ist als Demokrat zwar Parteigänger von Biden, als Kohle-Profiteur bedient er jedoch gerne die ellenlange Reihe von Firmen, die bei ihm lobbyieren, und kippt das haarscharfe Votum für den Green New Deal zu Gunsten der fossilen Profiteure.
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    Das who-is-who der internationalen Fossilprofiteure in Manchins Lobby: [Verknüpfung]
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    Man muss sich nicht wundern - der Kohlestaat West Virgina ist zwar traditionell demokratisch, doch vertritt Manchin eher die autoritären Werte von Alt-Right als die der typischen Demokraten von Ost- und Westküste. In der Ära der Klimadiskussion hat sich das Wahlverhalten in West Virginia komplett gedreht: Trump hatte 2020 gegenüber Biden 40% Vorsprung.
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    Im Herbst 2022 wird nach langem Hin und Her in letzter Minute eine Minimalversion des Green New Deal beschlossen, die nicht einmal den Namen verdient.

    Frank Schirrmacher war bis zu seinem frühen Tod 2015 Herausgeber der FAZ. Er war bekannt für seinen Einsatz gegen den Machtmissbrauch der Tech-Giganten, weshalb die US-Professorin Shoshana Zuboff Mitgründerin der Frank-Schirrmacher-Stiftung wurde. Sie ist nicht mehr dabei, als die Stiftung im Dezember 2021 dem radikal neolibertären Tech-Investor und Trump-Unterstützer Peter Thiel den Frank-Schirrmacher-Preis verlieh - sie wäre sonst sicher spätestens dann ausgetreten. Auch der Namensgeber wäre darüber nicht begeistert, meint der Autor Timo Daum im Interview mit Deutschlandfunk Kultur.
    Deutschlandfunk Kultur: [Verknüpfung]
    2014 war Schirrmacher Herausgeber von "Technologischer Totalitarismus", in dem etliche Intellektuelle das Thema beleuchteten.
    Perlentaucher: [Verknüpfung]
    Im Vorstand sitzen jetzt die wichtigsten deutschsprachigen konservativen Medienvertreter Matthias Döpfner (Springer: BILD, Welt), Jürgen Kaube (FAZ) und Martin Meyer (NZZ), die Laudatio hält der Thiel-Adlatus Sebastian Kurz. Thiel selbst hielt eine peinliche Rede, die den inhaltlichen Standards von FAZ und NZZ nicht ansatzweise entspricht, weil sie ebenso kryptisch-religiös wie populistisch-platt daherkommt. Sie offenbart tiefsitzende Ängste, und wälzt massive rechtspopulistische Ressentiments.


    Hinter der Tür Nummer eins: islamische Theokratie, jede Frau ist gezwungen, eine Burka zu tragen. Hinter der Tür Nummer zwei: chinesischer Überwachungskommunismus, jede Bewegung von jeder Person wird jederzeit von einer zentralen KI registriert. Schließlich, hinter der Tür Nummer drei: Gretas grüne Zukunft, jeder fährt Fahrrad. [...] Neue Ideen sind gefährlich. Aber wir werden sie brauchen für unsere Rettung. Wir sollten auch nicht vergessen, dass die Parole des Antichrist 'Frieden und Sicherheit' lautet. Und heute müssen wir eher den Antichrist fürchten als Armageddon.
    Peter Thiel
    Die Rede im Wortlaut bei NZZ: [Verknüpfung]

    Dirk Peitz kommentiert die Rede in der Zeit so:

    "[...] an diesem Punkt kommt man zu der erstaunlichen Rolle Thiels [als Preisträger] und der Frage, ob er mehr als ein Investor ist, nämlich womöglich ein öffentlicher Intellektueller, ein Denker gar, und was genau er eigentlich denkt. Die Antwort darauf hat seine Berliner Rede nur bedingt leichter gemacht."
    Zeit: [Verknüpfung]
    Nicht verwunderlich, dass sich 2018 in der Welt sich mit Professor Horst Wildemann ein Fürsprecher für Tech-Monopole findet: der Staat solle ihren Nutzen erkennen, und nur im Notfall regulieren.
    Welt: [Verknüpfung]

    Der US-Weihnachts-Blockbuster 2021 handelt von der Entdeckung eines Asteroiden, und der Unfähigkeit der Menschheit, trotz bester technischer Möglichkeiten Gegenmaßnahmen zu treffen - nur um die vage Aussicht eines einzelnen Superreichen auf neue Profite zu befriedigen. Die korrupte US-Präsidentin ruft ihre Anhängerschaft angesichts des deutlich am Himmel sichtbaren Erdkillers nicht nach oben zu schauen: "Don't Look up!" - das ist der Titel des Films. Die Analogie zum Umgang der Klimaskeptiker mit der Klimakrise ist überdeutlich.


    2022

    Die NGOs Patriotic Millionaires, Oxfam u.a. berechnen im Januar den Effekt einer bescheidenen Reichen-Steuer, die eine Progression von 2-5% vorsieht. Die Ergebnisse zeigen sehr anschaulich, wie weit die Ungleichverteilung vorangeschritten ist.
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    A wealth tax of 2% on the world’s millionaires, 3% on those with wealth above $50 million and 5% on the worlds billionaires would raise $2.52 trillion dollars annually. This would be enough to lift 2.3 billion people out of poverty, make enough vaccines for the whole world, and deliver universal health care and social protection for all the citizens of low and lower middle-income countries (3.6 billion people).
    patrioticmillionaires.org
    Studienergebnisse als Pdf-Datei: [Verknüpfung]

    Die Patriotic Millionaires gehören zum Netzwerk in tax we trust.

    Es ist sicher für viele eine Überraschung, dass eine Verschleppung der Energiewende auch zu einer Krise der Energieversorgung beitragen könnte. In der Entspannungsphase in der Corona-Krise steigen die Energiepreise seit Monaten weit schneller, als die geplanten Klimaschutz-Maßnahmen eigentlich vorsahen. Denn die Förderländer, allen voran Russland, nutzen die hohe Nachfragesteigerung für eine Preisexplosion, indem sie einfach die Fördermengen nicht erhöhen. Hinzu kommen weitere ungünstige Umstände wie Ausfälle französischer Kraftwerke, der Brand eines Überseekabels im Ärmelkanal und einer Windflaute an der Atlantikküste, die von Yale Climate Connections erklärt werden.
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    Auch die Wirtschaftswoche diskutiert die Ursachen.
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    Der BGR-Geophysiker Dieter Franke nennt auf dem 4Pi-Klima-Symposium (veranstaltet vom Klimaskeptiker Ganteför) als Hauptgrund das dürrebedingt geringe Wasserkraft-Potential in Brasilien, das die Gasnachfrage enorm gesteigert hat.
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    Dass ein Großteil der deutschen Saison-Gasspeicher nur geringe Reserven aufweist und damit das Problem verschärft, ist kein Wunder. Der Gaslieferant Gazprom hatte sie nach und nach über Tochterfirmen aufgekauft, zu Beginn des Ukraine-Kriegs kontrolliert er ein Viertel der Gasspeicher-Kapazität.
    Populistische Politiker aus CDU und AfD jedoch nutzen die Gunst der Stunde für eine dreiste Verdrehung. Sie machen CO2-Preise für den Preisanstieg verantwortlich, obwohl diese noch viel zu gering sind, als dass sie eine deutliche Lenkungswirkung zeigen könnten. Die Stadtwerke Detmold z.B. geben für den CO2-Preisaufschlag weniger als einen halben Cent pro kWh an.
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    Zwischen März 2021 und 2022 stieg die CO2-Steuer (am Jahreswechsel) um einen Cent, während der Gesamtpreis um 70 Cent ansteigt.
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    Der australische Ministerpräsident Scott Morrison will das Great Barrier Reef, von dem 64.000 Arbeitsplätze abhängen, kurz vor den Wahlen mit einer zusätzlichen Milliarde AUS-$ schützen, nachdem er bereits vor Jahren zwei Milliarden bereitgestellt hat: das Geld wird eingesetzt, um schädliche Seeigel einzusammeln und die Dünger-Emissionen der Landwirtschaft zu verringern. Dünger ist für Korallen tatsächlich ein Problem, das davon abgesehen viel zu selten adressiert wird. Aber gegen die Klimakrise tut Klimaskeptiker und Kohle-Protektionist Morrison weiterhin nichts.
    [Verknüpfung]

    Weltweit, sogar in den USA, bahnt sich eine Transformation an, die früher oder später mit der Unabhängigkeit von Öl und Gas einhergehen wird. Der Ex-KGB-Offizier Wladimir Putin hat dort als Mittel dagegen seit Jahren über "soziale" Medien die Spaltung der Zivilgesellschaften betrieben und rechtskonservative bis autoritäre Politiker unterstützt, die eine isolationistische Politik betreiben, getreu Machiavellis "divide et impera". Die Reste des zerfallenen russischen Imperiums hat er bisher mit brutalster Waffengewalt, auch gegen Zivilisten, zusammenhalten können. Die dortigen Machthaber von Putins Gnaden sind gefürchtete Diktatoren, die vor schlimmsten Verletzungen der Menschenrechte nicht zurückschrecken, wie Baschar al-Assad in Syrien und Ramsan Kadyrow in Tschetschenien.
    ZDF: [Verknüpfung]
    Von dort rekrutiert Putin Söldnertruppen, die zu allem bereit sind, und die auch im Globalen Süden einen imperialistischen Machtanspruch Russlands vertreten. Auch diese Soldaten werden u.a. mit deutschem Geld für russisches Öl und Gas bezahlt.
    RND: [Verknüpfung]
    Putin, der sich seit Corona-Zeiten in Isolation befindet, verfolgt weiter seinen Plan von einem Wiederaufbau des Sowjet-Imperiums. Nur noch die Ukraine, deren Unabhängigkeitsbewegung seit 2004 mit US-Geldern unterstützt wird, versucht weiter den Anschluss an den Westen, was die Stabilität des Weltfriedens bedroht.

    Der Historiker Andreas Kappeler erkennt in der ukrainischen Absetzbewegung vom russischen Imperium die Fortsetzung einer langen Geschichte.
    t-online: [Verknüpfung]
    Die USA sind an der Entwicklung nicht unbeteiligt. Ein Verzicht auf die NATO-Osterweiterung wurde Boris Jelzin zwar mündlich zugesagt, aber Schritt für Schritt betrieben. Die Nervosität Russlands wurde an dem Mordversuch am prowestlichen Politiker Juschtschenko deutlich, der die Orangene Revolution gegen den prorussischen Präsidenten Janukowytsch auslöste. Die von den USA unterstützten antirussischen Maidan-Proteste 2013 waren dann der Auslöser für die Annexion der Krim.
    [Wikipedia 2020 -Russland - Beziehungen zur Ukraine]
    [Wikipedia 2023 - Orange Revolution]
    [Wikipedia 2020 - Euromaidan]

    Aus der russischen Bedrohung der Ukraine, die die meisten Europäer inclusive Politiker nicht wahrhaben wollten, ist im Februar 2022 ein blutiger Krieg geworden, auch wieder gegen die Zivilbevölkerung. Es geht um den Machterhalt der Oligarchen um Putin, die sich in den postsowjetischen Wirren die Eigentumsrechte (claims) an den fossilen Brennstoffen gesichert haben, und mit Unterstützung der fossilen Industrienationen zu märchenhaftem Reichtum ummünzen konnten. Die russische Propaganda stilisiert den Konflikt jedoch als Glaubenskrieg von, wie Putin sagt, "ukrainischen Nazis" gegen das russische Volk. Putin erklärt seinen blutigen Feldzug als Sondereinsatz zur Ent-Nazifizierung. Die russische Propaganda beschuldigt ukrainische Juden [sic!] der Übergriffe auf christliche Russen. Wer dieser Propaganda widerspricht, muss schwere Strafen bis zu mehrjähriger Haft befürchten. Damit hat Putin endgültig die Wandlung zum Diktator vollzogen.
    Der US-Historiker und Träger des Hannah-Arendt-Preises Timothy Snyder nennt 15 Gründe, warum der Westen einen ukrainischen Sieg unterstützen sollte.
    [Verknüpfung]
    Besonders tragisch: sowohl wesentliche Teile der ukrainischen Regierung als auch ein Großteil der russischen Oligarchie sind jüdischen Glaubens. Israel, das beiden Seiten verbunden ist, wird damit unweigerlich in den Konflikt hineingezogen. Der katastrophale, aber überwunden geglaubte Antisemitismus lebt hier wie dort wieder auf. Die kulturelle und historische Tragweite dieser dummen Instrumentalisierung von Religion ist nicht abzusehen. Alle Nationen europäischer Tradition starren seit Jahrzehnten angewidert auf das Wiederaufflammen des Islamismus, das sie selbst provoziert haben - und waren doch nicht in der Lage, ihre eigenen religiösen Fundamentalismen zu überwinden.
    Ganz unmittelbar ist damit jedenfalls die deutsche und damit auch europäische Ostpolitik seit Willy Brandts Kniefall von Warschau 1970 gescheitert, die die Russland-Beziehungen vor allem mittels Bezug fossiler Rohstoffe stabilisieren wollte. Putin hat immer weniger einen Hehl daraus gemacht, dass er das Ende des Sowjet-Imperiums und die Ausbreitung der westlichen Demokratien als Demütigung, und Sympathien für den grausamen Diktator Stalin empfand.
    Deutschland verabschiedet sich zunächst verbal von seiner Nachkriegs-Doktrin, Waffen in Kriegsgebiete zu liefern. Der Politologe Herfried Münkler weist darauf hin, dass Trump Putin unterstützt, und warnt vor der Einflussnahme eines starken Russlands auf die deutsche Energiewende - die über die SPD wohl auch schon lange vorher stattgefunden hat.


    Ich wüsste jetzt nicht, was die Alternative wäre, außer der, sich [Putin] zu unterwerfen und immer wieder, vor welchen Entscheidungen auch immer, in Moskau anzufragen, ob das genehm ist. Das würde dann im Übrigen auch natürlich für die Energiefragen zutreffen, bei denen man in Moskau anfragen muss, ob man Windräder aufstellen darf, ob man Sonnenenergie nutzen darf - oder aber, ob man in Abhängigkeit von russischen Erdgaslieferungen bleiben muss.
    Herfried Münkler
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    Der Kanzler Olaf Scholz spricht von einer "Zeitenwende. Das belegt FDP-Chef Christian Lindner, indem er in einer Art energiepolitischen Bekehrungsmoment über die Erneuerbaren sogar von "Freiheitsenergien" spricht.
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    Kurze Zeit später beklagt sich der ukrainische Ministerpräsident Selensky bitter in einer Videoübertragung in den Bundestag über die zögerliche Haltung der Bundesregierung: ihr gehe es nur um "Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft."
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    Nicht nur von Vertretern der Ukraine wird das Tempo der Waffenlieferungen aus Deutschland vielfach kritisiert. Deutschland befindet sich in einer fatalen Abhängigkeit von russischen Energielieferungen.

    März

    Mitte März die machen Mineralöl-Konzerne (zu deren Besitzern auch russische Oligarchen zählen), in einer offensichtlichen Absprache einen kräftigen Preisaufschlag - obwohl der Rohölpreis gerade fällt.


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    Das IPCC veröffentlicht wie angekündigt den sechsten Klima-Sachstandsbericht, den Assessment Report 6 AR6. Der Termin fällt in die ersten Kriegstage und findet kaum Beachtung. Die ukrainische Delegation nimmt an der Zoom-Konferenz teil, während Kiew mit Raketen beschossen wird. Ihre Leiterin hält dabei eine denkwürdige Rede.


    The money that is funding this aggression comes from the same [place] as climate change does: fossil fuels. If we didn’t depend on fossil fuels, [Russia] would not have money to make this aggression. [...]
    If any big country can just take its neighbor, with rich soil, good water management, and good forests, we cannot deal with climate change. If we lose, all other countries lose. Because they will not stop.
    Swetlana Krakowska

    36% der russischen Staatseinnahmen basieren auf dem Export fossiler Brennstoffe.
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    In derselben IPCC-Sitzung bedauert Oleg Anisimow, der Leiter der russischen Delegation, dass seine Regierung den Krieg begonnen habe.

    Der Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung Heribert Prantl beobachtet und kommentiert die Fehlentwicklungen des Neoliberalismus seit Langem. Schon vor der Subprime-Krise brachte er 2006 mit dem Bestseller "Kein schöner Land" das Thema Ungleichverteilung in die bürgerliche Diskussion.
    Während des Ukraine-Krieges, geht er wieder in die Kontroverse. Am 05.03.2022 diskutiert er in DLF Streitkultur mit Heike Göbel, langjährige Ressortchefin Wirtschaft in der wirtschaftsnahen und konservativen FAZ, zum Thema "Eigentum verpflichtet", moderiert von Andreas Beckmann.
    Das Thema ist ein Zitat aus dem Grundgesetz. Dort wird in Artikel 14 nicht nur der Schutz von Eigentum festgeschrieben, sondern auch festgestellt, dass "Eigentum verpflichtet zum Wohle der Allgemeinheit", also zum Gemeinwohl beizutragen.

    Prantl: "Dass Demokratie nur in und mit einem Sozialstaat zu machen ist. [...] Dieser Sozialstaat ist sehr viel mehr, so viel mehr als ein Almosenstaat. Er sorgt dafür, dass der Mensch reale, nicht nur formale Chancen hat. Eigentum verpflichtet, d.h. es reicht nicht wenn Lebensmittel, die sonst im Müll landen würden, einer Organisation übergeben werden, die sie dann an Bedürftige verteilt. [...] Jede Tafel ist eine Anklage, die Überschrift der Anklage lautet: das unerfüllte Grundgesetz. [...] Ich denke, wir brauchen mehr Umverteilung zum Zwecke der sozialen Grundsicherung, zur Herstellung gleicher Lebenschancen, und das ist kein sozialistischer Restposten, kein Sozial-Klimbim, kein Gedöns, sondern demokratisches Gebot."
    Göbel: "Ich würde auch gerne sagen, dass der erste Absatz [...] des Artikel 14 ist, dass Eigentum verpflichtet, der erste Satz ist „das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet“. [...] Der unverhandelbare Kern ist der Schutz des Eigentums. Und aus meiner Sicht gerät der in letzter Zeit doch durch verschiedene Eingriffe in Gefahr. [...] Der Berliner Mieten-Deckel [...] war ein sehr scharfer Eingriff [...], die Vergesellschaftungs-Initiative ist eine Sache, die mir Sorgen macht. Die leichtfertige Debatte darüber, ob man die Patente [auf] Impfstoffe [...] einfach weiterreichen sollte, sogar müsste, [...] damit sie allen zu gute kommen, das sind alles Eingriffe ins Eigentum, die mir Sorgen machen. [...] Aus meiner Sicht ist die Sozialbindung des Eigentums sehr gut gewährleistet."
    Prantl: "Natürlich ist es richtig und wichtig, dass Eigentum und Erbrecht gewährleistet werden. Aber es wird [...] sozial eingehegt im Absatz 2 „Eigentum verpflichtet“. Ich bin nicht unbedingt flammender Befürworter dieser Enteigungs-Initiative, aber ich meine es zeigt doch, und die von Frau Göbel beklagte Tatsache dass so viele zugestimmt haben, wie groß der Druck in Berlin ist. Die Mieter werden doch durch ständige Mieterhöhungen enteignet. Sie haben immer weniger Geld für's Auskommen im Alltag. Und Mietpreisbremse, Mietrechtsänderungsgesetze, Milieuschutzsatzungen, städtebauliche Entwicklungsmaßnahmen haben fast nichts bewirkt. Deswegen sind ja so viele Menschen für radikale Maßnahmen offen. Und diese radikalen Maßnahmen sind eine Folge dessen, dass Politik wenig getan hat. [...] Die Stadt darf keine Goldgrube für Spekulanten sein."
    Göbel kontert zum ersten Mal mit dem Vorwurf, dass keine weiteren Bauflächen wie das Tempelhofer Feld ausgewiesen werden, auch einen Streit in Frankfurt um Bauland führt sie an. Leider kontert weder Herr Prantl noch der Moderator Matthias Beckmann mit dem drängenden ökologischen Problem des Artenschutzes, das der Ausweisung neuer Bauflächen im Wege steht. Auch die massenhaften Leerstände von Spekulations-Immobilien werden nicht thematisiert.
    Beckmann: "Der Spiegel hat vor Kurzem eine Umfrage veröffentlicht, nach der die 16-29-Jährigen, jedenfalls deren Mehrheit, nicht mehr glaubt, dass die Versprechen der sozialen Marktwirtschaft sich noch für sie erfüllen werden. Verspielt da unsere Wirtschaftsordnung schleichend ihre Legitimation, Herr Prantl?"
    Prantl: "Ich denke schon, und ich glaube auch, dass die soziale Gerechtigkeit in der Pandemie, an der wir in den letzten 2 Jahren gelitten haben, [...] viel zu kurz gekommen ist. Sozial gerecht ist, hat neulich die VdK-Präsidentin Verena Bentele formuliert, [...] wenn die Gewinner der Pandemie für ihre Kosten aufkommen. [...] Sozial Benachteiligte haben am häufigsten schwere Verläufe, und von ihnen sterben überdurchschnittllich viele an Corona. Die Chancen der Kinder auf Bildung, die ja ein besseres Leben ermöglicht, sind in der Pandemie weiter gesunken. Der Reichtum hat sich gleichzeitig weiter vermehrt. Deswegen [...] ist es schon gut, [...] wenn [...] über höhere Erbschaftssteuer nachgedacht wird, wenn über eine Vermögenssteuer nachgedacht wird. Das Vermögen wird ja [...] durch den Staat und seine Rechtsordnung gesichert. Deswegen glaube ich kann und soll es auch besteuert werden."
    Göbel: "[...] Aus meiner Sicht hat sich der Sozialstaat in der Pandemie wirklich bewährt. Wir haben in sehr großem Maße Arbeitsplätze stabilisiert durch eine starke Ausweitung der Unterstützung auch über Kurzarbeit und Anderes. Wir haben Selbstständige unterstützt. Wir haben in sehr hohem Maße gezeigt, dass dieser Sozialstaat über Reserven verfügt [...]. Vielleicht muss dieser Sozialstaat zielführender werden [...]. Ich glaube nicht, dass uns viel geholfen wäre, wenn wir eine Vermögenssteuer einführen - sie wissen, die großen Vermögen sind überwiegend betrieblich gebunden. D.h. sie schaffen die Arbeitsplätze, [...] sie schaffen die Steuern und Abgaben aus ihren Erträgen, [...] die wir jetzt auch wieder in die Hand nehmen wollen und wahrscheinlich auch können, um die Klimawende zu finanzieren. Und da jetzt zu noch zu fordern, die Steuern zu erhöhen, das [...] halte ich für vollkommen den falschen Weg."
    Beckmann: "Aber wenn Sie sagen, der Sozialstaat müsste zielgerichteter sein. Muss es vielleicht nicht unbedingt der Sozialstaat richten, der ja am Ende repariert, was vielleicht durch Eigentümerentscheidungen erst verursacht wurde. Muss vielleicht die Kontrolle von Eigentum oder der Einfluss auf Eigentümer durch den Staat zielgerichteter sein?"
    Göbel: "Aus meiner Sicht haben wir eine sehr starke Sozialbindung des Eigentums. [...] Sie können ja über das Eigentum wrklich nur im Rahmen sehr enger und immer detaillierterer Vorschriften verfügen. [...] Da werden die Regeln auch immer strikter, sei es [...] was Arbeitsanschutz angeht, Umweltschutz, Klimaschutz. [...] Ich hab' manchmal den Eindruck, dass wir zuviel des Guten tun."
    Prantl: "Da bin ich jetzt, wie schon ausgeführt, schon wieder ganz anderer Ansicht:"


    Reichtum ist ja nicht per se amoralisch. Aber verwerflich ist parasitärer Reichtum, der vom Staat und von seiner Rechtsordnung profitiert, aber nur wenig dafür zahlen will und so öffentliche Armut schafft. Und das muss eine kluge Steuerpolitik verhindern.
    Heribert Prantl
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung] im Audiobeitrag bei 15’45‘‘ [Verknüpfung] im Audiobeitrag bei 15’45‘‘

    Prantl weiter:

    "Ich glaube, dass der Satz, den Ernst Wolfgang Böckenförde, der große Rechtsgelehrte 1995 in seinem Votum zur Vermögenssteuer geschrieben hat. Er hat geschrieben, dass die Sicherung unbegrenzter Eigentumsakkumulation nicht Inhalt der Eigentumsgarantie ist. Der Gesetzgeber [...] darf nicht zum Akkumulationsgehilfen werden. Die Ungleichheit [...] [darf] ein gewisses Maß nicht überschreiten [...], sonst geht sie über in Unfreiheit. Das muss der Sozialstaat verhindern. Vielleicht müssen die Maßnahmen zielgerichteter sein [...], aber wir haben keinen Zustand, der uns zufrieden sein lassen kann."
    Damit bezieht sich Prantl (wie Böckenförde) auf Immanuel Kant, und geht in Opposition zu Thomas Hobbes.

    Das Bundesamt für Naturschutz BfN veröffentlicht die Neuauflage der Roten Liste wirbelloser Tiere. Danach sind 26,2% der betrachteten Insektenarten im Bestand gefährdet, was auch den Zahlen des IPBES aus 2019 entspricht.
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    Im siegerländischen Hilchenbach wird am 28.03.2022 die erste deutsche industrielle Li-Akku-Recycling-Anlage der australisch-deutschen Kooperation Primobius eröffnet, die auf dem hydrometallurgischen (nasschemischen) LithoRec-Verfahren basiert. Im Gegensatz zu den bisherigen pyrometallurgischen (Trocken-) Verfahren liefert es sehr hohe Ausbeuten, auch an Lithiumsalzen, bei deutlich geringerem Energiebedarf.
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    April. Angesichts der erwarteten Ernteausfälle in der "Kornkammer Russlands", die auch große Teile Afrikas versorgt, forderten Neoliberale von Kriegsbeginn an das Aussetzen der ökologischen Landwirtschafts-Reformen. Am 06.04.2022 wird die Maßnahme von der Kommission mit Unterstützung des Rats und des Parlaments gegen massive Proteste durchgedrückt.
    Zu den Vorwürfen äußert sich im Deutschlandfunk der Vorsitzende des zuständigen Agrar-Ausschusses Norbert Linz von der EVP-Fraktion, der die CDU angehört, mit hanebüchenem Unsinn, der von sachkundigen Schüler:innen leicht widerlegt werden kann. Dass er an derart gewichtiger Position Entscheidungen derartiger Tragweite beeinflussen kann, und dass ihm in den Medien niemand widerspricht, ist ein weiterer Skandal.

    Mai. Der rechtskonservative australische Ministerpräsident und Klimaskeptiker Scott Morrison verliert die Wahlen, v.a. wegen seiner Politik im Sinne der Kohleindustrie. Die Desinformations-Kampagnen des Medien-Tycoons Rupert Murdoch konnten das nicht vehindern, denn Australien leidet in den letzten Jahren unter den Vorboten der globalen Klimakatastrophe wie kein anderer Kontinent.
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    Nach den Enthüllungen von Desiree Fixler, der entlassenen Nachhaltigkeitsbeauftragten der Fonds-Tochtergesellschaft der Deutschen Bank DWS, im August 2021 rumorte die Gerüchteküche über Greenwashing. Am 31.05.2022 endlich kommt es zu einer Razzia bei Deutsche Bank und DWS. Am nächsten Tag wird bekannt, dass DWS-Chef Asoka Wöhrmann seinen Posten verlieren wird.
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    Die Kriterien für sogenannte nachhaltige Finanzprodukte sollen für social corporate responsability, also gesellschaftliche Firmen-Verantwortung, stehen und heißen environmental, social und governance ESG. Diese Kriterien folgen zunächst dem Ansatz Best in Class. Deshalb kann z.B. die BASF-Tochter Wintershall DEA, die bisher große Mengen russischer Brennstoffe importierte, beste Ratings bekommen, weil sie mehr als die Konkurenz in CCS investieren. Damit soll in Zukunft ein Teil der Emissionen vermieden werden. Das setzt aber voraus, dass die Firma nicht vorher über das Platzen der Carbon Bubble, Klima-Schadenersatz-Klagen oder Verluste in Russland bankrott geht. Bis zu 5% Umsatz durch Rüstungsgeschäfte sind ebenfalls erlaubt, sonst wären sämtliche Autohersteller außen vor. Airbus produziert sowohl militärische als auch zivile Flugzeuge, kann mit den beiden genannten Regeln aber in ESG-Portfolios aufgenommen werden. Desiree Fixler hält selbst die neuen europäischen Regeln für unzureichend.
    Filmtip: ZDF Zoom. Grünes Geld - fragwürdige Geschäfte mit dem guten Gewissen. ZDF 2022
    ZDF Mediathek bis 28.09.2024: [Verknüpfung]
    Fixler berät jetzt die britische Regierung.
    [Verknüpfung]

    Juni. Die NGO PowerShift macht in einer Studie die geheimen Einflüsse der deutschen Automobilindustrie auf die deutsche Position im ökoziden Freihandelsabkommen Mercosur deutlich, wie auch die proaktive Begünstigung der Autoindustrie durch die Politik, was man als reverse lobbying bezeichnet. Zitat:

    "Zentral sind die Einfuhrzölle auf Autos und Autoteile, die der Mercosur und die EU spätestens 15 Jahre nach Inkrafttreten des Abkommens vollständig beseitigt haben müssen. Der Zollabbau beginnt nach einer Übergangsfrist von sieben Jahren. Weitere Vorzüge für die Autoindustrie betreffen die schrittweise Zollbeseitigung auf für sie wichtige mineralische Rohstoffe wie Eisen, Stahl, Kupfer, Blei oder Lithium. Daneben liberalisiert die EU die Einfuhr von Treibstoffen aus dem Mercosur: zum einen durch die Beseitigung von Zöllen auf Biodiesel, zum anderen durch eine Importquote für Bioethanol. Weitere Gewinne der Autoindustrie: Die Mercosur-Staaten verzichten weitgehend auf die Option von Exportsteuern auf wichtige Rohstoffe und gewähren großzügige Herkunftsregeln. Diese erlauben EU-Autofirmen die zollbegünstigte Einfuhr von Produkten in den Mercosur, die größere Bestandteile aus Drittstaaten enthalten dürfen, die wiederum häufig zu Niedriglöhnen produziert wurden. Ferner anerkennen die Mercosur-Staaten Tests und Zertifikate europäischer Autohersteller, die auf schwachen UN- oder EU-Regulierungen beruhen. Nicht zuletzt profitiert die Autoindustrie von den defizitären Schutzinstrumenten des Vertrags, die dessen soziale, ökologische und menschenrechtliche Risiken vorgeblich eindämmen sollen."
    [Verknüpfung]

    Der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung gibt die deutschen CO2-Budgets bis 2030 für das 1,5°- und das 1,75°-Ziel aus, und kritisiert die Politik als bei Weitem unzureichend für beide Ziele. Die Berechnungen werden seit Jahren angestellt, und die gesellschaftliche Diskussion wird seit dem Pariser Abkommen und noch mehr seit Fridays for Future immer heftiger.
    bundestag.de: [Verknüpfung]


    BMWK: [Verknüpfung]


    Pressemitteilung: [SRU 2022-2]
    Studie: [SRU 2022-1]

    Weil die Emissionen nicht schnell genug sinken und das Restbudget somit schneller zusammenschrumpft als erhofft, werden die Emissionspfade immer steiler.
    [Verknüpfung]
    Hier zum Vergleich die Zahlen aus 2017.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spektrum der Wissenschaft scilogs: [Verknüpfung]


    [Rahmstorf 2017]

    Auch die Lösungsvorschläge der Fossilökonomisten werden als untauglich kritisiert, zum Beispiel Carbon Dioxide Removal CDR (Negativemissionen), Zitat:

    "Die von IAM [Integrated Assessment Models] berechneten Emissionsreduktionspfade sind wissenschaftlich wertvoll, jedoch sollte beachtet werden, dass die praktische Umsetzung von negativen Emissionen in der klimarelevanten Größenordnung einiger Szenarien unter anderem aus folgenden Gründen fraglich ist:

    • Landbasierte Optionen (z. B. Aufforstung, BECCS) für negative Emissionen treffen auf bereits bestehende knappe Land- und Wasserverfügbarkeit: Erhebliche Zielkonflikte bestehen beispielsweise mit der Nahrungsmittelerzeugung, dem Natur- und Artenschutz oder traditionellen Landrechten [...].
    • Technische Optionen (z. B. DACCS): Diese bringen erhebliche finanzielle und energetische Kosten mit sich und es ist unsicher, wie sich die Kosten hierfür entwickeln werden.
    • Kein wirksames Verfahren ist bisher auch nur annähernd in klimarelevantem Ausmaß verfügbar.
    • Vor allem bei biologisch-basierten CDR-Verfahren wie Aufforstung ist die CO2-Speicherung nur temporär und gegen Störungen (wie z. B. Waldbrände oder Dürreperioden) anfällig; zudem ist die Bestimmung und Überwachung der Speicherleistung schwierig.
    • Gesellschaftliche Akzeptanz für die Umsetzung scheint in der notwendigen Größenordnung fraglich.

    Insgesamt zeigen diese Szenarien mögliche Lösungen unter den getroffenen Annahmen auf, eignen sich aber nicht notwendigerweise für eine Anwendung auf nationale Politik, da sie global optimierte Systeme und enorme Potenziale für CDR voraussetzen. Daher sollten vermehrt diejenigen Szenarien diskutiert werden, welche vermutlich unrealistisch hohe Bedarfe an CDR zur Erreichung der Klimaziele minimieren oder vermeiden. Diese erfordern jedoch alle eine noch größere sofortige Minderung der Emissionen im kommenden Jahrzehnt als Szenarien mit viel CDR, um das noch vorhandene CO2-Budget einzuhalten."

    Die Divestment-Entwicklung wird von der Fossilindustrie in den USA mittlerweile als derart bedrohlich angesehen, dass die Republikaner in verschiedenen Bundesstaaten (TX, AZ, IN, KY, MO, OH, OK, SD, WV, WY) für diverse gesetzliche Verbote eintreten oder bereits durchgesetzt haben.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Stöcker 2022-2]
    Dabei wünschen sich viele Pensionsfonds-Anleger klimafreundliche Anlagen.
    [Verknüpfung]
    Damit nicht genug: Mit GloriFi wurde eine "anti-woke" Bank exklusiv für fossile Investoren gegründet, denen die Wall Street zu links ist, Motto: "Wir sind eine Nation unter Gott." Schon 2022 ging sie insolvent.
    Zeit: [Pausch 2022]
    Eintreten für Klimaschutz wird von Republikaner:innen schon länger als woke diskreditiert, genauso wie das Eintreten für Geschlechtergerechtigkeit oder gegen lockere Waffengesetze. Deshalb werden die neuen Anti-Divestment-Gesetze auch als "Anti-Wokeness-Gesetze" bezeichnet.
    [Verknüpfung]
    Sie werden begleitet von den Anfängen einer rechtskonservativen Gleichschaltung im Bildungsbereich der USA. Seit Jahren erfolgt in den republikanisch regierten Bundesstaaten eine schrittweise Revision der Lehrpläne:

    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Auf welch infantilem Niveau die Debatte in den USA geführt wird, sieht man an der Aufregung republikanischer Politiker, als die Entwickler der XBox die Standardeinstellungen von Standby auf Ausschalten umgestellt haben.
    [Verknüpfung]

    Gleichzeitig hat der von Trump wesentlich umgestaltete oberste Gerichtshof die US-Umweltbehörde Environmental Protection Agency EPA in Klimafragen für nicht zuständig erklärt.
    Interessanterweise ist einer der von Trump eingesetzten Richter Neil Gorsuch, Sohn der ehemaligen Leiterin der EPA Anne Gorsuch, die wiederum von Ronald Reagan eingesetzt worden war, um seinerzeit die Kompetenzen der Behörde zu beschneiden. Gorsuch steht 2023 unter Korruptionsverdacht. Eine andere neue Richterin, Amy Coney Barrett, ist die Tochter eines Ex-Shell-Anwalts. Alle fünf von Trumps Neubesetzungen wurden nachweislich durch Spenden derselben schwerreichen Amerikaner unterstützt.
    Gegen die Frau des ultrakonservativen Richters Clarence Thomas wird ermittelt, den Stabschef des Weißen Hauses mit 300 SMS zum Manipluieren des Wahlergebnisses 2020 aufgefordert und (nach Art der QAnon-Bewegung) bedroht zu haben.
    [Wikipedia 2022 - Clarence Thomas - Kontroverse um Thomas' Ehefrau]
    [Verknüpfung]
    Thomas selbst steht ebenfalls unter Korruptionsverdacht, so wie Gorsuch; bei Mitgliedern des Supreme Court gibt es - anders als bei anderen Gerichten - aber auch keine Verhaltensregeln diesbezüglich, woran die Republikaner auch nichts ändern wollen.
    NZZ: [Verknüpfung]
    ProPublica: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Clarence Thomas - Kritik an Geschenkannahmen]
    Kein Tip, sondern ein Muss: Christian Stöcker nimmt das Urteil in seiner Spiegel-Kolumne zum Anlass einer schonungslosen, bitteren Kritik über die globale fossile Mafia, und lässt dabei auch Kanzler Olaf Scholz (SPD) nicht aus.

    Juli

    Währenddessen nutzt die konservativ-neolibertäre Desinformations-Industrie den drohenden Absturz der deutschen Wirtschaft, der durch die jahrzehntelang gewachsene Abhängigkeit von russischem Gas verursacht wird - für Meinungsmache gegen die Transformation. Dabei hat ebendiese Desinformations-Industrie die schwarz-gelb-rote Energiekehrtwende mit ihren Erzählungen legitimiert und zu dieser katastrophalen Abhängigkeit maßgeblich beigetragen. Nach Monaten immer krasserer Verdrehungen reagiert Habeck auf Merz' Kritik am neuen EEG als "Schönwetter-Politik" im Bundestag: "[...] buchstäblich steht Deutschland im Regen. Hätten wir diese Pakete vor 10 Jahren durchgezogen, wir würden ganz anders heute dastehen".

    Windräder werden nicht von einem Tag auf den anderen bestellt und gleich aufgebaut. Die Nachwirkungen der schwarz-gelb-roten Energiekehrtwende führen weiter zu Werksschließungen in Deutschland - während die dänische Branche boomt.

    Der 177 Milliarden umfassende Klima- und Transformationsfonds umfasst vor allem Bundesförderung im Gebäudebereich (BEG), Weiterentwicklung der Elektromobilität inklusive des Ausbaus der Ladeinfrastruktur, Aufbau der Wasserstoffindustrie und Förderung der Energieeffizienz.
    Bundesregierung: [Verknüpfung]
    Bundesfinanzministerium: [Verknüpfung]
    Der Ausbau Erneuerbarer Energien, der von den meisten Experten gefordert wird, ist nicht dabei. Fridays for Future fordert dafür zusammen mit zahlreichen Expert:innen ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro.
    Tagesschau: [Verknüpfung]

    Wie sehr sich die fossil dominierten Bundesstaaten in den USA von den Entwicklungen in der Welt entfremdet haben, sieht man an den neuen Gesetzen, die (neben anderer vermeintlicher Wokeness) einen Abzug von Kapital aus fossilen Anlagen verbieten - während in den Vereinten Nationen das Menschenrecht auf intakte Umwelt erklärt, und die Anerkennung von Ökozid als Verbrechen gegen die Menschlichkeit endlich massiv vorangetrieben wird.
    [Verknüpfung]

    August

    Den 2 Billionen (2000 Milliarden) US-$ schweren Green New Deal kann der demokratische US-Präsident Joe Biden gegen die fossilen Widerstände in der eigenen Partei, allen voran Senator Manchin, nicht durchsetzen. Der Inflation Reduction Act soll nun mit ca. 400 Milliarden US-$ für Klimaschutz die Inflation bekämpfen - ist also ein schwacher Kompromiss, der nicht einmal den ursprünglichen Namen verdient und auch nicht trägt - wohl auch um keine Klimaskeptiker zu verärgern. Er wird in letzter Minute beschlossen, kurz vor den Repräsentantenhaus-Wahlen, bei denen Biden auch die Mehrheit im Repräsentantenhaus verliert. Dennoch wird er weltweit von Klimaschützern gefeiert - steht doch mit einer Wiederwahl Trumps 2024 immer noch weit Schlimmeres zu befürchten.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Seine extrem protektionistische Ausrichtung macht es den fossilen Gegenkräften in Europa leicht, ihn zu torpedieren. Kompromisse in dieser Frage kann sich Biden jedoch innenpolitisch nicht leisten, erst recht nicht als "lame duck", die im Repräsentantenhaus keine Mehrheit mehr besitzt. So droht auch diese US-Klima-Agenda zu scheitern.
    [Wikipedia 2023 - Inflation Reduction Act of 2022]
    Ein europäisches Pendant zu Bidens Transformations-Konjunkturprogramm wird von Lindner nicht unterstützt, ja Lindner bezeichnet das Programm sogar als Anlass für einen Handelskrieg.
    [Verknüpfung]

    Die FDP erweist sich als trojanisches Pferd der Opposition in der Regierung, denn sie verhindert oder verwässert eine transformatorische Maßnahme nach der anderen.

    Selbst die Vorsitzende des Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (des "Rats der Wirtschaftsweisen") Monika Schnitzer spricht sich 2023 für die Streichung der größten klimaschädlichen Subventionen über insgesamt 30 Milliarden Euro aus, das sind die Steuerprivilegien für Dienstwagen, Diesel und Flugzeug-Kerosin sowie die Pendlerpauschale - doch Wissing ist dagegen. Für ein sozial ausgleichendes Klimageld liefert die bescheidene CO2-Steuer nicht genug Mittel.
    Zeit: [Verknüpfung]
    klimareporter: [Verknüpfung]
    klimareporter: [Verknüpfung]
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]

    Die Dürre erreicht im Sommer ein Ausmaß, das medial höchste Aufmerksamkeit erlangt.

    Am 04.08. präsentiert Friederike Hofmann in den Tagesthemen in der Rubrik "Deutschlandtrend" die neueste Umfrage von Infratest Dimap, Zitat: "Da haben die Bürgerinnen und Bürger ein sehr klares Meinungsbild, was sie haben möchten - und was nicht". Demnach hätten mit je 61% die meisten Teilnehmer:innen für eine "verstärkte Nutzung von Kohlekraftwerken" und ein "befristetes Tempolimit auf Autobahnen" gestimmt; die "Förderung von Fracking-Gas" findet nur bei 27% Zustimmung. Von Windkraft ist keine Rede (allerdings auch nicht von Atomkraft).


    Tatsächlich hat Infratest Dimap aber auch nach Windkraft gefragt. Ein "schnellerer Ausbau der Windenergie" ist für 81%, also noch weit mehr Menschen, eine richtige Maßnahme. Das lässt man in den Tagesthemen einfach unter den Tisch fallen.

    Video ab 11'03'': [Verknüpfung]
    Umfrage: [Verknüpfung]
    Die Aktion Klima vor acht führt eine Programmbeschwerde beim NDR.

    September

    Heftige Nederschläge lassen die Dürredebatte schnell vergessen. "Ist doch wieder alles grün."

    Norddeutsche Ministerpräsidenten fordern eine Aufteilung Deutschlands in zwei Strompreiszonen: im Norden wäre der Srom durch den hohen Windstromanteil viel günstiger.

    Der Club of Rome legt 50 Jahre nach "Limits to Growth" seinen neuesten BerichtEarth for all vor; hier Zitate aus einem Artikel bei utopia.de.

    "Die Zukunft der Menschheit hängt demnach vor allem von „fünf außerordentlichen Kehrtwenden“ ab: Beendigung der Armut, Beseitigung der eklatanten Ungleichheit, Ermächtigung der Frauen, Aufbau eines für Menschen und Ökosysteme gesunden Nahrungsmittelsystems und Übergang zum Einsatz sauberer Energie."

    Der Bericht weise besonders auf zwei Probleme hin, die die Transformation erschwerten:

    1. "Ein extremes Maß an Ungleichheit sei äußerst destruktiv, „auch für die Reichen“, so die Warnung. „Es begünstigt Verhältnisse, die für alle gefährlich sind.“"
    2. "Ein weiterer Faktor, den die Expert:innen für sehr wichtig halten: Bildung, die kritisches Denken und komplexes Systemdenken vermittle, für Mädchen gleichermaßen wie für Jungen. „Denn die bedeutendste Herausforderung unserer Tage ist nicht der Klimawandel, der Verlust an Biodiversität oder Pandemien“, so die Gruppe. „Das bedeutendste Problem ist unsere kollektive Unfähigkeit, zwischen Fakten und Fiktion zu unterscheiden.“"

    Der Spiegel schreibt dazu weiter: "In demokratischen Gesellschaften seien Fehl- und Falschinformationen zumindest bis zu einem gewissen Grad durch die Massenmedien eingedämmt worden. [Zitat aus dem Bericht:] „Die sozialen Medien aber haben dieses Modell zertrümmert. Sie haben eine ganze Industrie der Falsch- und Desinformationen entstehen lassen, was der Polarisierung von Gesellschaften und einem Vertrauensverlust Vorschub leistet und dazu beiträgt, dass wir angesichts der kollektiven Herausforderungen unfähig sind, zusammenzuarbeiten oder uns auch nur über Grundtatsachen zu verständigen.“"

    Die Finanzierungsidee des Club of Rome ist leicht nachvollziehbar. Die reichsten 10% haben 50% des Einkommens. Mit 4-8% Steuern auf diesen Einkommen ließen sich die 2-4% leicht aufbringen. Zumal die meisten dieser Profite auf Kosten der Allgemeinheit im globalen Süden oder von morgen gemacht werden - die Hauptverursacher des Problems also auch die Hauptkosten tragen würden.
    Petra Pinzler spricht in der Zeit von "krassem Scheiß", sie erklärt ganz unten auch, was sie damit meint. Wie der Club of Rome sagt, uns kann nur noch der "giant leap", ein gigantischer Sprung nach vorn, retten, und dazu bedarf es viel Mut. "Das alles klingt wenig spektakulär und doch zugleich utopisch - jedenfalls unter den gegenwärtigen politischen Bedingungen." Und dann zitiert sie die Mahnung der Präsidentin Sandrine Dixson-Declève: "Wir müssen aufpassen, dass die Frustration nicht zur sich selbst erfüllenden Prophezeiung wird." Es gilt die Beharrungskräfte einer konservativen Mehrheit zu überwinden, aufgeputscht von wahnhafter Innovations-Hybris, aufgestachelt von Abstiegsängsten, oder einfach nur gelähmt von erlernter Hilflosigkeit.
    Club of Rome: [Verknüpfung]
    utopia.de: [Verknüpfung]
    Der Spiegel: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der Standard: [Verknüpfung]
    Pressekonferenz bei Youtube: [Verknüpfung]
    Playlist bei Youtube: [Verknüpfung]

    Einer der Autoren des Club of Rome, der 2020 einer der meistzitierten Forscher der Welt und Leiter des PIK Johan Rockström, erfand das Prinzip der planetaren Grenzen. Er erklärt die zuehmende Bedeutung wirtschaftlicher Aspekte in den Klimafolgen. Die Verantwortung will er nicht dem Einzelnen überlassen; er spricht sich für Verbote aus, weil sie für alle gleichermaßen gelten und sich niemand davon freikaufen kann. Den Privatjet-Piloten Friedrich Merz lädt er in sein Institut ein, um ihm die Sachlage aus wissenschaftlicher Sicht zu erklären.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die Grüne Außenministerin Annalena Baerbock setzt mit ihrer feministischen Außenpolitik einen neuen Schwerpunkt, der im Sinne von Earth for all einen Fortschritt darstellt.
    [Verknüpfung]

    In der Energiepreiskrise 2022 hätte die lange debattierte Gasumlage einen deutlichen Anreiz zum Energiesparen darstellen können, wäre aber ohne massiven sozialen Ausgleich eine Härte für Haushalte mit kleinen Einkommen geworden. Beim Thema sozialer Ausgleich bremst FDP-Finanzminister Lindner, und die Inflations-Ängste werden von CDU-Oppositionsführer Friedrich Merz für Stimmungsmache gegen die Regierung genutzt. Im September wird die Gasumlage durch Verstaatlichung des größten Händler russischen Gases Uniper obsolet und wird ersetzt durch die Gaspreisbremse, für die FDP-Finanzminister Christian Lindner plötzlich einen "Abwehrschirm" von gigantischen 200 Milliarden Euro verfügbar macht. Der subventioniert den fossilen Konsum aller Bürger:innen ohne Einkommensdifferenzierung, und adressiert so nicht einmal die soziale Schieflage, die immer als Grund für Bremsen im Klimaschutz vorgeschoben wird. Im Nachgang zeigt sich, dass Lindner nun auf die Schwarze Null besteht und damit den vielfachen Bruch des Koalitionsvertrags rechtfertigt: es ist kein Geld mehr für die vereinbarten Zukunftsprojekte mehr da.


    Dieser Energiekrieg hat zum Ziel, vieles von dem zu zerstören, was die Menschen sich persönlich über Jahrzehnte aufgebaut haben, was über Jahrzehnte an Strukturen in Handwerk und Industrie aufgebaut worden ist. Wir können das nicht akzeptieren, und werden uns zur Wehr setzen. [...] Es geht nicht darum, allgemeine Vorhaben, so wünschenswert sie auch seien, der Ampelkoalition, zu verwirklichen, sondern es geht darum, jetzt solidarisch mit den Menschen in diesem Land zu sein und unsere wirtschaftliche Stärke zu mobilisieren, um sie für die Zukunft zu erhalten.
    Christian Lindner
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    Lindner konserviert die Merkel-Maxime in der Ampel-Koalition: Austerität, also Erhaltung der Geldwerte, geht vor Erhaltung der fundamental existentiellen natürlichen Ressourcen.

    Oktober

    Die neoliberale und Thatcher-Nachahmerin Liz Truss wurde im September für ihre Pläne einer Trickle-Down-Politik von US-Präsident Joe Biden bitter kritisiert ("I'm sick and tired of trickle down economics"), und wird jetzt schließlich für die Durchführung dieser Pläne von den Finanzmärkten bestraft.

    Zu Beginn der UN-Klimaverhandlungen spricht Klimaforscher Stefan Rahmstorf vom Ende der Zivilisation, und UN-Generalsekretär Antonio Guterres vom Überleben der Menschheit - worunter in erster Linie die organisierte Weltgemeinschaft mit ihren soziokulturellen Errungenschaften zu verstehen ist. Bei Rückzug oder gar plötzlichem Zerfall der Zivilisation droht ein Chaos, das laut einer Studie der US-Geheimdienste schon 2040 zu deutlichen Verwerfungen führt.


    Der Mensch wird sicher nicht aussterben, aber das Ende der Zivilisation, wie wir sie kennen, kann ich mir schon vorstellen. [...] Ich bin nicht sicher, wie stabil unsere gesellschaftliche Ordnung ist, wenn es in größerem Ausmaß zu Missernten, Hungersnöten und Massenmigration kommt.
    Stefan Rahmstorf
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    November

    Der Rat der sogenannten "Wirtschaftsweisen", also der Sachverständigenrat der Bundesregierung zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, fordert in seinem Jahresgutachten "Energiekrise solidarisch bewältigen, neue Realität gestalten" Umverteilung - entweder eine zeitweilige Reichensteuer, oder einen Energie-Solidaritätsbeitrag. Entsprechend scharf kritisiert er die Gießkannenförderung des Konsums fossiler Energien ohne jeglichen Sparanreiz für den Konsum, der über den notwendigen Lebensunterhalt hinausgeht.
    [Verknüpfung]

    Die Verzweiflung von Klimaaktivisten ist seit Monaten auf deutschen Straßen spürbar - sie setzen sich z.B. auf stark befahrene Straßen und kleben sich, sobald die Polizei auftaucht, mit Sekundenkleber fest. Ohne Anwesenheit der Polizei ist zu befürchten, dass verärgerte Autofahrer die Demonstrant:innen von der Straße zerren. Andere beschmieren Kunstwerke und kleben sich davor fest. Sie nennen sich "Letzte Generation".
    Der gewaltlose Widerstand ruft kontroverse Reaktionen hervor, viele solidarisieren sich, andere unterstützen ihre Forderungen und wenden sich gegen die Kriminalisierung der friedlichen Aktivisten durch Konservative. Der lautere Teil der Gesellschaft lehnt die Aktionen jedoch ab, weil sie gegen Klimaschutz sind, oder weil sie befürchten, dass mehr Leute gegen Klimaschutz eingenommen als dafür gewonnen werden. Konservativ-neoliberale Politiker:innen wie Friedrich Merz oder Christian Lindner eignen sich diese Erzählung an und werfen Last Generation vor, die gesellschaftliche Akzeptanz von Klimaschutz zu gefährden, der ja so wichtig sei. (Besonders perfide die Anbiederung von Hans-Werner Sinn in seiner Weihnachtsvorlesung 2022.) Sie heizen unisono mit der AfD immer wieder die populistische Diskussion an, dass Aktivismus die falschen treffe, die "kleinen Leute", die auch der grüne, nach ihrer Darstellung falsche, Klimaschutz über Gebühr belaste. Der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt versteigt sich sogar zu der Bezeichnung "Klima-RAF".
    Der FDP-Kollege Frank Müller-Rosentritt von "Hassern der Freiheit" und dem "letzten Abschaum", der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth spricht bei Twitter von "Taliban". Aber auch Assoziationen zu LG von ganz rechts bis ganz links werden verbreitet. Julia Klöckner (CDU) goutiert einen Tweet, der von "Erinnerung an die Nazis in der Weimarer Republik" spricht. Der FDP-Klimaskeptiker Frank Schäffler hetzt wiederum gegen LG, indem er Parallelen zur RAF zieht. Was Jan Böhmermann zu seiner genialen Hommage an "Macht kaputt, was Euch kaputt macht" von Ton Steine Scherben veranlasst.

    [Verknüpfung]


    Diese Truppe von #LetzteGeneration erinnert erschreckend an die Frühphase der RAF. Letztlich geht es auch hier um den Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung.
    Frank Schäffler
    Watson: [Verknüpfung]

    Diese Poltiker:innen sind es aber, gegen die der Protest gerichtet ist, weil gerade sie seit Jahren diejenigen sind, die wirksamen Klimaschutz blockiert oder konterkariert haben, im sozialen Ausgleich (Mindestlohn, Bürgergeld, 9€-Ticket, Wohnungsbaupolitk etc.) auf der Bremse standen, und dann die Einkommensschwachen immer als Vorwand gegen Klimaschutz vorbringen. Der Vorwurf von Schaden an den Anliegen Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit sind unaufrichtiger Opportunismus, das Schüren von moralischer Empörung ist Populismus.
    Dobrindt - als CSU-"Landesgruppenchef" ist er nach dem bayerischen Ministerpräsidenten der wichtigste CSU-Politiker - wird dafür von Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang ungewöhnlich deutlich kritisiert: "Ich nenne das Nonsens".
    [Verknüpfung]
    Haldenwang spricht der Bewegung sogar in einem wichtigen Punkt besondere Verfassungstreue aus.

    "[...] das Begehen von Straftaten macht diese Gruppierung jetzt nicht extremistisch. [Von Extremismus spricht man], wenn der Staat, die Gesellschaft, die freiheitlich demokratische Grundordnung infrage gestellt wird. Und genau das tun die Leute ja eigentlich nicht. [Sie sagen im Grunde]: He, Regierung, ihr habt so lange geschlafen, ihr müsst jetzt endlich mal was tun. [...] Also, anders kann man eigentlich gar nicht ausdrücken, wie sehr man dieses [demokratische] System eigentlich respektiert, wenn man die Funktionsträger zum Handeln auffordert. [Ich sehe nicht], dass sich diese Gruppierung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung richtet, und insofern ist das kein Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz."
    Der Spiegel: [Verknüpfung]

    Auch der ehemalige CSU-Spitzenpolitiker Erwin Huber, der im Ruhestand ein Philosophiestudium absolvierte, stimmt nicht in die Hetze gegen die Letzte Generation an, im Gegenteil.


    ZEIT Sinn: "Wenn wir jetzt den Philosophen Erwin Huber fragen: Was ist der Sinn des Lebens?"
    Huber: "Die Antwort der Philosophie ist: Es gibt keinen objektiven Sinn des Lebens. Du kannst der katholischen Lehre folgen: Du lebst brav und kommst dafür in den Himmel. Du kannst dir aber auch einen eigenen Lebenssinn geben. Man kann diesen Sinn an äußere Bedingungen anpassen. Wenn uns die Klimakrise wirklich brutal erreicht, dann wird der Sinn vielleicht im Überleben bestehen, wie die Letzte Generation das sagt.
    ZEIT Sinn: "Einer Ihrer Ex-Kommilitonen von der Hochschule für Philosophie engagiert sich für die Letzte Generation und saß vergangenes Weihnachten sogar im Gefängnis. Haben Sie mit ihm diskutiert?"
    Huber: "Ja. Und ich bin zu dem Schluss gekommen: Das sind keine Staatsfeinde. Die Letzte Generation ist auch keine kriminelle Vereinigung. Da habe ich eine andere Position als die CSU."
    Erwin Huber im Interview mit der Zeit
    [Daum 2023]

    Der linksliberale ehemalige FDP-Innenminister Gerhart Baum kritisiert seine Parteikollegen.


    Ich kann mir nicht vorstellen, dass Klimaschützer zu Mördern werden. [Und das sei die RAF ja gewesen:] eine Mörderbande, die den ganzen Staat in Unruhe versetzt hat. [...] Ich finde überhaupt, dass wir zu viel über die Klimaaktivisten diskutieren. Wichtiger ist doch die Frage, wie wir den Klimaschutz umsetzen.
    Gerhart Baum
    RND: [Verknüpfung]

    Der Kulturwissenschaftler Simon Sahner spricht bei der Beschmutzung oder auch Beschädigung von Denkmälern von utopischem Erinnern.
    [Verknüpfung]

    Am 31. August 2023 veröffentlichen zahlreiche Professor:innen des Verfassungsrechts eine Erklärung, in der sie die Beachtung des Verfassungsgerichts-Urteils zum KlimaschutzG von 2021 fordern, und deutliche Bedenken gegen die Kriminalisierung disruptiver Protestformen wie die von Last Generation äußern.
    [Verknüpfung]

    Die Presse richtet sich aber nicht nur gegen die Aktivisti, sondern auch gegen die völlig überzogene Hetze der Politiker:innen gegen diese.
    t-online: [Verknüpfung]
    SZ: [Verknüpfung]
    Der laute Teil der Nation (aka "Stammtisch") diskutiert derweil lieber über die Protestform als darüber, wie man die Ursache des Protests adressieren könnte. Manche finden es lächerlich, dass die Aktion nur Tempo 100 auf Autobahnen und eine Fortsetzung des Neun-Euro-Tickets fordert. Oft sind das auch die, die nicht von alleine zum Verzicht bereit sind, mit dem Hinweis auf das soziale Dilemma. Manche nehmen die Proteste zum Vorwand, weiter nichts für Klimaschutz zu tun.

    Sebasian Leber kommentiert im Tagesspiegel, die Nichtstuer hätten ihre Chance gehabt - und verpasst.


    Wer jahrzehntelang nichts gegen den Klimawandel unternommen hat, sollte jetzt nicht junge Demonstranten verhöhnen. Die Boshaftigkeit und Schadenfreude vieler Kritiker sind unerträglich.
    Sebastian Leber
    [Verknüpfung]

    Dass die Forderungen, die zudem in Umfragen überwiegende Zustimmung finden, dennoch von der Regierung nicht umgesetzt werden zeigt jedenfalls, wie wenig Kompromisse die Ampel-Koalition in ihrer immer noch fossil beeinflussten und v.a. neoliberalen Politik einzugehen bereit ist.


    Die wichtigere Frage ist doch: Werden die Mächtigen dieser Welt so radikal darin bleiben, unsere Lebensgrundlage zu zerstören?
    Sarah Bosetti
    [Verknüpfung]

    Am 9.11. wird die Aktivistin Carla Rochel von Talk-Moderator Markus Lanz, in dessen Sendung auch der Grünen-Politiker Jürgen Trittin sitzt, scharf kritisiert. Lanz offenbart in seiner ungewöhnlich emotionalen Ansprache ein naives, blindes Vertrauen in die Anpassungsfähigkeit der hoch industrialisierten Menschheit an die Klimakatastrophe, was mittlerweile jeder wissenschaftlichen Expertise diametral widerspricht, und zeigt sich schockierend indifferent gegenüber dem Schicksal von (nach IPCC-Prognosen) 3,6 Milliarden Klimaopfern. Markus Lanz erweist sich damit als echter Klimarelativist.

    Lanz: "Sie sitzen jetzt hier, eine eloquente, kluge, junge Frau. Und sagen zum wiederholten Mal, was da alles droht, und malen sozusagen die Apokalypse an die Wand. Und ich frage mich die ganze Zeit, und das ist auch mein Problem mit der Sache mit der Kunst. Wissen Sie, Kunst hat etwas unheimlich Tröstliches, etwas Schönes, wenn man davor steht, das muss man nicht erklären. Da steht jemand und versteht, dass das groß ist. Und das ist das, was unser Erbe ausmacht. Das ist das, was uns als Menschheit auch überdauern wird. Deswegen haben sie nicht Recht, wenn Sie sagen, das würde einfach in den Fluten versinken. Ich zeige Ihnen im Zweifel Orte in den Dolomiten, da kommt niemals irgendein ein Wasser hin, da kann man die notfalls parken.
    Es klingt jetzt polemisch. Ich will nur sagen: Sie sitzen hier mit 20, sie müssten optimistisch sein. Sie müssten Zutrauen haben in die Fähigkeiten von Menschen. Sie müssten Zutrauen haben in die Fähigkeit zur Anpassung. Unsere ganze Menschheitsgeschichte hindurch ist eine Geschichte der Anpassung. Uns als Spezies hat erfolgreich gemacht, dass wir uns angepasst haben, immer wieder.
    Ich nerv' Sie gerade."
    Rochel: "Ja, weil..."
    Lanz: "Sagen Sie warum."
    Rochel: "Wir können uns nicht an ein so schnell veränderndes Klima anpassen. ..."
    Lanz: "Doch."
    Rochel: "Was die Wissenschaftler sagen ist, dass wir gerade auf 'nem [Weg] irgendwo zwischen 2,5 und vier Grad sind. Auf dem Weg sind wir. Vier Grad werden wir nicht mehr erleben, weil die Welt in Bürgerkriegen versinkt, und ich hab' ..."
    Lanz: "Woher wissen Sie das so genau?"
    Rochel: "Das ist das, was die Wissenschaftler uns sagen."
    Lanz: "Aber woher wissen denn die Wissenschaftler das?"
    Rochel: "Wenn Sie 'mal zuhören würden, was die Forschung gerade sagt, ich mein', in München saßen letzte Woche auch 13 Wissenschaftler:innen eine Woche in den Zellen, die sich auf die Straße gesetzt haben, die gesagt haben "wir werden nicht gehört, hört uns zu". Das wird immer schlimmer.
    Und: ich bin nicht hoffnungslos. Sonst würde ich mich einfach in meinem Privatleben verkriechen und gar nichts mehr machen. Ich bin voller Hoffnung, dass wir das als Gesellschaft besser können.
    Lanz: "Aber Sie finden das lächerlich, wenn ich Ihnen sage, dass Menschen sich anpassen können. Natürlich ist das so."
    Rochel: "Wie können wir uns denn an vier Grad anpassen?" [...]
    Trittin: "Ich wär' da ein bißchen zurückhaltend, lieber Herr Lanz. Die Anpassung in der Geschichte der Menschheit war häufig verbunden mit [...] viel tausendfachem Tod. [...] Darüber muss man sich im Klaren sein, wenn man sagt „wir können uns anpassen“."
    Lanz: "Ja, ich weiß."
    Trittin: "[...] Es sind bestimmte Sachen, die sich durch Reduktion nicht mehr vermeiden lassen. Aber so der Glaube, „die Menschheit hat sich immer angepasst“, da muss man auch über den Preis reden. Und der Preis sind Menschenleben."
    Lanz: "Nicht zwingend. [...] Welche Hoffnung geben wir denn unseren Kindern, nachfolgenden Generationen? Wissen Sie, Menschen müssen schon auch ein bißchen träumen können, eine Idee davon haben, dass das Leben weiter geht. Wenn ich dem konsequent folge, was Sie sagen, und wie Sie auch darauf reagieren, ja, dann kann ich mich morgen eingraben. Das möcht' ich aber nich'."
    Rochel: "Nein, und das ist auch nicht das, was wir machen sollten. Was wir jetzt machen sollten, ist, uns eben einmal dem zu stellen, uns 'mal anzuschauen, was Wissenschaftler:innen, die seit Jahren, seit Jahrzehnten daran forschen, sagen, was dort auf uns zu kommt. Und es ist eben, dass die Hälfte der Weltbevölkerung in Zonen leben wird, die nicht mehr bewohnbar sind. Und da kann man sich nicht d'ran anpassen. Und wenn gleichzeitig..." [Lanz schnauft hörbar, brummt: "hm"] "... unsere Demokratien kaputt gehen dadurch, wenn wir unsere Ernährung nicht mehr sichern können - 2050 werden wir zwei Drittel unserer Ernten einbüßen auf der Welt. Und das sind Szenarien, ich weiß nich', wie wir uns da so schnell anpassen wollen. Ich bin total bei Ihnen, dass das auch ein wichtiger Punkt ist. Aber wir müssen doch jetzt eigentlich alles darein stecken, das zu verhindern."
    Lanz: "Ok. Wenn Sie sagen „alles“, um das zu verhindern, sind Sie dann für Atomkraft?"
    Rochel: "Ich weiß nich', warum diese Atomkraft-Debatte immer wieder 'rausgeholt wird, weil wir uns als Gesellschaft ja eigentlich 'mal entschieden haben, ..." [Lanz schnauft wieder, fällt ihr ins Wort: "was heißt denn hier 'rausgeholt"] "... dass das nicht dabei ist, dass das nich' 'was Gutes is'. Und ich glaube wir müssen auch 'mal ehrlich sein, und an dem Punkt sagen können „wir müssen einfach mehr sparen, wir müssen 'runterfahren“. Und das is' natürlich unangenehm, das is' unpopulär, ..." [Lanz unterbricht: "Aber Sie wollen auch keine Atomkraft..."] "... aber ich hab' ja keine Wahlen zu gewinnen."
    Lanz: "Sie wollen keine Kohlekraftwerke, Sie wollen keine Atomkraft, Sie wollen keine fossilen Energien."
    Rochel: "Wir müssen auf Erneuerbare Energien setzen, das ist das, was uns weiterbringt."
    Lanz: "Aber Sie haben doch gerade so eindrucksvoll geschildert, dass wir keine Zeit mehr haben, das mit den Erneuerbaren Energien wird so schnell nicht gehen."
    Rochel: "Das kann man beschleunigen. Jetzt gerade natürlich, wenn man erst 'mal 'n Jahr lang diskutieren muss, um ein Windkraft-Rad zu bauen: Nein, dann schaffen wir es nich', definitiv nich'. Aber die Menschen sind bereit dafür, die meisten Menschen haben verstanden, wo es gerade hingeht. Die wollen Veränderung, die sind bereit auch einzusparen. Die sind auch bereit zu sagen „Ok, dann gebe ich 'n bißchen was davon ab, von dem Luxus, und wir leben dafür weiter.“"
    Lanz: "Von welchem Luxus?"
    ZDF Markus Lanz bei Youtube: [Verknüpfung]

    Zum Inhalt nur kurz das, was Carla Rochel nicht gesagt hat, u.a. weil die Zeit fehlte und Lanz ihr ins Wort fiel:
    Kunstwerke zu konservieren ist das letzte, was Menschen mit Hunger einfällt. Die Dolomiten erodieren immer schneller durch das Auftauen von Permafrost. Anpassung hat in der Menschheitsgeschichte insofern funktioniert, dass bei Fehlversuchen Menschengruppen mit besserer Anpassung die Nische ausgefüllt haben, die die untergegangene Gruppe hinterließ. Die Ressourcen, die diese übernutzt hatte, waren lokal. Heute sind mit der Fossilwirtschaft sowohl die Anpassungen global, als auch die Übernutzung der Ressourcen.
    Natürlich muss Lanz wieder die unteren Einkommenschichten instrumentalisieren, obwohl alle Transformations-Modelle eine Umverteilung vorsehen.
    Aber vor allem: Wenn erprobte, gemeinnützige und echte Innovationen wie Erneuerbare Energien, Bio-Landwirtschaft, Kreislaufwirtschaft etc. nur deshalb ignoriert werden, weil sie der Profitgier der Reichsten zuwiderlaufen, und man weiter auf profitable Innovationen wartet, dann wartet man zu lange. Das Klima wartet nicht auf den Neubau eines 50+x mal so großen Reaktorbestands, sei es konventionell oder noch unrealistischer Fusions-, Dual-Fluid- oder sonst welche unfertige Nukleartechnik. Erneuerbare brauchen keine endlichen, schmutzigen Kernbrennstoffe und produzieren keinen radioaktiven Müll oder taugen zu Massenvernichtungswaffen in den Hänen von Diktatoren; v.a. aber sind sie schneller und billiger zu haben, brauchen im Betrieb keine kritischen Verbrauchstoffe und produzieren keinen radioaktiven Abfall. Erneuerbare Energiewirtschaft ist - wie alle nachhaltigen Wirtschaftsformen - eine Kreislaufwirtschaft. Ausbau und Entwicklung der Erneuerbaren verlaufen wie prognostiziert absehbar exponentiell - es sei denn, Fossilökonomisten wie Merkel, Trump oder Putin bremsen sie aus. All das ist bekannt, und deshalb geht es den Ideengebern bei der Atomdebatte - wie bei der Technologieoffenheit der PKW-Antriebe - m.E. nur um einen weiteren Aufschub der Transformation.
    Davon abgesehen hätte Carla Rochel, die ansonsten wirklich sehr souverän aufgetreten ist, gar nicht auf die Debatte mit der Atomkraft einlassen müssen, denn die Forderungen der Letzten Generation beschränken sich auf Verkehrspolitik.
    Viel interessanter als all diese Fakten ist jedoch Lanz' Unterton. Er ist ein Talk-Moderator alter Schule, und so wahrt er immer einen distanziert-höflichen Ton, ist um saubere Sprache bemüht. Man sollte sich die Szene wirklich anschauen, denn seine aggressive Verzweiflung, sein inneres Beben sind geradezu zu greifen. Sie lassen vermuten, dass in seinem Inneren Zweifel an dem wachsen, was er da sagt.
    Oder um es mit einem Wortspiel, das sich auch der Jugendsprache bedient, zu sagen: Lanz gehört zu einer lost generation. Genau das Weltbild, das Hoimar von Ditfurth 1987 kritisierte.


    Tand, Tand, ist das Gebilde von Menschenhand.
    Theodor Fontane

    Zu Lanz eine hervorragende Dekonstruktion von Lisa Kräher bei Über Medien: "Markus Lanz wird ja wohl noch träumen dürfen".
    Über Medien: [Verknüpfung]
    Thomas Köhler nimmt in der Leipziger Zeitung Lanz' These zum Thema Anpassung biologisch auseinander.
    Leipziger Zeitung: [Verknüpfung]
    In der Frankfurter Rundschau meint Rainer Grießhammer, die Gegner der Klimaaktivist:innen seien an ihren Gewonheiten kleben geblieben und nennt sie die allerletzte Generation.
    Frankfurter Rundschau: [Verknüpfung]
    Die m.E. beste Zusammenfassung über die Täter-Opfer-Umkehr und Unaufrichtigkeit der CDU/CSU in der Diskussion bringt Veronika Zwing in der Allgemeinen Deutschen Zeitung für Rumänien: die Klimaterroristen.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Allgemeine Deutsche Zeitung für Rumänien]
    Sarah Bosetti erklärt die perfide Verdrehung, wie immer messerscharf.


    [Verknüpfung]

    Die Zweifel bei Lanz waren unübersehbar, und die Kritik an der Sendung scheint ihn nachdenklich gemacht zu haben. Trotz erfolgreicher Stimmungsmache gegen die Klimawende ist Lanz jetzt deutlich offener für die Anliegen der Klimaschützer und richtet sich offensiv gegen die Desinformation von CDU und FDP.

    Bei der Frage der Strafbarkeit ist zentral, inwiefern eine Aktion zur Abwehr einer Gefahr diene. Diese Frage erklärt der ehemalige BGH-Richter Thomas Richter im DLF.
    [Verknüpfung]
    Der Richter Christoph Weyreuther weist dies gegenüber der Angeklagten Carla Hinrichs ganz klar zurück. Es werde keine Gefahr abgewendet, denn Weyreuther meint: "Der Mensch wird sowieso aussterben, davon bin ich fest überzeugt. Das lässt sich nicht verhindern, dafür ist er zu dumm." Die Frage ist für mich, ob man mit einer derart zynischen Weltsicht überhaupt Richter sein kann. Hinrichs dazu:


    Es ist schockierend, dass Menschen gewillt sind, sehenden Auges über die Klippe zu gehen. Er hat nicht verstanden, wie dramatisch die Krise ist. Da bin ich emotional geworden. Ich war einfach fassungslos. Er will mich bestrafen, weil ich noch Hoffnung habe.
    Carla Hinrichs

    [Verknüpfung]

    Als im Oktober 2023 eine Autobahn-Blockade von XR in den Niederlanden einen Beschluss zum Abbau der zig Milliarden fossiler Subventionen nach sich zieht, ist der Jubel der Aktivisti auch in Deutschland groß - das Medienecho dafür aber umso überschaubarer.

    Wie absurd weltfremd die Terrorismus-Vorwürfe gegen LG sind, sollte sich nur wenige Wochen später zeigen. Am 07.12. werden in der größten Razzia der bundesdeutschen Geschichte über 50 Kriminelle festgenommen, die einen Staatsstreich planten. Darunter mit dem selbsternannten Nachfolger auf dem Thron des Königs (oder Kaisers?), Heinrich XIII Prinz von Reuß, ein echter Vertreter des deutschen Hochadels; weiterhin etliche Reichsbürger, Querdenker und sogar Anhänger der QAnon-Theorie, darunter die ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann und die Ex-Bundeswehr-Offiziere Maximilian Eder und Rüdiger von Pescatore.
    [Wikipedia 2022 - Heinrich XIII. Prinz Reuß - Verhaftung wegen geplanten Staatsstreichs]
    Es ist zutiefst beunruhigend, dass die Aktion von einem großen Medienaufgebot begleitet wurde. Denn so steht zu befürchten, dass vor der Razzia viele Spuren verwischt wurden. Eder z.B. wurde in Perugia verhaftet; seine Nachbarin berichtet, von ihm persönlich (aus dem Ausland) telefonisch gebrieft worden zu sein.[Verknüpfung]
    Christian Stöcker beleuchtet die gefährliche Verharmlosung in weiten Teilen der rechtskonservativen Szene.
    Der Spiegel: [Verknüpfung]
    Yassin Musharbash und Holger Stark berichten von abstrus anmutenden Plänen einer Vernetzung mit ausländischen Akteuren.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Verharmlosung ist noch weit kritischer zu sehen, weil kurz vor der Razzia bei Prinz Reuss ein Reichsbürger-Terrorkommando aufgeflogen war, das eine Entführung des Gesundheitsministers Karl Lauterbach (SPD) geplant hatte.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Satire-Zeitung Der Postillon meldet jedenfalls satirisch Entwarnung: bei den Verschwörern fand man weder Klebstoff noch Kartoffelbrei.
    [Verknüpfung]
    Als hätten sie es geahnt: nur eine Woche später fand eine Razzia bei Bekennern der Gruppe Last Generation statt, woraufhin sich weit über 1000 Menschen per Selbstanzeige solidarisierten. Das Missverhältnis zwischen der Kriminalisierung gewaltloser, offener Klimaproteste bis hin zum Terror einerseits, und der Verharmlosung eines gewaltsamen Staatsstreichs, von Gruppen, die Todeslisten führen, andererseits stimmt mich sehr bedenklich, und legt den Verdacht der politischen Instrumentalisierung nahe.
    [Verknüpfung]

    Im Oktober zeigt eine monatelange Dauer-Autobahn-Blockade von Extinction Rebellion in Den Haag, in deren Verlauf 9000 Menschen festgenommen wurden, Erfolg: Das Parlament der Niederlande stimmt für einen Prozess, die fossilen Subventionen Schritt für Schritt abzubauen. In Deutschland wird kaum darüber berichtet. Das Google-Rechercheergebnis war ungewöhnlich mager: ich konnte nur einen einzigen Artikel finden.
    taz: [Verknüpfung]

    Von Alexandria Occasio-Cortez' Plänen eines Green New Deal blieb unter Joe Biden kaum etwas übrig. Von Anfang an gab es von Angela Merkel und auch von Olaf Scholz keine erkennbare Resonanz. Im Ukraine-Krieg schließlich wurde das Programm zum Inflation Reduction Act zusammengestrichen, v.a. unter dem Einfluss des korrupten, demokratischen Kohlestaat-Senators Joe Manchin.
    Der protektionistische Zuschnitt des Programms stößt nun in Deutschland auf heftigen Widerstand von allen bürgerlichen Parteien, Christian Lindner (FDP) redet schon einen drohenden Handelskrieg herbei.
    SZ:
    Wirtschaftswoche:
    Nico Beckert analysiert in der Zeit das Programm, er hält die protektionistischen Aspekte für überbewertet, Zitat:

    "So schlimm ist das US-Klimaschutzprogramm gar nicht. [...] Handelsexperten sehen das Gesetz weniger kritisch. „Die US-Subventionen werden eher nicht zu einer großen Ansiedlungswelle von Tech-Unternehmen aus dem Ausland führen“, sagt Holger Görg vom Kiel Institut für Weltwirtschaft IfW. Schon 2017 hätten die USA ihre Gewinnsteuer für Unternehmer „signifikant von 35 auf 21 Prozent gesenkt“. Das habe „nicht dazu geführt, dass es massenweise Neuansiedlungen von ausländischen Unternehmen gab“, so der Leiter des Forschungsbereichs Internationaler Handel und Investitionen. Auch viele Industriezweige geben sich entspannter. Einzig die Auto- und die Wasserstoffwirtschaft sehen Risiken."
    [Beckert 2022]

    Wie gravierend man den Protektionismus auch immer bewerten mag, er war auf jeden Fall eine innenpolitische Voraussetzung für die Durchsetzung des Programms in den USA. Deshalb droht wegen der europäischen Widerstände auch Biden, wie sein Vorgänger Obama, im Klimaschutz komplett zu scheitern. Die Auto-Lobbyisten hätten wieder einmal gewonnen.

    Nur Grüne, Linke und der liberalkonservative französische Präsident Macron sprechen sich für Versuche aus, eine kooperative europäische Antwort zu finden, die im Sinne von Klimaschutz ist. Zitat aus der Zeit:

    "Grünenchef Omid Nouripour sagte demnach, er wünsche sich eine enge Abstimmung mit den amerikanischen Freunden zu ökologischen Standards und verlässlichen Lieferketten. „Wir dürfen uns auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht gegenseitig Steine in den Weg legen.“ Auch Europa müsse mehr Anstrengungen beim Klimaschutz unternehmen, denn erfolgreicher Klimaschutz sei ein Wettbewerbsvorteil."
    Zeit:

    Der Linke Europaabgeordnete Alexander Ulrich schlägt als Antwort einfach einen europäischen Inflation Reduction Act vor.
    Euractiv: [Verknüpfung]
    Genauso der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW Marcel Fratzscher.
    Zeit: [Verknüpfung]
    DIW: [Verknüpfung]

    Der Herbst ist geprägt von der Kriminalisierung der Klimaproteste als Radikalismus. Der Kabarettist Jan Böhmermann entlarvt die Verdrehung der Debatte. Im ZDF Magazin Royale vom 25.11. erklärt er satirisch die Forderung der FDP nach Freiheit zum Radikalismus, und stilisiert sie zum Kampf einer neuen Terrorgruppe, der RAFDP. In einer Hommage an Rio Reisers Band Ton Steine Scherben beendet er die Sendung als CEO Reiser und Band Ton Scheine Erben mit dem Titel "Macht kaputt was euch kaputt macht - die Millionärfreiheitsfront".
    Zitat aus der Beschreibung des mittlerweile gesperrten Videos bei Youtube:
    Youtube (privat): [Verknüpfung]
    ZDF-Mediathek (verfügbar bis 24.11.2023): [Verknüpfung]

    "Im Zuge des geplanten Systemsturzes der RAFDP zeigen sich bereits erste Musikacts solidarisch. Die offen linksextreme Gruppe Ton Scheine Erben rund um den Frontmann CEO Reiser sind sich der revolutionären Kraft der Musik bewusst und nutzen diese zu ihren perfiden Zwecken. Hierbei handelt es sich nicht mehr um linke Chaoten, sondern um radikale Putschisten. Der beste Beweis: Ihr Song „Macht kaputt was euch kaputt macht“, in dem jede Silbe von tiefster Staatsfeindlichkeit durchdrungen ist."

    In der letzten Strophe spielt er auf die Methoden der Populisten an, die geschickt die Nöte der Verlierer ihres Ausbeutungs-Systems instrumentalisieren, um ihr autoritäres Regime durchzusetzen.


    Streams laufen - Startups laufen - Timelines laufen - Timelines kaufen
    Porsche kaufen - Villa kaufen - Aktien kaufen - Krypto kaufen
    Brav!
    Macht kaputt was euch kaputt macht!
    Macht kaputt was euch kaputt macht!

    Alles sagen! Alles machen! Alles wollen! Alles können!
    Die Herrschaft der Angepassten!
    Freiheit beginnt beim Ich! Mündig!
    Macht kaputt was euch kaputt macht!
    Macht kaputt was euch kaputt macht!

    Menschen regeln - Tempo regeln - Verbote regeln - Markt regeln
    Was ist denn Gemeinwohl?
    Ja, ich bin Staatsfeindin! Hardcore!
    Macht kaput was euch kaputt macht!
    Macht kaput was euch kaputt macht!

    Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum braucht er nichts als Freiheit, bitte sehr!
    Es macht ihn kein Stück Brot nicht frei, das schafft keine Freiheit her!
    Drum links, zwei, drei, drum links, zwei, drei, wo dein Platz Genosse ist!
    Reih dich ein in die Millionärsfreiheitsfront, bis du auch ein Millionär bist!

    Und weil der Mensch ein Mensch ist, drum tritt er Stiefel ins Gesicht so gern.
    Er will unter sich nur Sklaven seh'n, und über sich einen Herrn.
    Drum links, zwei, drei, drum links, zwei, drei, wo dein Platz Genosse ist!
    Reih dich ein in die Millionärsfreiheitsfront, bis du auch ein Millionär bist!

    Und weil der Millionär ein Millionär ist, drum will ihn auch kein Anderer befrei'n
    Es kann die Befreiung des Millionärs nur das Werk der Proleten sein!
    Drum links, zwei, drei, drum links, zwei, drei, wo dein Platz Genosse ist
    Reih dich ein in die Millionärsfreiheitsfront, bis du auch ein Millionär bist!


    [mit erhobener Faust:] Christian, der Kampf geht weiter!
    CEO Reiser alias Jan Böhmermann

    Das Verwaltungsgericht Hamburg gibt im Januar 2023 der Klage des rechtskonservativen Chefredakteurs der Welt Stefan Aust mit einer einstweiligen Verfügung nach: Aust sieht seine Persönlichkeitsrechte verletzt, weil im Video ein Fahndungsplakat mit dem Foto eines Aust-Darstellers mit der Unterschrift "Stefan Aust" zu sehen ist. Die Absurdität dieser trickreichen Zensur-Volte ist kaum zu überbieten, weil Aust selbst seinerzeit in RAF-Aktivitäten verwickelt war. Das Youtube-Video des Titels wurde gesperrt, das ZDF hat das Video der Sendung entsprechend der Verfügung bearbeitet.
    DWDL: [Verknüpfung]
    BZ: [Verknüpfung]

    Der Kampf um Klimagerechtigkeit ist direkt assoziiert mit dem für internationale soziale Gerechtigkeit, Frauen- und Minderheitenrechte, das sagt auch der Club of Rome. Einen weiteren Beleg dafür liefert zu Weihnachten der Trump-Unterstützer und Frauenhasser Andrew Tate. Er möchte nach der Wiederfreischaltung seines gesperrten Twitter-Kontos durch den Neolibertären Elon Musk gleich mit Provokationen gegen Greta Thunberg Hass schüren und damit Aufmerksamkeit erzeugen. Die rumänische Polizei kommt ihm, auch dank der Fotos bei Twitter, auf die Spur und vollzieht den internationalen Haftbefehl wegen sexuellem Missbrauch, Menschenhandel, Zwang zur Pornografie usw..
    Der Standard: [Verknüpfung]
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]
    Im März 2024 wurde er mit seinem Bruder in Rumänien wegen neuer Vorwürfe erneut festgenommen und soll an das Vereinigte Königreich ausgeliefert werden.
    Zeit: [Verknüpfung]




    2023

    Unter dem Weiler Lützerath an der Braunkohlegrube Garzweiler 2 liegen 280 Millionen Tonnen Braunkohle, die RWE im Dezember 2022 in geheimen Verhandlungen mit Wirtschaftsministerin Mona Neubaur, Umweltminister Oliver Krischer und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (alle Grüne) zugesagt wurden. Eigentlich sieht ein Landesgutachten nur einen Bedarf von 9 Mio Tonnen Braunkohle, wegen dessen Lützerath weichen soll. Diese Brennstoffmenge ließe sich schon durch ein Tempolimit durch eingesparte Erdölprodukte ersetzen, die zudem flexible Blockheizkraftwerke antreiben könnten; und eine Begrenzung der Verbrennung ist nicht einmal Teil der Zusage. Im Gegenzug akzeptiert RWE ein Vorziehen des Kohleausstiegs von 2038 auf 2030, allerdings dürfen bis da hin zwei Kohlekraftwerke weiterbetrieben werden, die ursprünglich hätten abgeschaltet werden sollen. Kritiker befürchten, dass demnach bis 2030 dieselbe Menge Kohle verbrannt wird wie ursprünglich vorgesehen; für RWE wäre das ein zusätzlicher Vorteil, weil die steigenden CO2-Abgaben die Verbrennung immer weniger profitabel machen.
    Lützerath ist das einzige von sechs Dörfern, das nach jahrelangen, heftigen Protesten dem Tagebau weichen soll, die anderen fünf wurden in einem Kompromiss mit der Landesregierung gerettet, obwohl die Umsiedlung schon fortgeschritten ist. Die Begründung der Entscheidung ist hoch umstritten. Der letzte ursprüngliche Bewohner von Lützerath, der Bauer Eckhart Heukamp, ist 2022 in einem vielbeachteten Prozess enteignet worden. Seit 2020 ist das Dorf besetzt von Aktivisti, die teils in Baumhäusern wohnen, die aus Sicherheitsgründen nicht so leicht geräumt werden können. Am 03.01. beginnt die Polizei mit der Räumung. Am 14.01. organisiert die Initiative Alle Dörfer Bleiben eine Großdemonstration gegen die Räumung, die praktisch abgeschlossen ist - bis auf wenige Aktivisti, die trotz strömendem Regen und Sturm bei 8°C weiter auf Plattformen in den Bäumen ausharren, und zwei, die bis zum 16.01. in einem unzugänglichen Tunnel ausharren. Die Polizei spricht von 15.000 Teilnehmer:innen, Fridays for Future von 35.000 und Alle Dörfer Bleiben von 50.000, unter ihnen die Initiatorin der Fridays-for-Future-Proteste Greta Thunberg und ihre deutsche Mitstreiterin Luisa Neubauer.
    [Verknüpfung]
    Die Süddeutsche Zeitung SZ berichtet von brutaler Polizeigewalt.
    SZ: [Verknüpfung]
    Die Leipziger Zeitung bringt Eindrücke eines Teilnehmers.
    [Verknüpfung]

    Einen Eindruck von der Menschenmenge vermittelt dieses Zeitraffer-Video.

    Eine kleine Gruppe um die prominenten Aktivistinnen Greta Thunberg und Luisa Neubauer wird von einer Gruppe Polizisten bedrängt, weil sie sich auf privatem Grund der RWE ohne Genehmigung aufhalten. Tausende andere Demonstranten bleiben unbehelligt.

    Neben den reflexhaften Versuchen von Konservativen, die Klimaproteste zu kriminalisieren, gibt es angesichts der nachvollziehbaren Ungerechtigkeit bei vielen ein kritisches, konstruktives Nachdenken über die deutsche Klimapolitik und die Rolle der Zivilgesellschaft.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Wenige Tage später, am 18.01., lässt sich Greta Thunberg aus einer Blockade in Lützerath von der Polizei vollkommen wehrlos wegtragen und bis zum Abend im Rahmen einer polizeilichen Maßnahme festgehalten. Greta Thunbergs harmlos wirkende Aktion ist eine Premiere und damit eine Ohrfeige für die deutsche Politik; vor allem ist es eine gewaltige moralische Unterstützung für zivilen Ungehorsam in Deutschland.
    [Verknüpfung]

    Die Aktion wird international wahrgenommen.
    The Guardian: [Verknüpfung]
    Al Gore verliert auf dem WEF in Davos die Fassung, als er von der Erfolglosigkeit der letzten Weltklimakonferenz COP in Ägypten, der Präsidentschaft des Ölmanagers Sultan al-Jaber bei der nächsten COP in Abu Dhabi, der Klimaskepsis des Weltbank-Chefs David Malpass, und der Festnahme Greta Thunbergs in Lützerath spricht.


    [Verknüpfung]

    Wie in anderen Aktionen prominenter Aktivisten auch sehen Gegner hier eine Inszenierung, womit sie wieder von den eindeutigen Ursachen der drohenden globalen Katastrophe abzulenken versuchen. "Geht's noch?"
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Podcast Piratensender Powerplay: [Verknüpfung]
    Auch die Polizei dementiert den Vorwurf, an einer Inszenierung beteiligt gewesen zu sein.
    [Verknüpfung]
    Wie gewaltig das Echo der Greta-Fans sein kann, bekam nach Frauenhasser Andrew Tate auch die WDR-Moderatorin Shary Reeves zu spüren, bekannt aus der Kinder-Wissenssendung Wissen macht Ah!, die sie mit Quarks-&-Co.-Moderator Ralph Caspers moderiert hatte. Sie twitterte abfällig über Gretas vermeintliche Flugreise zur Demo, was sich aber als Falschmeldung herausstellte. Caspers antwortete nur mit dem Codewort "ratio" (sinngemäß "denk mal nach"), und der Shitstorm veranlasste Reeves zur Löschung ihrer Konten bei Twitter und Instagram. Sie gab hinterher vor, früher an den Demos von Fridays for Future teilgenommen zu haben, brachte jedoch als Begründung vor, dass die Selbstdarstellung der Aktivist:innen zur Spaltung beitrügen.
    Rheinische Post: [Verknüpfung]
    Das Musikjournal Musikexpress zitiert die gelöschte Twitter-Meldung im Wortlaut:

    "#GretaThunberg war in #Luetzerathbleibt mit Buddy #Neubauer. Mist, habe sie verpasst, dabei hätte ich so gerne mal gefragt, wie der Flug in der Business nach Goodie Germany war... Das Leben kann manchmal so #Klima sein… Feines WE euch."

    Vor allem aber beleuchtet Musikexpress die Vorgeschichte: Reeves moderiert den Podcast "Bei Anruf Merz", steht also auf der Gehaltsliste der CDU. Merz hatte für seine Kritik an Greta vor Jahren viel Kritk eingesteckt. Jetzt überlässt er das lieber Profis, die vermeintlich einen besseren Draht zur Jugend haben. Der CDU-Drahtzieher Nathanael Liminski hat als Medien-Staatssekretär NRW einen guten Draht zum WDR.
    Musikexpress: [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]

    In der Diskussion Kontrovers im DLF mit Silvia Engels reagiert die energiepolitische Sprecherin der Grünen Ingrid Nestle auf die konservativen Kritiker an der aktuellen Atom- und Windkraftpolitik, und bringt Last-Generation-Sprecherin Carla Rochel die zivilgesellschaftlichen Probleme wieder auf den Punkt.

    Nestle: "Tatsächlich liefern die Erneuerbaren ja heute schon viel mehr Strom als es die Atomenergie jemals getan hat. [...] Diese Debatte ist einfach völlig überhöht. [...] Die Erneuerbaren liefern [...] mehr als das Zehnfache. [...] Atomenergie ist mengenmäßig einfach nicht relevant. Ich glaub', manche [...] wollen so'n bißchen ablenken, welche Fehler in der Vergangenheit [...] gemacht worden sind. [...]"
    Engels [zu Rochel]: "[...] Wie sind eigentlich die Stimmungen bei Ihnen dazu, ob Atomkraft so viel schlimmer wäre als jetzt wirklich in Kauf zu nehmen, dass mehr Kohle verfeuert wird?"
    Rochel: "Die Debatte zur Kernenergie ist 'ne Ablenkdebatte [...], weil sonst klar wird: die CDU hat in den letzten 16 Jahren den Energiewandel komplett verschlafen. Aber ich hab' auch keine Lust, die Schuld irgendwo hin und her zu schieben.
    Das was wir jetzt gerade brauchen ist einfach ein Ausbau der Erneuerbaren Energien, wir brauchen eine Verkehrswende, wir brauchen Wandel auf allen Ebenen der Gesellschaft. Wir müssen uns als Gesellschaft komplett umstrukturieren. Und ..."
    Engels: "Gehen Sie dann auch [...] so weit zu sagen, dann müssen auch mal beim Windkraftausbau die Umweltschutzauflagen beispielsweise zurückstehen, damit diese Windkraftanlagen errichtet werden?"
    Rochel: "Auch das sind Argumente, die dann teilweise 'rausgekramt werden über Vögel, die an Windrädern sterben, die nicht schlimm und nicht haltbar sind, wenn man sich damit beschäftigt. Und ich glaube, was ganz wichtig dabei ist, ist, dass die Bevölkerung informiert ist, wie dramatisch die Klimakrise gerade ist. Dafür müssen Klimawissenschaftler:innen mehr zu hören sein, die wirklich Ahnung von dem Thema haben, die sich damit beschäftigen. Dafür muss aber eben auch die Regierung ehrlich sein, und nicht mehr davon reden "wir sind hier gerade auf dem 1,5°-Pfad, und wir haben das im Griff", sondern "wir sind komplett am Arsch, irgendwo zwischen 2 und 4°, wir sind in den letzten Jahren häufig über dem Worst-Case-Szenario 'lang geschlittert".
    Und wir brauchen jetzt einfach ganz viel Wandel, und Veränderung wird kommen. Und so wie ich die Menschen gerade erlebe, ist die Gesellschaft bereit dafür. Und wir müssen auch so ehrlich sein zu sagen:"


    Die Veränderung wird kommen. Entweder jetzt, gerecht und sozial und so, dass wir's steuern können - oder sie kommt durch die Klimakrise, sie kommt durch Überschwemmungen, durch Tote, durch Hungerkatastrophen, durch Knappheit von Essen und Trinken und diese Veränderung wollen wir glaube ich alle nich'; und ich denke, dass wir jetzt alle Energie da rein legen müssen, da zusammen loszulegen.
    Carla Rochel
    Diskussion Kontrovers 29'58'': [Engels 2023]

    Am 18. Januar wird der Marktführer von carbon offsets, also CO2-Kompensationszertifikaten, des schweren Betrugs beschuldigt. Über 90% der Waldschutz-Zertifikate seien weit überbewertet, so die Recherchen der britischen Zeitung Guardian, des Recherche-Kollektiv Source Material und der Zeit. Die Meldung geht im Medienrummel um Lützerath völlig unter.
    Ein Hauptagent als Besitzer wie als Kunde von Verra ist Shell, das noch im vorangegangenen September für seine 1,1ct-Kompensation pro Liter Kraftstoff den "Goldenen Geier" der Deutschen Umwelthilfe verliehen bekam. Eine angemessene CO2-Steuer laut UBA beträgt 237€ pro Tonne, umgerechnet 56ct pro Liter, also das Fünzigfache. Abgesehen davon, dass die Kompensations-Maßnahme sehr wahrscheinlich nahezu reines Greenwashing ist, und selbst bei 100%iger Wirksamkeit das Klimaziel von Paris gefährden würde.
    [Verknüpfung]
    Der französische Ölkonzern Totalenergy wurde wegen ähnlicher Praktiken mit Heizöl vor dem Landgericht Düsseldorf wegen Verbrauchertäuschung verurteilt.
    DUH: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Kurze Zeit später werden Pläne großer Ölunternehmen bekannt, die angekündigten Klimazwischenziele bis 2030 aufzuweichen: der kurzfristige Bedarf an Energie mache dies notwendig. Umweltverbände fordern strengere Regulierung, notfalls Verstaatlichung der Fossilindustrie.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]

    Seit Jahren propagieren Fossilökonomisten von CDU und FDP E-Fuels als klimafreundlichen PKW-Treibstoff. Der wird zwar für Jahrzehnte knapp sein, und deshalb um ein Vielfaches teurer als der Strom für Elektroautos. Denn er wird laut Experten dringend für andere Zwecke wie Saisonspeicher in der Sektorenkopplung, Schiffe und Flugzeuge gebraucht. So wie der Strom, von dem fünfeinhalb mal so viel gebraucht wird, wie ein Elektroauto benötigt: der eFuel für 100km mit einem Spar-Diesel verbraucht soviel Strom wie 540km mit einem Renault Zoe; der für 100km mit einem Porsche im fließenden Verkehr dürfte sogar locker für 1000km reichen; bei dem Fahrverhalten der Menschen, die wegen solcher Autos gegen ein Tempolimit sind, dürfte die Strecke noch länger sein. Das alles ficht diese Herren nicht an, denn ihre Wählerschaft will weiter unbeirrbar an ein Diesel-Deutschland glauben, in dem bald das eFuel wie Manna vom Himmel fällt.
    Im Januar 2023 eröffnet Porsche in Chile mit großem Medien-Trara eine Pilotanlage, die von einem einzigen Windrad angetrieben wird. Die chilenischen Nachbarn werden derweil über das Netz mit Kohlestrom versorgt. Zur CO2-Minderung wäre der Windstrom besser dort angelegt.
    NZZ: [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]
    In der Folge "Technologieoffen abgehängt" ihres Podcasts "das ist eine gute Frage" rechnen Volker und Cornelia Quaschning vor, dass man allein für den deutschen Bedarf an Treibstoffen 500.000 solcher Windräder bräuchte - bisher stehen aber nur 30.000. Die Kosten beziffern sie mit 10€ pro Liter.
    Keine Autoindustrie-Kampagne ohne mediale Unterstützung. Auch wenn die E-Fuels astronomische Betriebskosten verursachen, auch wenn der wichtigste Absatzmarkt China das Ende des Verbrenners längst verkündet hat, auch wenn 2022 die Hälfte aller EAutos in China produziert werden, auch wenn nur noch Toyota und Hyundai je ein letztes Brennstoffzellenauto-Modell produzieren, und Toyotas nächste 16 elektrischen Modelle rein akkubetrieben sein werden: manche Medien schreiben die Entscheidung für den Akku-Antrieb immer noch einer religiösen Motivation zu.
    Wirtschaftswoche: [Verknüpfung]
    Es ist bekannt, dass die FDP bei den Koalitionsverhandlungen unter massivem Einfluss des damaligen Porsche-Chefs und späteren VW-Chefs Oliver Blume stand.

    Bei Markus Lanz wird am 26. Januar Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn als neuer Klimaexperte der CDU regelrecht vorgeführt. Zuerst wird er von Lanz - was wohl nicht abgesprochen war - mit den Dimensionen der Misswirtschaft und Korruption in der Corona-Krise konfrontiert. Erst in der zweiten Hälfte der Sendung kommt Lanz zum Thema klimagerechte Energieversorgung - zu dem auch zwei Expertinnen geladen sind.


    Wir sind schon immer und auch in Zukunft die wahre Klimaschutz-Partei. [...]
    Alle Entscheidungen, die mit Klimaschutz in Deutschland zu tun haben, sind christlich-demokratisch geführt. Das geltende Klimaschutzgesetz ist von der Union gemacht worden. [...]
    Wer hat denn die Energiewende eingeleitet?
    Jens Spahn

    Darauf entgegnet die liberale Journalistin Quadbeck: "Ja, aber nicht umgesetzt! Die Jugend hat doch einen Grund, Sorge zu haben. Wir müssen uns ehrlich machen."
    Auf die Frage von Lanz, ob die CDU denn als Klimaschutzpartei ein Autobahn-Tempolimit befürworte, muss Spahn verneinen.
    In seiner Bewertung der Energiewende verstrickt Spahn sich in Widersprüche: "Warum sind wir so abhängig von Russland? Wegen der Energiewende. Weil wir entschieden haben in Deutschland, in großer Mehrheit und ich glaube sogar mit Ihrer Unterstützung, aus Kernenergie und aus Kohleenergie auszusteigen."
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Im RTL-Podcast Wir mit Hajo Schumacher am 15. Februar offenbart Jens Spahn, zusammen mit Andreas Jung (CSU) der wichtigste Klimaexperte der CDU, dass er die Konsequenzen von Paris nicht korrekt kommunizieren kann oder will. Das Pariser Abkommen erfordert die strikte Einhaltung des wissenschaftlich vorgegebenen CO2-Budgets. Die Grenze 2045 hat die CDU in der Großen Koalition selbst mitbeschlossen. Spahn nimmt aber weder das Budget noch das Zieldatum ernst.


    Ich bin z.B. jemand, der sehr eintritt auch aus Überzeugung bei dem Thema Klimaneutralität, dass wir das erreichen wollen, dass wir zum Pariser Klimaabkommen stehen, dass wir jetzt CO2 reduzieren wollen, dass wir v.a. der Welt zeigen wollen, dass es geht CO2 zu reduzieren, ohne zu verzichten und weniger Wohlstand zu haben. Aber ich kann mit dieser Hysterie, „am 01.01.2046 geht die ganze Welt unter, wenn bis zum 31.12.'45 nicht genau auf diese Prozentzahl hin alle Ziele erreicht sind“, als könnte man irgendwie auf 20 Jahre im Voraus schon Mikromanagement taggenau und sekundengenau machen, mit so 'ner Hysterie, so 'ner Apokalypse, die dann die Leute am Ende sich auf die Straße kleben lässt, damit kann ich wenig anfangen. [...]
    Jens Spahn

    Podcast Wir bei RTL: [Verknüpfung]
    URL zum Download: [Verknüpfung]

    30 Jahre nach der vertuschten Katastrophe im Shinji-See, dem ersten großen Anzeichen der hohen Ökotoxizität von Neonicotinoiden, wird das Verbot in der EU wirksam. Dem Verbot gingen Jahrzehnte der Beeinflussung von Wissenschaft und Politik durch den Hersteller Bayer voraus.
    euractiv: [Verknüpfung]
    Außerhalb der EU bleibt das Mittel zugelassen, und damit behandelte Lebensmittel werden weiter importiert.
    ARD: [Verknüpfung]

    Eineinhalb Jahre nach seiner Entlassung aus dem Springer-Konzern wegen des Sex-Skandals ist Julian Reichelt mit dem Youtube-Kanal "Achtung Reichelt!" seines Unternehmens Rome Media wieder zurück in seinem rechtspopulistischen Kerngeschäft: er hetzt gegen Grüne, Linke, Antifaschist:innen und Feminist:innen, und vernetzt sich weit über den rechten Rand der CDU hinaus.
    Es kommt zur Schlammschlacht um Reichelt und seinen Ex-Chef Mathias Döpfner, über dessen Agenda skandalöse Details herauskommen, die eigentlich nur Reichelt kennen konnte; befeuert wird sie von einem Roman seines Vorgängers in Döpfners Gunst, Benjamin von Stuckrad-Barre, der frappierende Parallelen zu den Vorgängen im Springer-Konzern aufweist. Kann man sich nicht ausdenken.

    Am 15. April, 62 Jahre nach der ersten kommerziellen Erzeugung von Atomstrom in Deutschland, werden die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland vom Netz genommen. Obwohl diese nur noch einen Restanteil von zuletzt 4% am Strommix haben, stilisiert die CDU die Abschaltung zu einer fatalen Schicksalsentscheidung für Deutschland.
    Die Anti-Atomprotestbewegung hat fast 50 Jahre durchgehalten, bis sie Erfolg hatte. Sie ist bis heute die breiteste Kampagne zivilen Ungehorsams in Deutschland, bekommt aber jetzt Konkurrenz von Letzte Generation.


    [Wikipedia 2023 - Anti-Atomkraft-Bewegung]

    In einigen ÖR-Medien ist endlich eine stärkere Orientierung an Fakten zu sehen.
    Markus Lanz erkennt den journalistischen Notstand und nimmt die Klimaschutz-Bremser in die Mangel. So fragt er in seiner Talkshow am 02.03. den FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr sehr hartnäckig nach dem Wirkungsgrad-Unterschied zwischen einem Verbrenner mit EFuel und einem Elektroauto. Dürr nennt schließlich 80 und 15% - es sind etwa 70 und 13, Dürr liegt damit noch im Bereich der Realität, das Zahlenverhältnis stimmt. Lanz kommentiert das krasse Missverhältnis und begründet damit Zweifel, ob die Technologiefrage wirklich noch offen ist.
    Auch die Behauptung von "Klima-Autobahnen" sieht er sehr kritisch.


    Die Partei, die für Innovationen steht, bei der sehe ich im Moment nicht so viele Innovationen.
    Petra Pinzler

    Sie machen daraus so einen Glaubenskrieg! Sie wollen die FDP retten. Sie wollen stattfinden.
    Markus Lanz
    ZDF: [Verknüpfung]
    Focus: [Verknüpfung]
    Merkur: [Verknüpfung]
    Kölner Stadt-Anzeiger: [Verknüpfung]

    Weiter fragt er Dürr, wo denn der ganze grüne Wasserstoff für den EFuel-Treibstoff herkommen soll.
    Am 28.03. geht es nach einer Schlammschlacht-Kampagne wieder um Technologieoffenheit, dieses Mal bei Heizungen. Die Grünen wollen bei Neuanschaffung und Ersatz Wärmepumpen vorschreiben, die FDP will weiter Gasheizungen zulassen. Auch hier stellt Lanz die entscheidende, gleiche Frage: wo denn nun der ganze Wasserstoff für die H2-ready Gasheizungen herkommen soll, respektive für das P2G-Methan als Erdgasersatz.
    Dürr spricht jedesmal von massiven Wasserstoff-Importen, u.a. aus Südafrika, obwohl alle Experten Wasserstoff-Importe im Vergleich zur direkten Stromnutzung als weit teurere Alternative darstellen.
    Lanz fragt auch nach der Profilierungs-Strategie gegenüber den Grünen als Reaktion auf die sinkenden Umfragewerte der FDP. Immerhin hatte die FDP unwahre Interpretationen eines frühen Entwurfs von einem Industrieverband an die Springer-Presse durchgestochen und damit den rechtskonservativen Shitstorm ausgelöst: im Gesetz stünde ein Verbot funktionierender Bestandsanlagen, BILD und die CSU machten daraus eine "Verschrottungs-Orgie". Lanz konfrontiert Dürr damit am 25.04., im Zwiegespräch mit der leitenden RP-Journalistin Kerstin Münstermann.


    [Münstermann:] Tatsächlich wurde der Eindruck erweckt - was nicht d'rinstand - dass Herr Habeck ab Januar bei Ihnen steht und persönlich die Heizung 'rausreißt.
    [Lanz:] Aber nochmal: Es stand nicht d'rin.
    [Münstermann:] Nein, es stand nicht d'rin.
    [Lanz:] Aber es hatte ein enormes Verhetzungs-Potential.
    Markus Lanz und Kerstin Münstermann im Gespräch

    ZDF Markus Lanz vom 2. März 2023: [Verknüpfung]
    ZDF Markus Lanz vom 28. März 2023: [Verknüpfung]
    ZDF Markus Lanz vom 25. April 2023: [Verknüpfung]

    Bei Markus Lanz am 27.06.2023 spricht sogar die Hauptstadt-Journalistin der FAZ Julia Löhr gegenüber CDU-Parteivize Jens Spahn von einem Kulturkampf, der gerade von seiner Partei stilisiert werde.


    Die Grünen haben einen Hang zum Mikromanagement, [...] sie wollen möglichst viel im Detail schon vorgeben, und das will die CDU nicht. Die CDU pickt sich dann eben auch bestimmte Dinge 'raus, die das Narrativ verstärken. [...] Wenn in einem Bebauungsplan ein Grüner Bezirksrat sagt „keine Einfamilienhäuser mehr”, dann ist das das „Einfamilienhaus-Verbot“. Wenn in einer Ernährungsempfehlung von Cem Özdemir steht, dass in Gemeinschaftseinrichtungen, in Schulen vielleicht, an zwei Tagen kein Fleisch gegessen werden sollte, dann ist das das „Fleischverbot“. Das wird dann so überhöht, um quasi diesen Kulturkampf, der da stilisiert wird, dann zu nähren.
    Das halte ich insofern für problematisch, weil ja so'n bißchen auch die Frage is', wo will die CDU damit hin, mit dieser Sprache? Die CDU hat aus meiner Sicht außer schwarz-rot, wenn sie nicht wieder zurück zur großen Koalition wollen, nicht mehr so arg viele Macht-Optionen. Schwarz-gelb wird es auf absehbare Zeit wahrscheinlich nicht geben, also läuft es auf schwarz-grün hinaus - das Modell, wie Hendrik Wüst regiert, wie Daniel Günter regiert. Und das passt dann schwer zusammen, wenn Sie dann auf der einen Seite verbal so in diesen Kulturkampf reingehen, aber auf der anderen Seite schwarz-grün tatsächlich die einzig realistische Machtposition für die Grünen ist. [...]
    Sie haben ja schon das Wort „Klimadiktatur“ in den Mund genommen.
    Julia Löhr

    Die Ansage von Alexander Gauland, damals AfD-Vorsitzender, am AfD-Parteitag 2019 droht sich zu bewahrheiten: "Es wird der Tag kommen, an dem die CDU nur noch eine Option hat: uns."
    [Verknüpfung]

    Im weiteren Verlauf pflichten die anderen Gäste Carlo Masala und Mojib Latif bei, dass die CDU hier einen Kulturkampf führt.

    Lanz: "[Der Landrats-Wahlkampf im thüringischen Sonnenberg] war Kulturkampf, das worüber wir heute 'mal reden sollten."
    Spahn: "Die Frage von Migration, die Frage von Heizung ist kein Kulturkampf. Das sind erstmal ganz reguläre Themen, politische Themen, über die wir diskutieren." Lanz: "Man kann sie aber zum Kulturkampf hochjazzen. Und das erleben wir gerade." [...]

    Latif: "Wenn ich schon mal das Wort habe, dann würde ich aber doch in richtung Kulturkampf Herrn Spahn noch mal fragen. Wie kann es angehen, dass Sie die Narrative der AfD wiederholen? Ich finde, Sie verweisen immer auf die Ampel, ja, „die haben alles falsch gemacht, die sind verantwortlich für den Aufstieg der AfD“. Aber dass Leute von Ihnen sagen „Heizhammer“ oder „Gesinnungsstaat“, ja, das sind Worte, die von Ihren Kolleginnen und Kollegen..." [Lanz wirft ein: "Energiestasi"] "ja, „Gesinnungsstasi“, all diese Geschichten oder „Heizungsstasi“, ich weiß gar nicht, was da alles kommt, das ist für mich völlig unakzeptabel. Und ich finde genau das, was Markus Lanz gerade gesagt hat, Sie sollten doch gerade versuchen einen Gegenpol, gerade auch was sozusagen die Anrede der Bevölkerung angeht, darstellen, und nicht sozusagen in die gleiche Kerbe hauen und mit den gleichen schlimmen Worten, muss ich ganz ehrlich sagen - warum gibt es da nicht mehr Widerstand von Ihnen? Ich hoffe, dass Sie nicht solche Worte benutzen."[...]
    Lanz: "Ich wollte das [Gendersternchen] heute 'mal bewusst zum Thema machen, um 'mal klar zu machen, über welchen Stuss wir uns zum Teil unterhalten, um es 'mal ganz klar zu sagen. Weil..."
    Masala: "Das ist das Lieblingsthema des ehemaligen Landesvorsitzenden der Hamburger CDU, der mit dem Gendersternchen ja sozusagen Land auf, Land ab hin- und herläuft. [...] Herr Ploß läuft 'rum und macht das zu einem riesen Thema. [...] Und er will es verbieten - von da her Verbotspartei trifft Verbotspatei, aus dieser Perspektive."

    Julia Löhr sieht ein Hauptursache für die Zumutungen im Klimaschutz in der Dringlichkeit, die durch das Zögern der Merkel-Regierungen entstanden ist. Zitat:

    "Ich glaube eines der Grundprobleme war, dass unter der Regierung von Angela Merkel Klimaschutz vor allem darin bestand, Jahreszahlen in Gesetze zu schreiben. Also wann Deutschland klimaneutral werden soll - 2050, 2045, wann der Kohleausstieg vonstatten gehen soll - 2038, aber es ist tatsächlich zu wenig passiert, um dann auch die Alternativen zu schaffen. Ja der Anteil der Erneuerbaren in der Stromerzeugung ist gestiegen, aber es wurden kaum Leitungen zugebaut. Was das Thema Wärmewende angeht, über das wir jetzt in den vergangenen Wochen so viel geredet haben. Bis [...] Ende 2019 wurde noch der Einbau einer neuen Gas- oder Ölheizung staatlich gefördert, es gab Zuschüsse dafür. [...]
    Ich wäre dann doch vorsichtig zu sagen, dass die Union seit jeher den Klimaschutz vorangetrieben hat, wie Sie das ja gerne so darstellen." youtube: [Verknüpfung]
    ZDF Mediathek: [Verknüpfung]

    Die Faktenorientierung bei Markus Lanz ist jedoch leider nicht von Dauer. Es steht zu befürchten, dass er sich journalistischen Marktgesetzen oder Weisungen von Vorgesetzten unterwirft, als er irgendwann im Sommer 2023 wieder bevorzugt auf die Grünen eindrischt. Am 16. Januar 2024 ist sein Opfer die Bundesvorsitzende Ricarda Lang, die sich eine Falschdarstellung der Ex-AfD-Abgeordneten Joana Cotar aus dem Mund von Lanz persönlich anhören muss, zusammen mit einer ganzen Liste vermeintlicher absurder Geldverschwendung, die sein Team zusammengestellt hat. Lang ist mit der Antwort leider überfordert, scheinbar auch, weil sie Cotars viral gegangene Geschichte von 315 deutschen Millionen für peruanische Radwege und Busse noch nicht kennt. In den rechten "sozialen" Medienkanälen wird sie nochmals auseinandergenommen - natürlich wegen der vermeintlichen Radwege.
    In je zwei achten und zehnten Klassen wurde mir während der Bauernproteste auf meine Frage, warum Deutschland denn kein Geld habe, unisono geantwortet, dass das Geld sinnlos im Ausland verschleudert werde, z.B. für Redwege in Peru.
    ZDF: [Verknüpfung] (56')
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    wiwo: [Verknüpfung]

    Auf einer Demonstration in Erding am 10.06., auf der auch Ministerpräsident Markus Söder (CSU) spricht, schlägt dessen Vize Hubert Aiwanger (Freie Wähler) rechtspopulistische Töne an, die an Trumps Aufruf zum Sturm auf das Kapitol erinnern.


    Und mit diesem Heizungsgesetz wird dem Ganzen letztens nur die Krone aufgesetzt, und es zeigt sich, wo die Grünen wirklich hinfahren wollen, meine Damen und Herren. Sie wollen nicht das Klima retten, sondern sie wollen Deutschland kaputt machen! [...] Wir werden jeden Tag mehr, weil wir die Mehrheit sind, und es ist der Punkt erreicht, wo endlich die schweigende große Mehrheit dieses Landes sich die Demokratie wieder zurückholen muss und denen in Berlin sagen, ihr habt's ja wohl den Arsch offen!
    Hubert Aiwanger
    Youtube: [Verknüpfung]

    Lanz konfrontiert den Klimaskeptiker und stellvertretenden Ministerpräsidenten von Bayern Hubert Aiwanger für seine Hetzrede.

    Lanz: "„Die [in Berlin] haben den Arsch offen“ - was ist das für eine Art zu reden?"
    Youtube: [Verknüpfung]
    Der Militärexperte Carlo Masala analysiert bei Lanz dazu:


    [Aiwanger] delegitimiert eine demokratisch gewählte Regierung. Mein Punkt ist, Sie können die Ampel grottenschlecht finden, Sie können fordern, dass Scholz zurücktreten muss, dass Habeck zurücktreten muss, Lindner zurücktreten muss, Sie können das Gesetz grottenschlecht finden, das ist alles völlig legitim. Sie können nach Neuwahlen rufen, das ist alles völlig legitim, aber Sie delegitimieren als ein demokratisch gewählter Politiker nicht die Bundesregierung, die demokratisch gewählt worden ist. Das suggeriert ja, dass wir uns in einer Diktatur befinden. [...] Das ist Trump am 6. Januar. Das ist eine neue Qualität der politischen Demagogie.
    Carlo Masala
    Der Westen: [Verknüpfung]

    Aiwangers Erdinger Hetzrede ist ein Höhepunkt der fossilen Anti-Wärmepumpen-Kampagne. Die ZDF-Satiresendung Die Anstalt nimmt sie am 11.07. zum Anlass, das toxische Gebräu von Desinformation, Unterdrückungs- und Verschwörungsmythen zu reflektieren.
    Youtube: [Verknüpfung]

    Die Rede führt im Landtag zu Forderungen nach Rücktritt bzw. Entlassung Aiwangers.

    Nur wenige Wochen später werden die Entlassungsforderungen lauter, als Aiwangers rechtsradikales Agitieren aus seiner Jugendzeit bekannt wird.

    Zwei Wochen nach Erding geben sich die CSU-Größen in ihrer Klausur im Benediktiner-Kloster zunächst völlig geläutert und treten ganz staatsmännisch auf.
    [Verknüpfung]
    Letztlich belässt CSU-Ministerpräsident Markus Söder Aiwanger im Amt und vermeidet damit das Risiko, nach der Wahl den Koalitionspartner wechseln zu müssen. Bei der Wahl gewinnt Aiwangers Freie Wähler sogar deutlich Stimmen hinzu, während die CSU Verluste hinnehmen muss. Für die Mehrheit reicht es.
    BR: [Verknüpfung]

    Währenddessen tobt in der Schwesterpartei CDU ein Richtungsstreit. Der Vorsitzende Friedrich Merz tastet immer wieder ab, inwiefern eine Annäherung an die AfD sinnvoll ist; so lässt er mit der CSU eine "Agenda für Deutschland" entwerfen, und bezeichnet die CDU als "Alternative für Deutschland - mit Substanz". Schleßlich schwurbelt er um eine Zusammenarbeit mit der AfD auf Kommunalebene herum. Dafür wird Merz auch intern heftig kritisiert.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Als "Hauptgegner" bezeichnet Merz eben nicht die AfD, sondern die Grünen.
    DLF: [Verknüpfung]
    Dafür wird er auch parteiintern kritisiert.
    Merz haut eine rechtspopulistische Behauptung nach der anderen heraus, und wird danach immer wieder von Zivilgesellschaft und auch Parteikollegen kritisiert, woraufhin er wieder ein Stück weit zurückrudert. Diese Strategie "zwei Schritte vor - einer zurück" ist ein klassisches Muster im Rechtspopulismus, die Grenzverschiebung im Diskurs durch eskalierende Provokation.

    Die originale Rechtspopulisten-Partei AfD erfreut sich derweil in der Krise 2023-24 an steigenden Umfragewerten (bis 22% in der Sonntagsfrage) und lässt auf dem Parteitag wieder Hemmungen in Fragen von Migrations- und Europapolitik fallen, nominiert ultrarechte Kandidaten. Spitzenkandidat für die Europawahl wird Maximilian Krah, dessen Mitarbeiter Guillaume Pradoura wegen Antisemitismus sogar beim französischen Rassemblement National geflogen ist, und dessen Witze selbst dem prominenten rechtsextremen Medienmacher Götz Kubitschek peinlich sind. Wie beim thüringischen Landesvorsitzenden Björn Höcke handelt es sich bei Krah um offenen Neofaschismus.
    taz: [Verknüpfung]
    belltower news: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]
    In seinem Buch "Politik von rechts" beziffert Krah 2023 die zum "Erhalt des Volkes" nötige Deportation von Menschen auf 25 Millionen, davon 15 Millionen Staatsangehörige. Diese Zahlen stoßen zunächst auf keine große öffentliche Kritik, obwohl Ex-Parteichef Alexander Gauland das Buch als "Raison d'ètre" der AfD bezeichnet. Sie werden jedoch öffentlich bekannt, als im Januar 2024 die Pläne des Düsseldorfer Forums durch das Recherche-Netzwerk Correctiv aufgedeckt werden.


    Aber selbst, wenn sich eine restriktive und differenzierende Einwanderungspolitik in zehn Jahren politisch durchsetzen ließe (...), bleibt die Frage, was mit den dann im Land befindlichen Menschen mit Migrationshintergrund geschehen soll. Das werden in Deutschland prognostisch über 25 Millionen Menschen sein, davon deutlich über 15 Millionen deutsche Staatsangehörige. (...) Die Remigration der nicht Integrationswilligen und -fähigen kann nur in großer Zahl gelingen, wenn sie kooperieren. Hierzu müssen die richtigen Anreize gesetzt werden.
    Maximilan Krah
    [Verknüpfung]

    Der Rechtsanwalt Krah hatte sich schon als CDU-Mitglied einen Namen gemacht, weil er für die ultrakonservative Pius-Bruderschaft einen zweistelligen Millionen-Nachlass steuervermeidend transferierte, und das Mitglied Richard Williamson im Prozess wegen dessen Holocaust-Leugnung verteidigte.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Welt: [Verknüpfung]
    Domradio: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Im Oktober 2023 wird Krah mit etlichen Verdachtsmomenten chinesischer Geldgeber konfrontiert. Krah ist bisher immer wieder mit Skepsis gegenüber chinakritischen Berichten aufgefallen. Ein ausführliches Dossier erscheint bei t-online.
    [Verknüpfung]
    Seit Jahren pflegt er über ein Netzwerk Kontakte nach China, die bis in den umstrittenenen Telekommunikationskonzern Huawei reichen, für den er im EU-Parlament lobbyierte.
    [Verknüpfung]

    Die rechtspopulistische Medienlandschaft, die die CDU-Narrative verbreitet, besteht natürlich wie seit den ersten Tagen aus den Springer-Medien BILD-Zeitung und Welt, und wird "bereichert" durch den geschassten BILD-Chefredakteur Julian Reichelt. Während Reichelt regelrecht Anti-Grünen-Hetze betreibt, druckt BILD den Kulturkampf auf Papier.
    Das 50-Punkte-Manifest ist teils common sense, teils eine ant-woke Kampfschrift für deutschtümelnde Exklusion, teils schlicht eine Aneinanderreihung übel ausländerfeindlicher Klischees. Man tut dabei so, als ob sich alle Deutschen immer korrekt, sozial, höflich und hilfsbereit verhalten.
    uebermedien.de: [Verknüpfung]
    Standard: [Verknüpfung]

    Deutschland, wir haben ein Problem! [...]
    3. Wer unsere Verfassung und unsere Rechtsordnung für eine Ansammlung unverbindlicher Ratschläge hält, sollte Deutschland möglichst schnell verlassen.
    4. Wer bei uns dauerhaft leben möchte, muss Deutsch lernen. Nur wenn wir dieselbe Sprache sprechen, werden wir uns verstehen. [...]
    19. Im Schwimmbad tragen Frauen Bikini oder Badeanzug [- also keinen Burkini]. Und wer gern nackt in der Ostsee baden möchte – auch okay! [...]
    31. Wir verheiraten [...] Männer nicht mit mehr als einer Frau.
    32. Frauen entscheiden – wie Männer – selbst darüber, wie sie sich anziehen, mit wem sie befreundet sind, wen sie lieben, ob sie lieber in die Disco oder in die Kirche gehen, wen sie wählen und welchen Beruf sie ergreifen.
    33. Deutschland ist ein Land der Griller. Nach einem Picknick im Park nehmen wir unseren Müll wieder mit.
    34. Messer gehören bei uns in die Küche und nicht in die Hosentasche.
    36. Wenn eine Frau Nein zu einem Mann sagt, gilt das ohne Wenn und Aber. Alles andere erfüllt den Straftatbestand der sexuellen Belästigung oder der Vergewaltigung.
    37. Wir erwarten von jedem, der kann und darf, dass er sich um Arbeit bemüht und für seinen Lebensunterhalt selbst aufkommt – selbst dann, wenn Sozialhilfe oder Bürgergeld – zunächst höher sein sollten als der Lohn.
    38. In Deutschland gibt es Schulpflicht. Wir glauben an die Bedeutung von Bildung und Lernen.
    39. Wir machen in Bussen und Bahnen den Platz frei für Ältere und Menschen mit Behinderung. [...]
    44. Ehre bedeutet nicht das Recht des Stärkeren.
    45. In den sozialen Netzwerken sind Respekt und Wertschätzung genauso selbstverständlich wie im Supermarkt oder auf dem Amt.
    46. Wir versuchen, die Umwelt zu schützen, Ressourcen zu schonen. Nachhaltigkeit ist Zukunft.
    47. Deutschland hat ein Herz für Kinder. Sie werden nicht geschlagen, sondern gefördert.
    48. Cat Calling, also Frauen hinterherzupfeifen oder -rufen, ist Belästigung.
    49. Bei uns dürfen Jungen und Mädchen gemeinsam auf Klassenfahrt, in den Sport- und Schwimmunterricht.
    50. Wir lieben das Leben und nicht den Tod."
    BILD: [Verknüpfung]

    Es wird vom CDU-Generalsektretär Carsten Linnemann begeistert aufgegriffen, der so tut, als würden die bestehenden Gesetze nicht ausreichen:

    "In Deutschland wird in schöner Regelmäßigkeit seit Jahrzehnten über eine Leitkultur gesprochen. Passiert ist bislang wenig bis gar nichts. Wenn wir jetzt nicht zugreifen und handeln, sondern uns weiter wegducken, wird der gesellschaftliche Zusammenhalt erodieren. Wir brauchen eine Hausordnung für Deutschland. [...] Was immer falsch verstanden wird: Damit soll nicht ausgegrenzt, sondern eingeladen werden, jene Normen und Werte zu beachten, deren Einhaltung notwendig ist, damit alle in unserem Land friedlich und konfliktfrei miteinander leben können. Menschen, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung oder unsere Art zu Leben zertrümmern wollen, dürfen in Deutschland keinen Platz haben."
    [Verknüpfung]

    In der Frage der Cannabis-Legalisierung hat die CDU ein weiteres Spielfeld für ihren Kulturkampf um die "deutsche Leitkultur". Tiefsitzende bürgerliche Vorurteile und Ressentiments gegen eine liberale Jugendkultur sichern einer lobbymächtigen Traditionsbranche, von der Herstellung bis zum Ausschank, jede Menge Resonanz. Dabei übertreffen die volkswirtschaftlichen Schäden durch Alkohol in Deutschland mit 57 Milliarden Euro die Einnahmen aus der Alkoholsteuer beinahe um das 18fache.
    Bundesministerium für Gesundheit: [Verknüpfung]
    Deutsche Hauptstelle für Suchtgefahren DHS: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    Der Kabarettist Hagen Rether griff die Debatte 2010 in seinem Bühnenprogramm "Liebe" auf, Zitat:


    Wir kratzen die Verkehrstoten jedes Jahr von der Straße, zucken mit den Achseln und saufen weiter. Auf jeder Rotweinflasche müsste das genauso d'raufstehen wie auf jeder Zigarettenpackung: "Saufen gefährdet das Leben ihrer Frau und ihrer Töchter und ihrer Verkehrsteilnehmer." Ja sicher, aber die Alkohollobby is' noch viel stärker als die Zigarettenlobby. Tradition. Gesoffen wird immer. Wir nehmen das einfach hin, ist doch schön. Passiv saufen ist doch viel gefährlicher als passiv rauchen. [...] Wenn ein Besoffener Ihre Tochter überfährt, das ist doch einen Asbach Uralt wert. [...]
    War'n se mal auf'm Oktoberfest, in München? Da könn' se Tradition erleben. Jedes Jahr, der Teufel will es, seit vielen Jahren spiele ich immer in München, wenn Oktoberfest is'. Der Bahnhof riecht sauer. Zwei Wochen lang läufst du knöcheltief durch die Grütze da, Tradition. Besoffene Japaner in Lederhosen geschossen, die irgendwelchen Australiern auf die Schuhe kotzen. Das is' großartig, Tradition. Das is' schön! Besoffene Frauen, die ihre noch besoffeneren Männer nach Hause schleifen, und alle im Dirndl. An jeder Ecke siehst Du besoffene Mariannes und Michaels, es ist kafkaesk. Ja, aber es is' schön, is' Tradition, is' doch gut. Is' doch wunderbar.
    Ich denke mir immer nur, wie das für so'n gläubigen Moslem is', wenn der sich so'n Oktoberfest 'reinzieht. Was der sich so denkt dabei. So'n türkischer Gastarbeiter, der seit 30 Jahren bei der Münchener Stadtreinigung arbeitet, und jedesmal beim Oktoberfest diese Grütze wegspachteln muss morgens. ″Ah, das is' Tradition bei denen, aha, oh, m-hm. Is' 'ne intakte Zivilgesellschaft, können wir 'ne Menge von lernen.″
    Geht doch! Jedem seine Tradition!
    Ist doch 'mal in Ordnung, wenn alle sich daneben benehmen. Primatenstall. Und wir leisten uns das, Tradition. Das geht ja richtig weit bei uns. Wir leisten uns jeden Samstag Bürgerkrieg in unseren Fußballstadien, weil irgendwelche Testosteronbomber mit drei Promille in der Birne sich die Nase eindrücken müssen. Da müssen Tausende Polizisten 'rausgeschickt werden jeden Samstag, um die Bekloppten vor sich selber zu retten. Das kostet ein Schweinegeld. Die Vereine verdienen sich dumm und dämlich, und haben keine Kohle für Security. Wir stecken jeden Samstag Heerscharen von Familienvätern in grüne Wurstpellen und geben ihnen einen Gummiknüppel in die Hand, damit die die Bekloppten gesund nach Hause kriegen. Das kostet ein Vermögen, das schütteln wir jeden Samstag so aus dem Ärmel. Für die Kohle könntest Du Kitas bauen bis zum Mond und zurück, Du könnt'st die Schulen asbestfrei kriegen und die Klassen halbieren. Warum?
    Ganz selten, dass 'mal so'n Opiumraucher im Stadion is', ganz selten. Ganz selten. Eher selten. Wär' auch 'ne völlig andere Stimmung. [ahmt einen stark Berauschten nach:] "Ole, oleoleole." Ja sicher, und kein Bürgerkrieg.
    Hagen Rether
    [Rether 2010]

    Die Satire-Zeitung Postillion zeigt auf, wo die BILD-Zeitung Ausnahmen von den 50 Regeln ihres eigenen Manifests macht, und resümiert: "Dieses Blatt gehört nicht zu Deutschland".
    Postillion: [Verknüpfung]

    Das Versagen der seriösen Medien dagegen geschieht unmerklich, denn faktenorientierter Journalismus findet noch statt - nur wird er nicht in der Weise wahrgenommen, wie es notwendig wäre.
    Hinnerk Feldwisch-Drentrup nimmt in der FAZ genüsslich ein weiteres "Irrlicht" der FDP auseinander. Der Fraktionsvorsitzende Christian Dürr hält die Bürokratie für den entscheidenden Bremsklotz in der Entwicklung der Kernfusion. Seine Kollegin Stark-Watzinger will ja schon 2033 die Technik nutzen, während ihre Berater erst 2045 die Versuchsreaktoren sehen, die zudem noch weit vom einsatzfähigen und massentauglichen Kraftwerk entfernt sind. Als Forschungsministerin sollte gerade sie die Aussagen von Wissenschaftlern würdigen.
    [Verknüpfung]

    Und Verkehrsminister Wissing muss sich von Sarah Zerback im DLF unbequeme Fragen über Freiheit und Klimaschutz anhören.
    [Verknüpfung]

    Am 01.08. wird bekannt, dass die Familie des Torie-Premierministers und Multimilliardärs Rishi Sunak ein Milliardengeschäft mit BP gemacht hat, nachdem Sunak selbst als Premierminister die politische Weichen für ein erfolgreiches Geschäft gestellt hat: Er vergibt großzügig über 100 fossile Förderlizenzen und verbilligte Emissionszertifikate, verschiebt das Verbrenner-Verbot auf 2035 rechnet die geplanten britischen CO2-Emissionen mittels CCS nach unten. Letzteres ist unter Wissenschaftlern besonders umstritten, weil nicht sicher gestellt werden kann, dass die Gasspeicher dicht halten, und v.a., dass die globalen Kapazitäten für zusätzliche Emissionen nicht mit den Pariser Klimazielen vereinbar sind. In Sunaks CCS-Konsortium finden sich die bekannten fossilen Akteure RWE und Shell.
    NZZ: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    London Economic: [Verknüpfung]
    Nur einen Monat später setzt er die Aufweichung von Boris Johnsons ambitionierten Klimazielen durch. Damit erhöht er seine Wahlchancen und die Profite aus den Investments seiner Familie.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Verdrossenheit über die konservative Tory-Partei ist im Niedergang nach dem Brexit ohnehin schon sehr hoch. Allerdings schafft Großbritannien mangels Alternativen und durch das Mehrheitswahrecht nicht den Regierungswechsel. Die letzte nach Wahlen bestätigte Premierminister:in war Theresa May, nach ihrem Rücktritt kamen Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak per Parlamentsabstimmung ins Amt.

    Ende August veröffentlicht die Süddeutsche Zeitung ein Flugblatt, das seinerzeit im Schulranzen des 17-jährigen Hubert Aiwanger gefunden wurde. Aiwanger bestreitet die Autorenschaft, zu der sich ein paar Tage später sein Bruder Helmut bekennt, ein stadtbekannter rechtsextremer Waffenhändler. Dieser habe das Schreiben damals aus Frust über seine Nichtversetzung verfasst. Nach diesem Bekenntnis brüstet sich Hubert Aiwanger damit, seinen Bruder nicht "verpfiffen" zu haben. Aiwanger offenbart hier die Sprache und Wertvorstellungen von Rechtsextremen - während es in dem Flugblatt ausgerechnet um "Volksverräter" ging, die u.a. in Gestapo-Kellern gefoltert, per Genickschuss getötet, in Auschwitz verbrannt werden sollten.
    FAZ: [Verknüpfung]
    Aiwangers vermeintliche Entschuldigung ist im Wortlaut dieselbe wie die von anderen rechten Grenzübertretern: "es tut mir leid, wenn ich [...] Gefühle verletzt haben sollte." In diesem Fall ist es natürlich eine unglaubliche Verharmlosung, im Konjunktiv, also von einer Möglichkeit der Verletzung zu sprechen. Die Beleidigung von Juden und anderen Naziopfern ist hier allzu offensichtlich. Die Psychologie spricht hier von einer Ifpology (Wenn-Entschuldigung), einer Form der Nonpology (Nicht-Entschuldigung)
    [Wikipedia 2023 - Nicht-Entschuldigung] Der Ministerpräsident Markus Söder will im Wahlkampf seinem Konkurrenten Aiwanger trotz der erdrückenden Lage keine Opferrolle verschaffen und belässt diesen im Amt. Dafür erwartet er von ihm "Reue" und "Demut". Aiwanger freilich tut genau das Gegenteil. Er betreibt weiter seine Täter-Opfer-Umkehr, indem er von einer "Schmutzkampagne" der Medien spricht, von "Hexenjagd" - noch ein Aiwangerscher Trumpismus. Darüber hinaus verbreitet er Verschwörungsmythen über die politische Motivation der Verursacher. Im Welt-Interview spricht er gar von einer Instrumentalisierung der Shoah, wirft also den Aufklärern selbst antisemitisches Verhalten vor.
    Münchener Merkur: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]
    Augsburger Allgemeine: [Verknüpfung]
    Befragungen seiner Klassenkameraden von Report München der letzten Jahre brachten mehrere anonyme Hinweise u.a. auf Hitlergrüße und Judenwitze des jugendlichen Aiwanger in der Öfentlichkeit, jetzt hat sich auch ein Zeuge dafür gefunden. Aiwanger weist die Vorwürfe zurück, er könne sich daran nicht erinnern.
    BR: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    Aiwanger spricht wiederholt von einer Schmutzkampagne und Verletzung der journalistischen Sorgfaltspflicht. Deshalb fasst die SZ die Sachlage noch einmal zusammen.
    SZ: [Verknüpfung]
    Aiwangers Vorwürfe gegen Journalisten werden auch vom Leiter des Instituts für Medien- und Kommunikationsrecht an der Universität Köln Karl-Nikolaus Peifer bei n-tv zuückgewiesen.
    [Verknüpfung]
    Den ehemaligen CSU-Ministerpräsidenten-Kandidat und Minister Erwin Huber erschreckt das Flugblatt zutiefst, und er ist erstaunt über den Umgang damit.


    In den Sechzigerjahren gab es noch manche Verharmlosung, vor allem im ländlichen Raum. Aber es wundert mich, dass es noch Ende der Achtzigerjahre zu diesem scheußlichen Flugblatt gekommen ist. Es erschreckt mich zutiefst. Und ich bin erstaunt darüber, wie verbreitet die Bereitschaft ist, so etwas zu verzeihen oder gar Verständnis für Aiwanger zu haben. Aiwangers Verhalten ist enttäuschend, weil er sich nicht aufrichtig entschuldigt, sondern einen taktischen Umgang pflegt.
    Erwin Huber
    [Daum 2023]

    Alan Posener analysiert in einem Zeit-Kommentar schon früh die Causa Aiwanger messerscharf und fällt ein vernichtendes Urteil.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Affäre wirft auch wieder die Debatte um extreme Ungleichbehandlung von linkem und rechtem Aktivismus auf, besonders in Bayern.

    Zum Weltgebetstag am 1. September veröffentlicht das katholische Gemeinschaftsprojekt Wir sind bereit aus der Arbeitsgemeinschaft der Umweltbeauftragten der deutschen Bistümer AGU, der Caritas und des Zentrums der Jesuiten für Sozial-Ökologische Transformation Ukama einen eindringlichen Appell an die Bundesregierung, der von zahlreichen Verantwortlichen in der deutschen katholischen Kirche unterzeichnet wurde, koordiniert von Jesutenpater Jörg Alt. Papst Franziskus folgt im Oktober mit seinem Lehrschreiben "Laudate Deum", in dem er Positionen der Klimaforschung als unbestreitbar vorträgt, und für Klimaaktivisti Partei ergreift.
    Es folgt ein ökumenischer Appell, dem sich 250 bedeutende Vertreter:innen auch der Evangelischen Kirche anschließen.


    Eine Politik, die unvermindert handelt, als ob die Klimakatastrophe nicht längst begonnen hätte und nicht schon jetzt jährlich Tausende an Toten durch Hitze, Dürren oder Überschwemmungen sowie volkswirtschaftliche Schäden in Milliardenhöhe erzeugt, suggeriert der Bevölkerung, die Lage sei keinesfalls so ernst, wie die Wissenschaft anmahnt. Sie schmälert die vorhandene Veränderungsbereitschaft, sie verhindert Planungssicherheit und sie fördert Populismus, Angst, Hass und Aggression.
    Gemeinschaftsprojekt Wir sind bereit
    In den vergangenen Jahren hat es nicht an Personen gefehlt, welche [die Beobachtungen des Klimawandels] kleinreden wollten. Sie führen vermeintlich wissenschaftlich fundierte Daten an, wie die Tatsache, dass der Planet schon immer Phasen der Abkühlung und Erwärmung hatte und haben wird. Sie versäumen dabei die Erwähnung einer anderen relevanten Gegebenheit: dass das, was wir jetzt erleben, eine ungewöhnliche Beschleunigung der Erwärmung ist, und zwar mit einer solchen Geschwindigkeit, dass eine einzige Generation – nicht Jahrhunderte oder Jahrtausende – genügt, um dies wahrzunehmen. Der Anstieg des Meeresspiegels und das Schmelzen der Gletscher können von einem Menschen während seiner Lebenszeit leicht wahrgenommen werden und wahrscheinlich werden in wenigen Jahren viele Menschen aufgrund dieser Ereignisse umsiedeln müssen.
    Um diejenigen ins Lächerliche zu ziehen, die über die globale Erwärmung sprechen, wird die Tatsache angeführt, dass es auch oft zu extremen Kälteeinbrüchen kommt. Dabei wird vergessen, dass diese und andere außergewöhnliche Symptome lediglich alternative Ausdrucksformen desselben Grundproblems sind, nämlich des globalen Ungleichgewichts, das durch die Erderwärmung verursacht wird. Sowohl die Dürren als auch die Überschwemmungen, sowohl die austrocknenden Seen als auch die durch Flutwellen oder Überschwemmungen ausgelöschten Populationen haben letztlich dieselbe Ursache. Andererseits dürfen wir, wenn wir von einem globalen Phänomen sprechen, dies nicht mit vorübergehenden und wandelbaren Ereignissen verwechseln, die sich weitgehend durch lokale Faktoren erklären lassen. [...]
    Es mangelt nicht an Personen, die in einer sehr vereinfachenden Sicht der Wirklichkeit die Armen beschuldigen zu viele Kinder zu haben [...]. Wie immer scheinen die Armen schuld zu sein. Aber die Wirklichkeit ist, dass ein kleiner Prozentsatz der Reichsten auf der Erde die Umwelt mehr verschmutzt als die ärmsten 50% der gesamten Weltbevölkerung und dass die Pro-Kopf-Emissionen der reichsten Länder um ein Vielfaches höher sind als die der ärmsten. Wie können wir vergessen, dass Afrika, wo mehr als die Hälfte der ärmsten Menschen der Welt leben, nur für einen winzigen Bruchteil der in der Geschichte angefallenen Emissionen verantwortlich ist?
    Es wird auch oft behauptet, dass die Bemühungen zur Eindämmung des Klimawandels durch die Verringerung der Nutzung fossiler Brennstoffe und die Entwicklung sauberer Energieformen zu einem Rückgang der Arbeitsplätze führen würden. Tatsache ist, dass Millionen von Menschen aufgrund der verschiedenen Folgen des Klimawandels ihren Arbeitsplatz verlieren: Der Anstieg des Meeresspiegels, Dürreperioden und viele andere Phänomene, die den Planeten heimsuchen, haben etliche Menschen in Bedrängnis gebracht. Andererseits können der Übergang zu erneuerbaren Energieformen, wenn er gut gesteuert wird, sowie alle Bemühungen zur Anpassung an die Schäden des Klimawandels unzählige Arbeitsplätze in verschiedenen Sektoren schaffen. Dies erfordert, dass Politiker und Unternehmer sich umgehend mit diesem Thema befassen. [...]
    Ich sehe mich gezwungen, diese Klarstellungen, die offenkundig erscheinen mögen, aufgrund bestimmter abschätziger und wenig vernünftiger Meinungen vorzunehmen, die ich selbst innerhalb der katholischen Kirche vorfinde. Aber wir können nicht mehr daran zweifeln, dass der Grund für die ungewöhnliche Geschwindigkeit dieser gefährlichen Veränderungen eine unbestreitbare Tatsache ist: die gewaltigen Entwicklungen, die mit dem ungezügelten Eingriff des Menschen in die Natur in den letzten zwei Jahrhunderten zusammenhängen. Natürliche Einflüsse, die typischerweise eine Erwärmung verursachen, wie Vulkanausbrüche und andere, reichen nicht aus, um das Ausmaß und die Geschwindigkeit der Veränderungen in den letzten Jahrzehnten zu erklären. Die Entwicklung der durchschnittlichen Oberflächentemperaturen kann ohne den Effekt der zunehmenden Treibhausgase nicht erklärt werden.
    [...] das größte Problem ist die Ideologie, der eine Besessenheit zugrunde liegt: Die menschliche Macht über alles Vorstellbare hinaus zu steigern, für die die nicht-menschliche Wirklichkeit nur eine Ressource zu ihren Diensten ist. Alles, was existiert, hört auf, ein Geschenk zu sein, das man würdigt, schätzt und pflegt, und wird zum Sklaven, zum Opfer einer beliebigen Laune des menschlichen Geistes und seiner Fähigkeiten.
    Es ist erschreckend festzustellen: Die erweiterten Möglichkeiten der Technologie „geben denen, welche die Kenntnis und vor allem die wirtschaftliche Macht besitzen, sie einzusetzen, eine beeindruckende Gewalt über die gesamte Menschheit und die ganze Welt. Nie hatte die Menschheit so viel Macht über sich selbst, und nichts kann garantieren, dass sie diese gut gebrauchen wird, vor allem wenn man bedenkt, in welcher Weise sie sich gerade jetzt ihrer bedient [...]. In welchen Händen liegt so viel Macht, und in welche Hände kann sie gelangen? Es ist überaus gefährlich, dass sie bei einem kleinen Teil der Menschheit liegt.“ [...]
    Hören wir endlich auf mit dem unverantwortlichen Spott, der dieses Thema als etwas bloß Ökologisches, „Grünes“, Romantisches darstellt, das oft von wirtschaftlichen Interessen ins Lächerliche gezogen wird. Geben wir endlich zu, dass es sich um ein in vielerlei Hinsicht menschliches und soziales Problem handelt. Deshalb bedarf es einer Beteiligung von allen. Auf Klimakonferenzen ziehen die Aktionen von sogenannten „radikalisierten“ Gruppen oft die Aufmerksamkeit auf sich. In Wirklichkeit füllen sie jedoch eine Lücke in der Gesellschaft als Ganzer, die einen gesunden „Druck“ ausüben müsste, denn es liegt an jeder Familie, zu bedenken, dass die Zukunft ihrer Kinder auf dem Spiel steht. [...]
    An die Mächtigen erlaube ich mir erneut diese Frage zu richten: »Warum möchte man heute eine Macht bewahren, die in die Erinnerung eingehen wird wegen ihrer Unfähigkeit einzugreifen, als es dringend und notwendig war?« [...]
    Machen wir also Schluss mit der Vorstellung eines autonomen, allmächtigen, unbegrenzten Menschen und überdenken wir uns selbst, um uns auf eine demütigere und umfassendere Weise zu verstehen. [...]
    »Lobt Gott« ist der Name dieses Schreibens. Denn ein Mensch, der sich anmaßt, sich an die Stelle Gottes zu setzen, wird zur schlimmsten Gefahr für sich selbst.
    Jorge Mario Bergoglio (Papst Franziskus): apostolisches Schreiben Laudate Deum
    [Deshalb] fordern wir als Vertreter*innen von wissenschaftlicher Theologie und kirchlichen Institutionen die gewählten Parlamentarier*innen auf, eine parteiübergreifende Gesamtstrategie zu entwickeln, mit der die uns alle bedrohende Krise effektiv und sozialgerecht bewältigt werden kann. Wir fordern, eine umfassende Bildungsinitiative für alle Altersgruppen und Milieus der Bevölkerung zu starten, die den unstrittigen wissenschaftlichen Befund (siehe IPCC-Bericht) ehrlich kommuniziert und somit Mehrheiten für die erforderlichen Maßnahmen gewinnt. Die gesetzgebenden Organe des Bundes fordern wir dazu auf, das Klimaschutzgesetz nicht zu entschärfen, sondern konsequent umzusetzen und Schritt für Schritt auf dem Weg zur Klimaneutralität nachzujustieren
    Ökumenischer Appell für bessere Klimapolitik
    Appell Wir sind bereit: [Verknüpfung]
    Schreiben des Vatikans "Laudate Deum": [Verknüpfung]
    Ökumenischer Appell bei zeitzeichen: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Die fatale Abhängigkeit von Ölpatriarchen zeigt sich auch nach dem Bruch mit Putin. Der nächste Öl-Diktator, dem sich Deutschland und Europa anbiedern, ist Heidar Alijew von Aserbaidschan. Schon Hitler griff schon mit dem Russland-Feldzug nach den aserbaidschanischen Ölreserven, und die CDU-Bundestagsfraktion, darunter auch wichtige Energiepolitiker, lösten mit ihrer Kooperation mit dem Diktator eine Affäre aus. Doch jetzt, wo Putin die Europäer enttäuscht hat, sieht Alijew seine Stunde gekommen. Deutschland und die EU unterzeichnen Lieferverträge, und prompt überfällt Alijew die armenische Exklave Berg-Karabach, die er schon lange für sich beansprucht, und auf deren Bodenschätze wie Gold, Kupfer und Kobalt schon internationale Konzerne ein Auge geworfen haben. Einen Monat nach der Einnahme veranstaltet Alijew die Bergbau-Messe GeoMining Baku ab.
    Die EU unternimmt abgesehen von Ordnungsrufen gar nichts gegen die Invasion. Alijew beginnt nach dem schnellen Sieg gleich mit ethnischer Unterdrückung, die armenische Bevölkerung flüchtet in Strömen. Die britische Firma Anglo Asian Mining PLC hat sich schon die Rechte gesichert, Siemens energy ist Partner. Sie lagert z.B. Cyanidlauge aus der Goldraffination in offenen Seen. Proteste von Umweltaktivisti gegen diese Firma werden mit heftiger Repression beantwortet, Journalisten für Jahre inhaftiert. Aserbaidjan gilt mit Platz 151 als eines der Länder mit der geringsten Pressefreiheit.
    EU-Kommission: [Verknüpfung]
    FR: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Heydar Alijew]
    Report Mainz bei Youtube: [Verknüpfung]
    Report Mainz: [Harrich 2024]
    Report Mainz vom 05.03.2024 in der ARD-Mediathek: [Harrich 2024]
    opendemocracy: [Dowsett 2021]
    france24 observers: [Bainier 2024]
    france24 bei Youtube: [Verknüpfung]
    Frank Schwabe (SPD) treibt seit Jahren die Aufklärung der krassen CDU-Korruptionsfälle voran, doch gleichzeitig wird Alijew auch von SPD-Kanzler Scholz empfangen.
    Aserbaidschanisches Gas steckte auch hinter dem Korruptuionsverbrechen in Malta, bei dessen Vertuschungsversuch es zur spektakulären Ermordung der Journalistin Daphne Caruana Galizia kam. Neben einem lokalen Investor waren auch hier Siemens energy und der aserbaidschanische Ölkonzern socar an den Zahlungen beteiligt - die Empfänger saßen in der Regierung.
    Zeit: []


    Youtube: [Verknüpfung]

    Im Oktober kommt es nach Wochen der Dürre und Hitze im Amazonas-Regenwald zu einem Massensterben der Süßwasser-Delfine. Die Ursachen werden noch erforscht (Stand 6.10.2023), doch herrschten selbst in 3m Wasserrtefe Temperaturen um 40°C.
    [Verknüpfung]
    Der Klimaforscher Gianluca Grimalda, der von seiner Forschungsreise nach Neuguinea auf demselben Wege zurückkehren wollte, auf dem er auch dorthin gelangt war - mit Zug und Frachtschiff - wurde er vom Kieler Institut für Weltwirtschaft entlassen.
    FR: [Verknüpfung]
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]

    Der Zubau neuer Stromerzeugungs-Kapazitäten basiert zu 83% auf Wind- und Sonnenenergie. Das Maximum der absoluten Ölförderung (inklusive der aus unkonventionellen Quellen) wird von den OECD-Experten der Internationalen Energieagentur IEA noch vor 2030 vorhergesagt.


    We are on track to see all fossil fuels peak before 2030.
    IEA World Energy Outlook 2023
    IEA: [Verknüpfung]

    Die Entwicklung der Erneuerbaren ist so rasant und die fossile Reaktion so krass, dass die IEA im November neue Zahlen sofort in einem Update zur Verfügung stellt.


    The clean energy transition brings new energy security risks. Although capital spending on critical minerals saw a 30% increase in 2022 and exploration spending rose by 20%, announced critical mineral mining projects are not sufficient to meet the needs of the Net Zero by 2050 Scenario (NZE Scenario) in 2030. Bridging this gap requires a focus on investment, recycling, technology innovation and behavioural change. [...]
    Affordability of energy is a key concern. A people-centred transition requires measures to ensure that the least well-off in all societies are able to benefit from the lower operating costs of clean and energy-efficient technologies. In overall terms, clean energy investment in the NZE Scenario is outweighed by declines in spending on fossil fuels, with worldwide net energy spending savings equalling USD 12 trillion to 2050.
    (Insgesamt werden die Investitionen in saubere Energie im NZE-Szenario durch Rückgänge bei den Ausgaben für fossile Brennstoffe aufgewogen, sodass sich die weltweiten Nettoenergieeinsparungen bis 2050 auf 12 Billionen US-Dollar belaufen.)
    IEA
    [IEA 2023]

    Das hält einige Glücksritter nicht davon ab, kurz vor Schluss mit dem Ökozid noch einmal ganz große Geschäfte zu machen. Besonders lukrativ ist die Kanibalisierung in der Branche, denn die Unternehmenswerte schwanken durch die Spekulationen mittlerweile enorm. Der Wettlauf um die letzten leicht förderbaren Reserven, vor allem zwischen den abstiegsbedrohten USA und dem aufstrebenden China, birgt große Konfliktrisiken.
    [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung] Filmtip:
    Markus Goldeck. Poker um eine neue Weltordnung - die neue Seidenstraße. arte 2022.

    Im Dezember, noch einmal zweieinhalb Jahre nach der umstrittenen Koch-Studie des VDI, versucht der VDI mit dem zweifelhaften Marginalstromansatz und einem rekordverdächtigen Golf TDI, die Emissions-Werte der EAutos wieder anzuschieben. Dieses Mal werden erst gar keine Autoren genannt, und das Echo der seriösen Medien ist noch verheerender.
    Allerdings kommt die Studie zu einem Zeitpunkt, wo die erste Welle an gebrauchten EAutos aus Leasing-Verträgen im VW-Lager aufläuft, sogenannte Leasing-Rückläufer. Viele der ersten Massenkäufer wollten kein Risiko eingehen, obwohl die Akku-Garantien über 8 Jahre und 160.000km laufen. Die Kundschaft hält sich bei diesen Gebrauchten auch deshalb zurück, weil sie Angst vor beschädigten Akkus hat, und in weiten Teilen immer noch die Erzählung vom Warten auf eFuels oder Wasserstoff in Massen glaubt. Ein Akku-Gutachten, das Dienstleister schnell durch Auslesen des Steuergeräts erstellen können, ist noch nicht verpflichtend, und ein Preissturz bei Neufahrzeugen durch chinesische Konkurrenz wird erwartet, was sich natürlich auch auf den Gebrauchtmarkt auswirken würde. Aber "aus irgendeinem Grund" kommen die chinesischen Autos wie der BYD Seagull, der dort schon unter 9.000€ zu haben ist, nicht auf den EU-Markt. Dazu kommen schnell steigende Erwartungen in der Handhabung, denn die early adopters, die in ihrer Begeisterung auch mit Einschränkungen leben können, werden jetzt vom Durchschnittskunden abgelöst. Deshalb sind jetzt häufiger negative Kundenmeinungen zu hören. Viele sind verunsichert und greifen wieder zum Verbrenner.
    Auto Motor und Sport: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]

    Interessant ist der Vergleich mit dem Ausland, wo im März 2024 der Trend total gegenläufig ist. Hier rechnet Allianz Trade global mit 33% Zunahme, in Europa sogar 41% (beides inklusive Deutschland). Davon profitieren deutsche Hersteller aber nicht so sehr. In China sind die deutschen Elektroautos nur wenig gefragt; der VW ID.3, dessen Listenpreis in Deutschland deutlich über 40.000€ liegt, wird in China für 15.000€ angeboten und ist dennoch kein Verkaufsschlager. Die chinesischen Kunden erwarten mehr Komfort und bessere Integration digitaler Dienste, die sie in ihren eigenen Autos eher vorfinden.
    Das zögert zwar einerseits den Zusammenbruch der deutschen Verbrenner-Produktion hinaus, was die Situation der deutschen Industrie stabilisiert. Der Heimatmarkt arbeitet so jedoch gegen eine erfolgreiche Transformation im Automobilsektor, VW legt neue Produktionslinien wieder still. Die Hypothek der fossilen Beharrung lastet weiter schwer auf der deutschen Industrie.
    presseportal: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]




    2024

    Das Anziehen der Schuldenbremse durch die erfolgreiche Klage der CDU beim Bundesverfassungsgericht bringt die ganze Finanzierung der Ampel-Projekte durcheinander. Als erstes werden Arten- und Klimaschutz-Vorhaben zusammengestrichen, selbst wichtige innenpolitische Aufgaben wie die lange aufgeschobene Bekämpfung des Rechtsextremismus stehen zur Debatte.
    Kanzler Scholz kann gegen die FDP weder eine Reform, noch ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse durchsetzen, was beides durchaus rechtlich möglich wäre. Kaum ein prominenter Ökonom spricht sich noch für eine Beibehaltung der Schuldenbremse in dieser Form aus.
    Um die letzten Löcher für den Haushalt 2024 zu stopfen, einigt man sich auf die glorreiche Idee, die klimaschädlichen Treibstoff-Subventionen und Kfz-Steuervorteile der Bauern zu streichen. Das ist eine Maßnahme, die relativ wenig bringt, und eine historisch widerständige Berufsgruppe sehr einseitig belastet, die seit Jahrzehnten unter hohem Konkurrenzdruck leidet, und von da her großen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Die Grünen sind bei den meisten Bauern ohnehin nicht gut gelitten, da sie die Bedingungen durch steigende Umweltauflagen weiter erschweren.
    Als die ersten Proteste hochkochen, belässt man die Kfz-Steuervorteile komplett und reduziert die Subventionen schrittweise. Der Grüne Landwirtschaftsminister Özdemir beteuert, das sei alles gegen seine Zustimmung beschlossen worden, aber das hilft alles nichts. Die rechtspopulistische Saat von Heizungshammer-Kampagne und Kulturkampf entlädt sich schlagartig, und zu den Traktoren der wütenden Bauern gesellen sich die LKW von kleineren Handwerksbetrieben und Fuhrunternehmen, die ebenfalls unter der inflationsgetriebenen Rezession stark leiden. Schnell sind die oppositionellen Parteien CDU und AfD auf dem Plan und heizen die Stimmung an, die AfD-Umfragewerte steigen über 20%.
    Der Bloomberg-Kolumnist Chris Bryant erkennt aus den USA die wahren Ursachen: Deutschland hat ein Problem, seinen großen Wohlstand gerecht zu verteilen. Diese Diagnose teilt Deutschland mit vielen anderen Ländern, in denen der Neoliberalismus die Mittelschicht nach und nach zerstört hat. Rechtspopulistische Tendenzen in Deutschland werden jedoch international besonders sensibel wahrgenommen, weil deutscher Faschismus für besonders üble Wirkungen bekannt ist. In Deutschland dagegen bleibt die Ungleichverteilung der Elefant im Raum, über den tunlichst alle schweigen. Das stetige, von Erdöl und -Gas getriebene Wachstum hat die Fehlentwicklung über Jahrzehnte verdeckt, doch in der Krise wird sie offenbar - für die, die sie sehen wollen. Deshalb ist Wachstum ein Fetisch der Neoliberalen, weil das Kartenhaus in der Krise ohne Wachstum zusammenbricht.
    Während der Bauernproteste deckt das Recherche-Netzwerk Correctiv den Skandal um das Treffen des rechtsextremen Düsseldorfer Forums in Potsdam auf, bei dem im Herbst 2023 Massendeportationen aus Deutschland geplant wurden. Eine wochenlange Welle antifaschistischer Demonstrationen in ganz Deutschland bricht los (bis Ende Januar über 800.000 Teilnehmer:innen), und eine Diskussion über die gefährliche gesellschaftliche Spaltung durch Rechtspopulismus.

    Februar: Der Ölgigant Exxon Mobil Corp. ist über direkte Zahlungen an Lobbyist:innen und rechtspopulistische Denkfabriken so tief in die Desinformationskampagnen der Klimaskeptiker verstrickt, dass er 2023 vom Staat Kalifornien wegen Irreführung der Öffentlichkeit auf Milliardensummen an Schadenersatz verklagt wurde. Ausgerechnet der CEO dieser Firma beklagt jetzt: die Welt habe "zu lange gewartet", um in notwendige Technologien wie die CCS-Technik zu investieren. Nach Stand der Wissenschaft sind allein deren Kapazitäten für eine Fortsetzung fossiler Verbrennung bei Weitem nicht ausreichend. Außerdem sind sie höchst unwirtschaftlich. Da die Technologie sich bisher nicht als zukunftstauglich erwiesen hat, wurden staatliche Forschungsprogramme vor Jahren eingestellt. Nur die Ölindustrie, die daran weiter interessiert ist, forschte mit kleineren Budgets weiter, beklagt der Chef der Internationalen Energieagentur IEA Fatih Birol. Erneuerbare Energien seien weit ökonomischer.
    Exxon setzt sich darüber hinaus für eine prinzipielle Verbraucherhaftung an Stelle der Herstellerhaftung ein.

    The Hill: [Elbein 2024]

    Im März veröffentlicht der Deutsche Ethikrat eine Erklärung zum Klimaschutz: "Lasten im Kampf gegen den Klimawandel gerecht verteilen". Er formuliert 13 Empfehlungen an die Politik und die einzelnen Individuen der Gesellschaft. Alle müssen ihren Beitrag leisten, wenn es gerecht zugehen soll. Nichthandeln ist eine unmoralische politische Entscheidung.
    Deutscher Ethikrat: [Ethikrat 2024]
    Pdf-Datei: [Verknüpfung]
    Zusammenfassung als Pdf-Datei: [Verknüpfung]
    Zitat:

    "1. Herausforderungen und Potenziale der zur Bewältigung des Klimawandels erforderlichen sozial-ökologischen Transformation sollten künftig deutlicher öffentlich, politisch und gesellschaftlich diskutiert werden. Dabei sollten Klimagerechtigkeit und Verantwortung im Vordergrund stehen. Politische Parteien, Zivilgesellschaft, Medien und Wissenschaft sollten Perspektiven für ein gutes, gelingendes Leben in einer nachhaltigen und klimaneutralen Gesellschaft ohne weiteres Wachstum von Konsum und Ressourcenverbrauch erwägen bzw. entwickeln.
    2. Materielle und immaterielle Kosten für die Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen sollten möglichst präzise bestimmt, transparent kommuniziert und sowohl innergesellschaftlich als auch international und intergenerationell gerecht und verantwortungsvoll verteilt werden. Dabei gilt es, sich an Schwellenwerten für wichtige Grundgüter und Befähigungen als Mindestvoraussetzungen für ein gutes, gelingendes Leben zu orientieren. Die Bedürfnisse von Menschen, deren Versorgung bestimmte Schwellenwerte nicht erreicht, sind hier vorrangig zu berücksichtigen.
    3. Klimaschutzmaßnahmen sollten in einem politischen Gesamtkonzept miteinander verzahnt sein, das Änderungen in der Energiewirtschaft, die Förderung emissionsarmer Technik, den Abbau klimaschädlicher Subventionen, emissionsmindernde Regulierungen und entsprechende ökonomische Anreize, vorausschauende Maßnahmen zur Anpassung an die unabwendbaren Folgen des Klimawandels sowie die Entwicklung und Erprobung von Techniken zur CO2 -Entfernung aus der Erdatmosphäre enthält.
    Bei jeder Entscheidung über technische Maßnahmen müssen mögliche, dabei zusätzlich verursachte neue Pfadabhängigkeiten zu Lasten zukünftiger Generationen bedacht werden, beispielsweise wenn diesen aufgebürdet wird, auf Dauer eine global funktionierende Wirtschaft zur CO2-Entfernung zu unterhalten.
    4. Auf nationaler Ebene muss dafür Sorge getragen werden, dass die mit der Pariser Klimakonvention von Deutschland eingegangenen Verpflichtungen rasch und effektiv erfüllt werden. Dies kann insbesondere durch die Ausweitung und Intensivierung der CO2-Bepreisung auf Produkte und Dienstleistungen geschehen. Dabei ist innergesellschaftliche Gerechtigkeit zu gewährleisten, z. B. durch den ausgleichenden Effekt einer pauschalen Pro-Kopf-Rückvergütung aus der CO2-Bepreisung an alle Einwohnerinnen und Einwohner. Zudem ist dafür Sorge zu tragen, dass attraktive klimafreundliche Alternativen zur Verfügung stehen. Zusätzlich sollten ordnungspolitische Instrumente wie eine überproportionale Bepreisung besonders klimaschädlicher Produkte oder Dienstleistungen in Betracht gezogen werden, um sie auch für finanzstarke Personen unattraktiver zu machen.
    5. Die gerechte Verteilung der Verantwortung für diese und andere Klimaschutzmaßnahmen ist dabei vornehmlich eine staatliche Aufgabe. Bei deren Erfüllung müssen darüber hinaus auch Unternehmen und andere private kollektive Akteure deutlich stärker in die Pflicht genommen und durch entsprechende Rahmenbedingungen unterstützt werden. Der bislang weit verbreitete Fokus auf die individuelle Verantwortung von Einzelpersonen wird der Problemlage nicht gerecht.
    Individuelle Entscheidungsfreiheit wird immer auch mitbestimmt durch gemeinsames Handeln vieler und wesentlich von politischen Rahmenbedingungen geprägt. Deshalb sind klare gesetzliche Regelungen notwendig, um Individuen klimafreundliches Handeln zu erleichtern."


    Es ist unangemessen, wenn staatliche Akteure von Individuen emissionsärmeren Konsum erwarten, solange innerhalb der vom selben Staat gewollten und unterstützten Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Voraussetzungen dafür zu einem guten Teil nicht erfüllt sind oder sogar konterkariert werden, sodass emissionsärmeres Handeln in vielen Feldern immer noch „moralisches Heldentum“ verlangt. Eine moralische Kritik an Entscheidungen im Bereich der privaten Lebensführung und des Konsums ist kein Ersatz für notwendige politische Maßnahmen.
    Deutscher Ethikrat

    Fortsetzung Zitat:
    "6. Die berechtigte Erwartung an die Politik, effektivere Rahmenbedingungen für den Klimaschutz zu setzen, entbindet Einzelpersonen dennoch nicht von einer individuellen moralischen Mitwirkungspflicht."


    Jeder Mensch trägt die moralische Verantwortung, dazu beizutragen, dass gesellschaftliche Verpflichtungen erfüllt werden können. Dazu gehört, das persönliche Verhalten, die eigene Lebensweise und das eigene zivilgesellschaftliche Engagement auch unabhängig von regulatorischen Vorgaben mit Blick auf die Herausforderungen des Klimawandels und seiner Bewältigung zu reflektieren und im Rahmen der eigenen Möglichkeiten und Zumutbarkeiten auch entsprechend zu ändern.
    Deutscher Ethikrat

    Fortsetzung Zitat:
    "7. Die Auseinandersetzung über einen gerechten Umgang mit dem Klimawandel und seinen Folgen muss im Rahmen offener gesellschaftlicher Diskurse erfolgen. Dabei ist auf faire Zugangs- und Beteiligungsmöglichkeiten ebenso zu achten wie auf eine transparente Gegenüberstellung der verschiedenen Informationen, Argumente und Handlungsoptionen. Verbindliche Entscheidungen müssen den dafür vorgesehenen, demokratisch legitimierten Institutionen, insbesondere den Parlamenten, vorbehalten bleiben. Wissenschaftliche Expertengremien und außerparlamentarisches zivilgesellschaftliches Engagement sind in einer freiheitlichen parlamentarischen Demokratie Bestandteile des öffentlichen Diskurses; sie können aber die demokratische Entscheidungsfindung nicht ersetzen. Einer möglichen Destabilisierung der Demokratie ist auf allen Ebenen entgegenzuwirken.
    Auch individuelles Engagement und Proteste haben sich an demokratische Regeln zu halten.
    8. Den Akteuren in Medien und Politik kommt besondere Verantwortung zu, einen konstruktiven, lösungsorientierten Diskurs zum Klimawandel zu ermöglichen und zu führen. Zu einer glaubwürdigen Diskussion über realistische Klimalösungen gehört eine sachliche Berichterstattung, die weder beschönigt noch überzeichnet und in angemessenem Umfang der Breite der in der Gesellschaft und der Wissenschaft vertretenen Positionen Raum bietet.


    Sachlich kaum fundierten Zweifeln, Ausweichstrategien oder Pseudolösungen sollte nicht zu viel Aufmerksamkeit gewidmet werden. Überzogener Alarmismus ist ebenso zu vermeiden wie die ausschließliche Betonung von Problemen. Mit Blick auf die große Herausforderung einer sozial-ökologischen Transformation sollten auch erwartbare positive Aspekte ausreichend beleuchtet werden.

    Fortsetzung Zitat:
    "9. Angesichts der auch in Deutschland bereits jetzt schon erkennbaren und erwartet zunehmenden vielfältigen gesundheitlichen Folgen des Klimawandels trägt der Gesundheitssektor eine besondere Verantwortung, auf diese Herausforderungen zu reagieren und Schutzmaßnahmen umzusetzen. Der Gesetzgeber sollte die Regeln und die Ressourcenverteilung des Gesundheitssystems so ändern, dass bei der Regulierung, Steuerung und Organisation des Gesundheitswesens Fragen der Klimaanpassung besondere Aufmerksamkeit erhalten.
    10. Der Klimawandel und seine Folgen können nicht allein auf nationaler Ebene bewältigt werden. Auch und vor allem auf internationaler Ebene muss effektiver gegen die Klimaerwärmung vorgegangen werden. Entscheidungen über eine international gerechte Verteilung der Belastungen durch den Klimawandel und seine Bewältigung erfordern die Stärkung zwischenstaatlicher Verständigung und Zusammenarbeit. Deshalb sollte Deutschland die bisherigen Bemühungen mit hoher Priorität nochmals verstärken, um wirksame globale Abkommen für die Begrenzung der Erwärmung und verbindliche Reduktionsziele zu erreichen, deren Umsetzung seitens der Nationalstaaten garantiert wird. Hierzu müssen diplomatische Möglichkeiten ausgeschöpft und Vereinbarungen innerhalb von Staatenbündnissen wie der EU und den G20, aber auch andere multinationale Abkommen als Zwischenschritte getroffen werden. Besonderes Augenmerk sollte auf Mechanismen zur effektiven Implementierung der beschlossenen Maßnahmen liegen.
    11. Die wohlhabenden Industriestaaten müssen die Länder des Globalen Südens darin unterstützen, die notwendigen Investitionen zur Emissionsreduzierung und Anpassung an den Klimawandel zu finanzieren. Die dafür bereits zugesagten Unterstützungszahlungen müssen tatsächlich geleistet, in den Empfängerländern für effiziente Maßnahmen genutzt, durch Technologietransfer und faire Handelsbeziehungen unterstützt und ihre klimaschützende Wirkung von unabhängiger Seite überprüft werden.
    12. Es ist damit zu rechnen, dass einzelne Staaten versuchen werden, ihren eigenen Beitrag zum Klimaschutz möglichst lange zurückzuhalten und von den Vorleistungen anderer zu profitieren.
    Diesem Trittbrettfahrerphänomen ist durch möglichst breite internationale Kooperationen zu begegnen, um die Kosten und Risiken für alle Beteiligten auch dann noch überschaubar zu halten, wenn nicht alle Akteure von Anfang an dazu bereit sind, ihren eigenen Beitrag zu erbringen.
    13."


    Die notwendigen Schritte zur Eindämmung des Klimawandels und zur Anpassung an seine Folgen sind aus Gründen der intergenerationellen Gerechtigkeit so schnell wie möglich zu ergreifen. Angesichts der schwerwiegenden Auswirkungen auf die Lebensgrundlagen jüngerer und zukünftiger Generationen ist ein Abwarten, Hinhalten und Hinauszögern ethisch nicht zu rechtfertigen. Die Perspektiven und Interessen junger Menschen und zukünftiger Generationen sollten in der politischen Willensbildung und Entscheidungsfindung über Maßnahmen zur Bewältigung des Klimawandels ein größeres Gewicht erhalten.
    Entsprechende Instrumente, die die Berücksichtigung dieser Perspektiven und Interessen politisch implementieren und institutionalisieren, müssen entwickelt bzw. weiter ausgebaut werden.
    Deutscher Ethikrat

    Von den 24 Ratsmitgliedern unterzeichnen 21 ohne Einschränkungen. Die drei abweichenden Meinungen im Rat sind in einem angefügten Sondervotum dargestellt; neben fehlenden Präzisierungen sehen sie v.a. die fehlende Wirksamkeit deutscher Maßnahmen für das Weltklima nicht als Rechtfertigung für Einschränkungen in Deutschland, Zitat:

    "Die Hoffnung, Deutschland könnte durch seine nationale Klimapolitik eine globale Vorreiterrolle einnehmen, die insbesondere jene Staaten zur Nachahmung motiviert, die gegenwärtig massiv zum globalen CO2-Ausstoß beitragen, erweist sich als epistemisch höchst ungewiss und kann daher ihrerseits nicht hinreichen, um massive Eingriffe in die Freiheit der eigenen Bürger zu rechtfertigen."

    Die Tragik der Allmende wird zwar schon in Forderung 12 adressiert, doch möchte ich noch zwei weitere Gedanken dem Sondervotum entgegensetzen.
    1) Natürlich kann niemand voraussehen, ob in Zukunft andere Staaten sich an deutschen Klimaschutz-Maßnahmen ein Vorbild nehmen werden. Ein Blick in die jüngere Geschichte zeigt jedoch, dass das seinerzeit äußerst progressive EEG weltweit viele wichtige Nachahmer gefunden hat und zu einem beispiellosen Motor der Transformation geworden ist; und dass die fossile Reaktion darauf uns viele Arbeitsplätze und eine höhere Abhängigkeit von Putins Gaslieferungen gekostet, und Deutschland in der Vorbereitung auf eine postfossile Zukunft um viele Jahre zurückgeworfen hat.
    2) Wenn es vor allem aber einen grundlegenden Klassiker der deutschen Ethik gibt, dann ist es wohl der kategorische Imperativ von Immanuel Kant: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Vielleicht kann die "Hoffnung" auf Nachahmung massive Eingriffe nicht rechtfertigen, aber ganz sicher kann es ein kategorischer Imperativ. Abgesehen davon, dass schon kleinste Eingriffe massive Gegenwehr verursacht, und in keinstem Verhältnis zu den Schäden stehen, denen unsere Kinder ausgesetzt sein werden. Nicht umsonst ist der kategorische Imperativ in den Grundgesetz-Artikeln 2 und 20a verankert, auf die sich das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil zum Klimagesetz bezieht.

    Ein neuer selbstentwickelter Drohnentyp erlaubt es der Ukraine, neun russische Ölraffinerien in Brand zu stecken, die etwa 8% der russischen Kapazität darstellen. Gleichzeitig mit den Houthi-Angriffen auf die Transportroute im Roten Meer ist das eine massive Belastung des Ölmarkts.
    france24 observers: [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]

    Nach zwei Jahren Ampelkoalition weigert sich die Grünen-Fraktion im Bundestag weiter, der Aufhebung der Sektorziele im KlimaschutzG zuzustimmen, obwohl die grünen Kabinettsminister bereits eingeknickt sind. Zwei Monate vor dem Stichtag, an dem die Sektoren bilanziert werden, droht Verkehrsminister Volker Wissing mit einem Fahrverbot an Wochenenden. Jeder weiß, dass die Sektorziele auch anders zu erreichen wären, aber die Grünen befürchten eine weitere Hetzkampagne wie in der Wärmepumpendebatte. Zwei Tage später stimmen sie zu.
    DIW: [Verknüpfung]

    In der Lausitz wird der Bau des höchsten Windradturms geplant, der Höhenwindturm Schipkau. Auf 300m Nabenhöhe soll sich mit einem konventionellen Rotor die Zahl der Volllaststunden auf 50% verdoppeln, erwartet Jochen Großmann von GICON. Die Türme werden als Stahlgitter konstruiert, vergleichbar mit dem Eiffelturm.
    Zeit: [Verknüpfung]
    ARD Klimazeit auf Youtube: [Verknüpfung]

    Für Klimaschutz findet die Ampel nach der erfolgreichen Klage der CDU vor dem Bundesverfassungsgericht keine alternative Finanzierung. In der Debatte um Sparmöglichkeiten bringen FDP und CDU immer wieder die Sozialpolitik auf die Agenda. Dabei spielen sie bevorzugt die "hart arbeitende Bevölkerung" gegen die Empfänger:innen von Sozialleistungen aus. Sie wiederbeleben die uralte Erzählung, das Bürgergeld sei so hoch, dass kein wahrnehmbarer Unterschied mehr zum Mindestlohn bestehe, und reize damit Sozialbetrug an. Währenddessen lehnen sie jedoch höhere Mindestlöhne, die dem Problem sofort abhelfen würden, genauso ab wie eine Umverteilung der Steuerlast von unten nach oben. Der Millionär und CDU-Spitzenpolitiker Jens Spahn spricht bei Sandra Maischberger am 20.03. von einem „schwer“ [...] „gestörten Gerechtigkeitsempfinden im Land“. Dazu kommentiert Maurice Höfgen:


    Wenn dieser Mann von Gerechtigkeitsempfinden spricht, der sich selbst in seinem politischen Netzwerk die Taschen voll gemacht hat, ja - Spendengala, alle zahlen jetzt 9.999€ Spenden beim privaten Dinner, aber erst ab 10.000 muss man’s offenlegen. [...]
    Alles fußt auch auf diesem Geld-ist-knapp-Framing: „[...] Die fleißigen Steuerzahler finanzieren die Arbeitslosen, genauso wie die Asylbewerber.“ Das ist natürlich falsch: [...] Deutsche Rentner sind nicht [deshalb] arm [...] [und] Reinigungskräfte, die in Deutschland arbeiten, verdienen nicht [deshalb] wenig, weil es dort Menschen gibt, die Jobs ausschlagen, oder Asylbewerber gibt, die in Deutschland Zuflucht suchen. Das ist schlicht und einfach ein falscher Zusammenhang. Damit spielt man Schwach gegen Arm aus, indem man sagt, „ihr konkurriert um einen ganz knappen Geldtopf“ [...] „Die einen finanzieren’s und die anderen nehmen da ’raus“. Die hetzt man gegeneinander. […] Auf dem Bodensatz der Gesellschaft, sozioökonomisch gesehen, lässt man die Leute aufeinander los, während ganz oben, ja, da wird dann Schampus getrunken.
    Maurice Höfgen
    Youtube: [Verknüpfung] ab 34min 25s

    Gleichzeitig bewirbt Finanzminister Christian Lindner eine Wirtschaftswende, u.a. die Steuerbefreiung von Überstunden: "mehr Lust auf Überstunden". Dabei wird in Personalmangel-Branchen eine große Zahl Überstunden geleistet, oftmals sogar unbezahlt, und viele schlecht bezahlte Arbeitsverhältnisse zwingen Arbeitnehmer:innen zu Zweit- oder Drittjobs. Die Krankenkasse DAK hat die gesundheitlichen Folgen erfasst und resümmiert: "Gesundheitsrisiko Personalmangel - Arbeitswelt unter Druck".
    DAK-Studie: [Verknüpfung] Mark Schieritz attestiert der deutschen Politik in der Zeit eine "Rückkehr des Vokabulars der Marktgläubigen".
    Zeit:
    Springer: [Verknüpfung]

    Die große Aufregung um die Bauernproteste ist abgeebbt, denn die EU-Kommission hat im Handstreich den Großteil der beschlossenen Naturschutz-Maßnahmen gekippt, ohne dass die Öffentlichkeit von der Bedeutung dieser fossilen Reaktion auf längst überfällige Schutzmaßnahmen Notiz genommen hätte. Es bleibt beim flächendeckenden Ökozid in der industriellen Landwirtschaft, Thomas Krumenacker titelt in Spektrum der Wissenschaft: "Wer Naturschutz will, darf den Bauern nicht das Feld überlassen".
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Spektrum der Wissenschaft: [Verknüpfung]

    Die Situation der deutschen Autoindustrie ist ebenfalls dramatisch, denn Chinas Elektroauto-Welle nach Europa läuft an. Um ihr Verbrenner-Geschäft mit China, und v.a. ihre komplexen Lieferketten nicht zu gefährden, spricht sich die deutsche Autoindustrie dennoch gegen Importzölle für chinesische Elektroautos aus, wie sie in der EU massiv diskutiert werden. Das Manager Magazin schreibt von einer Warnung des Verbands der Deutschen Automobilindustrie VDA vor Schutzzöllen.
    "Ohne China werden wir die globalen Probleme nicht lösen", so wird die VDA-Präsidentin Hildegard Müller im Artikel "Abgehängt" in der Zeit zitiert. Der Autor Max Hägler resümiert weniger euphemistisch: "Die Deutschen, die das Auto nach China brachten, sie sind entbehrlich geworden."
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    FAZ: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    Daniel Zwick titelt in der Welt: "Schutzzölle werden BMW, Volkswagen & Co. nicht vor der neuen Automacht retten".
    Welt: [Verknüpfung]

    Kurz darauf äußert sich der VDA zu einem weiteren unerwünschten Geschenk an die Autoindustrie. Nachdem die CDU eine sogenannte "Mitgliederbefragung" zum Kippen des EU-Verbrenner-Aus 2035 online gestellt hat, stellt der Verband klar, dass er sich im Interesse der Planungssicherheit und der globalen Wettbewerbsfähigkeit für ein Beibehalten des Ausstiegs ausspricht.
    Automobilwoche: [Verknüpfung]
    Doch auch die Befragung selbst gerät der CDU zum Desaster; die Mehrheit spricht sich für das Aus aus. Als die beauftragte IT-Firma nach kurzer Zeit gezielte Manipulation meldet, lässt die CDU entrüstet die Umfrage offline stellen. Die Umfragen bei einem anderen Umfragendienst, bei t-online, wiwo und selbst Bild ergeben allerdings dasselbe Bild.
    Volksverpetzer: [Verknüpfung]

    In der chinesischen Provinz Guanxhi geht der erste Natrium-Ionen-Großspeicher mit 10MWh Kapazität ans Netz. Der Betreiber gibt Speicherkosten von unter 3ct/ kWh an. Erneuerbare bleiben also auch in Verbindung mit Kurzzeitspeichern sehr günstig. Der Anteil des Jahrestrom-Verbrauchs, der aus Langzeitspeichern wie P2X in Kraft-Wärme-Kopplung erzeugt werden muss, ist so gering, dass hier die kWh ein hohes Vielfaches kosten darf, ohne dass das System teurer wird als ein konventionelles.
    notebookcheck: [Verknüpfung]

    Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes DGB Yasmin Fahimi warnt vor einer zu schnellen Transformation.
    DLF: [Verknüpfung]
    Die Demokratie ist heillos damit überfordert, die fossile Reaktion auf die beginnende Disruption in der Multi-Krise soweit einzuhegen, dass die Moderation der Klimawende nicht zu weit geht. Es steht zu befürchten, dass die fossile Reaktion, wie die neuen großen Import-Infrastrukturen für Flüssiggas als Ersatz für russisches Gas, zu weiteren Lock-In-Effekten führt.

    Ende Mai präsentieren die demokratischen Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses Jamie Raskin vom House Committee on Oversight and Accountability und Senator Sheldon Whitehouse vom Senate Budget Committee eine Studie, die neue Desinformations-Kampagnen der Ölindustrie beschreibt. Der Vorwurf lautet Greenwashing, also bewusst Ankündigungen vermeintlich klimaneutraler Lösungen für die Nutzung fossiler Brennstoffe, die aber unwirksam seien: Öl aus Algen, Carbon Capture and Usage bzw. Storage etc.. Die Werbeetats lagen in derselben Größenordnung wie die Forschungsetats; die beteiligten Universitäten werden seit Jahrzehnten von der Ölindustrie gesponsort und sehen sich jetzt mass.
    Bemerkenswert: bis auf Kernspaltung und Kernfusion bietet die Aufzählung das volle CDU-Parteiprogramm.
    Pressemitteilung des US Senate Comitee on the Budget: [Whitehouse 2024]
    Bericht als Pdf-Datei: [Verknüpfung]
    Präsentation auf Youtube: [Verknüpfung]
    Claudia Kemfert bespricht die Studie in ihrem MDR-Podcast.
    Kemferts Klima-Podcast auf MDR: [Verknüpfung]
    Kemferts Klima-Podcast auf Youtube: [Verknüpfung]
    Guardian: [Noor 2024]
    Carbon Brief: [Verknüpfung]
    Der emeritierte Professor für Geographie und Umwelt Gordon McBean bespricht aus diesem Anlass den Fall der kanadischen Ölindustrie und ihrer Lobbyorganisation Canadian Association of Petroleum Producers CAPP. Er sagt, es sei längst überfällig, die Unternehmen zur Verantwortung zu ziehen.
    The Conversation: [Verknüpfung]

    Klimaschutz ist eine Aufgabe, die sich nur international, also gemeinsam zwischen Staaten, bewältigen lässt. Die Gelegenheit ist mit dem amerikanischen Inflation Reduction Act und dem Erfolg der erneuerbaren Technologien in China so günstig wie nie, die wirtschaftliche Notwendigkeit durch die Energiekrise im Ukraine-Krieg so sichtbar wie nie. Das konservative Münchener ifo-Institut beziffert die Kostenvorteile einer gemeinsamen europäischen Energiewende mit einer Viertel Billion Euro.
    ARD: [Verknüpfung]

    Die Erzählung vom Leistungsprinzip, also dem Gegensatz zwischen den High und den Low Performern (also den den hart arbeitenden Leistungsträger:innen vs. Faulenzer:innen) bekommt eine neue Variante. FDP-Finanzminister Christian Lindner will mehr Lust auf Überstunden machen. Eine Dossier von Andrea Amerland bei Springer Professional (nicht zu verwechseln mit dem Springer-Verlag) zeigt, und belegt mit Studien: "es wird geschuftet wie noch nie". Die Folgen zeigen sich im Gesundheitsreport der Deutschen Angestellten-Krankenkasse DAK.
    Springer Professional: [Amerland 2024]
    DAK: [Verknüpfung]
















    Bequeme Mythen gegen eine unbequeme Wahrheit

    Von Händlern des Zweifels und von Opfern ihres Glaubens
    Inhalt

    Wie konnte es nur so weit kommen?
    Die Bedeutung von CO2 als Treibhausgas wurde 1856 von Eunice Foote entdeckt und publiziert, und die Prominenz des Forschers Tyndall, der die Entdeckung fünf Jahre später für sich beanspruchte, machte das Thema in der Royal Society und damit in Fachkreisen auf der ganzen Welt bekannt. Footes Warnungen vor globaler Erwärmung verhallten.
    Der Chemiker und Nobelpreisträger Arrhenius schätzte 1896 recht gut das Erwärmungs-Potential ab, sah als Skandinavier aber eher Vor- als Nachteile.
    Warnrufe vor gefährlichen Folgen kamen erst wieder in den 50er-Jahren auf, und das, obwohl gerade die vorher schon messbare Erwärmung stagnierte.
    Die Geologie weiß, dass fossile Rohstoffe endlich sind.
    Die Grundlagen für die erneuerbaren Energien sind seit Jahrzehnten bekannt. Die Energiewissenschaft sagt, dass Erneuerbare Energien rein von den Gestehungskosten mittlerweile die günstigsten sind, selbst wenn man Überschüsse für Mangelzeiten (nachts, winters) speichern muss.
    Die Erdsystemforschung beziffert immer genauer die Schadensprognosen. Sie werden in wenigen Jahren die jetzt notwendigen Kosten für Klimaschutz - 2022 sind das 2-4% des Welteinkommens - übersteigen.
    Die Ökonomie weiß, dass die Abhängigkeit von Fossilbrennstoffen ein hohes Risiko darstellt; und dass Geld sich nur solange selbst vermehrt, bis es in einer Krise entwertet wird.
    Historiker wissen, dass an Geldkrisen Menschen nur dann zu Schaden kommen, wenn die Politik zu lange die Interessen der Besitzenden vertritt; und dass tiefgreifende Ressourcenkrisen Zivilisationen zerstören.
    Dennoch wird weiter Austeritätspolitik im Sinne der Besitzenden, den Profiteuren des fossilen Ökozids, betrieben.

    Der Schweizer Solarthermie-Pionier Josef Jenni brachte es schon vor vielen Jahren auf den Punkt:
    "Sind wir nicht alle energiesüchtig?
    Ein Süchtiger...

    • braucht immer mehr Stoff.
    • verkennt die Probleme.
    • lebt nur für das Heute.
    • wird in der Not unberechenbar.
    • sucht mehr oder weniger zweifelhafte Ersatzstoffe.
    • nimmt auch die eigene Zerstörung in Kauf.
    • kann brutal ausgenutzt werden.
    • kann mit einem Kraftakt von seiner Sucht frei werden.

    [Verknüpfung]

    Das Auseinanderklaffen von Kognitionen, wie dem zwischen unseren notwendigen und tatsächlichen Absichten in der Klimafrage, nannte der Psychologe Leon Festinger kognitive Dissonanz.
    [Wikipedia 2024 - Kognitive Dissonanz]
    Einer der Gründe für unsere kognitive Dissonanz ist die extrem lange Zeit zwischen dem Missbrauch des Suchtmittels und den langsam einsetzenden Nebenwirkungen. Die Umwelt-NGO Greenpeace hat das sehr gut in eine Metapher gefasst: ein Frosch in einem Wasserbad, das langsam wärmer wird.

    Die ökologischen Krisen werden begleitet von einer sich zuspitzenden Verteilungskrise, die die Kosten der Transformation breiten Schichten als zusätzliche Belastung aufbürdet. Das nutzen Konservative und Populisten wiederum, um diese Schichten gegen Klimaschutz zu vereinnahmen, meist zugespitzt durch massive Desinformation. Während die Bewahrung der überlebensnotwendigen Ressourcen de facto als unnötiger Luxus dargestellt wird ("nice to have - geht aber gerade leider nicht"), werden für die Abwendung einer Geldentwertung immer wieder gigantische Ressourcen mobilisiert. Die staatlichen Finanzspritzen in der Subprime-Krise schoben das Problem nur auf, sie verschärften es sogar zusätzlich.
    Die das Geld haben, sorgen nicht nur dafür, dass sie immer mehr davon bekommen - sie sorgen vor allem dafür, dass es seinen Wert behält. Deshalb muss auch während der Coronawelle und im Ukrainekrieg die Wirtschaft weiterlaufen - sonst fallen Renditen aus, und dann Terminfinanzierungen, dann Banken.
    Wissenschaftsleugnung wird bezahlt von Investoren, und sie hat eine lange Tradition.

    Nachdem die Skeptiker des Krebsrisikos durch Tabak endlich widerlegt waren, haben diese ihre Skepsis gegen die Wissenschaft um FCKW und anthropogenes CO2 gerichtet. Die nächste Generation übernahm die Leugner-Staffel von den Klimaskeptikern und macht jetzt nahtlos mit Attacken gegen die Artenschützer weiter.
    Und immer wenn eine Erkenntnis um eine drohende Katastrophe sich durchgesetzt hat, werden neue Behauptungen aufgestellt, die die öffentliche Meinung gegen eine nachhaltige politische Lösung des Problems aufbringen soll - ein Ende des nicht-nachhaltigen Geschäftsmodells.
    Diesen PR-Agenten ging es von Anfang an nicht um Wissenschaft, sondern nur um professionelles Leugnen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse, die finanziellen Interessen entgegenstanden - und die Öffentlichkeit erkennt es immer noch nicht. Der Liberalismus der westlichen Demokratien ist vor allem auf die Steigerung von Wirtschaftsmacht zugeschnitten. Sie erweisen sich deshalb noch als unfähig, diesen nachweislichen Lügnern und Verführern die Aufmerksamkeit zu verweigern, oder diese wenigstens hinterher zur Verantwortung zu ziehen.


    Eine Lüge kann ihre Wirkung nur dann entfalten, wenn sie hingenommen wird.
    Michael Johanni

    Deshalb ist es den Fossilökonomisten so unglaublich leicht, Lügen, Halbwahrheiten und Mythen (von denen sie immerhin mitunter selbst überzeugt sind) über Biosphären- und Klimaschutz verbreiten zu können. Der Trumpismus in den USA zeigt uns, wohin die Vernachlässigung des öffentlichen Bildungs- und Mediensektors führt: in die Wahrhaftigkeitskrise, wo nur noch die Meinung der Lautesten zählt, der Nationalisten.
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    Man denke nur an Trumps Pressekonferenz in Kalifornien während der verheerenden Waldbrände 2020: "It’ll start to get cooler. You just watch. [...] I don’t think science knows."
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    In der Corona-Krise wurden die krassen Dimensionen dieses Problems in den USA offenbar: dort sind die Corona-Skeptiker nicht nur eine kleine Minderheit wie bei uns. Trumps unglaubliche Behauptungen über die Harmlosigkeit des Virus - deren mangelnden Wahrheitsgehalt er im Gespräch ausgerechnet mit der Investigativ-Ikone Bob Woodward selbst einräumte - oder über die Behandlungsoptionen - "Desinfektionsmittel intravenös" - haben das Wahlergebnis 2020 nicht bis in den tiefsten Keller sinken lassen - wie man es bei den horrenden Sterberaten eigentlich erwartet hätte.
    Woodwards Enthüllungen hatten Präsident Nixon zu Fall gebracht. Er hat mit seinem Buch Rage sicher dazu beigetragen, dass Trump die Wahl verloren hat. Am Ende des Buchs steht ein Satz, der für einen ausgewogenen Journalisten wie Woodward untypisch ist: "Der Präsident ist der falsche Mann für den Job." Dafür, dass Trumps unterirdische Qualitäten so schonungslos offengelegt wurden, war das Ergebnis erschreckend knapp.
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    Dummheit ist ein gefährlicherer Feind des Guten als Bosheit. Gegen das Böse läßt sich protestieren, es läßt sich bloßstellen, es läßt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurückläßt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. [...]
    Bei genauerem Zusehen zeigt sich, daß jede starke äußere Machtentfaltung, sei sie politischer oder religiöser Art, einen großen Teil der Menschen mit Dummheit schlägt. Ja, es hat den Anschein, als sei das geradezu ein soziologisch-psychologisches Gesetz. Die Macht der einen braucht die Dummheit der anderen. Der Vorgang ist dabei nicht der, daß bestimmte – also etwa intellektuelle – Anlagen des Menschen plötzlich verkümmern oder ausfallen, sondern daß unter dem überwältigenden Eindruck der Machtentfaltung dem Menschen seine innere Selbständigkeit geraubt wird und daß dieser nun – mehr oder weniger unbewußt – darauf verzichtet, zu den sich ergebenden Lebenslagen ein eigenes Verhalten zu finden. Daß der Dumme oft bockig ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß er nicht selbständig ist. Man spürt es geradezu im Gespräch mit ihm, daß man es gar nicht mit ihm selbst, mit ihm persönlich, sondern mit über ihn mächtig gewordenen Schlagworten, Parolen etc. zu tun hat. Er ist in einem Banne, er ist verblendet, er ist in seinem eigenen Wesen mißbraucht, mißhandelt. So zum willenlosen Instrument geworden, wird der Dumme auch zu allem Bösen fähig sein und zugleich unfähig, dies als Böses zu erkennen.
    Hier liegt die Gefahr eines diabolischen Mißbrauchs. Dadurch werden Menschen für immer zugrunde gerichtet werden können.
    Aber es ist gerade hier auch ganz deutlich, daß nicht ein Akt der Belehrung, sondern allein ein Akt der Befreiung die Dummheit überwinden könnte. Dabei wird man sich damit abfinden müssen, daß eine echte innere Befreiung in den allermeisten Fällen erst möglich wird, nachdem die äußere Befreiung vorangegangen ist; bis dahin werden wir auf alle Versuche, den Dummen zu überzeugen, verzichten müssen. [...]
    Es wird wirklich darauf ankommen, ob Machthaber sich mehr von der Dummheit oder von der inneren Selbständigkeit und Klugheit der Menschen versprechen.
    Dietrich Bonhoeffer
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    Erklärvideo beim youtube-Kanal sprouts: [Verknüpfung]

    Selbst deutlich erkennbare rassistisch-totalitäre Tendenzen nehmen Trump-Wähler in Kauf, ja sie integrieren sie als Teil ihres Clandenkens. Weltweit sind Populisten auf dem Vormarsch, die häufig einen fossilökonomistischen Hintergrund haben. Bei fortschreitender Verschiebung des Sagbaren kommt es zu Auswüchsen der Lüge, wie wir sie bei Trump in den USA gerade sehen konnten.
    Auf seine typisch amerikanisch-rustikale, aber bewegende Art ruft Arnold Schwarzenegger seine Landsleute auf, Trump für den Sturm aufs Kapitol zur Verantwortung zu ziehen. Der Parteifreund und Ex-Gouverneur von Kalifornien erklärt aus der Geschichte seine Österreicher Vorfahren, wie Faschismus entsteht und vergleicht damit die Entwicklung der letzten Jahre unter Trump. "Es begann mit Lügen."
    [Verknüpfung]


    Der ideale Untertan totalitärer Herrschaft ist nicht der überzeugte Nazi oder engagierte Kommunist, sondern Menschen, für die der Unterschied zwischen Fakten und Fiktion, wahr und falsch, nicht länger existiert.
    Hannah Arendt

    Auch Erich Fromm verortet in der Verdrängung von Fakten eine wesentliche Voraussetzung des Faschismus.
    Bertolt Brecht warnte in seinem Stück "Das Leben des Galilei" 1939 aus dem dänischen Exil, das 1943 in Zürich uraufgeführt wurde.


    Wer die Wahrheit nicht weiß, der ist bloß ein Dummkopf.
    Aber wer sie weiß und sie eine Lüge nennt, der ist ein Verbrecher!
    Bertolt Brecht - Das Leben des Galilei, Szene 9

    Anlässlich Joe Bidens Bilanz nach 100 Tagen Präsidentschaft urteilt die Washington Post über die Krise des Neoliberalismus, die unter Trump ihren vorläufigen Höhepunkt fand: "For a generation, the unfair distribution of rewards in the American economy has been our glaring weakness. It crushed the middle class and fueled the bizarro billionaire populist crusade of Donald Trump, who nearly wrecked our politics." ("Seit einer Generation ist die unfaire Verteilung der amerikanischen Wirtschaftskraft eine eklatante Schwäche. Sie hat die Mittelklasse zerschlagen und einen bizarren populistischen Kreuzzug der Milliardäre angeheizt, der in der Präsidentschaft Trumps gipfelte und das Land fast ruiniert hätte.").
    [Verknüpfung]

    Es ist kein Wunder, dass fast alle Konflikte im Ölzeitalter einen mehr oder weniger ausgeprägten Bezug zur Abhängigkeit vom Öl haben (i.w.S. also auch die Klimakrise), die Josef Jenni als Sucht bezeichnet.
    Es ist bekannt, dass Gewinnung und Verbrennung von Öl und Gas neben dem zunehmenden Treibhauseffekt noch weitere ökologische Krisen verursacht. Doch weil die Lenkung des Ölstroms das wichtigste Herrschaftsinstrument des 20. Jahrhunderts war, blieb es bis heute dabei.
    [Rohner 2016]
    Falls die menschliche Zivilisation all diese ökologischen Krisen überlebt, wird man versuchen, aus dieser fatalen Fehlentwicklung Lehren zu ziehen. Die Emanzipation vom Öl ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine Chance für Energiesouveränität und internationale Kooperation.

    Der Klimaforscher Michael Mann fasst die Klima-Desinformation in den USA zu D-Words zusammen; all diese Strategien findet man mehr oder weniger 1:1 in Deutschland:

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    Die allgemeinen Methoden der Wissenschaftsleugnung werden seit Jahrzehnten verfeinert; dazu betreibt der australische Kognitionspsychologe John Cook seit 2007 die Internet-Seite scepticalscience.com. Er entwickelte die Formel F-L-I-C-C (Fake Experts, Logical Fallacies, Impossible Expectations, Cherry Picking und Conspiracy Myths), deutsch: P-L-U-R-V (Pseudo-Experten, Logik-Fehler, Unerfüllbare Erwartungen, Rosinenpickerei sowie Verschwörungsmythen).


    [Verknüpfung]

    2020 wurden die Desinformations-Kampagnen gegen Klimaschutz in Cambridge wissenschaftlich untersucht:
    [Verknüpfung]
    Besprechungen der Studie:
    erneuerbareenergien[Verknüpfung]
    Spiegel[Verknüpfung]
    Aus der Studie machte Céline Keller einen sehr gehaltvollen Comic, der vom Berliner Klimaforschungsinstituts MCC (Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change) herausgegeben wurde:
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Die Zusammenfassung der Methoden auf einen Blick steht am Ende des Comics:

    CC-BY-NC-ND Céline Keller 2021

    Die wesentlichen Punkte der Studie wurden schon vorher in einem Poster von klimafakten.de ansprechend veranschaulicht. Es fasst die wesentlichen Punkte der Klimaschutz-Bremser zu Gruppen zusammen: "nicht ich - nicht jetzt - nicht so - zu spät".


    [Verknüpfung]
    Bei klimafakten.de gibt es auch ein interaktives Quiz zum Thema.
    [Verknüpfung]
    Im Riffreporter-Interview erklären die Psychologinnen Anita Habel und Dagmar Petermann das Problem.
    [Verknüpfung]
    Eine andere kurze Zusammenfassung findet man bei klimakrisefolgen.de.
    [Verknüpfung]

    Viele der Desinformations-Methoden aus der Studie werden in diesem Kapitel über Mythen noch erläutert.

    Armin Laschet musste sich bisher nicht als Klimaskeptiker outen, er konnte fossile Politik machen, ohne sich vor einer klimasensiblen Wählerschaft rechtfertigen zu müssen. Bis zum Druck der Flutkatastrophe in der Nordeifel 2021, als er sich zuerst gegen, dann wieder für, dann wieder gegen mehr Klimaschutz aussprach. Wobei die Frage ist, wo man bei seiner Politik überhaupt Elemente finden kann, die mit dem Pariser Abkommen vereinbar wären.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Im Umgang mit der Corona-Krise wurde jedoch seine höchst problematische, ideologisch begründete Einstellung zur Wissenschaft deutlich: Wissenschaft ist für ihn Mittel zum Zweck.







    Noch einmal die Frage: Wie konnte es nur so weit kommen?

    Antwort: durch die Behauptungen der selbst ernannten Klimaskeptiker und Klimaschutz-Gegner - denen ein zu großer Teil der Öffentlichkeit allzu willfährig Glauben schenkte und teils immer noch schenkt, auch wenn die Wahrheit sich jetzt endlich herumspricht.

    Manche (Laien) taten dies aus innerer Überzeugung, andere aber auch bewusst, wider besserer (z.T. sogar selbst erworbener) wissenschaftlicher Erkenntnisse: Exxon wusste intern sehr genau über die kommende Klimakatastrophe bescheid und bestritt sie nach extern mit großem Aufwand. Am bekanntesten und offensichtlichsten die Anzeigenserie "Every Thursday" von 1985 bis 2000. Der Name Exxon taucht jedoch meist nicht auf, denn Exxon beauftragt nach und nach PR-Firmen und Think Tanks mit der Desinformation.
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    Exxon beschäftigte seit den 60er-Jahren Klimaforscher, deren Erkenntnisse zunächst veröffentlicht, irgendwann jedoch nur noch intern genutzt wurden. 1977 und 1984 z.B. gab es dort Prognosen der Erwärmung, die von der Realität heute bestätigt werden.
    2015 kam es zu einem großen Medienecho, als die Non-Profit-Presseorganisation insideclimatenews die internen Papiere herausbrachte.
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    [Hall 2015]
    Sie hat die ganze Geschichte der Rolle des Exxon-Konzerns in der Klimadebatte ausführlich dokumentiert.
    [Banerjee 2015]
    [Wikipedia 2024 - ExxonMobil climate change denial]
    Die Zeitenwende ist auch daran zu erkennen, dass Exxon mittlerweile leugnet, die Klimawissenschaft wider besseren Wissens geleugnet zu haben.
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    Später wurden auch die Forschungstätigkeiten der italienischen Eni, der niederländisch-britischen Shell und der französischen Total bekannt.
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    Im Januar 2023 erscheint, nach über einjährigem peer review in Science, einem der zwei wichtigsten naturwissenschaftlichen Fachblätter, ein Artikel der Historiker Geoffrey Supran und Naomi Oreskes und des PIK-Klimaforschers Stefan Rahmstorf: "Assessing ExxonMobil’s global warming projections".
    Zum Vergleich hat Stefan Rahmstorf Exxons Prognose-Kurven aus den 80er-Jahren mit realen Messwerten ergänzt.


    [Supran 2023]

    Das 3sat-Wissenschaftsmagazin nano bespricht die Studie und berichtet vom Fortschritt von milliardenschweren Klagen amerikanischer Geschädigter gegen Exxon und Co., u.a. des Bundesstaats Kalifornien..


    [Verknüpfung]

    Das American Petroleum Institute API vertritt v.a. die Konzerne BP, Chevron, ConocoPhillips, ExxonMobil, Peabody Energy, und Shell. Ein Jahr nach der Klimakonferenz in Kyoto 1997 startet das API eine breit angelegte Desinformations-Kampagne mit einem 6Mio-$-Etat. Sie soll eine Reihe von gekauften Wissenschaftlern etablieren und damit gezielt Lehrer und Studenten ansprechen. Schon im April berichtet die New York Times über das Treffen einer informellen Gruppe von Industriellen im API, Zitat:

    "Industrial group plans to battle climate treaty
    Industry opponents of a treaty to fight global warming have drafted an ambitious proposal to spend millions of dollars to convince the public that the environmental accord is based on shaky science.
    Among their ideas is a campaign to recruit a cadre of scientists who share the industry's views of climate science and to train them in public relations so they can help convince journalists, politicians and the public that the risk of global warming is too uncertain to justify controls on greenhouse gases like carbon dioxide that trap the sun's heat near Earth.
    An informal group of people working for big oil companies, trade associations and conservative policy research organizations that oppose the treaty have been meeting recently at the Washington office of the American Petroleum Institute to put the plan together. [...]
    The industry group said it wanted to develop „a sound scientific alternative“ to the Intergovernmental Panel on Climate Change, a large group of scientists advising the United Nations that has published the most authoritative scientific assessments of global warming."
    [Cushman 1998]

    Die Union of Concerned Scientists berichtet 2015 in einem großen Dossier über die Details. Die Ziele erscheinen verblüffend ehrgeizig. Im Nachhinein betrachtet muss man feststellen, dass sie erreicht wurden. Wenn man weiß, auf welch erfolgreiche Tradition die Verbreitung von Desinformation mit psychologischen Mitteln die US-Elite zurückblicken kann, erscheint es allerdings gar nicht mehr so ehrgeizig.


    Victory Will Be Achieved When
  • Average citizens "understand" (recognize) uncertainties in climate science; recognition of uncertainties becomes part of the "conventional wisdom"
  • [...]
  • Those promoting the Kyoto treaty on the basis of extant science appear to be out of touch with reality
  • American Petroleum Institute
    [Mulvey 2015]

    Nathaniel Rich beschreibt in seiner Reportage "Losing Earth" die politischen und zivilgesellschaftlichen Vorgänge.
    Buchtip: Nathaniel Rich. Losing Earth, A Recent History - The Decade We Could Have Stopped Climate Change. MCD. USA 2019
    [Wikipedia 2022 - Losing Earth]

    Es begann in den USA in den 80er Jahren. Die demokratische Abgeordnete Alexandria Occasio-Cortez befragt 2019 dazu in einem Untersuchungsausschuss des Repräsentantenhauses die damaligen Mitarbeiter von Exxon Dr. Ed Garvey und Dr. Martin Hoffert. Sie belasten ihren ehemaligen Arbeitgeber schwer, über die Gefahren der CO2-Emissionen aus erster Hand informiert worden zu sein.


    [Verknüpfung]
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    Nicht nur Pulitzer-Preis-nominierte Internetportale und Gerichte beschäftigen sich mit Exxons Medienkampagnen, sondern auch Sozial- und Geschichtswissenschaftler, z.B. die Wissenschaftshistoriker Naomi Oreskes und Geoffrey Supran 2017 in einem Artikel in der Zeitschrift Environmental Reseach Letters.
    Open Access: [Supran 2017]
    [Brulle 2019], Zusammenfassung bei:
    [Verknüpfung] (Volltextsuche: Brulle)
    Der Yale-Forscher Justin Farrell analysierte 2015 die Mechanismen, mit denen in "sozialen" Medien Desinformation zum Thema verbreitet wird.
    Nature-Studie: [Farrell 2015]

    In der Zeit kommen immer wieder Artikel zum Thema, zuletzt auch mit einschlägigem Bildmaterial, leider hinter der Bezahlschranke.


    Zeit: [Erdmann 2023]

    Dies ist eine Anzeige aus der New York Times aus dem Jahr 2000. Dem gegenüber stehen die Exxon-internen Papiere von 1984, die die heutigen CO2-Konzentrationen und Temperaturen verblüffend genau vorhersagen.

    Die professionellen Klimaskeptiker betrieben ihr Geschäft mit umfangreicher, jahrzehntelanger Vorerfahrung. Veteranen wie Frederic Seitz oder Fred Singer lernten ihr Handwerk der Verbreitung wissenschaftlicher Falschbehauptungen über Rauchen, FCKW, Giftmüll und Sauren Regen.
    [Wikipedia 2019 - SEPP]
    [Wikipedia 2019 - Frederick Seitz]
    [Wikipedia 2019 - Fred Singer]
    Das ist nicht verwunderlich, denn es gab intensive Verbindungen zwischen Öl- und Tabakindustrie.
    Das Haupt-Instrument für wissenschaftsleugnende Kampagnen war und ist Statistik. Der Mathematiker Theodore Sterling rechnete als erster 1964 die Nachweise der Schädlichkeit von Tetraethylblei schlecht. Später beriet er die Tabakindustrie bei ihren Kampagnen gegen die Schädlichkeitsnachweise von Tabakrauch. Es ging darum, bei Politikern und ihren Wählern genügend Zweifel an den wissenschaftlichen Erkenntnissen zu wecken.
    Ein besonderer Meilenstein Singers war der klimaskeptische Heidelberg Appeal anlässlich der UN-Umweltkonferenz in Rio.
    Carroll Muffett vom Center for International Environmental Law (CIEL) erklärt in einem kurzen Video die Ursprünge der Tradition professioneller Wissenschaftsleugnung in den USA.
    [CIEL 2016]
    Auf der Internseite smoke and fumes hat CIEL die manipulativen Machenschaften seitdem ausführlich dokumentiert.
    [Verknüpfung]

    Frederic Seitz gab für den Film "Merchants of Doubt" ein äußerst aufschlussreiches Interview; hier ein Auszug aus den deutschen Untertiteln:

    "Fred Seitz war einer der wichtigsten US-Physiker des 20. Jahrhunderts. Er war Präsident der U.S. National Academy of Sciences. Aber jetzt griff er plötzlich Wissenschaft und Wissenschaftler an. In Bereichen, in denen er kein Experte war. Warum sollte so ein Mann die Arbeit seiner Kollegen in Frage stellen?
    Es stellte sich heraus, dass Seitz für den Tabakkonzern R.J. Reynolds gearbeitet hatte [zu einem] Jahreshonorar von $65.000."
    Seitz: "Die Schuld am Rauchen liegt bei den Rauchern. Wenn sie Zigaretten kaufen, ist es ihre Schuld."
    Oreskes: "Aber Sie wissen, dass in den 1960ern der Tabakkonzern eindeutig sagte, dass es keine Verbindung gäbe."
    Seitz: "Wenn die Leute das glauben wollten, war das ihr Fehler."
    Oreskes: "Aber war es nicht politisch von Seiten der Tabak-Konzerne?
    Seitz: "Sie wollten den Umsatz aufrechterhalten."
    Oreskes: "War es unverantwortlich von den Tabakkonzernen?"
    Seitz [holt tief Luft und bläst sie aus:] "Es war unverantwortlich von den Rauchern."

    Wie dreist die Täter und wie wirkungslos der Staat auftraten, zeigte auch eine Anhörung von Vorstandschefs der US-Tabak-Konzerne vor dem Senat im Jahr 1994 - wo einer nach dem anderen erklärte: "I believe that nicotine is not addictive." Die Aussage ist natürlich wertlos, da niemand für seinen Glauben belangt werden kann.
    Die Absicht der Geldgeber macht die Verbreitung solcher Desinformation jedoch hoffentlich bald strafbar. Die Geldflüsse werden seit Jahrzehnten beobachtet.

    2010 dokumentierten die Wissenschaftshistoriker:innen Naomi Oreskes (Harvard University) und Erik Conway (Caltech University) die Machenschaften der Klimaskeptiker in ihrem Sachbuch "Merchants of Doubt", das schnell zum Bestseller wurde und mittlerweile als Standardwerk zum Thema gilt. Es wurde in deutscher Übersetzung von Wiley (vormals Verlag Chemie), einem renommierten akademischen Fachbuchverlag, veröffentlicht unter dem Titel "Die Machiavellis der Wissenschaft".
    2012 bringt der öffentlich-rechtliche Sender Public Broadcasting Service PBS in einer Dokumentation zu den Wahlen das skandalöse Thema unter dem an Oreskes und Conway angelehnten Titel "Climate of Doubt" auf die Bildschirme der USA. Sie beschäftigt sich vor allem mit der Kampagne rechter Think Tanks nach der breiten Unterstützung für Klimaschutz auch von konservativer Seite, die einen "bipartisan call to action" unter Barack Obama in greifbare Nähe rückte. Ein Gesetz "Carbon Cap and Trade" war bereits durch das Repräsentantenhaus gekommen. Unter den acht konservativen Unterstützern waren Bob Inglis, Newt Gingrich, Mitt Romney und der Präsidentschaftskandidat John McCain. Die fossile Reaktion wird zur Tea Party, aus der auch Donald Trump hervorgehen wird. Sie veranlasst die meisten klimaschutz-engagierten Republikaner, wieder zur alten Parteilinie zurückzurudern. Nur Bob Inglis blieb Klimaschützer, er wurde 2010 in seinem Wahlbezirk mit 79% abgewählt.
    Eine Schlüsselszene ist das Versprechen des Vizepräsidenten und Ex-CEO des Ölfördertechnik-Konzerns Halliburton Dick Cheney aus dem Jahr 2003, dass Verbrenner bald mit "alternative Fuels" fahren würden - zwanzig Jahre später werden sie in Deutschland als E-Fuels angekündigt.

    Filmtip: Catherine Upin. Climate of Doubt. PBS 23.10.2012. 2012 PBS: [Upin 2012]

    Coautor und Interviewer John Hockenberry spricht 2015 auf einem Podium der Vermont Humanities über das Zustandekommen und die Hintergründe der Interviews.
    Youtube: [Verknüpfung]

    2014 bekommt das Thema mit dem Kinofilm "Merchants of Doubt" von Robert Kenner in der Klimaschutz-Szene größere Beachtung, er wird vermarktet von Sony Pictures. Die irritierend offenen Interviews der Täter, darunter Seitz, Singer und Morano, machen den Film zu einem unschätzbaren Zeitdokument, das die subversiven Strategien der Meinungsmanipulation und der aggressiven Einschüchterung von Klimaforschern sichtbar macht.


    Filmtip: Merchants of Doubt. Robert Kenner. Sony Pictures 2014
    Gegen Entgelt bei Youtube: [Kenner 2014]
    [Wikipedia 2024 - Merchants of Doubt (film)]

    Oreskes bekam 2016 zusammen mit Ex-Energieminister Steven Chu den Stephen Schneider Award; bei der Preisverleihung gaben die beiden ein bedenkenswertes Interview.
    [Verknüpfung] (incl. Transkript)
    Oreskes äußert sich ausführlicher in diesem Interview.
    [Verknüpfung]
    2020 sind viele der Protagonisten aus "Merchants of Doubt", aber auch neue, in einer Dokumentation der Danish Broadcasting Corporation zu sehen: "Die Macht der Lobbyisten". Z.B. äußert sich mit Jerry Taylor ein Aussteiger ("Whistleblower") aus der klimaskeptischen Denkfabrik Cato-Institute ausführlich. Auch Exxon-Klimaforscher Ed Garvey und Oreskes' Forscherkollege Geoffrey Supran kommen zu Wort. Der Film beleuchtet auch die mittlerweile angepasste Unternehmens-Kommunikation der Ölfirmen, die man als Greenwashing bezeichnet.

    Filmtip: Die Macht der Lobbyisten. DBC 2020.
    Kostenlos bei arte auf Youtube: [Verknüpfung]
    Gegen Entgelt bei Youtube, mittlerweile unter dem Titel "Die Kampagne gegen das Klima": [Verknüpfung]

    2022 produzierten die für politische Themen reichweitenstärksten öffentlich-rechtlichen Sender des Westens, der US-amerikanische Public Broadcasting Service PBS, die britische BBC und der deutsch-französische Sender arte, die dreiteilige Reihe "The Power of Big Oil", die synchronisiert 2023 als Zweiteiler unter dem Titel "Im Würgegriff der Ölindustrie" bei arte ausgestrahlt wurde. Sie enthält viele Details, die in anderen Dokumentationen fehlen. Leider ist aktuell (2024) nur das englische Original ohne Audiokommentare bei PBS abrufbar.

    Filmtip: The Power of Big Oil. PBS frontline (englisch) 2022.
    PBS: [PBS 2022]
    Teil 1: Denial
    PBS auf Youtube: [Verknüpfung]
    Teil 2: Doubt
    PBS auf Youtube: [Verknüpfung]
    Teil 3: Delay
    PBS auf Youtube: [Verknüpfung]
    Deutsche Version: Im Würgegriff der Ölindustrie. arte 2023
    Teil 1 bei arte auf Youtube (deutsch mit Audiokommentar): [Verknüpfung]
    Teil 2 bei arte auf Youtube (deutsch mit Audiokommentar): [Verknüpfung]

    Einer der Höhepunkte des Films "Merchants of Doubt" ist, wie der Klimaskeptiker Marc Morano im Interview mit den manipulativen Fähigkeiten prahlt, die er als Hausierer und Klatschspalten-Reporter beim ultrakonservativen Fernehshow-Moderator Rush Limbaugh erworben hat. Damit qualifizierte er sich 2006 als Kommunikationsstratege beim republikanischen Senator Inhofe, der sich gegen Al Gores Klimaschutz-Kampagne (populär durch den Film "eine unbequeme Wahrheit") in Stellung brachte, und seine konservative Partei nach Al Gores erfolgreicher Kampagne pro Klimaschutz wieder zur Klimaskeptiker-Partei machte.
    Die großzügigen Industriespenden an Inhofe und Mitstreiter sind belegt, auch aus Europa. In einer der Payrolls übertreffen die deutschen Chemie-Konzerne Bayer und BASF sogar den Fossilgiganten Koch Industries. Deutsche Chemiefirmen finden sich auch 2022 in der who-is-who-Lobbyliste des abtrünnigen demokratischen Senators und Kohlemillionärs Joe Manchin.
    [Verknüpfung]


    (leider nur sehr kurze) Videoausschnitte aus dem Film "The Merchants of Doubt" mit freundlicher Genehmigung des Rechteinhabers Merchants of Doubt, LLC, USA. Der Film ist erhältlich als DVD und als Stream bei Google Play Store, Maxdome, Rakuten TV, Apple iTunes Store und Amazon.

    Im ersten Moment schockiert es, nimmt aber dann nicht weiter Wunder, wenn man den Klimaskeptiker Morano in David Attenboroughs BBC-Dokumentation "Extinction - the Facts" bei einer Anhörung angesehener Biodiversitäts-Forscher im Repräsentantenhaus als Skeptiker wiedersieht. Morano wurde vom republikanischen Wahlkampfhelfer zum Hausierer zum Klatschspaltenreporter, von da zum Klima- und schließlich zum Artenschutz-Experten. Seine Qualifikation: er wird von der republikanischen Partei zum Klima- oder eben Artenschutz-Experten gekürt, und dann in den PR-Nahkampf und sogar in Anhörungen höchster politischer Gremien geschickt. Er setzt sich dort schamlos neben Kapazitäten ihres Fachs, die sich seine wissenschaftlichen Lorbeeren in jahrzehntelanger Arbeit verdient haben, und die aus dem Kreis der Besten für diese extrem wichtige Aufgabe bestimmt wurden, und verlangt gleichberechtiges Gehör. Zum Beispiel hier neben Robert Watson, den Vorsitzenden des IPBES. Für mich ein Skandal sonder Gleichen.


    [Verknüpfung]

    Nicht im Interview, sondern in einem Gespräch mit Greenpeace-Aktivisten, die sich als Bewerber ausgaben, legen Ölmanager von Exxon ihre Kontakte, u.a zu Trump, und ihre Strategie des Lobbyismus offen.
    [Verknüpfung]

    Ein großer Zeit-Artikel aus 2012 beleuchtet sehr gut Moranos Machenschaften und seine Ausstrahlung nach Deutschland. Auch die bekannte Klimaskeptiker-Denkfabrik EIKE arbeitet eng mit Morano zusammen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die Einflussnahme auf den Wissenschaftsjournalismus war im angelsächsischen Raum derart offensichtlich, dass die BBC im September 2018 eine Richtlinie bekanntgab, "derzufolge es für eine ausgewogene Berichterstattung keine Stimmen brauche, die den menschengemachten Treibhauseffekt leugnen".
    [Verknüpfung]
    Ähnliche Richtlinien gibt es wohl auch auf dem europäischen Festland, und deshalb müssen Fossilökonomisten hierzulande in den Leitmedien etwas subtiler vorgehen.

    Die ARD-Serie Die Story beschäftigte sich mehrfach mit dem Thema.


    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Aktueller Buchtipp zu Fossilökonomisten - oder wie die Autorinnen sagen "Klimabremsern" - in Deutschland: Susanne Götze und Annika Joeres. Die Klimaschmutzlobby. Piper 2020

    Die vielbeachtete, neuere Studie der Gruppe Climate Change Communication der George Mason University zur Klima-Desinformation in den USA America Misled stammt u.a. von John Cook (Gründer des Projekts Sceptical Science), Geoffrey Supran, Naomi Oreskes, Stephan Lewandowsky und Ed Maibach.
    [CCCC 2019]
    [Wikipedia 2022 - Skeptical Science]

    Die wichtigste Strategie der Leugner ist die Behauptung, dass ein zweifelsfreies, politikentscheidendes Urteil nicht möglich sei, solange an der Lehrmeinung immer noch Zweifel bestünden. Eine Gegenstrategie ist also zu zeigen, was tatsächlich noch zweifelhaft ist, und wo Skepsis nur ein Werkzeug der Manipulation ist: damit beschäftigt sich die Wissenschaft der Agnotologie. Man spricht von undone science: die geflissentliche Vernachlässigung oder gar Unterdrückung unerwünschter Wissenschaftsbereiche, bis hin zum Sprach- und Denkverbot und der metaphorischen Patent-Schublade, die immer wieder Anlass zu Verschwörungstheorien bietet.
    [Wikipedia 2022 - Agnotologie]
    Filmtip: Forschung, Fake und faule Tricks. Arte 2020
    Hier äußern sich die Protagonisten Stanton Glantz, Naomi Oreskes, Geoffrey Supran, Matthias Groß, Linsey McGoey, Yves Gingras, Stephan Lewandowsky, David Chavalarias, Marcel Goldberg, Frederick vom Saal und Fani Hatjina.

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    Die Agnotologie benennt psychologische Mechanismen, die zu Unwissen führen:

    Zitat Wikipedia: Motiviertes Denken als „Tendenz, Argumente zu finden, die die Schlussfolgerung begünstigen, an die wir glauben möchten, anstatt Argumente für die Schlussfolgerung zu finden, an die wir nicht glauben möchten“ [Kunda 1990], kann zur Entstehung und zum Festhalten an falschen Annahmen trotz substantieller Gegenbeweise führen. Das bevorzugte Resultat wirkt wie ein Filter, das die Evaluation wissenschaftlicher Nachweise sowie anderer Menschen beeinflusst.
    [Wikipedia 2023 - Motivated Reasoning]
    Artikel bei APA Psycnet: [Kunda 1990]

    Tali Sharot analysiert den Confirmation Bias mit psychologischen Tests, Andreas Kappes mit hirnphysiologischen Methoden. Hirnscans zeigen eindrucksvoll, wie krass sich die Hirnströme bei Verarbeitung von Informationen je nachdem unterscheiden, ob sie unserem Weltkonzept entsprechen oder widersprechen.


    Es sieht so aus, als würde das Gehirn abschalten und auf die Informationen des anders Gesinnten gar nicht eingehen. Das zeigt, dass Menschen eher bereit sind, Informationen oder Beweise zu verarbeiten, egal ob richtig oder falsch, wenn sie ihre eigenen Ansichten bestätigen. Das bestärkt sie. Sie werden immer überzeugter. Und das führt zu Poliarisierung.
    Tali Sharot


    Filmtip: Klimawandel und Vogel-Strauß-Taktik - wie wir uns selbst betrügen. arte 2022
    Im Youtube-Video ab 14'50'': [Verknüpfung]

    Ein überschaubares Beispiel von Wissenschaftsmanipulation aus dem Film ist die Toxikologie von Bisphenol A in Polycarbonat-Kunststoff. Der Hormonforscher Frederick vom Saal erklärt die unlauteren Methoden in seinem Fachbereich, genauso wie Stanton Glantz die der Tabakindustrie oder Stefan Rahmstorf die der Klimaskeptiker.
    [Verknüpfung]

    Der national und international hochdekorierte Risikoforscher Ortwin Renn, der jahrzehntelang in hochrangigen Gremien daran arbeitete, die Risiken des Ökozids zu beziffern, kehrt im Ruhestand zu seinem Studienfach Sozialpsychologie zurück: nach dem Wahlerfolg Donald Trumps beschäftigt er sich (auch wenn er den Begriff nicht benutzt) mit den Phänomenen der Agnotologie.
    Buchtip: Ortwin Renn. Gefühlte Wahrheiten. Verlag Barbara Budrich. Opladen Berlin Toronto 2019
    [Wikipedia 2022 - Ortwin Renn]

    Der Club of Rome kommt in seinem Bericht "Earth for All" 2022 zu dem Schluss, dass unser größtes Problem weder Klima- noch Biodiversitätskrise sei, sondern das Unvermögen, zwischen Fiktion und Fakten zu unterscheiden.

    Im Folgenden einige aktuelle Beispiele von Klimaskeptikern und -Relativisten in Medien und klassischen Internet-Seiten aus Europa, die das vielfältige Spektrum der Ansätze abbilden sollen. Auf die Rolle der "sozialen" Medien gehe ich im Kapitel Populismus ein.





    Fritz Vahrenholt (SPD) ist diplomierter Chemiker, ging nach seiner politischen Karriere in der Hamburger SPD zuerst 1997 zu Shell und wurde 2008 Windkraft-Manager bei RWE. 2012 hat sich der politische Wind in Berlin gedreht, Energiekehrtwende ist angesagt. Vahrenholt veröffentlicht mit Sebastian Lüning - als Geologe Afrikaexperte beim Ölförderer RWE Dea - das Buch "die kalte Sonne":

    Die These: die schwache Sonne gibt uns Bedenkzeit. Wie weit Vahrenholts Vorhersage von der Realität abweicht, zeigte Stefan Rahmstorf 2016 in folgender Grafik:

    Comparison real temperature data vs.Vahrenholt andLünings 2012 prognosis.png
    Von Stefan Rahmstorf - http://scilogs.spektrum.de/klimalounge/rekordwaerme-auf-der-erde-trotz-kalter-sonne/, CC BY-SA 4.0, Link
    [Klimafakten 2019 - Sebastian Lüning]
    [KalteSonne 2019]

    Auf Bernd Herds Infografik sieht man den aktuellen Stand der Entwicklung mit laufend aktualisierten GISS- und SIDC-Daten:

    [Bernd Herd 2019 - Climate Widget]

    Die Bedeutung der verschiedenen Temperatur-Einflussgrößen kann man getrennt in der Bloomberg-Grafik betrachten.
    [Verknüpfung]

    Dabei hatte der Klimaforscher Mojib Latif bereits 2008 die Erwärmungspause anders begründet: die pazifische dekadische Oszillation (PDO) war damals einer negativen Phase (Wärmeaufnahme). Er sagte auch korrekt voraus, dass die Erwärmung danach wieder umso stärker verlaufen würde, weil die PDO wieder in eine positive Phase (Wärmeabgabe) übergehen müsse. Vahrenholts kalte Sonne war endgültig widerlegt, weil die Temperaturen stiegen, obwohl die Sonnenaktivität nicht zunahm.
    [Bojanowski 2013]
    [Latif 2008]

    Man darf die Klimaskeptiker Vahrenholt und Lüning an dieser Stelle fragen: was tun, wenn die Sonnenaktivität wieder zunimmt?
    Das hinderte den Bundestag nicht, die beiden als Sachverständige bei einer Anhörung zuzulassen - auf Antrag der AfD. Und es veranlasste die Medien nicht dazu, Vahrenholt zu endgültig zu demaskieren. So etwas geht nur, wenn eine Gesellschaft nicht aufgeklärt ist.
    [Verknüpfung]
    Zu dieser Desinformation tragen auch Leitmedien bei, die Vahrenholt Raum für ein unkritisches Interview geben, z.B. die bürgerliche Springer-Zeitung Die Welt in der vielsagenden Rubrik "die Welt bewegen":
    [Verknüpfung]
    Wesentlich aggressiver ging damals die Boulevard-Zeitung Bild, ebenfalls aus dem Springer-Verlag, an das Thema heran mit der Schlagzeile: "Die CO2-Lüge - Renommiertes Forscher-Team behauptet: Die Klima-Katastrophe ist Panik-Mache der Politik". Der Autor, Prof. Werner Weber, schrieb einen Gastbeitrag in Vahrenholts Buch "Die kalte Sonne".
    [Verknüpfung]
    Aber auch die bürgerliche Schwester Welt spart nicht mit Hetze; der Klimaskeptiker Günter Ederer bezeichnet "CO2-Theorie" als "geniale Propaganda".
    [Verknüpfung] [Wikipedia 2022 - Günter Ederer]

    Aber selbst nachdem seine Temperaturkurve mit Pauken und Trompeten widerlegt wurde, findet Vahrenholt weiter Stoff für seine Thesen. Noch 2018 pickte er Rosinen bei Klimaforscher Jochem Marotzke, der allerdings mit seinem Spiegel-Interview ("Unsere Galgenfrist verlängert sich um rund zehn Jahre") auch reichlich Stoff für klimaskeptische Phantasien gibt. Das Interview führte Olaf Stampf, auf den ich weiter unten eingehe.



    Ex-ZDF-Meteorologe Wolfgang Thüne behauptet 2018, Klima gebe es gar nicht, also auch keine Klimakatastrophe
    [Frieda-Online 2019 - Klimawandel und Gehirnwäsche]

    Auch HAARP-Wellen seien laut Thüne nicht in der Lage, das Klima zu ändern - davon sprechen aber auch keine Klimaforscher, sondern Verschwörungstheoretiker. Er gibt sich also seriös.

    Thüne vermischt viele Stimmungsthemen der Konservativen zu einer kruden Theorie über geheime Mächte, die sich gegen Freiheit und Demokratie verschworen haben sollen und die über die Medien eine zersetzende "Gehirnwäsche" verbreiten. Seine pseudo-wissenschaftlichen Thesen bringt er erst in seinem Video (aus 2008): über die Strahlungsbilanz der Erde, die eine geradezu groteske Interpretation von Satellitenbildern enthält:
    [Verknüpfung]

    Er verschweigt, dass bereits 1901 der schwedische Physiker Nils Ekholm erklärt hatte, dass die IR-Abstrahlung in den oberen Atmosphärenschichten erfolgt.
    [Weart 2019] (Volltextsuche: "Ekholm")

    Ein vergleichbar von der Sonne entfernter Himmelskörper ist der Mond - allerdings sieht man da, was ohne Treibhauseffekt passiert: zwischen Zenit und Nacht herrschen dort Temperaturunterschiede von 290K, und die Durchschnittstemperatur liegt bei -15°C. Die Erde wäre ohne Atmosphäre ein Eisball von -18°C Durchschnittstemperatur.
    [Verknüpfung]

    Die CO2-Messungen am Mauna Loa hält er für Unsinn: "Mit CO2 kann keine Station schlimmer kontaminiert sein als diese Station in etwa 3300 m Höhe auf einem Vulkan!" Um diese Aussage einschätzen zu können, muss man nur einen Blick auf die Aufzeichnungen dieser Station werfen: sie zeigt sogar den Jahresgang der CO2-Aufnahme durch Pflanzen, die sich auf der Nordhalbkugel wesentlich stärker auswirkt.
    [Verknüpfung]

    Alles in allem ist Thüne eine dankbare Übung im Überführen von Propaganda für Physik-Oberstufenkurse.



    Seit vielen Jahren ist das Europäische Institut für Klima und Energie EIKE eine feste Institution unter Klimaskeptikern. Sie verbreitet Material und organisiert die Szene.

    Für den Sommer 2018, der die Wahrnehmung in Deutschland veränderte, diskutiert der EIKE-Autor Stefan Kämpfe (laut Selbstauskunft Diplomagraringenieur, unabhängiger Natur- und Klimaforscher) verschiedene Ursachen: "anhaltende Gewitterneigung, trockene Polarluft ist sehr klar, [...] besondere Konstellationen der atlantischen Meeresströmung AMO [...] könnte, [...] Stratosphären-Strömung QBO [...] könnte" usw..

    Dann kommen Bilder über steigende Niederschlagsmengen und eine Korrelation "mehr CO2 - höhere Ernteerträge".
    [Verknüpfung]

    Dazu ist zu sagen: die einfachste Erklärung ist wissenschaftlich gesehen immer die beste - solange es keine Widersprüche gibt. Der Polarlufteinstrom, ggf. auch die QBO hängen mit klimabedingten Rossby-Wellen zusammen, die 2010 von der Klimaforschung erklärt werden konnten. Es handelt sich um ein Phänomen, das in den letzten Jahren klimawandelbedingt immer häufiger und immer ausgeprägter zu sehen ist, und das auch für anhaltende Extremniederschläge (v.a. an den Alpen), Spätfröste im Frühjahr (mit häufigen Ernteeinbußen), wochenlang anhaltende Gewitterneigung und warme Winterphasen verantwortlich ist. Davon ist bei EIKE natürlich nichts zu lesen. Die Erntemengen verschweigt er auch - er weiß, warum.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung] (Volltextsuche: "Strahlströme")


    EIKE legte 2016 einen "Klimazustandsbericht" vor: "Der UN-Klimakonferenz im November vorgelegt vom oben erwähnten Marc Morano, Climate Depot und dem Committee for a Constructive Tomorrow CFACT" (allein die Namensgebung verrät die Intention: man bedenke die Bedeutung des Begriffs "Depot")
    [Verknüpfung]

    CFACT ist eine US-Organisation der Öl- und Autoindustrie.
    [Verknüpfung]

    EIKE versucht derweil, die Verbindungen zu CFACT zu verschleiern.
    [Verknüpfung]
    Als Reaktion auf die Resonanz der Bewegung Fridays for future verstärkt die US-Klimaskeptikerszene zum COP25 in Madrid noch einmal ihre Bemühungen in Europa; neoliberale wie rechtskonservative Kräfte unterstützen mit INSM, dem Institut für unternehmerische Freiheit, der Hayek-Gesellschaft und EIKE die als Anti-Greta-Figur aufgebaute Bloggerin Naomi Seibt, die zur Wahl der AfD aufruft.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel bei Youtube: [Verknüpfung]
    Verdeckte Journalisten von Correctiv und ZDF Frontal21 begeben sich in die vom Heartland Institute finanzierte Szene.
    Correctiv: [Verknüpfung]
    ZDF Frontal21: [Verknüpfung]
    Details über das Heartland Institute, seine Beziehungen zu CFACT und damit EIKE und zu Spendern wie Exxon, Philipp Morris, Robert Mercer, Koch Industries etc.:
    [Verknüpfung]
    Die Verbindungen der amerikanischen und deutschen Szene der Klimaskeptiker und Klimaschutz-Blockierer findet man ausführlich bei energiewende.eu in einer großen, interaktiven Info-Grafik:
    [Verknüpfung]

    Der Commander-in-Chief der USA Donald Trump sagt, es gibt keinen Klimawandel, geschweige denn eine Krise, und verordnet der Umweltbehörde EPA eine Selbstzensur. Auch wenn seine Behörden davor warnen und seine Militärs sich dagegen rüsten:
    [Verknüpfung])
    [Verknüpfung])
    EIKE jedenfalls freut sich darüber, dass Trumps Tabu vom Klimawandel für die Umweltbehörde EPA jetzt auch im Verteidigungsministerium (Pentagon) umgesetzt wird:
    [Verknüpfung]
    Interessant, dass Charles Koch zwar ein libertärer Klimaskeptiker ist, Trump aber nicht unterstützt.
    [Verknüpfung]

    Entsprechende Darstellungen findet man auch in Deutschland: während entscheidende Fachpolitiker der CDU von "Klimareligion" und "Weltrettungszirkus" reden, planen Katastrophenschutz-Behörden für die Klimakatastrophe.
    [Verknüpfung]



    Selbst in der Tageszeitung Die Welt, in der Klimaskeptiker mittlerweile seltener auftauchen, findet man doch noch ab und an prominente Vertreter. 2019 meint dort der Politologe Björn Lomborg, "das Klimaproblem ist nicht das Ende der Welt". Das Foto eines grinsenden Lomborg mit einem überdrehten Globus erinnert mich an die Metapher vom Globus als Spielball aus dem Chaplin-Film "der große Diktator".

    [Verknüpfung]
    Lomborgs problematische wissenschaftliche Reputation wird von Stefan Rahmstorf dargelegt.
    [Verknüpfung]

    2001 hatte der Ex-Greenpeace-Aktivist, Politologe und spätere Klimaskeptiker Lomborg einen internationalen Bestseller geschrieben, der sämtliche von Umweltverbänden im Kyoto-Protokoll durchgesetzten Maßnahmen für wirkungslos erklärte, und stattdessen zur Lösung der Menschheitsprobleme Innovation und Wachstum forderte. In seinem Buch erkennt er weder Klimawandel, noch Landnutzung, Verschmutzung oder Artensterben als existentielles Problem an, nicht einmal als eine Gefahr für den Wohlstand. Vielmehr seien die Maßnahmen des Kyoto-Protokolls ungeeignet und eine Gefahr für den Wohlstand, für dessen Erhaltung die Armuts- und Krankheitsbekämpfung durch Wachstum und Innovation weit wichtiger seien.
    Zwar wurde "The Skeptical Environmentalist" (dt. "Apokalypse No!")" von der Fachwelt komplett verrissen, und seine Auftraggeber waren bekannt - der liberal-konservative Ministerpräsident Anders Fogh Rasmussen und neolibertäre amerikanische Denkfabriken. Trotzdem wird Lomborg bis heute inernational von Klimaschutz-Bremsern gefeiert.
    Lomborgs Buch dürfte zu den am besten dekonstruierten wissenschaftlichen Sachbüchern der jüngeren Zeit zählen. 2010 fasste Jeroen van den Bergh die zahllosen Kritiken zusammen. Schon 2003 wurde Lomborg vom dänischen Udvalgene vedrørende Videnskabelig Uredelighed (Ausschuss bezüglich wissenschaftlicher Unredlichkeit) gerügt. Das übergeordnete dänische Wissenschafts-Ministerium sprach ihn dann wieder frei - weil er seine falschen Behauptungen nicht in wissenschaftlicher Fachliteratur, sondern in einem Sachbuch verbreitet hat. Daraufhin wurde auch kein neues Verfahren eingeleitet, weil Lomborg gar keine Expertise für seine Behauptungen hat. Nach dieser Logik ist man selbst schuld, wenn man in einem Sachbuch einem Wissenschaftler glaubt, der zu dem Thema gar nichts Qualifiziertes zu sagen hat. Bedenkt man, wie oft dieses Buch immer noch zitiert wird, ist das eine Farce der Wissenschaftsgeschichte. Bleibt noch zu erwähnen, dass Lomborg damals als Gründer des Copenhagen Consensus Center im Dienste des liberal-konservativen Ministerpräsidenten Anders Fogh Rasmussen stand, der natürlich auch dem Wissenschaftsministerium Weisungen erteilen konnte, und dass Lomborg auch Verbindungen zu klimaskeptischen US-Denkfabriken hatte.
    [Wikipedia 2022 - The Skeptical Environmentalist]
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Björn Lomborg]
    [Wikipedia 2022 - Rat für wissenschaftliche Unredlichkeit]

    Der parteiische Schiedsrichter in der Lomborg-Affäre Anders Fogh Rasmussen wurde für seinen eigenwilligen Führungsstil als Generalsekretär in der NATO bekannt, und ist als solcher an der Eskalation der NATO-Konfrontation mit Russland in der Ukraine beteiligt. Anschließend ergab sich aus seiner Arbeit für das staatliche dänische Windenergieunternehmen Dansk Olie og Naturgas A/S Dong (heute Ørsted) ein Berater-Engagement bei der amerikanischen Top-Bank Goldman Sachs - nachdem dieses sich 2014 in einer umstrittenen Aktion in das höchst lukrative Staatsunternehmen eingekauft hatte. Es kam daraufhin zu einer Regierungskrise.
    [Wikipedia 2022 - Anders Fogh Rasmussen]

    Für die Dokumentation "Die Macht der Lobbyisten" der Danish Broadcasting Company wurde Lomborg um eine Stellungnahme gebeten. Er stand für ein Gespräch nicht zur Verfügung, distanzierte sich jedoch immerhin schriftlich von der Aussage, der Klimawandel sei nicht menschengemacht.



    Die Wissenschafts-Leugner wittern die Möglichkeiten der Pandemie, weshalb ihre Propaganda wieder aggressiver zu hören ist, und selbst vor absurden wie gefährlichen und zudem antisemitischen Verschwörungstheorien wie QAnon nicht zurückschreckt. Je weiter die gesellschaftliche Spaltung fortschreitet, desto besser sind ihre Chancen. Auch aus diesem Grund muss der Klimaschutz mit Hochdruck vorangetrieben werden, bevor die gesellschaftliche Spaltung ihn noch weiter behindert.
    Das Empörendste daran ist, dass die übelste reaktionäre Propagande von den skrupellosesten Profiteuren ausgeht und auf die Verlierer der Profitgier zielt. "Nur die allerdümmsten Kälber wählen den Metzger selber."
    Doch auch die Fossilökonomisten der CDU spielen mit den klimaskeptischen Narrativen der Rechtskonservativen, um ihre Politik voranzubringen.
    Die Corona-Krise macht wenigstens Hoffnung, dass die politischen Motive der Wissenschafts-Leugner erkannt, und diese damit endlich marginalisiert werden - diese Hoffnung äußert sogar der Gründer des WEF Klaus Schwab. Die Schnittmenge der Klimaskeptiker und Corona-Leugner ist allzu deutlich, so dass die Klimaskeptiker bei vielen Menschen, die nicht zu den Corona-Leugern gehören, weiter diskreditiert werden.






    Als der Klimawandel für die letzten Konservativen nicht mehr zu übersehen war, ließ er sich nicht mehr zu leugnen, denn er hatte sich bereits zur Klimakrise ausgewachsen. Ein weiteres Bremsen von Klimaschutz ließ sich nicht mehr über Klimaskepsis erreichen, denn diese Position wurde nur noch von krassen rechten Außenseitern vertreten. Der Klimaschutzbremser definierte sich von da an als Klimarelativist.





    Die klimaskeptischen und -relativistischen Ausfälle des bayerischen Wirtschaftsministers und stellvertretenden Ministerpräsidenten Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sind in der Klimaschutz-Bewegung schon legendär.
    Er behauptete z.B. im Januar 2023, die Entwicklung des Klimawandels sei für die Schneesicherheit in den Alpen nicht absehbar, weshalb der Betrieb des Massen-Skitourismus mittelfristig nicht in Frage stünde, der Einsatz von Schneekanonen auch in Zukunft sinnvoll sei. Dabei nimmt der Einsatz von Wasser und Energie nahezu jährlich und immer schneller zu, immer mehr Pisten in tieferen, früher schneesicheren Lagen, sind nur noch weiße Eisbänder im Grünen, die zudem auch noch gefährlich zu befahren sind.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Der Kölner Stadt-Anzeiger titelt "Hubert Aiwanger erklärt Klimakatastrophe für beendet".
    Kölner Stadt-Anzeiger: [Verknüpfung]
    Aiwanger ist auch Kandidat für den krassesten Klima-Rechenfehler aller Zeiten. Er behauptete in der BR-Talkshow Münchener Runde am 30.10.2019, man könne die deutschen CO2-Emissionen komplett kompensieren, indem man jährlich 25km2 neuen Wald anpflanzt. Das heißt, dann müsse man an seinen CO2-Emissionen auch nichts ändern. Niemand widerspricht.
    Abgesehen davon, dass Aufforstung zu den unwirksamen Klima-Scheinlösungen zählt, selbst im günstigsten Falle bräuchte man jährlich neue Waldflächen der etwa zehnfachen Größe ganz Deutschlands, das ist das etwa 140.000fache.
    AFP-Faktencheck: [Verknüpfung]
    Der irrsinnige Zuwachs an Holz müsste für die Ewigkeit vor Destruenten und Feuer geschützt aufbewahrt werden, z.B. verbaut in immer mehr Gebäuden.
    Die Münchener Runde ist auch sonst als Beispiel für Desinformation sehenswert, denn neben Carla Reemtsma von Fridays for Future und Lisa Badum von den Grünen ist Christopher Grau, Gründer von Fridays for Hubraum, anwesend. Immerhin hat Grau mittlerweile die Gruppe verlassen, weil er dort eine politische Unterwanderung von rechts außen beobachtet hat.


    [Verknüpfung]

    Christian Stöcker nimmt u.a. Aiwangers geistige Geisterfahrten als Beispiele und titelt im Spiegel "Konservative Energiepolitik - mit Vollgas in die falsche Richtung".
    Spiegel (für Abonnenten): [Verknüpfung]
    Aiwanger fiel 2023 zuerst wegen einer Hetzrede gegen die Grünen, und wenig später wegen seiner rechtsradikalen Vergangenheit auf.



    Der Name des wichtigsten Focus-Ablegerblatts ist Programm: Focus Money.


    [Verknüpfung]

    Die neoliberal-konservative Wochenzeitung Focus fiel früher regelmäßig in kalten Wintern mit reißerischen Titelthemen über einen möglichen gravierenden Einfluss der Sonnenaktivität auf. Letztlich war nur die Schlagzeile wirklich brisant, bei näherem Hinsehen zeigte sich, dass meist beide Seiten dargestellt wurden. Überzeugten Fossilökonomisten bleibt bei dem für sie uninterressanten Thema Klima allerdings oftmals nur die Schlagzeile hängen. Mit ihren Schlagzeilen und Titelseiten gab der Focus jedes Mal Wasser auf die Mühlen der Klimaskeptiker an den Stammtischen.
    Zum Beipiel im April 2020: Klimaskeptiker wittern eine Sensation der Klimaforschung, weil man Hinweise auf Regenwald in der Antarktis gefunden hat. Für Geologen eine Sensation, aber nicht für Klimaforscher (siehe oben).
    [Verknüpfung]



    Für Hans von Storch ist der Satz gemacht: "ich bin ja kein Klimaskeptiker, aber...". Er ist im engen Sinne kein Leugner der anthropogenen Erwärmung, aber ein hochdekorierter wie -kontroverser Klimaforscher mit umstrittenen, teils abgelehnten wissenschaftlichen Arbeiten, zweifelhaften Entscheidungen und provokant-aggressivem Auftreten. Sein Wirken nimmt hier sehr viel Platz ein, denn er hatte in den entscheidenden Jahren der Energiekehrtwende eine sehr große Medienwirkung.
    So lässt er sich in der Überschrift eines Spiegel-Artikels mit einen Vergleich zitieren, wie man ihn von Klimaskeptikern kennt: "früher war ein Sturm einfach ein Sturm".
    Dabei verharmlost er die möglichen Folgen, ohne sich zu den Folgen oder dem diskutierten Problem der Kipppunkte genauer zu äußern. Ein anderes Spiegel-Interview titelt "Die Welt wird deswegen nicht untergehen".
    Man kann ihn zweifellos als Klimarelativisten bezeichnen.

    Er sucht die Medien, die ihn oft zitieren, um ihrem Auftrag journalistischer Ausgewogenheit genügen zu können. Dabei kommt ihm sicher zu Gute, dass er ein veritabler Klimaforscher ist, deshalb ist er selbst in Deutschland für die Medien präsentabel.
    In seinen Äußerungen findet man exemplarisch praktisch alle gängigen fossilökonomistischen Thesen, die im nächsten Kapitel besprochen werden. Leider werden nur äußerst selten kritische Fragen dazu gestellt oder Korrekturen angebracht.

    Im DLF-Interview 2020 kritisiert er (wissenschaftlich durchaus korrekt) eine pauschale Attribution aktueller Wetterextreme ("gab es damals in ganz erheblichem Maße").
    Dass allerdings Forscher:innen wie Friederike Otto die Attributionsforschung mittlerweile sehr differenziert betreiben und dabei auf mathematische Simulationen zurückgreifen, deren Vorgänger schon vor 40 Jahren unsere Situation recht gut vorhergesagt haben (und an denen er kurioserweise sogar mitgearbeitet hat), verschweigt der Mathematiker geflissentlich.
    [Wikipedia 2020 - Friederike Otto]
    Schließlich bezeichnet von Storch die Forderungen nach globalem Klimaschutz als postkoloniale Überheblichkeit des Westens, und vergleicht Forderungen nach klimapolitischen Konsequenzen mit antiken und mittelalterlichen Auffassungen von Wetterextremen als Gottesstrafen. Damit nährt er auf höchst fragwürdige Weise das Narrativ von der Klimareligion, und verdreht die postkolonialen Beziehungen unseres Wirtschaftssystems um 180°.
    [Verknüpfung]

    Auch für regelmäßige derbe persönliche Angriffe ("dumm Tüch" - dummes Zeug) ist von Storch sich nicht zu schade, wie hier im Oktober 2019 im Spiegel, Titel: "Früher war ein Sturm einfach ein Sturm" (aktualisiert nach dem WEF-Forum in Davos, neuer Titel: "Das ist Wichtigtuerei von reichen Nordeuropäern"), geschrieben von Axel Bojanowskis Kollegen Olaf Stampf, der schon 2007 als Klimaskeptiker mit dem Spiegel-Titel "Die große Klima-Hysterie" reüssierte. 2012 interviewte er Vahrenholt ("Wir werden hinters Licht geführt").
    In seinen Verharmlosungs-Thesen versucht von Storch, sich Hintertürchen zur Wissenschaftlichkeit offen zu lassen: "Vor dem Klimawandel selbst fürchte ich mich nicht. Steigender Meeresspiegel und höhere Temperaturen sind zu bewältigen, daran kann der Mensch sich anpassen, wenn genug Zeit ist und die Änderungen begrenzt bleiben". In diesem Konditionalsatz formuliert er eine theoretisch mögliche Voraussetzung - die aber praktisch nach den Kenntnissen der Wissenschaft nicht mehr gegeben ist, wenn nicht sofort drastische Klimaschutz-Maßnahmen erfolgen: We don't have time.
    Als Unterschrift eines Porträts findet sich in der Printausgabe das Zitat: "So schnell wird die Menschheit schon nicht untergehen." Dazu eine Grafik, die zusammen mit dem Text bemerkenswert falsch ist.



    Was der Autor mit dieser Grafik sagen möchte, ist bestenfalls schleierhaft. Soll es bedeuten, dass bei "moderatem Anstieg der CO2-Emissionen" das 2-Grad-Ziel erreicht werden kann? (orangefarbene Graphen)
    2-Grad-Ziel bedeutet "2 Grad über dem 30-jährigen Mittel um 1880." Der Nullpunkt der y-Achse ist äußerst dreist auf das Jahr 2000 verschoben. Die gezeigte Kurve für moderaten Anstieg der Emissionen steigt zwar auf 2 Grad, aber nicht über dem Wert von 1900, sondern über dem Wert um das Jahr 2000, und das liegt noch einmal 0,7 Grad höher als der Referenzwert. Zudem ist ist bei derzeitiger Politik mit einem "moderaten Anstieg" nicht zu rechnen.
    Nach heutigem Stand der Wissenschaft käme selbst die gelbe Kurve nur bei einem bald einsetzenden, drastischem Absinken der Emissionen auf Null um das Jahr 2050 zu Stande, aber niemals bei einem weiteren Anstieg, und sei er noch so moderat.
    Die Grafik ist mit dieser Beschriftung also grob falsch und irreführend.
    Von Storch bringt dann stereotyp eine der üblichen Angst-Keulen der Fossilökonomisten, über die es im nächsten Kapitel gehen wird: "Sorge bereitet mir derzeit eher die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas. Wenn immer mehr Aktionismus betrieben wird, kann das ein böses Ende nehmen und den sozialen Frieden gefährden. [...] Und was geschieht, wenn in Zukunft irgendwelche Fanatiker fordern, Kriege gegen solche Staaten zu führen, die sich weigern, ihre Kohlekraftwerke abzuschalten?"
    [Stampf 2019-2]
    Dabei bestreitet er nicht einmal die anthropogene Erwärmung und die Notwendigkeit von Klimaschutz - er spricht sich nur dezidiert gegen deutschen Avantgardismus und gegen Moralisierung aus. Die politischen Forderungen der Jugend und seiner Kolleg:innen hält er für Anmaßung und Panikmache - erklärt aber nicht, wie Politik und Zivilgesellschaft sonst zum Klimaschutz motiviert werden sollen.
    [Verknüpfung]
    In einem anderen Spiegel-Interview von Olaf Stampf ist zu lesen:

    "Interview mit Klimaforscher Hans von Storch: „Die Welt wird deswegen nicht untergehen“
    Die globale Erwärmung führt zu Alarmismus bei Forschern, sagt der Klimaexperte Hans von Storch. Hier erklärt er, warum er ohne schlechtes Gewissen mit dem Kreuzfahrtschiff ins Südchinesische Meer reist. [...] Storch, 69, zählt zu den weltweit führenden Klimaexperten. Am Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie und am Helmholtz-Zentrum für Küstenforschung in Geesthacht war der Mathematiker an der Auswertung jener Computermodelle beteiligt, mit denen das Klima der Zukunft simuliert wird."

    Aus dem gleichen Artikel, der sich hinter einer Paywall verbirgt, wird von Storch im Blog von Fritz Vahrenholt zitiert:

    "[...] selbst heute steht noch nicht fest, wie hoch genau der Temperaturanstieg ausfallen wird. Die Unsicherheiten sind nach wie vor beträchtlich. [...] Damals [in den Achtziger Jahren] ahnte man allenfalls, was auf die Menschheit zukommen könnte, aber es gab einander widersprechende Hypothesen zur Klimaentwicklung. Vergessen Sie nicht: Noch in den Siebzigern warnten viele Geologen eher vor einer neuen Eiszeit. Wahr ist, dass wir den Treibhauseffekt in der Theorie schon seit mehr als 100 Jahren kennen, doch galt er lange Zeit als vernachlässigbar. Denn Kohlendioxid allein macht ja gar keine große Erwärmung. Erst durch die verstärkende Rückkopplung mit dem Wasserdampf kommt es zu einem deutlichen Temperaturanstieg."
    [Verknüpfung]
    Vahrenholt bezieht sich auf:
    [Stampf 2019-1]
    Stampf empfahl sich für die Bojanowski-Nachfolge schon 2012 mit einem Interview mit Klimaskeptiker Fritz Vahrenholt.
    [Verknüpfung]

    Zitat aus einem Focus-Interview:

    "[von Storch:] „Das sind naive, unreife Worthülsen [...]
    Die Klima-Aktivisten gehen nicht konstruktiv an die Sache heran, sondern stellen nur Forderungen zur Wirkung. Kinder benehmen sich so, das dürfen sie auch. Aber wenn man wirklich in die Politik eingreifen will, muss man auch Verantwortung übernehmen und darüber nachdenken, wie die Dinge gestaltet werden können in ihrer ganzen Komplexität.“
    FOCUS Online: „Viele der jungen Menschen machen sich große Sorgen um ihre Zukunft. Ist diese Angst aus Ihrer Sicht denn nicht angemessen?“
    Von Storch: „Doch. Allerdings glaube ich, dass auch ich damals Grund zur Sorge hatte, als ich so alt war. Es ist nichts Neues, dass die Zukunft sehr negative Perspektiven enthält. Früher hieß das zum Beispiel Atomkrieg.“
    Focus Online [...]: „Ist es [...] nicht angebracht, [dem Klimawandel] größere Aufmerksamkeit zu schenken – auch durch Bewegungen wie Fridays for Future?“
    Von Storch: „Das lohnt sich dann, wenn es tatsächlich dazu führt, dass neue Ideen entstehen und man realistisch an das Problem herangeht. Wenn es sich aber in der Forderung nach symbolischen Akten wie dem Verzicht auf Einwegkaffeebecher erschöpft, dann bringt es nichts. Wir müssen wegkommen von diesen schablonenartigen Ideen, von denen wir wissen, dass sie nicht wirklich wirksam sind. In gewissem Maße ist es so, dass diese einfache, auf die deutsche Gesellschaft begrenzte Betrachtungsweise, den Durchbruch verhindert. Wir brauchen Offenheit im Denken und nicht Denkverbote.“"

    Von Storch tut hier so, als würden die Klimaschutz-Aktivisten nicht unterscheiden zwischen wichtigen Flugreisen und vermeidbaren Flugzeug-Kurzreisen, und als dürfe man keine plakativen Beispiele für klimaschädliches Verhalten anprangern, ohne gleich das ganze Bild in all seiner Komplexität zu liefern.
    Und dann bringt er die schlagkräftigste Fossilökonomisten-These, ausgeschmückt mit den denkbarsten Stereotypen:

    "Ein Beispiel: Ist es der wichtigste Punkt, dass wir die Klimasteuer einführen oder brauchen wir eine Technologieoffensive? Bei der Steuer ist es so, dass Menschen, die gut betucht sind, sagen wir ein Radiologe mit Tesla, die Steuer vermeiden und sich gut fühlen können. Aber die Hebamme mit dem Diesel muss die Steuer zahlen, hat aber selber gar nicht viel Geld. Das kann doch nicht richtig sein."

    Wie gesagt, zu lesen im Focus, einem Blatt für liberale Leser, bei dem soziale Gerechtigkeit nicht gerade das Kernthema darstellt. Ein weiteres Beispiel für die Instrumentalisierung der wirstschaftlich Benachteiligten gegen Klimaschutz-Maßnahmen.
    [Verknüpfung]

    In der WDR-Talkshow Hart aber Fair fordert er Zurückhaltung der Klimaforscher in der Klimapolitik, und greift die Klimaschutz-Bewegung an.
    [Verknüpfung]

    Wer einen Überblick über seine Argumentation bekommen möchte, kann zu der Sendung im Merkur lesen:

    "Sehr viele seiner Kollegen hätten längst „die Schnauze voll von diesen dauernden Übertreibungen“, behauptet von Storch. Es werde in der Öffentlichkeit nur auf bestimmte Wissenschaftler gehört, „die das sagen, was man hören will“, echauffierte er sich weiter. [...] „Wie kriegen wir die Welt dazu, weniger zu verbrauchen? Da können wir nicht sagen: 'Guckt mal, wir Deutschen fliegen nicht mehr und essen kein Fleisch. Ist das nicht geil? Macht das doch auch mal'.“
    Für Menschen in China sei Klimawandel derzeit kein zentrales Problem. Deshalb brauche es attraktive technologische Innovationen: „Wir müssen ein Angebot machen. Wir müssen einen Weg aufzeigen, wie wir in Wohlstand leben, mit weniger CO2-Emissionen und wie sich das finanziell lohnt. [...] Sie sollten Ihre Kinder motivieren, zu Deutschlands größter Ressource beizutragen, nämlich Ingenieure zu werden. Damit haben sie die besten Voraussetzungen, um zu einer Stabilisierung des Klimas beizutragen, was man populistisch auch als 'Klima retten' bezeichnet. [...] Die Chinesen wollen auch so schöne Autos haben wie wir, die Inder auch“."
    [Verknüpfung]

    Die Zeitung Die Welt bespricht die Sendung erfreulich objektiv und stellt am Ende fest, Zitat:

    "Für [von Storch] ist klar: Ein globales Umdenken sei in Zukunft nur durch attraktive, technologische Innovation möglich. „Wir müssen ein Angebot machen. Wir müssen einen Weg aufzeigen, wie wir in Wohlstand leben, mit weniger CO2-Emissionen und wie sich das finanziell lohnt.“
    Wie das funktionieren kann, konnte freilich auch von Storch nicht final beantworten. So zeigt am Ende auch diese Debatte vor allem eines: Konsens besteht immerhin in der Problematik an sich. Beim Entwickeln von Lösungsansätzen dürfte künftig aber noch reichlich Gesprächsbedarf bestehen."

    Gegenüber dem Hamburger Abendblatt zeigte sich von Storch im Oktober 2019 in der Sprache ungewohnt gemäßigt (auch wenn die Überschrift Provokantes verspricht: "Thunbergs-Aussage ist lachhaft"); Zitat:

    "Durch die Klimaerwärmung könnte es theoretisch in den ohnehin heißen Tropen so heiß werden, dass man dort ohne technische Hilfen wie Klimaanlagen nicht mehr gut leben kann. Aber in allen anderen Regionen, etwa bei uns, kann davon keine Rede sein. In Phoenix/ Arizona leben übrigens Millionen Menschen. Das war früher unmöglich, heute gibt es Klimaanlagen." [...]
    "Das geht nur durch ökonomische Anreize und durch technologische Entwicklung. Es muss sich lohnen – weil zum Beispiel Solarenergie sehr günstig wird oder das Potenzial des Zertifikate-Handels deutlich wird. Wenn wir in Deutschland und Europa altruistisch etwas zur Bremsung des weltweiten Klimawandels beitragen wollen, dann könnten wir zum Beispiel einen Klima-Soli auf die Gehälter einführen. Mit dem Geld könnte ein Fonds zur Technologie-Entwicklung ausgestattet werden, der die Forschung massiv fördert und deren Ergebnisse der ganzen Welt zugute kommen. Wir in Deutschland könnten uns dann zum Beispiel um neue klimaneutrale Systeme zur Heizung und Kühlung von Häusern kümmern – mit Hilfe unseres reichlichen Windstroms aus der Nordsee. Andere könnten andere Aufgaben übernehmen."
    [Verknüpfung]

    Ich kann von Storch in einem Punkt recht geben: der Mensch verursacht eine globale Erwärmung. Ansonsten muss ich fast durchgehend und deutlich widersprechen.
    Von seinen Kolleg:innen fordert er politische Zurückhaltung, bringt aber selbst öffentlich eine fossilökonomistische These nach der anderen als politische Begründung für Nichtstun vor. Er hat als Konservativer eben den Vorteil, dass durch Nichtstun alles beim Alten bleibt. Damit sind seine Forderungen ebenso politisch wie die der Klimaschützer.
    Wie viele und vor allem welche seiner Kollegen wie er "die Schnauze voll haben", verrät er nicht. Mit seiner Behauptung widerspricht er dem Bild, das die öffentlichen Massenkundgebungen von zigtausenden Wissenschaftler:innen für Klimaschutz vermitteln. Diese verharren nicht mehr still im Elfenbeinturm, während die Erde zunehmend unbewohnbar wird.
    Ausgerechnet im Focus, der das Thema soziale Gerechtigkeit meist nicht im Fokus hat, beklagt er die sozialen Folgen von CO2-Abgaben. Als hätte die prekäre Lage vieler Bürger keine anderen Ursachen, und als berge die Abgabe nicht sogar die Möglichkeit von Umverteilung. Indem er diese wahren Ursachen verschweigt, redet er die gesellschaftliche Spaltung herbei.
    Er fürchtet, dass Klimaaktivisten Kriege gegen Verursacher-Staaten antreiben könnten. Dabei verschweigt er, dass wir selbst momentan noch zu diesen Staaten gehören. Und er blendet vollkommen die ungerechten Machtverhältnisse aus, die durch unser Festhalten an der Fossilwirtschaft jahrzehntelang herrschten, und die unzählige internationale Konflikte verursacht haben.
    Die Schwellenländer unter den großen Verursacher-Staaten haben zunächst ihre Emissionen gesteigert, weil die emissionsintensiven Produktionen aus den Industrieländern dorthin abgewandert sind - um durch Kostensenkung unseren Konsum weiter zu fördern. Doch ihnen Unwillen im Klimaschutz zu unterstellen, ist eine verzerrte Darstellung.
    Dass die externen Kosten der Klimakrise auf die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung bisher keinen nennenswerten Einfluss haben, sagt von Storch auch nicht. Und auch nicht, dass die Fossilwirtschaft massiv subventioniert wurde und wird. Solange Fossilwirtschaft nicht im Gegenteil massiv sanktioniert wird, ist der Wettbewerb nach rein ökonomischen Kriterien verzerrt.
    Fridays for future fordert eben keine "wirkungslosen Symbolhandlungen", sondern ganz konkret ein Ende der Subventionen und einen wirksamen CO2-Preis, um der vielfachen Marktverzerrung entgegenzuwirken, und um nachhaltigem Wirtschaften endlich zur Konkurrenzfähigkeit zu verhelfen - weg von der fossilen Planwirtschaft zur wirksamen Energiewende.
    Von Storch verschweigt auch, dass die Erneuerbaren Energien konkurrenzfähig geworden sind, sicher noch billiger werden und deshalb der Fossilwirtschaft, von der wir immer noch in höchstem Maße abhängig sind, eine Disruption droht.
    Auch dürfte von Storch die jahrzehntelangen Dauer-Appelle an die Jugendlichen aus Schule, Medien und Politik nicht überhört haben, sich verstärkt mit Umwelt-Themen zu beschäftigen, sie zu studieren und zu ihrem Beruf zu machen. Sie haben zwar bewirkt, dass das Thema bei den meisten unbequem im Hinterkopf blieb, aber den Fossilökonomismus der Mehrheit haben sie niemals ansatzweise ins Wanken bringen können.
    [Verknüpfung]
    Den Bundes-Umwelt-Wettbewerb gibt es seit 1990. Das Motto 2013 lautete "Vom Wissen zum Handeln". Gleichzeitig begann die Politik mit der Energiekehrtwende.
    [Eckhardt 2013]
    Von Storch spielt die kollektiven Zukunftsängste als Übertreibungen des Jugendalters herunter, in seiner Generation seien es die Ängste vor nuklearen Katastrophen gewesen. Er verschweigt aber, dass die Jugend damals die größten Demonstrationen aller Zeiten organisiert und ihren Teil zur nuklearen Abrüstung und auch zum (wenn auch noch nicht überall durchgreifenden) Abschied aus der Atomwirtschaft beigetragen hat. Fridays for future hält er dem entsprechend auch für unreifen Unsinn.
    Zur Einschätzung der Kollegen, auf die sich die Jugendproteste berufen, als Alarmisten siehe unten.
    Bei seinen Prognosen zeigt sich von Storch für einen Wissenschaftler erstaunlich variabel, aber immer mit Nachdruck:

    • Einmal behauptet er, die Temperaturprognosen seien mit großen Unsicherheiten behaftet, und suggeriert mit der Referenz an die falschen Eiszeit-Prognosen der 70er, dass sogar die Richtung nach oben falsch sein könnte. Dabei war die Lehrmeinung der Klimaforschung schon damals, dass die vagen Eiszeitvorhersagen mancher Geologen gar nicht stimmen. Der Presserummel war nur ein erster Hype der Klimaskeptiker. Die Klimaforschung dagegen hat weiter an ihren Modellen gearbeitet, um die kommende Erwärmung besser vorhersagen zu können. Ausgerechnet Exxon-Mitarbeiter haben mitten in der Abkühlung 1977 schon die ersten Modelle benutzt, die genau genug waren, die aktuelle Situation vorherzusagen. Die um ein Vielfaches verbesserten Modelle sagen heute immer noch: es wird sehr schnell wärmer, wenn wir nicht sofort mit Klimaschutz anfangen.
      Wie genau von Storch jetzt die Vorhersage braucht, um sich schließlich doch noch den Klimaschützern anschließen zu können, verrät er nicht.
    • Dann wieder behauptet von Storch zu wissen, dass das 2-Grad-Ziel nicht zu halten ist. Damit stützt er eine andere problematische Haltung vieler Fossilökonomisten, den Fatalismus. In seiner 3-Grad-Prognose geht er auf die Gefahr von Kipppunkten und die Warnungen der Ökosystemforschung nicht ein.

    Wenn von Storch wirklich auf wissenschaftliche Objektivität Wert legen würde, könnte er nicht an den Warnungen der Biologie vorbeigehen, die ein Zusammenbrechen vieler Ökosysteme prognostizieren. Wenn man in Arizona heutzutage Klimaanlagen zum Überleben braucht, ist das kein relevantes Beispiel, denn dort fand und findet keine gravierende Biomasse-Primärproduktion statt. Wenn aber große Teile der Erde sich in Wüsten verwandeln, dann verhindern auch noch so viele Klimaanlagen nicht, dass bei 10 Milliarden Menschen größerer Teil den Tod durch Hunger, Durst oder Hitze erleidet.
    Die zynische Bemerkung "so schnell wird die Menschheit schon nicht untergehen" ist vor diesem Hintergrund ohne weitere Erklärungen, wie wir Klimaopfer vermeiden wollen, ungeschminkter Sozialdarwinismus. Was diese Einstellung auf dem Weg bis zur Entscheidung dieser Frage alles an Opfern kosten würde, sagt er nicht.
    Von Storch fordert, dass die nächste Generation durch Entwicklung von Innovation sich des Themas annehmen soll. Ich frage mich, wie das gehen soll, ohne die bestehenden Machtverhältnisse zu ändern, die schon die letzten Generationen komplett in das System der fossilen Verwertung und Abhängigkeit integriert hat.
    Dass die Finanzierung dieser Forschung staatlich erfolgen soll: ausnahmsweise vernünftig. Dass dafür wieder einmal Arbeit verteuert werden soll, anstatt Ressourcenverbrauch: purer Fossilökonomismus.

    Hans von Storch fordert nichts weiter als Abwarten wie bisher und das Vertrauen darauf, dass der freie Markt schon rechtzeitig die Lösung hervorbringt. Er erwartet, dass innerhalb einer Generation die zündende Innovation kommt, die das Öl verdrängt, also trotz immer noch sprudelnder Ölquellen günstiger ist als die weltweit hochsubventionierte Biosphären-Vernichtung. Das ist alles andere als politische Zurückhaltung.

    An dieser Stelle ist ein Blick in seine Vita sehr aufschlussreich. Von Storch war nie bekennender Klimaskeptiker, hat aber mit zwei wichtigen wissenschaftlichen Beiträgen 2004 und 2005 heftige klimaskeptische Diskussionen ausgelöst. Ein dritter aus 2013 existiert nur als Manuskript, wurde aber (mindestens) von der Zeitschrift Nature abgelehnt.

    Von Storch war in Fachkreisen zum ersten Mal aufgefallen, als er bei der Veröffentlichung einer Reihe klimaskeptischer Artikel in "Climate Research" 2003 die redaktionelle Mitverantwortung hatte.
    [Verknüpfung]
    Der letzte und bemerkenswerteste dieser Reihe stammte von Willie Soon und Sallie Baliunas. Baliunas war bereits als Skeptikerin der Schädlichkeit von FCKW aufgetreten, und Soon erklärte die moderne Temperaturentwicklung mit der Sonnenwirkung. Klimaskeptiker überschlugen sich geradezu, dass ihnen der Coup, einen klimaskeptischen Artikel in einer Fachzeitschrift unterzubringen, gelungen war.
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    Der Artikel wurde wegen fachlicher Mängel geradezu verrissen. Das Renommé der Zeitschrift war ruiniert. Es entbrannte eine große Debatte, der von Storch und seine Kollegin schließlich durch Rücktritt als Chefredakteure aus dem Wege ging.
    [Wikipedia 2020 - Soon and Baliunas controversy]
    2011 berichtete der Guardian über Willie Soon, dass Greenpeace USA ihm die Annahme von 1.000.000$ von Exxon, dem API und Koch Industries nachweisen könne, was er gegenüber Reuters nicht bestritt. Wohl aber, dass diese Zahlungen seine Arbeit irgendwie beeinflusst hätten.
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    2015 brachten Recherchen der New York Times weitere Zahlungen zutage. Naomi Oreskes forderte damals die Zeitschriften auf, Soons Artikel zurückzuziehen - das heißt, dass das noch nicht (überall) der Fall war. An dieser Stelle hätte möglicherweise eine staatliche Einrichtung gegen Wissenschaftsbetrug den Fall erledigen können, wie es EU-Richtlinien seit 2018 vorsehen, und wie sie schon lange in Dänemark und seit Kurzem in Frankreich existieren. Weder in Deutschland noch in den USA gibt es bisher eine solche. Hier kann immer noch nur der Druck von Fachkolleg:innen, möglicherweise unterstützt von der Zivilgesellschaft, etwas bewirken. Und dazu haben die Wissenschaftler:innen zu viel Angst, die wissenschaftliche Freiheit einzuschränken. Aus diesem Grund kann auch Hans von Storch als agent provocateur in Fachpublikationen das eine sagen und in Blogs und der Öffentlichkeit das andere.
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    [Wikipedia 2022 - ExxonMobil - Willie Soon]
    Ich frage mich, warum dieser Vorgang auch in der deutschen Medienlandschaft praktisch unterging.
    Soons Artikel, den von Storch redigierte, war übrigens einer der letzten, die in einer Fachzeitschrift die anthropogene Klimaerwärmung bestritt, und ist damit ein Fall für die Geschichtsbücher.

    2003, nur ein Jahr später, mischte von Storch sich selbst in die Hockeyschläger-Debatte ein. Klimaforscher Michael Mann hatte seine Temperaturkurve seit dem Mittelalter als Hockey Stick bezeichnet. Um diese Kurve wurde eine regelrechte Schlammschlacht geführt. Von Storchs Artikel folgten andere wie der von McIntyre und McKitrick 2005. Klimaskeptiker feierten schon die vermeintliche Widerlegung der Hockey-Stick-Kurve als völligen Zusammenbruch der Klimawandel-Argumentation.
    Einig waren sich von Storch und Mann in zwei Punkten:

    1. Vom Mittelalter bis zum Industriezeitalter gingen die Temperaturen langsam zurück (eigentlich sogar seit dem bronzezeitlichen Optimum, aber um diese Frage ging es merkwürdigerweise nicht). Dieser kontinuierliche Abschnitt des Graphen bildet den Griff des Schlägers.
    2. Ab dann steigen die Temperaturen schnell an.

    Es ging von Storch also nicht einmal um den bildlichen Vergleich mit einem Hockeyschläger.
    Es ging nur nur um die geringe Neigung des Hockeyschläger-Griffs. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung von Storchs mit Mann ging genauer um die Frage, ob im Jahre 1998 (dem Rekordjahr bis dato) die Temperaturen bereits höher waren als im Mittelalter oder nicht. Der Artikel in der renommierten allgemein-wissenschaftlichen Zeitschrift Science trug den Titel "Reconstructing Past Climate from Noisy Data", was unter Wissenschaftlern einen massiven Affront darstellt.
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    Im Spiegel äußert sich von Storch dann sehr abfällig über seinen Kollegen...
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    ... was von der Klimaskeptikerin Sonja Boehmer-Christiansen begeistert aufgegriffen wird.
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    Axel Bojanowski, damals noch als freier Mitarbeiter bei verschiedenen Zeitungen unterwegs, wirft schon früh, 2004, in der Welt die Behauptungen der Klimaskeptiker in der Hockeyschläger-Debatte völlig unkritisch zusammen, und macht daraus eine vermeintliche Sensations-Geschichte. Michael Mann sei vielfach widerlegt, und zu Korrekturen gezwungen worden. Dabei hat Mann lediglich neue Daten mit einfließen lassen, die an der Grundaussage nichts ändern. Bojanowski zitiert in seinem Artikel das damalige Who-is-who der Klimaskeptiker, heute samt und sonders schwarze Schafe, und empfiehlt sich damit Stefan Aust, der ihn später zuerst für den Spiegel, dann für die Welt rekrutiert.
    [Verknüpfung]

    All die Kritiken der Klimaskeptiker an Manns Hockeyschläger-Diagramm wurden von der Lehrmeinung mehrfach widerlegt. Um die Übereinstimmung ihrer Ergebnisse zu betonen, gründete sich eine eigene Arbeitsgruppe Past Global Changes 2k Network Pages2K.
    Der Hockeyschläger wurde dann auch prominent auf den ersten Seiten des folgenden IPCC-Reports abgedruckt.
    [Verknüpfung]

    Die Nichtbeachtung der Mann-Kritiker in der wissenschaftlichen Gemeinde stilisierten Klimaskeptiker wieder zu einem Skandal hoch. Von Storch sprach dazu sogar in einer Anhörung vor dem Repräsentantenhaus von "Türstehermethoden". Bei Bojanowski im Spiegel sprach er von wissenschaftlicher "Selbstzensur".
    [Bojanowski 2006]
    Bojanowskis Darstellung ging dem Klimaforscher Stefan Rahmstorf zu weit, er schrieb einen offenen Brief an dessen Vorgesetzten:
    [Verknüpfung]

    Knapp 20 Jahre später ist es wieder Bojanowski, der in der Welt die Geschichte aufzukochen versucht.

    Ernsthaft von öffentlicher Bedeutung wäre die Hockeyschläger-Debatte gewesen, wenn die Temperaturkurve seit der Industrialisierung nicht steil angestiegen wäre. Wann jetzt genau die Global-Temperatur die des Jahres 1000 überschritten hat, ist nicht von großem Belang. Viel gravierender, aber unter Klimaforschern völlig unstrittig, war schon damals die gefährliche Steigung der Temperaturkurve - und auf dieses Glatteis begab sich von Storch selbst nicht. Auf Nachfrage im Spiegel-Interview leugnete er den Klimawandel dezidiert nicht.
    Genau das haben aber die Klimaskeptiker, auch auf Anlass seines Artikels hin, getan: der Anstiegstrend habe nichts mit dem anthropogenen CO2 zu tun, sondern sei eine natürliche Schwankung, deren Ursache man noch nicht kenne. Außerdem sei der Trend zu jenem Zeitpunkt gebrochen ("global warming hiatus"; hiatus - engl. Pause).
    In einer Senatsdebatte nannte der republikanische Senator James Inhofe u.a. von Storchs Artikel als wissenschaftlichen Beleg "des größten Betrugs, der jemals am amerikanischen Volk begangen wurde." Behauptungen wie "größter Skandal der Wissenschaftsgeschichte" u.ä. fanden durch Internet und "soziale" Medien millionenfache Resonanz, auch sehr stark in Deutschland. Michael Mann und andere US-Klimaforscher wurden von Anti-Klimaschutz-Aktivisten persönlich drangsaliert, angestachelt vom Klimaskeptiker Marc Morano, was dieser im Film Merchants of Doubt ohne jede Spur von Selbstkritik erklärt.

    Über offizielle Reaktionen Hans von Storchs auf diese politisch extrem weitreichende Instrumentalisierung seiner Arbeit konnte ich allerdings nichts weiter finden als eine dürre, kleine Randbemerkung in einer eher wenig beachteten Publikation der Europäischen Akademie zur Erforschung von Folgen wissenschaftlich-technischer Entwicklungen 2010: "In dieser Lage suchen sich die Vertreter gesellschaftlicher Interessen jene Wissensansprüche heraus, die gewisse Positionen am besten stützen. Man denke an den Stern-Report oder die regelmäßigen Aussendungen [sic!] von US-Senator Inhofe."
    Ich fand auch zehn Jahre später keinen Bericht über ein Dementi, geschweige denn über eine Unterlassungsklage. Das ist insofern bemerkenswert, als dass von Storch nicht müde wird, sich in reichweitenstarken Medien lautstark über seine politisch aktiven Forscherkolleg:innen zu beschweren.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2020 - EA European Academy of Technology and Innovation Assessment]

    2013 - ein Jahr nach Vahrenholts kalter Sonne - wollte er wieder einen kontroversen Artikel veröffentlichen, der die Ursachen der damaligen Verzögerung der globalen Erwärmung diskutierte:

    1. die natürliche Klimavariabilität (Klimaschwankungen gab es immer...)
    2. bisher nicht berücksichtigte Einflüsse (dafür gibt es bei Klimaskeptiker Lomborg und Kollegen genügend Kandidaten)
    3. die Klimasensitivität (also das Ausmaß der Klimawirkung) von Treibhausgasen

    Zitat:

    "Of the possible causes of the inconsistency, the underestimation of internal natural climate variability on decadal time scales is a plausible candidate, but the influence of unaccounted external forcing factors or an overestimation of the model sensitivity to elevated greenhouse gas concentrations cannot be ruled out."

    Keine Rede von der geänderten Konvektion im Pazifik, die bis heute als Ursache der gebremsten Erwärmung zwischen 1998 und 2012 gilt. Dafür im nächsten Satz die Aussage, dass im zweiten und besonders im dritten Falle die Vorhersagen der Erwärmung beeinträchtigt wären:

    "The first cause would have little impact of the expectations of longer term anthropogenic climate change, but the second and particularly the third would."
    [Von Storch 2013] (abgelehntes Manuskript)

    Ich bin kein Klimaforscher, aber nach meinem Verständnis der Materie ist das eindeutig Klimaskepsis.
    Warum das Manuskript von Nature abgelehnt wurde, bleibt ein gut gehütetes Geheimnis, ebenso die Frage, ob nicht auch andere Redaktionen es zurückgewiesen haben.
    Klimaforscher Stefan Rahmstorf befasst sich mit diesem Manuskript in seinem Blog:
    [Verknüpfung]

    Die Datenauswahl der Klimaskeptiker mutete schon zu ihrer Zeit lächerlich an, viele Wissenschaftler und interessierte Laien machten sich darüber lustig. Eine Falschdarstellung durch Selektion passender und Ausschluss unpassender Informationen nennt man Cherry Picking, übersetzt Rosinenpickerei.
    Noch lächerlicher wird sie in der Retrospektive, als die Natur ihre Behauptung Lügen strafte. So wie es von seriösen Wissenschaftlern prognostiziert wurde, nahm die Kurve auch nach der Hockeyschläger-Debatte ihren steilen Trend wieder auf.
    Bei wikipedia ist die Desinformations-Methode des Cherry Picking in einer Animation sehr anschaulich dargestellt:
    Temperaturanstieg-vergleich-zwischen-ausschnitt-und-gesamtverlauf.gif
    Von Fjalnes - Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link
    Bedenkt man die Reichweite dieser und ähnlicher Meinungs-Manipulationen, ist es am Ende dann wieder nicht mehr zum Lachen. Damals haben die tonangebenden Akteure der Zivilgesellschaften nicht im Traum geahnt, welchen durchschlagenden Erfolg die Populisten mit ihren Diskussionen um die Corona- und Klimawissenschaft haben würden.

    Es ist aber letztlich leider nicht zum Lachen. Denn Klima-Aktivisten wurden damals aggressiv mit der Hockeyschläger-Debatte konfrontiert, sie wurde medial und politisch regelrecht ausgeschlachtet, und begleitet von aggressiven Kampagnen der Klimaskeptiker-Szene. Marc Moranos Plattform Climate Depot gab z.B. EMail-Adressen von US-Klimaforscher:innen heraus, die darauf hin mit wüsten Beschimpfungen und Morddrohungen überschüttet wurden.
    Und vor allem haben sie beigetragen, Klimaschutz bis heute zu verhindern, was eine politisch wirksame Durchsetzung mit jedem Tag schwieriger macht.
    [Verknüpfung]
    Von Storchs Hockeyschläger-Kritik wurde mehrfach widerlegt, sein Manuskript von 2013 zurückgewiesen. Er selbst hat derweil für die betroffenen Kolleg:innen nicht mehr übrig als die mitunter rüde Aufforderung, sich politisch zurückzuhalten.
    Die Causa von Storch liest sich im sehr empfehlenswerten Blog seines Kollegen Stefan Rahmstorf wie ein Krimi. Umso verstörender, wenn man nachvollzieht, dass er von der Realität berichtet.
    [Verknüpfung]

    Im Gegensatz zu ihren amerikanischen Kollegen haben europäische Medien die Forderung der Klimaskeptiker nach journalistischer Ausgewogenheit letztlich als trojanisches Pferd der Fossilindustrie erkannt. Deshalb sind jetzt skeptische Klimaforscher gefragt, die sich noch nicht die Finger verbrannt haben.
    Bei Roger Pielke jr., dem Sohn seines klimaskeptischen Kollegen Roger Pielke sr., hat von Storch sich das Motto für seinen Blog Klimazwiebel (honest broker - der Wissenschaftler als "ehrlicher Makler" der Wahrheit gegenüber der Politik) abgeschaut, dem er sich jetzt vollkommen verschrieben hat. In Pielkes Blog wirbt er für das Ideal einer "nachhaltigen" Wissenschaft, die keine politischen Ziele verfolgt und nur der Wahrheit verpflichtet ist. Pielke hat sich auch an der Abwehr der Rüge gegen den Klimaskeptiker Lomborg beteiligt.
    Als Gegenbeispiel "nachhaltiger" Wissenschaft nennt von Storch die Prognosen vom Waldsterben. Hier verdreht er die Tatsachen völlig: die Massenproteste am Earth Day 1970 markieren den Beginn einer wirksamen Umweltpolitik in den USA, der weltweit Kreise zog. Einer der größten Erfolge war die Verminderung des sauren Regens durch Gesetze gegen die Emission von Stick- und v.a. Schwefeloxiden - wie sie von der Wissenschaft damals gefordert wurden. Diese Gesetze haben bis heute verhindert, dass das Waldsterben durch Sauren Regen eintrat. Im Nachhinein behauptet von Storch jetzt, die damaligen Warnungen der Wissenschaftler hätte die Glaubwürdigkeit von Wissenschaft beschädigt, weil das Waldsterben ja nicht eingetreten sei. Er spricht von unseriösem Alarmismus.
    Analog die Sturmwarnungen von Klimaforschern nach Katrina 2005: danach habe es auch keine weiteren vergleichbaren Stürme gegeben.
    Zitat:

    "Research about the forest die back in Germany may serve as an example at the other end of the spectrum. The science of forest damages was in the 1980s heavily politicized, and used as support for a specific preconceived „good“ policy of environmental protection. The resulting overselling and dramatization broke down in the 1990s, and news about adverse developments in German forests is now a hard sell in Germany. An observer [...] wrote in 2004: „The damage for the scientists is enormous. Nobody believes them any longer.“
    Attributing hurricane Katrina to climate change made headlines, and depicting global warming as an uninterrupted continuous upward trend made the understanding of the concept of global warming easier. But, later, we have to pay a price. There were no more Hurricane-disasters like Katrina's since 2005, and warming is stagnating in the last years. [...] The public will understand that it has been manipulated, and that it had not honestly been advised by its publicly funded social institution „science“."

    Wie Pielke, so fordert auch von Storch eine stärkere Fokussierung der Klimawissenschaft auf lokale Phänomene.
    Zitat:

    "On the global and continental scale, the Intergovernmental Panel of Climate Change IPCC provides reasonable communication, even if the IPCC suffers from some limitations. Examples are a partial politicization, the fact that frequently dominant authors rely on their own work, or the failure of Working Group 2 to accept the assessment of Working Group 1 about the dynamics and change of climate when assessing the impacts of climate.
    On the regional and local scale, however, the IPCC is much less efficient, but different regional and local bodies provide services. An early excellent example was the Rossby-Center in Norrköping; the now founded CRES here in København is another good example. The Helmholtz-Association has set up a number of Regional Climate Offices in different parts of Germany[...]; also a national Climate Service Center is beginning its operation in that country."

    Natürlich werden bei uns die Klimaschäden moderater ausfallen als in den Tropen und vor allem in den Subtropen. Diese globalen Aspekte stehen in von Storch lokalem Ansatz freilich nicht im Fokus. Er kommt zu dem Schluss, dass aus Klimaforschung keine politische Forderung erwachsen kann:

    "[...] there is no immediate conclusion about the political implications to be drawn".
    [Verknüpfung]

    Pielke jr. ist Politikberater und leugnet z.B., dass die höheren Schäden bei Hurricans eine Folge des Klimawandels sind, sondern dass sie vielmehr auf andere menschliche Faktoren zurückgehen.

    Von Storch gibt als Fachgebiet auch die Soziologie an.
    Dazu ermittelte er zusammen mit dem Helmholtz-Kollegen und Soziologen Dennis Bray mehrfach Stimmungsbilder in seiner Fachgemeinde, mit denen er immer wieder die hohe Übereinstimmung in Klimafragen anzweifelte.
    [Verknüpfung]
    Große Publikationen wurden jedoch nicht daraus, laut Stern wurde der Beitrag von Science zurückgezogen. Bray musste demnach zwei weitere Fachartikel zurücknehmen.
    [Verknüpfung]
    Einer von Brays Artikeln, der angenommen wurde, diskutiert 2014 das Thema Klimawandel als "postwissenschaftlich" und "Überlieferung" (englisch "lore"); in der Zusammenfassung nennt er als Definition von "lore" aus der Oxford Dictionary: "A doctrine, a precept, a creed, a religion". Er kritisiert weiter die Klimapolitik als nicht faktenbasiert.
    [Verknüpfung]
    Die Namen Bray und von Storch werden immer wieder auch in den USA von höchst umstrittenen Klimaskeptikern zitiert. Auch wenn sie sich dagegen immer wieder wohlfeil zur Wehr setzen: einem Stefan Rahmstorf oder Michael Mann kann das sicher nicht passieren.
    [Verknüpfung]

    Politisch fielen diese Diskussionen in die kritische Zeit der Umsetzung des Kyoto-Protokolls. Der Erfolg der German Energiewende - der Revolution der Energie in Bürgerhand - bedrohte das fossil-atomare Geschäftsmodell.
    Die Hockey-Stick- und hiatus-Debatte brachten den Klimaschutz international zu einem katastrophalen Stillstand, der über das Paris-Abkommen 2015 hinaus bis heute anhält.
    Die Entwicklung der Debatte ist bei klimafakten dokumentiert.
    klimafakten: [Verknüpfung]

    Von Storch versucht jedoch jeden Verdacht zu vermeiden, ein Klimaskeptiker zu sein. Ohne wissenschaftliche Reputation verlöre er zuviel an Gewicht.
    Weshalb nicht überrascht, dass er sich (wieder im Bojanowski-Interview) von der Klimaskepsis seiner angeheirateten Nichte Beatrix von Storch (AfD) im Spiegel-Interview mit Bojanowski deutlich distanziert. Aber er schafft es dennoch immer wieder zu verblüffen: den Kollegen, die die Glaubwürdigkeit der Klimaforschung mit ihrem Alarmismus überstrapaziert hätten, gibt er dort eine Mitschuld am Erfolg der Klimaskeptiker.
    [Verknüpfung]
    Auch bei den klimaskeptischen Verschwörungstheorien um Climategate hat er sich zwar in der Fachpresse auf die Seite der Fachkollegen gestellt.
    [wikipedia 2020 - Hackerzwischenfall am Klimaforschungszentrum der University of East Anglia]
    [Verknüpfung]
    Dabei kann er sich allerdings nicht verkneifen, in der allgemeinen Presse, hier im Focus, den Hockeyschläger-Konflikt mit den IPCC-aktiven Kollegen um Michael Mann und Stefan Rahmstorf wieder hochzukochen.
    [Verknüpfung] In seinem Blog Klimazwiebel wirft er dem Klimaskeptiker Vahrenholt vor, seine Arbeit für Cherry Picking missbraucht zu haben (was Vahrenholt umgekehrt den Klimaforschern vorwirft) - eine vernichtende Kritik, allerdings auf Englisch. Durch Zufall bin ich über einen Zeit-Artikel überhaupt darauf gestoßen.
    Man beachte auch die URL: [Verknüpfung]
    (https://klimazwiebel.blogspot.com/2012/02/skeptic-lacking-skepticism-fritz.html)
    Zeit: [Verknüpfung]
    In dem Buch "die Klimafalle" zeichnet von Storch 2013 zusammen mit dem Ethnologen Krauß von sich das Bild vom um Aufklärung bemühten Wissenschaftler. Der um gesellschaftlichen Zusammenhalt besorgte, prominente Flüchtlingshelfer und Polit-Aktivist Rupert Neudeck ließ sich im Februar 2013 dazu bewegen, im Blog Sonnenseite von Franz Alt eine positive Rezension zu schreiben. Darin schreibt Neudeck: "Die Erwärmung des Erdklimas ist gegenwärtig langsamer als sie 1990 erwartet wurde. Das müsse aber kein Alarmzeichen sein, denn 13 Jahre sind als Beobachtung zu kurz, um damit gleich das Klimaproblem abzusagen. Das unterscheidend Spezifische von Wissenschaft bestehe auch darin, „einen Dialog zwischen Warnern und Skeptikern zu etablieren“." Neudeck plädierte also für Zurückhaltung im Klimaschutz aus Angst vor Spaltung mit den Skeptikern.
    Vorher schreibt er: "Die Autoren zitieren ihren Kollegen, den „anerkannten Klimaforscher“ Mojib Latif, der sich 2000 im Spiegel zu der Aussage verstieg: „Winter mit starkem Frost und viel Schnee wie noch vor zwanzig Jahren“ werde es „in unseren Breiten“ nicht mehr geben. Er wurde alsbald vom Wetter widerlegt." Tatsächlich häuften sich damals anhaltende, extreme Kälteeinbrüche, gepaart mit Starkniederschlägen, v.a. 2006.
    Neudeck ahnt nicht, dass zwei Jahre später die Ursache der Extremwinter (daneben auch der Hitzewellen und Extremniederschläge) beschrieben wird: eine klimawandelbedingte Änderung der Jetstreams, die sogenannten Rossby-Wellen.
    [Verknüpfung]
    Heute unterstützt Franz Alt Fridays for Future, gegen die Hans von Storch regelmäßig polemisiert. Alt schreibt: "Wir verbrennen die Zukunft unserer Kinder und Enkel, wenn wir in den nächsten 15 Jahren nicht den hundertprozentigen Umstieg auf erneuerbare Energien schaffen."
    [Verknüpfung]

    Seine populärwissenschaftlichen Eskapaden und seine nie revidierten Beteiligungen an klimaskeptischen Veröffentlichungen markieren eine Wissenschaftlerkarriere, die Fachleute in Journalismus und Politik zu einer gesunden Portion Skepsis veranlassen sollte.
    Im Gegenteil wird von Storch jedoch regelrecht hofiert. Dabei fällt besonders der Spiegel auf. Chefredakteur im Ressort Wissenschaft damals: Axel Bojanowski, mein nächstes Beispiel für Klimaskeptiker.
    2019 wurde von Storch sogar wegen seiner Beiträge zur Klimamodellierung von der Grünen Hamburger Zweiten Bürgermeisterin und Wissenschafts-Senatorin Fegebank das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse überreicht. Erstklassig ist weniger die Auszeichnung, als vielmehr der klimapolitische Skandal.



    Als der Geologe Axel Bojanowski sich 2020 als Chefredakteur Wissen von Mathias Döpfner, dem vielfach umstrittenen Chef des Springer-Konzerns für die Welt, anheuern ließ, war endlich klar, was schon immer seine Intention war. Von 2010 bis 2019 begann er seine Anstellungskarriere pikanterweise beim Spiegel, der damals u.a. von BILD-Co-Chefredakteur Blome geführt wurde (ebenfalls Springer), und wechselte dann kurz als Chefredakteur Bild der Wissenschaft.
    [Wikipedia 2022 - Axel Bojanowski]
    Bojanowski beklagt von Anfang an eine einseitige Berichterstattung zum Klimathema in den Medien, und macht sich so zum Anwalt der Händler des Zweifels, wie Naomi Oreskes die Klimaskeptiker auch nennt. Beim Spiegel ist er vermeintlich noch sehr um Objektivität bemüht, die sich aber bei näherem Hinsehen als false balance entpuppt. Nach Greta Thunbergs zivilgesellschaftlicher Resonanz kann Bojanowski seine klimaskeptischen Tendenzen beim Spiegel nicht mehr platzieren. 2019 bei Bild der Wissenschaft und ab 2020 bei der Welt wird seine politische Agenda deutlich: seine Welt-Autorenseite ist eine reiche Fundgrube, wenn man nach den aktuellen Behauptungen der Klimaskeptiker und Klimaschutz-Bremser sucht.
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    Zum Beispiel der Zweifel am Klimarisiko-Index der NGO Germanwatch vom Januar 2021. Die Schäden hätten ihre Ursache in der zunehmenden Besiedelung von Risikoräumen und dem höheren Sachwert der Gebäude. Germanwatch zerlegt Punkt für Punkt Bojanowskis Fehldarstellungen mit Quellenangaben.
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    Andere Highlights an Absurdität sind "Die Menschheit kriegt die Kurve bei der globalen Erwärmung", wo Bojanowski doch immer an der Erwärmung zweifelte. Oder "Wie Putin Klimaschützer gegen den Westen einspannte", während Putin mit allen wichtigen Parteien, die die Klimakrise leugnen, vernetzt ist: den rechtsautoritären Populisten.
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    Seit der Abkühlung der gesellschaftlichen Kontroverse um die Klimawissenschaft in den großen Medien arbeitet sich Bojanowski bei der Welt umso verbissener an den Konsequenzen aus der Klimawissenschaft, dem Klimaschutz, ab.
    Zum globalen Klimastreik am 23. September 2022 verliert er - und mit ihm seine Chefredakteurin Jennifer Wilton - in einem Kommentar schließlich die letzten journalistischen Skrupel, indem er alle wissenschaftlichen Erkenntnisse der letzten 50 Jahre entweder ignoriert oder völlig verzerrt, und der Klimabewegung einen "menschenfeindlichen Kern" attestiert. Das ist brandgefährliche Hetze, mit Behauptungen von ganz rechts außen, die wir schon aus der rechten Verschwörer-Szene kennen, prominent formuliert vom Bestseller-Autor Markus Krall, Adlatus des Nazi-Bankier-Erben von Finck: die Klimabewegung verfolge einen düsteren Plan zur wirtschaftlichen Unterwerfung der Menschheit.
    Weil er exemplarisch die aktuellen heißen Eisen der Rechts-Außen-Debatte aufgreift, und damit einen echten journalistischen Skandal darstellt, wird Bojanowskis Brandbrief im Kapitel "Aktuell" ausführlich besprochen.

    Bojanowski fiel schon im Spiegel immer wieder durch Beiträge auf, die in scheinbar objektivem Stil klimaskeptische Thesen transportierten, ganz ohne die übliche Krawall-Attitüde anderer Klimaskeptiker. Wie im Focus, so findet man in Bojanowskis Texten mitunter Verweise auf eine wissenschaftliche Kontroverse, um einer Minimalforderung nach Objektivität zu genügen. Doch v.a. in der Schlagzeile formuliert Bojanowski gerne provokante Aussagen - und beim oberflächlichen Leser bleibt oft genug nur die Schlagzeile hängen.
    Ganz im Stil von Populisten zeichnet er, so wie jüngst der Kabarettist Dieter Nuhr oder Ken Jebsen, von sich gern das Selbstbild des aufrechten Kämpfers für die Wahrheit, der von einer ideologisierten Meinungsmehrheit unterdrückt wird. Mit dieser Selbstdarstellung als "Journalist im Klimakrieg" schaffte er es bis in die Bundeszentrale für politische Bildung, die ja auch der Ausgewogenheit der Darstellung per Auftrag verpflichtet ist, und sich dabei eher selten derartig vergreift wie hier.
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    Bojanowski wurde beim Spiegel quasi ein Exklusiv-Interviewpartner des Klimaschutz-Reaktionärs Hans von Storch, nachdem beide sich in der Hockeyschläger-Affäre engagiert hatten. Gerade in seinem letzten Jahr beim Spiegel, dem Jahr der Jugend-Klimaproteste 2019, häuften sich von Storchs Interviews, wie auch seine Präsenz in den ÖR-Medien. Die Resonanz von Fridays for Future in der Leserschaft des Spiegel beendete Bojanowskis dortige Karriere. Von Storchs Betreuung beim Spiegel übernahm Olaf Stampf.

    Man kann Bojanowski wenigstens zugute halten, dass er in der "hiatus-Debatte" um Vahrenholt 2013 seriös blieb. Sein Motiv ist nicht schwer nachzuvollziehen: von Storchs Fachartikel zum Thema wurde damals abgelehnt, und selbst von Storch hatte sich schon 2012 von Vahrenholt distanziert - Bojanowski hätte sicher seine Reputation als Wissenschafts-Journalist riskiert.
    [Bojanowski 2013]
    In seiner ersten Ausgabe unter Chefredakteur Bojanowski machte Bild der Wissenschaft aber gleich wieder mit einem beliebten Klimaskeptiker-Thema auf, dem man trotz eines zweiten deutschen Dürresommers in Folge nicht einmal objektiv widersprechen kann: die Welt ergrünt.
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    Bojanowskis Vorgänger bei Bild der Wissenschaft, der Germanist Christoph Fasel, hatte vorher für Bild-Zeitung, Eltern und Der Stern gearbeitet, bevor er Chefredakteur bei Reader’s Digest wurde.
    Einen rührigen Nachfolger beim Spiegel hat Bojanowski ebenfalls: um Hans von Storch und Kollegen kümmert sich jetzt Olaf Stampf.
    Bojanowskis Wirken bei BdW erwies sich nur als kurzes Intermezzo; die schnelle Entwicklung des öffentlichen Bewusstseins über die Klimakrise machten ihn mit seiner Vorgeschichte wohl auf diesem Posten untragbar. Allerdings wirft auch diese kurzzeitige Besetzung ein schlechtes Licht auf die Zeitung, von der ich schon früh den Eindruck von einseitiger Fortschrittsideologie hatte.
    Kürzlich brachte Bojanowski (im Schatten der Corona-Verschwörungen) für Ulf Poschardt in der Tageszeitung Die Welt die längst vergessene Hockey-Stick-Debatte, in die er sich selbst schon 2004 eingemischt hatte, wieder auf den konservativen Frühstückstisch. Dabei bezeichnet er eine Temperatur-Grafik aus dem ZDF-Wetterbericht von Özden Terli vom 24.07.2020 als unwissenschaftliche Ente - diese Kurve habe ich an dieser Stelle bereits am 03.01.2020 selbst aus frei zugänglichen Daten zusammensetzen können, und sie war bereits 2016 in einem (kostenpflichtigen) Artikel in Nature und danach in der Washington Post zu sehen..
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    Einer der Autoren der Studie, Stefan Rahmstorf, setzt sich bei Twitter mit Bojanowski auseinander, natürlich mit wissenschaftlichen Quellenangaben.
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    Der Blogger Klaus Müller von energiewende.eu legt am Beispiel dieser Ente offen, wie die Blase der Klimaskeptiker funktioniert. Ein peinliches Armutszeugnis, für den ehemaligen Leiter der Abteilung Wissenschaft beim Spiegel wie für seine Arbeitgeber.
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    Kurz danach, zum großen Klimastreiktag, hetzt Bojanowski mit rechtsextremen Erzählungen gegen die Klimaschutzbewegung: sie habe einen "menschenfeindlichen Kern".



    Der Physikprofessor und Klimaskeptiker Gerd Ganteför gehört neben dem Ökonomen Hans-Werner Sinn und dessen Coautor Christoph Buchal zu einem Netzwerk organisierter Desinformation gegen die Energiewende.
    Seit vielen Jahren sind diese alten Herren aktiv in der Klimadebatte. Auch von ihnen könnte der Satz stammen "ich bin ja auch für Klimaschutz, aber...". Während Hans von Storch um sein wissenschaftliches Renommée bedacht ist, brauchen sie sich darum keine Sorgen zu machen: sie sind mit ihren Energie-, Mobilitäts- und Klimathemen durchweg außerhalb ihrer Fachbereiche unterwegs, mit deren akademischen Titeln sie sich dennoch gerne schmücken. Sie tun sich dabei auffällig gern zusammen. Für ihre Propaganda finden sie mächtige Sprachrohe: Klimaskeptiker Ganteför schrieb 2011 für die Konrad-Adenauer-Stiftung, und noch 2022 für die FDP, Diesel-Schönrechner Buchal organisierte u.a. eine Lehrerfortbildung für die alt-ehrwürdige Deutsche Physikalische Gesellschaft DPG, Hans-Werner Sinn ist regelmäßig als Experte im ÖR-Fernsehen geladen.
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    Im November 2020 organisierte Buchal - hochdotierter Kernphysiker am renommierten Forschungszentrum Jülich - die Referentenliste für die Physiklehrer:innen-Tagung der altehrwürdigen Deutschen Physikalischen Gesellschaft DPG bei der Wilhelm und Else Heraeus-Stiftung in Bad Honnef zum Thema "Klima und Energie". Dort sprach zum Leitthema der ausgewiesene Klimaskeptiker Ganteför. Ansonsten ging es in den Vorträgen um Zweifel an der Machbarkeit der Energiewende (u.a. von Prof. Schlögl), Unverzichtbarkeit der Atomkraft, Inaussichtstellen einer "silver-bullet-" Energie-Innovation, und nicht zuletzt um die Betonung der kleinen Rolle Deutschlands und des Problems der globalen Überbevölkerung. Als der ebenfalls geladene Fridays-for-Future-Referent Luca Samlidis etliche der (allesamt männlichen) Referenten der Desinformation bezichtigte, kam es zum Eklat.
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    In der Konsequenz stellte die DPG für die nächste Fortbildung im Mai 2022 ihre Referentenliste komplett um: es sprachen u.a. die Professoren Harald Lesch und Stefan Rahmstorf - eine Wendung um 180°.
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    Die DPG-Fortbildung macht besonders deutlich, wie tiefgreifend die Erkenntnis-Misere in den höchsten fachwissenschaftlichen Etagen des Bildungswesens ist.

    Ein derart prominentes Podium wie das der DPG konnte das Netzwerk der Energiewende-Grantler 2022 dann nicht mehr besetzen. Das 4Pi-Klima-Symposium im Mai 2022 fand auch nicht an einer Universität oder wenigstens als Lehrerfortbildung statt, sondern (finanziert von schweizer Sponsoren) im Steigenberger Hotel Konstanz. Sie wurde organisiert von Gerd Ganteför, der das Thema Klimawandel aber den seriösen Referent:innen Ulrike Lohmann und Thomas Peter überließ. Lohmann war sogar tatsächlich hörenswert, denn sie verwarf die Potentiale des Geoengineering als unzureichend für die Verhinderung einer Katastrophe - als IPCC-Expertin hat ihre Aussage besonderes Gewicht.
    Der Geophysiker Dieter Franke vom Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe (das bei Umweltschützern schon für viel Kritik gesorgt hat) sprach zum Stand der deutschen Energieversorgung. Frankes Vortrag kann ich nur in wenigen, aber entscheidenden Punkten beanstanden, die Laien als Flüchtigkeitsfehler erscheinen könnten: er präsentiert das Länder-Ranking der Erneuerbaren-Quote der G20-Staaten an der total final energy consumption TFEC von der NGO Ren21, mit Deutschland auf Platz 5 (18%) - spricht aber vom Anteil der Erneuerbaren an der Stromproduktion. Der liegt allerdings netto laut Fraunhofer ISE bei ganzen 50,4%, was er später (in Minute 31) richtig darstellt. Anderswo (Minute 26) gibt er diesen Wert wieder mit 33% an, was allerdings die Zahlen allein für Wind- und PV-Strom der NGO ren21 aus dem Jahr 2019 sind.
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    Das UBA nennt hier brutto 41%, wobei es sich auf die Zahlen der AGEE beruft.

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    Egal ob man Brutto- oder Netto-Stromerzeugung nimmt - mit 18% Stromanteil liegt er weit unter der Realität.

    Abgesehen von der unbestreitbaren Faktenlage ging es auf dem Symposium natürlich um die Konsequenzen, und da war die mehr oder weniger deutliche Tendenz "Klimaschutz ja - aber nicht so". Auf der Podiumsdiskussion warfen Ganteför und Sinn sich gegenseitig die Bälle zu, Ganteför nährte hier wieder die Wunschvorstellung von einer erlösenden Energie-Innovation, die auch auf der DPG-Tagung Thema war. Hans-Werner Sinn dominierte nicht nur das Podium (zumindest nach den Kommentaren der Zuschauer), er war auch der prominenteste Referent.

    In seinem Vortrag "6 Probleme der globalen Energiewende" sind die größten Nebelkerzen der Klimaschutz-Bremser zusammengefasst. (Den Vortrag hielt er im Übrigen nicht zum ersten mal, im Internet stolpere ich immer wieder über neue "Sinn"-Videos zum Thema, z.B. unten.)

    Zuerst präsentiert Sinn den Anteil des EE-Stroms an der Primärenergie - 12%, und dreht daraus eine Vollversorgung mit Erneuerbaren als Ding der Unmöglichkeit.


    Die Vorstellung, wir könnten mit dem Wind- und Solarzwackel da unten schnell so ausdehnen, dass wir den Rest aus Russland ersetzen, ist abwegig. [...] Wir haben so fürchterlich viel Kraft schon investiert insbesondere in diese Windanlagen - die deutschen Landschaften sind ja übersät mit diesen Windanlagen, dafür haben wir viele Jahre gebraucht. Ist ja überhaupt nicht vorstellbar, dass das in irgendeiner Weise gelingen kann. Man muss da gar nicht im einzelnen rechnen. Das geht nur über Propaganda-Medien, die können den Eindruck vermitteln.
    Hans-Werner Sinn

    Ein etliche Jahre alter Wert von 12% ist gegenüber den tatsächlichen 18% zwar noch kein Grund, von gravierender Desinformation zu sprechen. Man könnte ja sagen, dass Sinn nicht ganz auf der Höhe ist. Allerdings verschweigt Sinn die Tatsache, dass der Primärenergiebedarf nach der Energiewende deutlich kleiner ausfallen wird, denn dann werden massive Effizienzpotentiale genutzt (keine Wärmeverluste durch Verbrennungsmotoren und Kraftwerksturbinen, Wärmegewinne aus der Umwelt durch Wärmepumpen). Die bestehenden EE-Erzeugungskapazitäten stellen deshalb weit mehr als 12% eines künftigen Energiebedarfs dar. Kein Wort außerdem über die massiven Kostensenkungen der EE, bei PV und Akkus waren das 85% in den letzten zehn Jahren, oder die Potentiale des Repowering bei Windrädern. Keine andere Energiequelle ist derart günstig zu haben wie Erneuerbare, stellte schon 2020 die IEA fest.
    Stattdessen zeigt Sinn die Tagesgänge der EE-Leistungs-Werte eines ganzen Jahres: Natürlich sinkt die Leistung der PV-Anlagen nachts auf Null, was im Sommer aufgrund mangelnden Windes oft null Erzeugung bedeutet. Die vielen Zacken richtung Null sehen eng nebeneinander aus wie eine Wand, unter der die Ausbeute auf nahe Null zu schrumpfen scheint. Dass die Zacken am Tag entsprechend weit nach oben ausschlagen, darauf weist er nicht hin. In Zukunft werden Akkus und andere Kurzzeitspeicher die nächtlichen Dunkelflauten mit den hohen Solarerträgen des Tages ausgleichen. Von dieser Möglichkeit hat Sinn jedoch offenbar noch nie etwas gehört, und konstruiert neunmalklug einen Bedarf negativer Kraftwerksleistung mit Kohleproduktion als bekanntermaßenes Ding der Unmöglichkeit.
    Er zitiert dann jedoch ein kleines Detail aus einer Akatech-Studie, die sich mit Akkus beschäftigt - also ist ihm diese Technik doch nicht unbekannt. Laut Akatech sind Akkus als saisonale Speicher ungeeignet. Das ist jedoch keine nennenswerte Erkenntnis, denn niemand bestreitet diese Binsenweisheit. Alle seriösen Energiestudien der letzten zehn Jahre empfehlen als Saisonspeicher nämlich statt Akkus Wasserstoff oder Methan aus dem P2G-Verfahren, je nach Studie mehr oder weniger selbstproduziert, also ergänzt durch mehr oder weniger große Importmengen aus sonnenreichen Produktionsländern wie Saudi-Arabien oder Australien. Doch das verschweigt Sinn, stattdessen skizziert er ein Szenario, wie groß ein Saisonspeicher auf Akkubasis sein müsste - solche Kapazitäten hätten naturgemäß astronomische Ausmaße. Und dann zeigt er, dass die großen Lastspitzen für P2G-Elektrolyseure gar nicht geeignet sind. Dass hier wieder Kurzzeitspeicher geeignet sind, diese Schwankungen für die konstante Last der Elektrolyseure zu verteilen, verschweigt Sinn natürlich wieder.
    Sicher kann man Akkus als Saisonspeicher diskutieren, oder den Betrieb von Saisonspeichern ohne Kurzzeitspeicher - nur ist von vorne herein klar, dass da nur Unsinn herauskommen kann, denn diese Szenarien haben überhaupt nichts mit den Planungen der Energieforscher:innen zu tun. Solche sinnentstellenden, absurden Kombinationen von Details nennt man Cherry Picking, eine altbekannte Desinformations-Methode von Klimaskeptikern. Ein informiertes Publikum nimmt so etwas nicht ernst - die desinformierten Adressaten aber sehr wohl, man muss nur einmal die aufgeheizten Diskussionen in den Kommentarbereichen lesen.

    Eine Kernthese bei Sinn ist durchweg, dass Deutschlands Abschied von der Kernkraft keine Nachahmer fände, weil er nämlich unsinnig sei. Dass das aber v.a. für Atommächte zutrifft, und dass selbst die Profiteure der Kernkraft in Deutschland aus Kostengründen weiter am Ausstieg festhalten, verschweigt Sinn geflissentlich; genauso wie die Tatsache, dass 2021 60% des Urans aus Russland stammten.
    Zum Höhepunkt lässt Sinn seine Bombe platzen, mit der er sich als Redner auf einem seriösen öffentlichen Podium selbst disqualifiziert. Er erklärt die europäischen CO2-Emissions-Regeln für PKW, die eine stufenweise Dekarbonisierung des Verkehrssektors vorschreiben, zu einer antideutschen Verschwörung.


    Die deutsche Industrie ist durch diese Beschlüsse des Jahres 2018 herzkrank geworden. Natürlich kommen jetzt die Elekroautos, die sollen das ausgleichen, tun sie aber bislang nicht, denn Elektroautos können die anderen auch herstellen. [...] Die CO2-Verordnung der EU hat nichts mit Umweltzielen zu tun, es ist im Wesentlichen eine industriepolitische Maßnahme der EU, um 'mal die Verhältnisse ein bißchen zurechtzurücken in Europa.
    Hans-Werner Sinn

    Mit dieser Verschwörungserzählung, die EU wolle das industriepolitische Gewicht Deutschlands schmälern, gießt Sinn Öl ins Feuer der rechtspopulistischen Anti-Europa-Hetzer. Die Grünen hätten mit ihrer Naivität an dieser vermeintlichen Demontage Deutschlands durch missliebige EU-Partner mitgewirkt - das erinnert an die Dolchstoßlüge nach dem ersten Weltkrieg.
    Tatsächlich trägt die EU mit diesen Gesetzen dem Umstand Rechnung, dass weltweit viele wichtige Staaten ein Verkaufsverbot für Verbrenner datiert haben, und dass zu erwarten ist, dass immer mehr sich dem anschließen werden. Die Ölparty ist vorbei. Die EU schützt damit nicht nur das Klima, sie hilft den Herstellern damit, einen Wandel einzuleiten, der es ihnen ermöglicht, mit elektrischen Antrieben weiter auf dem Weltmarkt zu bleiben. Denn mit diesen Zielen lassen sich ja auch massive staatliche Investitionshilfen begründen. Das aktuelle Abgehängt-Sein der Verbrenner-Industrie ist v.a. zurückzuführen auf eine rückwärtsgewandte Industriepolitik, die maßgeblich durch Lobbyisten-Politiker der Verbrenner-Industrie (Wissmann, Von Klaeden & Co.) bestimmt, und bei den Bürger:innen von Diesel-Lügnern wie Köhler, Koch, Sinn und Buchal propagiert wurde.
    Bleibt zu erwähnen, dass Sinn zum Schluss wieder mit eben dieser oft widerlegten Diesel-Studie kommt, und der anderen alten Erzählung, dass deutscher Ölverzicht nur den Konsum durch andere Länder anheize, als gäbe es keine Option durch Klimazölle.
    [Verknüpfung]

    Sinns traditionelle Weihnachts-Vorlesung 2022 lautete "Schwarze Schwäne – Krieg, Inflation und ein energiepolitischer Scherbenhaufen". Nach einem Jahr Ampel-Koalition und den Verwerfungen des Ukraine-Kriegs ist diese Vorlesung ein wichtiges konservatives Agenda-Setting für das neue Jahr, das klimapolitisch entscheidend sein wird.
    In der Vorlesung spult Sinn v.a. sein Standard-Programm ab, wo er z.B. die Energiepreis-Inflation primär als Folge verfehlter Geldpolitik darstellt und die Deindustrialisierung Deutschlands durch die Energiewende an die Wand malt.
    Die Vorlesung wurde bei Youtube von verschiedenen Experten regelrecht auseinandergenommen. Das Finanzkapitel bespricht Maurice Höfgen. Er erklärt u.a., dass Deutschland die Inflation und Lohnsteigerungen der Hochlohn-EU-Staaten nachholt. Deutschland habe jahrelang Wettbewerbsvorteile durch Lohnzurückhaltung und niedrige Preise nutzen können. Sinn vertritt ordoliberale Positionen einer neoliberal-konservativen Austeritätspolitik, der die meisten modernen Ökonomen widersprechen.
    Youtube: [Verknüpfung]
    Das Energiewende-Kapitel besprechen der Energietechnik-Professor Stefan Krauter von der Universität Paderborn und der Ingenieur Patrick Sauter. Beide erklären die krassen handwerklichen und logischen Fehler, die Sinns Vorlesung als dreiste Propaganda der Fossillobby entlarven. Die meisten Punkte habe ich bereits oben besprochen, aber ich empfehle dennoch beide Videos.
    Patrick Sauter bei Youtube: [Verknüpfung]
    Prof. Stefan Krauter bei Youtube: [Verknüpfung]
    Nur am Rande gehen Sauter und Krauter auf Sinns krassen Klimarelativismus ein. Um zitieren zu können, habe ich mir das Zwei-Stunden-Video dann doch noch selbst vornehmen müssen - obwohl ich wusste, dass mir das mental nicht gut tut. Es hat sich dennoch gelohnt, denn ich stieß auf ein Höchstmaß an Überheblichkeit, und erstaunlich wissenschaftsfeindliche O-Töne mit extrem dreisten Verdrehungen:

    "[2045 -] das sind ja nur noch 23 Jahre. Ich weiß, was 23 Jahre sind. Wenn man 75 Jahre alt wird, wie ich im Frühjahr werde, dann ist das 'n Klacks. "Fupp" - ist das weg, das geht so schnell, man kann gar nich' so schnell gucken, und die Jahre sind verschwunden. Nie im Leben wird es auch nur annähernd möglich sein, dieses Programm zu realisieren. Wie kommt es, dass man solche Ziele setzt? Das ist ja schön, wenn man sich Ziele setzt, aber wenn die gar nicht realisiert werden können, was offenkundig ist. Ich rede ja nicht über Dinge, die man so oder so rechnen kann. Das is' offenkundig." [Atmet laut zischend durch die Zähne ein.] "Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht, es ist so bequem, über die lange Zukunft zu reden, und dann is' man selber nich' mehr an der Macht, und dann kann man sich auf die Brust klopfen "ich war jetz' grüner als ihr", und dann machen wir das mal irgendwie. Und die anderen müssen, die nachfolgenden Generationen müssen das dann umsetzen. Wie sollen sie das denn nur machen?"

    Mit solchen Behauptungen wurde die Energiewende zugunsten der fossilen Profiteure blockiert. Damals wäre es einfach gewesen. Nur jetzt werden etwas größere Opfer nötig, um die Blockade aufzulösen und die Klimawende zu beschleunigen. Das erklärt Sinn für unmöglich, obwohl praktisch alle Studien der namhaftesten Autor:innen Sinn widersprechen.
    Und dann stellt er das Verfassungsgerichts-Urteil zum Klimaschutz in Frage. Man müsse sich Gedanken machen, wie damit umzugehen sei:


    Da muss doch dann mal irgendwie dann das Erwachen kommen und [man muss] sagen, was ist denn mit unserem Gericht? [...] Echte Frage, was passieren wird, an die Juristen auch. Wie kriegen die die Kurve, um sich mit der Realität wieder in Übereinstimmung zu befinden?
    Hans-Werner Sinn

    Anschließend macht Sinn sich lustig über das Urteil.
    Kein CDU-Vorstand würde sich 2022 erlauben, das oberste Gericht und damit die dritte Staatsgewalt so in Frage zu stellen. Die AfD schon. Das Wort "Erwachen" hat in diesem Zusammenhang eine üble Konnotation aus dem Rechtsextremismus. Dann kommt Sinn auf die CO2-Budgets zu sprechen.

    Es hat ja alles letztlich mit dem Klimaproblem zu tun. Wir wollen die große Energiewende, und Putin kommt jetzt mit seinen Abschaltungen noch dazu. Das Klimaproblem ist eine Geißel der Menschheit."

    Die Energiewende wollte Sinn auch vor Putins Krieg nicht, sondern nur einen Ausbau des Atomstroms (siehe oben).
    Sinns Lamento spiegelt sein problematisches Weltbild: als bräche die Krise über uns herein wie eine natürliche Gegebenheit; die Erde kann sich gegen diese Täter-Opfer-Umkehr nicht einmal wehren. In Wirklichkeit ist die Menschheit die Geißel der Erde, denn sie verursacht den Ökozid, u.a. eine Klimakatastrophe.

    "Ich darf mal 'ne persönliche Bemerkung anfügen. Ich bin jetzt 20 Jahre lang am Unterrichten in Volkswirtschafts..., eh, 50 Jahre lang dabei, Volkswirtschaftslehre zu unterrichten. In '72 habe ich das Examen gemacht, dann war ich Assistent und fing dann an. Ja, und Umweltpolitik gehörte immer dazu, damals schon. Und ich kam dann nach Mannheim '74 und da war Horst Siebert der große Umweltökonom. Bei dem hab' ich viel gelernt und da haben wir nichts als Umweltpolitik gemacht, und insgesamt Ressourcenpolitik. Unter dem Einfluss des Club of Rome hatte man sich mit der Erschöpfbarkeit der natürlichen Ressourcen beschäftigt und theoretische Modelle gemacht und das vor und zurück und in alle Richtungen diskutiert. Klima war noch nicht das Thema damals [zumindest nicht in den Simulationen, dafür hatte man noch kein Modell erstellt, Anmerkung des Autors]. Das Klimathema tauchte dann auf in den '90er Jahren, ich persönlich hab' mich erstmals beschäftigt dann und die erste größere Arbeit zum Klimaproblem hab' ich 2007 geschrieben, die wissenschaftliche Arbeit und dann 2008 mein Buch geschrieben "das grüne Paradoxon", auch zum Klima. Da wird die gleiche Position bezogen wie sie Greta hat. Insofern kann ich nur sagen "willkommen im Club", nich'. Greta is' 2003 geboren worden, das war also, da war sie fünf Jahre alt."

    "Schau mal Greta, ich hätte Dir das schon erklären können, als Du noch fünf warst! Aber dafür warst Du ja noch zu klein." Diese harmonische Resonanz über die Generationen hinweg!
    Wirklich? Sauter zitiert aus dem Abstract zu Sinns Buch: "Die grüne Umweltpolitik ist voller Paradoxien: Windräder verschandeln unsere Landschaft. Klimaschonende Atomkraftwerke werden abgeschaltet, der Biosprit in unseren Autos verursacht Hunger in armen Ländern. Alle nationalen Maßnahmen von Ökosteuer bis zur staatlichen Förderung grüner Energien gehen auf Kosten der Steuerzahler. Doch all das kann den Klimawandel nicht stoppen, sondern wird ihn sogar beschleunigen."
    Greta würde vehement widersprechen, bis auf den Biosprit, der von den Grünen nur als Übergangslösung für einen drastisch minimierten Individualverkehr gedacht war, von Merkel als Massenprodukt aus allen möglichen Quellen legalisiert wurde, und der dank der Energiewende jetzt auch nicht mehr nötig ist; und bis auf Atomkraft.
    Sinn betreibt die gleiche Geschichtsklitterung wie die CDU. Mit seinem triefenden Paternalismus versucht er plump, auf das Trittbrett der Sympathien zur Schüler-Bewegung zu steigen.

    "Ich begrüße das, dass junge Leute sich dieser Sache annehmen. Denn ich hatte immer befürchtet, dass da eine riesengroße Externalität die Welt erwischt, ohne dass die Menschheit in der Lage ist, da in irgendeiner Weise vorzugehen. Und dann war der Versuch, durch rationalen Diskurs die Menschen darauf aufmerksam zu machen. Ich muss aber gestehen, der bloße Diskurs hat gar nichts Richtiges bewirkt. Was 'was bewirkt hat, war die Emotionalisierung durch die Kampagnen, die gemacht wurden und Fridays for Future hat es eben geschafft, das Thema zu emotionalisieren, und ich bin inzwischen zu der Auffassung gekommen, dass nachhaltige Veränderungen in der Wirtschaftspolitik überhaupt nur über Emotionalisierungswellen herbeigeführt werden können und nicht etwa durch den gelehrten Diskurs zwischen Clemens [Fuest] und mir."

    Ja, die weisen Experten unter sich im Elfenbeinturm können viele gute Gedanken produzieren - aber den Bewegungen der Massen können sie von oben nur machtlos zuschauen. Gott sei Dank gibt es Fridays for Future, die sind ja so vernünftig.
    Im Ernst? Fridays for Future haben sich gegen alle Widerstände im zivilgesellschaftlichen Diskurs durchgesetzt. Wenn Sinn sich im Nachhinein auf die Seite der Gewinner stellt, ist das allzu billig, denn damals kämpfte er auf der anderen Seite.
    [Verknüpfung]
    Und es bedeutet noch lange nicht, dass er die entsprechenden Konsequenzen zieht, im Gegenteil.
    Sinn spricht heute - wie die meisten Konservativen - auch deshalb wohlwollend über die friedlichen Schüler-Klimaproteste, um jetzt gegen die radikaleren Aktivisti von Extinction Rebellion und Last Generationumso härter austeilen zu können.

    "Trotzdem, wir sind hier in der Universität München und nicht irgendwo auf dem Marktplatz. Und wir müssen die Regeln des [...] rationalen Diskurses einhalten. Und so nützlich Fridays for Future im Grundansatz ist, so problematisch ist es dann doch in den Auswüchsen, weil man dann doch den kühlen Kopf vermisst. Es ist eine übersteigerte Bewegung geworden wo man Realität und Fiktion nicht mehr so ganz auseinanderhält. Und Leute sich ankleben lassen auf der Straße mit der Befürchtung, dass in drei Jahren die Welt verpufft, wenn wir jetz' nicht den CO2-Ausstoß reduzieren, das ist natürlich ein absoluter Unsinn. Diese Prozesse gehen über viele, viele Jahrzehnte und Jahrhunderte, es ist eine gewaltige Aufgabe der Menschheit, aber nicht etwas, was mit zwei, drei, vier oder auch 20, 30, 40 Jahren zu tun is'."


    Youtube: [Verknüpfung] bei 52:24

    Dass Sinn unterschiedliche Klimaschutz-Bewegungen in einen Topf wirft, geschenkt. Doch jetzt sagt er klar, warum es für ihn in Ordnung ist, die Energiewende zu blockieren: weil er die Warnungen der Wissenschaft nicht im Entferntesten akzeptiert, er leugnet sie.
    Dabei hat er schon recht mit den Jahrhunderten. Die globale Erwärmung ist jedoch nicht erst seit den 90ern, sondern schon 100 Jahre länger nachgewiesen, und die Ursache ist noch länger bekannt. Journalistisch gewarnt wurde ab 1912, wissenschaftlich gewarnt wurde ab 1957 (eigentlich schon 1856, was aber ignoriert wurde), Alarm war in den USA bereits 1965. Anstatt gegenzusteuern, hat man bis heute immer mehr CO2 emittiert. Sinn ist mit seinen Bekenntnissen zum Klimaschutz etwa 100 Jahre zu spät.
    Insofern entspricht es seiner ganz eigenen Rationalität, wenn er auch die Existenz von CO2-Budgets einfach leugnet, womit er indirekt die die Abschaffung der Emissionsziele fordert. Und das ist aber dann schon AfD-konform, das traut sich im Jahr 2022 kein Vorstandsmitglied der CDU.

    "Gibt's überhaupt ein Kohlenstoff-Budget? Da haben wir uns alle d'ran gewöhnt. Ich war anfangs nicht so öffentlich dagegen, aber jetzt sage ich es einmal in aller Deutlichkeit: das gibt es nicht.
    Die Idee, dass da ne feste Menge an Kohlenstoff nur zu verwenden ist, weil wir ein 1,5-Grad-Ziel haben und weil dann die Erde verpufft, wenn man darüber hinaus geht, ist einfach Quark. Es stimmt so nicht, das sind gegriffene Zahlen. Ich hab' mich wirklich Jahrzehnte mit dem Thema beschäftigt, ich weiß, dass das so nicht stimmt. Das sind gegriffene politische Zahlen, und die werden so dargestellt, als seien es naturwissenschaftliche Wahrheiten.
    Ich weiß, die Idee kommt von Potsdam, da is' mein ehemaliger Student, Ottmar Edenhofer, den ich unheimlich schätze, der Großes geleistet hat. Der hat das immer propagiert, und ich hab' gesagt: "Nein, das kann so nich' sein, wir müssen intertemporale Effizienz realisieren und das heißt wir müssen langsam weniger nehmen, aber wir dürfen doch nicht sagen "irgendwann ist Schluss" und dann ist es ein festes Budget. Das folgt überhaupt nicht aus der Theorie, lässt sich gar nicht herleiten.
    Naja, da wir das gleiche Ziel hatten mit dem Ausstieg zu beginnen, war das anfangs nich' so'n großer Unterschied. Aber die Zeit rückt voran, und heute ist das'n riesen Unterschied, ob ich sage "2045 ist wirklich Schluss" oder es geht allmählich so 'runter im Laufe der Zeit. Das is' ein Unterschied, und dieser Unterschied wird immer deutlicher, je näher wir uns dieser magischen Zahl von 2045 nähern.

    Na, na! Da ist wohl der eigene Musterschüler etwas zu weit gegangen in seinem Höhenflug! Und er geht immer weiter, jetzt ist aber Schluss!
    Tatsächlich wird das Budget nicht nur vertreten von einem verirrten Sinn-Schüler, der jetzt das PIK leitet, sondern vom gesamten IPCC. Und damit ist das die Lehrmeinung der Klimaforschung.
    Und wieder dieser Paternalismus, dieses Mal gegen seinen ehemaligen Schüler Prof. Dr. Ottmar Edenhofer. Ko-Vorsitzender der Arbeitsgruppe III des IPCC 2008-2015, Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina, der Akademie der Wissenschaften in Hamburg, der Green Growth Knowledge Platform (Gemeinschaftsprojekt des Global Green Growth Institute, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung OECD, Umweltprogramm der Vereinten Nationen UNEP und der Weltbank, Mitglied der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech.
    [Wikipedia 2023 - Ottmar Edenhofer]

    "Ich habe selbst publiziert zur Solow-Stiglitz-Effizienzbedingung, die 1974 veröffentlicht wurde, das ist eine intertemporale Pareto-Bedingung über die gesellschaftlich optimale Struktur zwischen den Vermögen auf der Erde und unter der Erde, welches wir unseren Kindern vermachen. Unter der Erde die Bodenschätze, das Öl, auf der Erde halt die Häuser, die Maschinen usw., und dann noch der Schmutz in der Luft [...], das hab' ich dann hinzugefügt zu der Solow-Stiglitz-Effizienzbedingung und hab' sie ein bißchen modifiziert, um das noch zu berücksichtigen."

    "Vermögen [...] welches wir unseren Kindern vermachen." Let that sink in. Einerseits kann man die prekäre Besteuerung großer Erbschaften dagegenhalten, andererseits die Klimakrise, die unseren Kindern die Welt zerstören, und damit das Leben versauern und womöglich auch kosten wird. Da fällt mir wieder Alanis Obomsawins Kampagnen-Spruch ein: "... erst dann werdet ihr sehen, dass man Geld nicht essen kann".
    Aber gut, was kam denn heraus, als Sinn der Solow-Stiglitz-Effizienzbedingung von 1974 noch "ein bißchen Schmutz in der Luft" hinzugefügt hat?

    "Da kommt aber eben nicht heraus, dass es ein Kohlenstoffbudget gibt, gibt es nich'. Sondern es gibt nur eine Verlangsamung der Extraktion, so dass man insgesamt weniger schnell die Erderwärmung hat, aber eine feste Grenze gibt es nicht."
    "Es gibt auch keine Temperatur, wo man sagen kann "jetzt explodiert die Erde, dann verpufft sie" oder so, dazu war sie viel zu heiß in der Geschichte, mehrfach, ohne zu verpuffen, das sind alles stabile Gleichgewichte."

    Zunächst zu der unglaublichen Anmaßung dieses Mannes: Eine einzige Arbeit eines einzigen deutschen Ökonomen soll das komplette IPCC-Konzept vom CO2-Budget kippen? Die Autorenteams des IPCC umfassen zig Autoren, die die besten ihres Fachs sind, und werten Tausende von Arbeiten aus.
    Aber auch rein sachlich: Das Prädikat "Unsinn" reicht hier nicht mehr. Was für ein Irrsinn.
    "Alles stabile Gleichgewichte" - soll das heißen, "alles safe", die Erde hält die Erhitzung schon aus? Klar, die Erde schon. Aber nicht die Ökosysteme, die die Produktion der Nahrung von 10 Milliarden Menschen ermöglichen.
    "Verpuffen" [lol, sorry] - das ist eine völlig absurde Übertreibung der aktuellen Lehrmeinung. Was für eine unglaubliche Unterstellung, das würde irgend jemensch behaupten?
    Was ist, wenn nun die Klima-Physik sich einfach nicht an Sinns wirtschaftswissenschaftliche Modelle halten will?

    "Wir wollen ein schönes Gleichgewicht, wir wollen nicht dieses heiße Gleichgewicht, welches passieren kann. Man muss bremsen, gar keine Frage. Aber jetzt ist es wieder die Frage von Maß und Mitte, daran darf ich erinnern. Nicht die absolute Frage, wir sind alle für diese Politik, grundsätzlich bin ich für die grüne Energie, wir müssen in diese Richtung gehen, das ist wirklich keine Frage. Aber wir müssen es abwägen. Die Verhältnismäßigkeit muss gewährleistet sein."

    Also doch nicht "alles safe"? Ein bißchen Vorsorge muss schon sein, damit wir ein "schönes Gleichgewicht" haben?
    Das illustre Publikum nimmt all diese wirren Wendungen mit stoischem Blick zur Kenntnis: viele Student:innen und auch zahlende Münchener Bürger:innen, darunter sicher etliche Honoratioren, inklusive Sinns Nachfolger Clemens Fuest, ebenfalls häufiger Talkshow-Gast. Das Ambiente und die Gesichter erinnern mich an eine Predigt in einem Gottesdienst, nur darf diese nicht länger als zehn Minuten dauern.
    Wenn der Vortrag bis dahin schon eine intellektuelle Beleidigung war, dann kommt jetzt eine wirklich schallende Ohrfeige.

    "Is'n schwieriges Thema, eignet sich nicht so ohne Weiteres für die öffentliche Kommunikation, aber man kommt nicht d'rum herum. Und ich könnte einen eigenen Vortrag, das hatte ich schon erwogen, speziell zu diesem Thema des Kohlenstoffbudgets halten und da habe ich mit Clemens Fuest dann nochmal gesprochen, es wäre für eine solche öffentliche Vorlesung zu schwierig. Weil dann doch 'ne Menge Mathematik usw., eh, bis man, das kann man, kann man da nich' bringen. Es gibt eben auch ein paar Wahrheiten, die einfach, eh, mehr, eh, im engeren Kreis zu diskutieren sind."

    Die Solow-Stiglitz-Effizienzbedingung von 1974, die kann Sinn den Zuhörer:innen zumuten. Freundlicherweise hat er es dabei belassen, dass es sich um eine intertemporale Pareto-Bedingung handelt. Die IPCC-Berichte dagegen sind intellektuell absolut barrierefrei und in mundgerechten Häppchen zusammengefasst, und alle reden darüber: Dass etwa 2070 über 3 Milliarden Menschen ihr Zuhause verlassen müssen, weil sie dort nicht werden überleben können.
    Diese Prognosen sind wohl seines Wissens nach falsch, aber warum? Dieses Herrschaftswissen behält er für sich, und er macht daraus gar kein Hehl. Das ist Paternalismus Nummer drei. Sein Klimaskeptiker-Kollege Gerd Ganteför hätte ihm sicher gerne einen weiteren Zwei-Stunden-Vortrag geschrieben. Nur das wäre womöglich ein Skandal für das ifo-Institut gewesen.

    Er hat etwas anderes gemeint, aber hier fällt mir spontan die Begründung des damaligen Geheimdienst-Chefs Thomas de Maiziere ein, warum er sein Wissen zurückhält: "Ein Teil dieser Antworten könnte die Bevölkerung verunsichern."
    [Verknüpfung]
    Genau das bewirkt Sinns Klimaskeptiker-Sprech: Unsicherheit, Zweifel säen. Hier noch paternalistisch verschwurbelt: "Ihr kapiert's nicht, das ist too much. Am Ende dreht man uns noch die Zahlen im Mund herum."
    Die Kommentare auf der Youtube-Seite sind jedenfalls deaktiviert.


    Youtube: [Verknüpfung] ab 1:33:32

    Clemens Fuest, der wie mehrfach betont zu Sinns erwähltem Kreis des Vertrauens zählt, widerspricht nicht.
    "Wir wollen ein schönes Gleichgewicht" - Sinn sagt es selbst: er äußert hier reines Wunschdenken. Sinn verteidigt die fossilen Privilegien und stellt sich damit gegen jede klimawissenschaftliche Lehrmeinung.


    Wir helfen ja nicht den armen Afrikanern, deren Erde verglüht durch den Klimawandel, indem wir da auf die Verbrenner verzichten, sondern wir subventionieren die Chinesen, indem sie eben das Erdöl noch viel billiger kriegen und einen noch intensiveren, CO2-intensiven Aufschwung finanzieren können, und all den anderen.
    Hans-Werner Sinn

    Dass der neoliberale Geist der Gier aus der Flasche ist, hat er begriffen. Aber lieber konserviert er die fossilen Privilegien, anstatt über ein gerechtes System nachzudenken, das nur da geplant und umgesetzt werden kann, wo (noch) wirksames Geld ist.
    Er schlägt auch die Warnungen der Geheimdienste, die sich auf die Expertise unzähliger Historiker, Ökonomen und Soziologen berufen in den Wind, und befördert damit den internationalen Klimafaschismus.
    Mit "Maß und Mitte" lässt sich das Problem nicht mehr lösen, weil Merkel und andere auf Leute wie ihn gehört haben. Jetzt helfen nur noch radikalere Maßnahmen.



    Wenn Hans-Werner Sinn die Autorität des verfassungsgemäß legitimierten Bundesverfassungsgerichts angreift, begeht er eine gefährliche Grenzüberschreitung, die man bisher mit großer Sorge als abschreckendes Beispiel in den USA beobachten konnte. Weil er es mit seinen abfälligen Bemerkungen über das Bundesverfassungsgericht und seinen ehemaligen Schüler Prof. Edenhofer nicht besser verdient hat, sei mir diese kleine Bosheit erlaubt. Wie ein genervter Schüler habe ich (neben Bullshit-Bingo) gezählt, wie oft er "Zwackel" sagt. Zum Mitzählen hier ein kurzer Zusammenschnitt.

    Dann erinnerte ich mich, woher ich dieses deutsche Mundart-Wort kannte: aus dem Kinderbuch "der Räuber Hotzenplotz" von Otfried Preußler. Eine kurze Bildersuche später war mir klar, dass das Staufenberger Puppentheater ganz offensichtlich den Zahlenzauberer Hans-Werner Sinn als Inspiration für die Puppe seines bösen Zauberers Petrosilius Zwackelmann genommen hat.


    Suche die Unterschiede! Links der Staufenberger Zwackelmann - rechts der echte.
    [Verknüpfung] (Stand April 2023)

    Wer sich keine zwei Stunden des patriarchalen Unsinns antun möchte, hier ein Viertelstunden-Aufreger: "Die Wahrheit - DIESEL ist sauberer als ELEKTRO-AUTO."
    [Verknüpfung]
    Im Herbst 2023 stimmt Sinn schließlich ein in die Panikmache von AfD und CDU: Deutschland werde wegen der Energiewende im Elend enden. Dabei sind bereits 80% der neuen Stromerzeugungs-Kapazitäten weltweit erneuerbar, was er natürlich verschweigt. Der Titel aus der Video-Reihe mission money lautet: "Hans-Werner Sinn: Wir machen Wirtschaft und Wohlstand kaputt. Dieser Weg ist verwegen und absurd". Das Standbild zeigt Hans-Werner Sinn in theatralischer Pose, wie er den Blick senkt, den Kopf mit gespreizter Hand abgestützt; dazu im Fettdruck die Einblendung: "Es wird Elend entstehen!"
    Die Behauptungen im Video sind vermutlich zum Großteil altbekannt, und längst zigfach widerlegt. Das habe ich allerdings nicht nachgeprüft.
    mission money auf Youtube: [Verknüpfung]

    Zu dem Grantler-Club ist mittlerweile eine Frau getreten. Prof. Dr. Lamia Messari-Becker propagierte zusammen mit Jens Spahn bei Anne Will am 26.03. die Technologieoffenheit in der Heizungsfrage, und dann bei Markus Lanz am 31.01.. Ihre Zitate aus Anne Will sind Lehrbeispiele für Populismus:


    "Wir brauchen Optionen! Ich kann nicht Gebäude, Industrie und Verkehr mit Strom versorgen. Da brauchen wir das Zehnfache! [...] Die Technologieoffenheit ist das, was dieses Land auszeichnet. Ohne sie hätten wir niemals eine Photovoltaik, Windkraftanlage oder Wärmepumpe entwickelt. Deshalb sind wir mit nur 83 Millionen Menschen die viert- oder fünftstärkste Nation der Welt, im Vergleich mit China mit 1,3 Milliarden! [...] Wir drücken die Ziele durch einen Flaschenhals. [...] Einen Flaschenhals, der uns umbringt. [...] Es wird am Ende sehr, sehr teuer und sehr hart.
    Lamia Messari-Becker

    BILD titelt "Anne Will: Ingenieurin rechnet mit Habecks Klima-Politik ab".
    Abgesehen von der ubiquitären Sinnschen Lüge von der Primärenergie. Am widersprüchlichsten ist das Framing, man dürfe niemanden finanziell überfordern.
    Denn was sie und Spahn in die Diskussion einwarfen, war eine Wasserstoff-Insellösung, also die autarke Wasserstoffproduktion, -Speicherung und -Verstromung in den Privathaushalten. Das ist eine extreme High-Tech-Lösung, die sich absehbare Zeit nur reiche Haushalte mit sehr großer PV-Fläche leisten können. Also eher nichts für die vielen Benachteiligten, die auch sonst bei jeder Gelegenheit instrumentalisiert werden. Bei denen aber nur ankommt, Wasserstoff sei die billige Lösung, die die Grünen ihnen vorenthalten wollten. Sonst würde dieser Sturm im Wasserglas keine derartige Diskussion auslösen.
    [Verknüpfung]
    Auch wenn die Preise von Wärmepumpen zur Zeit astronomisch erscheinen und üble Preisabsprachen nahelegen: tatsächlich gibt es derzeit keine einzige umweltverträgliche, klimaneutrale, und vor allem massentaugliche Alternative dazu, nur Übergangslösungen als Hybrid mit einer anderen Heizung für Haushalte, bei denen Wärmepumpen bei tiefen Temperaturen nicht ausreichen. Bei geringem Wärmebedarf kann man solche Hybrid-Anlagen perspektivisch noch eine Zeitlang mit E-Fuel weiterbetreiben. Bei hohem Verbrauch kommt man um die energetische Gebäudesanierung aber nicht herum, die von CDU-geführten Regierungen jahrzehntelang nur mit angezogener Handbremse gefördert wurde.
    Messari-Beckers Verweis auf die Wasserstoff-Heimspeicher entpuppt sich als klassisches Ablenkungs-Thema, die der Blockade von Wärmepumpen und der Diskreditierung der Grünen dient.
    Intensiv begleitet wird die Kampagne von Roland Tichy, der auf all seinen Kanälen von "Zwangssanierung" und "kalter Enteignung" spricht.
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    Bei Markus Lanz hatte Messari-Becker schon 2022 vor dem Blackout gewarnt, ein anderes Energiewende-Blockade-Thema, das schon Hans-Werner Sinn populär gemacht hat.
    Tichy hatte Messari-Beckers Demission aus dem Sachverständigenrat für Umweltfragen kritisiert. Tichy gehört zum rechtspopulistischen Medien-Netzwerk von Michael Fuchs (CDU), der auch das Comeback von Julian Reichelt orchestrierte. Beide haben auch das intensive Grünen-Bashing gemeinsam.
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    Warum die Energiewende-Grantler trotz vielfacher Widerlegungen ihrer Behauptungen weiter in der ersten Reihe auftreten können, irritiert mich jedesmal. Aber hier gilt wie bisher in der Klimadebatte die Vorhersage von Dennis Meadows: Den Bremsern von Klimaschutz fällt immer eine neue Kontroverse ein. Viel zu viele stoßen sich nicht im Mindesten daran, dass die Aussagen dieser Leute bisher alle von der Realität überholt worden sind, und machen sich deren Propaganda wieder und wieder zu eigen.
    Wie gesagt: "Die dümmsten Kälber wählen den Metzger selber."




    Der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium Thomas Bareiß (CDU) betont in der Umweltdiskussion lieber das Positive.


    Unsere Flüsse und Seen sind [...] mit die saubersten weltweit. Die Luft in den Städten ist im Vergleich der letzte[n] 150 Jahre noch nie so rein gewesen wie heute. Wir [l]eisten uns [einen] hohen Schutz der Natur, Umwelt, Tiere, Artenvielfalt [und des] Klima[s]. Das [P]ositive kann man auch mal sagen.
    Thomas Bareiß

    Bareiß stellt Umweltschutz als Unkostenfaktor dar, und er entwirft ein Bild reiner Natur, kein Wort von ökologischer Krise. Was sagt die Wissenschaft dazu?

    Meine Professoren für Ökologie Kirchner und Patzke beklagten die Ignoranz von Menschen, die z.B. sagen: "Draußen in der Natur ist es doch überall grün." Tatsächlich herrschen bei uns - abgesehen von oft viel zu kleinen Schutzgebieten - weitestgehend artenarme Biotope vor, die alle mit Schadstoffen aus Industrie, Landwirtschaft und Siedlungen mehr oder weniger stark belastet sind. Deren Emissionen sind zwar mitunter streng reguliert, aber für einen Erhalt artenreicher Ökosysteme bei Weitem nicht genug. Denn das Grenzwert-Prinzip wird wirkungslos, wenn die Immission in großen Volumenströmen und über lange Zeiträume geschieht; und wenn die Grenzwerte nicht das Zusammenwirken des realen Cocktails berücksichtigen, sondern nur jeden Schadstoff für sich. Und bei der Landnutzung durch Siedlungs- und industrielle Landwirtschaft spielten wertvolle Biotope lange eine untergeordnete Rolle, und oft bleibt es beim Ausweisen viel zu kleiner Ausgleichsflächen, wo eine Umsiedlung der gesamten Lebensgemeinschaft gar nicht funktionieren kann. Das größte Problem ist jedoch mittlerweile die Fragmentierung der biodiversen Ökosysteme in viel zu kleine Flächen, die eine Wanderung bzw. Ausbreitung von Arten zu benachbarten Lebensräumen über die vielen Straßen, Siedlungs- und Agrarwüsten unmöglich macht. Hinzu kommt die verheerende Flut von Mineraldünger und Kot aus Tiermast mit Importfutter. Von Natur kann man fast nirgendwo sprechen, selbst Schutzgebiete sind oft Kulturlandschaften.
    Die sichtbaren Umweltverschmutzungen wie Rauchschwaden und Müllkippen sind zwar verschwunden - die vielfältigen Umweltbelastungen mit Gasen, wasser- und fettlöslichen Substanzen und Mikro- bis Nano-Partikeln sind unsichtbar. Alles, was die Illusion von ökologisch unbedenklichem Wasser und sauberer Luft trübt, wird geklärt oder gefiltert.
    Und für die Emissionen gibt es Strategien: nach der Verdünnung wurde die Abbaubarkeit von Problemstoffen entdeckt. Leider gibt man sich oft genug damit zufrieden, dass unter definierten Testbedingungen eine bestimmte Abbaurate eingehalten wird. Die Abbauprodukte dieses Prozesses werden nicht immer weiter betrachtet, selbst wenn sie potentiell gefährlich sind.

    Die EU-Kommission droht mit mehreren Klagen vor dem EuGH wegen deutschen Verstößen gegen EU-Regeln im Naturschutz.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Im Herbst 2020 setzt Agrarministerin Klöckner für sieben weitere Jahre eine Reform der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik durch (CAP 2020), die immer noch 75% der seit Jahrzehnten kritisierten reinen Flächenförderung erlaubt - mit Übergangsfristen bis 2022, bis dahin ändert sich also nichts.
    Mit dem "Insektenschutzgesetz" wurde ein Verbot von Gyphosat gefeiert - dabei läuft die Zulassung regulär aus und das Verfahren zur Verlängerung der Zulassung läuft wie eh und je weiter. Auch das EU-weite Neonicotinoid-Verbot aus 2018 ficht Klöckner nicht an; sie umgeht es z.B. mit einer deutschen Ausnahmeregelung zunächst für den Zuckerrübenanbau im Dezember 2020.
    DUH-Pressemeldung: [Verknüpfung]
    Papier als Pdf-Datei: [Verknüpfung]

    Während in der Landwirtschaft noch die Agrarindustrie-Lobby die Politik dominiert, bekommen immerhin in den Staatsforsten (Anteil 29%) zunehmend wissenschaftliche Erkenntnisse Vorzug vor dem Diktat des Profits. Von der Nutzholz-Monokultur-Plantage wandeln sich immer mehr Wälder hin zur artenreichen Naturverjüngung. Das dient auch ihrer Widerstandsfähigkeit im Klimawandel. Wald ist ein besonders deutlicher Anzeiger von Klimawandel, weil die Individuen der langlebigen Arten (sprich Bäume) im Alter ganz anderen Bedingungen ausgesetzt sind als in ihrer Aufwuchsphase.

    Die Aufregung bei uns ist groß, wenn wieder etwas sichtbar wird, das eigentlich unsichtbar bleiben soll. In einem Abwasser-Klärwerk funktionierte die Filterung grober Kunststoff-Partikel nicht.
    [Verknüpfung]
    Dabei sind die Partikel, die im Normalbetrieb den Rechen passieren, viel problematischer, weil sie ubiquitär werden - also Wind und Wasser in der ganzen Biosphäre verteilt werden. Kunststoff findet man (als Partikel) wirklich überall, genau wie DDT und andere Schadstoffe.
    [Verknüpfung]

    Es wäre sicher hochinteressant, einmal im Nachhinein die Verlautbarungen aus dem Verkehrs-, Wirtschafts- bzw. Landwirtschaftsministerium zu untersuchen, als die ersten Diskussionen zu folgenden Themen aufkamen:

    • Asbest
    • Lindan
    • Blei-Verbindungen wie Tetraethylblei
    • Chrom(VI)-Verbindungen
    • Quecksilbersalze in Abwässern
    • FCKW
    • Schwefel in fossilen Brennstoffen
    • PCB
    • etc., etc., etc..
    Interessant deshalb, weil diese Diskussionen abgeschlossen sind und die Substanzen strengen Gesetzen unterliegen.
    Die Diskussion der folgenden Themen dagegen ist noch offen:

    Die Umweltgesetzgebung, die in den 70er Jahren begonnen hat, führte zur Abwanderung vieler Industrien. Freihandelsabkommen haben diese Tendenz unterstützt, indem sie ökologisch begründete Schutzzölle verhindern und sogar per Schiedsgerichten Landesgesetze für Umwelt- und Arbeitsschutz aushebeln. Ein Teil der Biosphären-Vernichtung fand und findet deshalb einfach anderswo statt. Stattdessen hätte man internationale Vereinbarungen und Handelsbeschränkungen beschließen können, wie es z.B. bei FCKW und PCB geschehen ist. Die Gesetzgebung zu Lieferketten wurde jahrzehntelang verschleppt.
    Auch der Hausmüll, dessen Verschmutzungsproblem in den 70er Jahren noch zum wachsenden Umweltbewusstsein beitrug, verschwindet seit Jahren entweder in der Verbrennung (deren Aschen Sondermüll sind) oder im Ausland. Eine Pflicht zu Pfandsystemen oder wenigstens werkstoff-recyclingfähigen Verpackungen würde zwar die unternehmerische Freiheit gewissenloser Profite beschränken - die Regierung will diese Beschränkungen jedoch nicht vertreten, und deshalb mutet sie unserer Biosphäre immer noch solche völlig unnötigen Belastungen zu. Und der Kunde soll denken "wieder einmal ein bißchen Welt gerettet."

    Nach ihrer Selbstdarstellung der Bundesregierung müsste Deutschland auf einem guten Weg in die Nachhaltigkeit sein. Dazu hat sie eine eigene Informationsseite im Internet veröffentlicht: "Ziele nachhaltiger Entwicklung - Nachhaltig produzieren und konsumieren". Hier findet man so klangvolle Programme wie "Initiative Zu gut für die Tonne!", "Bundesprogramm Ökologischer Landbau und andere Formen nachhaltiger Landwirtschaft (BÖLN)", oder "Forum Nachhaltiger Kakao". Doch samt und sonders werden diese Programme von NGOs leider als mutlos, halbherzig und völlig unzureichend beurteilt.
    Besonders bemerkenswert an der Seite ist das Erste Kapitel. Hier wird im ersten Satz die Verantwortung des globalen Verbrauchers betont: "Die Verbraucherinnen und Verbraucher in Industrie- und Schwellenländern bestimmen durch ihr Einkaufsverhalten im Wesentlichen die Wertschöpfungs- und Lieferketten und damit die ökonomischen, sozialen und ökologischen Verhältnisse weltweit." Im Umkehrschluss bedeutet dies den Offenbarungseid der Ordnungspolitik. Laissez-faire, Hauptsache der Konsum wächst immer weiter, Zukunft: egal. Der Hinweis auf die Schwellenländer muss sein, damit man en passant darauf hingewiesen wird, welchen rein zahlenmäßigen Anteil der Deutsche an der globalen Ökokrise hat. Die Situation ist bei uns nicht gut, nur weil wir im Vergleich zu anderen Ländern besser dastehen. Zumal das die Länder sind, in die wir einen Großteil unserer Umweltverschmutzung in den letzten 40 Jahren aus Profit- und Akzeptanzgründen exportiert haben.
    Solche Ankündigungen und Aufforderungen zur Änderung des Verbraucherverhaltens höre ich seit meiner Kindheit in den 70er Jahren. In den 80ern schwappte die Umweltbewegung mit der Friedensbewegung nach Deutschland und zeigte erste Erfolge (Rauchgasentschwefelung, Katalysator, bleifreies Benzin, Recyclingpapier, Trend zur Mehrwegverpackung, Verbannung von Chlor und Phosphat, Plastiktütenbann, Energiesparen). Das änderte sich aber sehr bald mit der geistig-moralischen Wende zum Neoliberalismus mit der Betonung von Freiheit und Eigenverantwortung, begleitet von einer Entpolitisierung der Medien durch das Privatfernsehen. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung dachten viele, sie täten mit einem Benziner-SUV der neuesten Abgasnorm etwas für die Umwelt - dabei waren die CO2-Emissionen für die Abgasnormen völlig irrelevant.
    [Bundesregierung 2019-2]

    Für Umweltverbände ist Bareiß' Tweet blanker Hohn. Was wir uns tatsächlich leisten, ist die Vernichtung unserer eigenen Lebensgrundlagen, und zwar für ein Massenkonsum- und Elitenprofit-Feuerwerk, dessen Ende für die Wissenschaft seit Jahrzehnten absehbar ist. Die Situation ist nicht gut, nur weil wir im Vergleich zu anderen Ländern besser dastehen. Zumal das die Länder sind, in die wir unsere Umweltverschmutzung in den letzten 40 Jahren aus Profit- und Akzeptanzgründen exportiert haben. "Unter Blinden ist der Einäugige König."
    Immerhin spricht sich herum, dass Verschmutzungen anderswo sich früher oder später auch bei uns auswirken, genauso wie die unsichtbaren Belastungen, die wir immer mehr auch selbst direkt verursachen.

    Ist doch alles grün? Ja, so etwas "kann man ja auch einmal sagen" heutzutage, aber nur, weil noch viel zu vielen der Unterschied zwischen Belastung und Verschmutzung unklar oder aber der Zustand ihrer eigenen Biosphäre vollkommen gleichgültig ist. Die Psychologie spricht von geflissentlicher Ignoranz.
    Grün ist eben nicht gleich grün: das Artenspektrum der allermeisten unserer Ökosysteme ist aus all den o.g. anthropogenen, politisch zu verantwortenden Gründen höchst eingeschränkt. Insgesamt reichen die wenigen Schutzgebiete bei Weitem nicht aus, das großflächige Artensterben zu verhindern, das paläologisch gesehen das wohl deutlichste Kennzeichen unserer Erdepoche ist: des Anthropozäns.

    Inhalt

    Die Zivilgesellschaft ist mit der Einordnung der Informationen immer noch völlig überfordert: die Krise wird verharmlost; gegen Klimaschutz wird polemisiert, werden Ängste geschürt.

    Viele Medien tun v.a. in den USA seit 30 Jahren so, als wäre Klimaskepsis keine politisch motivierte Lüge, sondern eine objektive Darstellung, die gleichberechtigt neben der Lehrmeinung der Klimawissenschaft steht. Sie konnten (oder wollten) nicht die Kompetenz der unterschiedlichen Seiten bewerten. Und so konnten Fossilökonomisten die wissenschaftliche Diskussion kurzerhand zu einer Meinungsfrage erklären. In den USA bezeichnet man unter Trump solche Aussagen heute als alternative Fakten, was in sich schon einen Widerspruch darstellt.
    [Verknüpfung]
    Der Klimapolitiker Al Gore hat seinen epochalen Film über die Klimakrise treffend "eine unbequeme Wahrheit" genannt.

    Nachdem Fossilökonomisten jahrzehntelang die ökologischen Prognosen der Wissenschaftler bestritten haben, können sie nun die sichtbaren Folgen nur noch schwer leugnen. Doch manche tun es nach wie vor.

    Der schwer zu erschütternde Ministerpräsident Australiens Scott Morrison - er ist Pfingstkirchler - ließ sich angesichts massiver Proteste nach den epochalen Buschfeuern (von denen erstmalig auch Regenwälder betroffen waren) zu einem Eingeständnis des Klimawandels hinreißen.
    [Verknüpfung]

    Doch so, wie Fossilökonomisten in der Vergangenheit die Vorhersagen für heute bestritten, so bestreiten sie jetzt in der Klimakrise die Gültigkeit der (mittlerweile stark verbesserten) Modelle für die katastrophale Prognose der Zukunft. Es kann nicht sein, was nicht sein darf: es wird schon nicht so schlimm werden, "et hätt noch ëmmer joht jejange". Hauptsache: es geht uns jetzt gut, also warum sollten wir etwas ändern?
    [Verknüpfung]


    Si mundus vult decipi, decipiatur.
    Wenn die Welt betrogen werden will, soll sie betrogen werden.
    Scaevola
    [Wikipedia 2020 - Mundus vult decipi, ergo decipiatur]

    In deutschen Medien waren die Klimaskeptiker solange weniger präsent, wie konkrete, tiefgreifende Klimaschutz-Maßnahmen nur als Forderung einer Minderheit existierten. Zwar war das Thema Klimawandel auf dem Schirm der westlichen Zivilgesellschaften. Viele sahen den Widerspruch zwischen den Absichtsbekundungen und Beschlüssen ihrer Regierungen mit Unbehagen. Doch angesichts der erforderlichen Umbrüche sahen sich die gemäßigten Klimaschutz-Willigen überfordert. Sie beschränkten sich auf Minderung ihres persönlichen Fußabdrucks. Sie schufen damit zwar Modelle einer lebenswerten Zukunft, die sich jedoch nicht schnell genug gesellschaftlich etablieren konnten. So schritt die Klimakrise weiter fort.
    Der Mitautor der Club-of-Rome-Denkschrift "Die Grenzen des Wachstums" von 1972 Dennis Meadows gab in einem Zeit-Interview 2007 mit Fritz Vorholz die wandelnden Narrative seiner Kritiker so auf den Punkt (übersetzt):

    • "Siebziger Jahre: „Es gibt keine Grenzen.“
    • Achtziger Jahre: „Vielleicht gibt es welche, aber sie liegen in weiter Ferne.“
    • Neunziger Jahre: „Womöglich sind die Grenzen schon recht nah, aber Technik [sprich Innovationen] und Markt werden das Problem lösen.“
    • 2000: „Technik und Markt haben es leider nicht geschafft, aber mit mehr Wachstum werden wir es schaffen.“
    • Demnächst wird es heißen: „Ging leider nicht. Aber jetzt ist es zu spät, um etwas zu unternehmen.“"

    Zeit: [Vorholz 2007]

    Die Erklärung ist eine gigantische kollektive Verdrängung, wie sie bei jeder gravierenden Fehlentwicklung in hochorganisierten Gesellschaften früher oder später zwangsläufig auftritt. Nehme man die Kulturen des alten Rom, der Osterinsel, der Maya, der Nazca oder des Faschismus. Einem Historiker würden noch unzählige Beispiele einfallen.


    Facts do not cease to exist just because they are ignored.
    Aldous Huxley

    Über das schwierige Verhältnis einer Gesellschaft zur Wahrheit hat George Orwell sich ganz ähnlich geäußert. In der Krise kommt es zur geflissentlichen Ignoranz.


    If liberty means anything at all, it means the right to tell people what they do not want to hear.
    The point is that we are all capable of believing things which we know to be untrue, and then, when we are finally proved wrong, impudently twisting the facts so as to show that we were right. Intellectually, it is possible to carry on this process for an indefinite time: the only check on it is that sooner or later a false belief bumps up against solid reality, usually on a battlefield.
    To see what is in front of one's nose needs a constant struggle.
    This business of making people conscious of what is happening outside their own small circle is one of the major problems of our time, and a new literary technique will have to be evolved to meet it.
    As time goes on and the horrors pile up, the mind seems to secrete a sort of self-protecting ignorance which needs a harder and harder shock to pierce it, just as the body will become immunised to a drug and require bigger and bigger doses.
    George Orwell
    [Wikiquote 2021 - George Orwell]

    Andere haben schon vor Orwell diesen Gedanken kürzer auf den Punkt gebracht:


    Jede keimende Wahrheit ist revolutionär gegen den entgegenstehenden herrschenden Irrthum, jede keimende Tugend revolutionär gegen das im Schwange gehende, ihr widersprechende Laster.
    Karl-Georg von Raumer
    When a society, when an institution, lives only by lies, truth is revolutionary.
    Jean Jaurès
    [Raumer 1855], in [Verknüpfung]
    [Jaurès 1898], in [Verknüpfung]

    In Anlehnung daran entstand folgendes Zitat, das fälschlicherweise Orwell nachgesagt wird, und das auch noch im rechtspopulistischen Kontext (damit bedienen sie wieder ihr Opfernarrativ von der Meinungsdiktatur). Es ist dennoch in der Klimafrage nicht weniger treffend:


    Je weiter eine Gesellschaft sich von der Wahrheit entfernt, desto mehr hasst sie diejenigen, die sie aussprechen.

    Genau - es sei denn, es sind die eigenen Kinder, die sie ausssprechen. Ganz wie in der Pointe in Hans-Christian Andersens Märchen "Des Kaisers neue Kleider", nur leider nicht im Entferntesten lustig. Die Erkenntnis der Krise, der drohenden Katastrophe war längst überfällig.
    [Verknüpfung]

    Doch auch drei Jahre Bedenkzeit dieses historischen Moments reicht einem Großteil der deutschen Konservativen nicht aus. Bernd Ulrich benennt das Wahlprogramm der CDU 2021 in seinem Kommentar "Mit der Union durchs Elfenland" schonungslos als "Fantasieprogramm" und spricht vom Verlust des Realitätsbezugs.
    Zeit: [Ulrich 2021-2]
    Er erklärt in Jagoda Marinićs Podcast Freiheit deluxe die enorme Verdrängung mit der Vermeidung von Kränkung, die mit der Anerkenntnis des Problems verbunden wäre.


    Warum verdrängen wir das Thema? Wegen der Kränkungen, die darin enthalten sind. [...] Wir sehen uns ja als Mensch, das Vernunftwesen und die Krone der Schöpfung usw., und jetzt sind wir dabei [...] unsere eigenen Lebensgrundlagen zu zerstören, Millionen und Abermillionen Tiere auszurotten. Wofür? Nicht für einen großen heroischen Kampf, im Ringen mit der Natur, nein. Dafür, dass wir mit irgendwelchen Autos durch die Gegend fahren, dass wir ständig Tiere essen wollen usw., für wirklich [...] relativ gesehen erbärmliche Bedürfnisse. Das ist so traurig, das ist so traurig für unser Menschenbild - und das alles lauert hinter diesem Klimathema. Diese ganzen Kränkungen, dieses Bild, das wir voneinander nicht haben wollen.
    Das geht aber nicht, wenn man's nur verdrängt. Man muss es wirklich ändern, man muss aus der Erbärmlichkeit 'raus. Wir müssen wieder in die Erhabenheit zurück, die der Mensch ja auch braucht, auf die er ja auch ein Recht hat in gewisser Weise.
    Bernd Ulrich

    [Marinić 2021]

    Zusammen mit seinem Sohn Fritz Engel beleuchtet Ulrich die ökologische Kränkung in einem großen Dossier in der Zeit und stellt sie dabei in die Reihe der großen Freudschen Kränkungen der Menschheit: die kosmische, die biologische, die psychologische.
    Zeit: [Ulrich 2022-2]
    Zeit: [Wikipedia 2024 - Kränkungen der Menschheit]

    Eine sinnvolle Motivation zum Überwinden der ökologischen Kränkung ist das Zurückgewinnen der Würde, meint Bernd Ulrich mit seiner ebenso brillianten Coautorin Prof. Hedwig Richter in "Demokratie und Revolution".

    Die existentielle, ökozidale Krise stellt das anthropozentrische patriarchale Weltbild fundamental in Frage, erklärte schon in den 70er Jahren Carl Amery und 1987 Hoimar von Ditfurth.

    Es ist eine bittere Ironie, dass gerade Kinder eine Weltsicht der Erwachsenen kritisieren, die von anderen Beobachtern oft als infantil bezeichnet wird.
    Tagespiegel: [Verknüpfung]
    FAZ: [Verknüpfung]
    freitag: [Verknüpfung]
    Kurz vor dem Zusammenbruch von Lehman Brothers beschreibt der US-Politologe Benjamin Barber die Krise des neoliberalen Kapitalismus, die sich in der Infantilisierung der Bürger zeigt. Eine Emanzipation des demokratischen Weltbürgers könne aus der Krise führen. Ludger Heidbrink bespricht Barbers Buch "Consumed!" in der Zeit, Zitat:

    "Das infantilistische Ethos des Konsumkapitalismus sorgt dafür, dass private Leidenschaften an die Stelle öffentlicher Interessen treten, soziale Bindungen durch hedonistische Rücksichtslosigkeit aufgelöst werden und sich ein neuer „Naturzustand“ breitmacht, in dem „Gewalt und Betrug die Kardinaltugenden sind“. Barber zeichnet den Konsumenten als Hobbesianischen Wolf, der gnadenlos seine Vorteile verfolgt, sämtliche Regeln des Zusammenlebens missachtet und seine persönliche Identität in Lifestyle und Markengläubigkeit sucht."
    Zeit: [Verknüpfung]

    Eine infantile Haltung wird von fossilökonomistischen Politikern, Werbetreibenden, Journalisten, Kulturschaffenden, Meinungsmachern etc. regelrecht kultiviert. Besonders groteske Beispiele aus den USA sind Coal-Roller und die Standby-Debatte um die Spielekonsole XBox.
    DLF: [Verknüpfung]
    FAZ: [Verknüpfung]
    DLF Kultur: [Verknüpfung]
    "Demokratie ist etwas für Erwachsene", meint dazu Johana Strasser. Sie zitiert den Ökonomen und Psychiater Stefan Brunnhuber, der in unserer Gesellschaft die wichtigen Exekutivfunktionen von reifen Erwachsenen vermisst.


    [Exekutivfunktionen für das Erwachsensein:] die Fähigkeit zum zielgerichteten Handeln, zur Vorwegnahme von Problemkonstellationen, zur Priorisierung von Fragestellungen, zum strategischen Vorgehen, die Fähigkeit zur Impulskontrolle, zur Aufmerksamkeitslenkung, die Fähigkeit, Wünsche und Bedürfnisse aufzuschieben, sowie die Fähigkeit zum Perspektivenwechsel
    Stefan Brunnhuber

    Strasser beschreibt treffend die Fragilität der kapitalistischen Demokratie in der ökologisch-ökonomischen Krise um die Ressourcen in der vollen Welt, und setzt damit das Böckenförde-Diktum in einen aktuellen Bezug.


    Die liberale Demokratie, das sollten wir nicht übersehen, ist nicht für alle von vornherein anziehend. Wo sie mit dem Kapitalismus als ihr eigentliches Betriebssystem eng verbunden ist, neigt sie zu einem weltfremden Individualismus, der die existenzielle Angewiesenheit der Menschen auf ihre Mitmenschen systematisch negiert. Als Projekt ist sie vielen Menschen zu anstrengend, erst recht, wenn die zu bearbeitenden Problemlagen in einer globalisierten Welt immer komplizierter werden. [...] Für die große Mehrheit der Menschen scheint die Demokratie nur solange akzeptabel, solange sie ihnen handgreifliche Vorteile und ein Gefühl der Zugehörigkeit und der Beheimatung bietet. Wo dies nicht der Fall ist, ist die Regression in eine trumpsche Welt auch bei uns in Europa jederzeit möglich.
    Johana Strasser
    Frankfurter Hefte: [Verknüpfung]

    Eine infantile Haltung wird selbst von internen Regierungskreisen als politischer Leitfaden von Klimapolitik in schriftlichen Statements dokumentiert - wenn dort auch nicht dieser Begriff benutzt wird. Maja Göpel berichtet (in ihrer etwas provokativen Art) von einer Sitzung des UN-Sicherheitsrats.
    Zitat:

    "2019 war ich im Auswärtigen Amt, Klima als Sicherheitsthema. Deutschland sitzt im globalen UN-Sicherheitsrat um zu diskutieren, was die Sicherheitsauswirkungen sind von Klimaveränderungen. Die Weltbank prognostiziert, wieviele Menschen vertrieben werden, weil ihre Bereiche unbewohnbar werden. Wenn so'n maledivischer Botschafter, wenn die ganzen Präsidenten da sitzen, die haben wirklich alle da auf dem Stuhl gesessen und ich bin fast hinten 'runtergeplumpst - ich war die Moderatorin - weil alle gesagt haben „wir hoffen auf die Kinder“. [Hier hätte sie mit Greta Thunberg sagen können: "How dare You?"] "Da sitzen Staatenlenkerinnen und Staatenlenker und hoffen auf die Kinder, dass die irgendwie dabei helfen, dass anscheinend eine moralische Revolution oder was immer das sein muss, sie dann legitimiert, demokratisch Veränderungen oder eben auch freiwillige Veränderungen der Gesellschaft durchzubekommen, dass sie nicht untergehen müssen. Und dann kommt so'n Mensch aus dem Auswärtigen Amt und liest „ja nö, also, hier muss alles Spaß machen, damit die Leute mit mir kommen, und hier kann man auf keinen Fall irgend jemand Veränderungen zumuten“." Zitat Ende.


    You know it's time for change when childen act like leaders and leaders act like children.
    Spruch auf einem Demoplakat von Extinction Rebellion in Atlanta (USA), Autor:in unbekannt

    Im gleichen Zusammenhang - während einer Podiumsdiskussion mit Ulf Poschardt - geht Maja Göpel auf dessen damals neues Buch ein: "Das ist die andere Realität, die auch mit Verantwortung und vor allem auch mit Mündigkeit zu tun hat. Und ich hab' mir das Buch ja gerne auch jetzt angeschaut, in Ruhe. Und ich finde schon so'n paar steile Thesen d'rin: „Natur wird im Kapitalismus nur überleben, wenn sie nachhaltig genutzt als Profit Center funktioniert“. Sorry, gibt die Evidenz der Naturwissenschaften nicht her, der Kapitalismus geht irgendwann baden, wenn die Natur nicht mehr das hergibt, was der Kapitalismus braucht."
    [Armbrüster 2020-1]
    Youtube-Video: [Armbrüster 2020-2] ab 26'22''


    Ein Gesetz lautet „Du darfst nicht“; ein Naturgesetz lautet „Du kannst nicht“.
    Harald Lesch
    zitiert von Sebastian Seiffert: [Verknüpfung]
    zitiert von Sebastian Seiffert in Leschs Beisein:
    Youtube: [Sci4f 2022-01]

    Jens Jessen (Jahrgang 1955) war Feuilleton-Redakteur bei der FAZ und steht auch als Ressortchef bei der Zeit nicht unbedingt im Verdacht, woke zu sein. So hat er sich z.B. schon kritisch über #metoo-Feminismus und das linksalternative Hamburger Projekt Rote Flora geäußert.
    Wenn Jessen nun in der Zeit über die Rechtfertigung von Wokismus philosophiert (Online-Titel zuerst: "Warum so woke?", später "warum so ernst?"), dann markiert er damit die sozialpsychologische Zeitenwende. Er greift geistesgeschichtlich bis tief in die Aufklärung, und vergleicht den freudlosen Moralismus der klimaschutzbewegten Jugend mit dem der französischen Revolutionäre angesichts des Sittenverfalls im Ancien Regime.


    Die Jugend will nicht ihre Freiheit erweitern, sondern die unanständigen Freiheiten der Mehrheitsgesellschaft einschränken. [...] Unglücklicher und unfreier war selten eine Generation zuvor. Was sie vor sich sieht, ist keine Zukunft, die sich ins Offene weitet und frei gestaltet werden kann, sondern eine Zukunft ererbter Zwangslagen: die Erderwärmung, die Umweltzerstörung, eine räuberische Weltwirtschaftsordnung, krude historische Altlasten, zu denen nicht zuletzt die kriegerischen Konflikte um eingebildete Identitäten gehören. Keine dieser Zwangslagen wird ignoriert werden können, jede verlangt bearbeitet zu werden, jede stellt eine Überlebensfrage der Menschheit dar. Das alte schöne Privileg der Jugend, die Probleme der Eltern verspotten und auf den Müllhaufen der Geschichte werfen zu können (und sich geschwind neue eigene zu basteln), ist dahin. Die Probleme, die jetzt schon im Nachlass der Eltern liegen, sind objektiv, generationenübergreifend und keine Frage der Sichtweise.
    Die Jugend hat nicht die Freiheit, sich zu Erderwärmung, Umweltzerstörung, Hunger und Massenmigration so oder so zu verhalten. Sie wird nur durch gewaltige Anstrengungen und grausame Selbstbeschränkung überleben. Das Grausamste aber ist, dass dies der Jugend von den Alten auch eingestanden wird. Sie wissen, was sie angerichtet haben, sie sind schuldbewusst, sie zerknirschen sich – aber ändern ihr Verhalten nicht. "Ihr werdet es mal nicht leicht haben", sagen die Alten zu den Jungen, packen die Schläger in den Caddie und fahren auf den Golfplatz, den sie weiter gegen jede Vernunft bewässern lassen. [...]
    Insofern könnte man das Paradox formulieren: Die Jugend von heute hat nicht die Freiheit oder empfindet jedenfalls nicht die Freiheit, für ihre Freiheit tätig zu werden. Sie sieht sich vielmehr nur vor der Notwendigkeit (oder empfindet die Notwendigkeit), Freiheiten einzuschränken, auch die eigenen. Die Freiheit des Konsums gefährdet die Umwelt, die Freiheit des Reisens das Klima, die Freiheit der Rede (aufgrund der darin beschlossenen Kränkungsgefahr) das friedliche Zusammenleben.
    Jens Jessen

    Zeit: [Verknüpfung]
    Andere Artikel in der Zeit von Jens Jessen: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Jens Jessen (Journalist)]

    Nur wenige Tage nach Jessens Artikel schockiert in Frank Plasbergs ARD-Talkshow "Hart aber fair" der zynische Kommentar eines Zuschauers (Namensangabe: Roland Rötinger), der die paternalistische Haltung in Jessens Golfplatz-Geschichte auf die Spitze treibt, ein Musterbeispiel blinder Fortschrittsideologie: "Schade, dass wir es nicht mehr miterleben können, wie erfinderisch die Generationen nach uns sind, um das alles auszuhalten, was noch an Klimaveränderung kommt". Der CDU-Vertreter Werner Marnette kommentiert nur leise: "Das ist bös'...".
    [Verknüpfung]

    Jessens Klarstellung berührt ein hochsensibles Thema, gerade wo sämtliche Demokratien global unter dem Beschuss neolibertärer, fossilkonservativer Kräfte aus USA und Russland stehen, und in den USA der Liberalismus nach Trumps folgenlosen Putschversuch in ernster Gefahr ist, in einem Kulturkampf von rechts außen unterminiert zu werden.
    Dass auch Deutschland vor den autoritären Entwicklungen nicht gefeit ist, zeigen der zunehmende Erfolg der AfD, und die zunehmend hilflose Reaktion der Zivilgesellschaft auf Marginalisierung von Minderheiten, zunehmende unangemessene Polizeigewalt, und vor allem wieder zunehmende rechtsextreme Gewalt.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Es ist deshalb kein Wunder, dass gerade eine willensstarke Jugendliche mit Asperger-Syndrom die kognitive Dissonanz nicht ertragen, die enorme kollektive Verdrängungsleistung der unzähligen Passiven nicht mitstemmen konnte - also der nahezu kompletten restlichen Weltgemeinschaft. Greta Thunberg trat in Hungerstreik, um im Kleinen ihre Familie zu dekarbonisieren. In der Schule wirkte die staatliche Autorität auf sie ein. Diese Autorität legte ihr einerseits die Bedeutung der wissenschaftlichen Fakten nahe, andererseits erweckte sie den Eindruck, diese Fakten im politischen Handeln zu ignorieren. Für Greta war das ein - im Wortsinn - unerträglicher Widerspruch. Und diese Autorität setzt Greta seit dem 20. August 2018 ebenfalls durch Streik unter Druck, auch weil sie am Erfolg ihres Hungerstreiks in der Familie gelernt hat.


    Es sagt viel über die Welt aus, mein Kind, sagte der Vater zu dem Knaben,
    dass die Dummen glücklich sind und die Schlauen Depressionen haben.
    Marc-Uwe Kling

    Für ihre Ankündigung "I want You to panic" erntete sie viel Kritik. Dabei nahm sie nur vorweg, was auf die unzähligen Verdrängungs-High-Performer noch zukommt.

    Der Medienpsychologe Tobias Rothmund erklärt in derwesten: "Radikale schnelle Veränderungen sind für viele Menschen bedrohlich. Es ist kein Wunder, dass die Politik sich in der Klimapolitik schwer tut mit radikalen Schritten. [...] Für manche Menschen ist es eine Strategie, sich der Veränderung entgegenzustellen. Also den menschengemachten Klimawandel zu leugnen und sich die Argumente herauszupicken, die dazu passen. Die Regierung muss ihr Narrativ ändern und den Umweltschutz als Möglichkeit kommunizieren, die bestehenden Verhältnisse zu erhalten. Denn eben diese Verhältnisse sind durch den Klimawandel gefährdet."
    derwesten: [Verknüpfung]
    Merkur: [Verknüpfung]
    Der Philosoph Slavoj Žižek bewundert Gretas Courage in einer von toxischer Männlichkeit geprägten Welt. Sie fügt sich nicht in das weibliche Rollenbild, wenn sie uns mutig die Fakten direkt vor die Füße knallt. Deshalb schlägt ihr zusätzlicher Hass entgegen. Žižek spricht von Klimaskepsis als Zynismus einer fetischistischen Verleugnung.


    We need more autistic women like that.
    Slavoj Žižek
    JOE bei youtube: [Verknüpfung]

    Manche Fossilökonomisten, mit denen ich spreche, kommen irgendwann zur Einsicht. Ihre Reaktion ist dann aber meist Resignation: "es ist ja eh' nichts mehr zu machen." Ob das etwas mit ihrer Verdrängungsleistung zu tun hat? Oder ist es bloß Faulheit, oder Feigheit?
    Natürlich haben sie im besten Falle von ihren Eltern gelernt, sich vor Frustrationen durch unlösbare Aufgaben zu schützen. Die Frage ist, ob sie auch genug Selbstbewusstsein erworben haben, sich bei großen Problemen auch nicht nach höheren Autoritäten umzuschauen, sondern selbst die Probleme in Angriff zu nehmen.

    Die Verdrängungsleistung wird von Psychologen als emotional wesentlich problematischer gesehen als die ehrliche Auseinandersetzung mit den Fakten. Psychologen bereiten sich schon jetzt auf massenhafte neurotische Angst-Störungen vor, verursacht durch die um sich greifende Einsicht, dass die aktuelle Politik die Klimakatastrophe befördert. Je länger Politik und Zivilgesellschaft den Klimaschutz hinauszögern, desto größer wird diese Gefahr einer Massenhysterie.
    [Verknüpfung]
    Dr. Andrea Lilge-Hartmann von den Psychologists for Future Bremen ruft auf zu einem moralfreien, ehrlichen Dialog, auch über Gefühle, und verspricht die Hoffnung im Aufbau aktivistischer Gemeinschaften. Sie zitiert Luisa Neubauer sinngemäß: "Es hilft einfach nichts, wir müssen alle KlimaaktivistInnen werden!"
    Psy4F Bremen: [Verknüpfung]
    Hierfür bietet die Gruppe unter dem Titel Gefühlsplanet öffentliche Gesprächsforen an.
    Psy4F Bremen: [Verknüpfung]
    Die Co-Vorsitzende Lea Dohm im Interview bei HR: "An der Klimakrise wachsen, statt zu verzweifeln"
    HR: [Verknüpfung]
    Die Spaltung der Gesellschaft in der Klimafrage verschärft das Problem extrem, weil sie die Verdrängung der Fakten mit gesellschaftlichem Druck befördert.
    [Verknüpfung]
    Der Handlungsdruck in der Vorbereitung auf das Ende der Corona-Krise potenziert den Konflikt nochmals. Werden wir mit den Unsummen, die die Finanzkrise weiter anheizen, das komatöse alte System weiter am Leben erhalten, oder können wir sie - wie Roosevelt mit dem New Deal - für Zukunftsinvestitionen nutzen?
    Zeit: [Verknüpfung]
    Doch Wut und Verzweiflung sind genausowenig hilfreich wie blindes Vertrauen in Obrigkeit, Markt und Innovation.
    [Verknüpfung]
    Die NGO Avaaz hat dazu eine vorbeugende Kampagne mit vier Prinzipien gestartet.
    1. „Untrigger“ - Nach Ausgeglichenheit streben
    2. Auf die innere Stimme hören
    3. Herzlich UND stark sein
    4. Schluss mit Gerüchten, suchen wir die Wahrheit
    [Verknüpfung]
    Mit ihrem "how dare you" appelliert Greta an die Verantwortlichen, nicht in der Jugendbewegung nach Hoffnung zu suchen, sondern selbst ihrer Verantwortung gerecht zu werden. In der Tradition anderer Menschenrechtsbewegungen ermutigt sie ihre Mitstreiter: "When we start to act hope is everywhere. So instead of looking for hope - look for action. Then the hope will come."
    [Verknüpfung]
    Sogar der Focus beschäftigt sich differenziert mit den heftigen Reaktionen auf Greta Thunberg.
    [Verknüpfung]
    Den Fatalismus, wie er z.B. vom Naturschützer Jonathan Franzen verbreitet und von Fossilökonmisten aufgegriffen wird, adressiert Stefan Rahmstorf im Spiegel:
    [Verknüpfung]

    Gretas Fähigkeit, ohne soziale Rücksichtnahme ihren Überzeugungen zu folgen, tun ihre Kritiker als soziale Dysfunktionalität ab - dabei hat sie eine Welle der Solidarität ausgelöst, die den Nebel der Verdrängung für viele endlich aufgelöst hat.
    Entsprechend ist keine Häme über eine vermeintliche Inszenierung angebracht, wenn Greta sich im Januar 2023 von deutschen Polizisten in Lützerath wegtragen lässt. Sie stellt eine neue, nicht zu unterschätzende moralische Unterstützung zivilen Ungehorsams dar.

    Seitdem werden konkrete politische Maßnahmen diskutiert. Deshalb werden die Klimaskeptiker, -Relativisten und Fossilökonomisten wieder lauter. Ihre standhafte Weigerung, die Tragweite wissenschaftlicher Erkenntnisse anzuerkennen, nimmt Züge an, die Jan Grossarth in der Süddeutschen Zeitung als "anti-ökologische Hysterie" bezeichnet.
    [Grossarth 2019]

    Weil die Klimakatastrophe eine so lange Vorlaufzeit haben und die Gefahr nicht für alle nachvollziehbar wurde, konnten Konservative die vorbeugenden Gegenmaßnahmen viel zu lange blockieren. In letzter Zeit höre ich bei immer mehr Konservativen resignativen Fatalismus heraus, so wie Meadows es vorhergesagt hat. Auch das wird von konservativen Zeitungen befeuert, die von Klimaskeptikern zu Klimahysterikern werden.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Einer resilienten Gesellschaft, die fähig ist, sich konstruktiv auf die schwierige Situation einzustellen, wird durch Propaganda entgegengewirkt. Immer wiederkehrende Titelblätter wie dieses haben Abstumpfung und Fatalismus gefördert.

    [Bild-Zeitung 23.02.2007] In:
    [Verknüpfung]

    Fossilökonomistische Politik legitimiert sich entsprechend vor allem durch eins: sie verdrängt oder verharmlost die wissenschaftlichen Zukunftsprognosen und versucht den Status quo (bzw. ante) auf Biegen und Brechen zu erhalten, indem sie die Ängste der Bürger vor allen möglichen Unwägbarkeiten und Unsicherheiten befeuert.

    Alles in allem kann man feststellen, dass die desinformierte Zivilgesellschaft mit der Klimakrise sozialpsychologisch komplett überfordert ist. Viele Menschen schwanken zwischen vager Hoffnung auf Innovation und Verzweiflung, oder wenden große Energie auf für die große Verdrängung, der kognitiven Dissonanz. Urs Bruderer diskutiert im Schweizer Magazin Republik sehr treffend diese "große Überforderung" in den fossilökonomistischen Gesellschaften und vergleicht sie mit der Überforderung, die sterbende Menschen erfahren.
    Republik: [Bruderer 2019]


    Ich glaube, wir fahren besser, wenn wir uns kognitive Dissonanzen zugestehen und nicht so tun, als ob es nur eine planeten­schonende, gute Lebensform gäbe. Diese monokulturelle Auffassung multipliziert die Zahl der gegenseitigen Vorwürfe. Die heuchlerische Jugend, die doch fliegt; die subventionierten Bauern und ihre Methan furzenden Kühe – keiner, der kein Arschloch ist. Das führt zu einer Explosion der entpolitisierten Mikro­klassenkämpfe. Jeder gegen jeden im Namen von uns allen. Die Leute entsolidarisieren sich, dabei müssten sie solidarisch werden, um politische Massnahmen für das Klima zu beschliessen.
    Urs Bruderer

    Wir wissen, dass diese gesellschaftlichen Prozesse der Entsolidarisierung durchaus absichtlich mittels PR provoziert werden, z.B. die Debatte um den carbon footprint.

    Der visionäre US-Präsident Franklin D. Roosevelt ging in der Weltwirtschaftskrise mit seinem New Deal große Risiken ein - und führte damit die größte Volkswirtschaft der Welt aus dieser Krise, die anderswo den zweiten Weltkrieg auslöste. Die Gefahr der Klimakrise ist mindestens vergleichbar, nicht umsonst wird deshalb für die Klimawende von Vielen ein Green New Deal entworfen.

    Seit der Corona-Krise schöpfen immer mehr Leute Hoffnung, dass solcher Mut am Ende einen Zusammenbruch und politisches Chaos doch noch abwenden könnte.



    Wir haben nichts zu fürchten als die Furcht selbst – der namenlose, irrationale, unberechtigte Schrecken, der die notwendigen Anstrengungen verhindert, Rückzug in Vormarsch umzukehren. [...]
    Noch bietet uns die Natur die Gaben ihres Überflusses, den menschliche Anstrengungen vervielfacht haben. Vor unseren Türschwellen wohnt die Fülle, doch im unmittelbaren Anblick der Vorräte schaffen wir es nicht, sie uns nutzbar zu machen. Es liegt dies in erster Linie an der Verbohrtheit und Unfähigkeit derjenigen, die den Austausch der Menschheitsgüter zu regeln hatten.
    Es ist wahr, sie haben sich bemüht, aber ihre Bemühungen waren nach dem Muster einer überholten Tradition zugeschnitten. Angesichts des Mangels an Krediten fiel ihnen kein anderer Ausweg ein als der Vorschlag, weiteres Geld zu verleihen.
    Der Lockspeise des Profits beraubt, mit der sie unser Volk veranlasst hatten, ihrer trügerischen Führung zu folgen, haben sie ihre Zuflucht zu Ermahnungen genommen und weinerlich um erneutes Vertrauen gebeten. Sie kennen nur die Gesetze einer Generation von Egoisten. Sie besitzen keine visionäre Kraft, und wo diese fehlt, gehen die Menschen zugrunde.
    Die Geldwechsler sind von ihren Hochsitzen im Tempel der Zivilisation geflüchtet. Jetzt können wir diesen Tempel den uralten Wahrheiten wieder zurückgeben. Wie weit uns das gelingen wird, hängt von dem Ausmaß ab, in dem wir soziale Werte schaffen, die edler sind als bloßer geldlicher Gewinn.
    Das Glück liegt nicht im bloßen Geldbesitz; es liegt im Stolz auf die erreichte Leistung und in der Freude an der schöpferischen Arbeit.
    Die Freude und der moralische Antrieb der Arbeit dürfen nicht länger über der hektischen Jagd nach vergänglichen Gewinnen vergessen werden. Diese dunklen Tage werden trotz allem ihren hohen Preis wert sein, wenn sie uns lehren, dass es nicht unsere Bestimmung ist, auf Hilfe zu warten, sondern uns und unseren Mitmenschen selbst zu helfen und zu dienen. Die Erkenntnis, dass es ein Trugschluss ist, materielle Werte als Erfolgsmaßstab anzusehen, geht Hand in Hand mit der Abwertung des trügerischen Glaubens, dass öffentliche Ämter und hohe politische Stellungen nur nach dem Maßstab des Ehrgeizes und des persönlichen Vorteils zu bewerten sind. Auch muss ein Ende mit jenem Gebaren im Bank- und Geschäftswesen gemacht werden, das sich gläubigem Vertrauen gegenüber nur allzu oft als gewissenloser, selbstsüchtiger Betrug entpuppt hat. Kein Wunder, dass das Vertrauen verkümmert ist, denn es gedeiht nur auf dem Boden der Ehrenhaftigkeit, des Ehrgefühls, der Heilighaltung von Verpflichtungen, des zuverlässigen Schutzes, der selbstlosen Tat. Ohne diese kann es nicht leben.
    Zu dieser Erneuerung bedarf es jedoch nicht nur einer ethischen Wandlung. Unsere Nation verlangt Taten, und zwar sofortige Taten.
    Franklin Delano Roosevelt
    [Verknüpfung]

    Damals brach das Wirtschaftssystem unter den Folgen jahrzehntelanger Klientel- und Austeritätspolitik zusammen. Geldsysteme lassen sich neu organisieren, Güter umverteilen. Nur steht die menschliche Zivilisation heute vor dem unwiederbringlichen Verlust der irdischen Ressourcen - die man sich bislang in einer Art Gewohnheitsrecht als unerschöpflich vorstellte. Deshalb sollte man Roosevelts Vision, dass die Natur uns irgendwann ihre "Gaben des Überflusses" verweigern könnte, als frühe Mahnung begreifen.

    Dass diese Angst vor der Veränderung lähmen kann, beschreibt die Zukunftsforscherin Florence Gaub in der Zeit und zitiert den Begriff future shock des US-Autors Alvin Toffler. Dass sie von Fossilökonomisten und rechtspopulistischen Klimafaschisten geschürt wird, ist wohl unser größtes Problem. Gaub meint jedoch, "die Deutschen sind nicht zum Pessimismus verdammt".
    [Verknüpfung]

    Von Roosevelts Frau Eleanor und dem Holocaust-Überlebenden und Psychiater Viktor Frankl sind passende Zitate überliefert.


    Muss man sich denn auch alles von sich gefallen lassen? Kann man nicht stärker sein als die Angst?
    Viktor Frankl
    Die Zukunft gehört denen, die an die Schönheit ihrer Träume glauben.
    Eleanor Roosevelt
    [Verknüpfung]





    Da Klimaskeptiker und Fossilökonomisten in der bequemen Position sind, das bestehende erfolgreiche System zu verteidigen, ist es ihnen ein Leichtes, wissenschaftliche Warnungen vor maximal drastischen Folgen als irrational, als Hysterie oder Religion abzutun. Je extremer die politische Orientierung, desto weniger denken die Menschen in Alternativen, man spricht vom sogenannten Clandenken: wenn sich in einer Gemeinschaft eine gemeinsame Position durchgesetzt hat, müssen Abweichler mit Ausschluss rechnen. Eine solche Position ist der Fossilökonomismus. Wer als Konservativer oder Neoliberaler sich zu Klimaschutz bekennt, macht sich in seiner Gruppierung der falschen Orientierung verdächtig.
    Dieses Clandenken führt zu heftigen Abgrenzung gegenüber Andersdenkenden, und fand z.B. Ausdruck in der US-amerikanischen Kampagne "water melon" (außen grün, innen rot). Im Vorfeld der Bundestagswahlen 2021, als nach 16 Jahren der klimapolitischen Restauration die Abwahl der CDU drohte, übernahmen die wirtschaftsliberalen CDU-Politiker Christoph Ploß und Carsten Linnemann in der Welt diese Metapher. Dabei kritisieren sie die mitunter militante Gender-Toleranz und übernehmen den Kuturkampfbegriff der amerikanischen Republikaner "woke" - d.h. sie fordern Toleranz für ihre Intoleranz.
    [Verknüpfung]
    Für die Spaltung werden auch religiöse Ressentiments geschürt, nämlich dann, wenn von einer irrationalen "Klimareligion" die Rede ist - gerade in der christlich geprägten CDU-Klientel wird damit Sektierertum assoziiert.
    Die Propaganda-Organisation INSM spielte im Bild von der grünen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock als Moses mit 10 Klima-Verboten verdächtig mit dem latenten Antisemitismus in den angesprochenen rechtskonservativen Kreisen.
    Wem der Begriff Klimareligion zu brisant ist, der versucht es mit religiöser Rahmensetzung.
    [Verknüpfung]

    In Riffreporter geht Elena Matera einmal von der Seite der Weltreligionen an die Frage heran - und findet heraus, dass die Bewahrung der Schöpfung tatsächlich dort auch sehr häufig eine religiöse Frage ist, auch im Christentum. Die Diffamierung der Klimabewegung als eigene Religion bezeichnet sie als "hochgradig irrational", da sie wissenschaftliche Fakten nicht ernst nimmt. Abgesehen davon, dass sie häufig von Menschen formuliert wird, die sich Christen nennen, aber nicht einmal die grundlegenden Forderungen des Christentums nicht beherzigen.
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    Nach wie vor wird in der konservativen Springer-Zeitung Die Welt grundsätzlich gegen Klimaschutz argumentiert mit dem Niedergang der Wirtschaft. Die allzu einseitige Milchmädchen-Rechnung im Beitrag vom Wissenschaftlichen Beirat der Familienunternehmen vom Januar 2021 nimmt der Blog Klima-Luegendetektor genüsslich auseinander.
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    Die FAZ spricht von Klimaschutz als "Ersatzreligion".
    [Verknüpfung]

    Cicero beklagt eine "mediale Panik", die eine Klimakatastrophe als "politische Dystopie" zeichnet.
    [Verknüpfung]

    Der ehemalige Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust tut in der Welt die Klimabewegung als kurzlebige Hysterie ab: "warten wir doch, bis der Klimahype abgeklungen ist"
    [Verknüpfung]
    Original: [Verknüpfung]

    Nach wie vor kommen in der Welt Klimaskeptiker zu Wort; hier Maxeiner und Miersch, die Klimaaktivismus als Spielart einer alten, gefährlichen deutschen Krankheit, der "Ökohysterie" diagnostizieren; mehr dazu hier.
    [Verknüpfung]

    Begrifflich waren hier rechte Klimaschutz-Gegner in einer psychologischen Projektion schnell mit dem Begriff "Klima-Faschismus" bei der Hand.
    [Verknüpfung]
    Die rechte Erzählung spart wie immer völlig die ausbeuterische Rolle der Fossilindustrie aus. Sie zeichnet ein Bild der Klimaschützer als Avantgarde einer ungerechten "neuen Weltordnung" und betreibt damit eine Täter-Opfer-Umkehr. Jetzt in der Krise ergreifen Rechte jedoch die Gelegenheit, selbst zu Klimafaschisten im Wortsinn zu werden: sie begrüßen die Klimakrise als genozidales Werkzeug für ihre rassistischen Ziele.
    Der Soziologe Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft IDZ Jena beschäftigt sich seit Jahren mit dem Thema
    .

    Die drohende Klimakatastrophe wird von Klimarelativisten heruntergespielt:
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    Wenn ihnen die Argumente ausgehen, greifen Fossilökonomisten in ihrer Auseinandersetzung mit der Jugendbewegung gerne zu Paternalismus, wie schon oben bei Hans von Storch zu lesen.
    Friedrich Merz (CDU) noch im Herbst 2019 über Greta Thunberg: "Ich hätte meine Tochter da nicht hingelassen" und "auf der einen Seite ist das Mädchen bewundernswert, auf der anderen Seite ist sie krank".
    [Verknüpfung]
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    Bei der Vorstellung seines Buchs "Neue Zeit. Neue Verantwortung" im November 2020 wirft Merz den jungen Klimaaktivist:innen Undank vor. Der Spiegel berichtet darüber: "Mit Blick auf den Klimaschutz schreibt Merz, dass Greta Thunberg viel dazu beigetragen habe, dass eine umweltpolitische Debatte geführt werde. „Aber diese Behauptung, wir hätten dieser Generation die Kindheit und die Jugend genommen, ist ein völlig abwegiger Vorwurf“, sagte er bei der Buchvorstellung. Es habe noch keine Jugend eine so tolle Zeit in Europa gehabt, wie die jetzige Generation, die in einer friedlichen Zeit groß geworden sei. Er beschwere sich nicht darüber, dass sich junge Leute politisch engagierten, sagte Merz. „Ich habe nur eine Bitte: Hört auch mal zu zwischendurch. Und bitte akzeptiert auch mal, dass es andere Meinungen gibt. Und wenn wir uns auf der Grundlage einigen, ist das eine tolle Sache.“"
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    Kein Eingeständnis, dass der CDU-Politik von Seiten der Wissenschaft eine Bevorzugung der Mehrheit der Alten vorgeworfen wird, nicht einmal nur in der Klimafrage. Ein Vorwurf, der vom Bundesverfassungsgericht ein halbes Jahr später bestätigt wird.

    Solche Bevormundungen gegenüber aufbegehrenden Jugendlichen sind Standard in patriarchalen Gesellschaften. Auf Demos der Klimaschutz-Schülerbewegung Fridays for Future konnte man die passende Antwort lesen.


    Fairy dust won't fix this
    Protestplakat bei Fridays for Future, Autor:in unbekannt

    Dabei sind es gerade die Patriarchen, die sich in ihrem Fossilökonomismus mal wie trotzige Kinder, mal wie verwirrte Pubertierende verhalten. Der Zeit-Redakteur Bernd Ulrich spricht von "Erwachsenwerden des Freiheitsbegriffs", der Youtuber Rezo kontert die Realitätsverweigerung der Konservativen schließlich unverblümt mit der Aufforderung: "grow the fuck up".
    [Verknüpfung]
    [Marinić 2021]

    War es das (wenn auch zu hinterfragende) Signal des BlackRock-Chefs Fink in Richtung Dekarbonisierung oder will Merz seine Chancen auf die Kanzlerschaft nicht riskieren? Jedenfalls erkannte er auf dem Parteitag im Dezember 2019 die Dringlichkeit von Klimaschutz - zumindest verbal - endlich an. Doch anstatt Thunbergs couragierte Rolle in diesem Sinneswandel zu würdigen, kann er sich immer noch nicht verkneifen, auf ihre vermeintlich mangelnde Dankbarkeit der älteren Generation gegenüber anzuspielen - eine Gegenreaktion, die sich in seiner Wählerklientel oft beobachten lässt. Hier ein Zitat aus einem Bericht der Zeitung Merkur:

    "[Merz:] „Wenn Greta sagt, wir hätten ihr die Jugend geraubt... Nein, dann muss man sagen: Ihr hattet in dieser Generation die beste Jugend, die es jemals überhaupt in diesem Teil der Welt gegeben hat.“ [...] Doch wenn das auch für künftige Generationen so bleiben soll, so Merz, „dann müssen wir heute viel ändern“ [...]"
    [Verknüpfung]

    Politologe Albrecht von Lucke spricht von doppeltem Greenwashing, wenn Merz sich die zweifelhaften grünen Lorbeeren seines ehemaligen Arbeitgebers anheftet.


    Überflutungen wird es immer wieder geben, selbst wenn man sofort die kompletten Vorstellungen von Fridays für Future übernehmen würde.
    Friedrich Merz
    [Verknüpfung]

    Merz verschleiert mit seiner Wortwahl die Tatsache, dass es nicht "immer wieder" dazu kommen wird, sondern immer öfter. Und dass die Entwicklung des Problems sehr wohl davon abhängt, ob die Forderungen von Fridays for Future übernommen werden.


    Es ist schon atemberaubend, wie nihilistische Konservative in ein paar Tagen von „Klimawandel ist weit weg und woanders und deshalb müssen wir nichts tun“ zu „Klimawandel ist unaufhaltsam und längst passiert und deshalb können wir nichts tun“ gekommen sind.
    Georg Diez
    Twitter: [Verknüpfung]

    Allen Klimaschutz-Beteuerungen der CDU-Offiziellen Merkel und Altmaier zum Trotz arbeiten im Hintergrund immer noch Klimaskeptiker und -Relativisten des rechten Parteiflügels mit voller Kraft dagegen.

    Die Schwaben Dr. Joachim Pfeiffer (energiepolitischer Sprecher) und Thomas Bareiß (Staatssekretär im BMWi) bildeten mit dem Westfalen Carsten Linnemann (Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung) das "Bermuda-Dreieck der Energiewende". Diese delikate Verbindung wurde beleuchtet in Autorinnen Klimaschmutzlobby, dem Standardwerk zur deutschen Anti-Klimaschutz-Lobby, von Annika Joeres und Susanne Goetze.
    Zeit: [Verknüpfung]
    energiezukunft: [Verknüpfung]
    Pfeiffer betätigte sich - bis zu seinem Verzicht auf eine erneute Kandidatur für den Bundestag 2021 - besonders aktiv als fossilökonomistischer Lautsprecher der Partei.
    [Wikipedia 2020 - Joachim Pfeiffer - Energiepolitik und Klimaschutz]
    klimaretter: [Verknüpfung]


    Die Klimadebatte ist nur noch schwer erträglich. Die Diskussion ist alarmistisch und Fakten werden weitgehend durch Emotionen ersetzt. Für viele ist der vermeintliche Klimaschutz zu einer Art Ersatzreligion geworden.
    Joachim Pfeiffer (Mai 2019)
    Finanznachrichten: [Verknüpfung]

    An dieser Vereinnahmung vermeintlich "echter" Religion formuliert Moraltheologe Prof. Michael Rosenberger von der Katholischen Privatuniversität Linz deutliche Kritik und zeigt, dass Pfeiffer - zusammen mit "extrem rechten Parteien", die die gleiche Wortwahl benutzen - damit die Bemühungen einer dialogfähigen Kirche unterläuft.
    Domradio: [Verknüpfung]
    Domradio im Focus: [Verknüpfung]
    Ganz abgesehen von der völlig gegensätzlichen Meinung des Papstes Franziskus und der deutschen Bischöfe zum Thema.
    DW: [Verknüpfung]
    Der Standard: [Verknüpfung]
    Domradio: [Verknüpfung]

    Im Laufe der Korruptionsaffäre gab Pfeiffer bekannt, dass er nicht mehr für den Bundestag antrete.
    Wer aus der Wirtschafts-Ideenschmiede der CDU weniger populistische Parolen und mehr fossilökonomistische Sachargumente im Originalton haben möchte, dem sei der CDU-Obmann des Wirtschaftsausschusses im Bundestag, Pfeiffers Stellvertreter Andreas Lämmel empfohlen. Als Vertreter von Pfeiffer stellt Lämmel sich deutlich häufiger den kritischen Fragen des Deutschlandfunk.
    DLF-Suche "Lämmel": [Verknüpfung]
    DLF-Suche "Pfeiffer": [Verknüpfung]
    Auf Lämmels Homepage sucht man die Begriffe "erneuerbar" oder "Klima" vergebens (wie gesagt, ist er der Vertreter des wirtschafts- und energiepolitischen Sprechers der CDU-Bundestagsfraktion).
    Internetseite: [Verknüpfung] (Stand 05.06.2021)

    Carsten Linnemann nimmt 2020 in einem verbalen Rundumschlag den Diesel aus der Skandal-Erzählung und erklärt dem Bürger, wer dafür wirklich verantwortlich sei, dass der Verkehrssektor seitdem keinen Beitrag zur Dekarbonisierung leisten konnte: die Deutsche Umwelthilfe DUH und das Umweltministerium BMU. Eine komplette Verdrehung der Tatsachen.
    taz: [Verknüpfung]


    Das Bundesumweltministerium hat die Deutsche Umwelthilfe bei ihrem Kampf gegen den Diesel unterstützt und so aus einem Betrugsskandal einen angeblichen Dieselskandal gemacht. [...] Auch weil die klimaschonende Dieseltechnologie unter Generalverdacht gestellt wurde, steigen die CO2-Emissionen im Verkehrssektor an.
    Carsten Linnemann

    Dagegen spricht das Urteil des EuGH gegen Deutschland, es habe seine Bürger nicht vor den Gefahren der Stickoxid-Belastung geschützt. Linnemann agitiert hier in bedenklicher Weise gegen NGOs und wirft ihnen undifferenzierte Pauschalurteile vor - obwohl sie nur die Aufgabe des Staats übernommen haben: konkret den Ausstoß der einzelnen Modelle nachzumessen.
    DLF: [Verknüpfung]
    Bemerkenswert, dass parallel zur Diesel-Abwrackprämie massiv gegen das Elektroauto Propaganda gemacht und Unsicherheit verbreitet wurde. Selbst Leute, denen die damals noch geringe Reichweite für Zweitwagen gereicht hätte, entschieden sich aus anderen Gründen für den Benziner.

    Lange versuchten verbeamtete Energiewende-Protagonisten wie Rainer Baake als Staatssekretär und sein Vertrauter Urban Rid als Leiter der zuständigen Abteilung III (Energiepolitik – Strom und Netze) im Wirtschaftsministerium von der Energiewende zu retten, was zu retten ist. Beide waren im Wirtschaftsflügel der Union unbeliebt. 2018 trat Baake unter Widerspruch gegen die politischen Leitlinien der Großen Koalition zurück, und nach Rids Pensionierung trat Linnemanns enge Mitarbeiterin Stephanie von Ahlefeld die Nachfolge an, und wirkte aktiv am Niedergang der Onshore-Windkraft mit - so wie Linnemann es 2015 gefordert hat.
    [Wikipedia 2023 - Rainer Baake]
    taz: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]

    Thomas Bareiß war unter Altmaier der für Energie zuständige parlamentarische Staatssekretär im Wirtschaftsministerium.

    In seinem Twitter-Feed findet man das Große 1x1 des Fossilökonomisten. Da er auch noch hier und hier zu Wort kommt, beschränke ich mich bei dieser kleinen Auswahl auf seine Auseinandersetzung mit der Klimaschutz-Bewegung:
    Bareiß geht gerne mit Fridays for future in Konfrontation.
    Er ist sich nach wie vor auch nicht zu schade für persönliche Angriffe.
    Je länger man diesen Feed durchliest, desto mehr versteht man von der Motivation der aktuellen Wirtschaftspolitik.
    Twitter: [Verknüpfung]

    Nikolai Ziegler (CDU) ist als persönlicher Referent von Staatssekretär Bareiß ranghoher Mitarbeiter im Bundeswirtschaftsministerium - und zugleich 1. Vorsitzender der Windkraft-Gegner-Dachorganisation Vernunftkraft e.V..
    Im August 2019 sagt er über den Konsens der Klimaforschung: "Das mit der überwältigenden Mehrheit ist ja so eine Sache. Diese 97 Prozent, die da zitiert werden, da halte ich nichts davon.
    Erst mal wurden da im Wesentlichen Leute befragt, die irgendwie schon in dieser Klimawissenschaft drin sind. Und nicht alle Wissenschaftler. Da gibt es also auch Papiere von renommierten Leuten, die auch ganz viele Unterstützer haben, die das alles sehr kritisch sehen."
    Er macht gar kein Hehl daraus, dass die allermeisten Klimaskeptiker fachfremd sind. Von wissenschaftlichem Renommée kann man also gerade nicht sprechen, daran ändert auch eine noch so große Zahl von Unterstützern nichts.
    WDR: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]

    Thomas Bareiß ist auch Mitgründer des Berliner Kreises, einer informellen, aber einflussreichen Splitter-Gruppierung innerhalb der CDU. Der Kreis umfasst bei seiner Gründung 2012 - ein Jahr nach Fukushima, aber noch drei Jahre vor der Migrationskrise - auch die Rechtskonservativen Erika Steinbach und Alexander Gauland, der ein Jahr später eine eigene formelle "Wahlalternative 2013" für enttäuschte bürgerliche Wähler gründete und 2014 für die AfD kandidierte.
    Beim Treffen der "Wahren Schwarmintelligenz" in Wetzlar ist der Kreis eng mit etlichen Größen der neuen Rechten vernetzt.
    hr hessenschau: [Verknüpfung]
    Die CDU-Parteiführung unter dem Fraktionsvositzenden Kauder und Generalsekretär Gröhe agitierte offen gegen den Berliner Kreis und drohte mit Marginalisierung. Zitat aus einem Artikel in Die Welt:

    "Der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder erklärte, weltanschauliche Grüppchen gehörten nicht zur Tradition der Union, so etwas habe es stets nur bei der SPD gegeben. Hinter den Kulissen wurde auch angedeutet, wer ein führendes Amt behalten wolle oder in der Zukunft anstrebe, könne nicht beim Berliner Kreis mitmachen. Einflussreiche Abgeordnete, wie der Vorsitzende des Wirtschaftsflügels, Christian von Stetten, sagte daraufhin ab – und auch jüngere Konservative, wie der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, oder der Fraktionsvorsitzende in Thüringen, Mike Mohring, sagten sich daraufhin los."
    Welt: [Verknüpfung]

    Wolfgang Schäuble sprach in einer Präsidiumssitzung von "überschrittenen roten Linien".
    Welt: [Verknüpfung]
    Dass z.B. Bareiß es dennoch zum Staatssekretär an der Schaltstelle der Energiewende gebracht hat, ist ein deutliches Zeichen für den parteiinternen Machtverlust der Kanzlerin. Auch der zunächst verschreckte Philipp Lengsfeld stieß bald wieder zum Kreis. 2017 dann kritisierte der Kreis die Klimapolitik der Kanzlerin aufs Schärfste. Merkel hatte tags zuvor den Pariser Klimaschutzvertrag als „unumkehrbar“ bezeichnet und betont, es sei ein „lebenswichtiges Instrument für unseren Planeten, unsere Gesellschaften und unsere Volkswirtschaften“.
    Zitat einer Zusammenfassung in Wikipedia:

    "In einem Papier, das u. a. von Philipp Lengsfeld und Sylvia Pantel verfasst wurde, bestritt der Kreis eine „solitäre Rolle des Treibhauseffektes“, kritisierte den IPCC als „Weltrettungszirkus“ und forderte die Aufgabe des Zwei-Grad-Ziels, das auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 international vereinbart wurde. In der Erklärung wird kritisiert, dass die Folgen der globalen Erwärmung negativ dargestellt werden, hingegen sei „die mit dem Schmelzen des polaren Meereises verbundenen Chancen (eisfreie Nordpassage, neue Fischfangmöglichkeiten, Rohstoffabbau) vermutlich sogar größer als mögliche negative ökologische Effekte“. Es sei falsch, „aggressive politische Maßnahmen zur Senkung der Treibhausgase“ umzusetzen. Die Klimaforschung würde die Politik moralisch erpressen; dies müsse ein Ende haben. Beanstandet wird insbesondere die Förderung von Windenergie und Solarenergie. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz sei nicht zu reformieren und solle abgeschafft werden. Auch die Förderung von Elektromobilität und Energetischer Sanierung werden in Frage gestellt, diese müssten überprüft werden. Anstelle von vorbeugendem Klimaschutz soll die Anpassung an die globale Erwärmung treten."
    [Wikipedia 2019 - Berliner Kreis in der Union - Erklärung zur Klimapolitik]
    Berliner Kreis: [Pantel 2017]

    Wem das immer noch nicht radikal genug ist, der findet in der CSU-Splittergruppe "Konservativer Aufbruch" innerhalb der "Werte-Union" faustdicke Klimaskeptiker-Lügen, die seit Jahren vielfach widerlegt sind und sonst nur von der AfD vertreten werden; sie attackieren selbst die fossilökonomstische CDU/ CSU- Bundespolitik scharf und sagen gar (wie 2020 Trump beim Besuch der Waldbrände in Kalifornien) eine baldige globale Abkühlung voraus.
    Merkur: [Deutschländer 2020]
    Sie nähert sich mehr und mehr der AfD an, zuletzt mit der Wahl von Max Otte zu ihrem Vorsitzenden.
    Domradio: [Verknüpfung]

    Doch nicht nur marktliberale, konservative Wirtschaftspolitiker, sogar die umweltpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion CDU/CSU, Marie-Luise Dött, outete sich: sie habe sich bei ihren Wahlen in der Fraktion "gegen alle Gutmenschen durchsetzen" müssen, "um Schlimmeres zu verhindern" - immerhin hat sie seit 2005 bis heute immer eine Mehrheit gefunden.
    2010 gab sich Dött offen klimaskeptisch: die Thesen des einschlägig bekannten Klimaskeptikers Fred Singer bei einer Diskussionsrunde des Bundestages fand sie "sehr, sehr einleuchtend"
    - auch wenn sie diese Aussage später auf Druck von Kanzlerin Merkel relativierte.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]

    CSU-Agrarpolitiker Albert Deß verbreitet zwar seine klimaskeptischen Ansichten selten zur öffentlichen Profilierung - als sicherer CSU-Kandidat und Obmann der konservativen EVP-Fraktion im Landwirtschaftsausschuss des Europaparlaments ist er so mächtig, dass er das nicht nötig hat. Deß schaffte es 2018, einen Bericht von Stuart Agnew, einem Politiker der britischen rechtskonservativen Brexit-Partei UKIP, in das wichtigste EU-Klimaschutzprogramm LIFE einzubringen. In diesem Gutachten zitierte Agnew den Klimaskeptiker Björn Lomborg, der behauptet, kosmische Strahlung sei die Ursache der globalen Erwärmung. Deß' Änderungsvorschläge wurden unterstützt von weiteren Konservativen und Liberalen wie Ulrike Müller von der bayerischen Freien Wähler, deren Chef Hubert Aiwanger mit seinen klimaskeptischen Absurditäten traurige Berühmtheit erlangt hat. Immerhin konnten sie abgewiesen werden, der Bericht schaffte es jedoch in die Akten.
    [Wikipedia 2020 - Albert Deß]
    SZ: [Verknüpfung]
    Martin Häusling: [Verknüpfung]

    Nicht zuletzt sei Friedrich Merz erwähnt, der wie alle Spitzenpolitiker der CDU offene Klimaskepsis meidet, aber klar die nachweislichen Gefahren relativiert, um mit unwirksamen Scheinlösungen Klimaschutz zu bremsen.

    Die zahlreichen Gutachten der letzten Jahre fordern für die Ernährungssicherheit unisono die Bewahrung der Biodiversität, und damit die schnellstmögliche Abschaffung der konventionellen Landwirtschaft. Die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) brachte 2022 das Nature Restoration Law in die EU-Gesetzgebung ein, das eine wesentliche Basis für die Verabschiedung des Montreal-Protokolls für Naturschutz darstellte. All die Studien haben von der Leyens konservative Parteikolle:inenn jedoch nicht beeindruckt. Für Manfred Weber, Chef der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, gilt die Maxime: "keine weitere Belastung der Landwirte". Das Gesetz gefährde die Ernährungssicherheit der Menschheit, außerdem behindere es den Ausbau der Erneuerbaren Energien.
    Im Kampf gegen das Nature Restoration Law setzt Weber 2023 die EVP-Fraktion aggressiv unter Druck. Vorwürfe, Weber habe einigen mit Rausschmiss gedroht, dementiert er. Der tschechische EVP-Abgeordnete Stanislav Polčák teilte per Twitter mit, er sei gegen Webers Vorstoß, wolle aber der Fraktion nicht im Weg stehen. Er verlässt die EVP-Fraktion.
    SZ: [Verknüpfung]
    Allein der Deutsche und der Bayerische Bauernverband unterstützen Weber öffentlich.
    Widerspruch gegen die EVP-Initiative kommt natürlich von sämtlichen Umweltverbänden, aber auch aus dem Windkraft-Verband WindEurope und einer ganzen Reihe von Bauernverbänden. Eine gravierende Beeinträchtigung der Erneuerbaren sei nicht zu befürchten, und die Regeln würden die Bedingungen für Landwirtschaft verbessern, u.a. die Artenvielfalt und die Wasserversorgung.
    windeurope: [Verknüpfung]
    Über 3300 Wissenschaftler:innen aus der EU unterschreiben eine Analyse des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig iDiv, das die Forderungen der EVP wissenschaftlich kritisiert.
    Über 740 europäische Wissenschaftler:innen unterschreiben eine sofortige Einschränkung von Pestiziden.
    [Verknüpfung]
    Sogar ein Bündnis verschiedener Unternehmen der Nahrungsmittelindustrie spricht sich öffentlich für das Gesetz aus, u.a. Nestlé, Mondelez, Coca-Cola und Unilever; Begründung: auf lange Sicht sei das Gesetz gut für die Wirtschaft.
    Der spanische Sozialdemokrat César Luena machte sich darüber lustig: "Oh poor people of the EPP, now they are afraid of the lobbies. Do you believe this?". Politico spricht von einem Kreuzzug Webers gegen die Natur, der in der Wirtschaft auf massive Ablehnung stößt, Titel: "Business slams EU conservatives’ anti-nature crusade".
    Umweltausschuss des EU-Parlaments: [Verknüpfung]
    Umweltausschuss des Bundestags: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    DBV: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Politico: [Verknüpfung]
    Nur einen Tag vorher hat der Bauernverbands-Vorsitzende Joachim Rukwied staatliche Subventionen für Bewässerungsanlagen gefordert.
    Rheinische Post: [Verknüpfung]
    Am 27.06.2023 stimmt der Umweltausschuss mit 44 zu 44 Stimmen dagegen, die Abstimmung im Parlament hat Weber am 12.07. knapp verloren, trotz Unterstützung von AfD und FDP.


    [Verknüpfung]

    Am 27.02. wird das Gesetz vom EU-Parlament angenommen.
    Spektrum der Wissenschaft: [Verknüpfung]
    Die Entscheidung des EU-Rats steht allerdings noch aus, und hier werden oft hinter den Kulissen gemeinwohlschädliche Deals vereinbart.
    agrarheute: [Verknüpfung]
    Der CDU-Abgeordnete im EU-Parlament Peter Liese macht im DLF-Interview die Befürworter lächerlich, indem er von einem romantischen Bild von Landwirtschaft redet. Er erläutert die Probleme der CDU mit dem Gesetz noch weiter: zuviel Naturschutz behindere Windräder, Radwege - also Klimaschutz. Er verschweigt, dass im CDU-geführten Wirtschaftsministerium unter Peter Altmaier Nikolai Ziegler saß, der Bundesvorsitzende der Anti-Windkraft-Bewegung Vernunftkraft e.V.. Diese vernetzte bundesweit teils militante Initiativen gegen Windräder, die genau diese Gesetze nutzten; auch Radwege wurden so von Konservativen verhindert. Der DLF-Journalist Oliver Heckmann hätte Liese damit konfrontieren müssen, als besonders deutliches Beispiel für die fossilkonservative Energie-Kehrtwende-Politik der CDU. Auch die ignorierten Studien hätte er zitieren müssen. Die Kommentare der Befürworter werden immerhin im Einspieler des Beitrags von Carolin Born ergänzt.
    [Verknüpfung]
    Der Vorsitzende des Umweltausschusses, der Liberale Pascal Canfin, spricht von bei der Begründung von Desinformation und Trumpismus und wirft Weber vor, unliebsame Fraktionskollegen unter Druck gesetzt zu haben.
    [Verknüpfung]

    Die konservativen Parteien im EU-Parlament haben die Vorhaben der Kommission, den Einsatz von Pestiziden bis 2030 schrittweise drastisch einzuschränken, im November 2023 komplett verworfen - eine Woche nach der gescheiterten Abstimmung im EU-Parlament gegen eine Neuzulassung von Glyphosat durch die Blockade der FDP. Die Kommission verschiebt im Februar 2024 das Vorhaben auf die Zeit nach den Parlamentswahlen im Juni, und damit auf unbestimmte Zeit.
    MDR: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]

    Auch die Forderungen nach der Agrarwende rufen bei Fossilökonomisten unsachliche Reaktionen hervor. Minister Friedrich (CSU) twitterte als Reaktion auf die Veröffentlichung einer wissenschaftlichen Studie des Max-Planck-Instituts für Chemie über Feinstaub aus der Landwirtschaft: "Der Vernichtungsfeldzug der Ideologen frustriert vor allem viele junge Landwirte."
    SZ: [Grossarth 2019]
    Ob es sich bei den Vorwürfen tatsächlich um Ideologie handelt oder nicht, davon kann man sich hier als Naturwissenschaftler ein Bild machen, für die Fragen der Laien gibt es Suchmaschinen. Ich bin jedenfalls zu dem Schluss gekommen, dass die Studienergebnisse plausibel sind.
    MPIC: [Verknüpfung]

    Auch in hohen Positionen der FDP findet man Klimaskeptiker, z.B. die EU-Spitzenkandidatin Nicola Beer (2017, aktuell Vizepräsidentin des EU-Parlaments) oder Frank Schäffler (2014).
    taz: [Verknüpfung]
    Zeit: [Beckers 2021]


    Ich bekenne hiermit: Ich bin ein Klimaskeptiker. Und wird es dennoch ein wenig wärmer, dann freue ich mich über die besseren Ernteerträge, die milderen Winter und den besseren Wein.
    Frank Schäffler
    lobbypedia: [Verknüpfung]
    abgeordnetenwatch: [Verknüpfung]
    lobbypedia: [Verknüpfung]

    Unter Merkels schwarz-gelber Koalition galt Schäffler in seiner Partei noch als Außenseiter. Mittlerweile gibt er jedoch häufiger den Ton der FDP an, z.B. durch häufige Interviews und Auftritte in Talkshows.
    Schäffler idealisiert offen den Manchesterkapitalismus. Das Fachlexikon Wirtschafts-Ploetz definiert diesen als "extreme Form des liberalistischen Kapitalismus v. a. der ersten Hälfte des 19. Jh. [... . Dieser] propagiert die freie Wirtschaft ohne jegliche staatliche Steuerung bei gleichzeitiger völliger Vernachlässigung der sozialen Frage." So spricht Schäffler sich für die Abschaffung des Bundeskartellamts und der EU-Wettbewerbsbehörde aus. Damit liegt er auf einer Linie mit radikalen Libertären aus den USA.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Manchesterkaptialismus]
    Die libertäre Denkfabrik Cato Institute war 2015 auch das Vorbild für die Gründung seiner eigenen mit dem denkwürdigen Namen Prometheus, die wie das AfD-nahe EIKE von denselben fossil-konservativen US-Geldgebern mitfinanziert wird, u.a. dem Atlas Network. 2023 spielte Prometheus eine zentrale Rolle in der aufgeheizten Wärmepumpen-Debatte, die die Wärmewende verhinderte.
    Voraussetzung für das Durchschlagen der PR ist eine mangelnde Aufklärung der Gesellschaft; entsprechend setzt sich Prometheus von Anfang an für die Auflösung oder zumindest Schwächung der öffentlich-rechtlichen Medien ein. Schäffler selbst verbreitet den AfD-Terminus "Staatsfunk".
    [Wikipedia 2023 - Frank Schäffler]

    Der größte Skandal ist allerdings, dass in der Regierungsverantwortung die FDP den Klimaskeptiker Steffen Hentrich als Referenten in Klimafragen ernannt hat. Hentrich hat Kontakte zur klimaskeptischen Denkfabrik EIKE. ZDF Frontal21 hat einschlägige Zitate gesucht und gefunden.


    Ich denke nicht, dass wir eine Klimakrise oder einen Klimanotstand haben. Ich denke, wir haben eine Krise der Politik, weil Politiker von Aktivisten getrieben werden. [...] So wie ich die Studien lese, werden wir selbst in den Worst-Case-Szenarien in einer Welt mit viel mehr Wohlstand leben. [...] Global ist es in den letzten Jahren kaum wärmer geworden.
    Steffen Hentrich
    Spiegel: [Stöcker 2023-2]
    ZDF Frontal21: [Verknüpfung]
    FR: [Verknüpfung]
    Watson: [Verknüpfung]

    Mehr über den Lobbyismus der Fossilökonomisten weiter unten.







    Zum konservativen Narrativ gehört auch die Einschüchterung der Progressiven mit der Ansage, dass Aktivismus noch nie einen Fortschritt bewirkt habe. Diese Vorstellung liegt in der Natur des Konservativismus. Die Geschichte beweist jedoch immer wieder das Gegenteil.

    Die enormen Anstrengungen und Erfolge von Aktivist:innen sind eben oft schnell vergessen, die Masse nimmt die angenehmen Folgen dann als selbstverständlich, naturgegeben hin. Tatsächlich müssen Demokratie und Menschenrechte jeden Tag gegen reaktionäre Kräfte verteidigt werden.


    Durch Ruhe und Ordnung kann die Demokratie ebenso gefährdet werden wie durch Unruhe und Unordnung.
    Hildegard Hamm-Brücher

    Keine Regierung und keine Bataillone vermögen Recht und Freiheit zu schützen, wo der Bürger nicht imstande ist, selber vor die Haustüre zu treten und nachzusehen, was es gibt.
    Gottfried Keller

    Aktivistinnen von Fridays for Future bekamen Angela Merkel im August 2020 die Zusage das Freihandelsabkommen Mercosur mit südamerikanischen Staaten (u.a. das vom Faschisten Bolsonaro geführte Brasilien) in der jetzigen Form nicht zu unterzeichnen. Agrarministerin Julia Klöckner bestätigte diesen Schritt, betonte aber, dass es zum Schutz der deutschen Viehzüchter vor brasilianischem Billgigfleisch (das unter übelsten Bedingungen auf sogenannten Feed Stocks produziert wird) zu schützen. Sicher aber spielen die Proteste in der zivilgesellschaftlichen Wahrnehmung und Wahlumfragen eine Rolle.
    Immer wieder hört man von Fossilökonomisten: "grüner Alarmismus war schon immer unbegründet". Doch ohne restriktive Gesetze der 70er und 80er Jahre sähe die "Umwelt" heute noch ganz anders aus, die CDU prahlt nicht zu Unrecht damit. Es ist nur die Frage, ob die damaligen Bürgerproteste und Umfrageergebnisse nicht auch eine Rolle dabei gespielt haben. Doch die Gesetzgebung beschränkte sich auf sichtbare Verschmutzung, bei unsichtbarer Belastung mussten immer zuerst die vorhersagbaren Schäden auch deutlich eingetreten sein, bevor Beschränkungen kamen. Der damalige Umweltminister Töpfer kritisiert jetzt die aktuelle Klimapolitik seiner eigenen Partei.
    DLF: [Verknüpfung]
    Die deutsche Regierungspolitik hat es allzu oft bei der Bekämpfung der sichtbaren "Umweltverschmutzung" belassen und sich dann auf den Erfolgen ausgeruht - die unsichtbaren Belastungen und die Verursachung von Schäden anderswo werden solange verdrängt, bis die Folgen unübersehbar werden.

    Die zuständige Fachministerin Svenja Schulze (SPD) verweigert im September 2019 bei der Frage eines Journalisten nach Deutschlands verbliebenem CO2-Budget die Auskunft. Unkenntnis oder Vermeidungsverhalten - es fragt sich, was schlimmer ist.


    Unter diesen ganzen Tonnen und so kann sich doch keiner 'was vorstellen.
    Svenja Schulze
    rbb: [Verknüpfung]

    Der Vorsitzende der Jungen Union Tilman Kuban ruft auf dem Deutschlandtag 2019 demonstrativ zur kollektiven Trotzreaktion gegen den konsumkritischen Zeitgeist auf, und schürt Angst vor der Verbotskultur: "Aber bei aller Bedeutung und bei allem Verständnis für das Thema Klima muss man ja heute fast beinahe Angst bekommen, wenn man im Sommer mit Freunden 'ne Flasche Bier aufmacht und 'n [...] Stück Fleisch auf den Grill legt. Ja, liebe Freunde, es soll noch Leute in diesem Land geben, die im Sommer den Grill anwerfen. [...] Und ja, es soll auch noch Leute geben, die im Sommer in den Sommerurlaub nach Malle fliegen, liebe Freundinnen und Freunde." Damit provoziert er einen stadiontauglichen Chor, den er nur lächelnd goutiert: "Aber scheiß' d'rauf - Malle ist nur einmal im Jahr."


    youtube: [Verknüpfung]

    Wer etwas Unmoralisches vorhat, sucht nach Komplizen. Kuban schwört seine Anhänger ein und spielt sich als Freiheitskämpfer auf. Um diesen Mythos geht es auch im nächsten Kapitel.


    Ich glaube an den Menschen, und das heißt, ich glaube an seine Vernunft! Ohne diesen Glauben würde ich nicht die Kraft haben, am Morgen aus meinem Bett aufzustehen.
    Bertolt Brecht - Aus dem Leben des Galilei, Szene 3






    Während die Menschheit eine potentielle (für manche jetzt schon sichtbare) Klima-Vernichtungs-Perspektive hat, ist für andere schon beim Thema Tempolimit, Kreuzfahrten oder Flugreisen jedwede Einschränkung der individuellen Freiheit unzumutbar. Diese Einstellung wird von Vielen provokativ zur Schau gestellt und von narzisstischen Werbeaussagen massiv verstärkt. Den Einfluss der milliardenschweren Werbebranche sollte man nicht unterschätzen. Egoismus und seine Kollektivform, der Sozialdarwinismus, sind Merkmale des Neoliberalismus.
    Im Grunde stecken dahinter kindliche Antriebe, die in einer funktionierenden Gesellschaft beim Reifen, beim Erwachsenwerden, mehr oder weniger verschwinden. Im Neoliberalismus dagegen werden sie kultiviert.
    In der Klimakrise kann man in extremen Fällen von Klimarassismus und Klimafaschismus sprechen.
    Dabei ist die Sachlage klar: ein Tempolimit hat viele positive Effekte, v.a. aber senkt es die Emissionen spürbar. Dazu braucht man eigentlich keine Studien, weil simple Konzepte über Luftwiderstand, Kraft und Energie ausreichen.
    [Verknüpfung]
    Die Frage ist, welche Antworten unsere Gesellschaft auf solche krasse Spaltungen findet.

    Die kabarettistische ZDF-Serie Heute-Show zeigt, wie weit Verkehrsminister Andreas Scheuer in der Diskussion um das Tempolimit geht: bis ans argumentative Limit, und darüber hinaus.


    twitter: [Verknüpfung]

    Es geht um die Freiheit weißer Menschen, und dabei in erster Linie von Männern. Der Poetry Slammer Maik Martschinkowsky bringt die Widersprüche der patriarchalen Freiheitserzählung in nur acht Minuten derart auf den Punkt, dass ich ihn hier nochmals zitieren muss:

    "Aber das ist mir immer noch lieber als dieser ganze Männlichkeitswahn, dieser ganze ... . Also ich hab' nichts gegen Männer, aber. Es ist schon auffällig, dass sie bei allem, bei allem, was schlecht läuft auf der Welt, 'ne, 'ne führende Rolle spielen. Ich will keine, ich will keine Stereotype aufmachen, ja, keine Stereotype aber, aber ist doch wahr. Ich meine das ist doch, insbesondere bei diesen ganzen, diesen ganzen Klimaleugnungsfaschisten mit ihrem Tempoterror, ja, Tacho 260, Puls auf 180, IQ auf 90 - anders'rum wäre schlauer, sage ich 'mal.
    Entschuldigung, aber das regt mich einfach auf. Alles.
    Ja, auch diese ganze Entmündigungshysterie, da will jemand nur 'mal ein kleines Verbot, nicht mal Verbot, eine kleine Änderung einführen, eine kleine, klitzekleine Änderung, und sei sie noch so harmlos - da zücken X Typen ihr Handy aus der Tasche, brüllen irgendwas von Freiheit und Selbstverantwortung da 'rein und stellen das dann ins Internet. Und wenn mal jemand was sagt gegen diese, diese Meinungsinvasion, ja dann heißt es sofort [theatralisch ins Lächerliche ziehend]: „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist der gecanceltste im ganzen Land? Mimimi, mimimimi!“
    Dabei muss ich mal sagen, ich finde und ich glaube, ich bin nicht alleine mit dieser Meinung. Ich bin nicht alleine. Damit bin ich mir sicher:"


    Es gibt einen Unterschied zwischen begründeter Einschränkung zum Wohle der Allgemeinheit und irgendwelchen Verboten, die nur gemacht werden, damit irgendwas sich nicht ändert. Das wird man ja wohl noch differenzieren dürfen.
    Maik Martschinkowsky

    Hier noch eine Liste anderer Freiheiten, deren Schadwirkungen wir unseren Kindern zumuten - für unseren maximalen Luxus und Profit. Bei jedem dieser Punkte stellt sich mir die Frage, wo für den Bürger wirklich ernsthaft die Freiheit bedroht wäre, wenn man hier Einschränkungen machen würde?

    • Verschwendung ohne jede Notwendigkeit
    • Verkauf und Bewerben von Produkten aus Produktion, die Menschen und Biosphäre ausbeutet
    • ständige, sofortige Verfügbarkeit von ganz bestimmten aufwändigen Produkten, zu denen es nachhaltige Alternativen gibt
    • Unfähigkeit zum Bedürfnisaufschub oder bewusstem Verzicht
    • freies Design unnötiger Verpackungen
    • weite Transportwege, um die Kosten von Produktions- und Lieferketten bis in den Promillebereich zu minimieren, bei gleichzeitiger Subventionierung fossiler Brennstoffe
    • ...

    Es ist ein Irrglaube, eine möglichst breite Produktpalette an Urlaubszielen, Turnschuhen, Parfums oder Würsten sei Ausdruck einer freien Gesellschaft. Sie ist Ausdruck dessen, dass wir alle zum Konsum erzogen worden sind.
    Ingo Arzt
    taz: [Verknüpfung]

    Der Sozialpsychologe Thomas Kliche von der Universität Magdeburg spricht ohne Umschweife von Bequemlichkeitsverblödung.
    [Verknüpfung]
    Bei Psychologists for Future diskutiert er die wichtige Frage, ob Verzicht mit Leid verbunden sein muss.
    [Verknüpfung]

    Der bekannteste deutsche Philiosoph Immanuel Kant hat gesagt: "Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." Artikel 2 des Grundgesetzes orientiert sich an diesem "kategorischen Imperativ", und das Verfassungsgericht hat aus diesem Grundsatz heraus das Klimagesetz der Merkel-Regierung als verfassungswidrig erkannt.
    Doch auch ohne Gesetze gibt es ethische Vorstellungen, und wenn sie sich in einer Gesellschaft durchsetzen, spricht man von Moral. Fossilökonomismus ist auch der Versuch, eine Etablierung der Klimagerechtigkeits-Ethik zu verhindern. Doch der Deutsche Ethikrat widersprach dieser Auffassung mit seiner Erklärung zur Klimagerechtigkeit 2024.

    Die Säkularisierung, die die Massen erst nach dem Zweiten Weltkrieg nachhaltig erfasst hat, wurde zu recht als Befreiung verstanden, hinterließ jedoch ein moralisches Vakuum, das zunächst von der Zivilgesellschaft ausgefüllt wurde. Der Verfassungsrichter Ernst Böckenförde hat diese Entwicklung schon vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil beschrieben.

    Nach 40 Jahren Neoliberalismus stehen wir jetzt vor einem moralischen Bankrott. Die Corona-Demonstrationen gegen vermeintliche Einschränkungen der Freiheit sind ein erschreckendes Fanal, das wie eine Generalprobe der fossilen Reaktion anmutet. Sie wird befeuert von denselben Populisten, der alten fossilen Elite. Der SPD-Sozialpolitiker, Ex-Bundestagspräsident und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken Wolfgang Thierse beklagt ein "verkommenes Freiheitsverständnis".
    [Verknüpfung]
    Der Bundesgerichtshof urteilte in letzter Instanz 2023, dass die Klagen gegen Freiheitseinschränkungen nicht berechtigt sind.
    [Verknüpfung]

    Mancher klimaschädliche Zeitgenosse macht es sich da allerdings etwas einfacher und verweist auf die Verantwortung des Gesetzgebers, der ja klimaschädliches Verhalten sanktionieren könnte. Man hört jetzt oft Sätze wie: "Soll der Gesetzgeber es doch verbieten" - sagt's und steigt achselzuckend in den Flieger oder auf das Kreuzfahrtschiff. "Weil ich's kann." - Rechtfertigung des von jeglicher Klimamoral befreiten Opportunisten? Oder Ruf des unmündigen Bürgers nach Orientierung durch die Obrigkeit?
    Die Frage ist nämlich, ob dieser Bürger in der Wahlkabine die ethische Konsequenz zieht und eine Partei wählt, die von vorne herein verspricht, die Freiheit zur Zerstörung der Welt zu beschränken - oder eben nicht. Wenn die Politik Einschränkungen durchsetzen soll, muss sie den Rückhalt der Wähler spüren. Solange der zivilgesellschaftliche Klima-Verhaltenscodex lautet "tu' was Du willst", wird es immer die geben, die ihr eigenes Fehlverhalten mit dem der anderen rechtfertigen. Was in einer humanistischen Gesellschaft nicht legitim ist - in einer neoliberalen bis neolibertären allerdings schon. Da gilt in vielen Fragen: "alles egal, jeder so, wie er kann" - also das Recht des Stärkeren, Sozialdarwinismus.

    Die ferne Obrigkeit schiebt im Gegenzug gerne die Verantwortung auf den Bürger zurück. Im selben Atemzug bringt sie gleich noch das misanthropische Bild vom egoistischen Menschen zum Ausdruck, anstatt moralische Leitplanken zu setzen. In populistischer Weise spiegeln sie den vermeintlichen Willen des Wählers - und bekräftigen dadurch gleichzeitig seine Vorstellungswelt.


    Wir brauchen Einigkeit darüber, wieviel Recht auf Freiheit wir noch haben.
    Wir brauchen Einigkeit darüber, wieviel Freiheit noch recht ist.
    Christoph Sieber

    In der französischen Sprache unterscheidet man den biederen, auf seine eigenen Freiheiten bedachten Bourgeois (Besitzbürger) vom politischen, am Gemeinwohl orientierten Citoyen (Staatsbürger). Die individuelle Freiheit ist ein populistischer Fetisch des Neoliberalismus, dem dringend ein neues Narrativ gegenübergestellt werden muss.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die sozial-ökologische Krise stellt westliche Privilegien fundamental in Frage. Das jahrzehntelange Verschleppen und Verhindern macht disruptive Veränderungen notwendig, und das empfinden viele als existentielle Bedrohung der Identität. Konservative versuchen, daraus auf gesellschaftlicher Ebene einen Kulturkampf zu stilisieren. In Anlehnung an die Auseinandersetzung in den USA um white supremacy sprechen sie von unterdrückender Cancel Culture und überschießendem Wokismus. Sie fordern Toleranz für Intoleranz, demokratische Teilhabe für Autoritäre. Diese reaktionäre Gegenbewegung wirft neue Fragen auf.


    Wieviel Intoleranz kann sich eine tolerante Gesellschaft erlauben?
    Wieviel autoritäre Politik darf ein demokratischer Staat zulassen?

    In der Corona-Krise ist - auch unter Einfluss autoritärer Interessen in China und Russland - das Freiheitsthema noch weit intensiver und spalterischer diskutiert worden. Verschörungs-Narrative haben dabei erschreckend effektiv Verbreitung gefunden. Die Desinformations-Psychologen konnten dabei aufbauen auf einem gesellschaftlichen Phänomen, das Francis Fukuyama als Folge einer gesellschaftlichen Degeneration beschreibt. Noch unter dem Eindruck der Migrationskrise berichtet der SPÖ-Politiker Hannes Svoboda 2017 darüber in einem Vortrag über "Freiheit und Toleranz", Zitat:

    "Interessanterweise hat gerade Francis Fukuyama ["Das Ende der Geschichte"] darauf hingewiesen, dass Freiheit nicht alles ist, vor allem, wenn sie mit dem Niedergang des Gemeinschaftslebens einhergeht. Das „bringt die Gefahr mit sich, dass wir uns zu allseits abgesicherten, egozentrischen letzten Menschen entwickeln, denen jedes thymotische Streben nach höheren Zielen fremd ist, weil sie nur noch um ihre private Bequemlichkeit besorgt sind.“ Fukuyama warnt davor, dass unter diesen Bedingungen „Menschen aus einer gewissen Langeweile heraus kämpfen“. „Und wenn der größte Teil ihrer Welt in friedlichen und wohlhabenden liberalen Demokratien lebt, dann kämpfen sie eben gegen(!) Frieden und Wohlstand und gegen die Demokratie.“"
    [Verknüpfung]

    Die Philosophin Eva von Redecker zieht im Zeit-Interview bemerkenswerte Parallelen zwischen Wissenschaftsleugnung in der Klima- wie in der Coronakrise und denkt über falsch verstandene Freiheit nach.
    Zitat aus dem Zeit-Artikel:

    "Von Thadden: „Worüber denken Sie gerade nach, Eva von Redecker?“
    Von Redecker: „[...] Das Privileg des 21. Jahrhunderts wird es sein, nicht reisen, auswandern oder gar fliehen zu müssen. Sondern einen Ort zu haben, der bestehen bleibt, von dem man nicht wegmuss. Es stellt sich dramatisch die Frage: Wie können wir auf anständige Weise diese Orte teilen, wie sie erhalten und für die Welt öffnen? [...] Ich beobachte entsetzt, wie stark sich derzeit in verschiedenen Gruppen der Freiheitsbegriff verkettet mit einem Recht, zu zerstören und Leben zu gefährden. Man spürt offenbar seine Freiheit nur, wenn man sie wüst verwenden kann: Die Meinungsfreiheit ist erst zu spüren, indem man andere verletzen darf, die Konsumfreiheit, indem man in Benzinschleudern fahren kann, und die öffentliche Bewegungsfreiheit, indem man anderen ins Gesicht husten darf. Die liberale Freiheit der Wahl ist ja bereits ein recht enger Freiheitshorizont, aber hier verfinstert sich dieser noch autoritär. Solche Freiheit gebärdet sich als gefährliche Rücksichtslosigkeit, wenn wir die Schranke, die die anderen für uns sind, einfach durchbrechen wollen. In meinen Augen beruht diese Haltung darauf, dass wir den modernen Bürger nach dem Modell des Eigentümers konzipiert haben, der in seiner eigenen Domäne nach Belieben schalten und walten kann. Hinzu tritt eine schräge Euphorie, die derjenige verspürt, der mit dem Rest der Welt gleich auch die Realität aus seiner Domäne aussperrt. [...] Die protestierende Minderheit lebt in der Illusion, dass die Realität des Virus nicht existiert. In diesem Freiheitsverständnis zeigt sich ein Weltverlust in beängstigendem Maßstab. Es ist ein berauschendes Phantasma, die Probleme abzustreifen, in denen wir leben, anstatt sie handelnd zu lösen. [...] Hannah Arendt hat von der Banalität des Bösen gesprochen als einer Unfähigkeit, sich seiner Vorstellungskraft zu bedienen. Diese Banalität hat heute eine Entsprechung: Man sieht nicht und will nicht sehen, wie die Welt aussehen wird, wenn wir weiter der Freiheit nachgehen, Lebensgrundlagen zu zerstören. Gegenwärtig wird es ja, ob klimapolitisch oder im Blick auf die Pandemie, fast als ein Recht eingefordert, sich dumm und blind zu stellen gegenüber den Handlungsfolgen. Das erscheint mir als Freiheitsverlust. Es führt zu Handlungsunfähigkeit. Die Umweltbewegung aber, vom Bündnis Ende Gelände bis Fridays for Future, mahnt zur Realität und zur Zukunftsvorstellung. [...] Diese Pandemie zeigt schließlich auch eine Krise unseres Naturverhältnisses an. Sie macht mit Nachdruck deutlich, dass unsere gesellschaftlichen Dynamiken das Leben und Atmen aufs Spiel setzen. Insofern stärkt sie langfristig vielleicht auch die Umweltbewegung.“
    Von Thadden: „[...] Was unterscheidet den Protest der Corona-Skeptiker vom Protest der Klimaaktivisten?“
    Von Redecker: „Ich versuche gegenwärtig, die Formen und Akteure des Protests in Bezug auf den Begriff des Lebens zu verstehen. Dieser Bezug ist auf beiden Seiten grundverschieden. Die Besitzstandswahrenden nehmen das Sterben oder Aussterben vieler Lebewesen in Kauf, zugunsten des eigenen Lebens. Dafür hegen sie das Lebendige herrschaftsförmig zum eigenen Vorteil ein, ob es um die Grenzschließung gegenüber Flüchtenden geht, die Leugnung der Realität des Virus oder um ein nutzenorientiertes Naturverhältnis. Die andere Seite der Protestierenden versteht hingegen das planetare Leben als einen Zusammenhang wechselseitiger Abhängigkeit, ihnen geht es darum, das Gedeihen auch der gefährdeten Lebewesen zu fördern [...].“"
    Zeit: [Von Thadden 2020]


    Es ist ein berauschendes Phantasma, die Probleme abzustreifen, in denen wir leben, anstatt sie handelnd zu lösen.
    Eva von Redecker

    Wo eine Wissenschaftlerin sich in Zurückhaltung üben muss, kann ein politischer Redakteur etwas deutlicher werden. Jan Roß von der Zeit spricht Klartext.
    Zitat:

    "Der Verlotterung begegnet man am krassesten in einer vulgärlibertären Mentalität, die sich als Antwort auf die Covid-Restriktionen herausgebildet hat. Dies ist die Ideologie der Maskenverweigerer oder von AfD-Politikern, die mitten in der Pandemie Präsenzparteitage abhalten und Corona-Schutzvorkehrungen unter Diktaturverdacht stellen: Ich denke gar nicht daran, mich einzuschränken oder mein Verhalten zu ändern; das ist eine autoritäre Zumutung. Freiheit bedeutet hier das Recht auf Ignoranz und Rücksichtslosigkeit, moralisch aufgehübscht als Widerstand gegen einen übergriffigen Bevormundungsstaat.
    Diese Art Vulgärfreiheitlichkeit ist übrigens nicht auf die Covid-Debatte beschränkt, man kennt sie auch als Abwehrgeste gegen das Ansinnen ökologischer Lernvorgänge: Da werden dann der Verzehr von Billigschnitzeln oder die Raserei auf der Autobahn zu Akten des Nonkonformismus, der Selbstbehauptung des Bürgers gegen obrigkeitliche Gängelei erklärt. Das alles lässt sich nur als intellektuelle und moralische Regression verstehen, als eine Art trotziges Heimweh nach der Dreijährigkeit. Wenn die Freiheit solche Freunde hat, braucht sie eigentlich keine Feinde mehr."
    Zeit: [Verknüpfung]

    Will sagen, dass der kollektive Missbrauch der persönlichen Freiheiten auf Kosten Anderer dazu führen kann, dass die daraus resutierenden Krisen ohne Repression nicht mehr zu bewältigen sind.
    Weil sie so treffend sind, noch einmal die wichtigsten Sätze als hervorgehobenes Zitat:


    Man kennt [Vulgärlibertarismus] auch als Abwehrgeste gegen das Ansinnen ökologischer Lernvorgänge: Da werden dann der Verzehr von Billigschnitzeln oder die Raserei auf der Autobahn zu Akten des Nonkonformismus, der Selbstbehauptung des Bürgers gegen obrigkeitliche Gängelei erklärt. Das alles lässt sich nur als intellektuelle und moralische Regression verstehen, als eine Art trotziges Heimweh nach der Dreijährigkeit.
    Wenn die Freiheit solche Freunde hat, braucht sie eigentlich keine Feinde mehr.
    Jan Roß

    Ich möchte dem noch etwas hinzufügen.


    Die Bremser im Corona- und Klimaschutz spielen sich gerne als Kämpfer für die Freiheit auf.
    Wenn die Freiheit solche Freunde hat, braucht sie keine Feinde mehr.
    (nach Jan Roß)

    Das Absurdeste ist, dass gerade autoritäre Populisten am lautesten gegen Einschränkungen zum Schutz gegen Corona- und Klima-Krise schreien. Gerade sie verdrehen schnell die Begriffe, reden von "Klimadiktatur" und "Coronadiktatur". Doch sollte sich in irgend einer Krise herumsprechen, dass China damit wesentlich erfolgreicher zurechtkommt als Europa (so wie gerade mit der Corona-Pandemie), könnten Autoritäre auch bei uns die Macht übernehmen. Gemäß dem Wahlspruch der SPD um 1900: "Nur die allerdümmsten Kälber wählen den Metzger selber." In den USA konnte im Januar 2021 die faschistische Katastrophe um ein Haar abgewendet werden, zumindest für vier Jahre.

    Weniger dramatisch, doch umso leichter vermittelbar, drücken es die Prinzen in ihrem Lied zum Comeback 2021 aus.

    "Songtext zu „Dürfen darf man alles“

    Darf man Frauen überhaupt noch Komplimente machen?
    [...] Oder über nicht korrekte Witze lachen?
    [...] Darf man schneller reden, als es der Verstand erlaubt?
    [...] Oder Sachen sagen, die man selbst nicht glaubt?
    [...]
    „Was darf man denn eigentlich noch heutzutage?“
    Nachts liegst du wach und stellst dir diese Frage
    Die du ja kaum noch zu fragen wagst
    Doch deine Oma hat immer gesagt
    Dürfen darf man alles
    Müssen muss man nichts
    Können kann man vieles
    Doch was woll'n wir eigentlich?
    Keiner muss ein Schwein sein
    Denk nicht an dich allein'
    Wenn das der Fall ist, dann sag' ich:
    Dürfen darf man alles

    Darf man mal so eben in die Südsee jetten?
    [...] Fleisch, Thunfisch, Robben und Delfine essen?
    [...]
    Manche glauben, dass die Welt sich gegen sie verschwört
    Manche meinen, dass die Wahrheit doch nur ihn'n gehört
    Manche sagen, was sie denken, dann sagen sie danach
    Dass man heutzutage ja nichts mehr sagen darf

    Dürfen darf man alles
    Müssen muss man nichts
    Können kann man vieles
    Doch was woll'n wir eigentlich?
    Keiner muss ein Schwein sein
    Denk nicht an dich allein'
    Wenn das der Fall ist, dann sag' ich:
    Dürfen darf man alles
    "

    genius.com: [Verknüpfung]

    In einem Zeit-Essay beschreibt Yasmine M'Barek das Lebensgefühl von Prekariats-Aufsteigern, denen die Weltrettungs-Ideen einer Jugend fremd sind, die einen überpropotional hohen Anteil von Oberschicht-Kindern hat. Ihnen ist das fossile Wohlstandsversprechen zu attraktiv, als dass sie ihre mühsam erreichten Privilegien wieder einfach aufgeben.

    Der Kommentar eines anonymen Lesers ist sehr treffend.


    [...] Die Verantwortung zu individualisieren kann bei Almende-Problemen nicht funktionieren. Das funktioniert soziologisch schon innerhalb einer Dorfgemeinschaft nicht, bei der jeder jede kennt. Wie soll es das bitte weltweit? Bei den inhärenten und extremen Widersprüchen, die sich bei der "Selbstverantwortung" hier auftun, bleibt nur die Flucht in Scheinheiligkeit, Scheiß-Egal, oder eine Psychose. Oder irgendwo dazwischen.
    Klimaschutz geht nicht ohne massive Einschränkungen. Die können, wenn überhaupt, nur ordnungspolitisch durchgesetzt werden. Für alle zugleich. Oder eben nicht.
    Nichtsdestotrotz: Ein mieses Scheiß-Egal-Gefühl ist selbst individuell keine Lösung. Man muss auch in dieser Frage seinen individuellen moralischen Kompass finden und dem dann folgen. Und nein, das ist ist nicht dasselbe wie Beliebigkeit. Am Ende tut man ALLES was man tut für sich. Oder anders gesagt: Es ist wichtig, das Richtige zu tun, auch wenn es wirkungslos erscheint. Einfach, weil es das Richtige ist.
    EinTollerName
    Zeit: [Verknüpfung]

    Der KIT-Transformationsforscher Volker Stelzer kritisiert bei n-tv die Politik der Ampel-Regierung als unzureichend - sie beschneide weiter die Freiheit der kommenden Generationen, Deutschland verfehle seine Generationenaufgabe. Zitat:

    "Wer mehr Geld hat, hat auch mehr Möglichkeiten, sich den Folgen des Klimawandels anzupassen, etwa indem er oder sie das Haus klimatisiert. [...] Kranke und ärmere Menschen, die sich das Anpassen und Ausweichen nicht leisten können, werden deutlich mehr unter den Folgen des Klimawandels leiden. [...] Tempolimit und höhere Preise für Flugtickets sind] einfache und effektive Maßnahmen. [...] Wir haben zum Beispiel nicht einmal eine Mehrwertsteuer auf Flugbenzin, geschweige denn eine CO2-Abgabe. Das kann man in unserer Lage schon fast schizophren nennen. [...] Es geht nicht darum, Autos abzuschaffen, aber der Dienstwagen triggert ja praktisch dazu, ins Auto zu steigen, statt auf die Bahn zu setzen. [...] Wir könnten die Kosten des Klimawandels in die Lebensmittel einspeisen, die ihn befeuern. Das wären zum Beispiel Milch, Käse und Rindfleisch. Im Gegensatz dazu könnten wir die Mehrwertsteuer auf pflanzliche Lebensmittel wie Erbsen, Kartoffeln und Zwiebeln ganz erlassen. [...] Je weniger die Menschen heute fliegen, Auto fahren und mit fossilen Brennstoffen heizen, desto milder fallen die Einschränkungen der künftigen Generationen aus. [...] Deswegen braucht es noch viel mehr Aufklärung und vor allem harte Vorgaben. [...] Wenn ich die Gesamtheit der geplanten Maßnahmen betrachte, gehe ich davon aus, dass wir es nicht schaffen. Mit diesem Kurs werden wir das uns noch zustehende Budget an CO2 überschreiten."


    Heutige Beschränkungen erhöhen Freiheitsgrade von morgen.
    Volker Stelzer
    n-tv: [Verknüpfung]

    Kants kategorischer Imperativ lässt sich so interpretieren: die Freiheit des einen hört da auf, wo die des anderen anfängt - das sind heute v.a. die Klimaopfer der Dritten Welt (nur weil die Opfer so weit weg sind, empfinden die meisten kein großes Mitleid); zu Kants Zeiten lebte man noch ziemlich nachhaltig, und die Zivilisation hatte noch große Räume zur Ausdehnung; und so würde das schon einmal bedeuten: je mehr Menschen da sind, desto begrenzter werden die Ressourcen für jeden einzelnen.
    Unsere extraktivistische (ausbeuterische) Lebensweise ist zutiefst nichtnachhaltig; man darf den kategorischen Imperativ nicht nur in räumlicher, sondern muss ihn endlich auch in zeitlicher Dimension denken, wie Hans Jonas es schon 1979 forderte. Im Respekt auf die Menschen der Zukunft muss man Kant hinzufügen:


    Die Freiheit der einen Generation hört da auf, wo die der nächsten anfängt.

    Die Jugend hat ein Recht auf Zukunft - das müssen die Alten endlich anerkennen.
    Das folgende Bild ist eine Nachbildung eines Demo-Schilds mit der Originalbeschriftung, dessen Autoren ich mir leider unbekannt sind.




    Ich war 'mal so frei.

    Liberale flüstern den Konservativen ein, diese Forderung sei nicht gerechtfertigt, da sie dem Gewohnheitsrecht der Alten zuwiderlaufe, und insgeheim sichert man sich gegenseitig Komplizenschaft zu. Jens Jessen hat diesen Freiheitsbegriff in der Zeit kritisiert.
    Auf der einen Seite fordern in der Corona-Krise v.a. alte Menschen von der Jugend zu Recht, Rücksicht zu nehmen auf die Risikogruppen, indem sie die Ausbreitung des Virus durch disziplinierte Isolation zu bremsen. Zuwiderhandeln wird moralisch streng bewertet. Doch in einem Atemzug versuchen Fossilökonomisten, die moralischen Appelle der Jugend auf klimagerechtes Verhalten als "zutiefst autoritär[e]" "Fantasien von einem ökologischen Notstandsregime" (d.h. als Ökodiktatur) und als Hypermoral abzutun.
    Mit dieser libertären Darstellung räumt 2024 der Deutsche Ethikrat endlich auf.

    Es war ein großer Erfolg der Klimabewegung, dass das Bundesverfassungsgericht mit seinem Urteil gegen das "Klimapaket" von 2019 genau diese Forderung an die Gesetzgeber unterstützt hat, mit der Begründung, dass die kommenden Generationen ohne Klimaschutz ihrer Freiheitsrechte beraubt würden. Auch die Positionierung des Deutschen Ethikrats zu einer moralischen Verpflichtung für Klimaschutz 2024 ist ein Erfolg.

    Das letzte ernsthafte Wort zum Thema bekommt die Historikerin für Neuere und Neueste Geschichte an der Universität der Bundeswehr in München und Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin, Prof. Dr. Hedwig Richter. Sie blickt auf die fossile Reaktion nicht nur mit Bedenken, sondern sieht darin ein weiteres Zeichen für den gesellschaftlichen Wandel. Auf die Frage von Sarah Bosetti, wo die aktuelle Demokratiekrise herkommt, sagt sie:


    Ich denke, dass ein ganz großes Problem tatsächlich Kommunikation der Regierung ist, und da ist ein Punkt, dass Olaf Scholz immer wieder deutlich macht, dass er den Menschen eigentlich nichts zumuten will. Und das widerspricht eigentlich total unserem demokratischen System. Wir sollten Demokratie eben nicht missverstehen als "Lieferando-Service". "You'll never walk alone", was Olaf Scholz gerne sagt, "wir werden jederzeit bei Dir sein", "jedes Problem wird den Bürgerinnen oder den Bürgern abgenommen". Es ist wirklich ganz wichtig, dass wir Demokratie nicht mit Demoskopie verwechseln.
    Man muss den Menschen sagen: Es wird ganz viel anstehen. Und dann finde ich eben als Historikerin wichtig: Unsere Demokratie kann damit umgehen. Das stimmt nicht, dass unsere Demokratie 'ne Wohlfühl-Veranstaltung ist. Und wenn das noch besser erklärt wird, denke ich, dass die Menschen dabei mitgehen würden. [...]
    Interessanterweise [... wird] die Corona-Pandemie jetzt im Nachhinein von Rechten gekapert als etwas, dass das 'ne Zeit gewesen sei, in der die Politik brutal gegen das Volk agiert hätte, und Technokratie, usw., usw., aber die Umfragen während der Corona-Pandemie zeigen, dass das überhaupt nicht stimmt. Große Teile der Bevölkerung haben diese Politik akzeptiert, auch weil sie sich informiert haben. [...]
    Die Populisten versprechen eigentlich, dass alles so bleibt, wie es angeblich immer schon gewesen ist. Also nicht umsonst sind das mehr Männer als Frauen, weil wir aus 'ner Zeit kommen, wo Männer viel, viel mehr das Sagen hatten. Und ich denke, der Extremismus und auch der Populismus, dass man die auch so interpretieren kann, dass die Gesellschaft sich sehr, sehr positiv entwickelt, dass sie diverser wird, dass sie offener wird, und dass das [...] für 'ne Minderheit eben ein totaler Angriff ist. [...]
    Ich denke, dass wir das wirklich im Blick haben sollten, um auch nach wie vor zu sehen, dass wir stark sind. Die Demokratie ist stark, die Demokratinnen und Demokraten haben 'ne große Mehrheit. Aber ich sehe echt zum ersten Mal, dass diese Demokratie gefährdet ist, also diese starke, schöne Demokratie. Und wir müssen wirklich überlegen, wie wir die großen Veränderungen, die wir haben, dass wir die so gestalten, dass diese Populisten dadurch nicht stark werden. Und deswegen wäre es auch so wichtig, dass die Politik das offen und ehrlich kommuniziert. Dass die sagt, "das und das sind die Krisen, und das und das sind die Kosten". Aber dafür werden wir dann auch, wenn wir etwa die ökologischen Transformationen durchführen, dafür werden wir eine gerechtere Welt haben, wir werden eine viel gesündere Welt haben, die Städte sind schöner, die Menschen auf dem Land sind freier, weil sie nicht alle darauf angewiesen sind, ein, zwei, drei Autos vor der Türe zu haben.
    Hedwig Richter

    Bosetti: "Was würdest Du Menschen, die die AfD wählen oder wählen wollen, gerne sagen?"
    Richter: "Ich würde denen sagen: seid ehrlich, überlegt Euch 'mal wirklich, was das bedeuten würde, wenn die an die Macht kämen. Warum setzt Ihr auf etwas, das Hass hat und die Wirklichkeit ausblendet?"
    Showtip: Bosetti Late Night - Make Democracy Great Again


    ZDF bei Youtube: [Verknüpfung] bei 11min 23s
    Kurzfassung bei Youtube: [Verknüpfung]

    Hedwig Richters Gedanken sind ein guter Grund mehr, nicht zu verzagen: die Ewiggestrigen sind sehr laut, aber sie sind nicht die Mehrheit.

    Nur, wer sagt's ihnen?
    Das allerletzte Wort bekommt deshalb der Comedy-Kleinkünstler Dietmar Wischmeyer, der sich in der ZDF heute-show als satirischer deutscher Alterspräsident mit einer Ansprache an das Volk wendet. Er macht den Ewiggestrigen eine klare Ansage, Zitat:

    "So, liebes Staatsvolk, verehrte Wohlstandsmaden und verwöhnte Kinder des Dreilagigen! Ich habe euch was zu sagen.
    Ihr kotzt mich an! Und zwar mit Bröckchen. Wenn's nich' zu 100% so läuft, wie ihr euch das vorstellt, steht bei euch direkt das Kleinhirn in Flammen. Die einen satteln den Trecker und kacken auf die Autobahn, andere wählen die nächstbeste Nazipartei, weil die H-Milch teurer wird. Ihr lebt in einem der reichsten Länder der Erde, doch hinter den Gardinen wird die Lunte immer kürzer. Frage: seid ihr eigentlich komplett meschugge? Der Staat, der euch so aufregt, soll trotzdem immer die komplette Lieferkette garantieren von der Käsetheke bis zum finalen Arschzukniff. Passt mal auf, ihr vollgefressenen Amöben: Es heißt "Staatsbürger" und nicht "Biomasse mit Internetanschluss". Ja, du bist der Staat, also frag dich mal, was du dazu beiträgst, dass der halbwegs funktioniert.
    Vollidioten, die es gerade so schaffen, mit Wachsmalstiften "Ampel muss weg" fehlerfrei auf Karton zu krakeln, halten sich für eine Mischung aus Nelson Mandela und Graf Staufenberg. 33% der Sachsen glauben, sie leben in einer Diktatur - soll noch einer sagen, Zeitreisen wären nicht möglich. Und wenn ihr jetzt auch noch anfangt, Jagd auf Politiker zu machen oder Wahlhelfer zu verprügeln, denkt vielleicht mal vorher darüber nach, wer dann die Arbeit von denen macht. Ihr seid ja offensichtig zu faul oder einfach zu blöd.
    Warum haue ich euch das eigentlich alles um die Ohren? Ja, weil es das zuständige Staatsoberhaupt nicht macht! Ernsthaft? Was treibt der Steinmeier die ganze Zeit, wo ist der?" [Einspiel-Video:] "Diese Woche ist der Bundespräsident im thüringischen Saalfeld unterwegs." [Wischmeyer:] Steinmeier darf einen sogenannten Saugbagger lenken, wie schön! Hätte ich auch gerne gemacht - mit acht! Andererseits, irgendwer muss ja in Thüringen 'mal den ganzen braunen Schlamm wegsaugen. Steini hält zwar keine tollen Reden, aber hat ja trotzdem wichtige Termine. Wie vor zwei Wochen, als er mit diesem riesigen Dönerklumpen als Gastgeschenk an den Bosporus geflogen ist, warum auch immer. Man kann ja über Erdogan sagen, was man will, aber wenigstens bringt der uns beim Staatsbesuch keinen Eimer Sauerkraut mit!
    Steinmeier hat in seiner gesamten Amtszeit noch keine einzige echte Debatte angestoßen, übrigens auch nicht in seinem neuen Buch mit dem genialen Titel "Wir". Da geht's wohl um die beliebtesten deutschen Personalpronomen. Wir wundern uns jedenfalls nicht, dass dieser Schmöker bleischwer in den Regalen liegt. Demnächst erscheint dann die Fortsetzung "Raum für eigene Notizen". Inhalt: sämtliche spannenden Gedanken, die Frank Walter Steinmeier jemals hatte, auf 200 leeren Seiten. Das perfekte Geschenk für den Muttertag, jedenfalls wenn man seine Mutter wirklich nicht mag. Guten Abend!"


    ZDF bei Youtube: [Wischmeyer 2024]







    Betrachtet man das Klimaproblem nicht mit der üblichen nationalen Brille, sondern global, dann sieht man gleich mittel- bis langfristige Probleme, über die man nicht hinweggehen kann. Der IPCC-Bericht 2021 spricht von etwa 3,6 Milliarden Menschen, die im zweiten Drittel dieses Jahrhunderts von einer Klimakatastrophe bedroht sein werden.

    Die Verwerfungen, die unsere Eingriffe im Globalen Süden angestoßen haben, sind jetzt schon katastrophal. Die Bedrohungen durch Klimawandel sind schon heute vielerorts existentiell. Doch sie sind nichts im Vergleich zu dem Chaos, das sich im Laufe einer Klimakatastrophe früher oder später einstellen wird. Steigende Meeresspiegel und verheerende Flutkatastrophen werden genauso wie Dürren und Zusammenbrüche von Ökosystemen einen nie gekannten Migrationsdruck und Aggression gegen die Verursacher auslösen.

    Und selbst wenn sich die Industrieländer gegen all diese Megakrisen eine Zeitlang behaupten können, ist dies keine Rechtfertigung für die Verweigerung von Klimaschutz. Es ist im Gegenteil eine sozialdarwinistische Herabsetzung der Menschen, die sich nicht (werden) anpassen können. Wie auch immer, das Überschreiten von Kipppunkten wird womöglich das Überleben der Menschheit in heutiger Form unmöglich machen. Wir spielen Russisch Roulette, und mit jeder Runde legen wir mehr scharfe Patronen ein.

    Aber auch mit dem kurzsichtigen Blick durch die nationale Brille zeigen sich zunächst Probleme durch die galoppierende Ungleichverteilung. Die Proteste der Gelbwestenbewegung in Frankreich 2018 zeigten deutlich den sozialen Sprengstoff, den eine Klimaschutzpolitik ohne sozialen Ausgleich birgt. Die Benachteiligten der Ungleichverteilung, die mit fossilen Privilegien still gehalten wurden, lassen sich von der fossilen Reaktion bestens instrumentalisieren.
    Die Notwendigkeit von Ordnungspolitik statt Markt diskutiert der Klimajurist Felix Ekardt, der auch an der Klage vor dem Bundesverfassungsgericht beteiligt war.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Eine Standard-Erzählung von neoliberalen und libertären Vertretern der Oberschicht zur Rechtfertigung von Ungleichheit lautet: "Das haben wir uns hart erarbeitet." Sie wird besonders laut von den wenigen Menschen vorgetragen, die ihren Besitz besonders zur Schau stellen - selbst dann, wenn sie reiche Erben sind. Was wiederum mit wachsender Ungleichheit auch zunehmend der Fall ist. Dabei wird die Externalisierung der Kosten, und auch der Mühen anderer, immer bewusst ausgeklammert.


    Die Geschichte - unsere Geschichte - ist die eines entfesselten Wettlaufs. Die Geschichte von zweihundert Jahren voller Leidenschaft, Schweiß und Blut.
    In diesen beiden Jahrhunderten haben die Machthaber ebenso geniale wie zerstörerische technologische Neuerungen in Gang gesetzt.
    In diesen beiden Jahrhunderten hat ein Rennen um die Anhäufung von Reichtümern von Land zu Land, von Kontinent zu Kontinent immer tiefere Gräben der Ungleichheit gegraben.
    In diesen beiden Jahrhunderten ist der Konsum zum Wirtschaftsmotor und zum Mittel gegen sozialen Aufruhr geworden.
    Jean-Robert Viallet
    Im Youtube-Video des Films "Die Erdzerstörer" bei 1:35:25: [Arte 2019]

    Das politische Prinzip dahinter wurde vom Wirtschaftsminister und Vizekanzler in den deutschen Nachkriegs-Wirtschaftswunder-Zeiten, Ludwig Erhard (FDP), formuliert.


    Ein Kompromiss, das ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen.
    Ludwig Erhard
    [Verknüpfung]

    Das Verschleiern der Ungleichverteilung wird umso einfacher, wenn der Kuchen immer größer wird. Neoliberale Politiker haben daraus eine Fixierung auf Wirtschaftswachstum abgeleitet. Der Neoliberalismus hat später mit seiner exponentiellen Umverteilung von unten nach oben, und der damit verbundenen galoppierenden Staatsverschuldung, einen pathologischen Wachstumszwang entwickelt.

    Was Erhard oft nachgesagt wird, ist, der Vater der Wachstumsideologie zu sein. Damit tut man ihm allerdings unrecht, er erweist sich zumindest in dieser Frage als Keynesianer. Um das klarzustellen, zitiert ihn (ausgerechnet) Roland Tichy: "Mit steigender Produktivität und mit der höheren Effizienz der menschlichen Arbeit werden wir einmal in eine Phase der Entwicklung kommen, in der wir uns fragen müssen, was denn eigentlich kostbarer oder wertvoller ist: noch mehr zu arbeiten oder ein bequemeres, schöneres und freieres Leben zu führen, dabei vielleicht bewusst auf manchen güterwirtschaftlichen Genuss verzichten zu wollen."
    [Verknüpfung]

    Das Dilemma zeichnete sich schon in den frühen 70er Jahren so deutlich ab, dass in den USA ersten Millionenproteste für Umweltschutz stattfanden und die Wissenschaft die Grenzen des Wachstums berechnete. Die britische Rockband Supertramp brachte 1974 ihr Album "Crime of the Century".


    Now they're planning the crime of the century
    Well, what will it be?
    Read all about their schemes and adventuring
    Yes, it's well worth a fee
    So roll up and see
    How they rape the universe
    How they've gone from bad to worse
    Who are these men of lust, greed and glory?
    Rip off the masks and let's see
    But that's not right, oh, no, what's the story?
    But there's you and there's me
    That can't be
    Richard Davies und Roger Hodgson

    Neben diesen gesellschaftlichen Altlasten wird zunehmend die existentielle Bedrohung durch die Klimakrise sichtbar. Dennoch schaffen Fossilökonomisten es noch immer, diesen Blick zu verklären und damit Klimaschutz zu verhindern.

    Den Klimaschutz-Bremsern hilft die Psyche des Menschen, der mit potentiellen Gewinnen oder Verlusten unterschiedlich umgeht. In seiner Spiegel-Kolumne erklärt Christian Stöcker das Ergebnis einer entsprechenden Studie. Wenn es um mögliche Verluste geht, sind wir eher bereit, Risiken einzugehen als bei Gewinnen. Die meisten Versuchspersonen bevorzugen den sicheren, kleineren Gewinn vor dem großen, unsicheren. Bei Verlusten ist es umgekehrt: Sollten die Versuchspersonen zwischen dem kleineren, sicheren Verlust und einem nicht völlig sicheren, aber größeren Verlust entscheiden, werden viele risikofreudig und nehmen den großen Verlust in Kauf. Zitat Stöcker: "Fatal, wenn es um die Zukunft der Menschheit geht."
    Spiegel: [Stöcker 2022-1]
    Studie: [Verknüpfung]
    Altmaier, Sinn und andere Klimaschutz-Bremser hatten es als Untergangs-Propheten der Fossilwirtschaft bisher allzu leicht. Das von ihnen gezeichnete Zerrbild hat sich in den Köpfen tief eingegraben. Entsprechend schwer ist es, die Wohlstands-Potentiale einer dekarbonisierten Welt zum handlungsentscheidenden Argument zu machen.


    All dieses Geld würde in unseren Taschen landen – aber es käme aus den Geldbeuteln von Leuten, die Ölquellen und Kohleminen besitzen, was der Grund dafür ist, dass die Fossilbranchen so hart daran arbeiten, Sand ins Getriebe zu streuen.
    Bill McKibben
    Christian Stöcker in Der Spiegel: [Verknüpfung]

    Entsprechend manipulieren Klimaschutz-Bremser die Allgemeinheit, indem sie so tun, als sei die Verfügbarkeit von Konsumgütern und Energie eine Selbstverständlichkeit, eine Art Menschenrecht der Industrieländer. Viele der ältesten mir bekannten Senioren hatten nicht den Eindruck, dass ihr persönliches Glück seit einem halben Jahrhundert in demselben Maße gewachsen sei wie der Konsum. Es ging den Menschen damals nicht wesentlich schlechter, aber bei einem Bruchteil des heutigen Konsums. Sie waren sich einig in der Einschätzung, mit der Boomer-Generation hätten wir völlig die Bodenständigkeit verloren - eine einfache, lebenstaugliche Vorstellung von den Potentialen und Risiken des Lebens.
    Sicher hat Klimaschutz auch Verzichts-Elemente, doch wenn das Glück der Menschen derart von ihrem Konsum abhängt, ist es aus philosophischer Sicht sehr fragwürdig. Die scheinbare Harmlosigkeit der Werbung hat in den Köpfen Bedürfnisse erzeugt, die schnell zu Gewohnheiten und suchtähnlichen Abhängigkeiten führten. Neil Postman brachte die Inhaltsleere der enthemmten Konsumgesellschaft mit seinem Buch "Wir amüsieren uns zu Tode" zum Ausdruck.
    Ja, es gibt auch Nachteile beim Klimaschutz. Sicher wird es für alle etwas weniger bequem werden, die Frage ist nur, ob wir das auch als Unglück empfinden müssen. Aber Fossilökonomisten konstruieren daraus eine soziale Frage und tun so, als gäbe es dabei nur Nachteile - dabei verschweigen sie geflissentlich den alles schlagenden Vorteil, dass die Menschheit sehr wahrscheinlich keine andere Überlebenschance mehr hat.
    Und anstatt die Potentiale für den Zusammenhalt der Gesellschaft zu betonen, betreiben Fossilökonomisten ihre Spaltung. Sie spielen regelrecht mit sozialem Sprengstoff, wenn sie die Frage nach Klimaschutz zu einer Frage der sozialen Gerechtigkeit stilisieren, und damit die prekäre Situation vieler Menschen bei uns instrumentalisieren. Dabei sind sie meist selbst die Antreiber der Ungleichverteilung. Diese unübersehbar verdrehte und vorgeschobene Argumentation sorgt immer wieder für heftige Kritik.
    Zeit: [Pausch 2019]
    Zeit: [Zacharakis 2021]
    Anstatt Wandlungsfähigkeit als etwas Positives darzustellen und die Chancen des Wandels zu erklären, werden Ängste geschürt.
    Spiegel: [Verknüpfung]

    Die unteren Einkommensschichten werden gegen die Klimaopfer ausgespielt - besonders von Parteien, deren Gesetzgebung gerade die Notlage dieser Schichten verursacht oder zumindest verschärft. Zeit-Ressort-Chefredakteur Bernd Ulrich entlarvt diese Strategie beim Polit-Talk Anne Will im September 2019 gegenüber CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier, der sogar von Spaltung spricht, bestechend klar:


    Im Namen der Armen billiges Fleisch - und alle essen dieses Fleisch.
    Im Namen der Armen müssen die Benzinpreise unten gehalten werden - und alle rasen damit [...].
    Im Namen der Armen Billigflüge - und alle fliegen billig.
    Sie müssen das durchbrechen, und das tun sie nicht.
    Sie berufen sich auf die Armen, um nichts zu tun.
    Bernd Ulrich

    Das ist umso problematischer, weil es dieselben Leute tun, die die "hart arbeitende Bevölkerung" wiederum gegen genau diese Armen ausspielen. Das macht Bernd Ulrich in seiner Vorbemerkung deutlich, Zitat:

    "Also ich finde das total gut, Herr Altmaier, dass die Parteien, die sonst am meisten die Marktwirtschaft anbeten und auch Ungleichheit ok finden, weil es einen Anreiz bietet, jetzt beim Klima die wahnsinnig interessante Entdeckung machen, dass die Armen sich Dinge nicht leisten können, die sich Reiche leisten können."

    Die (leider anonyme) Twitter-Teilnehmerin Dagmar (@nur_Dagmar) setzt in diesem Sinne noch einen d'rauf:



    Wenn es [...] einen Entschuldigungszettel fürs Nichtstun braucht, sind die Armen grad recht und billig, geht es aber um Bekämpfung d[er] Armut selbst, dann heißt es "unsere TEUREN Armen"[.]
    Anonym
    Twitter: [Verknüpfung]

    Auch Christian Lindner - damals noch in der Opposition - bediente sich gerne der Instrumentalisierung der weniger Privielegierten. Ulrich Schulte nennt ihn in der taz einen "liberalen Robin Hood".

    Konservative sind am Fortbestand der Besitzverhältnisse interessiert. Eines ihrer Kerngeschäfte ist es deshalb, eine breite öffentliche Aufklärung über bestehende Ungerechtigkeiten zu verhindern.

    Der deutsche Altmeister der fossilen Desinformation Peter Altmaier weiß sehr wohl, dass er sich mit der Instrumentalisierung der Benachteiligten dem Vorwurf der gesellschaftlichen Spaltung aussetzt. Angriff ist die beste Verteidigung, denkt er sich, und dreht den Spieß um. Wer CO2-Abgaben fordere, betreibe gesellschaftliche Spaltung.
    n-tv: [Verknüpfung]

    In der Opposition wird unter CDU-Chef Merz nicht nur die Forderung nach Klimaschutz, sondern auch die nach dem Schutz von Minderheiten immer mehr in Frage gestellt. Im September 2023 stößt Merz' Versuch, Asylanten als Sündenböcke für die Misere im Gesundheitssystem zu instrumentalisieren, zwar auch in der Union auf heftige Kritik. De facto sorgt diese Provokation für eine weitere Normalisierung rechtsextremen Gedankenguts.

    Merz und seine Partei tun gerade so, als wäre die CDU nicht die Partei für patriarchale Besitzstandswahrung, also Immobilien- und Finanzwirtschaft, Industrie und Mittelstand, sondern die Partei der Mieter und Niedriglöhner, und als würde im Schutz von Klima und Minderheiten kein sozialer Ausgleich mit bedacht. Neben den Skandalen der Unionsparteien der letzten Jahrzehnte zeigt schon ein vergleichender Blick des Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung ZEW in die Bundestags-Wahlprogramme von 2021 schwarz auf weiß, dass diese Darstellung völlig verdreht ist.
    Infografik: Die Mitte profitiert am wenigsten von der Union | Statista
    Mehr Infografiken finden Sie bei Statista
    statista: [Verknüpfung]
    Die ZEW-Studie hatte die AfD leider ausgelassen - auf Anfrage des öffentlich-rechtlichen Senders rbb hat es die Daten ergänzt. Ergebnis: keine Partei entlastet die unteren Einkommen weniger, und die obersten drastischer als die AfD.

    [Verknüpfung]


    Manager-Magazin[Verknüpfung] Statistik: Veränderung des Einkommens einer Familie¹ durch die Wahlprogramme der Parteien zur Bundestagswahl 2021 nach Bruttoeinkommensklassen (Veränderung in Euro) | Statista
    Mehr Statistiken finden Sie bei Statista

    Dementsprechend findet sich in Thüringen die deutschlandweit erste politische Entscheidung einer neuen Interessengemeinschaft aus AfD, CDU und FDP gegen die rot-rot-grüne Minderheitsregierung für eine Senkung der Grunderwerbssteuer, vorgeblich für die leistungsorientierte Kleinfamilie. De facto wird diese Steuersenkung vor allem jedoch die wenigen Gutverdiener und Investoren begünstigen.
    freitag: [Verknüpfung]
    Die bekanntesten Förderer der AfD sind die Milliardäre August von Finck und Henning Conle, die beide Milliarden in deutschen Immobilien investiert haben, und von der angespannten Wohnungsmarktlage profitieren.
    Dabei gibt sich gerade die CDU so gerne als die Partei des leistungswilligen und -starken Mittelstands, die AfD so gerne als die Partei der hart arbeitenden Kleinverdiener.
    [Verknüpfung]

    Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW analysiert 2023 die Postionen der AfD im Wahl-O-Mat 2021 und stellt fest: "AfD-Positionen: Neoliberale Wirtschaftspolitik und Beschneidung des Sozialstaats [...] Das AfD-Paradox: Schere zwischen Interessen der Wähler*innen und Positionen der Partei [...] Fazit: Politik muss Fehleinschätzungen der AfD-Wähler*innen thematisieren".
    [Fratzscher 2023]

    Beim Thema Auto denken Deutsche mitunter höchst irrational, und deshalb findet sich dort ganz leicht ein Stein des Anstoßes. Wie weit die Verdrehung gehen kann, kann man im liberal-konservativen Blatt Focus nachlesen. Dort interpretierte man 2021 eine Studie der Deutschen Bank, nach der vom Elektroauto vor allem Reiche profitieren: "Umverteilung von Arm nach Grün". An den Stammtischen schäumte es wieder gegen die Politik.
    [Verknüpfung]
    Auch in den Folgejahren zeigte sich, dass es die Autoindustrie war, die an einem elektrischen Massenprodukt kein Interesse hatte, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt die Kostenparität in der Herstellung absehbar war. 2023 bringt BYD in China einen elektrischen Kleinwagen für 10.400€ auf die Straße. Der deutsche Kleinbürger ohne ÖPNV ist weiter gezwungen, mit dem Verbrenner teuren Treibstoff zu verfahren, während die Betriebskosten des Elektroautos mit Eigen-PV nur einen Bruchteil betragen.

    Dass der Focus in der Frage des EAutos mittlerweile dem Mainstream folgt und deswegen eine Kehrtwende vollziehen musste, sieht man an seiner Online-Plattform efahrer. Wenn auch mit elektrischem Antrieb, wird hier natürlich weiterhin das Auto als bevorzugte Lösung der Mobilitätsfrage propagiert.

    Wie aus dem Desaster der Photovoltaik, so hat Deutschland auch aus dieser Debatte um den PKW-Antrieb offenbar nichts gelernt. Die neueste fossilkonservative Spiegelfechterei ist die Heizungsdebatte, die 2023 durch Robert Habecks Vorstoß zum Gebäudeenergiegesetz nach der Ukraine-Energiekrise angestoßen wurde. Rein wissenschaftlich betrachtet ist die breite Umstellung auf Wärmepumpen die effektivste und wirtschaftlichste Maßnahme, um die Abhängigkeit von Gasimporten zu senken. Doch hier steht die fossile Wohlstandsgesellschaft in der transformativen Aufklärung noch ganz am Anfang - und lässt sich prompt von den Konservativen wieder gegen Klimaschutz vereinnahmen, oft sogar aufstacheln und mitunter aufhetzen, mit Ängsten vor Verarmung und Entwurzelung. Die Wärmepumpendebatte wurde von Desinformation und Populismus regelrecht vergiftet. Beim Erklären und Vorrechnen der simplen Fakten versagen Medien und Schulen wieder einmal in fataler Weise.

    Weniger offensichtlich ist die Täuschung der Fossilkonservativen (rechte wie liberale) im Wohlstandsversprechen durch industrielle Landwirtschaft. Dabei war das Thema der Anstoß der globalen Umweltbewegung vor 60 Jahren. Immer noch glaubt ein Großteil der Bürger:innen, dass Pestizide und Mineraldünger die Nahrungsgrundlage der Menschheit seien. Die Studienlage zeigt das Gegenteil: sie zerstören unser aller Lebensgrundlagen. 50 Jahre Biologieunterricht mit ökologischem Schwerpunkt haben daran nichts geändert.
    [Wikipedia 2023 - Geschichte der Ökologie]

    Die Liberalisierung und globale Öffnung der Märkte bringt nie dagewesene Dynamik in Produktion und Konsum, und wird deshalb in den Industrieländern gefeiert als Garant für Wohlstand der Massen. Dabei wird dieser Wohlstand teuer bezahlt - nur nicht von der Industriegesellschaft des hier und jetzt. Die horrenden Kosten dieses nur vermeintlichen Wohlstands werden nur externalisiert, also abgewälzt auf andere Menschen.
    Diese Anderen leben entweder an anderem Ort, wo sie unter den menschenunwürdigen Bedingungen des globalen Lieferkettensystems schon heute leiden oder zugrunde gehen, oder sie leben in Parallelgesellschaften unter uns. Zunächst besteht zu diesen Gefährdungen von Menschen nicht nur eine physische, sondern auch eine psychologische Distanz, die die meisten vom Nachdenken abhält.
    Doch manche Menschen gehen so weit, bewusst nach Rechtfertigungen der Ausbeutung zu suchen - und sie zu (er)finden. So konstruiert man für Ausbeutung eine gruppennarzisstische Vorstellung von Überlegenheit, sei es der Religion, Ethnie, Nationalität oder des Geschlechts - oder z.B. eine vermeintlich historische Schuld, wie im Antisemitsmus oder im Revanchismus.
    Oder aber man externalisiert an die Menschen der Zukunft, überlässt ihnen die Kosten. Diese leben zu einer späteren Zeit, in der sie unter dem Ökozid leiden, und womöglich daran zugrunde gehen werden. Die vermeintliche Rechtfertigung ist hier die Unsicherheit der zukünftigen Entwicklung, eine Hoffnung auf Innovation und Fortschritt, Vertrauen in die Fähigkeiten der Menschen der Zukunft. Man deklariert die derzeitigen ökoziden Nachteile der Industriegesellschaft zu Investitionen in die Zukunft, in der sie Erlösung garantiert. Dass diese Zukunft rechtzeitig eintritt, wird mit jedem Tag unwahrscheinlicher.
    "Jede Generation kämpft für sich selbst," meinte ein klimaskeptischer Kollege einmal zu mir nach heftigem verbalem Schlagabtausch, woraufhin ich nur noch Fassungslosigkeit ausdrücken konnte. Wie sollen sich denn junge oder gar ungeborene Menschen gegen die wehren, die die Welt von morgen vorherbestimmen?

    Eine Studie des Kopernikus-Programms Ariadne von 25 wissenschaftlichen Partnern hat 2021 die externen Kosten der deutschen Wirtschaft auf etwa eine halbe Billion Euro pro Jahr beziffert. Matthias Kalkuhl vom Berliner Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change MCC: "Jährlich entstehen Folgekosten in einer groben Größenordnung von 13 bis 19 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts". Die Experten raten, die externen Kosten der deutschen Wirtschaft über eine nachhaltige Steuerreform komplett zurückzuholen und mit sozialem Ausgleich zurückzuzahlen. Die bisherigen Abgaben würden nur ein Viertel abdecken und hätten keinen sozialen Ausgleichseffekt.
    Handelsblatt: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]
    Eine entsprechende Erkenntnis hatte seinerzeit schon der englische Ökonom Arthur Pigou 1920. Man spricht deshalb auch von Pigou-Steuer.
    [Wikipedia 2022 - Pigou-Steuer]

    2021 hat eine Arbeitsgruppe um Partha Dasgupta für das britische Finanzministerium die gigantischen globalen Zahlen ermittelt.

    Man kann die fossile Wertschöpfung nicht seriös ohne die Schadschöpfung betrachten - aber genau so rechnet fossilökonomistische Politik. Auch die Subventionen werden oft unterschlagen, wenn von den Kosten für Klima- und Artenschutz, im Sinne einer Erhaltung von Geldwerten für die kommenden Generationen, gesprochen wird - eine völlig verdrehte Darstellung, die das unersetzbare Naturkapital ignoriert. Wann werden sie endlich erkennen, dass man Geld nicht essen kann? Wirklich erst, wenn die Erde unbewohnbar und unfruchtbar geworden ist?

    Wie zukunftsvergessen wir handeln, bringt der Welterschöpfungstag sehr anschaulich zum Ausdruck, für den Jahr für Jahr ein früheres Datum berechnet wird.
    Erklärt man Zeitgenossen, wie allein die meisten Produkte in den Supermärkten das Anthropozän und Menschenrechtsverstöße vorantreiben, verfallen viele in Fatalismus: "ja, man kann dann ja gar nichts mehr kaufen." Was sie natürlich nicht tun, mangels Anerkennung der Alternativen. Es ist für sie einfacher, die Seriosität von Bio- und FairTrade-Zertifizierung anzuzweifeln.
    Dass die Externalisierung weniger ihrem Wohlstand als der Maximierung von Profiten Anderer dient, ist Vielen zwar klar. Aber die Unwägbarkeiten von Umstrukturierungen im Wirtschaftssystem machen ihnen Angst, die häufig von konservativen und wirtschaftsliberalen Kräften geschürt wird. Dabei ist zu beobachten, wie rechte Konservative mit den Gefahren des Rechtsextremismus spielen. Einerseits werden Rechtsextreme verurteilt, andererseits lässt man sie gewähren, um dem Rest der Bevölkerung die vermeintlichen Gefahren vor Augen zu führen, die bei linker Politik drohen.
    [Verknüpfung]
    Dass bei der Externalisierung besonders häufig Kapital im Spiel ist, das in sogenannten Steuerparadiesen von Besteuerung verschont wird, sollte nicht verwundern.
    So zeigen Untersuchungen eine besonders hohe Finanzierungsrate besonders ökozider Investments aus Steuerparadiesen. Zwar leben die Investoren häufig in Ländern mit höheren Umweltstandards, doch diese versagen in der Durchsetzung internationaler Transparenzregeln - denn auf den Freihandel mit ihren Industriegütern wollen sie nicht verzichten.
    klimareporter: [Verknüpfung]
    In den USA sieht man, wie die extreme Externalisierung einen Staat irgendwann in die Krise führt, ähnlich wie im Alten Rom. Der Politologe Patrick Deneen analysiert in der Zeit die Krise des Liberalismus in den USA. Dort beschreibt er: "Viele Menschen glauben, dass wenn sie nur genügend Kaufkraft für billige Produkte haben, dies die fehlende ökonomische Absicherung ausgleicht." Eine moderne Form des römischen panem et circenses (Brot und Spiele): carnem et circenses, Fleisch und Spiele.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Buchtips:
    Stephan Lessenich. Neben uns die Sintflut: Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis. Hanser 2016
    Patrick Deneen. Warum der Liberalismus gescheitert ist. Müry Salzmann 2019

    Mittlerweile zeichnen sich die Entwicklungen der USA auch bei uns ab. Prof. Michael Hartmann beschreibt die jahrelang gewachsenen Ursachen, die aus dem Anlass der Krise heraus die kurzfristige Explosion der AfD-Zustimmungswerte erklären. Bei uns wird die Entwicklung begleitet von einem Kulturkampf rechtspopulistischer Konservativer, die den klassischen Hass auf Sündenböcke schüren. Das sind v.a. Ausländer und politisch Andersdenkende - heute die Grünen. Klassisch, weil die bekannten Vorbilder bis in die Antike zurückreichen. In Deutschland wurde er von den Nazis perfektioniert.

    Zu der oben beklagten Verzerrung der sozialen Frage bei uns gibt es eine Entsprechung. Es geht um ausbeuterische Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern. "Wenn wir die Handys, Klamotten etc. nicht kaufen würden, gäbe es dort ja gar keine Arbeit." Bei Verdrängung der bekannten Skandal-Bilder aus den Sweat Shops kann man von einer vorgeschoben Begründung sprechen - doch das dürfte schon schwer fallen. Es ist wohl in vielen Fällen eher postkolonialer Zynismus. Prominentes Beispiel für diese Darstellung ist Irina Kummert, Präsidentin des Ethikverbands der Deutschen Wirtschaft.

    Die Lehre des Neoliberalismus aus dem Ende des Kommunismus wurde gründlich verinnerlicht: "Ohne ausreichenden Konkurrenzdruck des Arbeitsmarktes strengt sich die Mehrheit der Menschen nicht genug an." Wende-Kanzler Kohl spricht von einer "geistig-moralischen Wende" und der von der SPD abgefallene Koalitionspartner FDP drückt es in Verdrehung der Tatsachen positiv aus: "Leistung muss sich wieder lohnen". In Konsequenz dieser Erzählung wurden unter dem nächsten Kanzler Gerhard Schröder (SPD) Arbeitnehmerrechte faktisch gestrichen, indem man eine Zwei-Klassen-Arbeitnehmerschaft zugelassen hat. Arbeitslosigkeit ist ein Teil des Systems.

    Viele Arbeitnehmer wissen heute vor lauter Konkurrenzdruck nicht, wie sie genug Zeit für die vielen prekären Minijobs aufbringen können, um überhaupt ein Auskommen zu haben. An Zeit für Selbstverwirklichung oder Kinderbetreuung und -Förderung ist nicht zu denken. Gleichzeitig wachsen die Profite der Geldaristokratie exponentiell, und es gibt Millionen Arbeitsloser.

    Einen wesentlichen Anteil an der Verarmung der Besitzlosen und der unteren Mittelschicht haben die stetig gestiegenen Wohnkosten. Jahrzehntelang wurde der soziale (also staatlich subventionierte) Wohnungsbau vernachlässigt, und der private Wohnungsbau gefördert. 1990 wurde das Prinzip der Wohnungsgemeinnützigkeit, das starke steuerliche Anreize für die Vermieter von Sozialwohnungen setzte, unter Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) abgeschafft. Das hat den sozialen Wohnungsbau stark beeinträchtigt. 2002 fiel dann unter Gerhard Schröder (SPD) die Versteuerung bei der Veräußerung von inländischen Kapitalgesellschaften weg, was einen Ausverkauf deutscher Sachwerte, v.a. Immobilien, an finanzstarke Investoren v.a. der USA, bald auch aus Russland und Nahost, zur Folge hatte.
    Ansätze der Grünen, die Wohnungsgemeinnützigkeit wieder einzuführen, wurden bisher abgelehnt bzw. in der Ampel-Regierung nicht umgesetzt, obwohl im Koalitionsvertrag vorgesehen. Die FDP blockiert - wie bei den vielen anderen progressiven Ideen im Ampel-Koalitionsvertrag, die nicht umgesetzt werden.
    Studie: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Wohnungsgemeinnützigkeit]
    Vorwärts: [Verknüpfung]
    Auch ein Wiederbeleben des öffentlichen Wohnungsbaus könnte man in Erwägung ziehen.
    Humanistische Union: [Verknüpfung]
    Der Trend zu Single-Haushalten führte zu einem gestiegenen Bedarf, der die Mietpreise drastisch ansteigen ließ. Immobilienbesitzer sind durch die Gesetzgebung klar im Vorteil.
    In Deutschland wird die dringend notwendige energetische Sanierung von Immobilien oft v.a. genutzt, um die Miete drastisch zu erhöhen. Die Kosten werden über 11 Jahre auf die Miete umgelegt - die danach aber nicht wieder gesenkt werden muss (und deshalb auch allzu oft nicht gesenkt wird). Ein guter Teil der Mietsteigerung geht auf das Konto unregulierter Spekulationen von Investoren.
    Viele Objekte stehen leer, weil ihre Wertsteigerung mehr Profite bringt als Vermietung.
    Noch 2020/21, zu Hochzeiten der Wohnungsmarkt-Krise wurden von Schwarz-Rot nach großzügigen Parteispenden der Profiteure noch zahlreiche Maßnahmen zu Gunsten der Immobilienbranche durchgesetzt:

    • Entfall der Grunderwerbssteuer für Großinvestoren
    • CO2-Abgabe muss bis 2022 zu 100% vom Mieter bezahlt werden (die SPD wollte 50% auf den Vermieter abwälzen, um die Motivation für energetische Sanierung zu erhöhen - die CDU lehnte ab)
      [Verknüpfung]
    • Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen weiter möglich
    • erfolgreiche Klage beim Bundes VerfG gegen den Berliner Mieten-Deckel durch ein CDU-Mitglied und MdB Jan Luzcak (Anwalt bei der Mietrechts-Kanzlei Hengeler Mueller) - aus formalen Gründen

    Dokutip: Das Milliardengeschäft mit dem Boden - Warum Wohnen unbezahlbar wird. Film von Jonas Seufert und Marcel Siepmann. ZDF 2022.
    ZDF: [Verknüpfung]

    Weitere Kostentreiber in den Industriegesellschaften basieren auf unregulierten Monopolen, z.B. die Rendite-Erwartungen der Pharma-Industrie oder die der US-Tech-Konzerne, deren wichtigster Rohstoff Daten sind. Staatliche Forschung würde so manche monopolartige Patent-Verwertung verhindern, Datensouveränität den Missbrauch von Daten für Monopol-Geschäftsmodelle und populistische Manipulation.

    Weitere Einzelheiten zur Wirtschaftlichkeit bei den Themen Energieversorgung, Mobilität (hier, Energie hier) sowie Ernährung.

    Dabei könnte man einkommensschwachen Haushalten eine menschenwürdige Ernährung ermöglichen, ohne durch die liberale Gesetzgebung den Unterbietungswettbewerb auf Kosten von Lebensqualität und Gesundheit von Beschäftigten und Kunden, und genauso von Nutztieren und natürlich vor allem der Biosphäre (= Überlebensressourcen der Zukunft) immer weiter zu befördern. Die Mehrkosten gesunder Ernährung müssten dabei nicht einmal von den Verbrauchern getragen werden, wenn die exorbitanten Gewinne von Agrarindustrie, Handel und Spekulanten beschnitten würden.
    Einkommensschwache Haushalte müssen auch bei Miete und Heizkosten, oft genug schon beim Einkommen unterstützt werden. Höhere Löhne werden politisch nicht durchgesetzt, weil die Unternehmen dann nicht den gewünschten Profit generieren würden.
    Die Finanzierungslast des Staates wurde im Neoliberalismus immer mehr auf die Schultern des Lohnsektors und auf Verbrauchssteuern verlagert. So geht ein Großteil der Steuereinnahmen auf Mineralöl-, Mehrwert- und Stromsteuern zurück. Die Braunkohlekraftwerke dienen direkt der Finanzierung rheinischer Kommunen. Das Dilemma besteht darin, dass der Staat sich direkt aus Ressourcenvernichtung finanziert, also daran heute vital interessiert ist, morgen aber daran zugrunde gehen könnte.
    Eine Lösung dieses Problems wäre eine Entlastung des Lohnsektors auf Kosten der Unternehmensgewinne, die von immer mehr Ökonomen gefordert wird, z.B. nach dem Vorbild der Ökosteuer. Verbrauchssteuern müssten entsprechend verstärkt zur ökologischen Transformation der Gesellschaft, sprich Decarbonisierung eingesetzt werden, und weniger zur Steuerentlastung von Profiteuren.

    Was macht die Wohlstandsgesellschaft aber mit all dem Geld, das sie bei der Grundversorgung spart?
    Mit den Segnungen der Fossilökonomie wurde eine Art von Wohlstand für alle geschaffen, die einen nie dagewesenen Konsum ermöglicht. Einen Konsum von Produkten, die man eigentlich für ein erfülltes Leben nicht oder zumindest nicht in dieser Menge wirklich braucht. Von denen dennoch kulturbedingt viele denken, sie können ohne nicht leben. Die Arbeitsplätze in diesem Sektor werden immer wieder als Druckmittel auf die Politik benutzt.

    D.h. nicht zwingend, dass damit das Lebensglück gestiegen ist, meint Ökonom Richard Easterlin, man spricht seit 1974 vom Easterlin-Paradox.
    Justin Stevens und Betsey Wolvers versuchen seitdem, Easterlin zu widerlegen. Der Ökonom Mathias Binswanger diskutiert 2011 den Streit in der Zeit, sieht die Datenlage der Gegner aber recht dürftig.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die Krise der Arbeit spannt sich auf zwischen Burn-Out und Bore-Out.
    Manche verausgaben sich bis zur Erschöpfung, um einen Überfluss zu erwirtschaften, den sie nie wirklich würdigen können. Viele stürzen sich in einen Hyperkonsum, der nichts mit Lebenskunst zu tun hat - also nicht wirklich Anlass gibt, glücklicher zu sein. Er bedingt dafür weitere, gigantische Zerstörung von Ressourcen. Auch wenn ihr Anteil an der Zerstörung der Ressourcen empörende Dimensionen hat, werden ihre politischen Vertreter nicht müde, das Klimaproblem der wachsenden Bevölkerung der Entwicklungsländer anzulasten.

    In der Einleitung seines Buchs "Tretmühlen des Glücks" bringt Binswanger dieses Dilemma, das indirekt aus dem Wachstumszwang entsteht, auf den Punkt.
    Zitat:

    "Aus ökonomischer Sicht geht es bei der Suche nach der Verwirklichung eines glücklichen Lebens um einen zweistufigen Prozess. Erstens müssen wir ein Einkommen erzielen, damit wir uns die Dinge überhaupt leisten können, die wir für ein glückliches Leben brauchen. In dieser Hinsicht sind wir in den Industrieländern im Allgemeinen Profis. Von klein auf lernen wir die Fähigkeiten, die es braucht, um in der Arbeitswelt Karriere zu machen und viel Geld zu verdienen. Leider reicht das aber nicht aus, wie viele Menschen in ihrem späteren Leben schmerzlich erfahren müssen. Man muss auch in der Lage sein, das verdiente Einkommen so zu verwenden, dass es tatsächlich glücklich macht. Das ist die zweite und noch schwierigere Stufe bei der Verwirklichung eines glücklichen Lebens. Und in dieser Beziehung sind wir oft grauenhafte Amateure.
    So gut wir beim Geldverdienen sein mögen, so schlecht sind wir bei der Umsetzung des Einkommens in Glück oder Zufriedenheit. Die dafür erforderlichen Fähigkeiten, die sich mit dem französischen Begriff „Savoir-vivre“ oder dem deutschen Wort „Lebenskunst“ umschreiben lassen, werden uns in der Schule nicht beigebracht.
    Ein Mensch, der nur ans Geldverdienen und Karrieremachen denkt, handelt in Wirklichkeit unökonomisch, weil er damit sein Glück nicht maximiert. Er verhält sich ineffizient und zwar in dem Sinn, dass er seine ihm zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht optimal nutzt. Die wesentlichen Ressourcen für den einzelnen Menschen sind Zeit und Geld. Das Ziel muss sein, den optimalen Mix von Zeit und Geld zu finden, der zu einem möglichst glücklichen Leben führt."
    [Verknüpfung]

    Eine besonderer Auswuchs der modernen Management-Unkultur bezeichnet David Graeber mit dem Titel seines Buchs als "Bullshit Jobs": viele Stellen in mittleren Management-Positionen würden nur besetzt, um den Vorgesetzten mehr Bedeutung zu verschaffen. Entsprechend berichten Betroffene von sinnentleerten Tätigkeiten.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Man sollte meinen, dass manch einer damit zufrieden sei. Das mag in Einzelfällen vorkommen, doch solche Leute suchen i.d.R. nicht nach hoher Qualifikation. Die Folgen gehen bis hin zum sogenannten Bore-Out.
    [Verknüpfung]

    Eine schillernde Blüte des modernen Erwerbslebens ist das digitale Nomadentum. Diese Menschen nutzen den Umstand aus, dass das Leben im globalen Süden billiger ist, und bestreiten ihre Einnahmen via Internet im Dienstleistungssektor von Handel, Werbung, Coaching etc.. Da diese Geschäftsmodelle sehr volatil sind und die kreativen Vorreiter schnell von kapitalstärkeren Start-Ups verdrängt werden, ist das sehr oft mit prekärer Selbstausbeutung und Scheitern verbunden. Frustrationstoleranz ist erste Schlüsselkompetenz.
    [Verknüpfung]

    Mechanisierung und Externalisierung haben letztlich zu einer Verschärfung der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt geführt. Durch stetiges Wachstums des Konsums wurde diese Entwicklung zwar abgemildert. Aber das hat nicht nur seine Grenzen, sondern ist auch extrem fragwürdig, wenn es nicht vorrangig der Mehrung des Glückes dient.


    In der ökonomischen Theorie ist Wachstum ein Mittel und nicht ein Zweck. In der Realität ist dieses Mittel aber längst zum Zweck geworden, und kaum jemand spricht heute mehr von einem glücklichen Leben, wenn es um wirtschaftliche Fragestellungen geht.
    Mathias Binswanger
    [Verknüpfung]

    Gerade in dem Moment, wo die Ökonomie (viel zu spät) die Grenzen des Wachstums erkennt, verschärft die Vierte Industrielle Revolution durch Künstliche Intelligenz die Beschäftigungskrise. Nach dem Weg-Mechanisieren unqualifizierter Handarbeit wird jetzt auch die qualifizierte Handarbeit von Robotern, und selbst qualifizierte Kopfarbeit von Rechen-Maschinen übernommen.
    Der Wegfall an Arbeit ließe sich bei der enorm gestiegenen Produktivität ausgleichen durch eine weitere Verkürzung der Arbeitszeit. Eine Viertagewoche wird in Norwegen und Island getestet. Die gewonnene Lebenszeit könnten die Beschäftigten nutzen, um Selbstwirksamkeit und neuen Sinn zu erfahren, also selbst wieder in die Produktion zu gehen. So wie bis in die 70er Jahre üblich in der Lebensmttelproduktion in Kleingärten, als Heimwerker im eigenen Haushalt oder auch für andere, z.B. ehrenamtlich in Repair-Cafés. Auch andere Ehrenämter würden wieder attraktiver. sStattdessen subventioniert der neoliberale Staat prekäre Arbeitsverhältnisse durch "Aufstocken". Damit bleiben die realen Unternehmen profitabel, obwohl über deren Lohnnebenkosten überwiegend der Staat finanziert wird. Währenddessen werden viele Menschen arbeitslos oder verdingen sich in der digitalen Plattform-Ökonomie, teils als Tagelöhner, und teils sogar nur stundenweise, von Auftrag zu Auftrag.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
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    euronews: [Verknüpfung]
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    In der Wirtschaft des 21. Jahrhunderts geht es nicht mehr allein um die Verwertung von Rohstoffen, Arbeitskraft und Produktivkapital. Digitale Plattformen machen vieles von dem marktfähig, was früher zum informellen Sektor zählte. Und dort tragen wir selbst zwischenmenschliche Unterstützungs-Angebote zu Markte, z.B. Mitfahrgelegenheiten (Uber), Privatübernachtungen (AirBNB), Nachbarschaftshilfen (gig economy: TaskRabbit, NextDoor), Botendienste (Lieferando) oder Privatverkäufe (ebay). Euphemistisch erklären die Plattformen ihre Wirtschaft zum sharing, also Teilen - zu einem Handeln, das normalerweise menschliche soziale Bedürfnisse befriedigt. In Wirklichkeit aber schafft es enormen Preisdruck und führt bei prekär Beschäftigten bis hin zur totalen Rund-um-die-Uhr-Selbstausbeutung.
    Der Autor Sascha Lobo bezeichnet die Sharing-Ökonomie 2014 als Plattform-Kapitalismus und spricht von einer "Dumpinghölle". 2021 sieht er keine Anstalten der Politik, das Problem zu regulieren, und erkennt in der mRNA-Therapie die nächste Plattform-Technologie.
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    Die Staaten unternehmen kaum etwas gegen die monopolähnlichen Strukturen, die sich dort in einem ungleichen Wettbewerb etabliert haben. Viele Unternehmen starten mit staatlicher Anschubfinanzierung (RWE), oder mit Hilfe milliardenschwerer Investoren, die lange Durststrecken finanzieren können, in denen die Konkurrenz ausgeschaltet oder aufgekauft wird. Vorbild ist der Online-Handel Amazon.
    Der französische Ökonom Cédric Durand schreibt 2020 das Buch "Technoféodalisme: Critique de l’Économie Numérique". Über den Technofeudalismus diskutiert Malcolm Harris im Magazin Intelligencer des New York Magazine, das dazu ein treffendes Titelbild abdruckt:


    New York Magazine: [Verknüpfung]

    Der Nachhaltigkeitsforscher Tilman Sartorius (TU Berlin und Einstein Center Digital Future Berlin) skizziert einen gemeinwohlorientierten, nachaltigen Gegenentwurf.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Noch weit gravierender wirkt die Künstliche Intelligenz, wenn sie weitgehend unreguliert ihr geheimes Wissen über Nutzerverhalten und persönliche Daten nutzen darf, und damit selbst unsere Aufmerksamkeit zu Werbezwecken vermarktet. Shoshana Zuboff spricht vom surveillance capitalism, Überwachungs-Kapitalismus.

    Am 01.11.2023 lud der britische Premierminister Rishy Sunak wichtige Verantwortliche zum AI summit nach Bletchley Park, wo im Zweiten Weltkrieg ein geheimes Team um das Informatik-Genie Alan Turing einen der ersten Supercomputer baute, um Funksprüche der deutschen U-Boot-Marine zu entschlüsseln. Der reichste Mann der Welt Elon Musk provoziert mit einer verstörenden Ansage über den Start seines neuen KI-Dienstes X.AI, die ich nur im DLF gefunden habe.


    Hey folks, Elon here. X.AI is not goin' to play games anymore. X.AI is goin' to push the startup button on AI summit. And believe me, the trip is gonna be fantastic. So, strap and tight and get ready to flight safe, humanity. We're takin' this adventure to a whole new level. Keep rockin'. Elon M..
    Elon Musk
    DLF: [Verknüpfung]

    Anderswo ist zu lesen, wie Musk auf dem Gipfel vor den Gefahren der KI warnt. Musk gehörte neben Apple-Mitgründer Steve Wozniak zu den über 1000 Fachleuten, die im März ein 6-monatiges Moratorium für KI gefordert hatten - vielleicht auch nur, um den Vorsprung der Konkurrenz aufzuholen.
    RND: [Verknüpfung]

    Der Kritiker Connor Leahy warnt. Allerdings ist er auch Gründer der Firma Conjecture, die eine Kontrolle von KI verspricht.


    Wenn Sie künstliche Intelligenz größer machen, die Computer, auf denen KI läuft, größer machen, länger laufen lassen, nimmt deren Intelligenz zu. [...] Die Gefahr der Ausrottung kommt von Systemen, die schlauer sind als Menschen.
    Connor Leahy
    DLF: [Verknüpfung]

    So haben alle bei der Geldvermehrungs- und Ölparty mitgemacht, bei der die Bedenken erfolgreich beiseite geschoben wurden. Party, als gäb's kein Morgen. Und jetzt will niemand die Party verderben.
    Wo früher Verzicht und Sparsamkeit als Tugend galt, wird in der postmodernen Zivilgesellschaft der infantile, zukunftsvergessene Konsum zur sinnstiftenden Bürgerpflicht und zum unverzichtbaren Gewohnheitsrecht verklärt.
    So war es jahrzehntelang - und so soll es nach dem Narrativ der Fossilökonomisten auch unbedingt weitergehen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Dazu mehr im nächsten Kapitel.

    Nur eine Hoffnung bleibt.


    Man kann das ganze Volk eine Zeit lang täuschen, und man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen, aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.
    Abraham Lincoln
    [Verknüpfung]






    Die ökologische Krise ist auch eine politisch-soziale, und, getrieben von Unwilligen, auch zunehmend eine Kulturkrise. Zwar werden Klimaschützer nicht müde, die Klimaungerechtigkeit zu erklären, also die stärkere Betroffenheit der weniger Privilegierten in der Klimakatastrophe, und die Bedeutung sozialer Schutzmaßnahmen im Klimaschutz zu betonen.
    Dennoch sind die Fossilökonomisten extrem erfolgreich darin, all diese Gerechtigkeitsaspekte von Klimaschutz komplett zu verschleiern, und der Masse stattdessen panische Angst zu machen vor einer neuen Welt, in der Klimaschutz alle arm macht und ihnen auch noch ihre letzten Privilegien raubt.
    Dass die Lösung der ökologischen Krise nicht ohne Überwindung ihrer Ursachen, also Kolonialismus, Rassismus, Klassismus, Sexismus und Ökozid, nicht machbar ist, macht es der fossilen Reaktion noch leichter. Denn all diese Probleme betreffen massive kapitalistische Privilegien, und sie lassen sich nur lösen durch Regulation des massiv überdrehten Kapitalismus.
    Wenn wir Ökosysteme schützen und regenerieren, Lieferketten fair gestalten, Frauen gleich bezahlen, prekäre Arbeitsverhältnisse fair gestalten wollen, dann wird nach der heutigen Verteilungslogik alles wesentlich teurer. Wenn ein gutes Leben für alle möglich werden soll, geht das nicht mit der Masse an Billigprodukten, und nicht mit den Profiten, die die Oberschicht so wahnsinnig schnell immer reicher werden lässt. Dann sieht die Welt anders aus. Wenn wir es richtig anfangen und nicht nach den alten Spielregeln, sogar viel besser.

    Buchtip: Friederike Otto. Klimaungerechtigkeit. Was die Klimakatastrophe mit Kapitalismus, Rassismus und Sexismus zu tun hat. Ullstein Verlag. Berlin 2023

    Wenn also heute die meisten denken, "naja, dann fahren und heizen wir halt demnächst (wenn der nächste Milliardenzuschuss kommt) elektrisch, und dann wird das schon mit dem Klima", dann liegen sie leider immer noch falsch. Gerechte und nachhaltige Wirtschaftskreisläufe erfordern in hohem Maße Suffizienz, also Selbstbeschränkung.
    Es würde zwar reichen, uns auf den Konsum-Stand der frühen 70er, also unserer Eltern bzw. Großeltern zu begeben. Doch das widerspricht diametral dem neoliberalen Mantra des Wachstums, das sich in die Köpfe eingebrannt hat wie kaum eine andere Ideologie.
    Schon in dieser Zeit wurden viele Fragen der globalen Gerechtigkeit und der Ökologie verhandelt. Heute haben wir jeoch weit bessere technologische Möglichkeiten, ein nachhaltiges gutes Leben für alle zu schaffen.

    Es wird also auf jeden Fall alles anders. Ob wir dazu durch die Katastrophe gezwungen werden, oder die Zukunft mit Zuversicht gestalten, ist unsere Entscheidung. "Wir können auch anders", lautet ein Buchtitel von Maja Göpel, der einen Weg aus dieser Angst vor Veränderung zeigt. Für Fossil-Konservative ist das undenkbar, sie fürchten den Verlust ihrer Identität, und wehren sich in einem Kulturkampf. Mitte 2023, nach einer populistischen Debatte um Wärmepumpen, sprechen selbst konservative Medienvertreter, z.B. Markus Lanz vom ZDF und Julia Löhr von der FAZ von einem Kulturkampf.

    In Anlehnung an den Konflikt Preußens mit katholischen Konservativen im vorletzten Jahrhundert übernahmen Rechtspopulisten in den USA den Begriff "Kulturkampf" für ihre Reaktion auf die kulturellen Begleiterscheinungen von globaler Gerechtigkeit und Klimaschutz. Das Muster wurde von Rechtspopulisten von AfD, FDP und CDU übernommen.
    [Wikipedia 2024 - Kulturkampf - aktueller Gebrauch]

    Es geht beim Kulturkampf immer um Segregation statt um Integration, denn wenn einem die Argumente ausgehen, erklärt man den Streitpunkt zur Meinungsfrage und sieht sich nach Gleichgesinnten um. Es geht dann nur noch um Tribalismus, also um die Frage, "zu welcher Gruppe gehörst Du - zu denen oder zu uns?" Anstatt einen demokratischen Kompromiss auszuhandeln, sprechen Konservative schnell von gesellschaftlicher Spaltung - dabei reden gerade sie die Spaltung herbei, wie man gerade wieder in der Abtreibungsdebatte sehen konnte.
    n-tv: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung] Felder des Kulturkampfs sind:

    Aus der Perspektive der Klimaschützer ist es eine unglaubliche Selbstverzwergung unserer Species, diesen Schritt als "menschenunmöglich" zu erklären. Bernd Ulrich erkennt diese Misanthropie als die vierte Freudsche Kränkung der Menschheit, die ökologische Kränkung. Wie für die vorherigen drei gilt es auch für diese, sie endlich zu überwinden.







    Das neoliberale Narrativ ist misanthropisch: jeder sei - gemäß seiner "Natur" - sich selbst der Nächste, der Glaube an Solidarität sei naiv. Verzicht widerspreche der menschlichen Natur, meint die ehemalige Familienministerin Kristina Schröder (CDU).
    Demokratie legitimiert sich im Neoliberalismus als Garant einer Freiheit, in der der Homo oeconomicus seinen Egoismus möglichst frei von Grenzen ausleben kann. Damit steht er in der zynischen philosophischen Tradition von Machiavelli, Malthus und Hobbes.
    [Schröder 2019]

    Der Neoliberalismus setzt die Individuen wo immer möglich in Konkurrenz zueinander. Es kommt zunehmend zu Sozialphobien und Depressionen bei denen, die dem Konkurrenzdruck nicht standhalten. Bevor man Profis für die Behandlung seelischer Krankheiten in Anspruch nehmen muss, kann man heute mit Coaching sein Verhalten für mehr Selbstbewusstsein optimieren.
    Einer solchen neoliberalen Selbstoptimierung setzte sich die Politologin und Autorin Tina Klopp im Selbstversuch aus und verarbeitete sie zu dem Hörspiel "Pimp Your Life", das von der Akademie der Darstellenden Künste zum Hörspiel des Monats März 2023 gewählt wurde. Klopp ließ sich von einem shadowing Coach, der ihr per Ohrstöpsel live Anweisungen gab, Übungsaufgaben stellen, andere Menschen zu ihrem eigenen Vorteil zu manipulieren.
    Interview mit Tina Klopp im BR: [Verknüpfung]

    "Ach ja, irgendwie geben mir alle Leute ja ganz gerne Ratschläge. Aber es sagt keiner so richtig 'was dazu, ob mit mir irgendwas nich' stimmt. Is' halt wie so'n Gefühl, ich weiß nich' ob es allen Menschen so geht. Ich hab' das eigentlich schon so seit der Kindheit, dass ich denke: Mit mir stimmt irgendwas nich', oder ich hab' irgendwie so 'ne Art von Behinderung. [...] Und meine Eltern halten das vor mir geheim, und dann instruieren die halt die Kindergärtnerin, und später die Schule und die Schulleitung und meine Mitschüler, das ebenfalls vor mir geheim zu halten. Und in Wirklichkeit ist irgendwas ganz, ganz komisch. [...] Was mich wirklich interessiert: könnte es etwas an mir geben, was andere dazu führt, mir weniger Eis, weniger Upgrades, weniger gute Ausstellungen zu geben? Was stellt der Profi da an mir fest?"
    Folge 1: Ich will mehr!
    [Verknüpfung] bei 6'03''
    Folge 2: Vom Klischee für's Leben lernen
    [Verknüpfung]
    Folge 3: Mach dich unbeliebt!
    [Verknüpfung]
    Folge 4: Sag doch auch endlich mal nein!
    [Verknüpfung]
    Folge 5: Volle Angst voraus!
    [Verknüpfung]
    Folge 6: Tausch' dein Leben!
    [Verknüpfung]

    Das Redaktionsnetzwerk Deutschland versteht sich auch als Ratgeber. "Ständiges Jasagen schadet der Psyche – und was man dagegen tun kann" ist ein Artikel über People Pleasing. Der Business-Coach Martin Wehrle erklärt hier ganz konkret, warum die Prinzen in ihrem Lied "Du musst ein Schwein sein in dieser Welt" einen Nerv treffen, Zitat:

    "Martin Wehrle verweist allerdings auf Studienergebnisse aus den USA, wonach nette und freundliche Menschen oft eher die unbeliebteren sind.
    Ein Grund: Die weniger Netten fühlen sich durch die Netten unter Druck gesetzt. „Stellen Sie sich vor, Sie stehen im Supermarkt in der Kassenschlange und hinter Ihnen lässt jemand einen anderen vor“, sagt Wehrle. „Dann fühlen Sie sich vielleicht unter Druck, dasselbe auch zu tun.“ Außerdem werde netten Menschen eher unterstellt, dass sie eine heimliche Agenda hätten - also ihre Nettigkeit einsetzen, etwa um im Beruf voranzukommen."
    [Verknüpfung]

    Dass man sich mit diesem Menschenbild wissenschaftlich abseits der Primaten-Biologie und der Anthropologie stellt, ist den Verfechtern dieser Darstellung egal. Auch dieser eklatante Konflikt mit dem wissenschaftlichen Kanon wird in das Reich der Meinungsfreiheit verdrängt. Selbst Babies, die noch nicht am Vorbild lernen konnten, zeigen Zuneigung zu kooperierenden Agenten, und Abneigung gegen destruktive.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Uchatius 2020]
    [Verknüpfung]
    Menschen mit dieser misanthropischen Vorstellung sind natürlich soziale Bewegungen suspekt, oft bis hin zur Aversion. Die wird z.B. deutlich, wenn Konservative sich mit den Folgen der 68er-Revolution auseinandersetzen, wie 2007 der damalige Bild-Chefredakteur Kai Diekmann. Sie beklagen eine heuchlerische Simulation von Altruismus, den sie abfällig "Gutmenschentum" nennen. Ein Begriff, der mittlerweile zum Stammvokabular der AfD gehört. Wenn einem nichts mehr einfällt, um das eigene Fehlverhalten zu rechtfertigen, diskreditiert man die Kritiker.
    [Verknüpfung]
    Holger Lösch, stellvertretender Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Industrie e.V. (BDI), überträgt das neoliberale Menschenbild auf die Gesellschaft und erklärt die Klimaproteste für aussichtslos: "Kein Staat strebt Klimaschutz an, wenn der Preis dafür der eigene Wohlstand ist."
    [Verknüpfung]
    Meinungsmacher, Politiker und Medien haben diese Narrative derart penetrant verbreitet, dass ein Großteil der Bevölkerung davon fest überzeugt ist.

    Der Groninger Prof. Tom Postmes spricht z.B. von erschreckenden 97% seiner Sozialpsychologie-Erstsemester. Andreas von Westfalen beleuchtet Postmes' vielfältige, sehr lesenswerte Erkenntnisse im DLF.
    [Verknüpfung]

    Die Konsequenz aus dem misanthropischen Menschenbild: Das Gemeinwohl muss im Neoliberalismus gegenüber der Freiheit des Einzelnen, also auch dem Profit, zurückstehen. Das Sprichwort "wenn jeder an sich selbst denkt, ist an alle gedacht" bringt die ethische Basis des Neoliberalismus zum Ausdruck: einen ungeschminkten Sozialdarwinismus, das Recht des Stärkeren.

    Im Ukraine-Krieg werden unsere Verdrängung, unsere Abschottungs-Mechanismen vor dem Leid anderer manchem unerträglich bewusst. In der taz spricht Jagoda Marinić von einer "Privatisierung von Leiden".


    Es ist, als hätte das Grauen, das Leben eben auch sein kann, keinen Platz mehr in unserer Gesellschaft, ohne dass man die emotionalen Reaktionen auf diesen Schrecken sofort pathologisieren oder wegberaten müsste. Man sucht oder gibt sofort Rat, wie das Leiden wieder weggehen kann, statt eben diesen Leidensdruck als etwas zu erkennen, das wieder an die Welt zurück gerichtet werden muss: Wir leiden an diesem Unrecht und sollten das gesellschaftlich zum Ausdruck bringen, nicht nur Ratschläge erteilen, wie es uns gelingen kann, an dem Elend nicht zu leiden. Uns abzulenken.
    Jagoda Marinić
    [Verknüpfung]

    Von derartigen Verdrängungsmechanismen, neoliberalen Narrativen und der ständigen Konkurrenz um Ressourcen und Statussymbole ist die Gesellschaft zutiefst entsolidarisiert. Hier wird das Individuum nur schwerlich ein Bewusstsein für kollektive Verantwortung entwickeln, oder zumindest persönliche Konsequenzen von sich weisen, ob mit dem Vorwurf des Moralismus oder in der Selbstoffenbarung erlernter Hilflosigkeit.
    Und so ist es im Umkehrschluss legitim, wenn fossilökonomistische Profiteure ihre ureigene Verantwortung der Krise bequem auf ihre Kunden abschieben, Politiker auf ihre Wähler. Diese wiederum machen es umgekehrt: so kommt es zur Verantwortungsdiffusion.

    Wie perfide die Ölindustrie die Diskussion um die Verantwortung der Klimakrise vom Zaun gebrochen hat, zeigt das Beispiel des Know Your Carbon Footprint, einer PR-Kampagne von Ogilvy & Mather, 2004 finanziert von BP: Je mehr man dem einzelnen Verbraucher seine Verantwortung klarmacht, desto geringer erscheint ihm die der Politik.
    Das wäre schon in Ordnung, wenn Klimaschutz allein in der Entscheidung der Verbraucher läge. Die vorherrschende fossilökomistische Politik hatte jedoch leider nicht nur das Gemeinwohl im Blick, sondern vor allem auch die Interessen der Lobby. Deshalb ist durchgreifender Klimaschutz nur durch politische Weichenstellungen möglich, die immer noch massiv behindert werden.
    [Verknüpfung]
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    Die Wissenschaftsdoku-Serie Quarks & Co. zeigt das Beispiel einer Familie, die ihre Möglichkeiten auslotet, ihren Fußabdruck zu verringern - und dabei schnell an Grenzen stößt, die nur durch gesetzliche Rahmenbedingungen überwunden werden können.
    Das soll niemanden davon abhalten, sich so klimafreundlich wie möglich zu verhalten. In der Informationsflut ist das UBA eine gute Orientierung.
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]

    BP verkauft mit dem klimaschädlichen Produkt zur Beruhigung des grünen Gewissens gleich auch die CO2-Kompensation mit dazu - ein klassisches Beispiel für Greenwashing.
    [Verknüpfung]
    Der Carbon Footprint war ursprünglich die Idee des Klimaschützers Mathis Wackernagel, der u.a. das Global Footprint Network gegründet hatte.
    [Verknüpfung]
    Mit Verantwortungsabwälzung war schon 1971 die amerikanische Verpackungsindustrie erfolgreich. In einem Werbevideo wurde das Littering, das "Entsorgen" (wieder so ein Wort) von Müll in die Umwelt, angeprangert: "People start pollution. People can stop it". Dass die Verpackungsindustrie dahinter steckte, war damals geheim.
    Eine Umfrage des Planetary Health Action Survey PACE aus dem Jahr 2023 zeigt: es funktioniert nach wie vor. 49% der Befragten hält "eigenes klimafreundliches Handeln für wirksam, jedoch nicht die derzeitigen politischen Maßnahmen zum Klimaschutz". Nur 23% sind vom Gegenteil überzeugt. Studienleiterin Cornelia Betsch: "Wir stecken in einer Individualisierungsfalle." Der Tagesspiegel fragt sie: "Bremst unsere Angst vor Veränderung mehr Klimaschutz?"


    Ich glaube, dass das auch der Spaltung der Gesellschaft zuträglich ist, wie da im Moment Politik getrieben wird.
    Claudia Betsch
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]
    Podcast-Tip:
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]

    Armin Grunwald, Physiker am Karlsruher Institut für Technologie KIT und Philosoph, sieht in diesem Ergebnis das "Produkt einer Enttäuschungsgeschichte". Er machte sich in seinem Buch "Ende einer Illusion. Warum ökologisch korrekter Konsum die Umwelt nicht retten kann" schon 2012 darüber Gedanken. An der Moralisierungstendenz beim Klimaschutz kritisiert er ein hohes gesellschaftliches Spaltungspotential, das mit dem Fortschritt der Krise immer sichtbarer wird. Ob die Psychologen der Anti-Klimaschutz-Lobby das auch schon mit einkalkuliert haben? Mittlerweile gefährdet die Spaltung den gesellschaftlichen Konsens zu Klimaschutz massiv.
    [Probst 2023]

    Zum 3l-Auto hört man immer wieder (wie auch noch vor Kurzem beim Elektroauto) die These, die Kunden hätten diese "rollende Verzichts-Erklärung" nicht gewollt. Allerdings gab es auch keine Verkaufsförderung wie wenige Jahre später bei der Abwrackprämie. Gar nicht zu denken an eine Beschränkung irgendwelcher Art für die vielen Spritschlucker, die den Verbrauchsduchschnitt 2017 auf 7,5l/ 100km hochtreiben.
    [Verknüpfung]
    [Sommer 2017]
    [Verknüpfung]

    Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Interview: "[...] obwohl Straßen sicherer geworden sind, Autos mit Abstandsregler eingeführt worden sind, gibt es immer noch Unfälle und Leute, die zu schnell fahren."
    Wer den durchschlagenden Erfolg einer (in Deutschland noch undenkbaren) rigiden Verkehrssicherheits-Politik sehen möchte, muss nur die Verhältnisse in Frankreich heute und vor dreißig Jahren vergleichen. Man braucht kein SUV, um auf der Straße bessere Überlebenschancen zu haben. Nur strenge Gesetze, die auch durchgesetzt werden.
    Im selben Interview: "Und der Mensch - der Verbraucher - ist 'n ambivalentes Wesen. D.h. sonntags sagen 'ich hätte gerne die eine Kuh, mit der geredet werden muss', die wird gestreichelt, und es ist alles wunderbar. So quasi 'ich möchte nur Fleisch von Tieren essen, die nie geschlachtet worden sind', aber dann in den Supermarkt gehen und Billigstfleisch kaufen. Es wird zum Beispiel Hähnchenfleisch - 100g - für 15Cent nicht nur verkauft, sondern auch gekauft. Und das ist unanständig."
    [Steingart 2019]

    Noch einmal Klöckner: "Die Verbraucher müssten auch ihr eigenes Verhalten hinterfragen: „Selbst ist man bereit, für ein Handy mehrere hundert Euro auszugeben, aber für Hähnchenfleisch nur 15 Cent pro 100 Gramm."
    [Verknüpfung]

    Vor zweifelhaften Auftritten vor der Kamera schreckt sie dabei nicht zurück. Für die Bild-Zeitung kocht sie mit Starkoch Lafer ein Vier-Personen-Sonntagsmenü für 25€ mit Fleisch der untersten Tierwohl-Haltungsklasse.
    [Verknüpfung]
    Vorher half sie dem verschrienen Konzern Nestlé, seine Strategie zur Zucker-Minderung in Szene zu setzen. Ein wahres Kunststück, wenn eine der Hauptzutaten Zucker ist.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Ministerin Klöckner tut so, als wären der Politik beim Ordnungsrecht, in der Verbraucheraufklärung oder in Subventionierungsfragen völlig die Hände gebunden. Stattdessen verzichtet sie oft genug auf Ordnungspolitik und akzeptiert "freiwillige Selbstverpflichtungen" der Industrie, wie auch in der Fleischindustrie.

    Die Zuverlässigkeit von Klöckners Tatsachen-Behauptungen in der Öffentlichkeit wird immer wieder massiv angezweifelt. In einer Tagesspiegel-Kolumne zieht Sebastian Leber Bilanz: "Die Fake News der Julia Klöckner: Unehrlichkeit als roter Faden einer Karriere". Er zitiert den prominenten Hundetrainer Martin Rütter.


    Also jetzt geht die Dreistigkeit wirklich in eine Dimension, wo du dich fragen musst, ist diese Frau in einem Zustand, dass die glaubt, dass alle völlig verblödet sind?
    Martin Rütter
    [Verknüpfung]

    Knapp 20 Jahre nach der Kampagne von Ogilvy & Mather versucht der Exxon-CEO Darren Woods die Ernte einzufahren: er fordert, das Abschieben der Verantwortung auf den Verbraucher durch Gesetze zu implementieren.

    In gleicher Weise schieben Armin Laschet und Peter Altmaier in der Corona-Krise die Verantwortung für die prekären Arbeitsbedingungen bei Amazon und den Niedergang des deutschen Einzelhandels auf den Konsumenten ab. So als gäbe es keine Gesetze, die Amazon in Deutschland massive Wettbewerbsvorteile bescheren.

    Große Teile der Gesellschaft können gar nicht auf umwelt- und menschenfreundlichere Angebote zugreifen, weil sie - auch aus politischen Gründen - für sie unerschwinglich sind. Einzige Möglichkeit zum Klimaschutz wäre für sie Verzicht, und damit auch Ausstieg aus vielfältiger gesellschaftlicher Teilhabe. Anstatt das Verteilungsproblem anzugehen, favorisiert und propagiert man die Bereitstellung billiger Produkte aus ausbeuterischer Produktion als einzige Lösung.

    Aber auch SPD-Kanzlerkandidat Scholz fischt 2021 in diesem Sumpf und erfindet für sein Spiegel-Interview zur Klimapolitik den Begriff "Verzichtsideologie".
    Zeit: [Verknüpfung]

    Verkehrsminister Volker Wissing ist der von Klimaschützern meistkritisierte Minister der Ampel-Regierung. Dennoch kommuniziert er die steigenden PKW-Zulassungen - auch von Verbrennern - bei jungen Leuten 2023 als Erfolgsmeldung. Das bezeichnet Bernd Ulrich von der Zeit als "ökologischen Zynismus".
    [Verknüpfung]

    Und dann gibt es noch die schamlosen Konsumismus-Prediger wie Jan Fleischhauer oder Dieter Nuhr, die in rüpelhafter Manier demonstrativ ihren egozentrischen Anspruch auf Konsum verteidigen, quasi als unverzichtbares Gewohnheitsrecht. Zivilgesellschaft und Politik haben diesen selbsternannten Verteidigern der persönlichen Freiheit viel zu lange viel zu wenig widersprochen.
    [Verknüpfung]
    Sie stellen die Verzichts-Forderungen der Klimaschützer als Überheblichkeit einer Elite dar, die sich den Klimaschutz leisten könne. Mit diesem Narrativ wird eine Politik gerechtfertigt, die vorgibt, Benachteiligte vor dem Absturz zu bewahren. In Wirklichkeit liefert sie scheinbare Legitimation für das fossilökonomistische System, das jahrzehntelang massiv soziale Ungerechtigkeit verursacht hat.
    Ein vorläufiger Tiefpunkt der Debatte ist Ulf Poschardts Versuch in Die Welt, eine Verbindung zwischen dem Coronaskeptiker-Populismus und den - wie er sie nennt - Klimaradikalen herzustellen: ihr überheblicher Moralismus.
    [Poschardt 2020]
    Was für Auswüchse diese Erzählung provoziert, kann man in den USA sehen: Coal Rolling ist ein Fahrzeug-Tuning, bei dem ein deutlicher Mehrverbrauch genutzt wird, um zusätzlich Rußpartikel und andere Schadstoffe zu erzeugen - als unübersehbares Zeichen eines persönlichen Freiheitsanspruchs. Die Frage ist, wer so etwas braucht und wo man die Grenze zur psychischen Pathologie zieht.
    [Verknüpfung]
    Eine High-Society-Variante dieses antisozialen Verhaltens gibt es auch. Blick.ch berichtet: "Superreiche lachen im Privatjet über Klimakleber". Zitate: "Ich leb' mein Leben, alles andere ist mir scheissegal", "ich kann mit meiner teuren Uhr auch nicht U-Bahn fahren", "mein Komfort ist mir einfach wichtiger".
    Blick.ch: [Verknüpfung]
    Strg-F auf Youtube: [Verknüpfung]
    Man spricht bei solchem autoritär-männlichen Imponiergehabe auch von Petromakulinität. Das gesellschaftliche Spaltungspotential solcher populistischen Provokationen zeigte sich schon im Hass gegen Greta Thunberg. Weil die reale Klimapolitik sich jedoch nicht sofort auf den Alltag der Bevölkerung auswirkte, hielten sich die Proteste in engen Grenzen. In der Corona-Krise jedoch wurde es wesentlich besser deutlich. Die extremistischen Corona-Skeptiker sind zwar nicht die Mehrheit, aber von solchen Freiheits-Narrativen aufgestachelt.
    Nach vielfacher massiver Kritik gefällt sich Dieter Nuhr neuerdings in der Opferrolle des zensierten Künstlers, er spricht vom Versuch der "persönlichen Vernichtung". Immerhin ein Zeichen, dass ihm deutlich widersprochen wird. Allerdings provoziert er damit Solidarisierungs- und weitere Abgrenzungs-Tendenzen von Gleichgesinnten, seines Clans. Damit trifft er einen Nerv der Konsumgesellschaft. Und käut die Erzählung von Gesinnungsjournalismus und Systemmedien (fake news) der Populisten wieder, die erstmals in der Flüchtlings- und Klimadebatte den Spruch geprägt haben: "das wird man ja wohl noch sagen dürfen". Nuhr und Fleischhauer sind auch Stichwortgeber rechts-libertärer Eliten. Die Herausforderung der aufgeklärten Zivilgesellschaft ist es, solchen Lautsprechern des Fossilökonomismus kein Podium zu geben, oder, wenn sie trotzdem weiter durchdringen, auch klar zu widersprechen.
    Im Phoenix-Interview stellt Alfred Schier Dieter Nuhr sehr kritische Fragen.
    [Verknüpfung]
    Die Wissenschafts-Journalistin Mai-Thi Nguyen Kim klopft Nuhrs Behauptungen auf ihre Seriosität ab.
    [Verknüpfung]

    Wo der Hass der fossilen Rechtskonservativen auf die Spitze getrieben wird, ist man schnell bei den assoziierten Themen der Klimagerechtigkeits-Bewegung: der Unterdrückung von Frauen und Minderheiten. Es ist kein Wunder, dass der Trump-Unterstützer und Frauenhasser Andrew Tate sich nach Aufhebung seiner Twitter-Sperre durch den Neolibertären Elon Musk mit seinen ersten Tweets gegen Greta Thunberg wandte - so war ihm die Aufmerksamkeit seiner Fans gewiss. Dumm nur, dass er mit seinen Fotos bei Twitter den rumänischen Behörden half, den internationalen Haftbefehl zu vollstrecken.

    Umwelt- und Klimaschutz wird von Fossilökonomisten gerne als unpopulär, und deshalb politisch nicht durchsetzbar, dargestellt. Besonders eklatantes Beispiel ist die Tabuisierung bzw. Stigmatisierung der Begriffe "Verbot" oder "Steuer".

    Bezeichnend für neoliberale Regierungs-Politik ist der mangelnde Wille, an diesem Narrativ einer infantilen Spaßgesellschaft etwas zu ändern - weil Wirtschaftswachstum vor Gemeinwohl geht. Ein aktuelles Beispiel dafür habe ich oben gegeben.

    Auch für Krisen gibt es ein rechtskonservatives Narrativ, und von der finalen Katastrophe als unausweichlichem Dilemma, etwa so: "Der Mensch ist schlecht, und in menschlichen Gesellschaften entwickeln sich deshalb immer wieder Krisen. Die wenigen Abweichler von der Norm sind von Natur aus Heuchler. Im Übrigen kann der Einzelne kann gegen die gemeinsam verursachten Missstände gar nichts ausrichten. Er sollte sich besser dem Schwarmverhalten anpassen und darauf setzen, dass die Mächtigen das Problem lösen. Irgendwann aber wird ein gravierendes Problem aus irgendeinem Grund nicht gelöst, und die Menschheit wird sich dann selbst zu Grunde richten. Das ist das evolutionäre Schicksal der Menschheit." Die Menschheitsgeschichte als kollektive selbsterfüllende Prophezeiung der Misanthropen, von geradezu apokalyptischem Ausmaß.

    In diesem zivilgesellschaftlichen Umfeld empfanden Klimaschützer sich jahrzehntelang als machtlose Minderheit. Auch von außen nahmen viele, selbst wohlmeinende Bürger in ihrer erlernten Hilflosigkeit, diese Bewegung wahr mit der resignierenden Einstellung: "die können auch nichts ändern." Auch wenn jetzt die Klimaschutz-Bewegung stärker wird, verursachen schnell wachsende rechte Gegenkräfte neue Ängste der Ohnmacht.
    Das Gefühl von Ohnmacht ist ein selbsterhaltendes Prinzip des Systems durch Unterdrückung von Kritikern. Diese Unterdrückung durch das patriarchale Besitzsystem wird sehr subtil ausgeübt, indem den Massen erfolgreich die Unendlichkeit des Trickle-Down-Effekts durch unendliches Wachstum in Aussicht gestellt wird. Um die erreichten Besitzstände vor Inflation zu bewahren, wird die Angst vor Hyperinflation geschürt und die Beschränkung der Staatsverschuldung zum Staatsziel erklärt. Seit 2015 ist eine Netto-Neuverschuldung in Deutschland sogar ein Verfassungsbruch. Nicht einmal die kombinierte ökologische und ökonomische Mega-Krise kann z.B. Ordoliberale beeindrucken - noch 2021 sprechen sie von "unendlichem Wachstum in einer endlichen Welt". Deshalb müsse an der Schwarzen Null unbedingt festgehalten werden.
    Die Massen lassen sich gerne mit dieser bequemen Annahme abspeisen, so unplausibel sie auch erscheint. Sie sind zufrieden, weil sie an ihrem Lebensstil vermeintlich nichts ändern müssen, und halten Systemkritiker bestenfalls für Spinner; viele nehmen sie als Fremdkörper der Gesellschaft wahr, und rechtkonservative Brandstifter sprechen sogar von gefährlichen Spaltern und betreiben regelrechte Hetze gegen Klimaschützer.
    Wenn das System stabil wäre, könnte man ja noch Verständnis für Konservative aufbringen, die Angst vor Instabilität haben, und mit ihnen die Abwägung zwischen Schwarzer und Grüner Null (Erhalt des Naturkapitals) diskutieren. Tatsächlich aber werden die Stimmen aus der ökonomischen Fachwelt immer lauter, dass unser Geldsystem ein fatales Schneeballsystem ist, so stabil wie ein Kartenhaus. Um dieses Kartenhaus zu erhalten, werden Naturressourcen für (nach menschlichen Maßstäben) Ewigkeiten geopfert und damit der ökologische Zusammenbruch in Kauf genommen. In Wirklichkeit liegt die Abwägung also nur noch zwischen Finanzkrise plus Ökokatastrophe einerseits und Wirtschaftsreformen plus unvermeidlichen ökologischen Problemen andererseits. Auch aus dieser Sicht erscheint ein Weiter-So als purer Wahnsinn.

    Neolibertäre Politiker, die in Leugnung von Fakten und politischen Notwendigkeiten vorgeben, die Interessen der breiten Masse zu vertreten, nennt man Populisten. So wie in einer überforderten Demokratie die Verantwortung diffundiert, so diffundiert in gleichem Maße die Wahrheit.
    Ralph Hertwig und Christoph Engel sprechen von "deliberate ignorance", geflissentlicher Ignoranz oder gewolltem Nichtwissen, vom "Homo ignorans".
    Studie in Perspectives on Psychological Science: [Verknüpfung]
    Der walisische Klimaaktivist beschäftigte sich 2014 in seinem vielgelobten Sachbuch "Don't Even Think About It: Why our brains are wired to ignore climate change and what to do about it" mit diesem Problem und diskutiert Lösungen.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2020 - George Marshall (environmentalist)]
    Eine lesenswerte Besprechung bei Klimafakten.de:
    [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]

    Völlig krank ist das leider nicht, es handelt sich um einen psychologischen Schutzmechanismus. Das fatale an der Klimakrise ist die lange Verzögerung zwischen dem Fehlverhalten und den katastrophalen Konsequenzen. Die jahrzehntelange Verdrängung, die von der Desinformation der Ölkonzerne ausgelöst wurde, lässt die Situation schon jetzt in der Klimakrise derart beängstigend erscheinen, dass dieser Schutzmechanismus mit dem Anhalten der Krise umso zuverlässiger ausgelöst wird.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Studie in nature: [Verknüpfung]
    Studie in science: [Verknüpfung]
    Studie in pubmed: [Verknüpfung]
    Studie in pubmed: [Verknüpfung]
    Studie in elifesciences: [Verknüpfung]

    Schon lange vor Filterblasen gab es Organe für das Menschenbild des rechtskonservativen Populismus: bei uns v.a. die Bild-Zeitung (in Österreich die Kronen-Zeitung, in UK die Sun usw.).


    Anscheinend hat [...] [die Politik in der Corona-Krise] das Gespür für das Volk verloren und schaut ersatzweise schockstarr auf die Schlagzeilen einer überspannten, schlingernden Boulevardzeitung. Aber die kennt das Volk auch nicht besser, sie denkt nur schlechter darüber.
    Bernd Ulrich
    Zeit: [Ulrich 2021-1]

    Die Corona-Krise machte die Brisanz dieser Haltung erst richtig deutlich. Das erschreckende Extrem-Beispiel für solchen Populismus ist die US-Präsidentschaft des bankrotten Millionärs-Erben Donald Trump, der trotz seines wirtschaftlichen Scheiterns gewählt wurde, und trotz (oder wegen?) 20.000 nachweislicher Lügen, allen voran die Leugnung der Corona-Risiken, die hunderttausende US-Bürgern das Leben gekostet hat, immer noch bei den Wählern und auch international eine riesige Anhängerschaft besitzt.

    Neoliberale sprechen den Menschen die Fähigkeit zu Empathie oder Solidarität ab, und damit die Einsicht in die Notwendigkeit von Verzicht. Damit lenken sie die Menschen davon ab, über ihre eigene Verantwortung nachzudenken. Dem widerspricht der Transformationsforscher Martin Stuchtey - er sieht darin eine kontraproduktive Erzählung.
    Zeit: [Verknüpfung]


    Wir unterschätzen chronisch das Bedürfnis und die Bereitschaft von Menschen, Teil von etwas Großem zu sein. Die großen Schritte in Richtung sauberer Energie wurden immer in Energiekrisen getan und die großen gesellschaftlichen Leistungen kamen auch in den Zeiten von Krisen hervor. Aber nur, wenn es ein Ziel gab, für das es sich lohnt, auf persönliche Interessen und Partikularinteressen zu verzichten. Die Bevölkerung hat verstanden, dass die Welt sich verändert.
    Martin Stuchtey

    Friedrich Hölderlin drückt es optimistisch aus.


    Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch.
    Friedrich Hölderlin

    Solange sich immer noch Schlimmeres verhindern lässt, gibt es also keinen Grund zu verzweifeln: das zementierte Denken kann sich auch wieder ändern. Mit den breiten Fridays-for-future-Protesten quer durch viele Schichten ändert sich da gerade etwas Grundlegendes, eine kritische Masse scheint zu kippen.
    Die Universität Erfurt untersucht diesen Prozess mit Umfragen im Rahmen der Planetary Health Actions Acceptance Study Erfurt pha2se.
    [Verknüpfung]
    Der niederländische Historiker Rutger Bregman zeigt Indizien für eine historische Zeitenwende zur globalen Kooperation. Er erklärt aber auch die bestehenden Probleme mit Kooperation im zu engen Kreis: Stammesverhalten und Clandenken.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Bregman sieht in der Corona-Krise ein Labor im Zeitraffer für kooperative Prozesse, die wir auch zur Bewältigung der Klimakrise nutzen können: "Wir brauchen ein neues Menschenbild".
    Zeit: [Verknüpfung]
    Letztlich ist das Problem einer zu kleinen Welt nur zu lösen durch eine Ausweitung unseres Kreises derer, mit denen wir kooperieren. Das stellte der Philosoph Hans Jonas schon 1979 in seinem Buch "Das Prinzip Verantwortung" dar.

    Dass sich ein zivilgesellschaftlicher Wandel vollzieht, zeigt sich in Umfragen.
    Z.B. von 400.000 Franzosen und Deutschen des Fernsehsenders arte im Herbst 2020.
    [Verknüpfung]
    Auch der BUND präsentierte am 22.12.2020 nach einer repräsentativen Umfrage ein überraschendes Ergebnis, das im kompletten Widerspruch der konservativen Darstellung steht.
    [Verknüpfung]

    Dass es genügend Kunden gibt, denen Lieferketten nicht mehr egal sind, zeigen mittlerweile selbst komplexe Technik-Produkte wie das Fairphone oder die fairen Computermäuse von Nager IT, die minutiös ihre Lieferkette transparent machen. Sie nagen damit am bis heute verbreiteten Narrativ der unsichtbaren Hand in den Lieferketten, das der Neolibertäre Leonard Read mit seinem ideologischen Lehrstück "I, Pencil" 1958 geschaffen hat.
    [Verknüpfung]

    Aufklärungskampagnen von Qualitätsmedien leisten einen wichtigen Beitrag, dass die lauten und wirksamen PR-Kampagnen der Fossilökonomisten für Egoismus und Chauvinismus ein Gegengewicht bekommen. Jeder einzelne muss erkennen: kein Individuum und kein Staat kann sich der Verantwortung entziehen, es kommt auf jeden einzelnen an. Neben dem protestierenden Aktivismus müssen wir sachliche Debatten führen. Schuld haben nicht nur die Akteure, sondern auch die teilnahmslosen Zuschauer: wer sich da nur aus Bequemlichkeit heraushält, macht sich mit schuldig. Natürlich gibt es auch Opfer, die nichts sagen, weil sie unter Druck stehen. Man sieht daran, wie zersetzend der Einfluss derart mächtiger Akteure auf die Zivilgesellschaft in einem Staat ist, der zu schwach ist, sie davor zu schützen.


    Niemand kann alles tun, aber jeder kann etwas tun.
    Rayan Alaoui

    Doch alle Appelle an die Verantwortung des Einzelnen sind nicht ausreichend. Ohne die richtigen politischen Rahmenbedingungen wird es dem noch so willigen Einzelnen viel zu schwer gemacht, ein nachhaltiges Leben zu führen. Wie zum Beispiel der Ex-Präsident des Club of Rome Ernst Ulrich von Weizsäcker ausführt.
    [Kollmer 2019]

    Mit politischen Vorgaben würde auch die gesellschaftsspaltenden ökologischen Moral-Forderungen entschärft, die rechtskonservative und neolibertäre Philosophen gerne zur Hypermoral erklären, und die seit 2023 sogar CDU-Politiker zu einem Kulturkampf hochstilisieren (nach verschiedenen Kontakten zu rechten Kreisen in den USA):
    Fossilökonomisten wirken politisch gegen Nachhaltigkeit (und sei es nur an der Wahlurne) - gleichzeitig schüren sie aber massiv Neid auf die Leute, die sich einen nachhaltigen Lebensstil leisten können.
    Manche Mitmenschen, die demonstrativen Klimaschutz ihrer Mitmenschen als moralischen Druck empfinden, sind sehr emfänglich für diese Neiddebatten. Besonders dann, wenn sie zu Angst neigen, gegen vermeintlich neue gesellschaftliche Normen zu verstoßen.
    Dieser empfundene (oder befürchtete) Neid wiederum führt bei Klimaschutz-Sympathisanten dazu, dass sie weniger intensiv und weniger demonstrativ Klimaschutz praktizieren, als sie eigentlich könnten. Sie haben Angst, gegen alte moralische Normen zu verstoßen und versuchen, sich unauffälliger zu verhalten.

    Der amerikanisch-ghanaische Philosoph Kwame-Anthony Appiah allerdings betont jedoch gerade die kulturelle Bedeutung von Moral und Ehre in Transformationsprozessen. Hier dürfte ein wichtiges Kriterium für soziale Kipppunkte liegen. 2011 schrieb Appiah das Buch "Eine Frage der Ehre - oder Wie es zu moralischen Revolutionen kommt" (SZ-NDR-Sachbuch des Monats April). Der Verlag schreibt darüber: "[...] menschenverachtende Praktiken [wurden] nur deshalb abgeschafft [...], weil das Ehrgefühl der Gesellschaft sich mit einem Mal dagegen wandte. Appiah weist damit der Ehre, die seit langem diskreditiert schien, einen neuen Platz in der Ethik zu. Sie kann, so Appiah, den Menschen auf moralische Abwege führen, wo er gar in ihrem Namen tötet. Sie ist es aber auch, die ihn noch heute dazu bringen kann, nicht nur richtig zu denken, sondern auch gut zu handeln." Le Nouvel Observateur zählt Appiah zu den 25 wichtigsten Denkern unserer Zeit.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Der Journalist Bernd Ulrich und die Historikerin Hedwig Richter haben es bereits in meine erste umfassende Präsentation über Klimapolitik jeweils mit einem Video-Einspieler geschafft; ich zähle beide zu den wichtigsten Impulsgeber:innen unserer Zeit. In ihrem gemeinsamen Bestseller "Demokratie und Revolution" laden sie 2024 dazu ein, das destruktive Menschenbild (das ich als misanthropisches Menschenbild des Neoliberalismus bezeichne), und damit die ökologische Kränkung, zu überwinden, um die Würde zurückzugewinnen - damit beziehen sie sich auf das Hauptmotiv des Grundgesetzes.

    Die Transformations-Wissenschaft beleuchtet diese gesellschaftlichen Mechanismen und entwickelt entsprechende Strategien.
    Buchtipp (Bestseller): Maja Göpel. Unsere Welt neu denken (Ullstein. Berlin 2020). Nicht umsonst ist auch Göpel Mitglied des Club of Rome.

    In seinem scheinbar stabilen Zustand entwickelt das fossile Wirtschaftssystem enorme Beharrungskräfte. Die individuellen Blockaden kommen von innen (Bequemlichkeit) und von außen (sozialer Druck durch fossilökonomistische Ideologie).

    Der Wissens-Chefredakteur der Zeit Bernd Ulrich spricht bei der wichtigsten persönlichen Entscheidungssfrage unserer Zeit, die Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck wieder einmal politiker-untypisch klar formuliert, von Öko-Existenzialismus.


    Menschen können sich entscheiden, wer sie sein wollen.
    Robert Habeck

    Ulrich führt die Frage so aus:


    In meinen Gesprächen, die häufig beim Veganen ihren Ausgangspunkt nahmen und dann rasch bei ungefähr allem landeten, hat sich aus der Verschärfung der ökologischen Lage die etwas zugespitzte Formel ergeben: ausbrechen oder durchdrehen. Also entweder man ändert sein Leben, übersteigt den eigenen Rahmen, investiert relevante Teile seiner Zeit oder auch seines Renommees in den Einsatz gegen die Krisen, vor allem die des Klimas, und geht damit ins Risiko für sich selbst – oder man stolpert immer tiefer in die Verdrängung, die Zerstreuung und die Illusion, in ein immer aufwendigeres und am Ende neurotischeres Nichtwahrhabenwollen, ins Alles-halb-so-wild. Das ist gemeint mit der Alternative: ausbrechen oder durchdrehen.
    Bernd Ulrich
    Zeit: [Ulrich 2022-1]

    Der visionäre Wissenschafts-Kommunikator Hoimar von Ditfurth versuchte schon 1978, die Gesellschaft im ÖR-Fernsehsender ZDF über das existentiele Ausmaß der Krise aufzuklären. Er verteidigt 1987 gegenüber dem Top-Journalisten Klaus Bresser den - nach dessen Meinung offensichtlich nutzlosen - Aktivismus seiner Tochter Jutta philosophisch, und wendet sich damit gegen die anthropozentrische Philosophie des Patriarchats.

    Die indische Autorin und Menschenrechts-Aktivistin Arundhati Roy verfasste in ihrem ersten Essay "The End of Imagination" ein Manifest des Scheiterns. Es ist dort formuliert als Protokoll eines Gesprächs mit einer Freundin. Sie zitiert es in ihrem Aufruf zum Antifaschismus in Indien, dessen westliche Duldung ein Ausdruck von Postkolonialismus ist.

    "Ich sagte, ihre Betrachtungsweise sei jedenfalls rein äußerlich, diese Annahme, dass die Kurve des Glücks einer Person – oder sagen wir, die ihrer Erfüllung – einen Höhepunkt gehabt hätte (und jetzt absetzen musste), weil der Mensch zufällig auf „Erfolg“ gestoßen war. Sie beruhte auf der phantasielosen Überzeugung, dass Reichtum und Ruhm der obligatorische Stoff für jedermanns Träume seien. Du lebst schon zu lange in New York, erklärte ich ihr."


    Es gibt noch andere Welten. Andere Arten von Träumen. Träume, in denen ein Scheitern denkbar ist. Ehrenvoll. Manchmal sogar erstrebenswert. Welten, in denen Anerkennung nicht das einzige Barometer für Brillanz oder menschlichen Wert ist. Es gibt viele Kämpfer, die ich kenne und liebe, Menschen, die weit wertvoller sind als ich, die jeden Tag in den Krieg ziehen und im Voraus wissen, dass sie scheitern werden. Sicher, sie sind weniger ‚erfolgreich‘ im vulgärsten Sinne des Wortes, aber keineswegs weniger erfüllt. Der einzige Traum, der sich lohnt, erklärte ich ihr, ist der Traum, dass man lebt, solange man am Leben ist, und erst dann stirbt, wenn man tot ist.
    Arundhati Roy

    "(Eine Vorahnung? Vielleicht.) „Und was bedeutet das genau?“ (Hochgezogene Augenbrauen, ein wenig verärgert.) Ich versuchte es ihr zu erklären, aber ich kam damit nicht sehr gut zurecht. Manchmal muss ich schreiben, um zu denken. So schrieb ich es ihr auf eine Papierserviette auf. Ich schrieb folgendes:"


    Lieben. Geliebt werden. Nie die eigene Bedeutungslosigkeit vergessen. Sich nie an die unaussprechliche Gewalt und an die vulgäre Ungleichheit des Lebens, die einen umgeben, gewöhnen. An den traurigsten Orten nach Freude suchen. Schönheit bis in ihre Höhle verfolgen. Niemals vereinfachen, was kompliziert ist, oder komplizieren, was einfach ist. Stärke respektieren, Macht niemals. Vor allem auf der Hut zu sein. Zu verstehen versuchen. Niemals wegschauen. Und nie, nie vergessen.
    Arundhati Roy
    blaetter.de: [Roy 2023]

    Der breite Klimaprotest bietet eine historisch einmalige, und wohl auch die letzte Gelegenheit, die gesellschaftlichen Blockaden zu überwinden. Die Unternehmerin und Umweltaktivistin Dorothea Sick-Thies bringt diese Hoffnung im Interview mit Carl Fechner zum Ausdruck.


    Wenn man zusammenkommt und an der Veränderung mitwirkt zusammen, dann sind sie [die jugendlichen Klimaaktivist:innen] enthusiastisch und kämpferisch und haben die Hoffnung. Diese Hoffnung dürfen sie nie verlieren, weil dann ist es zu spät. Und deswegen müssen wir jetzt handeln.
    Dorothea Sick-Thies
    Wie wunderbar ist es, dass niemand einen Moment warten muss, bevor er anfängt, die Welt zu verbessern.
    Anne Frank
    im Video 38'50'': [Fechner 2021]
    [Verknüpfung]

    Konstruktive Ansätze der Transformtion sind die Donut-Ökonomie von Kate Raworth und der ökologische Handabdruck.

    Eine ganz lebensnahe Ansprache junger Menschen, die in unserer überforderten Verdrängungsgesellschaft Orientierung suchen und geben wollen, bietet Quarks & Co..


    Filmtip: Dein Beitrag für den Klimaschutz bringt eh nix?! - Der Faktencheck | Quarks
    Quarks & Co. bei Youtube: [Verknüpfung]

    Petra Pinzler und Bernd Ulrich plädieren fünf Jahre nach der COP21 in Paris für eine neue Sinnorientierung, und orientieren sich damit an Konsumkritiker:innen wie Jimmy Carter oder Erich Fromm.
    [Pinzler 2020]

    Die Professorin für Nachhaltige Ökonomie Maike Sippel von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Gestaltung in Konstanz, Mitglied des Club of Rome, präsentiert in der taz ein persönliches 12-Punkte-Programm für alle Aktiven in der Transformation. Es adressiert besonders die vielfältigen Frustrationspotentiale, indem sie den Fokus auf Kooperation, Achtsamkeit und Empowerment (Stärkung, Ertüchtigung, Ermächtigung) legt. Der Artikel ist für mich ein Muss für alle Transformations-Aktiven und Aktivist:innen.


    Zwölf Ideen, um die Welt zu ändern
    1. Sehen Sie sich als Teil dieser Welt
    2. Seien Sie dankbar
    3. Lassen Sie Schmerz und Trauer zu
    4. Machen Sie Ihre Werte zur Grundlage Ihres Handelns
    5. Machen Sie sich ein Bild von der Zukunft
    6. Erinnern Sie sich, dass Wandel möglich ist
    7. Auch der Handabdruck zählt
    8. Benutzen Sie Werkzeug für Transformationsprozesse
    9. Versorgen Sie sich mit guten Nachrichten
    10. Sprechen Sie darüber
    11. Sehen Sie das Ganze als Abenteuer
    12. Passen Sie auf sich auf
    Maike Sippel
    taz: [Verknüpfung]


    Activism works.
    Greta Thunberg








    Je schwerwiegender die Verantwortung, desto stärker ist die Motivation, sie auf andere abzuwälzen.
    Je größer die Schuld, desto stärker ist die Motivation, sie zu verdrängen.

    Menschen, die das gleiche Fehlverhalten zeigen, sind uns als Komplizen willkommen: "wir haben doch nichts falsch gemacht", "die anderen sind mindestens genauso schlimm", "ich habe mich bemüht, es besser zu machen"; ein misanthropisches Menschenbild erleichtert diese Selbstrechtfertigung.

    Je mehr Komplizen, also Mitschuldige wir haben, desto leichter fallen uns die Ausflüchte. Die Zeiten, als man die "da oben", also die Aristokratie oder die Firmeninhaber, verantwortlich machen oder an Gemeinschaftsaufgaben beteiligen konnte, sind vorbei. Zu sehr sind die Interessen (man kann auch sagen Schicksale) der Arbeitgeber und Arbeitnehmer miteinander verwoben. Das fängt mit der Vernetzung zwischen Unternehmensleitungen mit politischen Parteien und Arbeitnehmervertretern an und hört mit Vorzugsaktien, Firmen-Sozialfonds und privater Altersvorsorge mit Aktienfonds nicht auf.
    Die Geldaristokratie wird nicht adressiert, denn diese schirmt sich höchst erfolgreich in Gated Communities von Medien und Gesellschaft ab, so wie sie ihr Geld oft in Steuerparadiesen versteckt.

    Die Überforderung der Zivilgesellschaft wird überdeutlich in der Verantwortungsdiffusion, d.h. dann, wenn sich Politik, Wirtschaft und Bürger gegenseitig die Verantwortung zuschieben:


    The greatest threat to our planet is the belief that someone else will save it.
    Robert Swan

    Die Sozialpsychologie bezeichnet eine solche Situation als soziales Dilemma, ein Beispiel ist die Tragik der Allmende. Die Forschung bezeichnet Sanktionen (Strafen) für egoistisch Handelnde als wirksames Mittel, das Dilemma schnell und wirksam zu lösen.
    [Wikipedia 2022 - Soziales Dilemma]


    Bisherige Forschung hat nun eindrücklich zeigen können, dass die Einführung einer Option zur Sanktionierung (d.h. Bestrafung) von egoistischen Akteuren in sozialen Dilemmas kooperatives Verhalten substantiell fördern kann.
    Prof. Dr. Johannes Keller, Universität Ulm (aus der Instituts-Präsentation)
    [Verknüpfung]

    Sanktionierung in prekären Einkommensgruppen führt zu Unruhen. Deshalb sind extrem ungleiche Gesellschaften unfähig zum Klimaschutz und brechen in der Klimakrise zusammen. Deshalb wird die Umverteilung auch von führenden Ökonomen massiv gefordert. Friederike Otto führt den Gedanken im taz-Artikel aus: "Ich habe keine Angst vor dem Klimawandel." Weiter:


    Davor habe ich Angst: dass wir den Klimawandel weiterhin als irgendein physikalisches Problem betrachten, das irgendwann später auf uns zukommt und das man dann schon irgendwie technisch lösen wird. Wir müssen unsere Gesellschaften weniger verletzlich machen, und das heißt vor allem: Ungleichheit und Armut bekämpfen.
    Friederike Otto
    [Verknüpfung]

    Diese Verschiebung der Verantwortung ist ein selbstverstärkender Prozess - solange er keine Konsequenzen hat: ein ethisch-moralischer Unterbietungswettbewerb setzt ein. Die Mahner werden zu Außenseitern, Hyper-Moralisten, Spielverderbern erklärt.
    Wenn die so ausgelösten Krisen jedoch exponentiell zu Schäden führen, funktioniert das Prinzip der Verantwortungs-Diffusion nicht mehr. Dann wird die Fragilität einer verantwortungsscheuen Gesellschaft deutlich. Bernd Ulrich analysiert in der Zeit die Gründe für die Ohnmacht der Kanzlerin Merkel in der Corona-Politik, Überschrift: "Regiert da wer?" Zitat:

    "Seit einem Jahr verhalten sich die 16 Ministerpräsidenten jede verdammte Woche so, als hätten sie am nächsten Sonntag Wahl. Wie die Kaninchen starren sie auf lautstarke Minderheiten, seien sie auch noch so verrückt ("Querdenker") oder marode (AfD). Anscheinend hat man das Gespür für das Volk verloren und schaut ersatzweise schockstarr auf die Schlagzeilen einer überspannten, schlingernden Boulevardzeitung. Aber die kennt das Volk auch nicht besser, sie denkt nur schlechter darüber. Es scheint ganz so, als habe die Politik die beiden wichtigsten Vorzüge der repräsentativen Demokratie aus dem Auge verloren: erstens, dass alle vier Jahre gewählt wird, und zweitens, dass vier Jahre lang nicht gewählt wird. Der Versuch, in schweren Zeiten möglichst zumutungsarme Politik zu betreiben, endet nun darin, dass alles als Zumutung empfunden wird, die Angst der Regierenden nährt den Zorn der Regierten und der Zorn dann wieder die Angst."
    Zeit: [Ulrich 2021-1]

    Was für eine lehrbuchreife Projektion des eigenen Versagens, wenn Fossilökonomisten den Hedonismus einer Jugend beklagen, die von der Gesellschaft eine Perspektive auf Zukunft einfordert. Als wäre die Jugend nicht von eben dieser entfesselten Konsumgesellschaft zutiefst hedonistisch sozialisiert worden. Am aggressivsten verunglimpft werden die vielen Aktivist:innen, die teils wirklich respektable Anstrengungen unternehmen, um möglichst klimafreundlich zu leben. Das zeigt, dass es weniger um eine Kritik von jugendlichem Hedonismus geht, als vielmehr um eine Ablehnung von Forderungen nach Klimaschutz.
    Das nächste Level ist das Suchen von Schuldigen in Verschwörungstheorien, die letztlich zu Enthemmung und Gewalt führen können.

    Kabarettist Frank-Markus Barwasser alias Erwin Pelzig führte uns lange vor Fridays for Future drastisch vor Augen, wie wir später gegenüber unseren Nachkommen in Gewissensnöte kommen können. Wer jetzt Satire erwartet, wird nicht enttäuscht. Dennoch könnte manchem das Lachen vergehen.


    [Barwasser 2013]

    Der Kabarettist Till Reiners zeigt 2022 in seiner Till to go der ZDF Heute Show, wieviel Verantwortungsdiffusion betrieben wird mit der Frage: "wer ist schuld an der Klimakrise?"
    [Verknüpfung]







    Es ist in weiten Teilen der Bevölkerung durchaus akzeptiert, seinen Lebensstil klimafreundlicher zu gestalten. Doch für Geringverdiener ist effektiver Klimaschutz praktisch unmöglich, ohne gravierende Einschränkungen an der gesellschaftlichen Teilhabe in Kauf zu nehmen. Das liegt nicht etwa daran, dass Klimaschutz nicht bezahlbar wäre, sondern weil die politischen Rahmenbedingungen dem entgegenstehen. Entscheidende Fortschritte im Klimaschutz sind ohne gravierendes politisches Umlenken unmöglich, auch in der Sozialpolitik. Trotzdem schaffen es Politiker immer noch, die Verantwortung auf die Bürger:innen abzuwälzen.
    In der Konsequenz ist es einfacher, die abweichenden Klima-Aktivisten anzugreifen als die eigentlich Verantwortlichen in der Politik, die ja nach eigener Darstellung vermeintlich gegen Mehrheitsentscheidungen doch nichts ausrichten können (was freilich nur dann stimmt, wenn Politiker Populismus betreiben, also aus Opportunismus heraus nicht die Wahrheit sagen).

    Alle sind schuld und niemand: ein Dilemma, was nun? Wer in diesem Klima der ratlosen Verantwortungsflucht politische Veränderungen verlangt, der sieht sich schnell beim geringsten klimaschädlichen Verhalten dem Vorwurf der Hypokrisie (Scheinheiligkeit) ausgesetzt. Diejenigen, die gegen Klimaschutz-Politik sind, werfen Aktivist:innen selbst dann klimaschädliches Verhalten vor, wenn sie im Sinne des Klimaschutzes, also letztlich des Gemeinwohls, protestieren, und dafür z.B. Mobiltelefone oder Verkehrsmittel nutzen.
    Die bekannte Chemikerin und Wissenschaftsjournalistin Mai-Thi Nguyen Kim bringt das Problem dieser "ad hominem"-Strategie wunderbar auf den Punkt.


    [Verknüpfung] 20'11''-23'48''

    Die klimapolitischen Forderungen von Fridays for future zum Beispiel sind von der Wissenschaft, u.a. wissenschaftlichen Beratern der Bundesregierung, gedeckt. Deshalb sind die Forderungen nach Klimaschutz auf jeden Fall berechtigt, egal wer sie vorträgt.

    Gegenseitige Schuldzuweisungen sind für Fortschritte im Klimaschutz kontraproduktiv. Ob man sich lieber dem möglichen Vorwurf der Hypokrisie aussetzt, oder gegen die Klimakrise den Mund aufmacht, ist eine gravierende persönliche moralische Entscheidung, in der die soziale Komponente besonders gravierend ist. Schnell sieht man sich in der Gefahr einer Außenseiter-Rolle.

    Dabei müssen Klimaschützer nicht einmal etwas dazu tun. Für Fossilökonomisten ist es ein Leichtes, einen Spaltkeil zwischen Konservative und die Klimabewegung zu setzen. Die Ängste der Konservativen vor der Zukunft ist für sie eine sichere Bank, wenn sie eine Schlammschlacht anfangen, wie z.B. die neoliberale Denkfabrik INSM mit ihrer 10-Verbote-Religionskampagne. Als Klimaschützer ist es schwer, einen solchen Konflikt nicht zu verlieren. Wer sachlich bleibt, wird leicht als überheblich wahrgenommen, als unsensibel gegenüber den Ängsten der Konservativen. Wer sich aber auf das Niveau der persönlichen Auseinandersetzung begibt, verschärft die Spaltung. Viele empfinden das persönliche Risiko der gesellschaftlichen Distanzierung viel größer als das Risiko, dass die Klimaschützer recht haben könnten.
    Das Clandenken ist eines der größten Beharrungsmomente für gesellschaftliche Fehlentwicklungen: warnende Stimmen werden geflissentlich ignoriert und sogar unterdrückt, solange es keine inneren Gründe für Wandel gibt.

    Ein uraltes Instrument, Clandenken zu befördern, ist das Verächtlich-Machen der Gegenmeinung - eine der häufigsten Formen von Mobbing. So hat die Welt-Redakteurin Franziska Zimmerer zum Thema Klima-Angst in ihrem polemischen Kommentar nur Spott übrig: "Wer unter Klimaangst leidet, sollte einen Therapeuten aufsuchen". Ein exemplarischer Fall für das Lehrbuch des Populismus.
    [Verknüpfung]


    Es ist leichter die Menschen zu täuschen, als sie davon zu überzeugen, dass sie getäuscht worden sind.
    Mark Twain

    Ein Grund dafür ist das Potential der Kränkung, das sich exponentiell verschärft, je tiefer die Verdrängung betrieben wird.

    Ein Zeichen des gesellschaftlichen Umbruchs ist die Tatsache, dass mittlerweile sogar Influencer sich zu Klimaschutz bekennen und sich auch aktiv mit den Hypokrisie-Vorwürfen auseinandersetzen.
    Zeit: [Verknüpfung]







    Vorgeschichtliche Gesellschaften waren intern von Kooperation geprägt, aber nach außen von Konkurrenz. Gesellschaftliche Organisation und technische Entwicklung führten zur Bildung größerer Gesellschaften. Sobald diese sich über die rein physische Durchsetzung der Macht des Stärkeren hinaus zu politischen Systemen entwickelt hatten, wurden gesellschaftliche Kooperations-Modelle entwickelt: von der frühen Staats- über die Wirtschafts-Philosophie bis hin zur Sozialpsychologie von heute.

    Eines der neoliberalen Ideale ist der perfekte Markt, der mit Adam Smiths "unsichtbarer Hand" alles besser regeln kann als irgendwelche Gesetze und Pläne des Staats. Das Problem ist allerdings, dass die Bürger ("Marktakteure") auf begrenzte gemeinsame Ressourcen (Allmende) zurückgreifen müssen. Hier ist die Gemeinschaft gefordert einzugreifen, wenn sie gerechte Voraussetzungen für alle schaffen, oder wenigstens den gemeinsamen Ruin (nach William Forster Lloyd "tragedy of the commons") vermeiden will.
    [Wikipedia 2020 - Tragik der Allmende]
    Mai-Thi Nguyen Kim erklärt die Erkenntnisse aus der modernen Spieltheorie und benennt Problemfelder für gesellschaftliche Allmende-"Spielregeln":
    "1) Das soziale Dilemma
    Solange die Spielregeln so gemacht sind, dass die egoistische Entscheidung kurzfristig den größten Gewinn oder den geringsten Verlust bringt, wird die Tragödie des Gemeinguts eintreten - früher oder später.
    2) Anonymität [...]: Man hat keinen Einfluss auf das Verhalten der Anderen. [...]
    Zum Beispiel kann man die egoistische Entscheidung weniger belohnen oder sogar bestrafen."
    Darüber hinaus eröffnet die moderne Spieltheorie weitere Kooperations-Optionen: Gegenseitigkeit (Reziprozität) und soziales Ansehen (Reputation).


    [Verknüpfung]

    Um solche Kooperations-Mechanismen in einer neoliberalen Gesellschaft zu etablieren, die per definitionem Egoismus zelebriert und Altruismus als "Gutmenschentum" abqualifiziert, ist allerdings ein tiefgreifender Kulturwandel nötig, der mit den Grundannahmen des Neoliberalismus bricht.
    Sozialpsychologen untersuchen die Mechanismen mit der Spieltheorie. Eine Studie aus dem Jahr 2016 legt nahe, dass dabei die Wertmaßstäbe für gesellschaftliches Ansehen eine zentrale Rolle spielen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Wenn im Jahr 2022 die erste Regierungs-Kampagne zum Energiesparen seit den Ölkrisen der 70er gestartet wird, zeigt überdeutlich, dass die Politik seitdem in dieser Beziehung kaum gesellschaftlichen Gestaltungswillen gezeigt hat.
    [Verknüpfung]
    Zitat aus einer Studie von Newell et al. zu sozialen Dilemmata in Umweltfragen:

    "Der entscheidungsanalytische Rahmen unterteilt die Welt in Handlungen (Optionen zur Auswahl), Zustände (mögliche Wege, wie sich die Welt verändern könnte) und Ergebnisse (die Folgen jeder Handlung in jedem Zustand). [...]
    Soziale Dilemmata treten in einer von zwei Formen auf: Dilemmata für öffentliche Güter (etwas geben) und Ressourcen-Dilemmata (etwas nehmen) (auch als Commons-Dilemma bekannt).
    In einem Dilemma öffentlicher Güter müssen Einzelpersonen entscheiden, ob sie persönliche Ressourcen beitragen, um ein öffentliches Gut zu erreichen oder aufrechtzuerhalten, das allen Mitgliedern des Kollektivs zugute kommt, unabhängig davon, ob alle Mitglieder zu diesem öffentlichen Gut beigetragen haben oder nicht. Die Struktur dieser Art von Dilemma ist eine, bei der die Kosten von Einzelpersonen getragen und die Vorteile von der Gruppe geteilt werden. Im Umweltbereich wären Beispiele für Dilemmata öffentlicher Güter (a) Entscheidungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen und Investitionen in (kostspieligere) grüne Energie in einer Branche, in der Wettbewerber möglicherweise nicht investieren, und (b) Entscheidungen, zur Finanzierung der Forschung zu alternativen Energien beizutragen von denen die Ergebnisse allen zugute kommen.
    Bei Ressourcendilemmas, dem Gegenteil von öffentlichen Gütern, steht jedem in der Gruppe eine kollektive Ressource zur Verfügung, und Einzelpersonen müssen entscheiden, ob sie ihre Nutzung der Ressource einschränken wollen, um eine Erschöpfung des kollektiven Guts zu vermeiden. In diesem Fall geht der Nutzen aus der Ernte der Ressource an den Einzelnen, aber die Kosten (der Erschöpfung) trägt das Kollektiv als Ganzes. Die Erhaltung von Wasser, Regenwäldern, Fischerei und Ölvorräten sind Beispiele für Ressourcendilemmas im Umweltbereich."
    [Newell 2014]

    Früher konnte man einzelne Großkapitalisten für gesellschaftsschädliches Verhalten verantwortlich machen, wie im Extremfall die Zerschlagung des Rockefeller-Monopols zeigt. Mittlerweile wurde die Verantwortung für die vielfältigen Missstände über die gesamte Gesellschaft verteilt: die Kapitaleinlagen stammen heute nicht nur von Großkapitalisten, sondern auch von Kleinsparern und Pensionsfonds. Große Firmen haben so bedeutenden Anteil an der Wertschöpfung, dass ihr beständiges Wachstum zum Staatsziel geworden ist. Auch sind viele Milliardäre in der Gesellschaft weitgehend unbekannt, auch wenn sie umso größeren politischen Einfluss nehmen.
    Als demokratische Gesellschaften es endlich geschafft hatten, Spielregeln aufzustellen, sorgte im Neoliberalismus die Globalisierung dafür, dass internationale Firmen sich nur eingeschränkt daran halten mussten: die Globalisierung ermöglicht freien Kapitalfluss und Ressourcenzugriff in verschiedenen Nationen mit unterschiedlichen Gesetzgebungen, die sich jeweils vorteilhaft nutzen lassen. In einem Land Ressourcen und Arbeitskräfte ausbeuten, im zweiten die Produkte verkaufen und im dritten die Gewinne versteuern. So werden die Staaten gegeneinander ausgespielt.

    Ernst Ulrich von Weizsäcker erklärt im dritten Bericht an den Club of Rome "Wir sind dran", dass die Wachstumsideologie in einer "leeren Welt", in der die Grenzen des Wachstums noch weit entfernt lagen, funktionieren konnte - aber nicht in der heutigen, "vollen Welt". Der hemmungslose Konsumismus des Nordens sei das grundlegende Problem. Seine geflissentlichen Versäumnisse einer gerechten Teilhabe des globalen Südens hätten zu einer Explosion der Weltbevölkerung geführt, die eine kritische Marke erreicht habe. Die konsumstarke Mittelschicht sei vor allem in den Schwellenländern explodiert. Das von allen erstrebte Vorbild ist der verschwenderische Hyperkonsum der Industrieländer.
    [von Weizsäcker 2018-2]
    Beim UN-Gipfel von Rio de Janeiro 1992, nach dem Ende des kalten Krieges, versprachen die Staatschefs der Industrieländer, die "Friedensdividende" werde für die Lösung der Umwelt- und Gerechtigkeitsprobleme eingesetzt (Agenda 21). Davon ist nichts übriggeblieben. Von Weizsäcker resümmierte 2012 anlässlich des Jubiläums Rio+20:

    "[...] damals sprachen alle Leute von den sogenannten Friedensdividenden, die man abkassieren könne, nachdem der Ost-West-Konflikt zu Ende war. Und man rechnete aus, dass da also so etwas wie 500 Milliarden Dollar jährlich frei würden von Militärhaushalten. Und dieses sollte dann zu ungefähr einem Fünftel, also 100 Milliarden, in die Agenda 21 fließen für eine Ökologisierung und Entwicklung der Welt, also insbesondere der armen Länder. [...] es ist ja dann ein Prozess eingesetzt, der das ganze Geld aufgefressen hat in Form von Steuererleichterungen insbesondere für das Kapital, für die Reichen, für Vermögen und so weiter."
    [Verknüpfung]

    100 Milliarden US-$, das ist der gleiche jährliche Betrag, der 2015 bei der COP in Paris versprochen und bis heute Jahr für Jahr nicht aufgebracht wird.
    Welchen Umfang die Ungleichverteilung mittlerweile angenommen hat, kann man an den Zahlen sehen, die die NGO Patriotic Millionaires mit Oxfam u.a. 2022 präsentiert hat: mit 2-5% Reichensteuer könnte man die 3,7 Milliarden bedürftigster Menschen sozial absichern.

    Die Wurzeln dieser Fehlentwicklung liegen im Kolonialzeitalter. In einer Rede vor der Hochschule Karlsruhe - Technik und Wirtschaft - beleuchtet von Weizsäcker weiter die Geistesgeschichte der klassischen Wirtschaftsphilosophen und ihre missbräuchlichen Deutungen durch die Neoliberalisten.
    [von Weizsäcker 2018-1]
    Ein Jahr später spricht von Weizsäcker im Studium Generale der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen (HfWU) noch ausführlicher Klartext.
    [von Weizsäcker 2019]
    Zum 80. Geburtstag hielt von Weizsäcker am 25.09.2022 einen Vortrag beim Symposium "Wir sind dran: Inspirieren – Reflektieren – Handeln" der Vereinigung deutscher Wissenschaftler VdW, des Wuppertal Instituts und der Deutschen Gesellschaft Club of Rome, in dem er deutlich pessimistische Töne anschlägt: "Engagement in Politik und Forschung für eine urenkeltaugliche Welt".
    VdW: [Verknüpfung]
    WI: [Verknüpfung]
    youtube: [Verknüpfung]
    Der Journalist Gerhard Hofmann von Agentur Zukunft fasst die Beiträge der prominenten Redner:innen für die Stiftung Weltethos zusammen.
    [Verknüpfung]

    Die Gemeinwohlökonomie sucht, zusammen mit vielen zivilgesellschaftlichen Akteuren, nach neuen Wertmaßstäben, die politisch zur Förderung einer gemeinwohlverträgliche Wirtschaft eingesetzt werden können.
    [Verknüpfung]
    Der Unternehmensberater Gerd Hofieler erklärt in einer Publikation des IASS Potsdam.
    [Verknüpfung]

    Fossilökonomisten dagegen übertragen die neoliberale Sichtweise auf die Allmende der Atmosphäre und fordern einen Marktmechanismus für die Begrenzung von CO2-Emissionen: den Handel mit Emissionszertifikaten. Dass dabei planwirtschaftlich eine Obergrenze ("Cap") der Emissionen festgelegt wird, stört sie nicht weiter. Ihr Interesse daran hat andere Gründe als Klimaschutz.

    Im nächsten Kapitel geht es um das Allmende-Problem im internationalen Maßstab.







    Seit Jahren wird gegen die Energiewende argumentiert, dass unsere Wirtschaft durch Stromausfälle und an den Kosten der Energiewende zu Grunde gehe, während der Rest der Welt sich hemmungslos vermehre und weiter CO2 produziere.

    Anfangs hörte man die These nur hinter vorgehaltener Hand, doch wird sie auch gezielt als rechtspopulistische Behauptung öffentlich platziert, in letzter Zeit immer lauter: das Bevölkerungswachstum der Dritten Welt sei ein dringenderes Problem als die Klimakrise.
    [Verknüpfung]
    Dabei ist die maximale Wachstumsrate überschritten, die Geburtenraten sinken bereits deutlich; um 2064 rechnet man mit einem Maximum von ca. 10 Milliarden.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    BBC: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]
    BBC: [Verknüpfung]
    Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung: [Verknüpfung]

    Fossilökonomisten übersehen auch geflissentlich, dass die individuelle CO2-Emission höchst unterschiedlich ist. Wobei zunächst die Bewohner der Industrieländer per se eine höhere Grundemission haben, weil die Infrastruktur dieser Länder weit höhere Werte verursacht. Dazu kommen je nach Lebensstil Zusatzemissionen, die den Wert auf ein Vielfaches des Durchschnitts (in Deutschland z.Zt. 9-10t/ a) steigen lassen.
    Nach einer Studie der NGO Oxfam verursachen

  • die reichsten 10% der Weltbevölkerung 52% der Emissionen,
  • und das reichste Prozent sogar mehr als doppelt so viel wie die ärmste Hälfte.

  • [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    die Studie als pdf: [Oxfam 2020] Infografik: So sehr schaden die Reichen dem Klima | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista
    die Studie als pdf: [Oxfam 2020]

    Dazu noch eine andere wissenschaftliche Studie in Nature Communications.
    [Verknüpfung]

    Jahrhundertelange Eingriffe der Kolonialmächte bis hin zur Klimakrise haben die sozialen Strukturen in Afrika derart geschwächt, dass nachhaltige Wirtschaftsformen und damit resiliente kleinbäuerliche Ökosysteme oftmals verschwunden sind. Dem versuchen vorausschauende afrikanische Regierungen in Zusammenarbeit mit NGOs zu begegnen, zum Beispiel mit Baumpflanz-Aktionen, die auch gegen die globale Klimakrise wirken.
    Den grünen Gürtel in der Sahel-Zone mit den von Yacouba Sawadogo und Toni Rinaudo erfundenen Agroforst-Techniken organisieren Afrikaner dort mit Unterstützung von NGOs erfolgreich selbst.
    [Spiegel 2019-3]
    [Tagesschau 2019]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2020 - Green Belt Movement]
    Während Afrikaner bei der Aufforstung Ernst machen, erfindet man in Europa wieder Möglichkeiten, daraus Profit zu schlagen. Christian Lindner (FDP) meint im Sommer 2019, das 1,5-Grad-Ziel sei "am effektivsten" mit Aufforstung zu schaffen. Er verschweigt, dass ohne sofortige Energie-, Agrar-, Verkehrs- und Wärmewende die Effekte der Aufforstung niemals ausreichen werden. Klimaforscher Stefan Rahmstorf rückt in seinem Blog Lindners Aussagen zurecht.
    [Verknüpfung]
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    Lindner befürwortet zudem die Aufforstung zum Zwecke der Kompensation - also unserer weiteren CO2-Emissionen. In kolonialer Tradition kaufen wir von den Entwicklungsländern günstig Negativemissionen, die ihnen damit in der Zukunft nicht mehr zur Verfügung stehen werden, ihre eigenen CO2-Budgets einzuhalten.
    [Verknüpfung]
    Aus ökologischer Sicht besteht zudem große Gefahr, dass eine Aufforstung im industriellen Stil weitere riesige Flächen mit artenarmen Monokulturen besetzt werden, was die Biodiversität auf dieser Fläche zerstört. Monokulturen sind nicht nur sehr anfällig für Schädlinge. Ihre Artenarmut ist eine Brutstätte von Zoonosen.
    In der Tundra oder auf Moorböden ist die CO2-Bilanz bei Aufforstung sogar positiv (es kommt also netto zu zusätzlichen Emissionen). Die Mykorrhiza wird von den Bäumen ernährt, um ihnen durch Zersetzung von Humus die wenigen Mineralstoffe zu liefern - dabei entsteht CO2.
    [Verknüpfung]
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    Die State-of-the-Art-Simulation En-ROADS des Sloan Instituts am MIT beziffert die Klimawirksamkeit maximal möglicher Aufforstung mit ca. 0,1°C, was man leicht in der Simulation durch Verschieben des Reglers "Aufforstung" herausfinden kann.
    Zwar würde die gestiegene atmosphärische CO2-Konzentration die Aufnahme von CO2 erleichtern. Wenn der Trocken- und Hitzestress diesen Effekt nicht überkompensieren würde. Mit steigenden Temperaturen wird die Aufforstung als Gegenmaßnahme immer weniger wirksam. Wir konstruieren uns damit einen zusätzlichen, künstlichen Kipppunkt.
    [Verknüpfung]
    Die Ökosystemforscherin Almuth Arneth und der Förster Axel Henke erklären das Problem im DLF.
    DLF: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    Der Waldzustandsbericht des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft BMEL 2022 zeichnet ein düsteres Bild, was die CO2-Bilanz deutscher Wälder angeht.
    BMEL: [Verknüpfung]
    Zudem sind seit dem Preis-Durchbruch von PV und Elektromobilität technische Lösungen zur Reduktion und Sequestrierung von CO2-Emissionen wesentlich effizienter als Pflanzenkulturen. Gibt man stattdessen die Flächen der Natur zurück, so entstehen wilde Ökosysteme mit weit größerer Klimaresilienz als Pflanzenkulturen.

    Im November 2023 erscheint zur COP28 eine große nature-Studie, die von 231 Autoren erstellt wurde. Das Potential ist demnach auf etwa 226 Gt begrenzt, und basiert auf Bedingungen, die in der Klimakatastrophe nicht sichergestellt werden können. Der Großteil des Potentials liegt in der Erhaltung bestehender Ökosysteme. Vor allem Monokulturen sind kontraproduktiv.
    Studie in nature: [Mo 2023]
    natur.de: [Verknüpfung]
    ingenieur.de: [Verknüpfung]

    Wer die Qualität von Lindners Profi-Prognosen mit der aktuell besten Simulation nachprüfen möchte, wird beim nobelpreisgekrönten Sloan-Institut des MIT fündig. Spoiler: Lindners Vorschlag ist insofern der Rede wert, als dass er sehr viel über dessen Professionalität im Klimaschutz aussagt.
    Auch das in den letzten Jahren oft propagierte BECCS, die Kombination von Biomasse-Verbrennung mit CCS, vervielfacht zwar das Sequestrierungs-Potential, reicht aber - wie andere Scheinlösungen - bei Weitem nicht für die Lösung der Klimakrise.
    Beim Schutz des Amazonas-Regenwalds dagegen steht die FDP nicht in der vordersten Reihe. Ansonsten fiel Lindner damals durch Abwehr aller Klimaschutz-Ansätze aus, die über die von Experten scharf kritisierten Vorschläge der Fossilökonomisten hinausgingen.
    [Verknüpfung]
    Doch auch wirtschaftspolitisch spielen wir Europäer eine destruktive Rolle: die EU rollt ihr altes Modell industrieller Landwirtschaft gegen die Interessen lokaler Kleinbauern auch in Afrika aus. Gegen unsere hochsubventionierten, mit billiger Fossilenergie massenhaft produzierten Produkte haben die lokalen Produkte preislich keine Chance.
    Weltweit treiben wir die Zerstörung der Tropenwälder massiv voran, weil Großgrundbesitzer Regenwald-Flächen roden für industrielle Landwirtschaft und damit unseren ungesunden Fleischkonsum (Feed Stocks und Tierfutter-Plantagen in Südamerika) bzw. unseren Rohstoff-Konsum (Palm- und Kokosöl-Plantagen in Ozeanien) bedienen, wieder befeuert durch Freihandelsabkommen der EU. Nutznießer sind die Chemie-Industrie, die (hier teils unerlaubte) Pestizide verkaufen und billiges Palmöl als Rohstoff bekommen können, die Verbrenner-Industrie und die europäische Viehzucht-Industrie.
    Über die Diskussion in den USA gibt der TEDx-Talk des Chemikers und Ex-Chrysler Managers David Detzler aus 2021. Dort werden offensichtlich noch offensiver Carbon Offsets propagiert als bei uns - wen wundert's?
    [Verknüpfung]

    2023 belegt eine investigative Recherche von Zeit, Guardian und Source Material, dass 94% der Kompensationen durch Aufforstung nicht funktionieren oder gefälscht sind. Besonders in der Kritik: der Marktführer Verra. Das Unternehmen wurde 2006 gegründet u.a. von dem Weltwirtschaftsforum in Davos, der Climate Group, einem globalen Zusammenschluss von Politikern und Unternehmen wie BP, Starbucks und Allianz, dem internationalen Wirtschaftsrat WBCSD, dessen Co-Vorsitz zu der Zeit der CEO von Shell innehatte, und der IETA, die größte Lobby-Gruppe für den Emissionshandel, zu deren Mitgliedern die Deutsche Bank und RWE zählten. Laut Verra-Webseite sitzen auch heute noch in den Berater- und Interessengremien drei Manager des Mineralölkonzerns Shell, auch Mitarbeiter des Pharmariesen Bayer, des Lebensmittelherstellers Danone und des Online-Händlers Amazon.
    Das Unternehmen setzt von Anfang an zum großen Teil auf den Schutz bestehender Wälder. Es spekuliert auf eine massive Schädigung einer Waldfläche durch Rodung und generiert aus deren Rodungsschutz entsprechende Zertifikate. Dass die Schädigung von Vergleichsflächen ohne die Schutzmaßnahmen weit geringer ausgefallen sind als von Verra angenommen, lässt Zweifel über die Seriosität der Annahmen aufkommen. Tatsächlich sind viele Rodungs-Projekte, die durch den Schutz verhindert worden sein sollen, zweifelhaft.
    Diese Ungereimtheiten hat u.a. eine Forschergruppe um den Assistenzprofessor Thales West an der Freien Universität Amsterdam aufgedeckt. Von den untersuchten 29 der 87 Projekte war nur eines, das Verras Spekulationen erfüllt hat. Eine andere Gruppe um den Forstwissenschaftler Alejandro Guizar Coutiño der britischen Universität Cambridge hat 2022 40 Waldschutzprojekte von Verra untersucht. Die Entwaldung in den Projekten ist demnach zwar insgesamt um 47 Prozent zurückgegangen, doch es waren vor allem drei Projekte, die den Durchschnitt gehoben haben. Bei den anderen Projekten zeigte eine Auswertung, dass die Gefahr für die Wälder im Schnitt um rund das Zehnfache überschätzt wurde. Obwohl Guizar Coutiño mit West und dem Oxford-Ökologen Yadvinder Malhi übereinstimmt, dass Verra die CO2-Einsparungen "weit überschätzt" habe, feiert das Unternehmen die Studie als Erfolgsbeleg.
    Bedenkt man die mittelfristig steigende Empfindlichkeit von Waldökosystemen durch die Klimakrise, wird das Modell komplett ad absurdum geführt: mittel- bis langfristig werden diese carbon offsets wieder freigesetzt, wenn die Wälder vertrocknen.
    Mit Elias Ayrey fanden die Journalisten einen Whistleblower, der den Riesen-Betrug von aus dem Inneren des Unternehmens beleuchtet.
    Source Material: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Guardian: [Verknüpfung]
    Verra ist dabei, seine CO2-Kompensationsprodukte auch an ganze Staaten zu verkaufen.
    Die zugrundeliegende Studie erscheint im August in science.
    science-Studie: [Verknüpfung]
    APA: [Verknüpfung]
    Standard: [Verknüpfung]
    ORF: [Verknüpfung]
    Fachleute bezweifelten seit Jahren die Seriosität der CO2-Kompensation.
    smc 2020: [Verknüpfung]
    Dr. mult. Franz Radermacher bezeichnete 2019 den Betrug in seinem Buch im Titel als "Milliarden-Joker". Die Uni Ulm veranstaltete dazu eine Vorlesungsreihe im Rahmen des studium generale mit Online-Material.
    [Verknüpfung]

    Was viele Kritiker und Klimaaktivist:innen lange moniert haben, wird erst nach Jahren öffentlich. Die Plantagen sind nachweislich zum allergrößten Teil nutzlos, und teils wird irrsinnigerweise Urwald dafür gerodet. Hierfür werden wehrlose Menschen im Globalen Süden gewaltsam vertrieben. Die ZDF-Reihe planet e berichtet vom Schicksal der ugandischen Kleinbauern Vivii Edward und Jackson Vasilyeva, und interviewt Fachleute wie die Gutachterin Jutta Kill oder Martin Cames vom Öko-Institut Freiburg. Einige wertvolle Aspekte von planet e sind leider nur in einem Zusatzangebot online zu sehen, das unter Nachrichten läuft.
    Filmtip: ZDF planet e Kampf ums Klima. ZDF 28.05.2023 [Verknüpfung]
    Zusatzangebot ZDF Nachrichten: [Verknüpfung]
    Video aus dem Zusatzangebot in der Mediathek: [Verknüpfung]


    Viele der Projekte bringen Landraub mit sich. Menschen werden für die Anlage von Plantagen vertrieben. [...] Das sehe ich bei meinen Besuchen immer wieder: dass die lokale Bevölkerung, die in den Bildern und den Broschüren der Anbieter von Emissionsprojekten immer als die glücklichen Empfänger von Geldern dargestellt werden, eigentlich die Leidtragenden sind.
    Jutta Kill
    Ich wurde in diesem Wald überfallen. Sie brachen mein Bein, seitdem kann ich nicht mehr richtig laufen. Sie haben mich halbtot geprügelt, ich musste ins Krankenhaus. Sie haben auf den ganzen Körper eingeschlagen, meinen Kopf, auf's Ohr. Mein Trommelfell ist geplatzt. Mein Bein, schaut selbst. Ich war ein hart arbeitender Mann, konnte meine Familie versorgen. Die Erinnerungen quälen mich bis heute.
    Vivii Edward
    Bevor die Plantagen hier gepflanzt wurden, lebten in diesem Gebiet Menschen. Sie haben hier Ackerbau betrieben, die Menschen hatten Häuser. Es gab Weideflächen. Doch dann kamen die Soldaten. Sie haben die Bewohner festgenommen, geschlagen, misshandelt, als wären sie nicht in ihrem eigenen Land. Wenn Du Geld hast, kannst Du in Uganda alles machen. Wenn Du kein Geld hast, kannst Du nichts machen. [Heute leben die Menschen in bitterer Armut zurückgedrängt am Ufer des Viktoriasees.] Wir sind Flüchtlinge in unserem eigenen Land, und nur die stärksten überleben.
    Jackson Vasilyeva
    Im freiwilligen Markt gibt's eigentlich keine Regulierung. Also jeder kann von sich behaupten, "ich biete ein Label an für „klimaneutral“, und wenn Ihr meine Zertifikate kauft, dann könnt Ihr die auf Eure Produkte und Eure Dienstleistungen drucken [...] Es hat sich [2016] gezeigt, dass 85% 'ne geringe Wahrscheinlichkeit haben zusätzlich zu sein, Treibhausgase zu mindern, und lediglich nur 2% dann wirklich, wo wir ein gutes Gefühl haben und sagen, da ist eine hohe Wahrscheinlichkeit. [...] Diese Idee der Klimaneutralität signalisiert auch: "Du brauchst Dich um nix weiter zu kümmern, das ist gelöst, das Problem. Klima haben wir im Griff. Du kannst weitermachen wie bisher."
    Martin Cames

    Die Deutsche Umwelthilfe DUH fordert ein Verbot der Klimakompensation.

    Einen knappen Überblick über die Probleme mit der CO2-Kompensation gibt der Wikipedia-Artikel.
    [Wikipedia 2023 - Klimakompensation - Wirksamkeit und Kritik]
    Hier findet sich auch ein Absatz über eine bessere Alternative, die sogenannte Klimaverantwortung.
    [Wikipedia 2023 - Klimakompensation - Alternative: Klimaverantwortung]

    Kein Klimaschützer bestreitet, dass die Weltbevölkerung nicht weiter explodieren darf - allein das tut sie wohl auch nicht mehr. Die Projektionen der Wissenschaftler deuten auf ein baldiges Maximum von 11 Milliarden Menschen - die bei mäßigem Fleischkonsum sogar ernährt werden könnten. Gesetzt den Fall, dass die klimabedingten Verluste an Ackerflächen nicht zu groß werden.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Und selbst wenn die Wissenschaftler sich irren: restriktive Geburtenkontrolle aller Entwicklungsländer würde nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was die Industrie- und Schwellenländer emittieren; zuzüglich der Emissionen, die sie dort verursachen, wäre das Missverhältnis noch krasser.

    Immer wieder wird Klimaschutz von der Industrie abgelehnt mit dem Argument, die Produktion würde in Länder mit geringeren Auflagen abwandern. Dabei muss die heimische Industrie gar nicht schutzlos der CO2-intensiv produzierten Billig-Konkurrenz ausgeliefert sein. Man hätte schon längst Importabgaben für CO2-intensive Produkte einführen können, am besten nach international vereinbarten Standards. Dass diese Regelsysteme noch im Entwurfsstadium stecken, ist dem mangelnden Willen der Beteiligten geschuldet.
    [Verknüpfung]
    Ein Beispiel, das von Denkfabriken bereits durchdacht wurde, ist das Climate Border Adjustment.
    [Verknüpfung]
    Im Dezember 2022 beschließt das EU-Parlament eine Testphase, die Oktober 2023 tatsächlich anläuft, und einen Regelbetrieb für 2026-2027. Die Regelung könnte auch die internationale Bereitschaft für einen Klimaclub befördern, wie er von SPD-Kanzler Olaf Scholz in der Staatengruppe G7 angeregt wurde.
    DW: [Verknüpfung]
    DW (englisch): [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]
    Die neoliberale Welt dagegen kennt keine Zollschranken, nur unterschiedliche Umwelt- und Arbeitnehmerschutz-Gesetze, die es geschickt auszunutzen gilt. Als Handelshemmnis widerspricht ein Klimazoll der neoliberalen Ideologie vom freien Markt - deshalb werden wirksame internationale Abkommen erst denkbar, wenn auch entsprechende Zollabsprachen getroffen sind.
    In Europa gibt es natürlich große Widerstände von Klimaschutz-Bremsern wie dem mittlerweile als Unternehmensberater tätigen Ex-EU-Kommissar Günther Öttinger (CDU). Getreu der neoliberalen Erzählung "I, Pencil" behauptet er, eine Zertifizierung komplexer Produkte sei gar nicht möglich, würde unzumutbare Bürokratie verursachen und gleichzeitig Betrug Tür und Tor öffnen. Er beruft sich auf den Leiter Allgemeine Wirtschaftspolitik/ Wissenschaft der RWE Hans-Wilhelm Schiffer und zitiert den Klimarelativisten Hans von Storch: "Schwellenländer [...] dürften Schutzzölle als Strafzölle betrachten, wenn sie sich nicht so strenge Klimavorschriften wie die reichen Länder des Westens leisten können."
    [Verknüpfung]
    Demgegenüber ist die Debatte im Dezember 2021 schon deutlich fortgeschritten.
    [Verknüpfung]
    Öttinger übernimmt dabei von Storchs Vorwurf des Neo-Kolonialismus, was eine dreiste Verdrehung darstellt.
    Wenn durch Klimazölle die globalen Ressourcen geschont werden sollen, kritisieren Neoliberale das als Strafzölle für den Globalen Süden. Und wenn durch Lieferketten-Gesetze Beschäftigte vor Ausbeutung geschützt werden sollen, kritisieren sie die Arbeitsplatzverluste. Sie verklären neo-koloniale Ausbeutung als Wohltat, die wohlmeinende Menschen der Industrieländer ihnen verwehren wollen. Diese Darstellung ist der wahre Neo-Kolonialismus.
    Öttinger kann sich nicht einmal von Storchs Lieblingszitat von Emanuel Geibel verkneifen, das den unseligen deutschen Überlegenheitsanspruch ausdrückt: "Und es mag am deutschen Wesen auch die Welt genesen", ein Zitat aus der Hypermoralismus-Debatte der Rechtskonservativen. Als wären es nicht europäische Akteure gewesen, die dem Globalen Süden ihre Geschäftsmodelle als Fortschritt verkaufen wollten.
    Die Sensibilität der Verbraucher ist mit dem Krisenbewusstsein enorm gewachsen, wie sich beim Fortschritt der Lieferketten-Gesetzgebung zeigt. Hier zeigen Positiv-Beispiele, dass bei entsprechendem Willen der Beteiligten sinnvolle Lösungen gefunden werden können.
    Die Schweiz geht einen pragmatischen Weg: die Lenkungsabgabe wurde von Anfang an von der Zollbehörde erhoben, egal ob es um einheimische oder eingeführte Produkte handelt.

    Fossilökonomisten wie Hans-Werner Sinn werden nicht müde zu behaupten, dass das von uns gesparte Öl quasi per Naturgesetz anderswo verbrannt werden wird, und die deutsche Energiewende ein gefährlicher Irrweg sei.
    Phoenix: [Verknüpfung]
    FAZ: [Verknüpfung]
    Sinn ignoriert dabei die Fakten, dass weltweit immer mehr Investoren und Versicherungen aus fossilen Investments und ihrer Absicherung aussteigen, dass immer mehr Verfahren zu Klima-Schadenersatz oder Klimaschutz-Verpflichtungen eröffnet werden, dass mittlerweile 80% der neuen Stromerzeugungskapazitäten erneuerbar sind, dass sich am entscheidenden chinesischen Automarkt bald gar keine Verbrenner mehr absetzen lassen werden, usw., kurz: dass die Ölparty vorbei ist.
    Als Begründung für Gesetze taugt Sinns Behauptung jedenfalls nicht mehr - sie ist vom Bundesverfassungsgericht 2021 ausdrücklich als verfassungswidrig erklärt worden.
    Professor Lion Hirth von der Hertie School of Finance zerlegt Sinns Behauptungen kurz und schlagkräftig in der FAZ.
    FAZ auf MSN: [Verknüpfung]
    Original in der FAZ: [Verknüpfung]

    Ein ähnliches Pseudo-Argument bringt der Vorsitzende der Landes-Agrarminister-Konferenz Sven Schulze (CDU Sachsen-Anhalt), im Agrarsektor vor: wenn Deutschland Schweine mit großen Tierwohl-Auflagen produziert, werden die Tiere woanders leiden.
    Interview im DLF am 30.03.2022: [Verknüpfung]
    Transkript: [Verknüpfung]


    Also man sollte sich nicht dieser Illusion ergeben, dass jedes Tier, was in Deutschland nicht gehalten wird, am Ende gar nicht existiert, sondern die werden oft mit schlechteren Tierwohlstandards außerhalb Europas dann aufgezogen.
    Sven Schulze

    Die Frage ist doch, ob man dieses katastrophale sozialökologische Dumping einfach dem freien Markt überlässt oder Regelungen einführt.

    Doch all diese Ablehnung von kollektiver deutscher Verantwortung (Verantwortungsdiffusion) ist nicht gerechtfertigt. Deutschland hat allein von den direkten Emissionen her einen viel höheren Anteil an den kumulativen Gesamt-Emissionen, als gemeinhin behauptet wird: wir stehen auf Platz 4, direkt nach den 3 Supermächten USA, China und Russland (Stand 2018).


    [Verknüpfung]

    Das Rennen um die ersten Plätze zeigt diese interaktive Grafik als Bar Chart Race (mit Technik von observablehq.com).


    [Verknüpfung]

    Jason Hickel von der London School of Economics bezieht 2020 in die Betrachtung der historischen Emissionen auch die durch Importe verursachten Mengen bis 2015 mit ein. Deutschland landet in dieser Studie sogar auf Platz 3, hinter den USA und Russland.
    [Verknüpfung]
    [Hickel 2020] (Open Access)
    pdf: [Verknüpfung]

    Aber auch bei den jährlichen CO2-Emissionen liegt Deutschlands reiner Eigen-Anteil immer noch weit höher als sein Anteil an der Weltbevölkerung: Platz 6 (2018).
    [Wikipedia 2020 - Liste der größten Kohlenstoffdioxidemittenten - nach Ländern]

    Auch hat Deutschland mit Hilfe dieser Emissionen einen Entwicklungsstand erreicht, der uns die Klimawende im Vergleich leichter macht als den allermeisten anderen.
    Darüber hinaus werden viele Emissionen in anderen Ländern (v.a. China) durch unseren Massenkonsum verursacht. Wobei Chinas Emissionen pro Kopf immer noch weit hinter Deutschland liegen.
    [Wikipedia 2019 - Liste der Länder nach CO2-Emission pro Kopf]
    Viele planwirtschaftliche Ziele hat China vorzeitig erreicht - in der disruptiven Energie- und Mobilitätswende sind die Prognosen ebenfalls optimistisch.
    [Verknüpfung]
    Man sollte also die Planung Chinas, 2060 CO2-neutral zu sein, nicht vorschnell abtun.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Angesichts der Tatsache, dass ein Großteil der CO2-intensiven Produktion für unseren Konsum dorthin exportiert wurde, lässt sich eine verzögerte CO2-Neutralität Chinas durchaus rechtfertigen. Umso mehr, da wir ein Großteil der damit hergestellten Produkte selbst konsumieren. Je ehrgeiziger Europa seine Ziele nachschärft, desto mehr wird China sich in der Dynamik bestärkt sehen. Spätestens mit CO2-Importzöllen, die immer öfter diskutiert werden, wird sich die Entwicklung beschleunigen.
    Gute Argumente gegen undifferenziertes China-Bashing hat die Deutsche Welle zusammengefasst.
    [Verknüpfung]
    Der Energieforscher Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin reflektiert die Entwicklung der letzten Jahre und stellt ernüchtert fest: "Ohne China ist die Energiewende gestorben."
    [Verknüpfung]
    2022, nach dem Höhepunkt der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg, bewahrheitet sich dieser Satz: Nach dem Bericht Renewable Capacity Statistics der IRENA sind etwa 83% der neu installierten Stromerzeugungs-Kapazitäten erneuerbar, und China ist mit Abstand der wichtigste Produzent. Auch im eigenen Land nimmt der Anteil der Erneuerbaren Energien rasant zu.
    deutsche Pressemitteilung der IRENA: [Verknüpfung]
    Studie der IRENA: [Verknüpfung]
    Studie der IRENA als Pdf-Datei: [Verknüpfung] (Seite 2)
    DW: [Rueter 2023]
    energiezukunft: [Verknüpfung]
    Selbst die Denkfabrik Weltenergierat Deutschland, an der etliche fossile Unternehmen beteiligt sind, bestätigt 2023 in einer sehr ausführlichen Studie diese Zahlen - auch wenn sie die Scheinlösung blauer Wasserstoff aus fossilem Erdgas mit CCS als nachhaltige Option ansieht, und einen höheren Importanteil an Wasserstoff empfiehlt als die meisten unabhängigen Energiesystemforscher.
    Weltenergierat Deutschland: [Verknüpfung]
    Studie des Weltenergierats: [Verknüpfung]
    Auch der Energieblog en:former des Kohlegiganten RWE bestätigt die Zahlen.
    [Verknüpfung]

    Während wir also pro Kopf der Weltbevölkerung eine hohe Verantwortung am Problem tragen, sind die Schäden am höchsten bei denen, die kaum etwas dazu beigetragen haben. Klimagerechtigkeit bedeutet auch, dass sich die Klimaschutz-Anstrengungen nach den Möglichkeiten und nach der Verantwortung richten muss.
    [Verknüpfung]

    Fossilökonomisten werden jedoch nicht müde zu betonen, wieviel wir schon für den Klimaschutz geleistet haben und dass wir deshalb nun die Ambitionen zurücknehmen müssten. Das ist eine Verdrehung der Tatsachen.
    Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft 2020 war klimapolitisch eine große Enttäuschung. Finnland dagegen kündigt für seine Präsidentschaft ehrgeizige Ziele an. Zwar ist noch ein Drittel Anteil an Kernenergie geplant, doch spricht die Kostenexplosion in diesem Sektor für umso größere Anstrengungen in der Strom-Speichertechnologie. Sie werden umso attraktiver, je billiger die Quellen für Erneuerbaren Strom werden.
    [Kirchner 2019]

    Erneuerbarer Gesamtanteil: Schweden Spitze, Deutschland im unteren Drittel.
    Oft hört man dazu das Argument, dass Schweden ja seine Grundlast mit Atomkraft abdecke. Statt den Kraftwerkspark zu erhalten, werden in Schweden seit zwei Jahrzehnten nur noch alte AKW abgestellt - entgegen den ursprünglichen Planungen des Betreibers Vattenfall von 50 Jahren Laufzeit. Grund sind keine Gesetze, sondern einfache Marktmechanismen. Erneuerbare sind heute günstiger, selbst im nordischen Schweden.
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]

    Auch im Schwellenland Mexiko vollzieht sich eine dramatische Energiewende.


    Twitter: [Verknüpfung]

    Kalifornien und Österreich haben sich schon für eine Dekarbonisierung 2040 entschieden, Schweden (CO2-Steuer seit 1991) für 2045, Dänemark plant schon für 2030 eine ehrgeizige Emissionsreduktion von 70%. Die Schweiz betreibt die Dekarbonisierung mit einer sehr ambitionierten Lenkungsabgabe, die seit ihrer Einführung 2008 auch eine spürbare Umverteilungswirkung hat.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Dänemark will sicher gehen, dass den Planungen auch Maßnahmen folgen. Dänische Regierungen können ab 2020 bei Verfehlen von Klimazielen zur Verantwortung gezogen werden.
    [Verknüpfung]
    Trotz 30 Jahren stetig steigender CO2-Steuer droht in Schweden keine rechtsnationale Revolution, und während Schweden sich weiter als Antreiber im Klimaschutz betätigt, verbreitet sich in der Zivilgesellschaft die Überzeugung: andere werden dem Beispiel folgen.
    [Verknüpfung]
    Norwegen hat 2021 eine Progression bis auf 200€ pro Tonne im Jahr 2030 beschlossen.
    [Verknüpfung]
    Das Online-Tool ClimateView ist ein Beispiel, wie die Kommunikation der Klimawende in Schweden funktioniert.
    [Verknüpfung]
    Auch begleitende Gesetzgebungen sind mittlerweile das Objekt von Studien.
    [Verknüpfung]
    Die Schweizer Lenkungsabgabe wurde 2008 für eine merkliche, kurzfristige Wirkung ausgelegt: 10% in vier Jahren - und nicht wie damaligen deutsche Gesetze mit Langfrist-Perspektiven wie 100% bis 2050.
    [Wikipedia 2022 - Lenkungsabgabe (Schweiz) - Einführung]
    Die eindrucksvolle Entwicklung der Rückverteilung seitdem kann man hier nachvollziehen.
    [Verknüpfung]
    Das Manager-Magazin berichtet 2019 über weitere Beispiele einer CO2-Steuer, auch aus Frankreich und Kanada, und über die Forderung eines Climate Leadership Council - der sogar die Ölkonzerne Exxon, BP und Shell umfasst - nach der Steuer.
    [Verknüpfung]
    Deutschland entschließt sich erst nach massiven Klimaprotesten 2019 zu einer CO2-Steuer - zuerst von lächerlichen 10€ pro Tonne ab 2021, die nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auf immer noch sehr niedrige 25€ hochgesetzt wurden. Das UBA berechnete damals 180€ als adäquat. 2023 gab das UBA den Preis mit 237€ an.
    [Verknüpfung]
    Das Energy Policy Institute at the University of Chicago EPIC gibt 2022 201$ pro Tonne an.
    Studie bei EPIC: [Cruz 2022]
    Green Car Congress: [Verknüpfung]
    2023 veröffentlichen das Kopernikus-Projekt Ariadne und die INSM Machbarkeitsstudien zur Rückzahlung der Steuer als Klimageld. Angesichts der früheren Anti-Klimaschutz-Propaganda der INSM eine Sensation.
    Ariadne: [Verknüpfung]
    INSM: [Verknüpfung]
    Auch der Rat der Wirtschaftsweisen empfiehlt das Klimageld, doch die FDP verhindert seine Einführung mit der Begründung von Sparzwängen. Die CDU hat mit ihrer erfolgreichen Verfassungsklage zur Einhaltung der Schuldenbremse in der Ukraine-Krise diesen Sparzwang ausgelöst.

    Um sich dem internationalen Unterbietungswettbewerb im Klimaschutz zu entziehen, kann ein Land Klimazoll erheben. Diese Möglichkeit ist in der Scheiz besonders einfach zu realisieren, denn die Lenkungsabgabe wird generell, auch für einheimische Produkte, vom Zoll erhoben.
    [Verknüpfung] (siehe "Vollzug")

    Der schwedische Stahlkonzern SSAB kündigt für 2026 die erste wasserstoffbasierte Stahlproduktion nach dem sog. Hybrit-Verfahren an, während in Deutschland um milliardenschwere Subventionen gefeilscht wird.
    [Verknüpfung]
    In Deutschland dagegen wartete man bis 2021 mit der Ausführung der durchkonstruierten großen Pläne einmal mehr auf milliardenschwere Subventionen. Dabei ist noch nicht einmal sicher, dass der Wasserstoff komplett emissionsfrei - "grün" - erzeugt wird oder zumindest teilweise "blau" aus Reforming von fossilem Methan.
    Zeit: [Verknüpfung]
    2021 finden sich endlich auch deutsche Firmen unter denen, die den Umstieg auf Wasserstoff ankündigen. 2024 will Acelor-Mittal eine Anlage in Bremen in Betrieb nehmen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Heliostaten wurden zuerst für thermische Solarkraftwerke gebaut. Synhelion ist eine Ausgründung der schweizer Eidgenössischen Technischen Hochschule, das mit Hilfe von Heliostaten stark endotherme chemische Reaktionen antreiben will, z.B. bis 2030 die Produktion von Sun-to-Liquid-Kerosin für unter 1€ pro Liter - alternativ zum teuren strombasierten P2X-Verfahren. An der ETH entstand die Laboranlage, im DLR-Forschungszentrum Jülich will man 2023-24 die Demonstrationsanlage DAWN bauen, 2025-26 die erste Großanlage in Spanien.
    Synhelion: [Verknüpfung]
    Synhelion bei Youtube: [Verknüpfung]
    Die beiden Thermo-Reaktoren wechseln zwischen 1500°C und 900°C. Bei 1500°C wird der keramische Katalysator Cer(IV)oxid reduziert zu Cer(III)oxid. In der anschließenden Kaltphase reduziert das Cer(III)oxid H2O und CO2, wodurch H2 und CO entstehen, und wieder Cer(IV)oxid regeneriert wird. Das Gemisch CO und H2 heißt Synthesegas, weil man es per Fischer-Tropsch-Synthese zu Alkanen umsetzen kann, so wie bei P2L.
    BreakingLab bei Youtube: [Verknüpfung]
    Zusammen mit dem mexikanischen Zementhersteller Cemex kündigt Synhelion weiterhin Thermolyse-Anlagen für Kalkstein an, bisher bekannt als Kalköfen, die seit der Römerzeit mit Brennstoffen betrieben wurden. Im Industriezeitalter wurden sie als riesige Verbrennungsanlagen für Problemmüll missbraucht, z.B. Autoreifen. Bei der klimaneutralen Variante kommen ebenfalls Heliostaten zum Einsatz. Die Pilotanlage steht in Spanien. Keine Raketenwissenschaft eigentlich; bei angemessenen CO2-Preisen wäre das Verfahren sehr wahrscheinlich schon längst großtechnisch verfügbar.
    ee: [Verknüpfung]
    ee: [Verknüpfung]

    In den Niederlanden wird Klimaschutz 2020 notfalls vor Gericht vorangetrieben.
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    Großbritannien diskutiert 2020 nach dem Brexit über eine Agrarreform, die - entgegen mancher Erwartungen - eine Kehrtwende darstellen würde. Weg von der fatalen EU-Förderung überwiegend nach Fläche hin zu einer Förderung, die sich stärker nach öffentlichem Nutzen und Umweltverträglichkeit richtet.
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    Beim Ausbautempo der Windkraft überholt es Deutschland 2021 um Längen.
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    Wer noch mehr Eindrücke von Klimaschutz aus anderen Ländern sucht, wird hier fündig:
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    In Deutschland dagegen war die Energiewende seit Schwarz-Gelb 2009 bis vor Kurzem nur noch ein ungeliebtes Planwirtschafts-Projekt, das dringend marktwirtschaftlich reguliert werden musste; jedwede Beschränkung des fossilen Konsums (außer Wärmedämmung) wurde schnell als wachstumsfeindlich gebrandmarkt. Außer Stillegung der DDR-Industrie und EEG haben wir seit 1990 nur unzureichende Maßnahmen für eine Dekarbonisierung beschlossen: Deutschland liegt jetzt im letzten Drittel der EU-Staaten.

    Dennoch hört man bei uns immer wieder: "wir haben doch genug getan, jetzt sind die Anderen d'ran." In einer ersten Reaktion aus konservativ-liberalen Kreisen auf die Klimaproteste 2019 wurden gegen die Klimawende überwiegend Befürchtungen vor sozialen Verwerfungen geäußert - was nur eine gemäßigte Version des populistischen Narrativs vom Untergang der Industriegesellschaft darstellt. Wenn sie wirklich Klimaschutz legitimieren will, muss die Politik hier ganz anders agieren, nämlich ein positives Zukunftsbild entwerfen, wie es zum Beispiel in Skandinavien, Kalifornien oder Großbritannien geschieht.

    Die globale Entwicklung der Kohlekraft wird oft als Vorwand für den verzögerten deutschen Kohleausstieg genutzt. Tatsächlich jedoch geht der Neubau weltweit dramatisch zurück, während die Stillegungsrate zunimmt.


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    Im Dezember 2020 meldet Financial Times, dass viele asiatische Entwicklungs- und Schwellenländer ihre geplanten Investitionen in neue Kohlekraftwerke drastisch zusammenstreichen: Vietnam, Indonesien, Philippinen und Bangladesch -80%; Indien -87%. China hat sich zu dem Zeitpunkt noch nicht geäußert.

    Aus China kommen noch widersprüchliche Tendenzen: im Land geht der Zubau stark zurück (auch wegen vergangener Proteste gegen die Luftverschmutzung), doch dafür investiert China noch im Ausland in Kohlekraft.
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    Mehr über die globalen Erfolge der Erneuerbaren im nächsten Kapitel.

    Das Thema Verantwortungsdiffusion wird auch sehr ausführlich bei klimafakten.de behandelt.
    [Verknüpfung]


    Von welchem Land, wenn nicht von Deutschland, soll man denn erwarten können, das Pariser Klimaschutzabkommen einzuhalten und insgesamt bei diesem Thema voranzugehen? Wir geben gerade jedem anderen Land eine Entschuldigung, nichts gegen die Klimakrise zu machen. Wenn wir unsere Möglichkeiten nicht nutzen, die Welt besser zu machen – wer soll das bitte dann tun?
    Luisa Neubauer
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    Den gemäßigten Konservativen, die gerne die Sicherheit vergangener Tage konserviert sähen, wird erzählt, die drohende Klimakatastrophe würde andere treffen, und die Klimawende sei für uns ein viel zu großes wirtschaftliches Risiko. Doch ist es ein noch viel größeres Risiko, die wirtschaftlichen Chancen der unvermeidlichen Klimawende zu verpassen: zum einen drohen wir den technologischen Anschluss und Arbeitsplätze (zunächst für den Export) zu verlieren
    Tatsächlich brechen 2023 die Märkte für Verbrenner dramatisch weg; gerade die wachsenden Märkte kaufen zunehmend EAutos. Der deutsche Heimatmarkt wird die exportabhängigen deutschen Hersteller nicht retten - nur 3% der verkauften Autos gingen 2017 in den deutschen Markt.
    [Wikipedia 2023 - Wirtschaftszahlen zum Automobil - Neuzulassungen nach Ländern]
    Die Verkaufsanteile elektrischer Fahrzeuge liegen 2023 in Europa nur auf dem weltweiten Durchschnitt von knapp 20%. Das hat auch etwas mit dem hohen Preisniveau von Elektroautos zu tun, das die Verbrenner-Industrie (noch) vor chinesischen Billig-Importen schützt. Zur Zeit werden europäische Konsumenten mit kleinem Geldbeutel quasi zum Verbrenner gezwungen, obwohl der chinesische Kleinwagen BYD Seagull dort für umgerechnet 10.400€ zu haben ist.
    ARD: [Verknüpfung]
    ecomento: [Verknüpfung]
    Und es zeugt von enormer Naivität und irritierender Überheblichkeit zu glauben, wir würden für die von uns verursachten Schäden nicht aufkommen müssen.
    Wir sollten unsere jetzt noch vorhandenen Mittel für die Zukunft investieren. Die Welt hat bereits lange vor Paris und vor der deutlichen Verschärfung der klimabedingten Unwetter das EEG kopiert - warum sollte das jetzt anders sein? Postfossile Technik, u.a. die in Deutschland entwickelte P2X-Technik, wird sehr wahrscheinlich ein globaler Mega-Boom.

    In den Bereichen Onshore-Windkraft und PV ist Altmaiers Energiekehrtwende "geschafft". Zigtausende Arbeitsplätze sind verloren oder in Gefahr, und wir entfernen uns immer weiter von der Chance, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Das sind schlechte Nachrichten für unsere Volkswirtschaft und für die Welt.
    Altmaier begründet seine Entscheidungen mit dem Dreh- und Angelpunkt der ganzen Debatte: der zu widerlegenden Behauptung vom Armutsrisiko Erneuerbare Energie. Dazu mehr im nächsten Kapitel.

    Ein kurzer Artikel zu diesem Thema erschien 2019 in Geo:
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    Inhalt

    Die Leugner des Klimawandels leugnen vermehrt die Sinnhaftigkeit der Alternativen - sie bevorzugen das Abwarten auf den Kollaps.

    Die Mehrheit der Konservativen hat jahrzehntelang die Forderungen der Umweltverbände nach postfossilen Alternativen abgewehrt. Zuerst mit der Begründung, das Faktum des Klimawandels sei zweifelhaft, und in Anbetracht dieser Unsicherheit sei das Risiko des Wohlstandsverlusts viel zu groß.

    Je sichtbarer diese (Lebens-)Lüge der Klimaskeptiker, und je konkurrenzfähiger die Alternativen wurden, desto mehr bestritten dieselben Akteure dann deren Umweltverträglichkeit.

    Also: diejenigen, die sich jahrzehntelang gegen Klima- und andere Umweltschutz-Maßnahmen gewehrt haben, versuchen jetzt die Forderungen der Umweltverbände zu verhindern - mit dem Argument, diese seien schädlicher für Gesellschaft und Umwelt als das fossile Original.

    Sie konnten mit der o.g. Angst-Kampagne leicht den Diskurs bestimmen. Jetzt kommt eine Neiddebatte dazu. Jahrzehntelang profitierten die Fossilinvestoren von unserem Konsum, was niemanden gestört hat. Jetzt plötzlich wittern viele die drohende Ausbeutung durch sinistre Investoren in Erneuerbare Energien.

    Den Verdacht, Anlagen zur Gewinnung Erneuerbarer Energie könnten das Klima schädigen, habe ich noch nicht gehört. Vorsorglich haben sich Forscher aber auch schon mit diesem möglichen Vorwurf beschäftigt. Es gibt geringe, wohl aber messbare Einflüsse auf Temperatur und Verdunstung (auch positive) - aber diese sind um Größenordnungen geringer als die erwärmende Wirkung von Treibhausgasen aus der konventionellen Stromerzeugung.
    [Verknüpfung]







    Eine Erwärmung sehen viele Rechtskonservative mittlerweile schon als Bedrohung - allerdings nur für die Entwicklungsländer. Sie sagen, "wir" - und meinen damit die Industrieländer - würden uns anpassen. In der Extremform halten sie den Umzug auf andere Planeten als Hintertür aus dem Planeten Erde tatsächlch als Lösung des Problems. Deshalb sei Klimaschutz nicht zwingend notwendig, vor allem, weil die Katastrophe sich gar nicht mehr verhindern lasse. Und das wohlgemerkt, nachdem sie jahr(zehnte)lang gegen die Klimaschutz-Bewegung aktiv waren.
    Hier zeigt sich ein ungeschminkter Sozialdarwinismus, der im krassen Widerspruch zu den wichtigsten moralischen Grundsätzen unserer freiheitlichen christlich-abendländischen Gesellschaft steht. Deren Werte von vielen Rechtskonservativen ständig beschworen werden, Werte, die sie durch Kultur-Liberalismus bedroht sehen.
    Deshalb stellen sie sich immer deutlicher gegen die linken Autoritäten der christlichen Kirchen wie Jorge Manuel Bergoglio (Papst Franziskus) oder die progressiven Kräfte (falls man davon überhaupt sprechen kann) in der deutschen Bischofskonferenz, die von den Kirchenaustritten praktisch gezwungen sind zum synodalen Weg. Sie unterstützen lieber rechtskonservative Kleriker wie Joseph Ratzinger (der emeritierte Papst Benedikt XVI), der das patriarchale Machtprinzip vertritt.
    Die Extremform bezeichnen Soziologen mittlerweile als Klimafaschismus - entweder gepaart mit einem menschenverachtendem Atheismus, oder mit extremer Frömmigkeit. Leute wie Donald Trump, Markus Krall, Florian Homm etc. haben kein Problem mit Milliarden Hungertoten in der potentiellen Klimakatastrophe, geben sich aber ansonsten fundamentalchristlich.
    [Verknüpfung]

    Die vermeintlichen Anpassungs-Optionen der Industrieländer reichen von 100% Kernenergie und massenhafter Wasserentsalzung bis hin zu genmanipulierten Nutzpflanzen und Geoengineering-Methoden, von denen allein die CO2-Filtertechnik DAC - bei sofortiger maximaler Emissionsminderung - noch im Bereich des Sinnvollen angesehen wird, aber niemals als Gegenmittel zum ökoziden Business-as-usual.
    Unter den gegebenen politischen Vorzeichen sind sie allesamt Scheinlösungen, weil sie zu wenig oder zu spät Wirkung zeigen (Too-little-too-late-Szenario des Club of Rome).
    All diese sogenannten Innovationen sollen hervorgebracht und optimiert werden durch den Markt, dem in quasireligiöser Ideologie magische Selbstregulationskräfte abgedichtet werden.

    Leider musste Weltbank-Chefökonom Nicholas Stern bereits 2006 feststellen, dass dieser Markt in der existentiellen ökologischen Frage versagt hat, und nach ihm viele andere Top-Ökonom:innen, darunter etliche Nobel-Gedächtnispreisträger:innen.

    In der Bedrängnis gegenüber der schlagfertigen Klimaaktivistin Carla Rochel fiel dem Talkshow-Moderator Markus Lanz in seiner Sendung nichts mehr ein als die Selbstoffenbarung in einem unsicheren Glaubensbekenntnis: der Mensch habe sich doch schon immer angepasst, und deshalb werde er sich auch jetzt anpassen. Aber auch Peter Thiel, Lloyd Blankfein und Armin Laschet bieten ähnlich beredte Beispiele für die Religion von Markt und Innovation.
    Einen ganz ähnlichen Verlauf nahm ein Interview des smarten Anchorman des ZDF-heute-journal Klaus Bresser mit dem damaligen Top-Wissenschafts-Journalisten Hoimar von Ditfurth; nur dass von Ditfurth nicht auf der Anklagebank als Aktivist saß. Er hatte "nur" - nach bestem wissenschaftlichen Kenntnisstand - schon 1979 den Untergang der Menschheit vorhergesagt, falls diese nicht vom Ökozid ablasse. Ein Jahr nach Tschernobyl war die Debatte über die Selbstüberschätzung des Europäers wieder stark aufgekommen.
    ZDF-Sonntagsgespräch mit Hoimar von Ditfurth bei Youtube: (1) [Verknüpfung]
    (2) [Verknüpfung]







    Eine weitere Behauptung bezieht sich auf den erforderlichen Zubau der Erneuerbaren Energien: der wird von Energiewende-Leugnern oft weit übertrieben. Das Horrorbild eines komplett verspargelten Deutschlands wird gezeichnet. Um das Szenario noch zu verschärfen, spielt der Welt-Wissens-Chefredakteur Axel Bojanowski 2022 mit der völlig falschen Zahl 5% für Wind- und Sonnenstrom. Hans-Werner Sinn spricht abfällig von einem "grünen Zwackel".
    Dabei waren es laut UBA rund 10%.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung] Daraus schließt Bojanowski auf einen entsprechend notwendigen Faktor 20 zur Deckung des derzeitigen Primärenergiebedarfs aus Wind und Sonne. Tatsächlich schätzt man Faktor 4-6.


    Wind- und PV-Anlagen müssen auf den 4- bis 6-fachen Wert von heute ausgebaut werden, um die Klimaziele zu erreichen.
    Akademienprojekt "Energiesysteme der Zukunft"
    Acatech: [ESYS 2021] (S. 6 der Pdf-Datei)

    Woher kommt dieser enorme Unterschied? Die Falschdarstellung der Energiewende-Leugner unterscheidet zunächst nicht zwischen Primär- und Nutzenergie. Primärenergie wird in Erzeugungsanlagen eingesetzt, um dem Verbraucher Nutzenergie zu liefern; z.B. Primärenergie aus Kohle wird genutzt um elektrische Energie zu liefern, oder Primärenergie aus Öl wird genutzt um Antriebsenergie zu liefern.
    Aus dieser Unterschlagung von Fakten konstruiert man nun die Annahme, dass der gesamte aktuelle Primärenergiebedarf ersetzt werden muss. Doch die fossilbasierte Nutzenergie von heute erfordert oft den Einsatz der etwa dreifachen Primärenergie.

    Zunächst lassen sich ohne jeden Verzicht Effizienzpotentiale ausmachen, die zwar unseren Strombedarf vervielfachen, unseren Primärenergiebedarf aber insgesamt deutlich senken. Die Schlüsseltechnologien sind Erneuerbare Energien mit Stromspeichern, Elektromobilität und Wärmepumpen.
    Eine Wärmekraftmaschine verliert prinzipbedingt mindestens 2/3 der Energie als Wärme (Kühlturm beim Kraftwerk (auch Atom), Kühler beim Verbrennungsmotor), und durch die hohen Anteile dieser Sektoren schlagen die Verluste hoch zu Buche. Nur wer fossile Brennstoffe wirklich zum Heizen verfeuert, kann deren Primärenergie mit bis zu beinahe 100% nutzen.
    Die (elektrische) Energie- und Verkehrswende bringt deshalb sehr hohe Effizienzgewinne mit sich. Die Verluste eines Elektroautos liegen bei maximal 25%, Wärmepumpen liefern sogar ein Vielfaches der eingesetzten elektrischen Energie als Wärme. Durch diese enormen Effizienzgewinne sinkt der Primärenergiebedarf auf etwa die Hälfte, und das, obwohl der Strombedarf sich etwa verdoppelt.
    Klaus Müller erklärt das Thema in seinem Blog energiewende-rocken.de mit einer anschaulichen Grafik.


    [Verknüpfung]

    Der Primärenergiebedarf lässt sich einteilen in die Sektoren Strom, Verkehr und Wärme. Im Diagramm der Denkfabrik Agora Energiewende fällt auf, dass die Sektoren Wärme und Verkehr 2019 (vor Corona) mehr als zwei Drittel ausmachen. Hier liegen also die großen Effizienzpotentiale.

    Der Stromsektor erscheint dagegen auf den ersten Blick weniger bedeutend, und davon sind knapp 50% Erneuerbare Energien, deren Primärenergie zu nahezu vollständig genutzt werden kann. Für den Reststrom bringt die Umstellung auf 100% Erneuerbare Energien allerdings eine Ersparnis von etwa zwei Dritteln Primärenergie, denn die herkömmlichen Erzeuger, Wärmekraftwerke, wandeln so viel an Primärenergie zu wertloser Abwärme um. Diese kann höchstens im Winter noch zu Heizzwecken dienen, im Sommer heizt sie nur die Umwelt auf - oft Oberflächengewässer, deren Ökosysteme ohnehin schon durch Wassermangel, Problemstoffe und Überdüngung belastet sind.
    Aber ohne Erneuerbaren Strom lässt sich keiner der beiden anderen Sektoren dekarbonisieren, denn er muss die fossilen Brennstoffe als Primärenergie komplett ersetzen: der Bedarf an Erneuerbarem Strom wird also drastisch zunehmen, je nach verfügbaren Strom- und Wasserstoff-Importkapazitäten etwa um das drei- bis sechsfache. Denn der Strombedarf steigt nach den meisten Energiestudien von 2018 etwa 600TWh (Terawattstunden) auf 1200TWh. Das ist dann aber immer noch weniger als der halbe Primärenergiebedarf von 2018, 2600TWh - und nicht etwa mehr, wie manche vermuten.
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    Der Verkehrssektor birgt ein großes Effizienz-Potential, weil hier der Verbrennungsmotor stark dominiert - das aber selbst in der Ampel-Kolaition nicht adressiert wird, weil FDP-Minister Volker Wissing hier mauert. Zusammen mit FDP-Chef Christian Lindner will sich über die gesetzlich vorgeschriebenen Sektorziele hinwegsetzen und Einsparungen anderer Sektoren dem Verkehrssektor zuschreiben.
    Der Verbrennungsmotor sorgt als Wärmekraftmaschine wie das Kraftwerk für ganze zwei Drittel Wärmeverlust. Rechnet man von der Primärenergie-Quelle bis zum Rad (well-to-wheel), dann sieht die Bilanz mit knapp vier Fünftel Verlust gegenüber einem Drittel beim Elektroauto noch weit düsterer aus.

    Die Daten des Well-to-Wheel-Reports 4.1 der europäischen Kommission von 2014 zeigten auch damals schon die hohen Verluste an Primärenergie bei Einsatz der Alternativen zum Elektroauto, die von den Verfechtern der "Technologieoffenheit" in Aussicht gestellt werden.
    Da ist einmal die Brennstoffzelle, die zur Zeit von der Industrie für den PKW nicht mehr weiterverfolgt wird, weil die Kostennachteile gegenüber Akkus dem Kunden nicht zu verkaufen sind; das Thema geistert deshalb nur noch als Verhinderungsargument für Elektroautos an Stammtischen, realen wie digitalen. Öffentlich präsent in der Wahlkampfdiskussion 2021 war nur noch die zweite Option der erneuerbaren P2X-Kraftstoffe im PKW. Bei dieser "Technologieoffenheits-Debatte" kann man weder von Offenheit noch von Ideologiefreiheit sprechen, weil sie von Konservatismus und der Ideologie des Fossilökonomismus motiviert ist. Angesichts der Machbarkeit in Zeiten von Klimakrise und Knappheit CO2-neutraler Energie kann man nur noch von Realitätsverlust sprechen, denn der Strombedarf für E-Fuels ist im Vergleich zum Elektroauto fünf- bis sechsmal so hoch. Sie werden zudem oft von Meinungsmacher:innen propagiert, die eine 100%ige Energiewende immer noch für unrealistisch halten, obwohl die IEA sie schon 2020 die Erneuerbaren als die kostengünstigsten Energien bezeichnet hat. Sie argumentieren für einen späteren Kohleausstieg und engagieren sich erfolgreich gegen Windkraft.

    Wenn Wärme nicht durch Verbrennung, sondern durch Einsatz von Wärmepumpen aus der Umgebung (Erde, Wasser, Luft) gewonnen wird, sinkt der benötigte Energieaufwand auf etwa ein Viertel - allerdings handelt es sich dabei um elektrischen Energiebedarf, was im fossilen Energiesystem keinen Vorteil bringt. Denn bei Einsatz von Kraftwerken ist der Aufwand an Primärenergie durch Wärmeverluste mindestens dreimal so hoch; bestenfalls werden diese über Fernwärme zum Heizen genutzt.
    Bei direktem Einsatz von Erneuerbarer Energie dagegen wird diese als Primärenergie von der Wärmepumpe ohne Umwege zu nahezu 100% genutzt - Wärmepumpen bringen mit Erneuerbaren Energien also nicht nur weniger Verluste, sondern sogar Gewinne an "gepumpter" Umgebungswärme.
    Bei vollzogener Energiewende werden Kraftwerke nur noch in der Sektorenkopplung in Kraft-Wärme-Kopplung mit Saisonspeicher-Brennstoffen, also mit erneuerbaren P2X-Brennstoffen betrieben, und das auch nur noch in der sogenannten kalten Dunkelflaute. Entscheidend ist ein regional angepasster Mix aus Windkraft- und PV-Anlagen: wenn die Sonne scheint, ist oft wenig Wind, und umgekehrt. Je höher die Kapazitäten Erneuerbarer Energien, desto seltener kommt es zu Engpässen, und desto geringer der Bedarf an den relativ teuren Saisonspeicher-Brennstoffen.

    Zum Vergleich: noch im Jahr 2021 setzte der CDU-Wirtschaftsminister Peter Altmaier nach einem Gutachten von Prognos den zusätzlichen Strombedarf für 2030 gegenüber 2018 mit etwa 11% an, und so konnte er den Zubaubedarf der Erneuerbaren für die beschlossenen Klimaziele herunterzurechnen. Im Vergleich zu einer Steigerung um laut übereinstimmender Studienlage etwa 200% bis zur vollständigen Energiewende ist das doch allzu unambitioniert - und die Last der Energiewende wird damit späteren Regierungen überlassen.
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    Genauso vernachlässigt Altmaier den Rückbau der Altanlagen, die nach seiner Politik unrentabel werden und - trotz Funktionsfähigkeit - wohl zum großen Teil abgebaut werden.
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    Das von Altmaier beauftragte Gutachten sollte einfach von gigantischen Importmengen an Wasserstoff ausgehen. Das hält zum einen den Außenhandelsüberschuss für die Exportbranchen niedrig, sonst wird der Euro zu stark aufgewertet, was den Export bremst. Zum anderen bedient es die Interessen der Energieversorger, die dann eben Wasserstoffgas abrechnen. Und man diskutierte noch zusätzlich den Betrieb der PKW mit Wasserstoff-Brennstoffzellen, was den Wasserstoffbedarf nochmals deutlich vergrößert hätte - aber zuerst einmal die Autoindustrie begünstigte, weil etliche Neuwagenkäufer aus Verunsicherung noch einige Jahre lang zum Verbrenner griffen, obwohl es schon brauchbare Elektroautos gab. Außerdem hatte u.a. der energiepolitische Sprecher Joachim Pfeiffer gute Kontakte zu potentiellen Lieferanten von sogenanntem Weißen Wasserstoff, der durch geologische Prozesse immer wieder neu in der Erdkruste gebildet wird, hergestellt. Mit dem Staatssekretär Thomas Bareiß und dem Vorsitzenden des AfD-nahen Vernunftkraft e.V. Nikolai Ziegler saßen zwei ausgewiesene Energiewende-Gegner in Altmaiers Ministerium. So wird die Geschichte noch besser verständlich.

    Das Verheizen bzw. Verstromen intensiv erzeugter Bio-Brennstoffe (Biogas, Holz, Holzpellets, Pflanzenöle oder Bio-Ethanol) kann man nur als wenig nachhaltige Übergangslösung betrachten, da sie den Raum für Naturflächen vermindert. Als diese Option von Rot-Grün politisch gefördert wurde, ließ sich noch nicht absehen, wie schnell die Schlüsseltechnologien der Erneuerbaren Energien sich verbilligen würden. Ein Zugeständnis an die industrielle Landwirtschaft war die Erlaubnis, Mais aus Monokulturen mit zu vergären, was die Produktionsmenge und Profitabilität der Anlagen enorm steigerte.
    Extraktiv erzeugte Biomasse-Brennstoffe aus Urwäldern (z.B. in Afrika, Südamerika, Russland, aber auch Rumänien) sind vollständig ökozid und kommen deshalb auch im weitesten Sinne nicht in Frage, sondern werden wohl eher früher als später unter Strafe gestellt. Momentan sind sie den Mineralöl-Herstellern in der EU noch erlaubt, um die vorgeschriebenen CO2-Minderungsziele zu erzielen.

    Der Primärenergiebedarf der heutigen Fossilwirtschaft ist gigantisch, aber auch wie gesehen etwa doppelt so hoch wie der der elektrischen Zukunft.
    Wie weit die Kosten der EE fallen würden, konnte man in den 90er Jahren nicht absehen. Deshalb diskutierte man damals noch verstärkt über Effizienz. Zuallererst werden Effizienzpotentiale nur in dem Maße genutzt, wie es wirtschaftlich vorteilhaft ist. Solange die externen (ökologischen und sozialen) Kosten nicht eingerechnet werden, ja der Verbrauch sogar in der Größenordnung der Importkosten subventioniert wird, solange ist eine Verschwendung der Ressourcen vorprogrammiert. Der Biologe und SPD-Politiker Ernst Ulrich von Weizsäcker gab 1995 mit dem Nachhaltigkeitsforscher Amory Lovins 1995 ein Minderungspotential von erstaunlichen 75% an, ohne dass wir mit einem bedeutenden Verlust an Lebensstandard zu rechnen hätten - eine um Faktor vier gesteigerte Effizienz. 2010 aktualisierte er den Wert sogar auf 80%: Faktor fünf. Schon wenn man die Effizienzsteigerung durch Elektrifizierung betrachtet, erscheint das nicht mehr so erstaunlich.

    Eine Beschäftigung mit von Weizsäckers "Faktor fünf" lohnt sich auch heute wieder, denn der Weg zu den benötigten riesigen Mengen EE lässt sich durch eines drastisch verkürzen: durch Effizienz (höherer Wirkungsgrad) und Suffizienz (Verzicht).
    Dabei war natürlich schon immer ein Zankapfel, wie man Lebensqualität definiert, und wo die Grenze zwischen Suffizienz und unzumutbarem Verzicht ist. Hier hat seit den 90er Jahren ein Kulturwandel stattgefunden: von der reflektierten Umweltbewegung der Tschernobyl-Ära mit Aufrufen zum Recycling und Energiesparen, mit Kleinwagen, selbstgemachter Kosmetik, ersten Bio-Kooperativen und Elektroauto-Studien hin zum narzisstischen, zukunftsvergessenen Konsumismus mit gigantischen SUV, Wochenend-Billigflügen, Kreuzfahrten und Fleischbergen für Jedermann. Zuerst versuchte man noch den Anschein von Umweltbewusstsein zu wahren, doch irgendwann galt: "Öko ist out", oder auch lame, spießig, was für Freaks, was auch immer. Maximale Convenience ist das neue Lebensgefühl, auf das jeder einen Anspruch hat - nur der Dispo ist die Grenze. Schon in den frühen 70ern sprach man von Konsumismus als Instrument zur Befriedung der Massen.
    Der Lärm der völlig überdrehten, milliardenschweren Werbebranche wird begleitet von den bequemen Lügen der Klimaskeptiker und Klimaschutz-Bremser, die sich derselben psychologischen Methoden bedienen.
    Eine ökologische Transformation könnte jedoch diesen Trend wieder umkehren.

    Ausführlicher setzt sich Jan Hegenberg in seinem Blog Der Graslutscher damit auseinander.
    [Verknüpfung]
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    Buchtip: Jan Hegenberg. Weltuntergang fällt aus - Warum die Wende der Klimakrise viel einfacher ist, als die meisten denken, und was jetzt zu tun ist. KomplettMedia 2022
    Kurzinterview im EnBW eco-journal: [Verknüpfung]


    Lesung beim Luxemburger Mouvement écologique auf Youtube: [Verknüpfung]

    Um die Transformation zu schaffen, sind diese technischen Lösungen unverzichtbar - auch wenn sie längst nicht ausreichen. Zusätzlich müssen wesentliche Verhaltensänderungen erzielt werden. Mit der richtigen Einstellung, dem richtigen framing, ist diese Zukunft jedoch absolut lebenswert. Angst um einen anthropogenen Ökozid muss man sich in dieser Zukunft jedenfalls genauso wenig machen wie vor Energiemangel. Auch nicht vor horrenden Energiekosten, wie das nächste Kapitel zeigt.







    Fossilökonomistische Politiker aller Parteien muteten jahrzehntelang den Bürgern eine stetig beschleunigte Umverteilung von unten nach oben zu.
    Gleichzeitig verbreiten sie seit Jahren erfolgreich eine Angstkampagne vor den Kosten der Erneuerbaren Energien, und spielen damit die Interessen der unteren Einkommensschichten gegen die der kommenden Generationen aus (die sich nicht adäquat wehren können). Sie erzählen, dass man zum Stillen unseres Energiehungers das ganze Land mit PV zupflastern und mit Windrädern "verspargeln" müsse.
    Sie erzählen nicht, dass die Erneuerbaren mittlerweile konkurrenzlos günstig geworden sind, und dass der Strom nicht nur wegen der Erneuerbaren so teuer geworden ist. Und dass gar nicht erst die heutige Primärenergiemenge komplett ersetzt werden muss.
    Vor allem verraten Fossilökonomisten nicht, dass die Energiewende genausogut in eine bezahlbare und nachhaltige Zukunft der Energiesouveränität führen könnte, so wie es der zu früh verstorbene Visionär Hermann Scheer (SPD) mit den anderen Erfindern des EEG entworfen hatte. Stattdessen schüren sie die Ängste vor Einkommensverlusten der Geringverdiener, und vor dadurch bedingten sozialen Unruhen.

    Eine Studie der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg FAU zeigt sogar, dass mittlerweile das Gegenteil der Fall ist. Die EE haben 2014-2018 zu einer deutlichen Kostensenkung geführt.
    topagrar: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]

    Der Geschäftsführer des Netzbetreibers 50 Hertz Stefan Kapferer bestätigt das. Der Strompreis sinke an der Börse dramatisch, sobald die Erneuerbaren über 90% ausmachen. 2022 sei Deutschland über 16% der Zeit mit Erneuerbaren vollversorgt worden. Im DLF heißt es dazu in den Nachrichten: "Kapferer betonte, die Gefahr sogenannter Dunkelflauten, also der Zeit, in der kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint, werde in Deutschland häufig übertrieben. Die Energieerzeugung aus Windkraft und Photovoltaik ergänzten sich im Jahresverlauf gut, hinzu kämen Stromüberschüsse aus Nachbarländern."
    DLF: [Verknüpfung]

    Den Einspeisevorrang für EE gibt es schon seit 1991. Allerdings verhinderten damals die hohen Kosten für PV-Strom, dass Einspeisung wirtschaftlich war. Nur Idealisten hatten PV-Anlagen, deren Strom sie immerhin besser selbst nutzten, weil die Netzbetreiber höchstens den Börsenstrompreis zahlen wollten. Windstromanlagen waren schon damals in windreichen Gebieten rentabel zu betreiben, Wasserkraftwerke sogar profitabel.

    Mit dem EEG im Jahr 2000 wurden den Einspeisern höhere Vergütungen gezahlt, als der Börsenstrompreis hergab. Diese Differenz ist die EEG-Umlage, die der Stromkunde aufbringen muss.
    D.h. zunächst (bis 2009): je mehr Erneuerbare, desto höher die EEG-Umlage.
    Mit zunehmenden EE-Strommengen wurde eine wirtschaftliche Preis-Kalkulation für die Netzbetreiber unmöglich. Der bis dato genutzte physikalische Wälzungsmechanismus wurde abgelöst durch einen finanziellen, den sogenannten Ausgleichsmechanismus.
    [Verknüpfung]

    Weil die Industrie über steigende Strompreise klagte, wurden gleichzeitig energieintensive Unternehmen von der EEG-Umlage weitgehend befreit. Und das, obwohl sie ohnehin beim Netzbetreiber zum günstigen Börsenpreis einkaufen können.
    Zuerst musste für die Umlagebefreiung ein Jahresbedarf von 10GWh vorgewiesen werden. Ab 2012 wurde diese Grenze auf 1/10 gesenkt, 1GWh.
    [Wikipedia 2020 - Erneuerbare-Energien-Gesetz - Sonderregelungen für stromintensive Unternehmen] Die Erzeuger mussten aber trotzdem ihre garantierte Einspeisevergütung bekommen, und deshalb stieg die EEG-Umlage für die Normalkunden stärker als die Vergütungen für die EE-Betreiber.
    D.h. von 2009 bis 2014: je mehr Unternehmen als stromintensiv gelten, desto höher die EEG-Umlage.

    Nur weil die externen Kosten der Klimaschäden nicht beim Kohlestrom eingepreist sind, ist er so billig. Und so führt der Merit-Order-Preismechanismus an der Börse zur Bevorzugung der Kohle. Beim nächsten Überangebot an Erneuerbarem Strom sinkt wieder der Strompreis, was wiederum die Differenzkosten im Ausgleichsmechanismus hochtreibt. Wo man ein Gaskraftwerk einfach herunterregeln könnte, verstopft das unflexible Grundlast-Kraftwerk jetzt das Netz.


    [Verknüpfung]
    Datenbasis:
    [Verknüpfung] (Auswahl: Datteln IV)
    [Verknüpfung] (Auswahl: "Day Ahead Auktion")

    Dieser Mechanismus führt also zu niedrigen, bis hin zu negativen Börsenpreisen (damit niedrigen Großverbraucherpreisen), aber höheren EEG-Umlagen. Dieser Umstand wird auch als EEG-Paradoxon bezeichnet.
    [Verknüpfung]

    Seit Jahren machen Fossilökonomisten den Stromkund:innen völlig zu Unrecht Angst vor Stromausfällen bei "Dunkelflaute". Expert:innen sehen dagegen keinen Grund für diese Panikmache.
    [Verknüpfung]
    Im Gegenteil sind in den letzten Jahren immer mehr Stromausfälle auf Schäden an Stromleitungen durch Extremwetter zurückzuführen. Die Behörden des Katastrophenschutz bereiten sich seit Jahren auf diese verschärfte Situation vor.
    [Verknüpfung]

    Eine wirksame CO2-Steuer hätte vielfachen Nutzen: bei "Dunkelflaute" kämen mehr CO2-sparende Gaskraftwerke zum Einsatz, die Preise würden nicht so schwanken, und damit würde die EEG-Umlage sinken. Nur der Großverbraucherpreis würde steigen. Die Studien zur deutschen Dekarbonisierung sehen einen späteren klimaneutralen Betrieb mit grünem Wasserstoff bzw. Methan aus P2G vor, was eine Kopplung des Strom- und Wärmesektors bedeutet.
    Neben den hohen klimaschädlichen CO2-Emissionen und den Verbraucherkosten gibt es aber noch ein anderes gravierendes infrastrukturelles Problem: immer mehr Gaskraftwerke werden stillgelegt, Siemens stellte 2015 seine deutsche Produktion ein. Darauf weisen Energiewissenschaftler seit Jahren hin.
    [Wikipedia 2020 - Ausgleichsmechanismusverordnung]
    Aber anstatt die Gaskraftwerke konkurrenzfähig zu machen (durch CO2-Steuer oder Subvention), wird ihre Rentabilität durch Auflagen der Abwärmenutzung in Nahwärmenetzen durch das Wirtschaftsministerium 2016 (Minister Sigmar Gabriel, SPD) noch zusätzlich erschwert, was der Bund der Energie- und Wasserversorger moniert.


    [Verknüpfung]
    Leider ist die Grafik schon älter. Die EE-Branche hat schon 2014 gewarnt, aber bis heute ist die Schere noch weiter auseinander gegangen.
    Damit nicht genug: seit 2015 werden auch noch Subventionen an stillstehende Kohlekraftwerke gezahlt, die als Kapazitätsreserve bereitgehalten werden. Das führt dazu, dass Kohlestrom billig bleibt und weiter die Netze für Gaskraftwerke verstopft.
    [Verknüpfung]

    Klaus Russell-Wells erklärt die Zusammenhänge sehr anschaulich in diesem Video:


    [Russell-Wells 2017]

    Die bisherigen deutschen Strompreissteigerungen bestanden deshalb 2014 nur zu 1/3 aus Einspeisevergütung - der Rest sind Netzentgelte, Steuern und versteckte Subventionen (für Industrien, denen man mit dem Geld Anreize für mehr Eigenversorgung mit Erneuerbaren geben könnte).
    Strompreis

    Zwei Studien beziffern, dass eine Stromerzeugung ohne EE zwischen 2011 und 2018 70 Milliarden € mehr gekostet hätte. Da der günstige Börsenstrompreis direkt an die Industrieverbraucher weitergegeben wurde, haben diese profitiert - während die Kleinverbraucher immer höhere Strompreise zahlten.
    [Verknüpfung]
    Die Informationspolitik der Regierung und Lobbygruppen vermitteln beim einkommensschwachen Stromkunden den Eindruck, die Erneuerbaren Energien seien Schuld an seiner prekären Lage.
    [Verknüpfung]
    Das ist echter Opportunismus, wenn auch ein später Sieg der Erneuerbaren: nachdem Industrieverbände jahrzehntelang die Energiewende mit ihren Kostenwarnungen gebremst haben, wollen sie nun selbst von den geringen Kosten der Erneuerbaren Energien profitieren.
    [Verknüpfung]
    Den dreckigen, teuren Kohlestrom sollen andere kaufen. Z.B. wurde die Bahn durch politische Entscheidung verpflichtet, den Strom aus dem neuen Kohlekraftwerk Datteln IV abzunehmen. Befürwortern des Individualverkehrs mit Verbrennungsmotoren liefert das einen willkommenen Vorwand gegen das Bahnfahren.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Wenn die aktuellen (2020) Pläne der Netzbetreiber gegen die Bürgerenergiewende Wirklichkeit werden und die Bürgerenergiewende nicht wieder aus dem künstlichen Koma geholt wird, ist dies wie die Einführung einer Fenstersteuer im Feudalismus.
    Auch die Akzeptanz der Energiewende in der Bevölkerung würde gestärkt, wenn der Staat den Bürgern ermöglichen würde, die wirtschaftlichen Potentiale zu nutzen.
    [Verknüpfung]
    Energiesouveränität durch PV gefährdet die Wirtschaftlichkeit des Verbrennungsmotors im Vergleich zum Elektroauto. Also fördert Altmaier Offshore-Wind und Wasserstoff-Importe: alles zum Wohl der marktbeherrschenden Energieversorger und Autohersteller.

    Dazu brachte die ZDF-Kabarettsendung Die Anstalt am 01.10.2019 eine ganze Folge zur Erklärung des EEG-Paradoxons, die man sich unbedingt ansehen sollte. Leider gibt es die Sendung nicht mehr in der Mediathek, und bei youtube wurde eine Kopie für Deutschland vom ZDF gesperrt. Bei FaceBook wird man noch fündig. [Verknüpfung]

    Der Faktencheck dazu:
    [Verknüpfung]
    Der Energiewende-Blogger Klaus Müller hat dazu wichtige Aufklärungs-Vorarbeit geleistet:
    [Verknüpfung]

    Mittlerweile fallen mit jedem Jahr Altanlagen aus der Förderung, weil die Förderhöchstdauer von 20 Jahren überschritten ist: zuerst fallen die teuersten Anlagen weg. Mit jedem Jahr bleiben also Anlagen mit geringerer Einspeisevergütung übrig. Und auch die Altanlagen können sinnvoll weiter genutzt werden. Im Falle von Repowering laufen sie im Ausland weiter, oder ihr Betreiber betreibt Selbstvermarktung, am einfachsten in genossenschaftlichen Verbünden wie den Elektrizitätswerken Schönau.
    Erst kurz vor dem Stichtag 01.01.2021 kommt eine Regelung mit der EEG-Novelle im Dezember 2020.

    Was Grundlast bedeutet, sieht man z.B. an belgischen Autobahnen, die seit Jahrzehnten nachts beleuchtet werden, um die Kraftwerke weiterlaufen lassen zu können, oder an den Nachtspeicherheizungen des letzten Jahrhunderts, die bei steigenden Strompreisen trotz hoher Subventionen zu teuer wurden.
    [Verknüpfung]

    Das Strompreisproblem ließe sich mit einer Reform der Strommarktregeln lösen, erklärt Prof. Bruno Burger vom Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme ISE. Eine solche Reform ist eines der Haupt-Projekte von Robert Habeck.
    tagesspiegel: [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]

    Seit der Ampel-Regierung werden von Fossilökonomisten weitere Felder der Desinformation beackert: Die Strompreise in der Gasmangelkrise seien "grüne Inflation", der endgültige Atomausstieg, also das Abschalten der letzten drei Reaktoren, würde in Deutschland Stromausfälle, horrende Kosten und CO2-Emissionen verursachen. Ist alles vielfach widerlegt, bringt aber hohe Zustimmungswerte und zunehmenden Hass auf die Grünen.







    Energiewende kann für alle gelingen. Wenn alle wollen.

    Die subventionsgetriebene Nachfrage von PV und Windrädern hat zu einer Massenproduktion geführt, die uns jetzt die Vollendung der Energiewende möglich macht.
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]

    Der Verein deutscher Ingenieure VDI stellt PV-Kosten von 1ct pro kWh in Aussicht. Umso wichtiger werden höchste Anstrengungen für Forschung, Entwicklung und Ausbau von Speichersystemen. Die Subventionen für die fossilen Brennstoffe waren jahrzehntelang um Größenordnungen höher.

    Weitere Kostensenkungen ergeben sich durch am Fraunhofer ISE neuentwickelte Verfahren zur Abscheidung von Silizium aus der Gasphase und durch Epitaxie.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    PV lohnt sich mittlerweile auch auf suboptimalen Dachflächen. Dazu kommt ein riesiges Potential an Verkehrsflächen und Agrarflächen, die in der sogenannten Agrar-Photovoltaik (auch: Agri-Photovoltaik oder Agro-Photovoltaik) durch Beschattung sogar bessere Erträge erzielen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Auch auf extensiv genutzten Flächen mit artenreichen Weidewiesen ist Photovoltaik sinnvoll.
    [Verknüpfung]
    Dass sich auch Landwirtschaftskammern - vorrangig besetzt von CDU-Parteigängern - in der Blockade von Photovoltaik betätigen können, und dies auch tun, ist zwar keine Überraschung, aber umso irritierender. Das Beispiel von Jörg Hussong aus dem Saarland wurde gesendet von rbb 24 aktuell.
    Tagesschau[Verknüpfung]
    Denkbar ist auch eine Überdachung von Autobahnen mit PV, die durch Kombination mit Lärmschutz und Oberleitungen Synergieeffekte bietet.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Auch andere riesige Flächen lassen sich mit dieser Technik überspannen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Eine Abschätzung des Flächenbedarfs für Erneuerbare in Deutschland zeigt: der Importbedarf ist wahrscheinlich gar nicht so hoch wie die Nationale Wasserstoffstrategie plant.
    [Verknüpfung]

    Patrick Sauter erklärt auf seinem Youtube-Kanal ingenieurskunst die verschiedenen Optionen alternativer PV-Flächennutzung.
    Youtube: [Verknüpfung]

    Statt großer Verbrenner bzw. riesiger Plugin-Hybride mit etlichen hundert PS könnte man die Dienstwagen-Subventionierung auf Elektroautos beschränken, die auf dem Firmenparkplatz solar geladen werden. Da PV-Strom mittlerweile für unter 10ct/ kWh produziert werden kann, würde das die ohnehin geringeren Betriebskosten der Elektroautos nochmals um drei Viertel absenken.
    GM (der Autohersteller, der noch 2001 den EV1 in der Wüste und sein Akkupatent in der Schublade verschwinden ließ) sieht es mittlerweile auch ohne steuerliche Bezuschussung als lukrativ an, seinen Mitarbeitern Ladesäulen am Arbeitsplatz anzubieten. Noch lukrativer wird es mit Strom aus Eigen-PV.
    [Verknüpfung]

    HGÜ-Leitungen ermöglichen die Nutzung ferner Wüstenflächen.

    Wem die politischen Verhältnisse in Nordafrika zu instabil sind, kann aber per P2X auch die Wüstenflächen in Australien für PV nutzen.
    [Verknüpfung]

    Eine aktuelle Darstellung der PV-Diskussion von Eicke Weber (Direktor des Fraunhofer ISE Freiburg) aus 2018: Deutschland hat den Anschluss verpasst und überlässt China die Ausrüstung der Welt mit PV.
    [Verknüpfung]

    Die Erneuerbaren boomen in den USA trotz Trump - weil damit Geld eingenommen und aus fossilen Investments umgeschichtet wird. Sie überholen Deutschland jetzt auch in der PV.
    Abbildung Vergleich mit Deutschland (Darstellung in einem neuen Browser-Tab):
    [Mäder 2019-1]
    Gefunden im Blog Klimasocial bei Riffreporter, einem Netzwerk renommierter Journalisten, das gesellschaftliche Trends oft frühzeitig erkennt und immer wieder neue, interessante Zusammenhänge herstellt (der Artikel stammt aus April 2019):
    Zitat:

    "Die Erneuerbaren Energien seien jetzt so günstig wie fossile Energien ohne Subventionen. „In fünf Jahren werden sie günstiger sein als bestehende fossile Kraftwerke.“ Investoren ziehen sich daher aus der Kohle- und Ölindustrie langsam zurück (KlimaSocial berichtete über diesen Trend). Auf der Berliner Tagung wird immer wieder vom „Kodak-Moment“ gesprochen, also dem Zeitpunkt, an dem eine abgehängte Branche bemerkt, dass sie längst überholt worden ist."
    [Mäder 2019-2]

    Die aktuell günstigste Schaffung neuer Stromerzeugungs-Kapazitäten wird von Bloomberg auf einer Weltkarte dargestellt. Bezeichnenderweise ist es in Deutschland Onshore-Wind - die Form, die bei uns am stärksten und auch am erfolgreichsten bekämpft wurde. Die winzigen schwarzen Flecken stammen von der Kohlekraft. Investitionen in neue Fossilkraftwerke (wie Datteln IV) bezeichnet Bloomberg als "Stranded Assets".


    [Verknüpfung]

    Im Bericht World Energy Outlook 2020 der IEA wird PV als "König der Energiemärkte", die Erneuerbaren Energien als die günstigste Energieform bezeichnet. Das ist ein historischer Moment, denn die IEA ist alles Andere als eine ökologische Denkfabrik.

    Laut einer Studie der Technischen Universität Lappeenranta LUT (Finnland) besteht der globale Energiemix der Zukunft (Strom, Wärme und Energie (Strom und Kraftstoff) für den Verkehr) bei rund 70 Prozent Solarenergie, gefolgt von Windkraft (18 %), Biomasse (5 %) und Wasserkraft (3 %).



    [Rueter 2023]

    Die Mecklenburger Gemeinde Feldheim ist energieautark und versorgt ihre Bürger:innen seit über 10 Jahren mit einem sagenhaft günstigen Strompreis von 12ct/kWh (Stand 2022). Der Schlüssel heißt Bürgerbeteiligung.
    [Verknüpfung]

    Carbon Tracker spricht von 2019 als Peak Oil; gemeint ist nicht nur Peak Conventional Oil, der von den meisten Experten Ende der Nuller Jahre (also um 2009) gesehen wird.
    [Wille 2020]
    Sogar die Energiestudie 2021 des Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe bestätigt das.

    [BGR 2022]
    Nicht genug, dass man immer mehr auf energieaufwändige und riskante unkonventionelle Fördermethoden ausweichen muss, deren hohe Kosten auch vor dem Ukraine-Krieg für Preissprünge an den Energiebörsen sorgten. Mittlerweile müssen Pipelines in auftauenden Permafrostgebieten unter hohem Energieaufwand eingefroren werden.
    [Verknüpfung]

    2021 schließlich warnt die IEA vor Investitionen in fossile Energien. Damit wird das Ende der Ölparty offiziell angesagt, sozusagen vom DJ höchstpersönlich.

    Ironie der Geschichte: Deutsche Industrieverbände und -Politiker warnten jahrzehntelang vor einem Bankrott der Volkswirtschaft durch die Energiewende und überzeugten damit viele Wähler - und wirkten damit gegen den Ausbau der Erneuerbaren. Entsprechend bremste sie die Energiewende auch politisch über ihre mächtige Lobby, moniert z.B. die Nürnberger Volkswirtschaftsprofessorin und "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm.
    [Verknüpfung]
    Jetzt, wo das Kostenargument ganz auf Seite der Erneuerbaren und die Bürgerenergiewende zum Stillstand gekommen ist, will die Industrie selbst den Kostenvorteil der Erneuerbaren nutzen und fordern den Staat zum Handeln auf.
    [Verknüpfung]

    Schwellenländer stehen bei Ökonomen nicht gerade im Verdacht, mit Rücksicht auf die natürlichen Ressourcen unwirtschaftlich zu arbeiten. Trotzdem hält sich immer noch das uralte Gerücht, die Produktion von PV-Anlagen würden mehr Energie beanspruchen als ihr Betrieb freisetzt.

    Die größten PV-Anlagen der Welt stehen 2020 in Indien und China. Sie ersetzen - zusammen mit großen Speichern (auch dezentral) und flexiblen Gaskraftwerken - ganze Kohlekraftwerke.
    [Verknüpfung]
    Chinas Plan, 2060 auf Null Emissionen zu kommen, ist gut erreichbar.

    Wer jetzt immer noch nicht vom Kostenvorteil der Erneuerbaren überzeugt ist, sollte sich in Entwicklungsländern umsehen. Beim Aufbau der Energieversorgung in ländlichen Gebieten greift man dort seit einigen Jahren auf Microgrids zurück, Mikro-Netze aus überwiegend Erneuerbaren Energien und Akkuspeichern. Die Behauptung, die immer noch wachsende Bevölkerung der Entwicklungsländer würde zukünftig komplett mit Kohlekraftwerken versorgt, stimmt also auch nicht. Die Förderung Erneuerbarer Energien in Entwicklungsländern kann keine Kompensation für eine verzögerte deutsche Energiewende sein.
    Beispiel Myanmar 2017:
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    Beispiel Äquatorial-Guinea 2014:
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    Beispiel Afrika:
    DLF: [Verknüpfung]
    Bezeichnenderweise werden Microgrids sogar als mögliche Lösung der häufigen und sehr kostspieligen Stromausfälle in den USA gehandelt:
    [Verknüpfung]
    Die Finanzierung erfolgt nicht nur durch gemeinnützige Organisationen, sondern auch privat.
    [Verknüpfung]
    Auch in Sachen emissionsfreier Mobilität gibt es extrem kostengünstige Möglichkeiten für Entwicklungsländer, z.B. den Elektro-Kleinlaster Acar.
    [Verknüpfung]
    Beispiel Costa Rica 2016:
    [Verknüpfung]
    Die Energiewende ist nur ein kleiner Mosaikstein in einer groß angelegten Nachhaltigkeits-Wende, von der sich die Insel mehr Resilienz und Lebensqualität verspricht.
    [Verknüpfung]
    Beispiel Bangladesh 2018:
    [Verknüpfung]

    Auch für den billigsten Strom - Windstrom - sind die Potentiale noch lange nicht ausgeschöpft, v.a. offshore.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Die aktuellen Perspektiven des deutschen Markts für Erneuerbare Energien sind bei heise zusammengefasst.
    [Verknüpfung] [Verknüpfung]

    Das letzte Problem war bis vor Kurzem die Speicherung. Wir kennen jetzt den Weg zu 100% Erneuerbaren, und zwar lange vor 2050, ohne dass der Strom unbezahlbar werden muss. Auch hier sind uns andere voraus. Dazu mehr im nächsten Kapitel.







    Die mangelnde Stetigkeit der Erneuerbaren wird von Gegnern oft als "Zappelstrom" schlechtgeredet, Angst vor der Deindustrialisierung durch häufige Blackouts geschürt. Die Energieexperten widersprechen - unisono.
    TH Köln: [Verknüpfung]
    Forschungszentrum Jülich: [Verknüpfung]
    Leopoldina: [Verknüpfung]
    Handelsblatt: [Verknüpfung]
    bpb: [Verknüpfung]

    Paradebeispiele sind die zahlreichen Energiewende-Grantler, besonders prominent Hans-Werner Sinn, oder das Hochstilisieren eines europäischen Beinahe-Blackouts im Januar 2021.
    [Verknüpfung]

    Natürlich bedingt eine wetterabhängige Stromproduktion zusätzliche Schwankungen, die bei einem Grundlastsystem wegfallen. Doch gibt es auch dort auf der Nachfrageseite Schwankungen, die Regelungsbedarf erfordern, Wetterberichte werden immer zuverlässiger und je größer das Netz ist, desto besser werden regionale Unterschiede ausgeglichen. Schon 2018 hat der Deutsche Wetterdienst DWD diesen Zusammenhang betrachtet und die Ausfallrisiken beziffert und am 06.03. in den Abendnachrichten von ARD und ZDF vom Vizepräsidenten Paul Becker kommuniziert.


    DWD: [Verknüpfung]

    Die Zahlen der Bundesnetzagentur zeigen, dass die deutsche Kombination von Sonnen- und Windkraft einander gut ergänzen. Häufig geht Sonnenmangel einher mit hohem Windangebot und umgekehrt. Dadurch bedarf es keiner unvorstellbaren Speicherkapazitäten, um die Vollversorgung mit EE endlich zu realisieren. Und wir können als Reserve immer noch die riesigen Erdgasspeicher nutzen. Werden die Empfehlungen der unzähligen Energiestudien realisiert, dann werden wir mit einer mittelfristig gut machbaren Vervierfachung der Erneuerbaren problemlos den Energiebedarf bis auf wenige Lücken decken - inklusive Elektrifizierung der Mobilität, der Heizungen und der Industrie. Hier die Daten der Bundesnetzagentur von Februar 2022.

    Interpretation bei Twitter: [Verknüpfung]
    Smard-Visualisierung der Bundesnetzagentur: [Verknüpfung]
    Patrick Sauter erklärt in seinem Youtube-Kanal ingenieurskunst die Möglichkeiten der Auswertung von Wettervorhersagen zur Stabilisierung des Stromnetzes.
    ingenieurskunst bei Youtube: [Verknüpfung]
    Elektroautos können dabei schon bald als stabilisierende Netzspeicher (vehicle to grid, V2G) eingesetzt werden, wie z.B. ab 2022 für die DC-Ladetechnik bei VW-Modellen angekündigt. Auch das müsste man nicht einmal mit Anreizen unterstützen, denn bei Stromüberschuss ist Laden billig, und bei Strommangel der Verkaufspreis hoch. Nur die Regelungstechnik - auch wenn es sich nicht um Raketenwissenschaft handelt - wurde sträflich vernachlässigt.
    Den Effekt von V2G kann man jetzt mit einer neuen Simulation der Lade GmbH nachvollziehen, die auf diesen Daten basiert. Von einem Mangel an Versorgungssicherheit kann niemand mehr sprechen.
    [Verknüpfung]
    Breitere Anwendung wird die V2G-Technik allerdings erst mit bidirektionalen AC-Ladestationen finden - kein Hexenwerk, aber tatsächlich noch ein Feld für Innovation.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    2019 eruierte Tim Tröndle mit Kollegen die Optionen eines energieautarken Europa. Nach der Studie sind es nur städtische Regionen, die für sich allein keine Autarkie erreichen können. D.h. umgekehrt, eine autarke europäische Stromversorgung im Verbund ist machbar. Schlüssel dabei sind Dach-PV und regionale Energieverbünde - also auch leistungsfähige, weitreichende Stromtrassen.
    Sciencedirect: [Tröndle 2019]

    2018 bezifferte eine große Studie in den USA das Ausfallrisiko Erneuerbarer Energien in den USA. Eine 80%ige Stromversorgung aus Erneuerbaren sei ohne große Überkapazitäten mit einer 12-Stunden-Kurzzeitspeicherkapazität machbar. Erst für 100% seien Speicherkapazitäten für mehrere Wochen und Überproduktionskapazitäten erforderlich.
    Studie: [Shaner 2018]
    en:former: [Verküpfung]
    2021 veröffentlichte Tony Sebas Denkfabrik RethinkX eine U-Kurve, die - je nach Region - einen unterschiedliche Akkuspeicher-Kapazität in Relation zu PV- und Wind-Erzeugungskapazitäten darstellt. Damit lässt sich die wirtschaftlichste Auslegung eines Energiesystems mit einem Minimalbedarf an Saisonspeicherung darstellen.
    Studie bei cleanthinking: [Verknüpfung]
    Pressemitteilung: [Verknüpfung]

    Das hielt die Fossilökonomisten nicht ab, weiter an ihren Vorhersagen zahlreicher Stromausfälle durch Netzschwankungen festzuhalten. Viel häufiger haben in den letzten Jahren Wetterextreme, deren Klimabedingtheit jetzt statistisch beziffert werden kann, Stromleitungen beschädigt. 2019 waren nach einem Schneechaos in Südfrankreich 330.000 Menschen ohne Strom.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Spätestens diese vielfachen Erfahrungen der Stromverbraucher sollte die Erzählung vom Zappelstrom erledigt haben - doch dem ist nicht so.

    Ingenieure melden sogar das Gegenteil: EE machen die Netzfrequenz sogar stabiler.
    [Verknüpfung]
    Der Energieexperte des Energieversorgers ENBW Georgios Stamatelopoulos zeichnet zwar nicht ein derart positives Bild, stellt das Problem der Volatilität der Erneuerbaren jedoch als lösbar dar.
    [Verknüpfung]
    Lastschwankungen führen zu Preisschwankungen, und diese bieten sogar neue Geschäftsmodelle.
    [Verknüpfung]

    Die Daten von Wind- und Sonnenstrom zeigen auch 2022 wieder, dass diese einander saisonal hervorragend ergänzen.


    winfuture: [Verknüpfung]
    Fraunhofer ISE: [Verknüpfung]

    Das bleibende Mega-Problem ist aber natürlich nicht die Netzfrequenz, sondern die Energie und Leistung, die das Netz je nach Bedarf zur Verfügung stellen kann, also die Synchronisierung von Erzeugung und Bedarf. Das funktionert ohne Grundlast nur mit großen Speichern. Doch entgegen der verbreiteten Meinung gibt es heute wirtschaftliche, CO2-arme Übergangs-Lösungen, die zunehmend im Markt Verbreitung finden. Diese können nach und nach nahtlos auf 100% EE aufgestockt werden. Wie in den anderen Sektoren auch gilt, dass die neue die alte Technik sukzessive und unterbrechungsfrei ersetzen kann. Und die notwendigen Dimensionen der Speicher werden oft maßlos überschätzt, wie z.B. noch im Dezember 2022 von Hans-Werner Sinn, der zudem völlig sinnfrei vorrechnet, wieviel Akkus man dafür bräuchte.

    Durch Speicher werden die Lastschwankungen im Netz gedämpft. Selbst wenn das bisherige Preissystem beibehalten wird, kommt es nicht nur zur Entlastung der Netze, sondern auch der Verbraucher: die Preisschwankungen (bis hin zu negativen Strompreisen) werden geringer und damit die enormen Ausgleichszahlungen für Einspeisung von Erneuerbaren bei Stromüberschuss.

    Wie bei PV, so ist ein Ende der Kostensenkung von Akkus noch nicht in Sicht, 2020 werden für die nächsten Jahre Preise unter 100€ pro kWh angesagt, 150€ sind bereits erreicht.
    [Verknüpfung]
    Auch hier ist wieder das private Rennen um die Verwertbarkeit von Patenten wichtiger als eine internationale Kooperation zur Grundlagenforschung.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die Speicherung für den Tag-Nacht-Ausgleich ist derart interessant geworden, dass hierfür sogar die für Elektroautos wertvollen Lithium-Ionen-Akkus benutzt werden. Dabei gibt es auch etliche rohstoff-unkritische Alternativen.

    Sogar Verbraucher könnten wirtschaftlich einen Akkuspeicher anschaffen, wenn sie (wie die Industrie) zum Börsenpreis Strom bei Überschuss günstig einkaufen und selbst verbrauchen (oder sogar bei Mangel wieder verkaufen) könnten - alles eine Frage der Marktregeln. Diese sogennanten Schwarm-Speicher ließen sich zusätzlich mit einer PV-Anlage nutzen. In Kombination mit EEG-Altanlagen, die aus der Förderung herausfallen und ab jetzt Direktvermarktung betreiben müssen, ist ein solches Netz ein neues Geschäftsmodell für Energiegenossenschaften wie die Elektrizitätswerke Schönau.
    [Verknüpfung]

    [Verknüpfung]
    Regelungstechnisch sind Lastmanagement und Kostenoptimierung eine Herausforderung, auf die deutsche Elektrotechniker spezialisiert sind.
    Beispiele vom Ingenieurbüro bis zum Forschungsinstitut:
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Sogar in Entwicklungsländern wurden schon passende intelligente Stromzähler (Smart Meter) entwickelt. Dort sind sie die dezentralen Regler ganzer Netze: aus Erneuerbaren Energien und Akkus, weil es am wirtschaftlichsten ist, siehe oben.
    Den Stand von 2022 fasste Franziska Martin im manager magazin so zusammen: "Strom gemeinsam verbrauchen: „In Deutschland nahezu unmöglich“".
    [Verknüpfung]
    Die Merkel-Regierungen zeigten kein Interesse, flexible, dezentrale Lösungen zu unterstützen. Sie setzten auch mittelfristig weiter auf Grundlast-Kraftwerke, und wären auch im Bereich Erneuerbare Energie weiter von Energie-Importen abhängig geblieben: Merkels und Altmaiers Plan war die nationale Wasserstoff-Strategie.
    Auch in der Opposition zur Ampel-Koalition ist für Unionspolitiker:innen neben "Technologieoffenheit" das wichtigste Stichwort "Grundlast".

    Robert Habeck dagegen hat die 70%-Beschränkung größerer Dach-PV-Anlagen gestrichen eine weitgehende Flexibilisierung des Strommarkts angekündigt.
    energie-experten: [Verknüpfung]
    Welt: [Verknüpfung]
    agrar heute: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]
    Zusätzlich soll auch die Einspeisung von gespeichertem Strom möglich sein.
    n-tv: [Verknüpfung]
    Im August wird der Kabinettsbeschluss für das Solarpaket 1 verkündet.
    BMWK: [Verknüpfung]
    solarserver: [Verknüpfung]
    gewaltignachhaltig bei Youtube: [Verknüpfung]

    Dadurch, dass hier nicht die hohen Energiedichten wie beim Elektroauto gefordert sind, kann man auch auf Pump-, Druckluft-, Wasserstoff- oder Redox-Flow-Speicher (z.B. die erfolgreich erprobten Vanadiumoxidsysteme, oder auch organische wie Jena-Batterie oder CMBlu) zurückgreifen.
    Beispiele:
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Auch thermische Speicher sind marktreif. Einfache Systeme (wie der Wärmespeicher meiner alten solarthermischen Anlage) speichern elektrisch erzeugte Wasserwärme, die nur zum Heizen genutzt werden kann. Andere dienen als Ersatz für Hochtemperatur-Anwendungen. Z.B. ersetzt beim E2S-System geschmolzenes Aluminium in einem Latentwärmespeicher (Miscibility Gap Alloy) die Kohlekessel in Kraftwerken, die sonst abgeschrieben werden müssten. Diese Speicherung ist nicht wie Akkus und Supercaps für kurze Spannungsspitzen gedacht, sondern als Ausgleich über mehrere Tage. An ähnlichen Systemen arbeitet Siemens Gamesa.
    Video bei Justhaveathink: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Bei uns setzte man in Zeiten des Fossilökonomismus viel zu lange auf Grundlast-Kraftwerke mit den Brennstoffen Kohle und Atom, und in der Ukraine-Energiekrise müssen sogar stillgelegte Kohlekraftwerke wieder aktiviert werden, um die ausgefallenen Gaskraftwerke zu ersetzen. Diese würden bei fortgeschrittener Energiewende gar nicht mehr benötigt - schon fossiles Gas ist effizienter, stößt weit weniger CO2 pro kWh aus als Kohle, die Abwärme lässt sich besser nutzen. Der Kostennachteil beim Brennstoff ließe sich dadurch ausgleichen, dass die Kraftwerke besonders im Winter benötigt werden, wo auch die Abwärme in Nahwärmenetzen zum Heizen genutzt werden kann. Im Sommer stünde viel günstigerer Strom aus Solarüberschüssen und Kurzzeitspeichern (Akkus, Pumpspeicher, Elektrolyse-Wasserstoff für Brennstoffzellen, Power-to-Heat) zur Verfügung.
    [Wikipedia 2019 - Gaskraftwerk]


    [Verknüpfung]

    Nahwärmenetze sind in Dänemark seit der Ölkrise der 70er Jahre Standard; laut Klimaliste sind 68% der Haushalte angeschlossen.
    Klimaliste: [Verknüpfung]
    n-tv: Klimaliste: [Verknüpfung]

    Doch aus einem Grund ist das Gaskraftwerk eine echte Brückentechnologie: Erdgas lässt sich nach und nach durch P2G-Methan aus sommerlichen EE-Strom-Überschüssen ersetzen, das koppelt die Sektoren Wärme und Strom. Das sollte jedoch umso schneller geschehen, denn sowohl konventionelles Erdgas als auch unkonventionelles Fracking-Gas sind mit hohen Methanverlusten in die Atmosphäre behaftet, wie sich mit dem europäischen Satellitenpaar Sentinel-2 nachweisen lässt. Die aktuellen Mega-Projekte - sowohl Pipelines als auch LNG-Terminals - sind insofern eine unnötige Verlängerung dieser Brücke, die das Einhalten der Emissionsziele erschweren, wenn nicht unmöglich machen.
    [Verknüpfung]

    Das Zwischenprodukt der P2G-Produktion (Wasserstoff) dient bei der neuen 180kW-SOC-Brennstoffzelle von Sunfire als flexibler Kurzzeitspeicher, denn die Anlage kann im 10min-Takt zwischen Stromaufnahme (Elektrolyse) und -Abgabe (Brennstoffzellenbetrieb) umschalten. Diese Fortentwicklung geschah ganze 82 Jahre nach der Erfindung dieses Zelltyps 1937 durch Baur und Preis.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Fachleute sehen sehr wohl eine Zukunft für Wasserstoff, aber nicht als Ersatz für Erneuerbare Energien. Und nur für echten "grünen" aus Elektrolyse.
    "Grauer" Wasserstoff aus Dampfreformierung wird seit Jahrzehnten industriell in großem Maßstab genutzt und belastet das Klima erheblich. Sogar diese Variante steht immer wieder in der Diskussion, neben "blauem" Wasserstoff aus Dampfreformierung mit CCS-Abscheidung oder "türkisem" aus Pyrolyse von Erdgas mit Kohleabscheidung.
    [Verknüpfung]
    BASF feiert das Verfahren des türkisen Wasserstoffs als Neuheit:
    [Verknüpfung]
    Das Verfahren ist jedoch schon alt:
    [Verknüpfung]
    Aufgrund der Methanverluste bei Förderung und Transport ist die Technik jedoch bei Weitem nicht klimaneutral. Es ist auch noch offen, ob der abgeschiedene Kohlenstoff nicht wieder zu CO2 oxidiert, z.B. in der Metallverhüttung, und so das Klima wieder belastet. Betrieben werden die Anlagen von Wintershall/ DEA (BASF) und Gazprom.
    [Verknüpfung]
    Blauer Wasserstoff schneidet noch schlechter ab. Die Emissionen der Verbrennung von blauem Wasserstoff werden bei der Wirtschaftsberatung Standard & Poors (eine der "big 5") höher bewertet als die Verbrennung von Methan.
    [Verknüpfung]
    Eine Übersicht bei Wikipedia:
    [Wikipedia 2020 - Wasserstoffherstellung]

    Auch in der Wasserstoffwirtschaft setzen Fossilökonomisten - im Interesse der Energieversorger - auf Grundlast. Begründung: Elektrolyseure müssen auf Volllast betrieben werden, sonst rechnen sie sich nicht. Über den Gemeinwohl-Aspekt Klimaschutz und die Perspektive neuer Geschäftsfelder und Arbeitsplätze gehen sie (wie immer) hinweg - sie übersehen aber auch wirtschaftlich gesehen die Tatsache, dass der PV- und Windstrom so günstig zu haben ist, dass der Kostennachteil eines Teilllastbetriebs gar nicht so sehr ins Gewicht fällt; Fachleute rechnen 2020 mit einer Kostenspanne zwischen 8,2 (Volllast) und 14,5ct/ kWh (Teillast).

    Mit der Kostensenkung von Batteriespeichern verliert diese Thematik immer mehr an Bedeutung.

    Die Auslastung der Elektrolyse lässt sich durch mehrere Maßnahmen verstetigen. Wenn Strom fehlt, nutzt man wenn möglich die schnellen Akkuspeichersysteme, die sowohl als Großanlagen bereits weltweit in großem Maßstab gebaut werden, als auch für private PV-Anlagenbesitzer attraktiv sind, als Puffer. Wenn der Wasserstoff-Gasspeicher voll ist, produziert man aus dem überschüssigen Wasserstoff mit der Fischer-Tropsch-Synthese und anderen Verfahren sekundäre Produkte wie Alkane oder Ammoniak.

    Auch der noch länger bekannte nächste Syntheseschritt zu P2G-Methan (Verfahren entwickelt 1905 von Sabatier und Senderens) ist mittlerweile endlich in der Großtechnik angekommen. Der Anlagen-Hersteller Sunfire spricht von 60% Wirkungsgrad.
    [Landgraf 2019]

    Mit der neuen Technik Co-Elektrolyse soll der Wirkungsgrad sogar auf 80% steigen.
    [Verknüpfung]

    Daneben gibt es noch eine andere Speichersubstanz auf Basis von CO2 und H2O, deren Synthesetechnik weniger aufwändig realisierbar ist, und die zudem bei Raumtemperatur flüssig ist: Methanol. Der Nobelpreisträger George Andrew Olah hat sie entwickelt.
    [Verknüpfung]
    Die eine oder andere Variante dieser Technik wird bereits für Inselanlagen genutzt.
    [Verknüpfung]

    Im Folgenden einige Videos, die die aktuellen Möglichkeiten der Sektorenkopplung zeigen:

    Agentur Energiewende:


    [AEE 2019]


    [Verknüpfung]

    Klaus Russell-Wells vom Videokanal joul:


    [Russell-Wells 2018]
    [Verknüpfung]

    ZDF planet e:


    [Verknüpfung]

    MDR Dok berichtet 2021 von Beispielen aus dem ostdeutschen Raum und erklärt die Sektorenkopplung und das zellulare Prinzip eines dezentralen Versorgungsnetzes, das die Produktion weniger großer und vieler Kleinanlagen (Zellen) mit deren eigenen und dem Netz-Konsum abstimmt. Zellulare Systeme können zu virtuellen Kraftwerken zusammengefasst werden. Durch kleinräumige Sektorenkopplung wird der Bedarf an Netz- und Speicherkapazitäten stark vermindert und die lokale Wertschöpfung erhöht.


    [Kolvenbach 2021]

    Patrick Sauter erklärt in seinem Youtube-Kanal ingenieurskunst, warum die Grundlast-Ideologie veraltet ist.


    [Verknüpfung]

    Visionen für diesen Ansatz bestehen seit vielen Jahren; die Pioniere der dezentralen Stromversorgung, die Elektrizitätswerke Schönau, verfolgen ihn schon lange.

    Die Berichte von erfolgreichen Projekten mit immer neuen intelligenten Kombinationen von Technologien häufen sich, hier z.B. von der Baugenossenschaft Margarethenau.
    [Verknüpfung]

    Mit PV-Strom aus der Wüste von 3,5ct/ kWh (Stand 2017, mittlerweile rechnet man mit weit weniger) wäre dieser Saisonspeicher-Stoff sogar günstig zu haben. Der Film zeigt nur ein Beispiel, das mittlerweile von Projekten in Ägypten, China und Indien bereits getoppt wurde.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2020 - Solarpark Benban]

    Fraunhofer sprach 2018 von 4-5ct pro kWh in Deutschland bei voller Abnahme (und das ist bei Einsatz von Speichern ja möglich); in der Wüste dürften 3,5ct sogar ggf. unterboten werden.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Schon immer mussten die Menschen für den Winter im Sommer Überschüsse erwirtschaften - nur die unbeschränkte Dauerverfügbarkeit fossiler Brennstoffe hat uns auch in dieser Hinsicht von den natürlichen Lebensbedingungen entfremdet.

    Die Produktion von P2X ist zwar im Vergleich zur Ölförderung teuer, aber doch kein unbezahlbarer Luxus, und das ist schon seit Jahrzehnten bekannt. Während der Seeblockade versuchte Hitler-Deutschland die Not-Produktion von Treibstoff mit der Fischer-Tropsch-Synthese, eine Weiterentwicklung des Sabatier-Prozesses aus 1925. Das Verfahren basiert auf CO und H2 aus der Kohleverschwelung. Nach dem Krieg wurden im Westen die Anlagen abgebaut. In den 80er Jahren gab es wieder eine westdeutsche Versuchsanlage, die aber erst ab einem Benzinpreis vpn 2,30DM rentabel war und deshalb wiederum abgebaut wurde.
    In Südafrika, das wegen seiner rassistischen Apartheids-Politik sanktioniert wurde, betreibt Sasol seit 1950 bis heute industrielle Anlagen für die Fischer-Tropsch-Synthese. Die Produktion bestimmter Paraffin-Wachse war so bedeutend, dass das Unternehmen sogar an einem Kartell beteiligt war. Während weitgehender Embargos gegen das Apartheids-Regime in den 90er Jahren wurde ganz Südafrika mit den Sasol-Treibstoffen versorgt.
    [Wikipedia 2020 - Sasol]

    Die nachhaltige Variante der Fischer-Tropsch-Synthese von heute ist das P2G-Verfahren mit CO2 und (sogenanntem grünem) H2, also aus der Wasser-Elektrolyse. Das Problem ist die klimaneutrale Bereitstellung von CO2, was jedoch z.B. durch Auffangen von Abgasen aus der Biomasse-Verbrennung (incl. Biogas) oder Absorptionstechnik aus der Luft machbar ist. Das ist sogar wirtschaftlich, solange der Brennstoff nur als Saisonspeicher die wenigen Dunkelflauten überbrücken muss, die die weit günstigeren Erneuerbaren Energien nicht abdecken können.
    [Verknüpfung]
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    Alternativ kann das Synthesegas mittlerweile (2023) im Labormaßstab in Heliostaten thermokatalytisch hergestellt werden, durch das sogenannte sun-to-X-Verfahren S2X. Dies würde bei entsprechender Massenproduktion den Bedarf an sommerlichen Überschüssen für die Elektrolyse mindern. Die Frage ist, ob ein hoher Anteil winterlicher Eigenversorgung mit Erneuerbaren mit entsprechend hohen sommerlichen Überkapazitäten für P2X wirtschaftlicher ist, oder ob S2X uns billiger über den Winter bringt.

    Das unrealistische Versprechen einer schnellen, günstigen Massenverfügbarkeit von P2X- und S2X-Treibstoffen wurde und wird leider von Fossilökonomisten missbraucht als Argument für Technologieoffenheit, also ein weiteres Abwarten in der drängenden Frage der Dekarbonisierung im Verkehrs- und Wärmesektor.

    Audi warb schon vor Jahren mit einer großtechnischen P2G-Anlage in Werlte für den CO2-neutralen Betrieb seines Gas-Modells G-Tron. Sie ging 2013 in die Gas-Poduktion, allerdings zuerst mit Billig-Windstrom, der nur bei Sturmwetter zur Verfügung stand.
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    In der Presse ist von einem Dienst zu lesen, der für 15Euro pro Monat die vom Kunden verbrauchte Menge fossilen Erdgases durch P2G-Methan zu ersetzen: "Mit den G-Tron-Modellen [der Reihen A3, A4 und A5] [...] wollen die Ingolstädter vor allem Kunden locken, denen der Klimaschutz am Herzen liegt. [...] Zusätzlich hilft Audi seinen Kunden mit E-Gas, eine bessere Klimabilanz zu erzielen. Den Strom aus eigenen Windkrafträdern wandelt der Ingolstädter Autobauer nämlich in einer Power-to-Gas-Anlage in klimaneutrales Methan, von Audi E-Gas genannt. An den Zapfsäulen tanken Kunden zwar überwiegend fossiles Methan, doch Audi sichert im Gegenzug die entsprechende CO2-Reduktion, indem die getankte Menge in Form von E-Gas ins Erdgasnetz einspeist wird. Bislang mussten E-Gas-Kunden 15 Euro pro Monat für diese Dienstleistung zahlen. Künftig können Käufer des A4 G-Tron diesen Service in den ersten drei Jahren kostenlos nutzen."
    [Verknüpfung]
    2019 wurden neue Planungen bekanntgegeben, die Anlage zu erweitern. Seitdem habe ich von dem Audi e-Gas nichts mehr gehört. Kein Wunder, dass es um das P2G-Methan für den g-tron als Wundertreibstoff ruhig geworden ist: der Liter E-Kerosin kostet weit über 5€. Sein Energiegehalt ist vergleichbar mit dem von einem Liter Diesel oder einem Kubikmeter Erdgas. Entsprechend teuer wäre es für Audi, dem Versprechen nachzukommen. 15€ pro Monat reichen also für 3 Kubikmeter P2G-Methan. Damit kommt man keine 100km weit.
    Dafür wurde am 04.10.2021 der Öffentlichkeit eine neue Pilotanlage in Werlte präsentiert. Sie soll weiter ausgebaut werden, um die per Gesetz verordnete "Disruption" (O-Ton Merkel) im Luftfahrtsektor zu schaffen: bis 2030 eine Beimischung von sage und schreibe 2% von P2L-Kerosin, sogenanntem E-Kerosin.[Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Porsche kündigt eine Produktion für zahlungskräftigen Verbrenner-Nostalgiker in Chile an. Die so aufwändig umgesetzte Menge CO2 würde man besser durch Einlagerung oder Verwendung des Produkts als Ausgangsstoff für Kunststoffe u.ä. langfristig fixieren (sequestrieren). Stattdessen plant man die Bedürfnisse von Menschen zu befriedigen, die auf Verbrenner nicht verzichten wollen - auch weil sie es sich leisten können. Das fixierte CO2 wird wieder emittiert. Also handelt es sich um ein reines Prestigeobjekt mit fragwürdigem Nutzen.
    [Verknüpfung]
    Weil bestimmte Verkehrssektoren wie Schifffahrt, Luftfahrt und Schwerlastverkehr möglicherweise mittelfristig weiter "auf Öl" sind, wird trotz der hohen Kosten mit einem großen Bedarf gerechnet. Deshalb schläft die Konkurrenz nicht, sie besteht aus mächtigen Marktteilnehmern und investiert riesige Summen.
    [Verknüpfung]
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    Shell baut nach der bisher größten 10MW-Anlage auf dem Gebiet der Rohöl-Raffinerie in Köln-Wesseling eine 100MW-Anlage, dazu zwei ebenso große in Hamburg und Bayern.
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    2025 soll in Rotterdam die Gigawatt Elektrolyse Fabriek entstehen, an deren Entwicklung Nouryon, Shell, Yara, OCI-Stickstoff, Gasunie, DOW Chemical, Ørsted, Frames, TNO, Utrecht University und das Imperial College London beteiligt sind. Nach Stand der Technik 2019 hätte die Anlage eine Milliarde Euro gekostet - wenn man dagegen die Baukosten eines Atomkraftwerks sieht, ist ein wirtschaftlicher Betrieb keine utopische Vorstellung. Dieser Kostenrahmen soll jedoch durch die Skalierung auf den Gigawatt-Bereich auf 350 Millionen Euro sinken.
    [Verknüpfung]
    Die Hansestadt Hamburg will mit ihrem Hafen da nicht zurückstehen, auch hier ist eine Gigawatt-Elektrolyse-Anlage geplant.
    [Verknüpfung]
    Im Hafen befinden sich große Hütten für Kupfer- Stahl- und und Aluminium, die mit dem Wasserstoff betrieben werden können.
    [Verknüpfung]
    BP und Ørsted planen für 2025 eine große Elektrolyse auch im Ölhafen von Lingen, die 20% des dort produzierten sogenannten Grauen Wasserstoffs durch Grünen ersetzen soll.
    [Verknüpfung]
    Die Region wirbt bereits mit der Marke H2-Region Emsland.
    [Verknüpfung]

    Es hat auch sein Gutes, dass P2X so stark von der Autolobby beworben wird, denn dadurch wird es bei vielen Autofahrern bekannt. P2X ist die Schlüsseltechnologie, ohne die die Energiewende in mittleren Breiten nicht gelingen kann: zwar verzichtbar für PKW, doch unverzichtbar für die Sektorenkopplung. Die v.a. sommerlichen Stromüberschüsse werden für die Gasproduktion genutzt (Saisonspeicher). Während beim Verbrennungsmotor die Abwärme das ganze Jahr über verschwendet wird, kann man sie in Blockheizkraftwerken, also Kraftwerken mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) - zum Heizen nutzen. Weil P2X v.a. im Winter verstromt wird, ist der Heizwärmebedarf gleichzeitig besonders hoch, ein wichtiger Synergie-Effekt.
    Dass Sektorenkopplung so langsam zum Allgemeinwissen zählt, sieht man auch an einem Wikipedia-Artikel:
    [Wikipedia 2021 - Sektorenkopplung]

    Ein weiterer Synergie-Effekt der Sektorenkopplung liegt im erleichterten Recycling des CO2: bei Verbrennung in Blockheizkraftwerken lässt sich das CO2 für die nächste P2X-Produktion aus dem Abgas leicht auffangen (Volumenanteil geschätzt 10-20%, näher bei 20%), beim Verbrennungsmotor in Fahrzeugen nicht. Diese CO2-Emissionen lassen sich nur aus der Luft auffangen (Volumenanteil 0,04%) - das ist wesentlich aufwändiger.

    D.h. die Sektorenkopplung erlaubt eine wesentlich höhere Wertschöpfung mit P2X als der Verbrennermotor: im Sommer fahren ÖPV und Elektroautos mit günstigem Saisonstrom, dessen Kostenvorteil die Mehrkosten im Winter mehr als ausgleicht.

    Dazu eine einfache Rechnung für die Pfennigfuchser.
    Die Kosten von P2X werden z.Zt. auf 1-2€ pro Liter geschätzt, was bei Entfall der Steuer im Bereich des Bezahlbaren liegt. Agora Energiewende erklärt.
    [Verknüpfung]
    Dort gibt es einen Online-Rechner.
    [Verknüpfung]
    Vergleicht man die Kosten eines Verbrenners mit denen eines Elektroautos, das die meiste Zeit mit Eigen-PV (oder PV vom Parkplatz) zu einem Bruchteil der Kosten fährt, kann man sich im Winter sogar den fehlenden Strom aus Gaskraftwerken leisten, die zwar mit dem Saisonspeicher P2G-Methan in Kraft-Wärme-Kopplung relativ teuer arbeiten. Durch Ausnutzung der Abwärme zum Heizen fällt der Preis für den Winterstrom jedoch nicht mehr ganz so hoch aus.
    Unter'm Strich sollte es auf jeden Fall deutlich günstiger sein als mit dem Verbrenner, da die meiste Zeit direkt mit PV-Strom geladen werden kann.
    Richtig interessant wird es, wenn man den Saisonspeicher-Brennstoff in einem Mini-Blockheizkraftwerk (für die Bastler: Verbrennermotor + Generator) selbst produziert, dann lassen sich auch die Abwärmeverluste der KWK minimieren. Aus einem Liter P2L kann man konservativ bei 30% Wirkungsgrad mit rund 3kWh elektrischer Energie rechnen; die kosten z.Zt. (2020) auch allein schon 1,20€. Die restlichen 7kWh (entsprechen etwa 0,7l Heizöl) werden wie gesagt zum Heizen genutzt, was weitere Kosten einspart. Verheizt man das wertvolle P2L im Verbrenner, heizt man damit bloß ganzjährig die Umwelt.
    Die Argumente von Agora Energiewende zum Nachlesen:
    [Verknüpfung]







    Gerade rechte Populisten reüssieren gerade mit einer Verschwörungstheorie: von der deutschen Energiewende profitiere nur eine mächtige globale Finanzelite; rechtsextreme deuten offen auf jüdische Kapitalisten wie George Soros oder Familie Rothschild. Die "Globalisten" würden die Jugend auf Kosten deutscher Interessen instrumentalisieren, die deutsche Deindustrialisierung (im Neonazi-Sprech: Versklavung) betreiben, so lautet die Erzählung. Greta Thunberg und ihre Klimaschutz-Bewegung seien durch das "globalistische" Großkapital gesteuert.
    Die Frankfurter Rundschau portraitiert aus Anlass der Graichen-Affäre Hal Harvey, den wichtigsten US-Geldgeber im Hintergrund von Agora Energiewende und Stiftung Klimaneutralität. Harvey ist ein Umweltaktivist, der seit Jahrzehnten bei philanthropischen Stiftungen Geld einsammelt.
    FR: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Hal Harvey]
    Auch die großen Geldgeber im Hintergrund der fossilen Rechtspopulisten gehören zu den 1% der Reichsten. Aber sie sind viel mehr als die der "Grünen Lobby", und sie geben ein Vielfaches. Deshalb blendet die rechte Verschwörungstheorie die Unsummen aus, die die Profiteure des fossilen Systems aus den Volkswirtschaften gezogen haben, und welche Vorteile eine größere Energie- und Ernährungssouveränität für die Bürger:innen hätte.
    In Wirklichkeit steht die bei Konservativen so berüchtigte "Grüne Lobby" gegen ihren fossilen Gegner wie David gegen Goliath.



    Twitter-Teilnehmer HalleVerkehrt auf die Frage nach seiner Lieblings-Verschwörungs-Theorie

    Die offiziellen Steuerpläne der AfD zur Bundestagswahl 2021 offenbaren klar, welche Einkommen am meisten bevorteilt werden: die unterste Schicht profitiert am wenigsten (Null), die oberste am stärksten (doppelt soviel wie bei der FDP). Zu den Finanziers der AfD gehören der Nazibankiers-Sohn August von Finck und der Immobilien-Milliardär Henning Conle.

    Die Verschwörungstheorie um den Klimaschutz kommt von ganz rechts außen. Die Erzählung wird nachweislich gestreut u.a. von Nachfolge-Unternehmern der NS-Profiteure; geglaubt wurde sie zunächst von unzufriedenen, autoritäts-orientierten Randgruppen. In der zunehmenden krisenbedingten Prekarisierung des verunsicherten Mittelstands sehen neoliberale und Fossilökonomisten ein wirksames Instrument, um diese Erzählung größer zu machen, und damit eine sozial-ökologische Transformation zu verhindern.
    Dabei könnte die Verdrehung nicht größer sein. Ein Grundmotiv der linksorientierten Politiker Hermann Scheer (SPD), Hans-Josef Fell (Die Grünen) und anderen Vordenkern der Energiewende vor 20 Jahren war im Gegenteil die Idee der Energiesouveränität ("Energie in Bürgerhand"): auch einfache Bürger sollten Windräder, PV und Energiespeicher besitzen können. Die ersten, wichtigsten Jahre der Energiewende waren v.a. geprägt von Investitionen von Idealisten, die oft belächelt wurden. Auch die Anlagenhersteller waren oft klein, der Anteil von Großinvestoren gering. Bei Fossilinvestments war die Rendite vermeintlich höher und v.a. sicherer.
    Das Märchen von der unbezahlbaren, unmöglichen Energiewende als Elitenprojekt hält sich hartnäckig, obwohl selbst die Internationale Energieagentur IEA 2020 die Erneuerbaren als günstigste Energiequelle bezeichnet hat. Selbst die massive Energiepreiskrise im Ukraine-Krieg konnte bisher daran nichts ändern, und die rechten Gegenkräfte rüsten verbal auf.


    Statt weniger Eigentümer haben wir auf einmal Hunderttausende oder gar Millionen Eigentümer. Das ist nur möglich mit Erneuerbaren Energien und zwar für alle. Die Energieversorgung bekommt eine Demokratisierung.
    Hermann Scheer
    [Verknüpfung]

    Mit zunehmendem Erfolg der Energiewende bewirkte fossilökonomistische Politik jedoch, dass immer mehr Projekte von großen Investoren realisiert wurden. Dann kam die Anti-EEG-Kampagne der INSM 2011: egal, wer eine Anlage für Erneuerbare Energien besaß - der Neid der Besitzlosen war ihnen sicher. Besonders naheliegend ist der Neid gegen Besitzer von Windkraftanlagen, weil sie Geräusche und unangenehme Schatten verursachen, und außerdem das Landschaftsbild deutlich verändern. Die Widerstände sind jedoch überall dort geringer, wo Anlieger an den Gewinnen beteiligt sind. Betreiber könnten dazu per Gesetz verpflichtet werden - eine Möglichkeit, die bisher nicht genutzt wird.

    Fossil-Profiteure dagegen können seit je her so reich sein wie sie wollen, von Neid ihnen gegenüber hört man nirgends - sie sind weit weg oder unsichtbar. Aber sie haben jahrzehntelang Klimaskeptiker und andere fossilökonomistische Propagandisten für die Verbreitung von Lügen bezahlt, und das ist nachgewiesen. Lügen, die den fossilen Konsumgesellschaften allzu bequem und deshalb - bezeichnend für deren soziokulturelle Überforderung - hochwillkommen waren. Jetzt betreiben sie erfolgreich in allen Demokratien gesellschaftliche Spaltung, um autoritäre Regierungen zu installieren.
    Fridays for future bezieht sich auf dieselbe Wissenschaft wie die Klimaaktivisten der 90er, vor der Energiewende. Damals gab es keine Großinvestoren, die ein Interesse an Klimaschutz gehabt hätten. Die wissenschaftlichen Fakten waren damals nur für Fachleute eindeutig nachvollziehbar, heute sind sie für alle sichtbar. Mittlerweile hat es sich auch in Finanzkreisen herumgesprochen, dass die Energiewende ein wirtschaftlicher Erfolg zu werden verspricht - die Fossiltechnologie ist überholt, ja auf Dauer sogar eine Garantie für 100%igen Verlust. Um Hermann Scheers Idee von Energiesouveränität, also Unabhängigkeit der Bürger:innen doch noch zu verhindern, haben CDU und FDP die nächste Stufe zentraler Energieversorgung im Fokus: den flächendeckenden Wasserstoffanschluss von Betrieben und Haushalten. Erneuerbaren Kleinprojekten wird der per EU-Gesetz verbürgte leichte Marktzugang verwehrt, Industrie-Großprojekte wie PV- und Offshore-Windparks dagegen werden großzügig gefördert.

    Die Energiezukunft ist also so oder so erneuerbar - mit oder ohne Abzocke. Denn das ist auch ökonomisch sinnvoll.

    Wäre es aber nicht sogar legitim, wenn Investoren Klimaschutz propagieren würden, ähnlich wie jetzt tatsächlich wieder Kernkraft oder "moderne" Verbrenner massiv beworben werden? Warum sollte das Profitieren von Klimawende-Investoren moralisch verwerflicher sein als das von Fossil-Investoren? Nur weil wir es nicht schaffen, vom Öl loszukommen? Fossilökonomisten schützen mit ihrer Politik nicht nur zukunftsuntaugliche Arbeitsplätze, sondern auch längst abgeschriebene Fossil-Investitionen, und erlauben einen Ökozid, der längst unter Strafe stehen müsste. Hier liegt das tatsächliche moralische Problem. Bei der politischen Abwägung hatten Klimagerechtigkeit und Zukunftsfähigkeit bisher keinen großen Stellenwert, stellte sogar Angela Merkel rückblickend fest.
    Mit der Klimawende darf die Jugend nicht nur auf eine Überlebenschance hoffen, sondern auch auf eine zukunftsfähige wirtschaftliche Entwicklung. Sie kann zuallerletzt etwas dafür, dass die demokratisch verfassten Zivilgesellschaften das Ende des Fossilzeitalters wegen Desinformation zu spät mitbekommen, und dadurch wegen ungerechter Gesetze und politischer Untätigkeit viele Konsumenten zu den Verlierern der Klimaschutz-Disruptionen werden, und viele Arbeitnehmer der Fossilindustrie ihre berufliche Existenz verlieren.
    Die EU hat bereits BlackRock als Berater in Nachhaltigkeitsfragen engagiert, eine Firma, die seit ihrem Bestehen aus der Fossilökonomie Profit geschlagen hat und sich jetzt als Vorreiter der Disruption geriert, um nicht dem Platzen der Carbon Bubble zum Opfer zu fallen. Es steht also weniger zu erwarten, dass die Priorität der Politik auf Gemeinwohl liegen wird.

    [Kern 2020]







    Beim Blick in manche Medien bekam man bis vor Kurzem den Eindruck, dass Windkraft und andere klimaschonende Alternativen v.a. eines bergen: massive Umweltprobleme. Viele Leser dieser Zeitungen machten daraus in ihrer fossilökonomistischen Denke: die alternative Technik verursacht mehr Probleme als die konventionelle. Kurioserweise fand man diese Sichtweise auch im Spiegel: SPD-Nähe bedeutet eben auch Nähe zur Kohlelobby und damit Nähe zu klimaskeptischen Positionen, siehe hier und hier.
    [Verknüpfung]

    Bei der Genehmigung von Windrädern wurden allerdings auch in den Boom-Jahren vor Peter Altmaier hohe Anforderungen an Naturschutz gestellt.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Ein Interview mit einem Verbandsjuristen gibt Einblick in die vielfältigen Hemmnisse bei Genehmigungen von Windrädern. Er fordert u.a. die Anerkennung der Radar-Erkennungstechnik für sensible Arten.
    [Verknüpfung]
    Warum die Technik in Frankreich und der Schweiz schon seit Jahren zugelassen ist und in Deutschland immer noch nicht, ist eine interessante Frage. Sie scheint dort zumindest zu funktionieren.
    [Verknüpfung] (Volltextsuche: "radar")
    In Kombination mit Kameras und KI konnte in einem Offshore-Windpark bei Schottland gezeigt werden, dass dort Vögel sehr gut ausweichen können.
    [Verknüpfung]

    Das Anhalten von Windrädern zum Vogelschutz passiert ohnehin ausschließlich am Tage, wo die Verluste durch die Photovoltaik-Leistungsspitze ausgeglichen werden können.


    [Verknüpfung]

    Die großen, lange etablierten Umweltverbände sehen zwar die Naturschutz-Thematik in der Windkraft-Debatte differenziert und verlangen strenge Vorgaben an sensiblen Standorten. Doch sehen sie viel größere Gefahren für die Biodiversität durch andere Faktoren, also Biotopverlust und Xenobiotica, v.a. durch industrielle Landwirtschaft, und nicht zuletzt durch den Klimawandel.
    [Verknüpfung]

    Und so sprechen sie sich trotzdem dezidiert für einen naturschutzgerechten, aber massiven Ausbau der Windkraft aus.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Hier noch eine Video-Aufnahme, die ich per Mobiltelefon in der Westeifel im September 2022 machen konnte. Wenige 100m vor einem Windpark kreisen so viele Greifvögel, wie ich noch nie vorher gesehen habe.

    Die Eifel produziert mehr Windstrom, als sie verbraucht. Der Stromanbieter Landwerke Eifel bietet den Strom, der zu 100% Erneuerbar ist und zu nahezu 50% aus Direktvermarktung von regionalem Windstrom stammt, in der Energiekrise Ende 2022 weit günstiger an als die Konkurrenz. Der restliche Bedarf wird von EEG-Strom gedeckt, der von der Börse bezogen wird und sich wegen der Merit-Order-Preisbildung am teuren Gaskraftwerks-Strom orientiert, was den Strompreis wieder verteuert. In Norddeutschland gibt es ebenfalls Forderungen nach regionaler Preisbildung für Strom, die aber aufgrund der Konzessionen und Regeln, und der Gegenwehr aus Süddeutschland noch nicht realisiert werden konnte. Auch die längst überfällige Reform der Strompreisbildung wird unter Wirtschaftsminister Robert Habeck endlich angegangen.

    Der Spiegel, in dem man lange Zeit erstaunlich klimaskeptische und windkraftkritische Artikel lesen konnte, hat im Februar 2020 den "obersten Vogelschützer" Deutschlands mit dem "größten Windkraftfan seiner Partei" Oliver Krischer (Die Grünen) beim Interview zusammengebracht.
    Zitat:

    "Krischer: „Mich ärgert, wie heuchlerisch man mancherorts die eigenen Interessen vertritt. Es gibt Anwohner, die ihre Liebe zum Rotmilan zufällig genau dann entdecken, wenn Windräder vor ihrer Haustür geplant sind. Vorher hätte man ihnen wahrscheinlich erzählen können, Rotmilane seien serbische Freiheitskämpfer, und sie hätten das geglaubt.“
    SPIEGEL: „Herr Krüger, wie sehen Sie das?“
    Krüger: „Ich muss leider zustimmen. Der Artenschutz wird tatsächlich von allerlei Interessengruppen funktionalisiert.“
    SPIEGEL: „Leider? Ist es denn aus Ihrer Sicht nicht gut, wenn sich möglichst viele Bürger für den Artenschutz engagieren – egal aus welchen Gründen?“
    Krüger: „Nein, überhaupt nicht. Es geht darum, den Artenschutz möglichst eng mit der Energiewende zu verzahnen. Die Erderhitzung ist eine riesige Bedrohung für viele Arten auf diesem Planeten. Die Energiewende ist eines der wichtigsten Mittel dagegen.“"


    Ohne Energiewende können wir uns allen Artenschutz auch gleich sparen.
    Jörg-Andreas Krüger (Vorsitzender Naturschutzbund Deutschland)
    [Schultz 2020]

    Sie sehen unter Altmaier eine regelrechte Kampagne von Windkraft-Gegnern, in der der Vogelschutz nur für andere politische Zwecke instrumentalisiert wird:
    [Verknüpfung]


    "Es gibt Anwohner, die ihre Liebe zum Rotmilan zufällig genau dann entdecken, wenn Windräder vor ihrer Haustür geplant sind. Vorher hätte man ihnen wahrscheinlich erzählen können, Rotmilane seien serbische Freiheitskämpfer, und sie hätten das geglaubt."
    Oliver Krischer
    [Schultz 2020]

    Ein Beispiel für eine solche Gruppierung selbsternannter "Umweltschützer" ist der VLAB, der erst 2015 gegründet wurde. Sie klagt ausschließlich gegen die "Auswüchse der Energiewende" - also nicht nur gegen Windräder, sondern auch gegen Freiflächen-Photovoltaik, Stromtrassen und - jetzt besonders prominent - gegen die Tesla-Gigafactory in einer artenarmen Kiefern-Monokultur nahe Berlin. Sie erkennen zwar offiziell das Problem des Klimawandels an, in den übrigen Problem-Themen der etablierten Umweltschutzverbände sehen sie jedoch keinen Grund zur Klage, den Atomausstieg stellen sie sogar als Fehler dar.
    [Wikipedia 2020 - Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern]
    Das soll nicht heißen, dass alle windkraftkritischen Umweltschützer politisch motiviert sind. Im Naturschutzbund Nabu gibt es seit den ersten Windrädern großen Aushandlungsbedarf in der Abwägung Klimaschutz versus Artenschutz. Unter Altmaier war der Artenschutz politisch opportun, zuletzt ging die Tendenz stärker zum Klimaschutz. Seit Robert Habeck ankündigte, den Artenschutz bei Windräder-Genehmigungen aufzuweichen, wird die Debatte wieder lauter. Im Mai 2022 gibt der Leiter des Fachbereichs Klima beim Nabu Michael Schäfer auf.
    [Verknüpfung]

    Peter Altmaier kann man durchaus als verdeckten Anti-Windkraft-Aktivisten bezeichnen. Dafür gibt es etliche Belege.
    Vertreter der Umweltverbände beschweren sich über die überproportionale Redezeit der Windkraft-Gegner bei Verhandlungen mit Wirtschaftsminister Altmaier.
    [Verknüpfung]
    Altmaier lässt sich 2017 sogar mit saarländischen Windkraft-Gegnern bei einer Einladung in seinem privaten Garten ablichten; das Foto war bis 2022 auf der Internetseite von Gegenwind Saarland GWS veröffentlicht. Auf der Internet-Seite ist weiterhin die Beschriftung des Fotos zu lesen: "v.l.n.r.: Edgar Jungmann (BI Primsbogen), Jacob Fuhrmann (GWS), Bundeskanzleramtsminister Peter Altmaier, Christel Ehre (GWS), Karl Dickmann (BI Biringen), Ulrich Leyhe (Naturschutz) und Günter Möcks (BI Wenzelstein Wadern)"

    [Verknüpfung]
    Die Dachorganisation der Windkraft-Gegner Vernunftkraft e.V. hat ausgezeichnete Kontakte bis ins Altmaiers Ministerium; ihr 1. Vorsitzender Nikolai Ziegler arbeitet dort und hat sogar bereits den zuständigen parlamentarischen Staatssekretär Thomas Bareiß (CDU) vertreten.
    [Verknüpfung]
    Es ist nicht verwunderlich, dass es bei Vernunftkraft enge Kontakte und personelle Überschneidungen zu AfD und EIKE gibt.
    Die Erfahrung von Umweltverbänden zeigt, dass Prozesse gegen Windräder sehr kostspielig sind. Die Finanzierung der Anti-Windkraft-Bewegung liegt im Dunkeln, allerdings ist die Vernetzung wichtiger Protagonisten mit CDU und Industrie bekannt.
    [Verknüpfung]

    Ein einziger Verbrenner-PKW produziert weit mehr Infraschall als ein großes Windrad - trotzdem wird der Windrad-Infraschall zu einer lebensbedrohlichen Gefahr stilisiert.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Es gibt sogar eine unter Windkraft-Gegnern vielbeachtete ZDF-Doku aus der Reihe planet e zum Thema.
    [Verknüpfung]
    Nicht weniger grotesk mutet es in diesem Zusammenhang an, dass Windräder an manchen Raststätten wegen der Einschränkung der Erholungsqualität nicht genehmigt werden.

    Das UBA sagt dazu: "Es ist wichtig festzuhalten, dass WEA nur eine unter einer Vielzahl von natürlichen und anthropogenen Infraschallquellen sind und einen Teil zur Gesamtbelastung beitragen, der den Ergebnissen der erwähnten Geräuschimmissionsmessungen nach vergleichbar klein ist. [...] Bisher gibt es keine konsistente Evidenz dafür, dass gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Infraschallemissionen von WEA verursacht werden."
    [Verknüpfung]

    Das UBA referiert u.a. auf eine MIT-Studie, die feststellt: "Infrasound and low-frequency sound do not present unique health risks. [...] Annoyance seems more strongly related to individual characteristics than noise from turbines." Dort, wo eine Gewinnbeteiligung der Anwohner erfolgt, wird keine Belästigung empfunden.
    [McCunney 2014]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    In der Phase des Niedergangs der deutschen Windkraft-Inustrie Anfang 2020 fordert die SPD eine Gewinnbeteiligung per Gesetz, ein "Windbürgergeld", der Entwurf stammt vom SPD-Klimapolitiker Matthias Miersch. Der Koalitionspartner CDU trägt das nicht mit. Auch der Städte- und Gemeindebunds unter Vorsitz von Uwe Brandl (CSU) lehnt das Windbürgergeld ab. Die Windkraft-Industrie rutscht bis zum Ende der Großen Koalition weiter ab.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Ob die Rot-Rot-Grüne Minderheitsregierung für ihr Vorhaben eines Landes-Windbürgergelds 2024 noch genügend Stimmen von CDU und/ oder bekommt, ist bis zur Abstimmung im Juli unklar. Die CDU beteuert, sie unterstütze die Idee, es gäbe aber Detailprobleme, die Linke beklagt eine Blockade der CDU.
    ARD: [Verknüpfung]
    Die Linke Thüringen: [Verknüpfung]
    CDU Thüringen: [Verknüpfung]

    2020 wurde eine englisch-finnische Studie veröffentlicht: "No evidence of health effects of wind turbine infrasound was found."
    [Verknüpfung]

    Dr. Stefan Holzheu vom Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung deckt schließlich auf, dass die Studie der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR aus dem Jahr 2009, die Grundlage für die ganze Infraschall-Kampagne der Windkraft-Gegner ist, einen Fehler enthält. Die Autoren haben sich um 36dB (Faktor 103,6), also einen Faktor beinahe 4000, verrechnet. Das BGR ist eine Fachbehörde, die direkt dem Bundeswirtschaftsministerium untersteht.
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    Zeit: [Verknüpfung]
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    Als wäre das nicht schlimm genug, hatte das BGR Holzheu rechtliche Konsequenzen bei Veröffentlichung angedroht. Letztlich ist es Holzheus Hartnäckigkeit seit April 2020 zu verdanken, dass sich ein Jahr später nach etlichen Querelen weitere Fachleute hinzugezogen werden, und plötzlich geht alles ganz schnell. Professor Martin Hundhausen (Uni Erlangen): "Ich kann es mir nicht erklären. Ich habe da draufgeguckt, und innerhalb von zwei Stunden wusste ich, das ist falsch."
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    Der zuständige Fachminister Altmaier entschuldigt sich. Welche Darstellung in der Öffentlichkeit letztlich verfängt und "hängenbleibt", ist die spannende Frage. Ein allzu großes Rad dreht Altmaier jedenfalls nicht daraus, mit der Begründung: "Es ist glaube ich auch Sache der interessierten Öffentlichkeit, diese Informationen zu verbreiten und deutlich zu machen." Diese Aussage und weitere gut recherchierte Zusammenhänge zum Thema im Polit-Magazin Kontraste des MDR.
    [Verknüpfung]
    Video: [Verknüpfung]
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    Holzheu stieß im Nachgang noch auf eine weitere Studie vom 01.07.2021, die bei MDR und ZDF verbreitet wurde. Sie setzte Herzmuskelzellen direkt Schalldruckwerten aus einem Lautsprecher aus, die von der Größenordnung noch weit über denen der BGR-Skandalstudie orientieren. Selbst das Ärzteblatt, das diesen Größenordnungsfehler nicht einmal diskutiert, fordert weitere Untersuchungen.
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    2024 wird eine Studie des Kardiologen Thomas Münzel der Universität Mainz veröffentlicht, die den Zusammenhang zwischen Verkehrslärm und Gefäßkrankheiten sowie Lerndefiziten und Demenz belegt - ein Thema, das nicht viel Beachtung findet.
    An dieser Stelle lohnt auch noch ein kurzer Blick auf die BGR, die bis 2021 dem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) unterstand. Sie urteilt nicht nur häufig im Sinne von Naturausbeutung, was regelmäßig auf den Widerstand von Naturschutz-Aktivist:innen stößt, sie verbreitete sogar über viele Jahre etliche klimaskeptische Thesen, die so gar nicht in ihr Fachgebiet fallen.
    [Wikipedia 2021 - Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe - Klimaskeptizismus]
    Diese paläoklimatologische Expertise sprechen sie sich als Geologen einfach selbst zu. So machen es z.B. 2001 der BGR-Geochemiker Ulrich Berner mit dem BGR-Geologen Hansjörg Streif mit dem Buch "Klimafakten", das die Expertise des IPCC anzweifelt, und von einer abweichenden Lehrmeinung von im Buch so bezeichneten "Neoklimatologen" spricht. Am Ende kommen die Autoren zu dem Schluss, bei den Unsicherheiten in der Klimaforschung sei es ein Fehler, auf die Verbrennung fossiler Brennstoffe zu verzichten. Ein Teil der Auflage wurde vom Braunkohleverband gekauft und kostenlos an Bundestagsabgeordnete verteilt. Einige Aussagen der Studie zerlegt Stefan Rahmstorf in seinem Blog Klimalounge bei scilogs.spektrum.de. Das Buch liefert Stoff für einen veritablen Wissenschafts-Skandal.
    Scilogs: [Verknüpfung]
    Die Medien gingen sehr unterschiedlich mit dem delikaten Buch um. Beim Spiegel, seinerzeit unter der Chefredaktion von Stefan Aust, durfte Berner 2001 ein Interview mit dem Titel "Blühende Landschaften" geben. Auch Bild der Wissenschaft bot den Klimaskeptikern das große Podium, Überschrift: "CO2 macht 1,2 Prozent aus". Nach seinem Weggang beim Spiegel übernahm Klimaskeptiker Axel Bojanowski dort kurz die Chefredaktion. Aust macht heute als Herausgeber beim Springer-Blatt Die Welt mit Klimaskeptiker-Spitzen von sich reden.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Ein Rechercheverbund von WDR, NDR und SZ deckte 2016 die Einflüsse aus der Fossillobby auf, die die Darstellungen des BGR massiv beeinflussten, z.B. 50.000DM für Berners Studie.
    SZ: [Verknüpfung]
    Bernhard Pötter berichtete schon 2007 in der Tageszeitung, Titel: "Die amtliche Lüge vom prima Klima".
    taz: [Pötter 2007]
    Auch in der Desinformation über die Infraschallbelastung durch Windkraft spielte das BGR eine zentrale Rolle.

    Entsorgungsprobleme von Altanlagen werden in den Medien sogar verglichen mit denen von Atommüll; in Diskussionen hört man oft ähnliche Behauptungen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Bei wissenschaftlicher Betrachtung entbehrt dieser Vergleich jeglicher Grundlage (kurioserweise stammt der referierte Artikel aus derselben Zeitung):

    • viele Altanlagen, die aus ökonomischen Gründen schon vor dem Ende ihrer Nutzbarkeit durch "Repowering" ersetzt werden, können im Ausland günstig weiterlaufen
    • der Werkstoff GFK macht zwar wegen seines Glasanteils bei der konventionellen Müllverbrennung Probleme durch Verglasung der Brennkammer, kann jedoch in der Zementherstellung als Ersatz fossiler Brennstoffe dienen; wenn in Zukunft die Polymer-Grundstoffe aus P2X kommen, ist diese Verbrennung CO2-neutral
    • GFK-Werkstoffe werden seit Jahrzehnten in großen Mengen verarbeitet, aber noch nie wurde ein GFK-Entsorgungsproblem öffentlich thematisiert; genauso wenig wie die um Größenordnungen höheren CO2-Emissionen und riesigen Mengen an Sondermüll-Schlacken bei der Kunststoffmüll-Verbrennung, die das duale System eigentlich vermeiden sollte. Die Schlacken-Stäube verschwinden im Asphalt, bis dieser nach und nach durch (klimaschädliches) Verdampfen des Bitumens wieder freigesetzt wird.

    Einen Überblick zur Entsorgungs-Thematik bieten der Tagesspiegel und die Zeit.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Recycling-Strategie des Herstellers Vestas zeigt, dass Recycling funktioniert und auch für die Hersteller von wirtschaftlichem Interesse ist.
    [Verknüpfung]
    Das Verfahren basiert auf einer neuartigen chemischen Zersetzung des Epoxidharzes, eines nicht schmelzbaren Duroplasten, das im Rahmen des Projekts CETEC an der Universität Aarhus entwickelt wird. Vestas strebt damit ein vollständiges Recycling aller Komponenten bis 2040 an.
    [Verknüpfung]
    Siemens-Gamesa arbeitet mit einem leichter ablösbaren Harz.
    Weser-Kurier: [Verknüpfung]
    Ein anderes Entsorgungs-Projekt, das zumindest die Glasfasern recycelt, wird betrieben von Aker und der Universität Strathclyde.
    [Verknüpfung]

    Die Schaltanlagen in Windrädern werden - wie nahezu alle anderen Schaltanlagen auch - seit Jahrzehnten mit SF6-Gas gefüllt, dem mit einer 25.000fachen Wirkung von CO2 das stärkste bekannte Treibhausgas. Die Treibhausgaswirkung der emittierten Menge entspricht 2021 knapp dem Doppelten des deutschen Inlandsflugverkehrs. Eine Dokumentation des MDR aus der Reihe Plusminus stellt den Ausbau der Windkraft deshalb als massives Klimaproblem dar.
    Tatsächlich machen Windräder jedoch nur einen kleinen Teil der SF6-Emissionen aus. Weit mehr wird z.B. in Glasfaserkabeln verwendet. Immerhin ist die Skandalisierung ein Anlass, die Freisetzung zu regulieren und endlich über Alternativen nachzudenken, zum Beispiel - tatsächlich - Luft. Bis 2030 soll es per EU-Richtlinie verboten sein.
    MDR: [Verknüpfung]
    Utopia: [Verknüpfung]
    Dr. Whatson bei Youtube: [Verknüpfung]
    EWS: [Verknüpfung]

    Als letztes Argument gegen den massiven Ausbau der Onshore-Windkraft wird die mögliche Netzüberlastung angeführt. Doch lokale Speichertechniken und preisgesteuerte Nutzungsanreize (Smart-Grid) werden bald viele der geplanten Fernleitungen obsolet machen; zudem sind nicht alle von den Netzbetreibern geplanten Fernleitungen überhaupt unbedingt notwendig.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Vergleicht man die Anstrengungen, die in Deutschland zur Versorgung mit Breitband-Internet bis in den letzten Winkel unternommen werden, lässt die Diskussion um Stromtrassen - in Anbetracht ihrer Bedeutung für die Zukunft - jegliches Maß vermissen.

    Zusammengefasst lässt sich sagen: Die Probleme, die Peter Altmaier immer wieder als Rechtfertigung des faktischen Ausbaustops von Onshore-Windkraft anführt, ließen sich durch drei einfache Maßnahmen beheben:

    • verpflichtende Nachteilsentschädigung oder wahlweise Gewinnbeteiligung der Anwohner
    • Zulassung und verpflichtende Nutzung von Radar-Systemen zur Vogel- und Fledermausschutz-Notabschaltung in sensiblen Naturräumen (wie z.B. in der Schweiz oder in Frankreich)
    • bedarfsgerechter Ausbau der Speicher- und Netzinfrastruktur

    Windenergie ist so günstig, dass der hohe Windstromanteil bei getrennter Preisbildung ein hohes Preisgefälle zwischen Süd- und Norddeutschland ergäbe, weshalb sich die norddeutschen Ministerpräsidenten dafür aussprechen. Natürlich sind die südlichen Bundesländer dagegen. Dabei ist das Ungleichgewicht mittlerweile so groß, dass bei bestimmten Wetter- und Nachfragesituationen die Windräder im Norden gebremst und Gaskraftwerke im Süden für den sogenannten Redispatch hochgefahren werden, was durch die Preisbildung durch Merit Order den Preis verviefacht.
    Zeit: [Verknüpfung]
    BR: [Verknüpfung]
    Prof. Dr. Bruno Burger vom Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme ISE erklärt das Problem im Geladen Podcast des Post Lithium Storage Exzellenz-Clusters.

    Durch die vielfältigen Kampagnen gegen Windkraft gibt es allerdings keine allzu große Aufregung, wenn die Windenergiebranche in Deutschland leidet und 35.000 neue Arbeitsplätze wegfallen. Wesentlich präsenter in der öffentlichen Wahrnehmung sind die "armen Kohlekumpel", von denen zum Zeitpunkt des geplanten Kohleausstiegs nur noch wenige Tausend übrig sein werden.
    [Verknüpfung]
    Für deren Arbeit werden sehr wahrscheinlich bald hohe Emissions-Abgaben, ja möglicherwiese sogar Strafen fällig.
    Das wird ihre Arbeitgeber nicht davon abhalten, auf die Einhaltung ihrer Verträge mit dem Staat zu bestehen. Das Abschalten der lange abgeschriebenen Anlagen, die dann zu Stranded Assets werden, müssen wir ihnen mit zig Milliarden Euro vergolden, wie vorher schon die der Atomkraftwerke. Viele Milliarden, auf die wir anderswo werden verzichten müssen.
    [Verknüpfung]
    Mindestens ein Betreiber hatte ohnehin die Abschaltung für 2037 geplant.
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    Manche Vereinbarungen der Kohlekommission sind im Gesetzesentwurf noch nicht umgesetzt, manche der Vorgaben verletzen den mühsam gefundenen Kompromiss (Stand Januar 2020). Mit Datteln IV geht ein neuer Kohlekraftwerksblock in 800m Abstand zu dichter Bebauung in Betrieb.

    Die Scientists for Future finden zu ihrem Auftakt in der Bundespressekonferenz für die Entscheidungen und die Desinformation in Politik und Medien deutliche Worte.


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    Die UBA-Studie dazu bei:
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    2019 sagen Experten die Massenentlassungen in der deutschen Windkraftbranche voraus.


    [Verknüpfung] (gesamte Sendung über Klimawandel)
    [Verknüpfung] (Ausschnitt zur Windkraft mit Manuskript)

    2020 ist klar: 40.000 Arbeitsplätze gehen verloren, zeigt ZDF Frontal 21.
    [Verknüpfung]
    Manuskript:
    [Verknüpfung]

    Es gibt kaum einen Bereich der Wirtschaft, in dem so viel Volatilität durch erratische staatliche Eingriffe herrscht, wie Windkraft; von Planwirtschaft zu sprechen, wäre ein Euphemismus. Zutreffender wäre unbewusster Dilettantismus oder bewusste Sabotage. Nachdem die global boomende Windkraft-Branche in Deutschland auf nahezu Null Zubau gedrückt worden ist, gab es nach Erdrutsch-Gewinnen für die Grünen bei Umfragen im April 2021 plötzlich grünes Licht für 116GW Zubau. Aber diese Maßnahme hat sich als Strohfeuer erwiesen, denn schnell hat der gerade überhastet beschlossene Kürzungsmechanismus für das Ausschreibungsvolumen gegriffen.
    [Verknüpfung]
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    Eine sehr gute Aufarbeitung des Themas kommt von ZDF zoom mit dem Titel "Das Ende der Energiewende".
    17'58'' Peter Altmaier: "Wer 'n Acker hat und 'n Windrad hinstellen kann, findet's meist ganz knuffig, weil damit Pachteinnahmen verbunden sind. Und wer 'n Haus hat und auf den Acker schaut, fühlt sich meistens beeinträchtigt, und ist geneigt, in Bürgerinitiativen zu gehen."
    So, als könnte man nicht Betreiber zu Gewinn-Beteiligungen der Anwohner verpflichten. Überall, wo das praktiziert wird, gibt es keine Proteste.

    [Verknüpfung]
    Und an dieser Stelle geht's auch im Film weiter mit dem nächsten Kapitel dieser Arbeit.

    Vorher aber noch der Hinweis auf eine im Januar 2021 erschienene, zutiefst verstörende Studie zu diesem Thema vom Rechercheteam der Europäische-Energiewende-Community (energiewende.eu), die schon das EEG-Paradoxon für das Team von ZDF Die Anstalt aufbereitet hat. Nach dieser Studie wurde ein Großteil der Bewegung von Altmaiers PR-Team erfunden.
    Wenn das so ist, dann gibt Altmaier nur vor, auf den gesellschaftlichen Druck der jugendlichen Klimaschützer zu hoffen.

    Die Studie ist mit zahlreichen Dokumenten belegt. Die Frage ist, wie lange die Medien noch brauchen, um die Recherche zu bestätigen. Oder warum die Sache sonst nicht publik wird. Die Community hat 27.000 Abonnenten bei Facebook, davon etliche Fachleute. Von einer Unterlassungsklage gegen sie ist mir nichts bekannt.
    [Verknüpfung]
    Viele damit zusammenhängende Fakten hat das Team schon über Jahre in Blog-Beiträgen zusammengetragen, die hier in einer Übersicht aufgelistet sind.
    [Verknüpfung]
    Die Community hat gleichzeitig ein riesiges Netzwerk aufgedeckt, in dem sich die bekannten deutschen Klimaskeptiker und Klimabremser aus den verschiedenen Parteien finden.
    [Verknüpfung]







    "... und deshalb werden wir Gas importieren."


    Im o.g. Film erklärt der Wirtschaftsminister seine Agenda, die nationale Wasserstoff-Strategie:
    18'38'' Peter Altmaier: "70 Prozent unseres Primärenergiebedarfs werden importiert und wer sagt, wir sollen das in Zukunft ändern, der muss dann auch sagen, wo die Flächen herkommen sollen [...] und wie der Ausbau von statten gehen soll. Dort, wo wir heute Öl und Gas importieren, Kohle und Nuklearbrennstäbe, dort werden wir in Zukunft grünen Wasserstoff importieren."
    Der Wasserstoff muss auch gar nicht unbedingt grün sein, also durch Elektrolyse gewonnen werden. Der Mutterkonzern der Gasgesellschaft Wintershall, BASF, hat schon ein neues Verfahren, um aus fossilem Methan "türkisen" Wasserstoff zu entwickeln. Wintershall bleibt selbst im Ukraine-Krieg ein verlässlicher Partner des russischen Gaskonzerns Gazprom, mit dessen Hilfe Putin Deutschland erpresst; u.a. verkauft die Firma 2015, nach der Krim-Annektion, den größten deutschen Gasspeicher an Gazprom. Wintershall-Chef Rainer Seele wechselt 2015 zum österreichischen Staatskonzern OMV, wo er einen skandalösen Knebelvertrag mit Gazprom abschließt.

    Die OMV wurde von einem Geheimdienst vor Seeles Russlandkontakten gewarnt.
    Die Presse: [Verknüpfung]
    Tatsächlich lässt sich die Methan-Energie klimaneutral nutzen, solange die Pyrolyse selbst klimaneutral erfolgt. Die Kohlenstoff-Atome werden so nicht in CO2-Molekülen ausgestoßen, sondern als Ruß (Schwarzpigment oder - bei den Mengen möglicherweise auch - Sondermüll) abgeschieden. Altmaiers Staatssekretär Thomas Bareiß jubelt.


    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Weder die Wertschöpfungs- noch die Beschäftigungseffekte eines Wasserstoffimports können mit der Favorisierung einer Energiebereitstellung aus heimischen Erneuerbaren Energien mithalten, berechnet das Wuppertal-Institut 2020 zusammen mit dem Institut DIW Econ.

    [Verknüpfung]


    pdf (Seite 112): [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Anlässlich der Verkündung der Nationalen Wasserstoff-Strategie am Ende des Jahres 2020 lotet ein Artikel im Magazin Erneuerbare Energien die Potentiale und Grenzen der Wasserstoff-Technologie aus.
    [Verknüpfung]
    Es folgten weitere Studien über Wasserstoff-Wirtschaft, u.a seine Chancen, die Akku-Technik im PKW-Bereich zu verdrängen. Es stellte sich heraus, dass diese Debatte längst deutlich für den Akku entschieden war - dass also für das jahrelange Festhalten am Verbrenner bis zur Entscheidung der Marktakteure überhaupt kein Anlass bestand.

    D.h. Energieversorger brauchen sich so oder so nicht um ihre Zukunft zu sorgen, und der Staat kann dabei nach wie vor Steuern einnehmen, die man nicht von anderen einfordern muss. Die eigentlich gravierenden Nachteile der Importabhängigkeit sind für Altmaier zweitrangig. Kein Wunder, dass Wasserstoff auch "das Öl von morgen" genannt wird. Eine Bezeichnung, die mich sofort hellhörig werden lässt. Mehr dazu hier.

    Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass Wasserstoff auch in der Autarkie-Bewegung als mögliche Alternative gehandelt wird. Die im Winter benötigten Energiemengen selbst eines Passivhauses lassen sich nicht in einem Akku speichern - der wäre unglaublich teuer. Denkbar wäre zuerst eine extreme Dimensionierung der PV-Anlage - das Dach reicht dann bei normalem Verbrauch nicht aus, v.a. nicht bei Nutzung von ELektroautos. Wenn viele das so machen würden, käme es im Sommer zu gigantischen, nutzlosen PV-Überschüssen.
    Im Energiesystem der Zukunft wird es zwar große sommerliche PV-Überschüsse geben. Doch diese Mengen müssen genutzt werden zur Produktion von Saisonspeicher-Gas (P2X-Methan), für das ein großes Verteil- und Speichernetz zur Verfügung steht, und das in Blockheizkraftwerken im Winter effizient verstromt wird (Sektorenkopplung).
    Es gibt jedoch auch eine autarke Lösung: im Sommer betreibt man mit PV-Strom eine Elektrolyse, die Wasserstoff und Sauerstoff produziert. Den grünen Wasserstoff speichert man in 300bar-Druckgasflaschen (wie man sie aus dem Chemieunterricht oder aus der Werkstatt kennt). Die Befüllung ist nicht verlustfrei, aber machbar. Im Winter verstromt man den Wasserstoff in einer Brennstoffzelle, deren Abwärme man direkt zum Heizen nutzen kann.
    Die Investitionen einer solchen autarken Wasserstoff-Energieversorgung liegen im Moment bei einem Neubau mit sehr gutem Energiestandard bei etwa 100.000€. Das funktioniert aber auch nur deshalb, weil der moderne Haushalt mit EAuto viel Strom braucht, der sonst die Verbrauchskosten erhöhen würde. Dabei produziert die Brennstoffzelle eine gewisse Abwärme. Bei höherem Heizwärmebedarf treibt die Brennstoffzelle dann die Wärmepumpe an. Bei Altbauten ist der Heizenergiebedarf schnell um Faktor 10 und mehr größer. Das Wasserstoff-Druckflaschenlager würde einen großen Keller füllen, die Investition läge schnell bei einer Million.
    [Verknüpfung]
    Diese horrend teure Technologie ist heute eigentlich nur ein Thema für Reiche, die sich jetzt schon 100% Autarkie wünschen. Eine drastische Verbilligung ist durch den aufwändigen Speicher und die Kombination mit der Brennstoffzelle nicht absehbar. In der aufgeheizten Debatte 2023 über eine vermeintliche Wärmepumpen-Pflicht ab 2024 wird sie dennoch von der Expertin Lamia Messari-Becker in Talkshows als "technologieoffene Alternative" angeführt, begleitet von Hetze von Enteignung und Vertreibung bei Tichys Einblick, und Häme über Robert Habeck bei BILD. Roland Tichy laviert ganz offen zwischen CDU und AfD.

    In den 90er-Jahren gab es Versuche, mit Solarthermie Winterspeicher aufzuheizen. Diese Speicher waren bei Häusern mit minmalem Wärmebedarf 50.000-100.000l groß. Der Aufwand betrug schon bei einem Neubau mit hohem Energiestandard viele 10.000€.







    Liest man in konservativen Zeitungen, bekommt man den Eindruck, von PV ginge eine ernsthafte Gefahr von Schwermetallverseuchung aus.
    [Verknüpfung]

    Dabei sollte man das Bild differenziert sehen: betroffen ist nur ein kleiner Teil der PV-Anlagen in Dünnschicht-Technik, und die Gefährdung wird weit übertrieben:
    [Verknüpfung]
    Eine regelrechte Gegendarstellung der PV-Branche sagt (natürlich) noch etwas anderes:
    [Verknüpfung]
    2015 bekam die Loser Chemie GmbH den Rohstoff-Effizienz-Preis des Bundesministeriums für Wirtschaft für ein Verfahren zum 100%igen Recycling für die problematischen Dünnschicht-Zellen.
    [Verknüpfung]

    Die Diskussion ist bei uns mittlerweile verstummt, auch weil die effizienteren Silziumzellen weit günstiger geworden sind; sie könnte aber wieder von den USA aus befeuert werden, wo bekanntlich der Kreativität der Lügenproduktion keine Grenzen gesetzt sind. Doch nach den Ankündigungen einer Energiewende durch den Post-Trump-Präsidenten Joe Biden heißt es jetzt dort, PV sei krebserregend.
    [Verknüpfung]
    Dazu noch ein Artikel der Deutschen Welle, der u.a. die Fortschritte beim Recycling behandelt.
    [Verknüpfung]
    2022 wurden von einem deutschen Forschungsverbund die ersten PERC-Solarzellen aus 100% recyceltem Silizium produziert.







    Jahrelang konnten Fossilökonomisten Gerüchte verbreiten über die mangelnde Haltbarkeit der Akkus, Komforteinbußen durch das Laden, zuwenig Leistung, Brandgefahr etc.. In manchen Medien, die von einer konservativen Klientel gelesen werden, halten sich die Gerüchte hartnäckig bis heute.
    Die Zeitung BILD zitiert in der Diskussion um die Abschaltung der letzten beiden Atomkraftwerke 2022 den mehrfach widerlegten Diesel-Professor Thomas Koch, der behauptet, dass durch die Abschaltung nun aber wirklich die E-Autos mehr CO2 ausstoßen als die Verbrenner - obwohl die CO2-Emissionen im Stromsektor nur marginal steigen, was den stetig sinkenden Emissions-Vorteil der Elektroautos nur minimal schmälert. Als Zeuge werden noch der TÜV-Verbandschef Joachim Bühler herangezogen und Auto-Ökonom Ferdinand Dudenhöffer. Dieser hatte unter dem Eindruck von Fukushima noch 2011 vorgerechnet, dass die Umstellung auf elektrische Antriebe auch ohne Atomkraft möglich sei.
    BILD: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    In agrarheute lautete noch 2023 ein Titel: "Elektroautos sind nicht die Zukunft - Es gibt alternative Antriebe".
    agrarheute: [Verknüpfung]

    In diesem Kapitel sollen diese Behauptungen und ihre Hintergründe etwas ausführlicher betrachtet werden.

    Der neoliberal-konservative Ökonom Hans-Werner Sinn machte mit dem Festköper-Physiker Christoph Buchal im Frühjahr 2019 mit einer Studie Furore. Sie rechnet vor, dass Elektroautos mit dem deutschen Strommix gar keinen Vorteil bei den CO2-Emissionen bringen. Der deutsche Strommix sei zu CO2-lastig. Dabei gehörte Sinn immer zu denen, die vor den Kosten eines zu schnellen Ausbaus der Erneuerbaren Energien warnten. Er vergisst außerdem, dass viele Elektroauto-Fahrer aus Überzeugung den Strom aus Erneuerbaren Quellen beziehen, teilweise selbst produzieren.
    Mittlerweile ist Solarstrom mit Abstand die günstigste Art, ein Auto zu betreiben. Bei dem Emissions-Rucksack der Akku-Produktion übernimmt Sinn die veralteten Zahlen der sogenannten Schwedenstudie des IVL, und geht von einer Lebensdauer von 150.000km aus.
    [Verknüpfung]
    Sinns Studie wurde vielfach kritisiert, z.B. hier:
    [Verknüpfung]
    ...hier:
    [Verknüpfung]
    ...oder hier: [Verknüpfung]
    Die zitierte Schwedenstudie aus 2017 wurde Ende 2019 sogar von den Autoren selbst zurückgenommen, weil die Zahlen zu konservativ gerechnet waren. Die Produktion ist effizienter geworden, und die Lebensdauer kann man getrost mit 300.000km annehmen.
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]
    Studie des IVL 2017: [Romare 2017]
    Studie des IVL 2019: [EmilssVon 2019]
    Eine Studie aus 2022 beziffert das Reduktionspotential der CO2-Emissionen auf Faktor 9.
    sciencedirect: [Degen 2022]
    Im Phoenix-Interview mit Michael Krons im Sommer 2020 zitiert Sinn jetzt immerhin nicht mehr seine eigene Studie, sondern eine des Joanneum Research für Automobilclubs wie den ADAC aus Ende 2019 - die jedoch immer noch den deutschen Strommix zugrunde legt und auch noch von der veralteten Schwedenstudie zur Akkuproduktion ausgeht.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Eine Neuberechnung mit den aktualisierten IVL-Werten zeigt, dass Sinns Kritik unberechtigt ist.
    [Verknüpfung]
    Wie zu erwarten war, wurden durch die Massenproduktion der Akkus Effizienzsteigerungen möglich, die den Vorsprung der Elektroautos in der CO2-Bilanz weiter vergrößerten. Jetzt belegt durch eine Studie der TU Eindhoven.
    [Verknüpfung]
    Auch an der Universität der Bundeswehr beschäftigte man sich mit der Frage. 2022 veröffentlichten Johannes Buberger und Dr. Manuel Kuder eine Neuberechnung, die einen noch größeren Vorteil des EAutos ergibt.
    Statt den 180kg CO2 pro kWh aus der alten Schwedenstudie rechneten sie mit den aktuellen 83, und bezogen auch weitere Emissionen nach dem Prinzip "well-to-wheel" und das Recycling mit ein.
    Studie bei sciencedirect: [Verknüpfung]
    Die Autoren wurden im Podcast Geladen interviewt. Dr. Kuder erklärt dort auch die Vorurteile vieler Verbraucher u.a. mit schlechten Erfahrungen mit Akkus in Mobiltelefonen, die jedoch von den Herstellern der Telefone nicht auf Lebensdauer hin optimiert eingesetzt werden. Auch sonst ist diese Folge besonders empfehlenswert.
    Geladen bei Youtube: [Verknüpfung]

    Im Herbst 2021 startete der Leiter des Institus für Kolbenmaschinen am Karlsruher Institut für Technologie KIT Prof. Thomas Koch, Coautor der umstrittenen Köhler-Studie über Stickoxide, einen neuen Versuch, die CO2-Bilanz des Elektroautos schlecht zu rechnen. Er konnte rund 300 Kolleg:innen für sein Netzwerk Internationale Vereinigung zur Erforschung nachhaltiger Antriebs- und Fahrzeugtechnik IASTEC gewinnen.
    Der Verband deutscher Ingenieure VDI versuchte die Emissionsvergleichs-Debatte mit der Studie noch einmal anzufachen. Es gab zwar ein Echo in der Verbrenner-Blase der rechtskonservativen Presse und der "sozialen" Medien. Seriöse Medien dagegen entlarvten die Kampagne unisono als Desinformation. Der ausführliche Artikel im Handelsblatt machte mit einem reißerischen Titel auf, stellte den Stand der Debatte jedoch letztlich gut dar.
    Handelsblatt: [Verknüpfung]
    riffreporter: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    Etliche Kolleg:innen gehen einen ungewöhnlichen Schritt: sie widersprechen öffentlich. Prof. Christian Rehtanz von der TU Dortmund: "Der Brief ist hochgradig peinlich. Es ist ein wissenschaftlich verbrämtes Lobbyistenschreiben, welches krampfhaft versucht, die Kolbenmaschinen (Lehrstuhldenomination von Prof. Koch des KIT) zu retten."
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Kurz vor der EU-Abstimmung über das Verbrenner-Verbot im Juni warnt IASTEC eindringlich. E-Fuels seien bald erschwinlich zu haben, was von sämtlichen Experten bestritten wird. Was tatsächlich ein Argument ist: Fahrzeuge für Zivilschutz, Militär, Feuerwehren, Krankentransport und Landwirtschaft würden teurer, Knowhow zu Verbrennungsmotoren ginge verloren. Aber mehr fällt ihnen nicht ein.
    [Verknüpfung]
    Dem Trend hin zum Elektroauto 2021 konnte die Studie keinen Abbruch tun.

    Noch einmal zweieinhalb Jahre später kommt noch eine Emissionsvergleichs-Studie. Sie ist online nur beim VDI als Download nach EMail-Anforderung erhältlich. Wieder wird mit den schlechtest denkbaren Annahmen gerechnet und kompakte Verbrenner mit größeren Elektroautos verglichen. Wieder nimmt man veraltete CO2-Emissionsdaten der Batterieproduktion, dieses Mal aus der der Schwedenstudie aus 2019, und geht von einem Rekordverbrauch des VW Golf TDI von 3,6l aus. Vor allem aber reicht der Kohlestromanteil im deutschen Strommix nicht mehr aus, um den Diesel schön zu rechnen. Deshalb machen die Autoren einen "Marginalstromansatz", der das Elektroauto als zusätzliche Last im Netz betrachtet, für die zusätzlich ausschließlich Kohle-Stromerzeugung in Rechnung gestellt wird.
    Warum man jetzt ein Elektroauto anders bilanzieren muss als alle anderen neuen Elektrogeräte, erschließt sich mir nicht. Dass die Spitzen einer zusätzlichen Residuallast aber auch nicht nicht mit Kohle-, sondern mit Gaskraftwerken gedeckt werden, die nach der Energiewende klimaneutral mit P2X-Methan aus sommerlichen PV-Überschüssen betrieben werden, und dass die meisten Ladesäulen-Besitzer Grünen Strom beziehen oder sogar selbst PV betreiben, macht den Marginalstromansatz hier vollkommen hinfällig. Es überrascht nicht, dass der Marginalstromansatz genauso in der Wärmepumpendebatte missbraucht wird.
    Autoren werden in der Studie nicht benannt. Der Leiter der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik Gerhard Kerkhof taucht als verantwortlicher Herausgeber ganz unten im Impressum auf, und der Sprecher des Expertengremiums Antriebe im Fachbereich Kraftfahrzeugtechnik der VDI-Gesellschaft Fahrzeug- und Verkehrstechnik Dr. Ralf Marquard bedankt sich bei den fleißigen Autoren in einem Vorwort. Nur ein Mitarbeiter des Paul Scherrer Instituts Christian Bauer offenbart sich als Autor eines Reviews, das mitten in der Studie direkt mit abgedruckt ist, was in der Wissenschaft nicht üblich ist. Ganz unproblematisch sieht auch er den Marginalstromansatz nicht, Zitat:

    "08.10.2023
    Die wichtigsten Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit betreffen – neben Details, welche in den Kommentaren direkt im Bericht ersichtlich sind – folgende Aspekte: Wahl der verglichenen Fahrzeuge und deren Repräsentativität für Personenwagen der Kompaktklasse [, ...] Bilanzierung der marginalen Stromversorgung der Elektroautos beim Laden der Batterien [...] Den kurzfristigen Marginalstrom für die Bilanzierung des Stroms zum Laden der Batterien der E-Autos zu wählen, ist durchaus eine legitime Möglichkeit. Allerdings eine aus LCA-Perspektive etwas ungewöhnliche; eher verbreitet ist die Bilanzierung einer marginalen Versorgung aus Langzeitperspektive. [...]
    14.11.2023
    Die überarbeitete Version des Ökobilanz-Berichts wurde Anfang November 2023 geprüft.
    Kurz zusammengefasst kann festgehalten werden, dass den Empfehlungen zur Überarbeitung aus der ersten Prüfung des Berichts grossmehrheitlich gefolgt wurde [...].
    Allein die Erklärung der Vorgehensweise zur Berechnung des Marginalstromansatzes ist (zumindest für den Reviewer) immer noch nicht ganz einfach verständlich, was aber angesichts der Tatsache, dass es sich dabei um Informationen im Anhang handelt, akzeptabel erscheint.
    Christian Bauer Wissenschaftlicher Mitarbeiter Technologie-Bewertung, Paul Scherrer Institut (PSI)"

    Prof. Volker Quaschning von der Berliner Hochschule für Technologie und Wirtschaft HTW bezeichnet die Studie als absurd, agrarheute spricht von einer Blamage des VDI.
    Moove New Mobility by Auto Motor und Sport Podcast bei Youtube: [Verknüpfung]
    VDI-Studie: [Verknüpfung]
    agrarheute: [Verknüpfung]
    Geladen Podcast bei Youtube: [Verknüpfung]
    Den Marginalstromansatz, der übrigens auch in der rechtspopulistischen Wärmepumpendebatte genutzt wird, propagiert auch der aus einer früheren kontroversen Studie bekannte Prof. Thomas Koch, der als Autor im rechtspopulistischen Hetzblatt Tichys Einblick auffällt. Er poltert von "Bilanzbetrug" der anerkannten Studien, die immerhin die Basis der Lehrmeinung bilden, weil sie zeigen, dass der Diesel ein untaugliches Vehikel für Klimaschutz ist.
    [Verknüpfung]
    Die VDI-Studie kommt zu einer Zeit, wo die massenhaften Leasing-Rückläufer aus der ersten größeren EAuto-Verkaufswelle die Gebrauchtwagen-Preise stark fallen lassen. Die Kundschaft ist derart verunsichert, dass sie dennoch erstaunlich oft weiter zum Verbrenner greift.


    Wenn Batterien viel klimaschädlicher wären als sie sind, der Strommix viel schmutziger wäre als er ist und Verbrenner viel sparsamer gefahren würden als es der Fall ist, dann wären beide Antriebsarten etwa gleich gut. Und wenn meine Oma ein Auto wäre, könnte sie hupen.
    Jan Hegenberg
    [Verknüpfung]

    Eine WDR-Doku ist exemplarisch für eine jahrelange tendentielle Darstellung in den Medien, die über Verzerrung bis zur Falschdarstellung reichen.
    [Verknüpfung]
    Zwischenzeitlich wurde die Sendung auf dem Youtube-Kanal umbenannt in "Wie das Elektroauto die Umwelt zerstört", auf Protest wurde wieder der ursprüngliche Titel verwendet.
    [Verknüpfung]

    Dazu Gegendarstellungen:

    zu den Emissionswerten hier:
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    zur Well-to-Wheel-Problematik des Verbrenners, auch die Schäden, die über die CO2-Problematik hinausgehen:
    [Verknüpfung]

    zu der Gesamtthematik und dem WDR-Film:
    [Verknüpfung]

    2021 brachte das International Council on Clean Transportation Europe ICCT eine Übersichtsstudie heraus, die die Sinn-Buchal-Studie in das Reich der Propaganda verweist; Zitat:


    Only battery electric and hydrogen fuel cell electric vehicles have the potential to achieve the magnitude of life-cycle GHG emissions reductions needed to meet Paris Agreement goals. [...] There is no realistic pathway for deep decarbonization of combustion engine vehicles.
    Georg Bieker
    [Verknüpfung]

    Jens Zippel von move electric und der Videoblogger Akkudoktor alias Andreas Schmitz besprechen die Studien, und gehen am Ende auf eine Kostenstudie des Massachussetts Institute of Technology MIT ein. Auch in dieser Hinsicht hat der Verbrenner keine Zukunft.


    [Verknüpfung]

    Auch Tom Bötticher nimmt in seinem Videoblog bei Youtube die falschen Klimabilanzen der Verbrennerlobby auseinander, und vergleicht bewertend die verschiedenen Studien. Ein Festhalten am Verbrenner ist für das Klima schon seit Jahren vollkommen unsinnig, und wird mit jedem Prozent höherem Anteil Erneuerbarer Energie im Netz unsinniger.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Natürlich ist das Elektroauto kein Allheilmittel unserer Mobilitäts-Probleme. Es kann nur eine Ergänzung sein für die Situationen, wo andere Alternativen fehlen. Das gefällt natürlich deutschen Industriepolitikern gar nicht, weil es ihrer Klientel schadet.
    Umweltverbände fordern ÖPNV und Fahrrad, und nur als Ergänzung kleine Elektroautos - das fordert sogar die WDR-Doku ganz am Ende des Films; bei vielen Zuschauern bleibt hängen, dass man mit dem Umstieg womöglich besser noch abwartet.

    Die vielfache Kritik hat dazu geführt, dass eine aktualisierte Version des Films ausgestrahlt wurde, die wesentlich ausgewogener ausfällt.
    [Verknüpfung]

    Im Herbst 2020 legte der deutsch-französische Sender arte mit der französischen Dokumentation "Umweltsünder E-Auto?" nach. Dort sprechen Experten von "Elektroauto-Religion", "ElectriGate", einer wagt die Prognose: die erhofften Emissionsminderungen würden ausbleiben. In einem Rundumschlag werden beim Thema Ressourceneinsatz gleich auch die Erneuerbaren Energien verteufelt.

    Angesichts der drohenden Klimakatastrophe erwartet man hier die Forderung nach Verzicht, einer breiten Deindustrialisierung. Das sind Forderungen, die ich teils auch durchaus unterstütze. Nur weiß ich, dass ihre Durchsetzung noch weit schwieriger wäre als eine Klimawende mit intensiver Nutzung Erneuerbarer Energien und Elektromobilität.
    [Verknüpfung]
    Aber vor allem werden diese radikalen Forderungen erst am Ende des Films erhoben. Das ist sein Problem.

    Manchem Zuschauer entsteht hier über weite Strecken der Eindruck, als stünden die Probleme der alternativen Technologien allein da, als würden Elektroautos und Erneuerbare Energien zwangsläufig in eine ökologische Katastrophe führen. U.a. setzt Lothar Mayer, Anti-Windkraft-Aktivist der AfD-nahen Initiative Vernunftkraft e.V., die Entsorgungsprobleme von Windrotoren gleich mit denen der Atomwirtschaft; mehrfach wird behauptet, Rotorblätter enthielten seltene Erden - dabei bestehen sie aus Balsaholz und glasfaserverstärktem Kunststoff.
    Vor allem die chinesische Politik wird als Problem dargestellt. Dabei wurde vorher jahrzehntelang die fossilbasierte Produktion nach China ausgelagert, gerade weil dort westliche Umweltstandards zugunsten der Profite westlicher Investoren unterlaufen werden konnten. Tatsache ist jedenfalls, dass China Ende 2020 die Dekarbonisierung für 2060 angekündigt hat - im Gegensatz zu anderen wichtigen Handelspartnern wie USA, Russland und Australien, die bis dato noch gar keine Klimaschutz-Zusagen gemacht hatten. China ist längst zum Motor der globalen Dekarbonisierung geworden.
    Der ansonsten leider sehr einseitige Film wird an dieser Stelle richtig sehenswert, denn der französische Ex-Wirtschaftsminister Arnaud Montebourg gibt hier einen der raren Einblicke in die Strategien der deutschen Industriehandelspolitik. Montebourg erklärt den Untergang der deutschen PV-Industrie mit dem Unwillen der deutschen Politik, der aggressiven chinesischen Industriehandels-Politik etwas entgegenzusetzen - um die Autoindustrie zu retten. Natürlich war die Zerstörung der PV-Industrie auch im Interesse der Kraftwerksbetreiber.


    Die Chinesen haben die europäische Solarindustrie vernichtet. Die Spanier haben ihre Solarindustrie verloren, ebenso die Franzosen, Deutschen und Italiener [...]. Wenn Sie heute Solarmodule auf Ihrem Dach installieren, unterstützen Sie China. [...]
    Als ich Wirtschaftsminister war, habe ich mich mit den deutschen Ministern wegen der Schutzzölle auf chinesische Solarmodule gestritten. Die Deutschen wollten nicht. Warum? Weil sie selbst in China ihre Autos verkaufen. [...] Sie dachten sich: was soll's? Dann geben wir eben die Solarindustrie auf. Sind wir eigentlich bekloppt?
    Arnaud Montebourg (französischer Wirtschaftsminister 2002-2014)

    Wie auch immer der Zusammenbruch der deutschen PV-Industrie zu erklären ist, die Konsequenzen für die Verbrennerindustrie und die Kraftwerksbetreiber waren zunächst einmal positiv: der billige Betrieb von Elektroautos mit Eigen-PV wurde für viele Jahre ausgebremst.

    Man muss wohl einschränkend hinzufügen, dass es laut Solarworld-Chef Asbeck zum einen auch chinesische Industriespionage gegeben haben soll, was in diesem Falle die Situation verschärft hätte.
    [Verknüpfung]
    Zum anderen hat die EU zwischen 2013 und 2018 Schutzzölle eingeführt - das war für die heimische Solarbranche allerdings schon zu spät.
    [Verknüpfung]

    Die deutsche Version des Films hat den Untertitel "Die dunkle Seite der Energiewende".
    Auch wenn der Film am Ende einen richtigen Schluss zieht: seine einseitige Kritik der Alternativen wirkt wie Wasser auf die Mühlen der Fossilökonomisten.
    Bei SWR2 findet sich eine entsprechend kritische Rezension.
    [Verknüpfung]
    Der kritische Blog Der Graslutscher nimmt den Film gnadenlos auseinander.
    [Verknüpfung]
    Man findet ihn (deshalb?) leider nur noch privat (also mit speziellen Zugriffsrechten) im Internet. Schade, denn das Montebourg-Interview ist eines der wenigen Schlaglichter auf dieses ansonsten wenig beleuchtete Thema.
    [Verknüpfung] (ab 88').

    Es gab noch 2021 eine Neuauflage des Themas vom selben Autorenteam: "Das E-Auto - Der schmutzigste Antrieb der Welt für ein sauberes Gewissen". Es ist die Rede von einer Art norwegischen Religion für Elektroautos, und von der Schizophrenie der norwegischen Energiepolitik, weil Norwegen der siebtgrößte Ölexporteur ist. Es gibt aber sehr wohl einen Unterschied zwischen z.B. Russland, das die Exporteinnahmen an Oligarchen verteilt, und Norwegen, das damit die Mobilitätswende vorantreibt. Jean Syrota, Ex-Präsident der Cogema, trägt die Geschichte der fossilen Stromerzeugung, "an der sich so schnell nichts ändern dürfte", vor. Der Berater von France Strategie Nicholas Meilhan wiederholt die Darstellung der Klimawende als einer Religion, die bei Erkenntnis der Realität wie ein Kartenhaus in sich zusammenfiele. Schließlich wird mit Lexus ein Verbrenner-Hersteller zu der Herkunft des Stroms gefragt - lächerlich.
    Der Clip von Montebourg ist wieder dabei, deshalb hier der Link. Der Rest des Films sucht erfolgreich kritische Seiten der Rohstoffgewinnung für Elektroautos, die bei funktionierender Lieferketten-Gesetzgebung gar nicht passieren könnten. Angesichts der Tatsache, dass diese Probleme in vielen anderen Lieferketten ebenfalls bestehen, aber nicht thematisiert werden, ist das wieder reines cherry picking. Der Skandal ist nicht die Rohstoffgewinnung für Elektroautos, sondern für die gesamte Industrie, und die einseitige Medienberichterstattung, die vermeintlich den fossilen Ökozid rechtfertigt.
    [Verknüpfung]

    Erneuerbare Energien und Elektromobilität sind natürlich nur in eng begrenztem Maße ausreichend nachhaltig, und deshalb kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir ohne sie zurück in die vorindustrielle Zeit müssten. Denn die fossilen Technologien müssen so bald wie möglich weichen, je früher, desto besser.
    Entsprechend müssen die Staaten dringend die Klimawende streng moderieren - was angesichts der beginnenden Kapitalflucht aus fossilen Investments in "Green Growth" extrem anspruchsvoll bis unmöglich erscheint. Die soziale Transformation muss deshalb schon jetzt stattfinden.
    Weil die Regierungen nicht "zu Potte kommen", entwirft die ökonomische Elite 2020 ihren eigenen Plan: The Great Reset.

    Besonders bemerkenswert: die meisten Gegner des Elektroautos fordern den Abschluss der Energiewende als Voraussetzung für die Mobilitätswende - obwohl die CO2-Bilanz schon mit dem derzeitigen Strommix besser ist als die des Verbrenners; zumal ein großer Teil der Privatnutzer mit grünem Strom die Bilanz nochmals um ein Vielfaches verbessert. Vielfach sind diese Kritiker auch dieselben Leute, die gleichzeitig die Energiewende schlechtreden oder sabotieren, weil sie sie in Wirklichkeit gar nicht wollen.
    Was schon bemerkenswert ist: Mercedes, unter dessen Fahrer:innen der Anteil an Konservativen besonders hoch ist, hat als eine der letzten deutschen Marken Elektro-PKW präsentiert. Im Nutzfahrzeug-Bereich (wo es weniger um Ideologie und mehr um Kosten geht) dagegen war die Marke schon früh mit elektrischen Antrieben präsent - und das, obwohl PKW wesentlich leichter zu elektrifizieren sind. Jahrelang habe ich mit Fahrern von Fahrzeugen der Premium-Klasse über die Schädlichkeit von Akkus diskutiert - jetzt werden genau solche Autos mit riesigen Akkus versehen.
    BMW, zuerst Elektro-Pionier mit dem innovativen Kleinwagen-Modell i3, hielt sich in den Folgejahren wieder stark zurück und stellte eine Weiterentwicklung der (ausentwickelten) Verbrennertechnik in Aussicht. Mit dem Erfolg des Tesla Model S wollte BMW wieder Wettbewerber sein und brachte große, schwere und leistungsstarke Elektroautos auf den Markt. Für deren Nachhaltigkeit in Fragen der Lithium-Beschaffung setzte man auf den Partner Livent mit seinem besonderen Verfahren Direct Lithium Extraction. Dessen Süßwasserverbrauch beziffern ARD Panorama und der öffentlich-rechtliche Youtube-Kanal funk mit dem fünffachen der normalen Verdunstungsmethode. Zur CO2-Bilanz enttäuscht funk leider mit der Beschränkung auf die Meinung eines VW-Betriebsrats, der meilenweit neben den Erkenntnissen der Wissenschaftler liegt, die sich seit Langem intensiv damit beschäftigen.
    funk: [Verknüpfung]
    Panorama: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]

    Dass Livent mit seiner süßwasserintensiven Extraktionsmethode aber dennoch nur einen kleinen Teil des Wasserverbrauchs der Atacama ausmacht, verrät die Doku nicht. Genausowenig weitet sie den Blick auf die Schäden, die durch ein Festhalten an der Verbrennertechnik entstanden sind und weiter entstehen. Der Videoblogger Tom Bötticher nimmt die Doku auseinander.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Eine weitere Zusammenfassung des Themas beim Youtube-Blog Dr. Whatson. Er zitiert u.a. Prof. Maximilian Fichtner, der besonders umstrittene Themen in einem Tagesspiegel-Beitrag zusammenfasst.
    [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]

    Prof. Fichtner selbst hat etliche Vorträge und Videos zum Thema veröffentlicht; hier im Geladen-Podcast seiner Hochschule.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Was den Bedarf an Elektroautos wohl zusätzlich drastisch verkleinern wird, sind autonome Fahrzeuge, die man bei Bedarf per Smartphone zu sich rufen kann. Tony Seba spricht von Transport as a Service.
    Studie des Institut Futur der FU Berlin: [Verknüpfung]
    pdf-Datei: [Verknüpfung]

    Wie sehr die deutschen Automobilentwickler die Entwicklung zuerst verschleppt und dann verschlafen haben, zeigt sich immer deutlicher: man kann die Welt nicht zwingen, immer weiter deutsche Verbrenner zu fahren. Fossilökonomismus hat den Industriestandort Deutschland aus dem Boom in massive Schwierigkeiten gebracht.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Wirtschaftswoche: [Verknüpfung]
    Der chinesische Konzern Build Your Dreams BYD stellt auf der Shanghai Motor Show das Modell Seagull vor, einen Kleinwagen mit 30kWh Akku für knapp über 10.000€. Da kann kein westlicher Hersteller mithalten.
    Auto Motor und Sport: [Verknüpfung]
    Deutschland würde mit einer intakten, subventionierten PV-Industrie 2023 besser dastehen. Die Subventionen flossen stattdessen in die Verbrenner-Industrie, die jetzt vor dem Aus steht: in China, dem wichtigsten Importland, bricht der Absatz ein, weil dort eigene EAutos konkurrenzfähig sind, während die viel zu teuren deutschen EAutos Ladenhüter bleiben. Westliche Hersteller versuchen, mit hohen Investitionen ihre Marktchancen zu verbessern, was Finanz-Beobachter skeptisch sehen.
    ARD: [Verknüpfung]
    Noch werden die europäischen Märkte nicht mit chinesischen Billig-Exporten überschwemmt - warum auch immer. Damit werden die europäischen Konsumenten mit kleinem Geldbeutel (noch) zum Verbrenner gezwungen. Jetzt versucht BYD umgekehrt, in Europa Fertigungskapazitäten aufzubauen: die Ford-Werke Saarlouis sind ein mögliches Investment. Geely hat schon Ford-Fabriken für seine EAuto-Marken Volvo und Polestar in Schweden gekauft.
    [Verknüpfung]
    VW hat es immerhin geschafft, eine Kooperation mit BYDs Konkurrenten JAC einzugehen; der Kleinwagen E10X erinntert an den VW Up und wird in China mit (chinesischem) Natrium-Ionen-Akku für etwa 10.000€ verkauft.
    electric drive news bei Youtube: [Verknüpfung]

    Wie groß der Vorsprung chinesischer Hersteller wie Catl oder Amprius ist, zeigt die Ankündigung der Massenproduktion von Condensed-Akkus mit einem Quantensprung an Energiedichte auf 500Wh/kg. Damit werden sogar Kurzstreckenflüge möglich. Prof. Maximilian Fichtner von der Universität Ulm erklärt im Geladen Podcast.
    Youtube: [Verknüpfung]

    Lithium-Akkus lassen sich mit regenerativer Energie herstellen (was allein aufgrund der Kosten in Zukunft die Regel sein wird, wie jetzt schon z.B. in Teslas Gigafactory oder für VWs ID.3 bei LG Chem) und sind gekapselt - weshalb sie für Recycling prädestiniert sind. Entgegen anderslautender Gerüchte ist Lithium-Recycling bereits im Betrieb. Und die Innovatoren müssen mit brutaler Konkurrenz rechnen, denn mittlerweile sind die ökozidesten, gierigsten Extraktivisten wie Glencore, Umicore und BASF am Start. Eine uweltverträgliche Regulierung der Produktionsbedingungen lässt sich natürlich nur noch gegen deren Lobby durchsetzen. Aber es kann niemand mehr behaupten, das Recycling sei ein unlösbares Problem.
    Electrive 2019 über die Pioniere: [Verknüpfung]
    Manager-Magazin 2022 über die Aktivitäten großen Konzerne: [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Die bisher eingeschränkten Recycling-Möglichkeiten sind weniger Problemen der Machbarkeit geschuldet. Nachdem China jahrelang ohne Recycling-Motivation immer nur neue Ressourcen für die Zellproduktion genutzt hat, steigen Länder mit höheren Umweltstandards in das Geschäft ein - und entwickeln das Recycling gleich mit, denn mit einem Rohstoff-Engpass oder zumindest höheren Preisen ist mittelfristig zu rechnen. Die schnelle Entwicklung neuer Technologien lässt auf einen großen Forschungs-Nachholbedarf schließen: das Thema wurde bisher schlicht vernachlässigt. Einen guten Überblick über das globale Wettrennen um das Lithium-Recycling bietet der (auch sonst hoch informative) Youtube-Kanal Justhaveathink:


    [Verknüpfung]
    Nur ein verschwindend geringer Teil der Konsumenten verzichtet wegen Lithium-Ionen-Akkus auf ein Smartphone, viele dagegen auf ein Elektroauto. Allerdings ist das Recycling von Li-Fahrakkus viel weiter fortgeschritten als das von Li-Klein-Akkus, die weitgehend nicht recycelt werden. Berichtet die Neue Zürcher Zeitung und bezeichnet die "Elektroauto-Batterien" als "Musterbeispiel für Kreislaufwirtschaft".
    [Verknüpfung]

    Das LithoRec-Verfahren wird seit 2009 u.a. von Arno Kwade und Christian Thies an der TU Braunschweig entwickelt und ist mittlerweile im industriellen Maßstab angekommen. Das nasschemische Verfahren liefert Li-Ausbeuten von über 95%, und das Recyclat wurde bereits erfolgreich für neue Akkus verwendet. Das Verfahren wird mit einer Gesamt-Ausbeute von 96% angegeben, weil außer hauchdünnen Folien nur ein Sauerstoffanteil verloren geht, weil er gasförmig anfällt (womit seine Verwertung auch nicht sinnvoll ist).
    [Verknüpfung]
    Fachartikel: [Verknüpfung]
    Derselbe Artikel bei researchgate: [Verknüpfung]
    Im Fachbuch: [Verknüpfung]
    Das Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung ISI sagt eine exponentielle Entwicklung des Recyclings von Lithium-Ionen-Akkus voraus.


    [Verknüpfung]

    Die deutsche Firma Düsenfeld entwickelt Verfahren, für die sie Lizenzen an die großen Recycler vergibt. Besondere Innovationen sind die brandsichere Zerlegung, die Vakuumdestillation der Lösemittel und die Hydrometallurgie (nasschemischer Aufschluss des Wertstoff-Gemischs). In Gera gibt es eine Pilot-Anlage, in der die Kunden den Prozess praktisch begutachten können.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Der schwedische Akkuhersteller Northvolt, der ebenfalls Na-Ionen-Akkus produzieren will, eröffnet 2023 zusammen mit European Metal Recycling EMR in Deutschland eine Großanlage zum Lithium-Recycling.
    [Verknüpfung]
    2024 beginnt Northvolt in Schleswig-Holstein mit dem Bau einer Gigafactory für Akkus, auch Na-Ionen-Akkus lassen sich dort herstellen.
    [Verknüpfung]

    BASF eröffnete am 23.06.2023 in Schwarzeheide eine Batterieproduktions- und Recyclinganlage, die ab 2024 auch Kobalt recyceln soll.
    ingenieur: [Verknüpfung]
    SZ: [Verknüpfung]

    Während in Norwegen seit Jahren weit über die Hälfte der Neuwagen elektrisch sind, und China seinen gigantischen Eigenbedarf an Elektroautos fast komplett selber deckt, bringt der rechtslibertär-konservative Journalist Roland Tichy im April 2023 ein Interview mit dem Motorenentwickler Prof. Fritz Indra: "Das Batterieauto geht im Stehen kaputt".
    Youtube[Verknüpfung]
    Tatsächlich sind die Standzeiten der Akkus schon so lang, dass die bei Verbrennern übliche Lebensdauer privater PKW oft deutlich überschritten wird. Wenn Akku-Pakete vorzeitig getauscht werden, muss meist nur eine defekte Zelle ersetzt werden; das Paket kann dann wieder ein vergleichbar gealtertes ersetzen. Im mobilen Einsatz gealterte Akkus mit Restkapazitäten von 75-80% können in einem second life noch wirtschaftlich als stationäre Speicher genutzt werden, bevor sie der Recycling-Wirtschaft zugeführt werden müssen.
    [Verknüpfung]
    Der Chemiestudent und Youtube-Videoblogger Tom Boetticher hat bei seinem Auslands-Studienaufenthalt in Kanada einen der bedeutendsten Forscher über Li-Ionen-Akkus kennengelernt, den Erfinder der million mile battery Professor Jeff Dahn. In einem Video erklärt Boetticher die besondere Zusammensetzung dieses Akkutyps aus ganz konventionellen Rohstoffen, und warum er sich bisher dennoch nicht durchgesetzt hat. Die Haltbarkeit der NMC-Akkus reichte bereits vor 2020 für Teslas million mile battery und konnte von dem kanadischen Forscherteam um Dahn mit herkömmlichen Techniken nochmals deutlich gesteigert werden. Solche Akkus werden allerdings wegen ihres höheren Kobaltgehalts teurer und weniger leistungsfähig, und deshalb am heutigen Markt wahrscheinlich weniger erfolgreich sein.


    Youtube: [Verknüpfung]

    [Wikipedia 2023 - Jeff Dahn]
    Auch der Ursache der im Alter zunehmenden Selbstentladung von Akkus ist man auf die Spur gekommen. So hat Boetticher während seines Kanada-Aufenthalts zusammen mit Kolleg:innen herausgefunden, dass ein simples, sich langsam zersetzendes Klebeband aus PET die Selbstentladung von Akkus beschleunigt.
    [Verknüpfung]
    Youtube: [Verknüpfung]

    Mit dem Austausch von Akkus wollte in den Anfangsjahren das US-Startup Better Place lange Ladezeiten umgehen und plante schon eine Kooperation mit Renault. Die rasanten Fortschritte in der Ladetechnik machten das Geschäftsmodell uninteressant, 2013 ging die Firma in Konkurs.
    [Wikipedia 2023 - Better Place]
    Zehn Jahre später plant der chinesische Batteriegigant CATL einen zweiten Anlauf. Modulare Systeme erlauben eine schnelle Anpassung der Akkugröße. Im Alltagsbetrieb reicht bei den meisten Fahrzeugen ein Modul; für weitere Strecken lässt sich die Systemkapazität mit weiteren Modulen vervielfachen. So sinkt der Gesamt-Bedarf an Akkus in der Flotte.
    [Verknüpfung]

    Auch was das Angebot günstiger Modelle und die Ladeinfrastruktur angeht, zeichnet sich die Disruption immer deutlicher ab. China drängt mit Kleinwagen um 20.000€ auf den Markt, und allein in der ersten Jahreshälfte 2023 hat sich die Zahl der öffentlichen Ladesäulen von 80.500 auf 97.500 erhöht.
    WiWo: [Verknüpfung]

    Natürlich erfordert die Transformation des motorisierten Individualverkehrs gigantische Mengen an Rohstoffen. Der Chef der IEA Fatih Birol sieht zwar ausreichende Reserven, warnt aber vor Preissprüngen, bedingt durch Verknappung bei verzögerter Exploration und Förderung. Wieder ein Problem, das sich durch Eingriffe in den Markt lösen ließe. Umweltschützer wiederum warnen vor exzessiver Rohstoffexploration, vor allem der Ausbeutung hochemfindlicher Tiefsee-Ökosysteme.
    [Verknüpfung]
    Das EU-Parlament setzt sich auch deshalb für eine Kreislaufwirtschaft im Bereich der Lithium-Ionen-Akkus ein.
    [Verknüpfung]

    Die folgende Grafik zeigt den Mineralien-Bedarf für die Produktion von Verbrenner- und Elektroautos im Vergleich.


    [Verknüpfung]

    Immer wieder werden knappe Lithiumreserven beklagt - die anfängliche Tendenz zu Negativschlagzeilen wurde gewendet. Immer mehr Vorkommen und auch neue Gewinnungsmethoden werden gemeldet.
    [Verknüpfung]
    Australien fährt seinen Lithium-Bergbau hoch... .
    [Verknüpfung]
    ... und hat Chile bereits den Spitzenplatz streitig gemacht.
    [Verknüpfung]
    Auch in Peru wurden große Mengen entdeckt.
    [Verknüpfung]
    Selbst in Deutschland findet man neue Vorkommen.
    [Verknüpfung]
    Die Nutzung von Tiefenwasser für geothermische Energiegewinnung ermöglicht die Abtrennung von Lithium-Salzen. In Deutschland sind größere Vorkommen entdeckt worden.
    Youtube: [Verknüpfung]
    Welt: [Verknüpfung]
    Tagesschau: [Verknüpfung]
    Die Adsorption aus Geothermie-Tiefenwasser mit Manganoxid-Spinell wird bereits in Deutschland erprobt.
    Spektrum der Wissenschaft: [Verknüpfung]
    Zusätzlich wird zunehmend entsalztes Meerwasser verwendet, das gigantische Reserven birgt. Mit dem Ausbau der Anlagen sinken die Kosten für neue Anlagen.
    [Verknüpfung]
    2023 wurde ein neuer großer Fund in Nordschweden gemeldet.
    [Verknüpfung]

    Schon 2010, vor den ganzen neuen Funden, konnte man beim Fraunhofer ISE lesen: "Die Schlussfolgerung ist, dass selbst unter extremen Annahmen in den nächsten vier Jahrzehnten nicht mit einer Knappheit der Lithium-Reserven zu rechnen ist."
    [Verknüpfung]
    An dieser Einschätzung hat sich bis 2020 nichts geändert.
    [Verknüpfung]

    Vor allem die Umweltschädlichkeit der Lithiumsalz-Förderung wird immer wieder als Ausschlusskriterium für Elektroautos vorgebracht. Die Berichte aus der Atacama-Wüste zeigen echte Probleme. Doch für eine ausgewogene Beurteilung muss man weitere, wesentliche Punkte bedenken.

    • die Förderung begann 1996 als Beiprodukt einer gigantischen Kalisalz-Förderung für Dünger und Borax-Förderung für die Industrie
      [Verknüpfung]
      [Wikipedia 2020 - Salar de Atacama]
    • bis vor Kurzem wurde das Lithiumsalz zu 100% für andere Produkte verwendet
    • in der Atacama-Wüste befindet sich seit einem Jahrhundert eine Kupfermine, die weit größere Schäden verursacht; der Wasserverbrauch liegt 10% unter dem der Lithium-Mine, doch die Aufbereitung der Erze lässt vor Ort riesige Mengen schermetallsalz-haltiger Schlämme zurück, die Mine verseucht die ganze Umgebung mit Schwermetallsalz-Stäuben.
      [Wikipedia 2020 - Chuquicamata]
      UBA-Studie: [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
    • die Umweltverbände (die auch schon früher die Probleme der Lithiumsalz-Förderung kritisierten) fordern seit Jahrzehnten eine strenge Regulierung der Lieferketten, sprechen sich jedoch insgesamt deutlich für Elektromobilität - als Ergänzung zu öffentlichem und Rad-Verkehr - aus
    • einmal geförderte Rohstoffe der Elektromobilität lassen sich - im Gegensatz zu fossilen Brennstoffen - recyceln

    Noch ein Thema fossilökonomistischer Panikmache ist die Verfügbarkeit von Seltenen Erden. Tatsächlich besteht hier eine gewisse Abhängigkeit von der chinesischen Produktion, die aber hauptsächlich der fehlenden Kontrolle der Lieferketten geschuldet ist. Generell ist die chinesische Förderung die billigste, vor allem aus Gründen lockerer Umweltstandards und schlechter Arbeitsbedingungen. Deshalb gibt es nur dann am Weltmarkt Alternativen, wenn China wieder einmal im Handelsstreit das Angebot verknappt hat und es sich anderswo wieder lohnt, die Minen zu öffnen: ein sogenannter Schweinezyklus (Zitat Manager-Magazin).
    [Verknüpfung]
    Ich möchte hinzufügen: in einem Schweinesystem der Ausbeutung, wobei man den Schweinen sicher Unrecht tut. Nicht nur die chinesischen Unternehmer tragen die Verantwortung, sondern auch die deutschen Firmen, die mit ihnen Geschäfte machen.
    Panik vor dem Kollaps der Rohstoffversorgung für die Energiewende ist jedenfalls nicht angebracht. Panik vor einer Klimakatastrophe dagegen schon, angesichts der völlig unzureichenden gegenwärtigen Politik.

    Der Anoden-Grundstoff von Lithium-Ionen-Akkus ist Graphit. Man kann es künstlich herstellen.
    [Wikipedia 2022 - Graphit - Synthetische Herstellung]

    Selbst wenn wir irgendwann eine Knappheit an Kobalt und/ oder Lithium bekommen sollten (was mittelfristig noch nicht absehbar ist) - es gibt umweltfreundliche und günstige Alternativen; hier nur eine Auswahl der bisher zur Serienreife ausentwickelten Varianten:

    Darüber hinaus gibt es etliche weitere erfolgversprechende Alternativen zum herkömmlichen Lithium-Ionen-Akku, die sich mehr oder weniger weit in Richtung Serienreife entwickeln:
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Der Lithium-Schwefel-Akku funktioniert ohne Kobalt und verspricht eine sehr viel höhere Leistungsdichte (deshalb als "der heilige Gral" der Elektrochemie bezeichnet)
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Die schnell steigenden Marktanteile der Lithium-Eisenphosphat-Akkus lassen sich an den Zahlen der Internationalen Energieagentur IEA erkennen.

    IEA, Electric LDV battery capacity by chemistry, 2018-2022, IEA, Paris https://www.iea.org/data-and-statistics/charts/electric-ldv-battery-capacity-by-chemistry-2018-2022, IEA. Licence: CC BY 4.0.
    IEA: [Verknüpfung]

    Der Chemiestudent Tom Bötticher spricht in seinem Videoblog von einer "Lüge über seltene Akku-Rohstoffe". Der Markt sei in der Entwicklung, und die Vorräte und Reserven seien groß genug, v.a. wenn das Recycling weiter hochläuft.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Neben Akkus, die in Autos für kurzzeitige Speicherung gebraucht werden, sind auch stationäre, mittelfristige Speicher möglich, die Tanks oder Kavernen erfordern.

    Im Jahr 2021 ist endlich - wenn auch viel zu spät - der Durchbruch der Elektromobilität geschafft. Die angekündigten Ausstiegs-Daten vieler Staaten und die exponentiell steigenden Verkaufsanteile von Elektroautos zeigen es unbestreitbar. Doch jetzt bringen genau die Hersteller, die die Antriebswende am längsten verschleppt und immer vor Rohstoffmangel und Energieaufwand gewarnt haben, große Boliden mit riesigen Akkus auf den Markt. Die unzähligen Fossilökonomisten, die die ganzen ökologischen Verhinderungsargumente gegen Elektroautos verbreitet haben, müssten diese Autos genauso boykottieren wie die Kleinwagen der Pioniere.
    [Verknüpfung]

    Es gibt unzählige Gerüchte über Elektroautos.

    Die wildesten Gerüchte gibt es über die benötigten zusätzlichen Strommengen für Elektro-Straßenfahrzeuge, und man tut so, als würde diese Strommenge von einem Tag auf den anderen benötigt. Dabei geht es erstens bei vollständigem Ersatz nur um 15 (ohne) bis 30% (mit LKW) mehr.

    Der Mehrbedarf liegt damit gerade einmal in der Größenordnung der deutschen Stromexporte 2018. Vergleicht man die Wachstumsgeschwindigkeit anderer Produktionszweige, so verliert dieses Argument zudem gewaltig an Gewicht.
    [Verknüpfung]
    Der Energieversorger EOn informiert seine Kunden über den Mehrbedarf durch EAutos.
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    Seit sich die Diskussion um die Strommengen beruhigt, spricht man zweitens dem Stromnetz die benötigte Spitzenlast-Fähigkeit ab.
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    Doch nicht jeder Auto-Pendler, der von der Arbeit nach Hause kommt, muss in einer halben Stunde wieder ein volles Auto vor der Tür haben.

    Für eine sprichwörtliche "Schnarchladung" über Nacht reicht der Strom, den man sonst für den Elektroherd bräuchte, und auf das synchrone mittägliche Einschalten der Herde wurde unser Netz in einer Zeit ausgelegt, als man Frauen noch an den Herd gebunden hat. Mit Preisaufschlägen für Schnellladung könnte man den Spitzen-Bedarf senken. Auch Haushalts-Akkuspeicher würden das Problem verringern. Auch auf Langzeit-Parkplätzen sind Schnellladesäulen unsinnig.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Über die Möglichkeiten intelligenter Lastverteilung findet man mitunter auch Beiträge in den Medien.
    [Verknüpfung]
    Mit der - von der Konkurrenz getriebenen - Marktanpassung der deutschen Autoindustrie kommen endlich auch Lösungen in Deutschland in Sicht.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Drittens würde der Mehrbedarf an Strom ja nicht von heute auf morgen anfallen.

    Der Energieversorger EOn kann die Horrorvorstellungen von Netz-Zusammenbrüchen durch EAutos nicht bestätigen, im Gegenteil.
    [Verknüpfung]
    Zur Absicherung einer Unterdimensionierung lokaler Netze wurde den Netzbetreibern 2023 eine kurzzeitige Drosselungsoption für schaltbare große Lasten wie Ladesäulen und Wärmepumpen eingeräumt, um plötzlich auftretende Engpässe zu umgehen. Sie ist verbunden mit einer Verpflichtung zum Ausbau des Netzes, sollte es öfter dazu kommen.
    [Verknüpfung]
    Eine akzeptable Kompromiss-Lösung in Zeiten der Disruption, könnte man meinen. Die konservative Presse sieht das jedoch wieder anders und berichtet von einem "Schlag für Bürger mit E-Auto oder Wärmepumpe".
    Welt bei Youtube: [Verknüpfung]

    Viertens besteht auch noch die Möglichkeit, das Gewicht der allermeisten Fahrzeuge - und damit u.a. ihren Energieumsatz - auf einen Bruchteil zu senken. Zugegeben, dann müssten einige Blockaden in sehr vielen Köpfen aufgelöst werden.

    Stellvertretend für viele interessante Initiativen sei die TU Eindhoven genannt. Sie bringt jährlich ein neues Prototyp-Fahrzeug heraus, in dem immer neue Nachhaltigkeits-Ideen (auch im Werkstoffbereich) verwirklicht werden.

    Das Eindhovener Projekt 2019 wurde mit einem hohen Anteil von Recycling-Materialien gebaut.
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    Fünftens lässt sich das Ladestrom-Management entzerren durch streckenweisen Einsatz von Oberleitungen für LKW und Busse.
    [Verknüpfung]
    Zwischen den elektrifizierten Strecken können die LKW entweder mit EFuel-betriebenen Verbrenner-Motoren oder sogar mit Akkus fahren. Schon 2017 schafften voll beladene 40-Tonner-Prototypen im DLR-Versuchsprojekt eJIT der Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr IAV, gefördert vom BMWi, mit einem 144kWh-Akku 70km. Solch große Akkus werden bereits in SUV eingesetzt, denn seitdem sind die Energiedichten wieder deutlich gestiegen. Mit gleich schweren und großen Akkus wären heute sicher leicht über 100km möglich.
    IAV: [Verknüpfung]
    eJIT: [Verknüpfung]

    Abgesehen davon, dass sechstens die Umweltverbände und Fachleute Autos ja nur noch als sekundäre Ergänzung des priorisierten ÖP- und Fahrradverkehrs empfehlen. Eine CO2-Bepreisung würde Wertschöpfung wieder viel stärker lokalisieren, viele Güter-Transporte würden unrentabel. Damit würde insgesamt der Fuhrpark auf einen Bruchteil schrumpfen.

    Besonders hartnäckig hält sich siebtens das Gerücht, Elektroautos funktionierten nicht zuverlässig.

    Bevor die neuen Elektroautos klaglos ihre ersten 200.000km absolviert haben, wurden wilde Gerüchte über eine kurze Lebensdauer der Akkus verbreitet. Mittlerweile gibt Lexus (eine Marke von Toyota) eine Garantie über 1.000.000 [sic!] Kilometer und 10 [sic!] Jahre, Tesla will auf 1.000.000 Meilen erhöhen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Auch die Gerüchte über ihre Winter-Untauglichkeit sind achtens längst widerlegt.
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    Trier probiert es 2019 einmal mit einem Elektrobus - und das Scheitern wird genüsslich in der Presse breitgetreten.
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    In China dagegen läuft's mit dem EBus. Die Deutschen haben "Made in China" lange genauso schlecht geredet wie es vor 100 Jahren die Engländer mit "Made in Germany" taten.
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    Der Elektrobus könnte - nach PV und Lithium-Ionen-Akkus - ein weiterer chinesischer Exportschlager werden.
    [Verknüpfung]
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    Regelrechte Angst lässt sich neuntens verbreiten mit der Tatsache, dass eine Feuerwehr mit herkömmlicher Ausstattung ein Elektroauto ausbrennen lassen muss - denn es lässt sich damit tatsächlich nicht löschen.
    Zunächst einmal werden die bei einem solchen Brand freiwerdenden Energiemengen von Laien oft enorm überschätzt. Die elektrische Energiemenge eines großen voll geladenenen Tesla Model S mit 90kWh-Akku entspricht etwa denen von 9l Diesel. Das Problem für den Abbrand sind die etwa 80kg Graphit. Die setzten aber nicht mehr Energie frei als ein 80l-Tank Benzin - sie können dabei aber auch nicht explodieren. Der Brand lässt sich nur mühsam bekämpfen, d.h. ersticken oder durch anhaltende Kühlung unterdrücken. Das gelingt am einfachsten in einem Tauchbad. Dazu packt man das Auto vor Ort in eine wasserdichte Hülle oder hievt es in einen Container. Natürlich lassen sich Spezialzüge der Feuerwehren mit Möglichkeiten ausstatten, solche Brände zu löschen.
    [Verknüpfung]
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    Würde man das von Kritikern oft geforderte Vorsorgedenken einmal konsequent fortsetzen, dürften in Deutschland auch keine Chemie- oder Atomtransporte mehr stattfinden.
    Wie paranoid die Erzählung vom Feuerteufel Elektroauto verfängt, zeigt die groteske Geschichte aus Kulmbach, wo Elektroautos in Tiefgaragen wegen eines Fahrzeugbrands verboten sind. Grotesk deshalb, weil gar kein Elektroauto gebrannt hat, sondern ein Verbrenner. Ein Tiefgaragenbetreiber aus Leonberg hat sich direkt zur Nachahmung inspirieren lassen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Ein vergleichbares Beispiel ist die des Autofrachters Fremantle Highway, auf dessen Unterdecks die 500 Elektroautos unbeschädigt geborgen wurden - in der Öffentlichkeit sind sie aber schuld am Brand der oberen Decks, wo 2700 Verbrenner teilweise mit dem Schiff verschmolzen sind. Selbst Monate nach der Bergung der Fracht bekommt man per Google-Suche leicht einen völlig falschen Eindruck: die Brandursache sei unklar, möglicherweise sei ein Elektroauto in Brand geraten. Nur durch das Video des Chemiestudenten Tom Boetticher kam ich an die Quellen, die einen Akkubrand als Ursache unwahrscheinlich erscheinen lassen.
    doktorwissenschaft bei Youtube: [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]
    golem: [Verknüpfung]
    sonderabfall-wissen.de: [Verknüpfung]
    focus: [Verknüpfung] auto motor und sport: [Verknüpfung] Nordsee-Zeitung: [Verknüpfung]

    Bei der absurdesten Behauptung gegen Elektroautos geht es zehntens um die Kosten: ein Elektroauto ist zwar noch in der Anschaffung teurer - aber angesichts der Klimakrise war es bei den ersten Elektroautos noch fraglich, ob bei einem Neukauf nicht auch eine Nummer kleiner und etwas weniger luxuriös ausgestattet zumutbar ist. Im Betrieb mit gekauftem Ökostrom ergeben sich Verbrauchskosten von 5-7€ pro 100km (gegenüber 6-20€ bei Verbrennern). In einer Studie des Forums Ökologisch-soziale Marktwirtschaft ergibt sich so ein Kostenvorteil vieler Elektroautos (im Video ab 2'26''). Im Betrieb mit eigener Photovoltaik sinken die Verbrauchskosten mit 1,50-2€ pro 100km drastisch weiter auf einen Bruchteil. D.h. auch der Verkauf von PV-Strom auf Parkplätzen wird lukrativ.
    Schon 2027 sollen Elektroautos dank günstiger Akkus bei den Produktionskosten die Verbrenner überholen - so lautete Tony Sebas Prognose im Jahr 2020.
    2023 berechneten Forscher des FZ Jülich, dass ab 2025 ein Mittelklasse-Elektroauto pro km die niedrigsten Gesamtkosten haben wird, selbst bei gekauftem Strom.
    [Verknüpfung]
    Leider wird der enorme Verbrauchskostenvorteil bei den meisten aktuellen Modellen durch die extrem hohen Anschaffungspreise 2023 noch mehr als aufgewogen. Die Markteinführung günstiger Elektroautos wie in China ist eben auch von politischen Rahmenbedingungen abhängig. Weil in Deutschland die Energieversorger und die abgehängte Autoindustrie ihre Interessen bedroht sehen und die Politik wesentlich mitbestimmen, lässt dieser Fortschritt noch auf sich warten.


    [Tagesschau 29.12.2019]
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Umgekehrt ist es also auch im Interesse der Verbrenner-Hersteller, dass die Verbraucher-Strompreise hoch, und die Zubauraten an PV gebremst bleiben.

    Mit einem elektrischen Verkehrssektor würden wir 10-18% (ohne bzw. mit LKW) unserer gesamten CO2-Emissionen vermeiden.. Doch lange nachdem andere Staaten vorgelegt hatten, war ein deutsches Verkaufsverbot für neue Verbrenner noch nicht einmal in Sicht, geschweige denn ein Betriebsverbot für Bestandsfahrzeuge. Einzig die strengen EU-Vorgaben für CO2-Emissionen übten einen gewissen Druck auf die Industrie aus. 2022 kam dann im Sommer das deutsche Aus mit der (unrealistischen) Ausnahme von eFuel-Fahrzeugen 2035, und im Herbst der verbindliche europäische Ausstieg, ebenfalls 2035.

    Mittlerweile trauen sich seriöse Medien kaum noch, unseriöse Negativschlagzeilen über EAutos zu bringen: bei der aufgeklärten Leserschaft macht man sich damit unglaubwürdig. Anders in den "sozialen" Medien. Die Plattform efahrer macht sich über eine groteske Variante lustig, die unter Verbrenner-Nostalgikern gerade viral geht: "Brandneuen Tesla verkauft: Umsteiger erklärt, warum er wieder Benziner fährt".
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    Dass der elektrische Betrieb auch bei größeren Lieferwagen sehr wahrscheinlich heute schon die günstigste Variante ist, zeigt die Beschaffungspolitik bei Amazon.
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    Vor Fridays for Future waren Aufklärer wie der Energieforscher Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft HTW Berlin auch schon aktiv; als Scientist for Future vergrößerte sich seine Reichweite jedoch enorm.
    [Verknüpfung]

    Nach jahrelanger Skepsis sieht auch Harald Lesch mittlerweile die überwiegenden Vorteile der Elektroautos.
    [Verknüpfung]

    Wer jetzt immer noch nicht glaubt, dass elektrische Individualmobilität wirtschaftlich machbar ist, sollte einen Blick nach China oder Afrika werfen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Bei heise.de findet man 2022 noch einmal die wichtigsten Punkte der Diskussion aktuell zusammengefasst.
    [Verknüpfung]

    Allen deutschen Verhinderungsbestrebungen zum Trotz: mittlerweile kommt das Akku-Auto aus dem Ausland und nimmt Fahrt auf, und da mussten Fossilökonomisten sich neue Narrative über Elektroautos einfallen lassen. Mittlerweile treibt selbst Peter Altmaier aktiv die Entwicklung und Produktion in Europa voran - die Märkte zwingen ihn dazu. Da wirkt es schon eher wie ein letztes Aufgebot, wenn KIT-Motorenforscher Thomas Koch versucht, im Juni 2021 eine Streitschrift gegen BEV an die große Glocke zu hängen, ein Best-Of der Propaganda-Behauptungen gegen BEV. Nach der medial zerlegten Sinn-Studie läuft der Versuch ins Leere, wenn man vom religiösen Diesel-Kult der Rechtskonservativen absieht, die weiter an ihrer heiligen Kuh festhalten. An diese ist der Beitrag wohl auch gerichtet - wie seinerzeit die Köhler-Studie 2019, an der Koch als Co-Autor beteiligt war. Im Gegensatz zu damals fand er in den Mainstream-Medien kein anderes Echo außer Häme.







    Inhalt

    Fossilökonomisten behaupten, mit einer gebremsten Dekarbonisierung erhalten wir die "Technologie-Offenheit", so dass der Markt die beste Alternative hervorbringt. Es ginge darum, die größte CO2-Reduktion pro Euro zu erreichen. Also nicht fördern, sondern erstmal abwarten. Das tat die deutsche Politik bis 2020.

    Hauptargument der Fossilökonomisten war: der freie Markt sei der beste Regulator. Deshalb sollten wir auch keine Technologie a priori einer anderen bevorzugen.
    Dabei tat man so, als hätte man noch niemals die Fossil-Technik mit zig Milliarden gefördert, also Planwirtschaft betrieben. Das Gegenteil ist der Fall. Man tat außerdem so, als seien die vorhandenen alternativen Technologien untauglich.
    Merkwürdig nur, dass das Umweltministerium schon 2016 einen Imagefilm produzieren ließ, der die Verkehrswende genau so konkret skizziert, wie sie sich jetzt endlich abzeichnet.
    [Verknüpfung]
    Im entscheidenden Bundesministerium für Wirtschaft und im Kanzleramt tat man jedoch bis Anfang 2020 so, als müsse der Markt diese Fragen immer noch beantworten.
    Tatsächlich werden sie immer mehr durch Auflagen be- und verhindert. Von einem breiten Abbau von Fossil-Subventionen ist in der GroKo erst gar keine Rede. Deutschland ist 2020 europäischer Spitzenreiter.
    [Investigate Europe 2020]

    Die Ideologie der Technologieoffenheit dominierte auch in der völlig irrationalen Wärmepumpendebatte 2023. Sämtliche Verbrennungstechniken sind nicht zukunftsfähig, denn die CO2-neutralen Brennstoffe werden in der Lebenszeit dieser Geräte aller Voraussicht nach nicht in ausreichendem Maße verfügbar, geschweige denn wirtschaftlich sein.







    "Wasserstoff ist viel besser!"


    Konservative Medien feiern seit Jahrzehnten euphorisch die Potentiale der Wasserstoffwirtschaft, nicht nur für die individuelle Mobilität, sondern auch für die Versorgung von Betrieben und Privathaushalten, und als Königsweg des Energie-Imports. Peter Altmaier und seine Nachfolger setzen langfristig auf die Abhängigkeit von teuren Wasserstoff-Importen statt heimischer erneuerbarer Energie. Das ist im Interesse von Energieversorger-Unternehmen, die die Infrastruktur besitzen.

    Gerade auf dem Automobilsektor liegt der Fokus der Deutschen, und hier hat die Debatte demgemäß begonnen.
    [Verknüpfung]
    Obwohl Google genau wusste, dass ich mich Null für Aktienkäufe interessiere, wurde ich ständig mit Werbung für Wasserstoff-Aktien bombardiert, in der die Pleite der Elektroauto-Branche vorhergesagt wurde.
    [Verknüpfung]
    Der Wasserstoff-Hype der deutschen Industrie folgt dem Vorbild einer Kampagne der US-Autohersteller nach der Jahrtausendwende. Damals hatte der kränkelnde Gigant General Motors GM zusammen mit dem Öl-Präsidenten George W. Bush entschieden, SUV als Wachstumsmotor zu nutzen, statt den Entwicklungsvorsprung bei kleinen Elektroautos. Bush warb für Wasserstoff aus Thermolyse in speziellen Atomkraftwerken bei 900°C - dass das schon damals illosorisch war, hat sich mittlerweile herumgesprochen.
    [Asendorpf 2004]
    Der Erfolg von Tesla und chinesischen Autobauern hätte Deutschland zeigen können, dass der Wasserstoff-Hype nicht berechtigt war. Tat er aber nicht; die in Amerika gestartete Wasserstoff-Kampagne hallt in Deutschland selbst 20 Jahre später noch nach. Im Entwurf einer "Nationalen Wasserstoffstrategie der Brennstoffzelle", veröffentlicht vom Forschungsministerin Karliczek (CDU), werden dieser "auch im Pkw-Bereich (...) gute Perspektiven" bescheinigt.
    [Verknüpfung]
    Hier schließt sich ein Kreis. Die Nationale Wasserstoffstrategie habe ich oben schon behandelt. Aber erst das Resumée der jüngeren fossilökonomistischen Politik erschließt mögliche Motive für diese Strategie. Mehr dazu weiter unten.






    Aber die meisten Fachleute argumentieren gegen Brennstoffzellen im PKW...


    Doch sagen Experten einen massiven Wettbewerbsnachteil für Deutschland voraus, wenn wir auf die heimische Energieproduktion leichtfertig verzichten.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Der Wasserstoff-Hype wurde schon unter dem SPD-Kanzler Gerhard Schröder betrieben, dessen Partei wie die CDU stark von Energieversorgern, Verbrenner-Herstellern und Russland beeinflusst wurde. Zwar ging das Thema damals mangels Angebot deutscher Elektroautos unter, doch gab es schon damals Gegenstimmen.
    [Asendorpf 2004]
    Auch in der Merkel-Zeit wurde der Hype von Vielen differenziert gesehen - allerdings gingen diese Stimmen in der breit angelegten Desinformation unter.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die mittelfristigen Chancen der Brennstoffzelle im Pkw werden von vielen Experten zunehmend unsicher eingestuft, weil der Akku z.Zt. die günstigere und effizientere Technologie ist. In Japan gibt es zwar mehr Brennstoffzellen-Autos als bei uns, doch wird diese Technik dort massiv subventioniert und ist trotzdem noch viel teurer als Akku-Technik.

    Zumal der Wasserstoff dort nicht aus Elektrolyse mit erneuerbarem Strom gewonnen wird, sondern fossilbasiert, und auch da nicht durch Dampfreformierung mit Erdgas, sondern durch die noch CO2-intensivere Verschwelung australischer Kohle.)
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Von einem Durchbruch des Brennstoffzellen-Autos kann selbst in Japan keine Rede sein. Das Toyota-Modell Mirai wurde bis September 2019 10.000mal verkauft. Ein Grund könnte der Preis sein: selbst das neue Modell kostet in Europa anfang 2021 weit über 60.000€ - ein stolzer Preis für ein Auto der Mittelklasse.
    [Verknüpfung]
    Wie man bei der Welt ein Jahr vorher auf eine Preisankündigung von 30.000€ gekommen ist, wüsste ich gern. Ich vermute, die Verbrenner-Fraktion sollte weiter davon abgehalten werden, die Vorteile des EAutos endlich anzuerkennen.
    [Verknüpfung]

    Die Vor- und Nachteile von Wasserstoff werden schon lange diskutiert. Nachteile gegenüber der Akkutechnik bei PKW sind u.a. die Investitionskosten für die Infrastruktur (wasserstoffdichte Leitungen, 700bar-Hochdruck-Tankstellen) und v.a. der weit schlechtere Wirkungsgrad der Energiespeicherung.
    Meist findet man Angaben von Faktor 2, die sich aber auf stationäre Speicherung beziehen.
    Der Well-to-Wheel-Report 4.1 der EU-Kommission liegt bereits seit 2014 vor. Die Brennstofzelle benötigt nach dieser Quelle zweieinhalb mal so viel Energie.


    [Wikipedia 2022 - Well-to-Wheel]

    Die Hochdruckspeicherung in Autotanks verschlechtert die Energiebilanz von Brennstoffzellen-Autos allerdings nochmals deutlich.
    [Verknüpfung]
    Laut Florian Hacker (Öko-Institut Freiburg) auf knapp Faktor 3:
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Laut Prof. Maximilian Fichtner (stellvertretender Direktor des Helmholtz-Instituts Ulm für Elektrochemische Energiespeicherung sowie Sprecher des Excellenzclusters Polis der Hochschulen Ulm und Karlsruhe) gar auf knapp Faktor 5:
    [Verknüpfung]
    Zitat Fichtner:

    "Bei der Herstellung aus Wasser und elektrischem Strom schafft man mit einem guten Elektrolyseur etwa 60 Prozent Wirkungsgrad. Das heißt 40 Prozent des knappen, teuren grünen Stroms sind schon mal bei der H2-Gewinnung weg. Danach muss der Wasserstoff für den Transport sehr stark komprimiert werden, wobei weitere 20 Prozent der Energie verloren gehen, die man ja zum Fahren nutzen möchte. An der Tankstelle verliert man noch einmal 30 bis 50 Prozent der Energie. Das taucht übrigens in den Studien zur Brennstoffzellentechnik oft gar nicht auf.
    Danach hat man nochmal 50 Prozent Verlust in der Brennstoffzelle. Am Ende bleiben circa 15 Prozent der eingesetzten Energie übrig, um die Räder anzutreiben. Beim E-Auto sind es über 70 Prozent. Deshalb muss man diese Methode eher sparsam einsetzen. Zum Beispiel dort, wo eine Batterie nicht die geforderte Energiemenge mitbringen kann, also etwa im Langstrecken-Lkw."

    Dabei ist möglicherweise selbst der LKW mittelfristig elektrifizierbar. Schon 2017 zeichnete sich eine Perspektive auf batterieelektrische LKW, ggf. mit Reichweitenverlängerung durch Oberleitungen, ab.

    Elektro-LKW hin oder her, Ulf Bossel vom KIT warnte schon 2006 regelrecht vor einer Verklärung von Wasserstoff als Wundermittel:
    [Verknüpfung]

    Gregor Hagedorn, Wolf-Peter Schill und Martin Kittel verschaffen in einer Infografik einen Überblick über Sinn und Unsinn von Wasserstoff in verschiedenen Sektoren. Brennstoffzellen-PKW stehen ganz unten.
    Einsatzbereiche sauberen Wasserstoff.png
    Von Gregor Hagedorn, Wolf-Peter Schill & Martin Kittel, based on Michael Liebreich/Liebreich Associates, Clean Hydrogen Ladder, Version 4.1, 2021. Concept credit: Adrian Hiel, Energy Cities - https://mobile.twitter.com/wozukunft/status/1436681783920242696, CC BY 4.0, Link

    Mittlerweile findet man mitunter - wenn auch selten - in konservativen Zeitungen eine Relativierung des Wasserstoff-Hypes.

    "Alternative Antriebe: Elektroautos sind Wasserstoffautos überlegen
    Warum Wasserstoff gegen das Batterie-Auto chancenlos ist
    Veröffentlicht am 29.07.2019
    Es ist eine [...] Gretchenfrage der Autoindustrie: Wie hältst du’s mit dem Wasserstoff? Sollte man sich beim Wechsel der Antriebsart jetzt auf Batterieautos festlegen oder der sogenannten Brennstoffzelle eine Chance geben, bei der Wasserstoff als Energieträger verwendet wird. Der ehemalige Audi-Vorstand Dietmar Voggenreiter hat nun anhand verschiedener Studien untersucht, ob Wasserstoffautos mittel- und langfristig eine Chance haben, ob sie sich für die Käufer und die Industrie rechnen würden. Voggenreiter arbeitet inzwischen für die Unternehmensberatung Horváth & Partners, seine Untersuchung liegt WELT vor. Das Ergebnis ist eindeutig: „Keine nachhaltige Volkswirtschaft kann es sich erlauben, die doppelte Menge an regenerativer Energie zu verwenden, um mit Brennstoffzellen-Pkw anstatt mit Batteriefahrzeugen zu fahren“, sagt Voggenreiter."
    [Verknüpfung]
    Die einflussreichen Gründernachfahren von VW unterstützen die Entscheidung des Managements für Akkus und gegen Brennstoffzellen in PKW.
    [Verknüpfung]

    Ein neueres Statement stammt von einem anderen KIT-Experten, Prof. Doppelbauer, aus dem Dezember 2020. Er fordert eine Abkehr vom Primat der Technologie-Offenheit und stattdessen ein klares Bekenntnis der Politik zum batterieelektrischen Antrieb, die die Entwicklung sehr stark beschleunigen würde.
    [Verknüpfung]

    Das sciencemediacenter hat eine kommentierte Übersicht vieler Quellen zum Thema erstellt.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Während VW alles daran setzt, den Vorsprung der Konkurrenten bei batterieelektrischen Autos aufzuholen, engagiert sich der Zulieferer Bosch in der emissionsfreien Stromproduktion aus Wasserstoff, die ja zumindest im Schwerlast- und Langstreckenbereich (als Range Extender) durchaus Zukunftsperspektiven hat. Die konservative Zeitung Die Welt stilisiert das zu einem Widerspruch zwischen den Strategien von VW und Bosch, und ein Leser-Kommentar liefert dazu prompt ein beredtes Beispiel für die vorherrschende fossilökonomistische Desinformation:
    "[Alias-Name des Kommentators]
    Dieser Artikel tut richtig gut. Ich danke der Firma Bosch, dass sie als eine wichtige Industriestimme Deutschlands endlich mal gegen diese VW Richtung argumentiert. Deren Chef will uns Bürgern ja auch noch hohe CO2 Kosten zusätzlich aufdrücken. Er bittet die Regierung geradezu darum. Für uns Normalautofahrer, Benzin und Diesel steigen dann die Tankkosten nochmal und werden dann viele zum E Auto gucken lassen. Ich hoffe das diese Rechnung nicht aufgeht und die Firma Bosch eine Alternative auf den Markt bringt."
    [Verknüpfung]

    Die Brennstoffzellen-Befürworter verlieren argumentativ ständig an Boden. Der größte und für seine Kostenbewusstheit bekannte Versandhändler Amazon entscheidet sich mittlerweile für Akku-elektrische Lieferwagen. Diese Entwicklung war bereits absehbar, als Tesla seinen 2,5t-Boliden Model S auf den Markt brachte: die Preiskurve der Akkus zeigte damals steil nach unten.
    Eine Studie des VDE gibt sogar im Nahverkehrszug dem Akku den Vorzug vor der Brennstoffzelle.
    [Fockenbrock 2020]
    Die Zulassungszahlen von BEV in Deutschland sind 2022 nach dem Portal efahrer.com der Zeitung Chip vieltausendfach höher. Dort wird der aktuelle Stand der Entwicklung diskutiert - freilich aus Sicht von BEV-Befürwortern. Aber die Argumente der Gegenseite werden immer dünner, und das spricht sich nach Jahren des Verzögerns endlich herum.
    [Verknüpfung]

    Doch selbst wenn sich diesen ganzen Expertenmeinungen zum Trotz am Ende doch noch herausstellen sollte, dass Wasserstoff auch im Mobilitätsbereich der überlegene Energieträger ist: die Wasserstoff-Infrastruktur zu entwickeln und bis dahin weiter Öl zu verbrennen, hätten wir dem Klima vor 30 Jahren noch eher zumuten können - heute aber ganz sicher nicht mehr. Und so wie die Brückentechnik Erdgas nach und nach mit P2G dekarbonisiert werden kann, so würde sich auch die Wasserstoff-Technik in einer elektrischen Infrastruktur mit Akkus nahtlos als Ergänzung einfügen lassen: die einzig nachhaltige Produktion von Wasserstoff ist die Elektrolyse mit EE-Strom, und seine effizienteste energetische Nutzung ist die Rückverstromung in der Brennstoffzelle.







    "Dann halt alternative Brennstoffe!"


    Als neuester Jungbrunnen der sprichwörtlich fossilen Verbrennertechnik werden in Deutschland die synthetischen P2L-Treibstoffe oder E-Fuels aus erneuerbarem Strom beworben. Wie der deutsche Hype um Wasserstoff als PKW-Antrieb, so ist auch der um E-Fuels gar nicht so neu, und stammt ebenfalls aus der Öllobby in den USA.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - E-Fuel]

    Der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der CDU Joachim Pfeiffer, der mitunter von einer "Religion" um "vermeintlichen Klimaschutz" spricht, bringt es im DLF-Interview vom Dezember 2018 für alle "verständlich" auf den Punkt:


    Ohne Verbrennungsmotor wird weltweit das Klima sicher nicht gerettet.
    Joachim Pfeiffer (Dezember 2018)

    Weitere Details aus dem Interview: "Die Autoindustrie leistet einen Beitrag zum Klimaschutz. [...] Es hilft ja nichts, wenn [...] wir die letzten Prozent und Promille dort optimieren müssen und damit helfen wir dem Klima nicht weiter. [...] Mit links-grünem Alarmismus werden wir das Klima nicht retten - im Gegenteil. [...] Wir haben die weltweit besten Wirkungsgrade bei Heizkesseln und wenn wir die exportieren, dann können wir einen weltweiten Beitrag leisten."

    Solche "alternativen Fakten" gehen manchem skandalverletzen Dieselfahrer 'runter wie Öl (und erinnern an Carsten Linnemanns Kleinreden des "Clean-" Dieselskandals und die Kampagne "Clean Coal" von Donald Trump).
    [Heckmann 2018]

    Zuerst einmal wischen die Fossilökonomisten hier lässig die Diskussion um die Schadstoffemissionen beiseite: unverbrannte Kohlenwasserstoffe, Stickoxide (beide mit Treibhausgaswirkung), sowie krebsverdächtige Rußpartikel. Pfeiffer, Linnemann und Co. bewegen sich hier im Windschatten der Verschwörungsideen, die von der vielfach widerlegten, aber in Sachen Desinformation umso erfolgreicheren Köhler-Studie ausgingen.
    Die Desinformation gegen Elektroautos war so erfolgreich, dass die Autohersteller dem ängstlichen Kunden weiterhin eine Antriebs-Modernisierung nach der anderen verkaufen - natürlich auf der Basis des Verbrenners: zuerst den sparsamen Diesel, dann den "sauberen" Benziner, dann den Hybrid- und schließlich den Plugin-Hybrid.

    Pfeiffers Parteivorsitzende Kramp-Karrenbauer bestätigt Pfeiffers Auffassung auf ihrer vielbeachteten Parteitags-Rede im Herbst 2019.
    Zitat aus dem Parteitags-Protokoll:

    "Ja, ich freue mich, wenn Tesla hier in Deutschland eine Fabrik baut. Aber, ehrlich gesagt, freue ich mich sehr viel mehr darüber, wenn wir mit Wasserstoff, wenn wir mit synthetischen Kraftstoffen es in einer CO2-verträglichen Weise schaffen, dass der Verbrenner weiter in Deutschland bleibt und dass er in Wolfsburg, in München und in Stuttgart gebaut wird. Das ist unser Ziel, und dafür kämpfen wir, liebe Freundinnen und Freunde. (Anhaltender lebhafter Beifall)"
    [CDU 2019]

    2019 versprach FDP-Chef Christian Lindner die Rettung des Klimas mit "Innovation", wobei er sich beim Thema Automobil sich (wie die CDU) nur für "Technologieoffenheit" aussprach - keine vorschnelle Festlegung, also erst einmal alles beim Alten belassen. 2020 dann schwenkt er auf die Linie der CDU ein: weiter mit dem Verbrenner, jetzt mit alternativen Brennstoffen.
    [Verknüpfung]

    Die plötzliche Forderung der Mineralölwirtschaft nach Subventionen für alternative Kraftstoffe kommt überraschend, hatte sie doch bisher solche erfolgreich abwehren können.
    [Verknüpfung]
    Die Forderung wird begleitet von einer großen PR-Kampagne, deren Überschriften, Begriffe und Rahmungen so manches Klischee bedienen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]







    Würde der Strom für EAutos nicht ausreichen,
    dann würde er für alternative Kraftstoffe sechsmal nicht ausreichen...


    Dass es vielen Verfechtern der Technologie-Offenheit nicht primär um Klimaschutz geht, sondern vor allem um eine Verhinderung des Elektroautos und der Wärmepumpe, sieht man an einem (leider in der Bevölkerung meist noch unbekannten) Faktum:
    für einen Ersatz der Verbrenner-Treibstoffe mit Wasserstoff in Brennstoffzellen (FCEV) bräuchte man das Doppelte bis Dreifache an Strom, und bei P2L bräuchte man mindestens die fünf- bis sechsfache Menge an Strom, die für einen Ersatz durch Akku-Elektro-Fahrzeuge (BEV) nötig wäre. Sie sind nur vertretbar für Zwecke, wo ein Ersatz fossiler Brennstoffe anders nicht möglich ist: Sektorenkopplung, Flugzeuge, Schiffe. Bei Verbrennung in Heizungen liegt das Missverhältnis gegenüber der Wärmepumpe ebenfalls bei mindestens Faktor 6.
    Die Argumente sind 2021 schon seit über einem Jahr durchdiskutiert, und ein naturwissenschaftlich interessierter Laie kann sie leicht nachvollziehen. Trotzdem bringen Fossilökonomisten wie Andreas Scheuer, Christian Lindner, Friedrich Merz oder Jens Spahn diese Desinformation immer wieder neu auf den Stammtisch.
    [Hajek 2020]

    Vergleichen wir dazu 100km mit dem elektrischen Renault Zoe mit seinem Verbrenner-Pendant Renault Clio. 6l Benzin entsprechen ca. 60kWh chemischer Energie für Elektrolyse und Fischer-Tropsch-Synthese, die in Form elektrischer Energie bereitgestellt wird. Bei den anfallenden Umwandlungsverlusten von mindestens 40% werden für das Benzin des Clio 100kWh elektrischer Primärenergie benötigt und damit bestenfalls über sechsmal so viel wie die 15kWh Ladestrom des Zoe für 100 vollelektrische km.

    Diese vorsichtige Schätzung geht sogar noch von den optimistischen Entwicklerangaben des P2L-Verfahrens und den eher konservativen Strombedarfs-Schätzungen für BEV aus einer Studie von Price Waterhouse Coopers PwC von 2017 aus. In der Abschätzung kann man sie leicht nachvollziehen, nämlich wegen der Verluste bei der Elektrolyse (Faktor 2) und der Wirkungsgradunterschiede der Motoren (Faktor drei).
    Ähnliche Mengen an P2X oder mehr werden wahrscheinlich dennoch benötigt, allerdings für die Sektorenkopplung, also die Speicherung der Sommersonne für den winterlichen Energiebedarf in allen Sektoren, und für Zwecke, wo Verbrennerantriebe unersetzlich sind, wie Schiffe oder Flugzeuge. Für die Verschwendung in PKW-Verbrennermotoren können wir es uns jedenfalls mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht leisten, bevor Verbrenner-PKW nur noch im Museum zu finden sind.
    [Landgraf 2019]
    [Verknüpfung]
    [Schmidt 2018]
    [UBA 2018]
    Der hier berechnete Mehrverbrauch an Strom zur Produktion der P2L-Treibstoffe wird auch im Tagesschau-Beitrag vom 29.12.2019 (im Video ab 6'29'') und Herstellerangaben der Chemieanlagenbau Chemnitz bestätigt:


    [Tagesschau 29.12.2019]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]

    2020 rechnet das IFEU-Institut im Auftrag des BMU nach und bestätigt die Zahlen.


    [Verknüpfung]

    Der Energiewissenschaftler Prof. Dr. Volker Quaschning (HTW Berlin) klärt als einer der ersten die Frage der Technologieoffenheit beim PKW knapp und anschaulich:
    [Verknüpfung]
    Wer weitere Detail-Erklärungen erwartet, findet sie beim Fachkollegen Prof. Dr. Olaf Goebel von der Hochschule Hamm-Lippstadt.
    [Goebel 2022]

    Die Wirtschaftsberatung Pricewaterhouse Coopers hat 2017 berechnet, wieviel zusätzliche elektrische Energie für eine 100%ige Umstellung der PKW auf alternative Antriebe benötigt würde. Dabei unterschieden sie drei Szenarien:
    (1) Elektroautos würden nur 1/3 mehr elektrischer Energie benötigen - soviel haben wir 2018 exportiert.
    (2) Brennstoffzellenautos benötigen in dieser Studie das Doppelte (wobei andere Autoren wesentlich mehr veranschlagen).
    (3) Der von CDU und FDP favorisierte Ersatz des Verbrenner-Treibstoffs benötigt ein Vielfaches dieser Menge. (Man sollte nicht vergessen, dass wir z.Zt. noch weit von 100% erneuerbarem Strom entfernt sind, und außerdem der Industrie- und Wärmesektor ebenfalls auf Strombasis dekarbonisiert werden muss.)

    Unser Strombedarf stiege mit BEV um 33%, mit P2L (nur für Verkehr) aber um 230%.
    Zeit: [Verknüpfung]


    blau - Strombedarf 2017; dazu in rot die Zusatz-Strommengen der verschiedenen Antriebe im Vergleich:
    BEV - battery electric vehicle,
    FCEV - fuel cell electric vehicle (Brennstoffzellenauto),
    ICE - internal combustion engine (Verbrenner)
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Die Denkfabrik Transport & Environment prognostiziert für 2035 ein Produktionsvolumen an EFuels, das für 2% der Verbrennerflotte reichen würde. T&E bezieht sich auf Zahlen aus einer Studie des Raffinerie-Industrieverbands
    T&E: [Verknüpfung]
    T&E-Studie: [Verknüpfung]
    Concawe-Studie: [Verknüpfung]

    Den Vergleich von Akkus und Brennstoffzellen mit fossilen Brennstoffen macht nach der Aufdeckung von Hans-Werner Sinns falschen CO2-Bilanzen, den angekündigten Verbrenner-Verboten, der deutlichen Verminderung der Kosten und CO2-Emissionen in der Akkuproduktion, jedoch spätestens seit den jüngsten deutschen Klimaschäden kein Politiker außerhalb der AfD mehr. Die Debatte um Technologieoffenheit kocht Ende 2022 in der Debatte um das europäische Verbrennerverbot ein letztes Mal auf, und nach dem CDU-Rechtsruck in der Opposition unter Friedrich Merz wird anfangs noch eine regelrechte Hetze gegen EAutos betrieben. Doch das Thema verliert durch die Entscheidung der Industrie pro EAuto schnell an Popularität. Alles, was Rang und Namen zu verlieren hat, schmeißt sich jetzt mit Anlauf in die Debatte, denn die Fakten sind unübersehbar.
    "Die Wahrheit über E-Fuels - Was die Ölindustrie dir über E-Fuels verschweigt" bei Dr. Watson: [Verknüpfung]
    "Harald Lesch ZERLEGT E-FUELS bei Terra X": [Verknüpfung]
    "Volker Quaschning zerstört E-Fuels": [Verknüpfung]
    "Umstrittene E-Fuels: So will die Politik Verbrenner am Leben halten" bei Breaking Lab: [Verknüpfung]
    "Verbrenner AUS! Oder doch nicht? E-Fuels | Einfach erklärt" bei ingenieurskunst: [Verknüpfung]
    "Batterie, Wasserstoff oder synthetische Kraftstoffe?" bei Energieagentur heinland-Pfalz: [Verknüpfung]
    Usw., usw..
    So kann man in der CDU im März 2023 froh sein, als Robert Habeck die Heizungen mit Wärmepumpen dekarbonisieren will - hier geht die Technologiedebatte nahtlos weiter, auch genauso faktenbefreit und von Hetzkampagnen begleitet.

    Mit Wasserstoff kann man aber noch mehr Ineffizienz verursachen als mit der Brennstoffzelle. Die Entwicklung von Wasserstoff-Verbrennermotoren für PKW wurde von BMW und Mazda 2009 eingestellt - weil der Erfolg der Elektroautos sich abzeichnete und die Brennstoffzelle Wasserstoff weit effizienter verarbeitet. Die Verluste liegen im Bereich der Verbrenner mit P2L. Die Verantwortlichen bei Yamaha lassen sich nicht von all den Daten beeindrucken und präsentieren ...
    [Wikipedia 2020 - BMW Hydrogen 7]
    [Wikipedia 2020 - Mazda RX-8 Hydrogen RE]
    Der Youtube-Kanal Engineering Explained zeigt das Innenleben des BMW Hydrogen 7, in dem der riesige Tieftemperatur-Tank nicht viel Platz für Passagiere lässt. Er verweist auf die durchschnittlich 17 Stunden, die das Auto laut einem Testbericht bei wired bestenfalls parken kann, bevor die flüssige Wasserstoff-Füllung bei -253°C anfängt zu kochen, weil die Umgebungswärme bei derartigen Temperaturen ohne aktive Kühlung schnell nach innen vordringt. Nach 10-12 Tagen ist demnach der gesamte Tankinhalt verdampft. Aus diesem Grund darf der BMW nicht in einem geschlossenen Raum geparkt werden.
    wired: [Verknüpfung]
    Bei den Brennstoffzellen-Fahrzeugen reicht eine kleinere Menge Wasserstoff, die man in 700bar-Drucktanks gasförmig unterbringt. Diese brauchen für dieselbe Menge Wasserstof etwa doppeltes Volumen.


    Youtube: [EE 2022]

    Just am Höhepunkt der Debatte um Abwrackprämien für Verbrenner in der Corona-Krise bringt die FAZ wieder diese veraltete Technologie euphorisch in die Debatte: "Saubere Luft aus dem Auspuff - auf dem Wiener Motorensymposion zeigen Ingenieure, dass der Verbrenner noch Chancen hat und der Wasserstoffmotor vor einer Wiederbelebung stehen könnte." Es geht vor allem um das leidige Thema der Abgasreinigung, bei dem die Entwickler immer mehr Zusatzaggregate verbauen müssen, um den NOx-Grenzwert einzuhalten (der wie so oft wegen eines Einheitenfehlers um Faktor 1000 zu hoch angegeben wird) - prinzipbedingt nicht nur bei fossilem Treibstoff ein Thema. Keine Angabe von CO2-Emissionen, kein Wort von einem Vergleich mit BEV, kein Wort von Primärenergie. Auch kein Wort von der sonst so beschworenen Alternative P2X-Treibstoff (diesen groben Rechenfehler möchte man sich nicht noch einmal vorwerfen lassen), dafür wird jetzt der Zukunftstreibstoff Wasserstoff in Aussicht gestellt. Erst mit dem letzten Satz des Artikels kommt der Autor auf den entscheidenden Punkt: "Ein Vortrag von Thomas Korn, Gründer des Start-ups Keyou, zeigte, dass für schwere Nutzfahrzeuge perspektivisch auch die Gesamtkostenbilanz des Wasserstoffmotors deutlich günstiger als die der Brennstoffzelle sein könnte."
    [Verknüpfung]
    Für Nutzfahrzeuge werden aktuell tatsächlich Dieselmotoren auf Wasserstoffbetrieb umgerüstet. Diese Technik könnte eine Ergänzung zu Elektroantrieben darstellen, denn so könnte man auch Wasserstoff aus Elektrolyse mittels Erneuerbarer Energie im Verbrenner nutzen. Allerdings ist absehbar, dass das höchstens eine Übergangslösung ist:
    (1) Früher oder später wird sich sehr wahrscheinlich der Elektromotor im Nutzfahrzeug durchsetzen, fraglich ist nur, aus welcher Quelle er die elektrische Energie beziehen wird: die Brennstoffzelle verbraucht deutlich weniger Wasserstoff als der Verbrenner (MAN setzt jetzt schon allein auf diese Technik), Oberleitungen und hoch energiedichte Akkus sind in der Entwicklung. Die Oberleitung ließe sich mit einer Überdachung von Straßen mit PV-Anlagen kombinieren.
    (2) Bisher nutzt man für die Verbrenner billigen Überschuss-Wasserstoff aus der Industrie, dessen Produktion klimaschädlich ist. Für die Verwendung in Brennstoffzellen müsste dieser aufwändig gereinigt werden.
    Klimafreundlich wird die Wasserstoffproduktion erst durch Elektrolyse mit erneuerbarem Strom, am billigsten wäre Überschussstrom. Nach der 100%igen Energiewende wird Überschussstrom allerdings vorrangig zur Saisonspeicherung mit P2X (Sektorenkopplung) gebraucht werden. Spätestens dann überlebt der Wasserstoff-Verbrenner nur, wenn geeignete mobile elektrische Energiespeicher immer noch auf sich warten lassen.
    [Verknüpfung]
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    Also: seit ich von Elektroautos schwärme (und das ist schon sehr, sehr lange), kommt jedesmal die Frage, wo denn der Strom für all die Autos herkommen und wie er transportiert werden soll. Seit sich nicht mehr bezweifeln lässt, dass man damit zuverlässig von A nach B kommt (auch im Winter), ist das mittlerweile sogar immer die erste Frage. Und jetzt erzählen Politiker diesen Skeptikern etwas von alternativen Kraftstoffen, verschweigen aber, dass man für deren Produktion die siebenfache Menge Erneuerbaren Stroms braucht. Eines Stroms, dem sie noch 2005 die Tauglichkeit für Vollversorgung (allein des damaligen Stromsektors) abgesprochen haben.
    Dass diese Zahlen schon seit Jahren durchgerechnet und seit Aufkommen der Elektroautos aus dem Ausland breit diskutiert werden, und die Ausbau-Blockade der Erneuerbaren Energien, lässt die politische Absicht hinter dieser Kampagne umso klarer erscheinen: Verwirrung der Autokäufer, die sich im Zweifelsfall i.d.R. eher wieder für einen Verbrenner entscheiden werden.
    Seit Jahren ist die Einschätzung der Experten unverändert, die Zahlen wurden sogar im Bundestag erörtert. Trotzdem zeigt sich Verkehrsminister Scheuer beratungsresistent.
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    Kramp-Karrenbauer und Lindner täuschen die Kunden und Beschäftigten der Verbrennerindustrie darüber hinweg, dass schon in naher Zukunft am Elektroantrieb (egal ob mit Akku oder Brennstoffzelle) kein Weg vorbei geht, wenn man mit bezahlbarem Klimaschutz ernst machen will.

    Neuen Zündstoff in der Technologie-Debatte liefert 2021 die Methanol-Brennstoffzelle.
    [Verknüpfung]
    Sie könnte die bis heute unvermeidlichen Verbrenner von P2X-Brennstoffen ablösen (also die, die nicht durch akkuelektrische Antriebe ersetzt werden können). Als Alternative im PKW-Bereich ist sie jedoch gegen das Akku-Auto noch chancenloser als der Verbrenner mit P2X-Alkanen - Wirkungsgrad und damit Energiekosten sind ähnlich ungünstig, aber zusätzlich ist die Anschaffung teurer.
    [Verknüpfung]
    Als Saisonspeicher ist Methanol jedoch an einigen Stellen sehr interessant, v.a. weil die Produktions-Anlagen viel kleiner sein können als die für P2X-Alkane. Hier gilt jedoch das gleiche Argument, dass eine ganzjährige Nutzung im Verkehrssektor wesentlich weniger Klimawirkung hätte als das Auffüllen von Stromlücken in der Sektorenkopplung.

    Der Chemiestudent Tom Bötticher hat dazu in seinem Videoblog einen sehenswerten Beitrag erstellt.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Immerhin: durch die massive Kampagne der Autolobby dürften die meisten mittlerweile von P2X-Treibstoffen gehört haben. Jetzt muss man in der Öffentlichkeit nur noch klarmachen, dass diese Treibstoffe in der Sektorenkopplung weit effizienter und (was sicher den letzten überzeugen sollte) wirtschaftlicher nutzbar sind. Aber nur wenn man wirklich technologieoffen ist, also auch ernsthaft in Erwägung zieht, von den fossilen Brennstoffen endlich Abschied zu nehmen.
    Unfassbar, dass bei dem Sachstand im Jahr 2021 allen Expertenempfehlungen zum Trotz immer noch Politiker:innen alternative Kraftstoffe als innovative Patentlösung propagieren. Um im Nachhinein ihren Irrtum zu verklären, das Elektroauto ausgebremst zu haben? Um ihre Klientel noch bei den letzten Verbrenner-Verkäufen zu unterstützen? Die Angst vor der Disruption ist greifbar. Die Würfel der Industrie sind auf Grund des Preisverfalls für Akkus und des massiven Betriebskostenvorteils jedenfalls pro BEV gefallen. Man rechnet mittlerweile mit dem Jahr 2027 für die Parität der Produktionskosten.
    Zeit: [Schulze 2021]







    Selbst wenn alle Fakten endlich mühsam zurechtgerückt worden sind, tragen die Fossilökonomisten zuletzt auch noch moralische Argumente vor.

    Die menschenunwürdigen Bedingungen in den Kobaltminen in Kongo und den Lithiumgruben der Atacama-Wüste sind für viele ein Ausschlusskriterium für das Akku-Auto, so wie das Vogelsterben für Windräder.

    In der konservativen Zeitung Die Welt wird eher selten über Umwelt- und Menschenrechtsprobleme im Erzabbau berichtet: doch jetzt gibt ein Interview mit einem Experten des Öko-Instituts Freiburg (der hier sonst eher selten zitiert wird), Filmaufnahmen aus kongolesischen Kobaltminen und exzessiver Wassernutzung in der Atacama-Wüste.
    [Verknüpfung]
    Immerhin verschweigt der Artikel nicht, dass durch Forschung der Kobalt-Anteil bei modernen Zelltypen (Panasonic - Tesla) auf ein Viertel gesunken ist.
    [Verknüpfung]
    Der Spiegel titelte 2019 "Hier sterben Menschen für unsere E-Autos". Zwar setzt sich seit 10 Jahren das Bundesamt für Geowissenschaften und Rohstoffe BGR vor Ort für Zertifizierung sauberer Bedingungen ein, doch sind die Erfolge noch zu klein; der BGR-Experte zeigt sich jedoch zuversichtlich. Der Titel wird, wie in einer Redaktionsnotiz zu lesen ist, abgeändert in "Hier sterben Menschen für unsere Akkus".
    Spiegel: [Verknüpfung]

    Wirft man allerdings einen Blick auf die Kobalt-Nutzung 2017, dann sieht man, dass die Akkus für Elektroautos bis dato gar keine so große Rolle gespielt haben.


    pdf (Seite 60): [Verknüpfung]
    Und das obwohl 2017 die Produktion von Elektroautos bereits die Millionenmarke deutlich überschritt.
    [Verknüpfung]

    Schätzungen gingen noch 2019 etwa mit einer Verdopplung des Bedarfs bis 2026 aus, und Elektroautos würden nach den damaligen Schätzungen erst dann etwa 50% des Bedarfs ausmachen. Entsprechend titelt der Tagesspiegel im Gegensatz zum Spiegel über "Handy-Akkus", nicht über E-Autos.
    [Verknüpfung]
    Die Schätzungen erscheinen 2022 realistisch, die Zahlen der Internationalen Energieagentur IEA weisen einen Bedarfsanteil von etwa einem Drittel aus.


    IEA, Overall supply and demand of cobalt for batteries by sector, 2016-2022 , IEA, Paris https://www.iea.org/data-and-statistics/charts/overall-supply-and-demand-of-cobalt-for-batteries-by-sector-2016-2022, IEA. Licence: CC BY 4.0
    IEA: [Verknüpfung]

    Der Chemiestudent und Youtube-Videoblogger Tom Bötticher setzt die vielen Gerüchte über Kobalt in Elektroautos mit etlichen Quellennachweisen in einen nachvollziehbaren Kontext. V.a. die Tatsache, dass Kobalt als Sekundärrohstoff der Nickel- und Kupferproduktion anfällt, und dass die Lieferkettengesetze 2023 endlich in Kraft getreten sind. Der internationale Druck auf die Regierung im Kongo, die Bedingungen im Bergbau zu verbessern, werde durch weltweite Maßnahmen immer größer. amnesty international warne sogar vor einem wirtschaftlichen Zusammenbuch des Kongo, wenn es zu einem Abbruch der Lieferketten käme.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Es ist eine gute Nachricht, dass die Merkel-Regierung sich 2020 endlich mit Nachdruck für Menschenrechts-Standards in der Lieferkette stark machte.
    [Verknüpfung]
    Damit setzte sie nach der Ausnahme von Verbrennermotoren beim "Kraftpaket" im Mai 2020 ein weiteres zaghaftes Zeichen für die Förderung von Elektromobilität.
    [Verknüpfung]
    Die bekannten Reserven an Land von 7 Millionen Tonnen würden in diesem Szenario nur noch ca. 30 Jahre reichen; allerdings birgt die Tiefsee noch ein geschätztes Potential von 120 Millionen Tonnen in Manganknollen. Diese in teils extrem empfindlichen Tiefsee-Ökosystemen gelegenen Reserven müssen nur in dem Falle genutzt werden, dass nicht genügend andere Akkutypen und Brennstoffzellen Verbreitung finden werden.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Einen guten Überblick über die gesamte Rohstoffproblematik findet man bei chip.de.
    [Verknüpfung]
    Wie auch immer, so sollte es auf jeden Fall irritieren, dass der Kobaltabbau in bestimmten Kreisen praktisch allein im Zusammenhang mit Elektromobilität angeprangert wird: man spricht von Whataboutism (Fixierung auf Gegenargumente) durch Cherry-Picking, zu deutsch Rosinenpickerei, also Konzentration auf wenig bedeutende Teilprobleme unter völliger Ausblendung der großen Perspektive. Diese Methoden sind bereits von Klimaskeptikern hinlänglich bekannt.







    Eines der letzten Gesetze der Merkel-Regierungen war die Austauschpflicht 30 Jahre alter fossiler Heizungen im November 2021.
    [Verknüpfung]
    Der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien Ende 2021 sah dann ein Verbot neuer Öl- und Gasheizungen für 2025 vor. Nach dem Bruch mit dem Klimagesetz der GroKo durch Streichen der Sektorziele kündigte Robert Habeck im Frühjahr 2023 ein Vorziehen dieser Maßnahme auf 2024 an, mit dem Hinweis auf mögliche kommende Gasversorgungs-Krisen und entsprechende Preissprünge. Das ist, was die Experten empfehlen. Dennoch ergoß sich ein Tsunami der Desinformation und Anti-Grünen-Hetze über das Land.

    Ausgangspunkt der Kampagne war eine nicht abgesprochene Veröffentlichung eines unfertigen Gesetzesentwurfs aus Habecks Wirtschaftsministerium, den Habeck als Vertrauensbruch öffentlich beklagte. Diese Klage ging in der öffentlichen Empörungswelle, angestoßen von der Bild-Zeitung, völlig unter, viele Medien warteten keine offizielle Erklärung ab und eröffneten gleich die öffentliche Debatte. Auf Faktenchecks wurde dabei oft verzichtet.
    RND: [Verknüpfung]
    Stuttgarter Nachrichten: [Verknüpfung]
    Stuttgarter Nachrichten bei Youtube: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Eine zentrale Organisation in der Kampagne war die Denkfabrik Prometheus des libertären FDP-Klimaskeptikers Frank Schäffler, der auch öffentlich gegen Wärmepumpen Stimmung machte - auch wenn er selbst bei sich eine hat einbauen lassen. Unter den zentralen Kontaktpersonen in der Koalition ist auch ein SPD-Politiker, Timon Gremmels, der bis zum Antritt der Ampel-Koalition im Beirat des Lobbyverbands Zukunft Gas saß. Das Interesse hinter der Kampagne ist das Zig-Milliardengeschäft der Gasversorger. Die Gaslobby hat 2021 nachweislich 40 Millionen für Lobbyarbeit ausgegeben.
    In Großbritannien, dessen Anfälligkeit für PR beim Brexit klar wurde, führte eine ähnliche Kampagne zu demselben Ergebnis. Spätestens nach dem Fossilinvestment-Coup der Sunak-Familie einen Monat später kann von einer "grünen Weltverschwörung" keine Rede mehr sein.
    [Verknüpfung]
    Desmog Blog: [Verknüpfung]
    Großbritannien und Deutschland bleiben der Gaslobby wohl erhalten. Der IWR berechnet 2023 aus den Zubauzahlen des europäische Wärmepumpenverbands EHPA, dass die beiden Länder in Europa die letzten Plätze pro Haushalt belegen.


    Twitter: [Verknüpfung]

    Als Argument der Kampagne wurde angeführt, dass viele Bestandsbauten untauglich für Wärmepumpen seien, und dass andere Lösungen ebenfalls klimaneutral, aber auch oft wirtschaftlicher seien - aber nach Habecks Entwurf nicht zulässig. Oft wurde sogar suggeriert, es ginge dabei nicht nur um Neu- und Ersatzanschaffungen, sondern um einen Austausch des gesamten Bestandes. Der vermeintliche allgemeine "Zwang" zur Wärmepumpe sei ein wirtschaftliches Desaster für einkommensschwache Haushalte, ein "Heizhammer", und viele Eigenheimbesitzer müssten daher um ihre Immobilie fürchten.
    All diese Behauptungen waren von der BILD-Zeitung samt und sonders erstunken und erlogen, wurde aber oft genug ungeprüft reproduziert, Faktenchecks wurden nicht, wie es notwendig gewesen wäre, mit entsprechendem Nachdruck kommuniziert. Rechtslibertäre Medien schwurbelten daraus sogar eine absichtliche "Entwurzelung" zusammen. Das war dann schon rechtsextreme Hetz-Propaganda.
    Der wahre Heizhammer kommt tatsächlich, wenn der Markt die Dinge regelt, wenn also der CO2-Emissionshandel im Wärmesektor durchschlägt, so wie es CDU und FDP seit Jahren fordern. Das gleiche gilt für die Betriebskosten der Verbrenner-PKW.
    Spiegel: [Hecking 2023]

    Zuerst haben Jens Spahn (Vizevorsitzender und Klimabeauftragter der CDU) und Prof. Lamia Messari-Becker in der Talkshow von Anne Will vom 26.03.2023 die Option von grünem Wasserstoff aus Eigenproduktion mit sommerlichen PV-Überschüssen ins Spiel gebracht, der in Druckflaschen gelagert werden könne. Die mögliche Verwechslung mit der herkömmlichen, billigen Gastherme, deren Verkäufe panikartig in die Höhe schossen, wurde genauso wenig geklärt wie die soziale Härte der horrender Anschaffungskosten, die ja nun gerade vermieden werden soll, und die Einschränkungen, die diese Alternative für die allermeisten Menschen ausschließt: sehr kleiner Wärmebedarf, i.d.R. Wärmepumpe, richtig große PV-Anlage, eigener großer sicherer Lagerraum.

    Doch auch der Koalitionspartner FDP setzte sich plötzlich in der Sache über die Koalitionsvereinbarung hinweg und machte ein neues Faß zum Thema "Technologieoffenheit" auf, und empfahl als günstige Alternative neue H2-ready Gasthermen, wie schon vorher EFuels als Ersatztreibstoff für PKW.
    Volker und Cornelia Quaschning erklären in Folge 34 ihres Podcasts "das ist eine gute Frage" den ganzen Irrsinn der Technologieoffenheits-Ideologie und fassen das deutsche Problem im Titel zusammen: "Technologieoffen abgehängt".
    Youtube: [Verknüpfung]
    Im deutschen Journalismus ist allerdings auch eine Trendwende zu mehr Sachlichkeit zu sehen. Markus Lanz nimmt im Frühjahr 2023 mehrfach den FDP-Fraktionsvorsitzenden Christian Dürr wegen dieser faktenbefreiten Meinungsmache regelrecht auseinander.

    Zwar ist eine moderne Luft-Wasser-Wärmepumpe aktuell tatsächlich erst bei Vorlauftemperaturen von 55°C und darunter wirtschaftlich, und viele Häuser werden mit höheren Temperaturen beheizt. Doch lässt sich die Vorlauftemperatur in den meisten betroffenen Häusern mit größeren Heizflächen auf 55°C senken - auch ohne kostspielige Flächen- also Fußboden- oder Wandheizung. Fast überall lassen sich größere Heizkörper, u.U. mit Lüfter, montieren. Die Kampagne dagegen geht vom technischen Stand und dem Preisniveau der Jahrtausendwende aus. Damals lohnte sich eine Wärmepumpe wegen der günstigen Brennstoffe nur bei gut gedämmten Neubauten mit Flächenheizung.
    Die Studie des Instituts für Energie und Umwelt Heidelberg ifeu für den Verband für Dämmsysteme, Putz- und Mörtel VDPM gibt 2023 an, dass eine Absenkung der Vorlauftemperatur von 55°C auf 35°C die Effizienz der Wärmepumpe nur um 14% steigert. D.h. es lohnt sich durchaus, schnell zuerst die Wärmepumpe zu installieren und erst nachher die Dämmung zu verbessern, was wesentlich zeit- ud kostenintensiver ist.
    VDPM: [Verknüpfung]
    ifeu-Studie: [Verknüpfung]

    Dass bei der Gastherme nur noch die Anschaffung günstig sein kann, zeigt der Vergleich mit der Wärmepumpe in wissenschaftlichen Studien.
    Die neueste Studie stammt vom Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz CC4E der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg. Im Verbundprojekt Norddeutsches Reallabor NRL wurde der Energieaufwand, ein unsaniertes Einfamilienhaus mit grünem Wasserstoff zu heizen, verglichen mit dem Einsatz einer modernen Wärmepumpe. Der Unterschied liegt nicht bei einigen zig Prozent, sondern zwischen Faktor 5 und 6: Für die Produktion der notwendigen Menge grünen Wasserstoffs braucht man 67.000 Kilowattstunden, für die Wärmepumpe nur 12.000.
    Wird der Wasserstoff nicht direkt eingesetzt, weil das Gasverteilnetz nicht dafür ausgelegt ist, braucht man noch die Umsetzung zu grünem Methan mittels Fischer-Tropsch-Synthese. Weil dabei wieder etwas Energie verloren geht, wäre der Faktor noch größer.
    Frankfurter Rundschau: [Verknüpfung]
    PV-Magazine: [Verknüpfung]
    HAW-Studie: [Verknüpfung]

    Schon 2021 wurde das gleiche Verhältnis vom Kopernikus-Projekt Ariadne festgestellt.


    [Verknüpfung]

    Wie Elektroautos, so haben Wärmepumpen ausgleichenden Einfluss auf das schwankende Angebot Erneuerbarer Energien. Und selbst, wenn sie zunächst mit Strom aus Gaskraftwerken mit fossilem Gas betrieben werden, sparen sie CO2. Der Umstieg auf grünen Strom, auch aus Gaskraftwerken in der Sektorenkopplung mit P2G-Antrieb, ermöglicht eine schnelle Decarbonisierung. Das zeigt eine internationale Studie, Titel:


    Replacing gas boilers with heat pumps is the fastest way to cut German gas consumption.
    Pietro Altermatt et al.
    Studie in nature communications earth & environment: [Verknüpfung]
    PV magazin: [Verknüpfung]
    efahrer: [Verknüpfung]

    Der taz-Autor Malte Kreutzfeld fasst in Blätter die Fakten zusammen und stellt ihnen die Behauptungen der Hetzkampagne gegenüber.
    [Verknüpfung]
    Die NGO LobbyControl widmete dem Thema eine eigene Studie.
    lobbycontrol: [Verknüpfung]
    lobbycontrol-Studie "Pipelines in die Politik": [Verknüpfung]
    Klaus Müller spannt in seinem Blog energiewende rocken einen noch größeren Bogen.
    [Verknüpfung]

    Bei der Frage "Gastherme oder Wärmepumpe" ergibt sich aus den Studien also die gleiche Schlussfolgerung wie bei der Frage "EFuels oder EAuto". Je mehr beide Sektoren elektrifiziert sind, desto höher ist die Effizienz. Die P2G-Treibstoffe Wasserstoff, Methan o.ä. werden zwar benötigt, aber hier werden sie für den Winter gespeichert, um nur dann in Blockheizkraftwerken verbrannt zu werden, wenn eine kalte Dunkelflaute überwunden werden muss. Die Abwärme wird hierbei (weil Winter ist) zum Heizen über Nahwärmenetze verteilt, ergänzt durch Wärme aus Großwärmepumpen.

    Petra Pinzler zeigt die Parallelen der Industrie-PR um Technologieoffenheit in der Zeit auf.
    [Verknüpfung]

    Das Redaktionsnetzwerk Deutschland RND widerlegt die Gerüchte um die Wärmepumpe.
    [Verknüpfung]
    Die Erfahrungen im kalten Skandinavien sprechen eindeutig für die Wärmepumpe. Dänemark hat das Fossilbrenner-Verbot seit 2013.
    [Verknüpfung]


    Zeit: [Verknüpfung]

    Der Verbraucherzentrale Bundesverband VZBV rät dringend von neuen Gasheizungen ab: diese werden wegen steigender Gaspreise eine Kostenfalle.
    ntv: [Verknüpfung]
    Zitat aus der Pressemitteilung von Vorständin Ramona Pop:

    "Unter der Überschrift Technologieoffenheit können weiterhin auch Gasheizungen eingebaut werden, sofern sie als H2-ready deklariert werden. Die CO2-Bepreisung und die absehbar steigenden Netzentgelte werden fossiles Gas mittelfristig deutlich teurer machen. Und Wasserstoff und Biomethan werden entweder gar nicht oder nur zu äußerst hohen Preisen verfügbar sein. Jetzt noch eine neue Gasheizung einzubauen, kann deshalb für Verbraucher:innen zu einem extrem teuren Experiment werden.
    Verpflichtende Energieberatungen sollen die Verbraucher:innen vor diesen Kostenfallen schützen. Damit das gelingt, fordert der vzbv, dass diese Beratungen nur durch unabhängige Energieberater:innen oder gleichwertig qualifizierte Fachkräfte ohne Interessenskonflikte durchgeführt werden dürfen."

    Die Technologieoffenheit im Gebäudeenergiegesetz ist ein Zugeständnis an den Koalitionspartner FDP, der die Wärmepumpen-Debatte mit der Vorab-Veröffentlichung des internen Entwurfs an die BILD-Zeitung angezettelt hatte. Auch die Reduktion von Zuschüssen für Häuserdämmung ist den Sparauflagen des FDP-Finanzministers Lindner geschuldet. Pop zieht ein negatives Fazit:

    "Das Ziel des Gesetzes Energie einzusparen, wurde zugunsten der reinen Reduktion von Treibhausgasen deutlich abgeschwächt. Viele Regelungen zur Steigerung der Energieeffizienz wurden aus dem Gesetz gestrichen.
    Die Bundesregierung hat mit dem Gesetz die wichtige Chance vertan, die Wärmewende im Gebäudesektor klimazielkonform und sozialverträglich auf den Weg zu bringen und die Verbraucher:innen dabei mitzunehmen."
    ntv: [Verknüpfung]

    Während der Medienkampagne gegen das Gesetz wurde bekannt, dass Habecks Staatssekretär Patrick Graichen von Agora Energiewende mehrere Personen aus seinem Freundes- und Familienkreis begünstigt hatte. Es ging um 3 Millionen Euro. Schnell kochten die öffentlichen Emotionen hoch, und Graichen musste erstaunlich schnell gehen.
    SZ: [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]
    Zum Vergleich erinnere ich an den Umgang mit Volker Wissing, der nur drei Monate nach der Causa Graichen bekannt wurde. Als im August 2023 der FDP-Verkehrsminister wegen ähnlicher Vorwürfe gegen seinen Wasserstoff-Abteilungsleiter Klaus Bonhoff aufkommen, bleibt es erstaunlich ruhig. Es geht um rund 28 Millionen Euro.
    taz: [Verknüpfung]
    Handelsblatt: [Verknüpfung]
    Erst im April 2024, als neue Vorwürfe aufkommen, handelt Wissing und entlässt seinen Abteilungsleiter.
    ARD: [Verknüpfung]
    Oder an die Maut-Affäre von Verkehrsminister Andreas Scheuer, der bis zum Ende der Legislaturperiode im Amt blieb. Scheuer verursachte grob fahrlässig einen Schaden von rund 243 Millionen Euro.
    SZ: [Verknüpfung]

    Im Nachgang der Nepotismus-Vorwürfe um Habecks Staatssekretär Patrick Graichen meldet sich Ex-Agrarministerin Julia Klöckner im Sinne der Waldbesitzer, eine klassische Klientel der CDU, zu Wort. Sie wirft Habeck Unwissenschaftlichkeit vor und propagiert Holz als regenerativen Brennstoff zum Heizen.


    Ich erwarte von Minister Habeck, dass er jetzt einfach 'mal auf die Stopp-Taste drückt. Dass er nicht versucht, mit der Brechstange ein Gesetz durchzudrücken, was gegen jede wissenschaftliche Berechnung[...], was auch gegen die Wünsche und Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger ist und, vor allen Dingen, das überhaupt nicht technologieoffen ist. [...]
    Das Verbot von Kaminen + #Pelletöfen in Neubauten ist absurd. Heizen mit #Holz ist nachhaltig, aktiver Klimaschutz.
    Julia Klöckner
    ARD: [Verknüpfung]
    Twitter: [Verknüpfung]

    In der Frage der Holzverbrennung haben sich die Forst-Fachverbände auf dem Waldgipfel 2021 klar gegen die Waldbesitzer-Lobby positioniert: Nur wachsende, biodiverse, extensiv genutzte Wälder kommen überhaupt in Frage, als resiliente CO2-Senken zu dienen - und gerade diese Funktion der Wälder wird doch von konservativen Politiker:innen so gerne als Option zur Kompensation neuer fossiler Emissionen fest eingeplant. Was allein schon durch den Stand der Forschung nicht im Geringsten gerechtfertigt ist.
    Wenn ein Monokultur-Wald, wie er unter Agrarministerin Klöckner noch politisch gefördert wurde, nicht einmal das CO2 sicher binden kann, so wird er noch viel weniger den aktuellen Bedarf an Brennholz decken können, geschweige denn einen durch Dekarbonisierung steigenden Bedarf. Doch genau das sind Klöckners Vorstellungen von Technologieoffenheit. Das gebundene CO2 würde ja wieder freigesetzt.
    Aber selbst unter der Annahme, es gäbe keine Klimakrise und keinen gigantischen Bedarf an CO2-Senken. Nachhaltig wäre das System aber nur bei Bewirtschaftung gemäß den Prinzipien der Sylvicultura oeconomica von Hans Carl von Carlowitz - doch das muss man nach intensiven Recherchen des International Consortium of Investigative Journalists ICIJ stark bezweifeln.
    ARD [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    ICIJ: [Verknüpfung]
    Tatsächlich ist das Gesetz auch gar nicht der Kahlschlag in der Holzheizung, den Klöckner suggeriert. Es gibt weiterhin Ausnahmen. Nur soll nicht der Trend zur Holzverbrennung verstetigt werden - das ist schon wegen der zu erwartenden steigenden Konkurrenz um Holz eine Preisfrage für die Verbraucher:innen.
    [Verknüpfung]
    Ein in sich vollkommen widersprüchliches Wünsch-Dir-Was der Holzbesitzer-Lobby.

    Die Opposition machte aus der Wärmepumpen-Offensive fleißig neue Erzählungen über die Menschenfeindlichkeit der Regierung - nicht nur die AfD, sondern auch die Unionsparteien, natürlich kräftig unterstützt von rechtskonservativen Medien, die sie gerne zitieren. Die Konservativen inszenieren einen neuen Kulturkampf.

    Der in breiten rechtskonservativen Kreisen populäre Autor Roland Tichy spricht, wie ein FDP-Politiker auf dem Parteitag, von gewollter "kalter Enteignung", weil der Zwang zur Wärmepumpe Hausbesitzer in den Ruin treibe.
    [Verknüpfung]
    Beim Aufruf seiner Seite wurde mir ein schockierender Spendenaufruf eingeblendet, der mich auf einer Seite von Reichsbürgern, Identitären oder anderen Rechtsextremen nicht weiter verwundert hätte, Zitat: "Menschen sollen entwurzelt werden".
    Auf einer Demonstration in Erding ruft Bayerns stellvertretender Ministerpräsident Aiwanger offen zum Aufstand auf.

    Zu den Fakten.

    Marken-Wärmepumpen für Warmluft-Erzeugung in Split-Technik kosten mit einer Heizleistung von 5kW um 1.000 Euro (Stand (Winter 22/23).
    Der Ingenieur Dr. Andreas Schmitz, bekannt als Youtube-Videoblogger Akkudoktor, beheizt sein Haus konkurrenzlos günstig mit solchen Klima-Split-Geräten.
    Youtube: [Verknüpfung]
    Die Preise für Wärmepumpen für Zentralheizungen dagegen sind deutlich höher, selbst wenn sie die gleiche Leistung haben, und obwohl sie vom Prinzip her bis auf das aufnehmende Wärmemedium - Wasser statt Luft - gleich sind. Vor zehn Jahren lagen die Preise von Luft-Wasser-Systemen aber noch meist weit unter 10.000€.
    Im Frühjahr 2023 sprechen Installateure von 20-30.000€, also einem Vielfachen. In Talkshows werden diese Mondpreise von Gegnern gerne nochmals weit übertrieben, es kursieren Horrorzahlen von oftmals 50.000€. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder redet inklusive Sanierungskosten sogar von einem "Heizhammer" von 300.000€, bzw. einem Förderbedarf von 500 Milliarden: "Entweder geht der Bürger pleite oder der Staat." Dabei hat seine Partei die Bürger nach dem Vergessen der Ölkrise in den 70ern in der Vorstellung leben lassen, eine energetische Sanierung sei nicht unbedingt notwendig. Allein die Teuerung der fossilen Brennstoffe ohne CO2-Steuern macht diese Vorstellung zu einer Kostenfalle, die die Profite der fossilen Unternehmen sprudeln lässt und die Schäden am Weltklima um ein Vielfaches erhöht.
    t-online:

    Der Forscher des Instituts für Wirtschaftsforschung RWI, Prof. Marcel Frondel, nennt als Förderbedarf gegenüber der BILD-Zeitung sogar eine Billion Euro. Auf Nachfrage seriöser Medien stellt sich heraus, dass den Angaben des Professors gar keine Berechnung, sondern nur eine grobe Schätzung zugrunde liegt, die viele Faktoren außer Acht lässt, wie die Kosten eines ohnehin fälligen Austauschs. Die konservative Zeitung Merkur nennt im Weiteren noch Schätzungen des ifo-Instituts über bis zu drei Billionen, die sich aber auf die gesamte Energiewende beziehen. Vergleichen kann man die Aussagen also schon allein deshalb nicht; die Schlussaussage des Artikels allerdings ist unmissverständlich: "Dass die Energiewende für Deutschland also teuer wird, ist keine neue Erkenntnis. Doch die Experten sind sich auch darüber einig, dass keine Energiewende noch teurer wäre. Immer wieder stellen Ökonomen hierzu Berechnungen auf und kommen zum gleichen Ergebnis: Im fossilen Zeitalter zu verbleiben, birgt nicht nur Klimarisiken, sondern auch untragbar hohe Kosten."
    [Verknüpfung]

    Die Wärmepumpen-Preisspitze im Frühjahr 2023 geht auf mehrere Probleme zurück, die sich gegenseitig verstärken. Ich würde auch hier wieder von Marktversagen sprechen:

    • Desinformation hat das Problem der Klimakrise bei den Menschen jahrzehntelang massiv verharmlost
    • die Energiekehrtwende unter Merkel, aber auch die Gaspreisbremse unter Scholz hat völlig falsche Marktanreize gesetzt und die Menschen in falscher Sicherheit gewiegt
    • eigene PV war jahrelang durch politische Marktbeschränkungen unattraktiv, obwohl viele Hausbesitzer und Mieter sie gerne installiert hätten
    • plötzlich entsteht eine starke Nachfrage nach einer klimafreundlichen Heizung mit geringen Betriebskosten, die durch Eigen-PV noch weiter sinken; midestens aus zwei Gründen:
      • Erkenntnis der Klimakrise: schlechtes Gewissen/ Angst vor Klimaschutz durch Ordnungspolitik
      • PV ist nach dem Regierungswechsel attraktiv, durch Nachholeffekte noch weit attraktiver
    • diese erhöhte Nachfrage trifft auf eine Zeit hoher Preise, die mindestens drei Gründe haben:
      • Störung vieler Lieferketten durch die Corona-Pandemie
      • energiepreisgetriebene Inflation
      • Fachkräftemangel

    Es ist deshalb leicht nachvollziehbar, dass Experten kurz- bis mittelfristig von einer deutlichen Entspannung der Marktlage ausgehen, z.B. Jürgen Leppig, Bundesvorsitzender des Energieberaterverbands GIH.
    [Verknüpfung]
    Auch Marek Miara vom Fraunhofer Institut für solare Energiesysteme ISE in Freiburg geht von rasch sinkenden Preisen aus: "Wir haben 20 Jahre geschlafen, es gibt keine Alternative zur Wärmepumpe."
    [Verknüpfung]
    Experten prognostizieren im August 2023 eine Disruption von der Gasheizung zur Wärmepumpe: ein Großteil des Gasnetzes wird nicht mehr rentabel zu betreiben sein, erste Stilllegungen finden bereits statt.
    [Verknüpfung]

    Philipp Kron, Wirtschaftsredakteur der FAZ, zeigt nach der Wärmepumpen-Debatte einen bemerkenswert ignoranten Umgang - er führt den Verlauf der Diskussion auf eine Fehleinschätzung Habecks zurück, und verschweigt komplett die Hetze von rechts, Zitat:

    "Also ich glaube, wir hatten durch diesen russischen Angriff auf die Ukraine plötzlich ein Zeitfenster, in dem eine alternative Erzählung für ökologische Transformation möglich wurde, weil man, weil Habeck dachte, und sein Ministerium, „die Leute reißen mir das aus der Hand, weil sie jetzt in Sorge sind, dass das Gas total teuer wird und nichts anderes mehr geht“. Das hat aber nicht verfangen, weil sie zu kurzfristig gedacht war. Man muss da halt langfristiger an so 'ne Sache 'rangehen."
    Gemeinsam Handeln - die Gesellschaft in der Transformation zusammenhalten RegierungBW auf Youtube: [RegierungBW 2023] bei 2h 5min

    Ein Jahr später, Ende Februar 2024, können die Fördergelder beantragt werden. Die DLF-Nachrichtenredaktion ordnet das Geschehen noch einmal aus der Retrospektive ein.


    Bundesbürger können von heute an Förderanträge für den Austausch ihrer Heizungen auf Grundlage des Gebäudeenergiegesetzes einreichen. Das Ersetzen alter fossiler Heizungen durch solche auf Basis erneuerbarer Energien wird mit einem Investitionskostenzuschuss von mindestens 30% und maximal 70% unterstützt. Die höheren Fördersätze gelten dann, wenn jemand eine alte Heizung besonders schnell austauscht oder wenn das Haushalts-Jahreseinkommen 40.000€ nicht überschreitet. [...] Das Bekanntwerden des Gebäudeenergiegesetzes hatte im vergangenen Jahr aufgrund unzureichender Kommunikation durch die Bundesregierung viele Bürger verunsichert, die befürchteten, den Heizungstausch bereits in Kürze durchführen zu müssen.
    DLF Nachrichten vom 27.02.2024 7:30Uhr
    [Verknüpfung]

    Dem füge ich hinzu: Die Hetzkampagne rechtspopulistischer Akteure und konservativer Trittbrettfahrer führte zu einem Vertrauensverlust der Ampel-Koalition, von der sie sich nie mehr erholt hat.
    Mein Fazit: Ein halbgares Gesetz aus dem Grünen Wirtschaftsministerium wird vom verräterischen Koalitionspartner FDP an die rechte Kampfpresse durchgestochen. Am Ende kommt zwar ein sinnvoller Kompromiss aus Klimaschutz und gemeinschaftlicher Lastenverteilung heraus, der wahrscheinlich auch ganz ohne die Schlammschlacht im parlamentarischen Prozess entstanden wäre. Viel Lärm um nichts. Aber ein Jahr später baumeln bei den Bauernprotesten Ampeln von Galgen, und auch sonst tönt es immer wieder: "Die Ampel muss weg". Hannah Arendt lässt grüßen.







    Blätterte man seit Aufkommen der Energiewende-Debatte Mitte der 10er-Jahre in der Umwelt-Rubrik der konservativen Zeitung Die Welt, aber auch die Rubrik "Windkraft" im Spiegel, so bekam man jahrelang den Eindruck, die Rohstoffbeschaffung für Elektroautos sowie der Vogeltod und Entsorgungsprobleme durch Windräder seien die wenigen wirklich gravierenden Umweltverbrechen unserer Zeit - die Klimakrise jedenfalls nicht.
    Moralische Empörung über Menschenrechtsverstöße bei der Lithium- und Kobaltgewinnung ist natürlich berechtigt, und Bedenken gegen den Tod von Vögeln und Fledermäusen durch Windräder sind angebracht: doch wer die Elektroauto-Fahrer und Windrad-Betreiber in die moralische Pflicht nehmen will, darf die übrige Industriegesellschaft nicht verschonen. Würde man die gleichen moralischen Maßstäbe anlegen, wäre ein Großteil unserer Konsumprodukte inakzeptabel, inklusive unserer Bekleidung und sogar unserer Nahrung.
    Der Wind in der Berichterstattung hat sich diesbezüglich vor Kurzem endlich etwas gedreht. Aber der Ruf der Alternativen leidet unter dieser Desinformation bis heute.


    Wenn man die unbestreitbaren ökologischen und sozialen Probleme der Klimawende betrachtet, sollte man nicht vergessen, sie mit denen der herkömmlichen atomar-fossilen Wirtschaft zu vergleichen. Und sich dann die Frage stellen, warum sich die öffentliche Debatte nur um die Probleme der Klimawende dreht.

    Visualcapitalist produziert beeindruckende Infografiken, die die Größenordnungen in Relation setzen. Man beachte die Größe des Lithium- und des Kobalt-Blocks.


    [VisualCapitalist 2022]

    Das nächste Bild zeigt die jährlich verbrannten Mengen fossiler Brennstoffe.


    [VisualCapitalist 2024]

    Die allermeisten Kritiker von Akku-Autos oder Windrädern meldeten bisher eher selten Bedenken an bei den unzähligen anderen, oft um etliche Größenordnungen gewichtigeren ökologischen und humanitären Problemen der Industriegesellschaft. Deshalb folgt hier eine Liste dieser Schäden an Mensch und Biosphäre, die sich über Seiten und Seiten fortsetzen ließe. Hier sind nur die auffälligsten Menschenrechtsverstöße und Biosphären-Zerstörungen aufgelistet. Viele dieser oft kriminellen Missstände sind entweder unsichtbar oder finden dort statt, wo sich nur Menschenrechts-Aktivisten und NGOs interessieren. Diese riskieren oft genug ihr Leben, um die Öffentlichkeit zu informieren oder direkt dagegen vorzugehen. Jährlich werden viele von ihnen ermordet, 2019 waren es über 200. Dort, wo Indigene, Wanderarbeiter oder People of Color von Ökozid betroffen sind, findet man besonders krasse Fälle, sogar in den USA. Rassistische Überzeugungen von einer Überlegenheit der weißen Weltbevölkerung stehen oft im Hintergrund, wie beim faschistischen Präsidenten von Brasilien, Jair Bolsonaro oder dem Klimaskeptiker Donald Trump.

    Diese Liste soll das astronomische Ausmaß der Verzerrung verdeutlichen, wenn wieder gefragt wird "what about...", also z.B. "was ist mit diesem Problem der Windräder" oder "was ist mit jenem Problem der Elektroautos". Im Englischen gibt es ein Wort dafür: Whataboutism, die ideologische (-ismus) Beschäftigung, was es mit diesem oder jenem Problem auf sich hat, das man sich wie eine Rosine aus einem Kuchen gepickt hat - Cherry Picking.
    All das haben sich hochbezahlte PR-Profis ausgedacht. Und ich denke mir dazu:


    WTF


    • millionenfache Sklaverei im Tourismus, bis hin zur sexuellen Ausbeutung
      [Verknüpfung]
    • Land Grabbing: Vertreibung von Indigenen und Kleinbauern für große Farm- oder Tourismus-Projekte in Entwicklungsländern; diese dienen nicht in erster Linie der Ernährung der lokalen Bevölkerung, sondern der Produktion von Exportprodukten, v.a. Tierfutter und Agrartreibstoffen; oft genug unterstützt durch zweckentfremdetete staatliche Kredite der DEG für "Entwicklungshilfe"
      Welthungerhilfe: [Verknüpfung]
      Weltagrarbericht: [Verknüpfung]
      Weltkarte bei LandMatrix: [Verknüpfung]
      Oxfam: [Verknüpfung]
      Spiegel: [Verknüpfung];
      besonders kritisch ist das Land Grabbing zum Zwecke der CO2-Kompensation zu sehen
    • auch bei uns gehen Flächen für die Biosphäre verloren, täglich 20ha:
      [Verknüpfung]
    • Vertreibung von Indigenen und Abholzen von Regenwald durch Großgrundbesitzer in Brasilien
      [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
      zur Produktion von
      • Rindfleisch auf verwüsteten Flächen, sogenannten Feed Stocks, die lebend zum Schlachten nach Übersee transportiert werden - von Geburt bis zum Tod eine permanente, grauenhafte Tierqual; durch die Ammoniakdämpfe ihrer Exkremente erblinden viele Tiere
        [Verknüpfung]
        Ein besonders skandalöses Beispiel ist der Versuch von VW in den 80er-Jahren, in Brasilien groß in das Geschäft einzusteigen. 2019 wurde der Skandal öffentlich; 2023 gibt es immer noch keine Einigung mit den mittlerweile wenigen verbliebenen Opfern
      • Tierfutter für europäisches Vieh, unsachgemäße Nutzung von (auch deutschen) Pestiziden, die zudem bei uns oft gar nicht mehr zugelassen sind
    • menschenunwürdige Arbeitsbedingungen im Niedriglohnsektor, z.B. Fleischindustrie, Reinigungs- und Fuhrgewerbe: seit Jahrzehnten von Linken angeprangert, zeigt man erst nach den Corona-Massenansteckungen in deutschen Schlachthöfen zaghafte Ansätze, dort "aufzuräumen"
      [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
    • Krebs als Begleitkrankheit in der Landwirtschaft durch Pestizide
      Studie der USA-Gesundheitsbehörde im Baumwollanbau: [Verknüpfung]
      Studie aus Argentinien: [Verknüpfung]
      taz: [Verknüpfung]
      Studie aus Brasilien:
      human rights watch:
    • menschenunwürdige Arbeitsbedingungen afrikanischer Gastarbeiter in Spanien, auch im Bio-Anbau
      [Verknüpfung]
    • menschenunwürdige Arbeitsbedingungen in Entwicklungs- und Schwellenländern: Elektronik-Industrie und Kunststoffverarbeitung in China, Bekleidungsindustrie in Indien, Bangladesh, Vietnam, ...
    • Schäden an Mensch und Umwelt bei konventioneller Energieversorgung: radioaktive Stäube aus Uranminen, Ölpestkatastrophen, Ölförderung in Afrika und Südamerika, Steinkohleförderung, hohe Methan-Emissionen und radioaktives, schwermetallhaltiges Lagerstättenwasser bei Öl- und Gasförderung, v.a. bei Fracking, großflächige Biotopvernichtung bei Teersand, illegale Entsorgung von deutschem Atommüll im Mittelmeer durch die Mafia, legale im staatlichen Versuchslager Asse, ...
      die Ärztevereinigung Concerned Health Professionals of New York haben die Umwelt- und Gesundheitsrisiken zusammengefasst
      [Verknüpfung]
      • radioaktiver Staub aus Uranminen in Niger, Tansania, Namibia etc. verursacht u.a. Lungenkrebs
        Spiegel: [Verknüpfung]
        regenwald.org[Verknüpfung]
        [Wikipedia 2023 - Rössing-Mine]
        rbb Kontraste: [Verknüpfung]
      • zunehmender unkonventioneller Uranbergbau durch In-Situ-Leaching erzeugt große Mengen an Altlasten und vergiftet Grund- und Tiefenwasser
        [Verknüpfung]
      • Der deutsche Staat hat die Atomindustrie schon früh im großen Stil von Entsorgungsproblemen befreit. Zwischenlager beanspruchen mehr als die Hälfte des Haushalts für das Umweltministerium. Im Versuchsendlager Asse, einem ehemaligen Salzbergwerk, liegen 120.000 Fässer Atommüll und rosten im eindringenden Salzwasser vor sich hin.
        [Verknüpfung]
        Die horrenden Kosten der Zwischenlagerung werden externalisiert auf den Etat des Umweltministeriums BMUV - sie verschlingen 2023 mehr als die Hälfte der Mittel, die anderswo viel dringender gebraucht werden.

        [Verknüpfung]
        Weltweit ist man bei hochradioaktiven Abfällen nicht weiter - mit Ausnahme von Finnland und Schweden, wo immerhin Planungen existieren.
        [Wikipedia 2023 - Endlagerung - Endlagerung radioaktiver Abfälle]
      • In Süditalien und im Mittelmeer hat die Mafia große Mengen Atommüll illegal beseitigt - auch aus deutschen Quellen.
        [Verknüpfung]
      • Störfälle in kerntechnischen Anlagen, die zur Freisetzung großer Mengen radioaktiver Substanzen führten, z.B. in Windscale 1957, Harrisburg 1979, Tschernobyl 1986 und Fukushima 2011
      • jahrzehntelange großräumige Verseuchung mit radioaktiven Substanzen in den Küstengewässern der Irischen See und des Ärmelkanals durch die Wiederaufbereitungsanlagen in La Hague und Windscale (heute Sellafield)
      • Nitrat-Explosion eines Abfallbehälters mit hochradioaktiven Abfällen in Majak bei Osjorsk, 1957
      • Dammbruch eines Uranminen-Schlackesees am Rio Puerco bei Church Rock, einem Indigenen-Reservat, 1979
      • Zusammenfassung der Gründe gegen Atomkraft:
        [Verknüpfung]
      • Wenig bekannt, weil Ölkonzerne nach Möglichkeit ihr Betriebsgeheimnis ausnutzen, und man sie machen lässt: Technological[ly] Enhanced Natural Occurring Radioactive Material (TENORM). Von Anfang an wird weltweit bei der Öl- und Gasförderung Wasser aus den Lagerstätten mit gefördert, das mit radioaktiven Schwermetallsalzen belastet ist. Die sog. unkonventionellen Methoden wie Fracking fördern immer größere Mengen davon.
        [Verknüpfung]
      • Die Hauptstadt von Malaysia, Kuala Lumpur, verdankt ihren Namen dem jahrhundertelangen Abbau von Zinn, das für die englische Produktion von Konservendosen gebraucht wurde - einer wichtigen Schlüsseltechnologie des Kolonialismus. Kuala Lumpur bedeutet "schlammige Flussmündung". Die Schlämme aus dem Zinnbergbau sind naturgemäß schwermetallbelastet.
      • Zwangsumsiedlungen, Grundwasserabsenkungen, Krebs durch Staubbelastung und Wasserverseuchung, Mord an 2800 Gewerkschaftern etc. durch Steinkohleminen in Kolumbien
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
        Filmtip: ZDF zoom: Böse Mine - gutes Geld. ZDF 2013
        ZDF: [Ruppert 2013]
        Youtube: [Ruppert 2013 - yt]
      • Grundwasserabsenkungen, Krebs durch Staubbelastung und Wasserverseuchung durch Mountaintop-Removal in West Virginia, USA
        Youtube: [Ruppert 2013 - yt]
      • eine ewig lange Liste von Ölpest-Ereignissen (nicht zu vernachlässigen die Treibhausgas-Wirkung der Kohlenwasserstoff-Emissionen)
        [Verknüpfung]
        z.B.
        • Ein offenes Tiefsee-Bohrloch im Golf von Mexiko konnte monatelang nicht geschlossen werden, der Golf von Mexiko ist verseucht: Deepwater Horizon.
          [Verknüpfung]
        • In Westsibirien wird bei der Ölförderung seit Jahrzehnten gespart - riesige Flächen in der Region sind mit gigantischen Mengen Öl verseucht, die Ausgasung der Kohlenwasserstoffe verstärkt den Treibhauseffekt erheblich.
          [Verknüpfung]
        • Vergleichbar das Drama im Nigerdelta; die Mengen sind zwar um Größenordnungen kleiner, dafür sind umso mehr Menschen direkt von Verschmutzung und Verseuchung betroffen. In Nigeria verursachen die europäischen Ölkonzerne Shell und Eni seit Jahrzehnten Massenverelendung.
          SRF: [Verknüpfung]
          Dafür wurden sie 2018 endlich in den Niederlanden unter Anklage gestellt, unermüdlich angetrieben von der NGO global witness.
          [Verknüpfung]
          Die Klage hatte 2021 Erfolg, 25 Jahre nach der Hinrichtung des Umweltaktivisten Ken Saro-Wiwa. Es wird wohl nicht das letzte Urteil dieser Art sein.
          [Verknüpfung]
          [Verknüpfung]
          In UK dagegen wurde eine Klage 2023 wegen Verjährung abgewiesen.
          ARD: [Verknüpfung]
        • Bei uns weit weniger bekannt, weil der Amazonas-Urwald weniger im Fokus europäischer Hilfsorganisationen steht: Texaco (heute Chevron) verschmutzte eine riesige Fläche im Amazonas-Regenwald, was u.a. die lokale Krebsrate steigen ließ. Die Indigenen erhielten 1993 9,5Mrd. US-$ für Sanierungsarbeiten zugesprochen. Ihr Anwalt Donziger wurde jedoch 2013 des Betrugs in der Sache für schuldig gesprochen. Der Richter Kaplan hatte private Ermittler eingesetzt, weil die Staatsanwaltschaft die Ermittlung ablehnte. In der Folge ist die Entschädigungsfrage weiter ungeklärt.
          [Verknüpfung]
          [Verknüpfung]
          [Verknüpfung]
      • in auftauenden Permafrostgebieten wird die Infrastruktur tiefgreifend zerstört; mittlerweile müssen dort Pipelines unter hohem Energieaufwand eingefroren werden.
        [Verknüpfung] [Verknüpfung] [Verknüpfung]
      • die zunehmend genutzten unkonventionellen Fördermethoden für Erdöl und -Gas bedeuten immer einen höheren Energieaufwand (v.a. bei Teersand) und auch höhere Risiken der Belastung mit Öl (v.a. bei Tiefseebohrung), Förderhilfsstoffen (v.a. bei Fracking) und Emissionen potenter Treibhausgase (v.a. bei Fracking)
      • Donald Trump machte regelmäßig mit Lockerungen der Auflagen für die (volkswirtschaftlich hoch bedeutsame) Fracking-Industrie Schlagzeilen. Das bedeutet mehr zulässige Leckagen von Methan, einem potenten Treibhausgas. Das hinderte Peter Altmaier nicht, sofort Trumps Forderung nachzukommen, das Gas in Europas Gasnetz einzuspeisen; EU-Kommissionspräsident Juncker hatte den Deal "Gas und Soja gegen Autos" eingefädelt.
        [Verknüpfung]
        Donald Trump genehmigte in den USA die Öl- und Gasförderung auch in geschützten Naturparks.
        [Verknüpfung]
      • verwaiste Fördereinrichtungen sind potentielle Lecks für Methan, allein in den USA sind 3,2 Millionen registriert
      • Ölförderung wird immer wieder in Naturschutzgebieten erlaubt; man schreckt dabei auch vor Weltnaturerbe nicht zurück
        [Verknüpfung]
    • Schadstoffausstoß durch Verbrennermotoren (NOx, Ruß-Feinstaub) und Kohlekraftwerke (Schwermetallsalze)
      correctiv: [Verknüpfung]
      • Stickoxide sind gesundheitsgefährlich, ökotoxisch, säurebildend und sind Vorläufer von Ozon, das in der Troposphäre zelltoxisch wirkt (in der Stratosphäre dagegen ist es notwendig zum Blocken der UV-Strahlung; dort wird es durch organische Chlorverbindungen zersetzt)
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
      • Kohlekraftwerke in Quintero-Puchuncaví/ Chile
        [Verknüpfung]
      • die billige Filtertechnik deutscher Kohlekraftwerke verursacht gegenüber dem Stand der Technik (z.B. "clean coal" der USA...) seit Jahren die fünffachen Emissionen an Quecksilber - das moniert jetzt auch die EU-Kommission und fordert entsprechende Gesetze
        [Verknüpfung]
      • [Verknüpfung]
    • für großindustrielle Prozesse, die riesige Mengen an CO2 freisetzen, gibt es Alternativen; ein Preis für CO2 würde die konventionellen Verfahren unrentabel machen
      • die Stahlerzeugung erfolgt aus Kostengründen im Hochofenprozess mit Steinkohle, obwohl die klimaneutrale Reduktion mit Wasserstoff bereits im technischen Maßstab durchgeführt wird
      • die Hitze für die Zementherstellung (Thermolyse von Carbonaten) könnte man klimaneutral aus konzentrierter Sonnenstrahlung bereitstellen (wie im solarthermischen Kraftwerk) - doch die (teils auch noch extrem schadstoffintensive) Verbrennung von Müll (u.a. Altreifen) und fossilen Brennstoffen ist noch zu billig
    • Chemikalienverseuchung, besonders in den Entwicklungs- und Schwellenländern: vielfältige Belastungen durch Industriebetriebe, Recyclingbetriebe und Erzminen, Quecksilberemission bei der Goldwäsche, Sickerwässer aus Mülldeponien, Dammbrüche von Schlackeseen, etc., etc., etc..
    • die Chemikalienverseuchung bei uns geht zwar zurück, doch werden immer wieder neue emittierte Stoffe als Mensch- und Umweltgifte erkannt, so z.B. Perfluorierte Substanzen, Nanomaterialien, endokrine Disruptoren und Medikamente
      dazu eine differenzierte Darstellung des Krebsinformationsdienstes:
      [Verknüpfung]
      Eine alarmierende Studie aus den USA:
      [Verknüpfung] Wie hartnäckig die Chemieindustrie bei der Verhinderung von Einschränkungen bei neuen Stoffen ist, sieht man bei den perfluorierten Substanzen, die vor über einem Jahrzehnt auf dem Schirm der Ökotoxikologen aufgetaucht sind. Man braucht sie nicht für irgendwelche lebenswichtigen Sektoren, sie verbessern lediglich bestimmte Produkteigenschaften. Das Problem: sie sind noch persistenter (schlechter abbaubar) als DDT, das bereits in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts nach massiven Protesten aus den Industrieländern verbannt wurde; sie sind verwandt mit Substanzen, die schon lange verboten sind, und stehen unter Krebsverdacht. Aber sie reichern sich nur sehr langsam in der Umwelt an, weil ihre Produktionsmengen verhältnismäßig gering sind. Und so kommt man erst nach Jahrzehnten der Verwendung in Konzentrationsbereiche, die bedenklich sind. Sie sind - wie DDT oder Mikroplastik - ubiquitär.
      Hier die Infoseite einer ökotoxikologischen Beratung:
      [Verknüpfung]
      Studie: [Verknüpfung]
      Die Industriegesellschaften leisten sich in großem Umfang teure analytische Verfahren und gelegentlich auch Sanierungen zu hoch belasteter (verseuchter) Böden - anstatt diese Stoffe einfach zu verbieten. Was die Belastung in Entwicklungsländern angeht, ist die Datenlage natürlich schlechter.
      Der 1971 gegründete, in Skandinavien politisch sehr bedeutende nordische Ministerrat schlägt Alarm. Bei uns dagegen ist die Debatte nur sehr wenigen bekannt.
      [Verknüpfung]
    • Häufig unterschätzt wird die Belastung unserer Wohnräume. Viele der Problemstoffe tragen bei zu einem Cocktail, dessen Risiken sich durch Einzelstoff-Beurteilungen in Tierversuchen nicht vollständig erfassen lassen; das Grenzwert-Problem ist für die Humantoxizität insofern besonders prekär, als dass die Exposition besonders intensiv ist. Gut erkennbare Unverträglichkeiten finden sich eher selten, sollten aber zum Anlass für weitere Vorsorgemaßnahmen sein.
      [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
      • konventionelle Fast-Fashion-Textilien bestehen häufig ganz oder zum Teil aus Kunstfasern, die schwer biologisch abbaubar sind, aber mechanisch in immer kleinere Faserpartikel zerfallen, in Mikroplastik;
        zudem sind die Fasern meist chemisch "ausgerüstet" mit ökotoxischen Substanzen zum Färben, zur leichteren Verarbeitung oder bequemeren Nutzung; sie werden unter oftmals menschenunwürdigen Bedingungen in unglaublichen Mengen produziert;
        greenpeace: [Verknüpfung]
        statista: [Verknüpfung]
        sie sind in den seltensten Fällen geeignet für einfaches Recycling; sie werden deshalb oft, meist in Ländern des globalen Südens, auf riesigen Halden in der Umwelt deponiert
        ARD:
        ARD: [Verknüpfung]
        telepolis: [Verknüpfung]
      • konventioneller Haarfestiger ist gelöstes Mikroplastik;
        das Lösungsmittel verdampft nach dem Versprühen auf dem Haar; das Mikroplastik fällt in kurzer Zeit aus den Haaren und verteilt sich in der Umwelt (Alternative: Zuckerlösung)
      • viele konventionelle Kosmetikprodukte enthalten Mikroplastik, das, teilweise über das Abwasser, letztlich vollständig in die Umwelt gelangt (Alternative: Sandpartikel)
      • kostengünstige Beseitigung ("Entsorgung") auch unserer Kunststoff-Abfälle in Entwicklungsländern - auf den Müllbergen entstehen oft genug Slums
        [Verknüpfung]
      • Silber- und Zinnminen in Potosi/ Bolivien
        [Verknüpfung]
      • Kinderarbeit in Erzminen und massenhafte Bleivergiftung in Cerro de Pasco/ Bolivien
        [Verknüpfung]
      • [Verknüpfung]
      • seit 100 Jahren Blei-, Kupfer-, Silber- und Zinkminen in La Oroya/ Peru
        [Wikipedia 2022 - La Oroya]
      • Gold- und Diamantminen im Globalen Süden und Osteuropa; oft sind sie verbunden mit der Vergiftung von Lebensräumen von Indigenen mit Quecksilbersalzen und Kinderarbeit;
        Schätzungen gehen von 40 Millionen Menschen aus, die hier oft unter Lebensgefahr und/ oder hoher gesundheitlicher Belastung arbeiten, und einer Quote von 1% fairem Goldbergbau; die Rede ist von "Blutgold" bzw. "Blutdiamanten"

        UNICEF-Foto des Jahres 2019, Platz 3: Antonio Aragón Renuncio, dpa. Es zeigt einen völlig entkräfteten Jungen in Burkina Faso. Er ist ein Angehöriger des Volks der Mossi und arbeitet in Goldminen, die für die Konzerne längst als erschöpft gelten. Es geht um winzige Ernten, die unter größten Strapazen aus den Höhlen und Gängen geholt werden.
        morgenpost: [Verknüpfung]
        t-online: [Verknüpfung]
        ARD: [Verknüpfung]
        Brot für die Welt: [Verknüpfung]
        fairever: [Verknüpfung]
        Dokutip: Westafrika - der Fluch des Goldes. SWR 2009
        ARD bei Youtube: [Verknüpfung]
      • katastrophale Schlackeflutwelle im Rio Doce/ Brasilien aus Rückhaltebecken des Eisen-Erzabbaus bei Brumadinho 2019 (272 Tote); 4 Jahre nach einem noch größeren Dammbruch in Mariana (19 Tote)
        Deutschlandfunk Kultur: [Verknüpfung]
        Spiegel: [Verknüpfung]
        Welt: [Verknüpfung]
        Blätter: [Verknüpfung]
        [Wikipedia 2023 - Dammbruch von Brumadinho]
      • starke Belastung großer Mengen von Oberflächenwasser mit alkalischen Schwermetallsalzen bei der Gewinnung von Bauxit, dem Rohstoff für die energieintensive Aluminium-Produktion; das Gemisch wird als Rotschlamm bezeichnet und in riesigen Becken deponiert
        [Wikipedia 2023 - Rotschlamm - Gefahren]
      • Recycling von Blei-Akkumulatoren, vornehmlich aus Verbrenner-Motoren, in Mombasa/ Kenia; aufmerksam darauf machte Phyllis Omido; die Managerin wurde zur Whistleblowerin, weil ihr Kind an Bleivergiftung litt; sie erhielt 2015 den Goldman Environmental Prize
        [Verknüpfung]
        [Wikipedia 2021 - Phyllis Omido]
      • Elektroschrott-Produktion und "-Recycling" in Agbogbloshie/ Ghana
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
    • Überdüngung von Land-Ökosystemen, Seen, Flüssen und ganzer Meere führt bis hin zu Verwüstung und toxischem Sauerstoffmangel; diese Probleme sind bei Ökologen seit vielen Jahrzehnten bekannt; erst seit Kurzem erforscht man die Ausgasung eines weiteren, hochwirksamen Treibhausgases aus überdüngten Flächen: Distickstoffmonooxid (Lachgas) entsteht beim oxidativen Abbau von Humus.
      • Die intensive Tiermast mit zugekauftem Futter stört den natürlichen Kreislauf der Mineralstoffe: anstatt den Tierdung für die Futterpflanzen zu nutzen, wird er auf viel zu kleinen Flächen ausgebracht - was vielerorts eine Nitratverseuchung des Grundwassers verursacht. Aus Nitrat wird krebserregendes Nitrit.
        Für die Futterpflanzen werden unter massiven CO2-Emissionen aus Ammoniak ca. 150 Millionen Tonnen synthetischer Nitratdünger produziert.
        [Verknüpfung]
      • Bakterieller Nitratabbau produziert das Treibhausgas Lachgas, das mit der 300fachen Treibhausgaswirkung gegenüber CO2 aufwartet. Die Mengen aus der industriellen Landwirtschaft machen einen Großteil der Treibhausgas-Wirkung dieses Sektors aus, neben Landnutzungs-Änderung und Humus-Abbau in Böden (ebenfalls verursacht durch überschüssigen Nitratdünger).
        [Verknüpfung]
        Der Effekt ist derart gravierend, dass man den intensiven Anbau von Energiepflanzen ganz neubewerten musste. Bis 2008 wurden sie als Alternative zu fossilen Brennstoffen favorisiert, bis ein Team um Paul Crutzen die Lachgas-Emissionen untersuchte. Von einem treibhausgasneutralen Ersatz spricht seitdem niemand mehr.
        [Verknüpfung]
        2020 wurden die Emissionen der Landwirtschaft neu bewertet.
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
        Das Umweltbundesamt spricht für 2019 von einem Anteil der Landwirtschaft von 8,2% der emittierten deutschen CO2-Äquivalente.
        [Verknüpfung]
        Das Thünen-Institut spricht von 7,6%.
        [Verknüpfung]
        Große Unsicherheiten bei diesen Angaben liegen in der gewaltigen Abbaurate an Humus-Kohlenstoff in Moor-, Dauerweide- und Waldböden. Gerade Düngung, aber auch Klimaerwärmung und Austrocknung beschleunigen den Abbau zu CO2 und Lachgas.
      • Die landwirtschaftliche Nutzung von Mooren setzt eine Trockenlegung voraus, die eine starke Freisetzung von CO2 aus den humifizierten Torfmooskörpern verursacht. Eine der wichtigsten und schnellst wirkenden Maßnahmen ist die Wiedervernässung.
        WDR: [Verknüpfung]
      • Endliches, mineralisches Phosphat wird über Dünger, tierische und menschliche Fäkalien weltweit in Gewässern verbreitet und landet schließlich im Meer. Die Fäkalien sollte man stattdessen zur Bindung von Kohlenstoff-Verbindungen in Humus nutzen und damit die Bodenqualität verbessern und gleichzeitig das Klima schützen.
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
        Gleiches gilt für Kaliumsalze.
        In den Ökosystemen ist Überdüngung eine der wichtigsten Ursachen des Artensterbens:
        • Das Umkippen durch Eutrophierung war vor Jahrzehnten nur ein Problem von Süßwasserseen. Heute betrifft es sogar riesige Meeresregionen und wird durch die Meereserwärmung z.T. extrem verschärft.
          [Verknüpfung]
          Die düsteren Prognosen der Meeresforscher werden von der Realität übertroffen - Ursache ist u.a. die Klimakrise.
          [Verknüpfung]
          Die Klimakrise ist nicht die einzige Ursache des Korallensterbens; als Spezialisten mineralsalzarmer Meeresregionen werden Korallen von Algen überwuchert. Algen sind gegenüber Mineralstoffmangel intolerant, bei Düngung setzen sie sich aber gegen die konkurrenzschwachen Korallen durch. Die mineralsalzarmen Regionen, wo Korallen diese Konkurrenz vermeiden können, werden immer weniger.
          Einer der Schöpfer des Begriffs "Anthropozän", der Meeresbiologe Reinhold Leinfelder, erklärt in seinem Blog "der Anthropozäniker" und auf der Internetseite der FU Berlin.
          [Verknüpfung]
          [Verknüpfung]
        • Ein Massensterben durch Meeres-Überdüngung trifft jetzt auch die große Gruppe der Seesterne. Sie werden durch den Sauerstoffmangel bei Algenblüten besonders anfällig für Bakterien und Viren. Wie die Korallen sind Seesterne Leitorganismen in ihren Ökosystemen: sie regulieren die Populationen der Seeigel, die nun überhand nehmen.
          [Verknüpfung]
        • Cyanobakterien (fälschlich oft als "Blaualgen" bezeichnet) vermehren sich in warmem eutrophiertem Wasser, z.B. in der Ostsee und deutschen Badeseen, und produzieren dabei ein gefährliches Nervengift
        • lebensgefährliche Vibrio-Bakterien, zu denen auch die Cholera-Erreger zählen, vermehren sich mittlerweile massenhaft auch vor der Westküste der USA und im Schwarzen Meer. Manche dieser Arten infizieren Menschen schon über kleine Wunden und Schleimhäute.
          Zeit: [Verknüpfung]
          ECDC: [Verknüpfung]
        • Die flächendeckende Überdüngung verdrängt auch an Land mineralsalzmangel-tolerante Arten, die in der Natur zur (Wieder-)Besiedelung mineralsalzarmer Standorte gebraucht werden. Bei Ausbleiben weiterer Düngergaben können diese Ökosysteme ohne diese Arten nicht weiter besiedelt bleiben - sie können veröden, schlimmstenfalls zur Wüste.
    • kritischer Wasserverbrauch und Gewässerbelastung für Rohstoffgewinnung und landwirtschaftliche Exportprodukte
    • kritische Landnutzung für Rohstoffgewinnung und landwirtschaftliche Exportprodukte
      • Fleisch- und Tierfutterproduktion auf abgeholzten Regenwaldflächen in Südamerika, v.a. in Brasilien unter massiver Vertreibung von Indigenen - unterstützt durch das neue Freihandelsabkommen mit der EU Mercosur
      • [Verknüpfung]
      • Palmölproduktion auf abgeholzten Regenwaldflächen in Südostasien, Ausrottung unzähliger Arten, z.B. des Orang-Utan
        [Verknüpfung]
        die vermeintliche Alternative Kokosöl ist auch nicht besser; v.a. problematisch ist der weit höhere Flächenverbrauch pro Liter
        [Verknüpfung]
        vergleicht man den Flächenverbrauch von Palmöl für Verbrenner-PKW mit der von PV für EAutos, dann kommt man auf Faktor 40; auf der Plantagen-Fläche könnte durch Renaturierung naturnaher, biodiverser Ökosysteme doppelt so viel CO2 gebunden werden, wie beim den Betrieb der Verbrenner gespart wird - entsprechend wird ein Vielfaches an CO2 beim Abholzen neuer Flächen freigesetzt; kombiniert man einen kleinen Teil der Fäche mit PV, kommt man auf noch mehr Klimaschutz-Wirkung

        Studie von T&E für DUH: [Verknüpfung]
    • Produktion und Beseitigung ("Entsorgung") von Kunststoff-Verpackungen:
      Seit 1990 wird das Verpackungs-Recycling organisiert von der Public-Private Partnership DSD. Es berieselt regelmäßig deutsche Verbraucher mit dem Narrativ der umweltfreundlichen deutschen Verpackungswirtschaft, z.B. wieder 2020:
      [Verknüpfung] Dem deutschen Verbraucher wird die wohltuende Illusion vermittelt, mit der Mülltrennung würde er einen bedeutenden Beitrag zum Umweltschutz leisten. Die Wahrheit sieht leider ganz anders aus.
      • seit 1990 wurden riesige Mengen deutscher Verpackungen mit dem Grünen Punkt ganz legal im Ausland beseitigt, ohne auf den Verbleib zu achten - in Deutschland galt er damit als recycelt

        [Verknüpfung]
      • unverbrannt beseitigt zerfällt Kunststoff mittelfristig in chemisch langzeitstabile, lungen- und zellgängige Fasern: Mikroplastik, Nanoplastik; diese oxidieren langfristig zu CO2
        Studie: [Verknüpfung]
      • die meisten Verpackungen lassen sich nicht recyceln, weil sie aus Verbundmaterialien bestehen; sie werden verbrannt, wobei ihre Aluminium- und Farbstoffanteile zu Sondermüll-Asche reagieren;
        ohne diese Verbrennung:
        • würde die Verbrennung des nassen Restmülls zu Sondermüll-Asche und CO2 nicht funktionieren
        • würden jährlich die entsprechenden Mengen Kunststoff pro Kopf nicht neu aus Rohöl hergestellt
        • wäre unsere CO2-Bilanz besser
        Man vergleiche nur die Zahlen: von ca. 40kg Kunststoff pro Kopf wurden 2018 53% verbrannt.
        [Verknüpfung]
        In der staatlichen Statistik bleiben von diesen verlorenen 1.700.000t aber nur 19.000t, weil Verbrennen als "thermisches Recycling" bezeichnet wird, und die Recyclingquote damit auf sagenhafte 99,4% steigt. Dabei entstehen rund 5.000.000t CO2.
        [Verknüpfung]
        Auch der WWF spricht von fast 90% der Kunststoffverpackungen, die neu aus dem Rohstoff Öl produziert werden, und macht konkrete Vorschläge für die Verpackungswende.
        [Verknüpfung]
        Man sollte meinen: eine einfache Aufgabe, Kekse zu verpacken. Die unternehmerische Freiheit in Deutschland erlaubt eine (mindestens) 5-schichtige Verpackung inclusive 2 Schichten Aluminium und einer dicken Mattbeschichtung aus organischen Farbstoffen. Wirtschaftliches echtes Recycling unmöglich, genauso wie sondermüllfreies Verbrennen (das wird dann euphemistisch als thermisches Recyceln bezeichnet). Wesentlich empfindlicher: Milch. Hier reicht den Franzosen, Italienern und Engländern ein einschichtiger durchgefärbter PE-Schlauch, der sich (farbsortenrein getrennt) hervorragend recyceln lässt: ein Monomaterial. Als Etikett reicht ein angeklebter Papierstreifen, der wesentlich problemloser bedruckbar und recyclingfähig ist.
        [Verknüpfung]
        In Deutschland dagegen herrscht hier der Vielschicht-TetraPak vor, dessen besonderer Umweltvorteil gegenüber der Milchflasche seit Jahrzehnten gepriesen wird: Ökobilanzen von Produktion, Transport und Verbrennung, Schülerversuche zum Recycling (natürlich aus Kostengründen selten in der Realität praktiziert), usw..
        [Verknüpfung]
      • Plastikvermeidung durch Einweg-Glas?
        Die Kampagne gegen die globale Plastikflut zeigt Wirkung: jetzt bewirbt ein Lebensmittel-Discounter sogar Plastikvermeidung durch Joghurt im Einweg-Glas, obwohl das in den 90ern gängige Mehrweg-Glas die Plastikwelle gerade so überlebt hat und erst jetzt wieder boomt. Dabei wurde dem Verbraucher bei den Discountern lange mit aufwändigen Ökobilanzen erzählt, wie umweltfreundlich selbst Tetrapaks (Vielschicht-Kartons mit Aluminiumkern) seien - wegen der Energiebilanz beim Transport. Das Einwegglas hat gegenüber Tetrapak noch den zusätzlichen Nachteil des größeren Transportvolumens und -Gewichts, einzig das Recycling-Problem entfällt. Dafür ist Glasreycling sehr energieaufwändig.
        Der Verbraucher muss ein Pfandglas wieder zum Händler zurücktragen, ein Einwegglas dagegen "nur" zum Glascontainer - eine minimale Zumutung, die man höchstens mit dem Tempolimit vergleichen könnte.
    • Um die Investoren im Nachfrage-Tief der Corona-Krise nicht weiter zu beunruhigen, verkündet die Ölindustrie Pläne, verstärkt in Kunststoff-Produktion zu investieren. Das funktioniert natürlich nur, wenn Kreislaufwirtschaft weiterhin erfolgreich politisch verhindert wird.
      [Verknüpfung]
      Der 2020 beschlossene Circular Economy Plan der EU scheint den größten Kunststoffproduzenten der EU Ineos nicht nachhaltig zu beeindrucken. Er investiert in eine neue Anlage 3 Milliarden Euro, die in Antwerpen ausgerechnet aus US-Fracking-Gas Grundstoffe für die Kunststoff-Produktion gewinnen soll.
      Damit die Öffentlichkeit keine Bedenken entwickelt, werden Plastik-Mythen verbreitet. Barbara Unmüßig von der Heinrich-Boell-Stiftung diskutiert sie in der Zeit.
      [Verknüpfung]
    • ...und natürlich v.a. das Mega-Problem, das man mit der Mobilitätswende (ÖPNV, Fahrrad, Elektroauto) bzw. Windrädern lösen will - die Klimakrise - die immerhin existenzbedrohend für die gesamte Menschheit ist
    • diese Liste benennt viele Mega-Probleme nur in Stichworten und ließe sich über Seiten fortsetzen; die Darstellung der Probleme in ihrer Gänze füllt Bibliotheken...

    Um solche unmoralischen Geschäfte zu betreiben, reichen Kunden, deren unreflektierte Bedürfnisse man mit Werbung weckt, und Staaten, die alle Augen zudrücken, um die Machtposition ihrer Unternehmen zu stärken. Die bisherige Geschichte des Lieferkettengesetzes ist eine Farce.

    Die UN-Menschenrechts-Standards wurden erstmalig 1948 verkündet. Ihre Einhaltung hätte seitdem gesetzlich streng geregelt werden können - es liegt in der Verantwortung der Politik. Bislang allerdings basiert sie komplett auf Freiwilligkeit.
    Welche Menschenrechtsverstöße konkret deutschen Firmen angelastet werden, listet die NGO OxFam seitenweise auf.
    [Verknüpfung]
    Die Grünen bringen 2019 einen Antrag ein.
    [Verknüpfung]
    Die Antwort von CDU-Klimaschutz-Bremser Joachim Pfeifer auf die Zustimmung des Bundesrats zum Entwurf eines Lieferkettengesetztes im Februar 2021 fällt ernüchternd aus: er spricht von einem "Bestrafungsinstrument" für deutsche Unternehmen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Über die Art und Weise, wie die entsprechende Gesetzgebung in Deutschland verläuft, hier zunächst ein Bericht des Politmagazins Monitor. Zuerst einmal sollte geprüft werden, ob ein Lieferketten-Gesetz überhaupt nötig ist. Bei diesem sogenannten Monitoring-Prozess wurden 3000 der betroffenen 7100 Unternehmen auf Einhaltung bestimmter Menschenrechtskriterien befragt. Falls mindestens 400 antworten und davon mindestens die Hälfte angibt, die abgefragten Kriterien zu erfüllen, wird der Gesetzgebungsprozess ausgesetzt.

    [Verknüpfung]
    Im Dezember wurde das Ergebnis der Befragung öffentlich: nur 464 Unternehmen haben geantwortet, und nur 20% davon gaben an, die Kriterien zu erfüllen. Damit müsste nach den vorherigen Ankündigungen der Regierung eigentlich ein Gesetzgebungsprozess eingeleitet werden.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Stattdessen kündigt sie eine zweite Befragung an, die bis Juni 2020 ausgewertet werden soll.
    [Verknüpfung]
    Angesichts dieses Gesetzes-Notstands las sich die damalige Selbstdarstellung der Bundesregierung wie blanker Hohn.
    2021 gibt es zwar endlich ein Gesetz, das von Menschenrechts-Organisationen aber immer noch als zu wenig wirksam kritisiert - vor allem weil es nur für einen Bruchteil des Handelsvolumens gilt.
    [Verknüpfung]
    Der Klimaschutz-Bremser Joachim Pfeiffer vom Wirtschaftsflügel der CDU dagegen bezeichnet das Gesetz als "Bestrafungsinstrument" für deutsche Unternehmen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Und wie so oft, so schreitet das EU-Parlament trotz aller deutschen Trägheit auch in dieser menschheitsentscheidenden Frage voran. Leider werden die Importeure noch aus der Haftung genommen, und die geschützten Ökosysteme sind auf Wälder beschränkt. Und die Gesetzgebung wird noch vom EU-Rat beeinflusst, in dem die Regierungen der Mitgliedsstaaten das Sagen haben.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Die Initiative International Justice Mission IJM spricht von deutschen Importen im Wert von 30 Milliarden Euro, die mit Sklaverei zusammenhängen könnten.
    [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]

    Die Initiative Lieferkettengesetz bringt das Problem mit ihrem Slogan auf den Punkt.


    Statt Moral Distancing braucht es jetzt einen gesetzlichen Rahmen.
    Initiative Lieferkettengesetz
    [Verknüpfung]

    Auch in der Opposition, wo sie ja eigentlich auch populäre Meinungen vertreten kann, geht die CDU wieder hinter den schwachen Gesetzes-Kompromiss ihrer Großen Koalition mit der SPD zurück und stellt im Dezember 2022 im Bundestag einen Antrag auf ein zweijähriges Aussetzen des Inkrafttretens.
    [Verknüpfung]
    Aber auch die Ampel-Koalition selbst ist dabei, das Gesetz zu entschärfen. Mit Safe-Harbour-Klauseln können sich Unternehmen weitgehend aus der Verantwortung nehmen.
    Die ersten Klagen aufgrund des deutschen Gesetzes gegen deutsche Discounter laufen 2023 an.
    [Verknüpfung]

    Im globalen Süden werden nicht nur die Interessen von Beschäftigten von der deutschen Politik nur unzureichend geschützt. Auch die Geschädigten deutscher Unternehmen können dort erst seit April 2021 mit Unterstützung rechnen. Seit dem hat auch Deutschland das "Übereinkommen über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern" ratifiziert. Noch 2012 lehnte die Schwarz-Gelbe Koalition den Antrag von Rot-Grün ab mit dem Verweis auf mögliche Haftungs- und Prozessrisiken für deutsche Unternehmen.
    Webarchiv: [Verknüpfung]
    Webarchiv: [Verknüpfung]

    Für die Akkus seiner Elektroautos will Mercedes auf Einhaltung der Menschenrechts-Standards achten - weil Mercedes sich der besonderen Fokussierung auf mögliche ethische Probleme speziell bei alternativer Mobilität bewusst ist. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass andere Hersteller nachziehen werden, weil das Thema medial so präsent ist. Einmal mehr sorgt der Druck der Zivilgesellschaft für Reaktionen der Wirtschaft, die ihrerseits die Politik unter Druck setzt. Das könnten wir einfacher haben, wenn die Politik ihrer Verantwortung gerecht würde.
    [Verknüpfung]
    Das zeigt: wenn der Wille da ist, geht es doch. Weitere Beispiele aus der Praxis vom Bundesverband Nachhaltige Wirtschaft e.V. BNV.
    [Verknüpfung]

    Das strukturelle Problem hinter der Ausbeutung ist die Verteilung des Geldes. Da sich diese Verhältnisse von alleine verschärfen, handelt das neoliberale System selbst durch Untätigkeit unmoralisch.

    Seit Jahrzehnten fordert die UN von der Welthandels-Organisation WTO, Patente für lebensrettende Medikamente in bestimmten Ausnahmefällen, z.B. Pandemien wie AIDS oder Covid-19 frei zu geben, um eine kostengünstige Produktion zu ermöglichen - vor allem angesichts der staatlichen Finanzhilfen bei der Entwicklung. Ein wichtiger Antreiber dabei ist Südafrika, wo die Überwindung des weißen Rassentrennungs-Regimes (Apartheid) durch die Ubuntu-Bewegung des Menschenrechtlers Nelson Mandela noch in Erinnerung ist (Südafrika hat auch die Entwicklung der gleichnamigen freien Linux-Distribution verdient gemacht). Im Mai 2021 schließen sich die USA unter Präsident Biden in der Frage des Covid-19-Impfstoffs endlich an - Deutschland aber nicht, Angela Merkel selbst schließt das kategorisch aus.
    Die NGO Oxfam spricht bei diesem Beharren der Impfstoff-Monopolisten auf die Nutzung ihrer Patentrechte in ihrem Bericht "Inequality Kills" von "beschämenden Vakzin-Apartheid".
    [Oxfam 2022] Zu solchen Vorwürfen muss die Industrie sich positionieren, zum Beispiel über den Ethikverband der Deutschen Wirtschaft. Dessen Präsidentin Dr. Irina Kummert kann den kritischen Fragen des DLF-Redakteurs Samir Ibrahim allerdings nicht mehr entgegensetzen als den Vorwurf von "Totschlags-Argumenten", konstruiert eine unsinnige Alles-oder-Nichts-Abwägung um Geld oder Menschenleben - und entscheidet sich (wenig überraschend) für das Geld: das ist nichts anderes als eine moralische Bankrotterklärung.

    Ibrahim: "Inwieweit haben die Unternehmen denn möglicherweise eine Verantwortung für die Gesellschaft, der sie am Ende auch nachkommen müssen?"
    Kummert: "Gut, das ist natürlich 'n Totschlags-Argument, wenn Sie mit Verantwortung kommen. Ich denke, dass wir immer abwägen müssen. Aktionäre haben ja auch berechtigte Interessen, und [...] da geht's um Vertrauen, um Verbindlichkeit. Wenn ich ein [...] finanzielles Engagement eingehe, dann erwarte ich berechtigterweise, dass ich in irgendeiner Form etwas zurückkriege. Und da müssen wir uns gut überlegen, bei dieser Werte-Abwägung, was wir aufgeben, wenn wir jetzt tatsächlich sagen, Verantwortung steht über allem, und Vertrauen zählt gar nichts mehr."
    [...] Ibrahim: "Angesichts der Bilder, die wir zur Zeit aus Indien sehen, gibt es da nicht auf Seiten der Unternehmen eine moralische Verpflichtung?"
    Kummert: "Puh, das ist auch wieder ein Totschlags-Argument, da stellt sich natürlich keiner hin und sagt, “es ist mir wichtiger, dass ich als Aktionär meine Rendite bekomme”, als angesichts dessen, dass in Indien so viele Menschen sterben. Gleichwohl denke ich, dass wir trotzdem berücksichtigen müssen, wenn wir wollen, dass unser [...] ökonomisches System, und das hat ja auch Auswirkungen auf andere Werte, dass das aufrecht erhalten bleibt, funktioniert nur, wenn wir nicht mit dem Argument “wir rechnen alles auf gegen Menschenleben”, agieren."

    Da braucht sich auch kein "böser" Investor hinstellen - wofür gibt es den Ethikverband? Dr. Kummert spricht vom Ergebnis einer "ethischen Abwägung", was Jorge Bergoglio (Papst Franziskus) so formuliert: "diese Wirtschaft tötet".
    Kummert spricht von Abwägung, erkennt aber nur zwei extreme Optionen an, die nach ihrer Darstellung einander ausschließen: entweder nur Vertrauen (der Anleger in das Besitzrecht) oder nur Verantwortung (gesetzliche Verpflichtung der Anleger zum völligen Verzicht für das Gemeinwohl). Als gäbe es keine Ausnahmen und keine Kompromisse.
    Und selbst wenn man sich wirklich auf diese Schwarz-oder-Weiß-Entscheidung einlässt: welches Interesse hat denn mehr Berechtigung? Die unbeschränkte Rendite weniger Investoren oder das nackte Überleben von Millionen von Menschen? Kummerts Wortwahl von Totschlags-Argumenten ist geradezu grotesk, eigentlich hätte sie sie um jeden Preis vermeiden müssen. Dieser Freudsche Versprecher fiel mir erst beim zweiten Hinhören auf, so tief verwurzelt ist die neoliberale Logik auch in meinem Denken.

    Kummert: "Dann sagen wir irgendwann - wir haben das beim Lieferkettengesetz schon gesehen, “da gibt's unwürdige Verhältnisse in den Fabriken, wir machen die alle zu” - und das Ergebnis ist, dass in Ländern, in denen es keine andere Möglichkeit gibt für Menschen, Geld zu verdienen, dass [...] die dann wieder 'n anderes Problem haben. Also es ist immer 'ne Folgenabschätzung notwendig. “Was sind die Konsequenzen meines Handelns?”, und immer dann, wenn ich mit Menschenleben argumentiere, dann machen sie eine rationale Debatte, die ich immer auch angesichts dessen für erforderlich halte, die machen sie tot."

    Hier endlich im O-Ton das am Stammtisch oft gehörte Argument der Verluste von Sweatshop-Arbeitsplätzen, aus berufenem Mund.
    Die Argumentation mit Menschenleben sei "nicht rational". Im Alten Rom konnte man den Weg des Geldes nicht verfolgen, das Sprichwort sagte: Pecunia non olet, Geld stinkt nicht. Mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist das kollektive Wegschauen ethisch nicht mehr haltbar.
    [Verknüpfung]

    Eine völlig gegenteilige Auffassung zu Kummert vertritt Jonas Salk, der Entwickler des Polio-Impfstoffs. Er antwortete auf die Frage, warum er diesen nicht hat patentieren lassen:


    Es gibt kein Patent. Könnte man die Sonne patentieren?
    Jonas Salk

    [Verknüpfung]

    Das Taktieren von Pharmalobby und Bundesregierung in der Impfstoff-Patentfrage fasst abgeordnetenwatch zusammen.
    [Verknüpfung]

    Umso absurder erscheint vor diesem Hintergrund der Versuch, Naturgüter wie Tiere oder Pflanzen (die nicht einmal genmanipuliert sind) patentieren zu lassen. Mehrere erfolglose Versuche von Pflanzenzüchtern vor dem Europäischen Patentamt München führten 2011 zu einer Gesetzgebung, bei der sich alle Bundestags-Fraktionen gegen Patentierungsmöglichkeiten entschieden.
    [Verknüpfung]







    Fossilökonomisten geben seit Jahrzehnten diese Parole aus. Sie bezeichnen Menschen, die ein Ende der industriellen Landwirtschaft fordern, bestenfalls als romantisch und naiv. Regelrechte Hetze betreiben Rechtskonservative. Z.B. der frühere Klimaskeptiker Axel Bojanowski in der Welt, der Umweltaktivisten als Menschenfeinde bezeichnet. Oder der Fundamentalchrist Markus Krall, zu Lebzeiten des Nazierben und AfD-Unterstützers August von Finck junior Firmensprecher von dessen Degussa Sonne/Mond Goldhandel, der ihnen die Menschlichkeit abspricht und sie regelrecht verteufelt.
    Bei fossilökonomistischen Fachpolitiker der gemäßigten Parteien sind die Argumente dieselben. Zitat Andreas Glück, Umweltpolitiker [also nicht etwa Agrarpolitiker] der FDP im Europaparlament:

    "Es gibt halt das Risiko, dass generelle und für die Mitgliedstaaten verbindliche Pestizid- und Düngereduktionsziele auf Unionsebene an den spezifischen Gegebenheiten vor Ort vorbei gehen. Wollen wir Verantwortung übernehmen und einen stärkeren Beitrag zur Ernährung der zunehmenden Weltbevölkerung tragen kann es nicht in unserem Sinne sein, unsere heimische Landwirtschaft künftig weniger ertragreich zu gestalten[.]"
    [Verknüpfung]

    Ins gleiche Horn bläst die agrarpolitische Sprecherin und Vize-Fraktionsvorsitzende der FDP Carina Konrad, als sie den Ukraine-Krieg instrumentalisiert: jeder kennt die Redensart von der Kornkammer Russlands. Sie setzt sich mit dieser Begründung für das Aussetzen der Agrarwende ein, spielt damit aber wieder das Ausmaß der Biodiversitätskrise, und die Potentiale des Fleischverzichts herunter.
    [Verknüpfung]
    Hier zeigt die FDP wieder klare Kante gegen die eindeutigen Ergebnisse der Wissenschaft: die Agrarwende ist genauso entscheidend für den Fortbestand der Menschheit wie die Energiewende. Anders als bei der Energiewende, wo sie mit dem Eintritt in die Ampel-Koalition eine 180°-Wende vollzogen hat: ein weiteres Indiz dafür, dass die Finanzwelt sich aus der Carbon Bubble zurückzieht. Leider ist das Geschäftsmodell der Agrarindustrie noch nicht ausreichend unter Druck. So wie bisher Klimaskeptiker unterwegs waren, sorgen jetzt Agrarwende-Skeptiker für die entsprechende Desinformation.
    Am 06.04.2022 drückt die EU-Kommission eine entsprechende Aussetzung der ökologischen Maßnahmen bei EU-Parlament und EU-Rat durch.
    Die Agrarpolitikerin Maria Neuchel (SPD) protestiert im Deutschlandfunk vehement, man müsse nur den Tierbestand vermindern und den Fleischkonsum reduzieren: "Zwei Drittel unseres in Europa erzeugten Weizens wandert in den Tiertrog. Nur ein Drittel wird zum Beispiel zum Brotbacken verwandt."
    Das Gegenteil behauptet Norbert Linz (CDU), Vorsitzender des Agrarausschusses im EU-Parlament. Er wird am 07.04.2022 von Holger Beckmann im DLF interviewt. Er sieht ein Problem im Ersatz des knapp gewordenen Kunstdüngers, und hat dafür eine sehr bemerkenswerte Lösung parat:


    Wenn man weiß, dass man [...] eine Düngerknappheit zu befürchten hat, dann weiß man glaub' ich auch, dass sehr viel organischer Dünger zukünftig notwendig isch. Wo kommt organischer Dünger her? Aus Tieren. Also insbesondere die ökologische Landwirtschaft braucht eher mehr Tiere als weniger.
    Norbert Linz
    DLF: [Verknüpfung]
    Audio: [Verknüpfung]

    Womit das Tierfutter gedüngt werden soll, verrät Linz nicht. Das haben sich meine Schüler:innen allerdings auch gefragt, auf diese Frage sind etliche der vielen Fachleute in Brüssel sicher auch gekommen. Und die entsprechenden Antworten wurden sicher auch diskutiert. Also entweder hat Linz diese Zusammenhänge nicht verstanden, oder er hält die Zuhörer des Interviews für zu dumm zu erkennen, dass diese Begründung purer Unsinn ist.
    Auch hier hätte ich eine kritische Nachfrage des Journalisten erwartet - sie kam nicht.

    Das Nature Restoration Law sollte ein zentraler Baustein des European Green Deal werden, wurde aber beinahe vom EVP-Vorsitzenden Manfred Weber (CSU) - als Begründung wieder die Behauptung, der geplante Naturschutz gefährde die Welternährung und die Energiewende.
    Massive Widerstände gegen die Gesetzesblockade gab es sogar aus der Wirtschaft, und im EU-Parlament kam Weber dann auch nicht durch. Im Juli 2023 steht jedoch die Zustimmung des Europarats, wo zweifelhafte politische Händel mit rechten Populisten schon manche sinnvolle Regelung verhindert haben, noch aus.

    All diese populistischen Behauptungen der Fossilökonomisten sind in vielfacher Hinsicht Steilvorlagen für Arten- und Klimaschützer.


    Es gibt keine Alternative zur biologischen Landwirtschaft - die Schäden durch industrielle Landwirtschaft werden in Billionen beziffert

    Der IPBES (Weltbiodiversitätsrat), ein UN-Forschergremium für Artenschutz (vergleichbar mit dem IPCC), beobachtet seit etlichen Jahren die katastrophale globale Entwicklung im Artenschutz. Die wichtigsten Punkte sind in David Attenboroughs BBC-Dokumentarfilm "Extinction - The Facts" zusammengefasst. Zum Beispiel zitiert er eine Studie zur globalen Verteilung von Biomasse: von allen Landsäugetieren sind 60% Vieh, 36% Menschen und ganze 4% Wildtiere.
    [Verknüpfung]
    PNAS-Studie: [Verknüpfung]
    In der EU gibt es eine eigene Behörde für Artenschutz. Sie schlägt von Jahr zu Jahr lauter Alarm.
    [Verknüpfung]


    Unsere Bewertung zeigt, dass die Erhaltung der Gesundheit und Widerstandsfähigkeit der Natur und des Wohlergehens der Menschen grundlegende Änderungen in der Art und Weise erfordert, wie wir Lebensmittel erzeugen und konsumieren, Wälder bewirtschaften und nutzen und Städte bauen. Diese Anstrengungen müssen mit einer besseren Umsetzung und Durchsetzung der Naturschutzpolitik, einem Schwerpunkt auf der Wiederherstellung der Natur sowie immer ehrgeizigeren Klimaschutzmaßnahmen, insbesondere im Verkehrs- und Energiesektor, einhergehen.
    Hans Bruyninckx, Exekutivdirektor der EUA

    Die zu erwartenden Zukunftskosten des Agrar-Ökozids rief vor der Verabschiedung der aktuellen Gemeinsamen Agrarpolitik GAP der EU den Rechnungshof ECA auf den Plan. Er warnt 2018: die geplante GAP verteilt weiter einen Großteil der Subventionen ohne Nutzen für die Umwelt und wird damit den ökologischen Anforderungen bei Weitem nicht gerecht; auch die Kontrollen seien nicht effektiv.
    ECA: [Verknüpfung]
    Artikel in Naturschutz und Landschaftsplanung: [Verknüpfung]
    Topagrar: [Verknüpfung]
    agrarheute: [Verknüpfung]
    Nabu: [Verknüpfung]
    Das Umweltbundesamt markiert 2017 die Probleme der deutschen Agrarpolitik der letzten 30 Jahre.
    Studie UBA: [Verknüpfung]
    Der Forschungsschwerpunkt Biotechnik, Gesellschaft und Umwelt BIOGUM an der Universität Hamburg entwirft bereits 2003 die Agrarwende.
    Studie BIOGUM: [Verknüpfung]
    Die Unternehmensberatung Boston Consulting Group BCG rechnete 2019 die Optionen der Landwirtschaftspolitik am Beispiel Deutschlands durch. Sie bezifferte die volkswirtschaftlichen Gewinne aus der deutschen industriellen Landwirtschaft mit 21 Milliarden Euro - und die Kosten mit 90 Milliarden Euro.
    Die Studie beziffert die Faktoren für die wahren Kosten verschiedener Supermarkt-Produkte; d.h. eigentlich müssten diese Produkte jeweils mit dem entsprechenden Faktor multipliziert werden, um die ökologischen Kosten wiederzugeben.

    • Rind 5-6
    • Schwein 2-2,5
    • Geflügel 3-4
    • Milch 2,5-3
    • Eier 2
    • Brotweizen 5
    • Äpfel 1,1
    • Möhren 1,1
    • Kartoffeln 2

    Studie BCG: [Verknüpfung]
    Studie BCG: [Verknüpfung]
    Pressemitteilung: [Verknüpfung]
    Zu den Kosten der Schäden kommen noch je nach Berechnung 5-13 Milliarden jährliche Subventionen, die in der EU für die Massentierhaltung ausgegeben werden.
    Seit 2019 ist das Bündnis Gemeinsam gegen die Tierindustrie aktiv, das einen Abbau der Tiermast um 80% fordert. 2021 legt es in einer vielbeachteten Studie dar, dass die Tiermast in Deutschland mit 13,2 Milliarden Euro jährlich subventioniert wird.
    Studie der NGO Gemeinsam gegen die Tierindustrie: [Verknüpfung]
    Studie als Pdf-Datei: [Verknüpfung]
    Pressemitteilung: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Geo: [Verknüpfung]
    GEO: [Verknüpfung]

    Die Zukunftskommission Landwirtschaft ZKL war eine große Expertenkommission im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums unter Julia Klöckner, die möglichst viele Akteure, auch der Agrarlobby, einbezog.
    Uwe Jahn von SWR2 findet die Einstimmigkeit der Experten bemerkenswert. Die industrielle Landwirtschaft kann die Weltbevölkerung nicht nachhaltig ernähren, denn sie zerstört die Ökosysteme unter- und oberirdisch.
    SWR2: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2024 - Zukunftskommission Landwirtschaft]
    Zitat aus dem Bericht:

    In der Richtung seiner Analysen und Empfehlungen lässt sich dieser Abschlussbericht auch von einer Vision für die Zukunft des Landwirtschafts- und Ernährungssystems leiten, welche die Vertreterinnen der Jugend im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und des Bundes der Deutschen Landjugend für die ZKL gemeinsam entwickelt haben. Diese Zukunftsvision verbindet die Bedürfnisse von landwirtschaftlichen Erzeuger:innen und Verbraucher:innen, Natur, Umwelt und kommenden Generationen weltweit. Ihr zufolge sollten Landwirt:innen breite gesellschaftliche Anerkennung inkl. finanzieller Entlohnung erhalten, denn sie übernehmen gesellschaftliche und ökologische Verantwortung. In Zukunft trägt die Landwirtschaft zum Erhalt der Biodiversität bei und wirkt positiv auf unser Klima. Ebenso wichtige Elemente des Zukunftsbildes sind die faire Gestaltung der Zusammenarbeit mit vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereichen, die Stärkung und überwiegende Nutzung von regionalen Kreisläufen und eine idealerweise stabile bis steigende Anzahl der Höfe. Ebenfalls zeigt das Zukunftsbild zufriedene Landwirt:innen, die ihren Beruf gerne ausüben. Es zeigt auch die Haltung von Tieren unter hohen Tierschutzstandards, über Lebensmittelqualitäten gut informierte Verbraucher:innen, die Einhaltung von klimapolitischen Vereinbarungen sowie vielfältige Anwendungen der Digitalisierung.
    Der Abschlussbericht der ZKL beschreibt Entwicklungspfade in eine solche Zukunft. Sie sollen die Risiken dieser Transformation beherrschbar machen, Planungssicherheit ermöglichen und ihre Akzeptanz insbesondere auch aufseiten der Landwirt:innen erhöhen. Vor allem anderen sollen sie die ökologische Nachhaltigkeit des deutschen Agrar- und Ernährungssystems deutlich verbessern, seine ökonomische Tragfähigkeit dauerhaft sichern sowie Produktionsverlagerungen in europäische wie außereuropäische Regionen mit geringeren ökologischen und sozialen Standards entgegenwirken.
    Zu diesem Zweck entwickelt die Kommission eine Vielzahl von Vorschlägen und Empfehlungen zu verschiedenen Aspekten des Agrar- und Ernährungssystems. Sie folgen einem gemeinsamen Prinzip: Die ökologische und (tier-)ethische Verantwortbarkeit der Landwirtschaft ist am effektivsten und dauerhaftesten zu verbessern, indem die Vermeidung ihrer derzeitigen beträchtlichen volkswirtschaftlichen Kosten in betriebswirtschaftlichen Nutzen überführt wird.
    Das Agrar- und Ernährungssystem muss deswegen so angelegt sein, dass die Steigerung der positiven Wirkungen und die Vermeidung schädlicher Effekte auf Klima, umwelt, Biodiversität, Tierwohl und menschliche Gesundheit im unternehmerischen Interesse der landwirtschaftlichen Produzent:innen liegen können.

    Die Politik ihrerseits muss diese Entwicklung befördern und beschleunigen. Dazu sollte sie ihr gesamtes Instrumentarium (von der Rechtssetzung über die Agrarverwaltung bis hin zur finanziellen Förderung) schlüssig integrieren und sorgfältig mit anderen Politikfeldern (wie u. a. der Handels-, Verbraucher-, Bau- oder Bildungspolitik) abstimmen. Zudem empfiehlt es sich, nach Möglichkeit von einer indikatorbasierten Input- auf eine wirkungsorientierte Prozess- und Outcomesteuerung umzustellen sowie regionalen Kooperationen und auch zielgerichteten Erprobungsversuchen besondere Bedeutung beizumessen. [...]
    Zur Steigerung der positiven Wirkungen der Agrarproduktion auf Klima, Umwelt, Biodiversität, Tierwohl und menschliche Gesundheit sowie zur Vermeidung schädlicher Effekte beschreibt die ZKL ein ganzes Spektrum von Maßnahmen, deren Umsetzung in die Produktionspraxis durch unterschiedliche Formen der Förderung, Beratung, Aus- und Weiterbildung etc. unterstützt werden sollte.
    Im Vordergrund stehen hier die Beiträge der Landwirtschaft zum Kampf gegen den Klimawandel und für den Erhalt der Biodiversität. Ziel muss es sein, dass die Landwirtschaft gemeinsam mit der Landnutzung ihre Möglichkeiten für positive Beiträge ausschöpft, um die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. So muss der Ausbau landwirtschaftlicher Treibhausgassenken (Moore, Humus) umgehend deutlich gesteigert und attraktiv gestaltet werden. Nicht weniger wichtig sind die Schaffung stabiler Agrarökosysteme, der Erhalt und die Bereitstellung biodiversitätsfördernder Strukturen und Landschaftselemente in ausreichendem umfang sowie die nachhaltige Gestaltung regionaler Wirtschafts- und betrieblicher [Mineralstoff-] Kreisläufe. In diesem Zusammenhang gibt die ZKL des Weiteren Empfehlungen für eine Reduzierung des Konsums von tierischen Produkten, eine Verbesserung des Tierwohls und eine umweltverträglichere räumliche Verteilung der Tierhaltung, die aller Voraussicht nach mit einer weiteren Verringerung der Tierbestandszahlen einhergehen werden.
    Abschlussbericht: [Verknüpfung]

    Dr. Michael Scherer-Lorenzen fasst die wichtigsten Punkte der ZKL kurz zusammen.
    [Verknüpfung]

    Der ZKL ging je eine Publikation des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen WBGU und der Akademie der Wissenschaften Leopoldina voraus, die ebenfalls von der Bundesregierung beauftragt waren und die zu demselben Urteil kamen: Die industrielle Landwirtschaft zerstört die Lebensgrundlagen der Menschheit. Sie ist nicht ansatzweise zukunftsfähig und muss dringend und sofort reformiert werden. Um die Erträge der Landwirte zu sichern, müssen sie für gesunde Produkte und Ökosystem-Dienstleistungen adäquat entlohnt werden. Die Berichte machen deutlich, dass wir ohne Massentierhaltung mit der Hälfte bis einem Drittel der Fläche auskommen können, und auch auskommen müssen, denn zum Überleben muss die Menschheit einen Großteil der Erdoberfläche wieder der Artenvielfalt, der Wildnis überlassen. Je artenreicher die Biosphäre, desto stabiler ist sie.
    Leopoldina-Studie: [Verknüpfung]
    Der WBGU betrachtete dabei auch besonders die nationalen und globalen Governance-Probleme: er fordert vom "gestaltenden Staat" nicht nur Anreize, sondern auch Verbote nicht-nachhaltiger Landnutzung, und entwarf internationale politische Lösungen.
    Zusammenfassung der WBGU-Studie: [WBGU 2020-Z]
    WBGU-Studie: [WBGU 2020-G]
    Video zur WBGU-Studie: [WBGU 2020-V]
    2018 fand an der Universität Stuttgart-Hohenheim, eine der renommiertesten Hochschulen für Agrarbiologie, der 55. Kongress der DGE zum Thema "Nachhaltige Entwicklungsziele – Ernährungssicherung für die Zukunft" statt. Fest steht: ökozide industrielle Landwirtschaft hat keine Zukunft.
    [Verknüpfung]


    [WBGU 2020-V]

    Das deutsche Naturkapital und die Ökosystemdienstleistungen wurden in den letzten Jahren im TEEB-Projekt wiederholt geschätzt, koordniniert vom Bundesamt für Naturschutz BfN.
    [Verknüpfung]
    Mit unseren Billigst-Importen, tragen wir zur Ausbreitung der industriellen Landwirtschaft bei.
    Die exzessive Nutzung von Folien zerstört dort immer größere Flächen fruchtbaren Bodens.
    [Verknüpfung]
    Vom Freihandelsabkommen Mercosur mit Brasilien würde die deutsche Exportwirtschaft noch weiter profitieren, genauso wie die Massentierproduktions-Industrie. Der Kipppunkt Regenwald wird in absehbarer Zeit überschritten oder ist bereits überschritten.
    In der neoliberalen Verwertungslogik müssen alle Nutzwirkungen von Artenvielfalt statistisch belegt werden; die Bedeutung von Gehölzen für die Artenvielfalt in der Klimakrise kann jetzt auch mit Zahlen belegt werden. Eigentlich eine Binsenweisheit.
    [Verknüpfung]
    Die Bedeutung der Artenvielfalt lässt sich nicht hoch genug schätzen; allein das Aufkommen der Massenvermehrung von Insekten oder Zoonosen zeigt, wie fragil artenarme Systeme sind. Die Schäden werden erst sichtbar, wenn der Artenreichtum eine kritische Schwelle unterschritten wird. Ökologen vergleichen die Nahrungsbeziehungen eines sterbenden Ökosystems als Netz, dessen Maschen immer weniger werden. Irgendwann reißt es.
    Allein die Bedeutung für die Versorgung der Menschheit mit Nahrung und Trinkwasser sollte als Begründung für Artenschutz ausreichen.
    [Verknüpfung]

    Der Widerstand der EVP-Fraktion gegen das Nature Restoration Law der EU im Sommer 2023 stößt auf Widerstand aus der Fachwelt. Über 3300 Wissenschaftler:innen aus der EU unterschreiben eine Analyse des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig iDiv, das die Behauptungen der EVP wissenschaftlich auseinandernimmt.
    IDIV: [Verknüpfung]

    Der Ballungsraum München kann aus dem Umland biologisch ernährt werden, zeigt die Studie Foodshed München des ZALF mit der Leibniz-Gesellschaft für die EU.
    oekolandbau: [Verknüpfung] Studie: [Verknüpfung]

    Das sind nur die deutschen Veröffentlichungen.

    Große internationale Beachtung fand die sogenannte Lancet-Kommission, benannt nach der wichtigsten medizinischen Fachzeitschrift, mit ihrer Planetary Health Diet. Kurzgesagt: eine abwechslungsreiche Ernährung mit möglichst wenig Tier- und möglichst wenig verarbeiteten Pflanzenprodukten ist am gesündesten für Mensch und Welt.
    [Wikipedia 2023 - Planetary Health Diet]
    1/6 der Nutztiere sterben, ohne gegessen zu werden.
    [Verknüpfung]
    Die Umweltbelastung sinkt bei veganer Ernährung auf einen Bruchteil, zeigt eine Oxford-Studie.
    nature: [Verknüpfung]


    Studie: [Verknüpfung]

    Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung DGE bestätigt und ergänzt 2022 die Ergebnisse.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Das Committee on World Food Security CFS bei der Food and Agriculture Organization of the United Nations FAO setzt bei der Ernährungssicherheit der Weltbevölkerung auf ökologische Landwirtschaft. Zitat: "The global food system is at a crossroads. In the face of a rapidly growing population, increased pressure and competition over natural resources, increasingly severe consequences of climate change, degradation of soils, and the loss of biodiversity, sustainable and innovative approaches need to be developed and applied to successfully combat hunger and malnutrition. It is key to promote sustainable agriculture and food systems. During the policy convergence process due attention will be paid to existing CFS policy recommendations, in particular those on „Sustainable agriculture for food security and nutrition, including the role of livestock“."
    Forschungsprogramm: [Verknüpfung]
    Pdf: [Verknüpfung]
    Das Welternährungsprogramm, das in der Vergangenheit vor allem Überschüsse aus den Industrieländern verteilt hat, informiert jetzt über die Ansätze einer nachhaltigen Selbstversorgung.
    [Verknüpfung]

    2022 bringt die United Nations Convention to Combat Desertification UNCCD ihren zweiten Global Land Outlook heraus. Die industrielle Landwirtschaft ernährt nur 20% der Weltbevölkerung, ist jedoch eine der größten Bedrohungen für Biodiversität und Klima.

    Auch in Afrika wurde der Vergleich von industrieller und biologischer Landwirtschaft wissenschaftlich gezogen: industrielle Versuchsfelder in Kenia wurden von einer Arbeitgruppe um Noah Adamtey umgestellt auf Bio-Anbau. In den ersten Jahren der Umstellung ließen sich noch Einbußen erkennen; nach etwa drei bis sechs Jahren zeigte sich der Vorteil durch den Aufbau des Bodenlebens. Die Dürreresilienz wird durch Humus deutlich verbessert; zudem wird dadurch CO2 aus der Atmosphäre gebunden.
    DLF: [Verknüpfung]
    FiBL: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]
    neuere Studien des International Water Management Institute: [Verknüpfung]

    Am 25.10.2023 erschien in 200 wissenschaftlichen Magazinen der dringende Aufruf, die ökologische und die Klimakrise als Ganzes zu betrachten und die COP zu Klima und Biodiversität zusammen zu legen.
    British Medical Journal: [Verknüpfung]

    2021 beziffert der Daspugta Review von der renommierten Cambridge University im Auftrag des britischen Finanzministeriums die zu erwartenden Schäden am Naturkapital, und stellt sie in Relation zu globalen wirtschaftspolitischen Entscheidungen. Für den Erhalt der Fossilindustrie und der industriellen Landwirtschaft wie in der GAP 2021 gibt es demnach kein seriöses Argument mehr, denn die ressourcenschonenden Alternativen sind bekannt. Sie sind nur für die Investoren nicht so lukrativ.
    Der Spiegel berichtet, Zitat:

    "Die Nationen der Erde zahlen rund 500 Milliarden US-Dollar jährlich, um die Natur auszubeuten und zu zerstören. Es sind Subventionen für die Landwirtschaft, für fossile Kraftstoffe, für Energie, für die Fischerei oder für Düngemittel. Insgesamt entstehen durch fehlgeleitete öffentliche Gelder weltweit Schäden im Wert von vier bis sechs Billionen US-Dollar. Für den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen dagegen gibt die Menschheit nur zwischen 78 und 143 Milliarden Dollar jährlich aus. Das sind 0,1 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung."
    Studie: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]

    Hier noch zwei Studien, die in den letzten Jahren in nature erschienen sind, zusammen mit Science die wichtigste wissenschaftliche Zeitschrift der Welt. Beide belegen die Möglichkeit, die Menschheit mit ökologischer Landwirtschaft zu ernähren, wie der IPBES es fordert. Wie alle anderen Studien auch, so setzt auch diese Berechnung der Agrarwende eine deutliche Reduzierung des Konsums tierischer Produkte voraus.
    Studie in nature als Open Access: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Studie in nature: [Gerten 2020]

    Das Natural Capital Project NatCap der Stanford University soll finanzielle und politische Entscheidungen auf eine wissenschaftliche Basis bezüglich Naturkapital stellen. Es formulierte z.B. mit "safety net" die Ziele für die Convention on Biological Diversity der 15. Artenschutz-Konferenz in Montreal 2022. Auf dieser Konferenz verpflichtete sich die EU im Rahmen des European Green Deal für Klimaschutz zu einem ehrgeizigen Artenschutzprogramm, zu dessen Kern das Nature Restoration Law gehört.
    Webseite: [Verknüpfung]
    Studie in Science: [Verknüpfung]
    Studie in Science: [Wikipedia 2023 - Natural Capital Project]
    Youtube: [Verknüpfung]

    Die verschiedenen Schäden, die die industrielle Landwirtschaft verursacht, sind hier zusammengefasst:

    Über den globalen Ökozid hinaus bergen die Zusatzstoffe in den industriellen Agrarprodukten vielfältige Gesundheits-Risiken für die Verbraucher - noch ein bedeutender Grund, warum man anderswo mehr Geld für Nahrung ausgibt. Die jährliche Kampagne des BUND anlässlich der Grünen Woche, der Leistungsschau der Agrarindustrie, lautet "wir haben es satt."


    pdf (Seite 16): [Verknüpfung]



    Weder Bauern noch Verbraucher profitieren vom landwirtschaftlichen Ökozid

    Die ökologische Bewertung der industriellen Landwirtschaft ist seit Jahrzehnten zumindest oberflächlich überall bekannt - nur wird sie in der Erzählung vom fossilen Wohlstand billigend in Kauf genommen, unterstützt sie doch durch geringe Nahrungsmittelpreise den Konsum "innovativer" Industrieprodukte.
    Wie kann es dann sein, dass von dem ohnehin geringen Anteil der Nahrungsmittelkosten nur ein kleiner Bruchteil beim Erzeuger ankommt?
    [Verknüpfung]
    Erklären lässt sich das mit einem hohen Ertragsanteil von Handel und Industrien, die Betriebsmittel der industriellen Landwirtschaft bereitstellen und die Produkte zu Supermarktware verarbeiten, insbesondere zu Markenprodukten. Die jahrelange unterregulierte Marktentwicklung führte zu einem Oligopol, einer Konzentration auf wenige Marktteilnehmer. Ein besonders geringer Anspruch an Produktqualität, für die der deutsche Verbraucher z.B. in Frankreich und Italien bekannt ist, ließ die Margen hierzulande besonders steigen - was den deutschen Discountern sicher die Expansion in andere europäische Länder, teils sogar in die USA, erleichterte.
    Der neueste Trend der Marktkonzentration ist der Rückzug alter Marken der Lebensmittelindustrie. Die Discounter betreiben "vertikale Integration", d.h. sie kaufen jetzt selbst die billigen Rohstoffe und produzieren daraus ihre Fertigprodukte sehr erfolgreich, weil effizient, selbst. Der Wettbewerb zwischen den verschiedenen Hersteller um die Rohstoffe existiert also ebenso nicht mehr, der Preisdruck auf die Bauern steigt weiter.
    Zeit: [Jürgens 2024]
    Doch die Zerstörung von Biodiversität und Bodenstruktur wird mittlerweile selbst vom EU-Rechnungshof moniert - er plädiert für eine Abkehr von den flächenbezogenen Agrar-Subventionen der EU. Sie bevorteilen seit ihrer Einführung Großbetriebe: pro Arbeitskraft bewirtschaften sie mehr Fläche und bekommen mehr Förderung. Die Subventionen ließen sich viel sinnvoller und zukunftsgerichtet einsetzen für die sozialökologische Agrarwende, die Arbeitsplätze schafft.
    Eine Greenpeace-Studie zeigt, dass neben den Flächen- auch noch Tierprämien ganz ohne Umweltauflagen in vielen europäischen Staaten zum Standard gehören.
    [Verknüpfung]

    Die industrielle Landwirtschaft wirft gigantische Profite für Hersteller von Agrarchemie und Maschinen ab, und erleichtert die zentrale Vermarktung über die Einzelhandels-Kartelle. Von jedem Euro, der im Discounter kassiert wird, landen nur mehr 20 Cent beim Erzeuger, halb so viel wie vor 40 Jahren.
    Studie: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]

    Der Journalist Peter Kreysler analysiert für den Grünen EU-Parlamentsabgeordneten Martin Häusling in einem Dossier die lobbyistischen Aktivitäten der Agrarindustrie. Der Öko-Lobbyist Ariel Brunner erklärt ihm: "30 Prozent der ausgeschütteten GAP Zahlungen gehe an 1,5 Prozent der Bauern, meist Großbetriebe und schaut man sich 80 Prozent des ausgezahlten Geldes an, gehe das nur an 30 Prozent der Agrarbetriebe, ebenfalls mehrheitlich nicht die Kleineren."
    [Kreysler 2019]
    Die NGO farmsubsidies veröffentlicht ihre Datenbank, in der die Empfänger der EU-Agrarsubventionen verzeichnet sind, jährlich fast eine halbe Billion Euro. Darunter finden sich Agrarkonzerne wie Südzucker oder Campina. Die Agrarsubventionen sind schon immer die höchsten Ausgaben der EU gewesen, und reihen sich durch ihre Wirkung ein in die Liste der ökoziden Subventionen.
    [Verknüpfung]
    Ein großer Teil der Profite an den Finanzmärkten wird mit Nahrungsmittelpreis-Spekulationen gemacht - was für Hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen Hunger bedeutet, und Verschwendung in den Industrieländern. Gleichzeitig sorgt die Konzentration an den Märkten auf wenige Riesenunternehmen für einen enormen Kostendruck bei den Erzeugern. So kommt es zu Produktionsbedingungen, die Schäden an Umwelt, Landwirten und Verbrauchern verursachen. Nicht umsonst sind etliche der reichsten Menschen Besitzer von Supermarktketten.
    Wenn es den konventionellen Bauern der Industrieländer mit ihrer Wirtschaftsweise gut ginge, wäre dieses Motiv ihres Verhaltens ja noch nachvollziehbar. Doch sie stehen in einem ruinösen Wettbewerb um die höchste Profitabilität, und damit ständig unter einem hohem Investitions- und Kostendruck. Immer größere Maschinen ermöglichen immer größere Flächen und Tierbestände, die von immer weniger Personal bewirtschaftet werden. Die Mindestgröße rentabler Betriebe steigt immer weiter - die Parole zum wirtschaftlichen Überleben lautet "wachse oder weiche". Das Bedienen ihrer Schulden zwingt die Agrarunternehmer, die natürlichen Ressourcen wie Boden, Wasser und Luft bis an die ohnehin unzureichenden Grenzen des Erlaubten auszubeuten, und oft genug noch darüber hinaus. Die Lebensmittel-Discounter verschärfen diesen Druck auf der Absatzseite - sie halten die Einkaufspreise so niedrig wie möglich, und durch eine von Flächen-Subventionierung getriebene Überproduktion ist das auch ganz einfach zu realisieren.


    Filmtip: Akte D - Die Macht der Bauernlobby. ARD 2019.
    Youtube: [Verknüpfung]


    Filmtip: Ernährungs-Souveränität (GAP - Gemeinsame Agrarpolitik).
    attactv bei Youtube: [Verknüpfung]

    Die Interessenkonflikte der vermeintlichen Bauernvertreter des mächtigen Beutschen Bauernverbands DBV beleuchtet die NDR-Dokumentation "Bauern ohne Lobby". Ein krasses Beispiel ist der ehemalige Thüringer Bauernpräsident Dr. Klaus Kliem, der nach jahrelanger Kritik an den Discountern und Landgrabbern seine gesamte Produktionsfläche an eine Aldi-Stiftung verkauft.
    agrarheute: [Verknüpfung]


    Filmtip: Bauern ohne Lobby: Wem dient der Bauernverband? NDR 45min. ARD 2021.
    Youtube: [Verknüpfung]

    Genossenschaftliche Verbrauchermärkte wie Coop, die höhere Einkaufspreise ermöglichen, gibt es noch in anderen europäischen Ländern wie Italien und der Schweiz - in Deutschland wurden sie durch Misswirtschaft und mangelnde staatliche Unterstützung in den Konkurs getrieben.
    [Wikipedia 2021 - Coop AG]
    Wenn Bauern Selbstvermarktung betreiben wollen, gibt es große Hürden: die handelsgesetzlichen und bürokratischen Auflagen sind so hoch, und die Organisation der Bauern so schwach, dass nur ein ganz geringer Anteil der Ernte nicht über die großen Supermärkte verkauft wird.
    Jeder Versuch, die Grenzen der Wettbewerbsfähigkeit in Richtung Nachhaltigkeit zu verschieben, verstärkt zunächst den Druck auf die Bauern. Eine gemeinwohlorientierte Subventionspolitik würde das verhindern - aber das ist nicht gewollt, denn die Agrarlobby würde dann weniger profitieren. Sie hat jahrzehntelang die Profitabilitätsspirale immer weiter vorangetrieben, die Bauern immer mehr unter Existenzdruck gesetzt, die letztlich ihr wichtigstes Kapital, die Ländereien verkaufen müssen. Die protestierenden konventionellen Bauern merken nicht, wie sie von derselben Agrarlobby instrumentalisiert werden, die immer mehr von ihnen in den Ruin treibt. Viele Bauern mit Familientradition verstehen sich als Sachwalter natürlicher Ressourcen für künftige Generationen, und leiden unter deren sichtbarer Zerstörung. Immer mehr schließen sich der Bewegung des ökologischen Landbaus an, um diesem Teufelskreis zu entkommen, oft auch um ihren Produkten mehr Wert, und ihrer Arbeit wieder einen Sinn zu geben. Auch junge Menschen, die von ihrer Herkunft her nichts mit Landwirtschaft zu tun haben, engagieren sich in der biologischen Landwirtschaft.
    [Verknüpfung]

    Die Bauern sind Opfer der Industriegesellschaft, und etliche lassen sich deshalb besonders leicht von Rechtspopulisten instrumentalisieren, wenn es um die Durchsetzung von Umweltauflagen geht. Nach der Blockade der Corona-Hilfsgelder für den Klimafonds durch das Bundesverfassungsgericht - geklagt hatte die CDU - kommt die Ampel-Regierung auf keine bessere Finanzierungs-Idee, als den dauergestressten Bauern die Subventionierung durch steuerfreie Agrarkraftstoffe und Fahrzeuge zu streichen. Auch wenn die Probleme der Bauern strukturbedingt sind und die fossile Maschinisierung klimaschädlich ist - es wäre weit fairer gewesen, die strukturellen Probleme zu adressieren statt weiteren Druck auszuüben. Die deutsche Bauernschaft ist schon seit Luthers Zeiten bekannt für ihre Aufständigkeit, und sie stößt damit auf großes Verständnis in der Bevölkerung. Natürlich fällt Lindners FDP gleich nach der Vereinbarung wieder den Koalitionspartnern in den Rücken und rudert zurück, und natürlich sind AfD- und CDU-Politiker:innen bei den Bauernprotesten gegen die grüne Agrarpolitik nicht weit, z.B. Ex-Agrarministerin Julia Klöckner, die den industriellen Kurs der Agrarlobby weiter betrieben hat, oder der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer, der sich für einen Weiterbezug von russischem Gas ausspricht.
    Welt: [Verknüpfung]
    t-online: [Verknüpfung]

    Für die ersten Bauern, die vor Jahrzehnten ihre konventionellen Betriebe auf Bio-Produkte umstellten, war das ein großes Wagnis. Auch heute noch ist der Umstieg nicht für alle so einfach, allein schon wegen der Zertifizierung und der Verseuchung der Kulturlandschaft durch ihre eigene Vorarbeit und konventionelle Nachbarn. Dafür konnten sich Bio-Bauern lange dem ruinösen Wettbewerb um die höchste Profitabilität entziehen. Doch seit die Kunden ihre Produkte beim Discounter bekommen, sind nur noch alternative Vertriebsformen wie Direktvermarktung und Solidarische Landwirtschaft auskömmlich für echte ökologische Verträglichkeit, und Missernten, z.B. durch Feuchteschäden durch Pilze sind ein hohes Risiko. Bei Trockenheit sind sie immerhin im Vorteil, denn ihr humusreicher Boden ist dagegen weitaus resilienter gegen Dürre und Erosion.

    Internationale Experten, z.B. Dr. Benjamin Bodirsky vom PIK, analysieren schon länger die globalen Aspekte des Themas für die Food and Agriculture Organization FAO bei der UN. Die Lösungsansätze sind prinzipiell gleich: weniger Tierfutter, mehr Artenvielfalt auf und neben dem Acker und in wilden Ökosystemen; gemeinschaftsausgleich für ökologische Systemdienstleistungen wie Arten- und Klimaschutz. Hier ein Bericht von 2016, dessen Zukunftsszenario der europäischen Politik um viele Jahre voraus ist.
    FAO-Studie: [Verknüpfung]
    Dabei ist für den Artenschutz nicht nur die Erhaltung und Schaffung wilder Ökosysteme wichtig, sondern auch die ökologische Bewirtschaftung der Agrarflächen, denn viele Arten sind davon abhängig, erklärt IPBES-Coautor Josef Settele.
    DLF: [Verknüpfung]
    Der Gestaltung des Ernährungssystems kommt auch wegen der ökologischen Systemdienstleistungen eine zentrale Rolle für die Bekämpfung von Armut und anderen Fluchtursachen zu, also den 17 Sustainable Development Goals SDG der UN. Hier eine Studie aus der Reihe Planetary Health in der Zeitschrift Lancet.
    Lancet-Studie: [Verknüpfung]
    Die Planetary Health Diet ist aus der Forschungsarbeit der Lancet Commission entstanden.




    Konservative verhindern die überlebensnotwendige Agrarwende

    Dass Klöckner mit den ökologischen Forderungen ihrer "Zukunftskommission" unzufrieden war ist anzunehmen, denn sie setzte bei den Verhandlungen zur GAP der EU alles daran, möglichst wenig davon umzusetzen - auch wenn sie nach außen von einer "Agrarwende" spricht. Während der Verhandlungen wird Klöckner eine mangelhafte Zusammenarbeit mit dem Umweltministerium vorgeworfen.
    DPA: [Verknüpfung]
    Die Umweltverbände Tierschutzbund, Greenpeace, NABU, WWF und Deutscher Naturschutzring protestieren über das Ergebnis, ebenso die Fachverbände der biologischen Landwirtschaft.
    WWF: [Verknüpfung]
    BÖLW: [Verknüpfung]
    Bioland: [Verknüpfung]
    Der Bund für Umwelt- und Naturschutz in Deutschland BUND beklagt eine Gefährdung für Bio-Betriebe.
    BUND: [Verknüpfung]

    So hält die EU an der undifferenzierten Subvention nach Bodenbesitz mindestens bis 2023 fest, denn solange gilt das Moratorium ("Lernphase") für die als "ökologisch" beworbene Agrarwende. Die Flächenförderung von 20% der Flächen soll erst ab 2023 von Eco Schemes, ökologischen Systemdienstleistungen, abhängig werden, die aber noch jeweils auf nationaler Ebene zu definieren sind.
    Das EU-Parlament hatte 30% gefordert, aber unter dem deutschen Ratsvorsitz wurde der Wert für die Gemeinsame Agrarpolitik GAP der nächsten 7 Jahre von Julia Klöckner (CDU) auf 20 Prozent gedrückt. Der innerdeutsche Kompromiss sieht jetzt 25% vor.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Die EU hatte schon in der letzten GAP-Phase ab 2014 Subventionen von Biodiversitäts-Dienstleistungen vorgesehen - allerdings nicht verpflichtend.
    [Wikipedia 2021 - Gemeinsame Agrarpolitik - Direktzahlungen und Greening: GAP-Leitlinien 2014]
    Bei dieser krassen Klientelpolitik verwundert es auch nicht, wenn ein hochrangiger EU-Agrarpolitiker der CSU sogar Klimaskeptiker als Berater zu engagieren versucht, und wenn deutsche Chemiekonzerne bei den Finanzierern von Klimaskeptikern ganz vorne dabei sind. In der Reihe Die Story im Ersten wird eine Recherche des Naturschutzbunds NaBu über die Verflechtungen der Agrarlobby präsentiert.


    Filmtip: Die Story im Ersten - Gekaufte Agrarpolitik? Thurn Film. NDR 2019: [Verknüpfung]

    Der vom Europarat verabschiedete 7-Jahres-Plan der EU bis 2027 GAP zementiert also ein weitestgehendes Weiter-So der industriellen Agrarwirtschaft, gegen die Empfehlungen der Agrarwissenschaften, und gegen die dringenden Warnungen der Öko- und Klimawissenschaften, und obwohl schon seit Jahrzehnten ökologische Reformen angekündigt werden.

    Im Jahr darauf, 2022, gab es im Rahmen des European Green Deal einen neuen Anlauf zu Klima- und Artenschutz in der EU: die Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen legte das Nature Restoration Law vor, das die ökologischen Probleme der Landnutzung adressieren sollte. Lange sah es so aus, als würde das Parlament das Gesetz verabschieden, bis in letzter Minute Manfred Weber (CSU) als Vorsitzender der EVP-Fraktion im Umweltausschuss in einer Koalition aus Konservativen, Liberalen und Rechtsaußen-Populisten eine Mehrheit mit einer einzigen Stimme verhindern konnte. Allerdings kam das Gesetz im EU-Parlament dennoch zur Abstimmung, und wurde angenommen.
    Die Bestätigung durch den EU-Rat der Regierungen steht noch aus. Hier sind noch einige Ränkespiele zu befürchten, weil Weber bereits mit dem Populisten Berlusconi paktiert hat, der dann eine Koalition mit den italienischen Faschisten eingegangen ist, und in der Frage der EU-Grenzsicherung keine Scheu vor einer Abstimmungs-Koalition mit Rechtspopulisten hat.

    Fazit: Die Parteien, die die längste Tradition im Widerstand gegen Klimaschutz-Maßnahmen vorweisen können, den globalen Neoliberalismus vorangetrieben haben und damit das Klimaproblem entscheidend mitverantworten müssen, sprechen von unserer Verantwortung für die Ernährung der Welt, und propagieren dafür die Agrarpolitik des 20. Jahrhunderts, die nach wissenschaftlicher Lehrmeinung nicht nachhaltig ist, sprich die Existenz der Menschheit (inklusive Ernährung) bereits mittelfristig bedroht.
    Die billige Massenproduktion von Nahrung wurde schon früh als eine Grundlage für eine kaufkraftstarke Industriegesellschaft angesehen, seit dem Krieg ist die Agrarsektor eines der wichtigsten Handlungsfelder der EU-Politik. Franzosen oder Italiener, aber auch Österreicher lassen sich davon nicht so sehr lenken wie die Deutschen, die die größten Lebensmitteldiscounter Lidl und Aldi groß gemacht haben; sie geben einen höheren Anteil ihres Einkommens für Nahrung aus und verzichten dafür lieber auf teure Konsumgüter, vor allem Autos. Mit 9% Bio-Anbaufläche hinkt Deutschland weit hinter Österreich (26%) zurück.

    [Verknüpfung]

    Alle ökoziden fossilen Geschäftsmodelle stehen irgendwann im Fokus der öffentlichen Kritik. Dabei stand die Agrarindustrie lange im Schatten der Energie- und Auto-Konzerne, deren Schlote und Auspuffrohre präsenter sind. Mit den Tierschutz-Protesten gegen Massentierhaltung ist das nun vorbei - und damit treten auch hier die Händler des Zweifels auf die Bühne. Die New York University NYU hat Kampagnen Agrarindustrie untersucht und natürlich Parallelen zu den Klimaskeptikern gefunden.
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    Gegen den Sprecher des IPBES Watson schicken die Republikaner den berüchtigten Klimasketiker Marc Morano vor den Ausschuss im Repräsentantenhaus.
    Das Greenwashing passiert nicht nur durch PR; auch die wissenschaftlichen Gutachten bei Zulassungsverfahren wurden jahrzehntelang verfälscht, und die Auswertung von Feldbeobachtungen unterdrückt. Erst seit 2020 besteht in der EU überhaupt eine Offenlegungspflicht.
    Die Vertuschung der Ökotoxizität von Pestiziden ist exemplarisch für die Manipulation wissenschaftlicher Studien und Korruption durch die Chemieindustrie.
    Hier sei noch einmal an die deutschen Chemieunternehmen Bayer und BASF erinnert, die schon bei der direkten Unterstützung von Klimaskeptikern aufgefallen sind.


    Ein belebter, humusreicher Boden ist kein Dreck, sondern die Voraussetzung für unser Überleben

    Besonders dreist mutet die Greenwashing-Kampagne der Agrarindustrie an, sie trage zur CO2-Bindung (also Negativemissionen) bei.
    [Verknüpfung]
    Das Gegenteil ist der Fall, denn praktisch alles in Pflanzenkulturen gebundene CO2 wird wieder dadurch freigesetzt, dass sie gegessen, gefressen oder durch Verwesung zersetzt wird. (Das sollte eigentlich laut Lehrplan ein Schüler der Sekundarstufe I erklären können.)
    Ausgenommen ist Biomasse, die zu Humus wird. In der biologischen Landwirtschaft ist der Humusaufbau traditionell eine der Haupt-Strategien. Humus stärkt die Bodenstruktur, was Resilienz gegen Erosion steigert, und die Bindefähigkeit für Wasser und Mineralstoffe, was die Resilienz gegen Trockenheit und Auswaschung von Dünger steigert. Auch die humusbildende Fauna sorgt durch Bau von Kanälen für eine gute Durchlüftung und Wasseraufnahmefähigkeit.
    Humusbasierte Wiederbegrünungsprojekte zeigen, dass selbst Wüsten wieder fruchtbare Kohlenstoffsenken werden können:

    Die Ökoregion Kaindorf in Österreich hat sich in der Erforschung und Weiterentwicklung alter Humus-Kulturtechniken einen Namen gemacht. Die Suche nach dem 2009 dort als DVD produzierten Film "Humus - die vergessene Klimachance" gestaltet sich leider schwierig, die DVD ist 2021 vergriffen. Immerhin geben noch die Trailer wertvolle Anregungen zur weiteren Recherche.
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    Mittlerweile wird Humusaufbau schon nach Gemeinwohl-Prinzipien unterstützt - finanziert durch Verkauf von CO2-Emissions-Zertifikaten. Eine andere Finanzierung wie etwa über die Agrarsubvention von Bio-Dienstleistungen (Bio-Schemes) nach der 2021 beschlossenen GAP ist ebenfalls möglich.
    [Verknüpfung]

    In der Agrarindustrie dagegen wird Humus aber nicht auf-, sondern abgebaut.

    Der Grund dafür liegt darin, dass Humus-Partikel im Vergleich zu Biomasse einen höheren Anteil an C-Atomen besitzen, ihr C/N-Verhältnis ist relativ hoch. Bakterien bauen Humus ab, wenn sie genügend Stickstoff-Verbindungen zur Verfügung haben, also wenn das C/N-Verhältnis sinkt, z.B. durch Düngung.

    Netto zerstört industrielle Landwirtschaft Humus im gigantischen Maßstab, was eine der Hauptquellen für die CO2- und N2O-Emissionen aus dem Agrarsektor ist. Außerdem steigt der Wasser- und Düngerverbrauch, und die Erosion. Dass im Anthropozän Starkregen und Stürme häufiger auftreten, verschärft die Bodenkrise.
    [Verknüpfung]
    Ein besonders drastisches Beispiel für diese Entwicklung war die Dust-Bowl-Katastrophe in den 1930er-Jahren in den USA.

    Filmtips:
    ZDF Terra X Leschs Kosmos: Die Erde, die unsere Welt rettet. ZDF 08.08.2023
    ZDF: [Lesch 2023-2]
    ZDF mediathek: [Lesch 2023-2]
    ZDF Terra X Leschs Kosmos: Bodenlose Zukunft? Wenn der Acker verschindet. ZDF 29.09.2020
    ZDF: [Lesch 2020]
    ZDF mediathek: [Lesch 2020]

    2015 veröffentlichte die Europäische Kommission einen globalen Boden-Biodiversitätsatlas.
    Pdf: [EU 2015]
    2017 präsentierte eine Studie in nature ein globales, engmaschiges Erfassungssystem der Bodenqualität.


    [...] fertile soils on the planet are limited and essentially non-renewable, at least on human time scales. It is therefore of crucial importance to protect available soil resources from further degradation if society wants to maintain this precious natural resource for future generations. In this sense preserving soil quality and achieving a land degradation neutral world have been explicitly recognized in the recently approved sustainable development goals (SDG). Goal 2 explicitly mentions the relevance of maintaining soil quality for achieving food security while Goal 15 calls for a land degradation neutral world by 2030. These goals can only be achieved if we are able to limit current soil erosion rates by applying sustainable soil management practices especially in the areas mostly affected by erosion processes. Moreover, the results of this study can also be relevant for Goal 13 aiming at taking action to combat climate change and its impacts and Goal 6 to ensure availability and sustainable management of water. The recently endorsed FAO Voluntary Guidelines for Sustainable Soil Management58 provide the necessary guidance to National governments on the way forward in order to achieve such ambitious goals by 2030.
    Borelli et al.
    nature: [Borelli 2017]

    Zusätzlich belasten Petizide die Bodenlebewesen, die für die Humusbildung unerlässlich sind. Bei den vorgeschriebenen Zulassungsprozeduren wird das aber nicht ausreichend untersucht. Die Universität für Bodenkultur BOKU Wien veröffentlichte 2015 eine schockierende Studie über Schäden durch Glyphosat an Regenwürmern, die aber medial kaum Beachtung fand. Die Dosen des Herbizids waren geringer als empfohlen, und die Aktivität einer Wurmart ging dennoch dramatisch zurück, die Fortpflanzungsrate sogar um über 50%.
    agrarheute: [Verknüpfung]
    Studie in scientific reports: [Gaupp-Berghausen 2015]

    Komposttoiletten, am besten mit separater Urinsammlung, lösen viele Ernährungsprobleme, von der Überdüngung der Land- und Gewässerökosysteme über die Endlichkeit von Phosphat, Kalium, Magnesium u.a. Mineralsalze, der CO2-Emissionen bei der Stickstoffdüngerherstellung, und dem klimaschädlichen Humusabbau, der die Böden dürre- und erosionsempfindlicher macht.
    Urin könnte problemlos direkt als hochwertiger Dünger dienen; bei Menschen mit hohem Medikamentenkonsum muss allerdings eine Reinigung erfolgen.
    [Verknüpfung]
    Auch Menschenkot muss in einer echten Kreislaufwirtschaft als Dünger genutzt werden, was jedoch einen hohen Aufwand an Hygienisierung erfordert. Indigene Hochkulturen in Südamerika waren mit ihrer Terra-Preta-Methode darin erfolgreich. An der Freien Universität FU Berlin wurde mit dem Projekt TerraBoGa auf Basis der prähistorischen Funde aus dem Regenwald an der Methode geforscht.
    [Wikipedia 2022 - Terra Preta]
    [Verknüpfung]
    Lange war die Komposttoilette etwas für progressive Öko-Freaks. Mittlerweile gibt es jedoch immer mehr Angebote, und auch Versuche einer kommunalen Kompostierung für Menschen mit Berührungsängsten vor ihren eigenen Hinterlassenschaften. Auch ist eine staatliche Finanzierung dieser gemeinwohlförderlichen Technik möglicherweise gar nicht unbedingt notwendig. Ein südkoreanischer Professor hat dafür sogar ein Geschäftsmodell entwickelt.


    Die Innovation Gentechnik ist keine Lösung des Klimaproblems, sondern eröffnet nur neue ökozide Geschäftsmodelle für die Agrarindustrie

    Im DLF-Interview fällt Bauernverbandssekretär Krüsken entsprechend als Anpassungsstrategie an den Klimawandel nicht mehr ein als verstärkte Entwicklung resistenterer Sorten (auch mit Gentechnik) und eine Intensivierung der Bewässerung.
    [Verknüpfung]
    Auch die CDU-Bundestagsfraktion zählt im Rahmen ihres Entschließungsantrags "Klimaanpassung forcieren – Zum Schutz von Menschenleben, der Natur und zum Erhalt des Wohlstands" im April 2022, "neue Züchtungsmethoden für Pflanzen (CRISPR/CAS) zu unterstützen und auf europäischer Ebene für eine grundsätzliche Überarbeitung des EU-Gentechnikrechts einzutreten und das deutsche Gentechnikrecht entsprechend anzupassen".
    [Verknüpfung]
    Die Resistenz-Strategie ist allerdings vollkommen ungeeignet, um eine Ernährung der Menschheit in der Plus-3-bis-4-Grad-Welt zu sichern.
    Der Physiologie von Pflanzen sind enge Grenzen gesetzt, die von Trockenheits-Spezialisten, den C4-Pflanzen, bereits nahezu ausgeschöpft werden. Darunter sind bereits Nutzpflanzen wie Amarant, Hirse, Mais und Zuckerrohr. Wo sie wegen Hitze und Trockenheit nicht mehr wachsen, gibt es von Natur aus nur noch wenig produktive Spezialisten. Dickblattgewächse und Kakteen sind das Beste, was Hunderte Jahrmillionen an Evolution für extreme Trockenräume hervorgebracht haben. Ein Mittelstufenschüler lernt, dass in der Reaktionsgleichung der Photosynthese Wasser gebraucht wird, und so produzieren auch die trockenresistentesten Pflanzen aus dem kleinsten Mengen Wasser natürlich auch nur kleinste Mengen Biomasse, und auch sie sterben bei zu hohen Temperaturen den Hitzetod. Plus 3-4° bedeuten weit höhere Ausschläge der Spitzentemperaturen, die auch noch wegen der über längere Zeiträume anhalten als früher.
    Die Biosphäre, das größte Reallabor der Erde, das geradezu unglaubliche Angepasstheiten evolviert hat, hat in der ganzen Evolution also nichts Besseres für Trockenheit und Hitze entwickelt als Kakteen. Und nun fantasiert man, dass Gentechnik praktisch im Handumdrehen kreativer sein soll.

    Aber blenden wir diese simple Naturbeobachtung einmal aus und schauen nur einmal mit der molekularbiologischen Brille ins Detail.
    Mittels Genmanipulation können wir seit Jahrzehnten die Struktur bestimmter Proteine verändern, seit Erfindung der CRISPR-CAS-Methode mit nanochirurgischer Präzision. Proteine entstehen in den Zellen zunächst als Ketten verschiedener Aminosäuren. Wir können jedoch nur den Bauplan der Proteine manipulieren, der die Reihenfolge der Aminosäuren in der Kette bestimmt. Diese Kette bekommt erst durch einen extrem komplexen Faltungsprozess ihre hochspezifische dreidimensionale Struktur, die ihre jeweils hochspezifische Funktion bedingt: die Glieder der Kette (die Aminosäure-Reste) besitzen unterschiedlich klebrige Anhänge, die mit den Anhängen ganz bestimmter anderer Kettenglieder verkleben müssen. Die leichten Teilchenbewegungen in lauwarmem Wasser machen diesen Faltungsprozess erst möglich, aber zuviel davon macht die Struktur wieder schlagartig kaputt, die Proteinmoleküle verklumpen irreversibel. Bei 42° Körpertemperatur sterben deshalb Zellen. Das gilt für die Zellen aller Lebewesen, außer für die von thermophilen Bakterien - deren Moleküle, selbst die der Membranfette, sind hochspezialisiert. Die unzähligen Hitze-Schwachstellen der Proteine normalsterblicher Zellen sind bei ihnen allesamt weg evolviert.
    Nun könnte man als Mensch mit Biologie-Abitur annehmen, dass Gentechnik zur Klimaanpassung an dieser Stelle ansetzt. Das ist aber nicht der Fall.
    Die einfachsten Manipulationen werden an Sicherheitsmechanismen der Pflanzen vorgenommen, die bei höheren Temperaturen ihr Wachstum vermindern, weil ihre Vorfahren in der Natur bei Hitzewellen niemals künstlich bewässert wurden. Solche Sicherheitsmechanismen lassen sich relativ leicht ausschalten - man muss nur die passenden Strukturen von Signalerkennungs-Proteinen zerstören.
    Große Hoffnungen setzt man in den Einsatz von Proteinen, die aus C4-Pflanzen stammen, in Zellen von C3-Pflanzen.
    Das Trockenheits-Problem der C3-Pflanzen liegt darin begründet, dass alle Pflanzen (außer Algen und Moosen) zur Aufnahme von CO2 für die Photosynthese die Spaltöffnungen ihrer Blätter weiten müssen und dabei gleichzeitig Wasser verlieren. Bei Trockenheit verschließen sie zwangsweise die Öffnungen, können dann aber auch weniger oder keine ausreichende Photosyntheseaktivität betreiben.
    C4-Pflanzen dagegen sind Trockenheits-Spezialisten. Sie müssen ihre Spaltöffnungen nicht so stark weiten, weil sie mit ihren Enzym-Proteinen in der Lage sind, das CO2 vereinfacht gesprochen aus der Luft "abzusaugen", ohne die Spaltöffnungen zu weiten. C4-Proteine können also die Trockenresistenz verbessern.
    Die Hitzestabilität auch nur eines einzigen Poteinmoleküls zu verbessern, ist jedoch um Welten anspruchsvoller. Davon ist man im Glücksfall Jahre, eher wahrscheinlich aber noch Jahrzehnte (den Fortbestand der Zivilisation vorausgesetzt) entfernt. Man sollte sich jedenfalls nicht einfach darauf verlassen.
    Aber selbst wenn dieses Problem bei einer einzigen Sorte von Proteinmolekülen gelöst wäre, sollte man sich die Anahl der Proteinsorten ansehen.
    In einer Pflanzenzelle gibt es nämich tausende Sorten von Proteinen. Die komplette Protein-Ausstattung (Proteom) auch nur einer einzigen Pflanzenart auf Hitzeverträglichkeit hin zu optimieren, darf man deshalb getrost in den Bereich von Science Fiction verweisen.
    Bisher sind wir allein bei der molekularbiologischen Beurteilung bei "Unwahrscheinlich im Quadrat". Aber blenden wir auch das noch einmal aus und schauen schließlich auf die Ökologie.
    Eine intakte, stabile Biosphäre, die große Mengen Nahrung produziert, erfordert eine riesige Vielfalt von Arten. Das formulieren die aktuellen Ernährungs-Studien in großer Einmütigkeit. Manipuliert man nur die Nutzpflanzen, werden unregulierte Populationen von Schadorganismen, die in zusammenbrechenden Ökosystemen vermehrt auftreten, immer größere Giftmengen erfordern. Selbst wenn die Erhitzung gebremst werden kann und die heute möglichen Manipulationen ausreichen, wird das Hitzeresistenz-Projekt also an der Ökologie scheitern.

    Für Biologen sind all diese Erkenntnisse Basiswissen, die sich bei entsprechender Themenwahl der Lehrkraft auch mit Abiturwissen nachvollziehen lassen.
    Diese Genforscher:innen verschaffen den Industrieländern eine Illusion von Anpassung an eine Erwärmung über 1,5°. Daraus drehen viele eine Option auf Zurückhaltung im Klimaschutz. Politiker:innen, die hier Forschungsgelder vergeben, nähren diese Illusion. Die Probleme des globalen Südens vergisst man dabei geflissentlich. Und übersieht das Dürreproblem auch bei uns, vor dem seit Jahrzehnten gewarnt wird.

    Allein die Verbreitung des industriell, teils mit Gentechnik, entwicklten Hybrid-Saatguts, ist eine ökologische und wirtschaftliche Katastrophe, die die Resilienz unserer Ernährung gefährdet. Sie lassen sich nicht nachzüchten, und umfassen nur wenige Sorten. Nur eine ständige Nachzüchtung und Weiterentwicklung vieler, auch alter Sorten, ermöglicht einen großen Genpool, aus dem Züchter Vielfalt für die unterschiedlichsten ökologischen Bedingungen erzeugen können. Das Oligopol der vier großen Saatguthersteller bringt die Bauern zudem in eine fatale wirtschaftliche Abhängigkeit - das Gegenteil von Ernährungssouveränität, und nebenbei auch von freiem Markt.
    Filmtip: Linsen - das Rezept gegen Welthunger. Arte 2017
    [Verknüpfung]


    Die industrielle Landwirtschaft übernutzt die schwindenden Wasserressourcen und mindert deren Regeneration

    Deutschland verzeichnet schon durch jahrzehntelange Übernutzung durch Industrie und Landwirtschaft einen enormen Verlust an Grundwasser.
    Zusätzlich verschärft die Klimakrise den Wassermangel, denn sie vermindert stetig die Neubildung der Grundwasser-Reserven. Die Versiegelung der Böden und die Zerstörung der Ackerbodenstruktur durch Humusverlust und Verdichtung verschärfen das Problem nochmals.
    Die Nachhaltigkeit einer verstärkten Grundwasserentnahme für Bewässerung muss man nicht diskutieren - sie liegt bei null, ganz abgesehen von der Versalzung der Böden. Im Juni 2023 unterstützt Bauernpräsident Rukwied zuerst die Ablehnung des Nature Restoration Law, und fordert in einem Atemzug die Subvention von Bewässerungstechnik. Selbst in Deutschland schlagen Hydrologen Alarm.


    Die Klimakrise verschärft das Artensterben, und umgekehrt

    Die Lebensgemeinschaften von heute verschieben sich durch den Klimawandel zu den Polen hin, verarmt mindestens um die Arten, die die nötige Wanderungsgeschwindigkeit nicht aufbringen können, oder denen Barrieren wie Meere und Hochgebirge im Weg stehen. Es wird immer größere mehr oder weniger tote Zonen geben, in denen sich keine produktive Lebensgemeinschaft mehr entwickeln kann, weil die überlebensfähigen Arten soweit ausgestorben sind, dass sie nicht mehr einwandern können. Sterbende Ökosysteme setzen gigantische Mengen CO2 frei.


    Mineraldünger stört die natürlichen Stoffkreisläufe und zerstört so die Artenvielfalt

    Die Überdüngung verschärft dieses Problem ganz massiv. Überdüngung ist ein vermeintlich harmloser Begriff, hinter dem sich allerdings eine tiefgreifende Störung der empfindlichen und komplexen Kreisläufe von Mineralstoffen in den Ökosystemen der Erde verbirgt. Sie wird in erster Linie verursacht durch industrielle Landwirtschaft.
    Unsere Viehmäster kaufen Futtermittel aus Ländern, in denen Indigene vertrieben, unwiederbringliche Regenwald-Ökosysteme zerstört und mit intensivem Einsatz von Dünger bewirtschaftet werden. Die im Tierfutter enthaltenen Mineralstoffe kommen letztlich als Gülle auf unsere Flächen und damit nicht auf die Flächen, wo sie für neues Futter benötigt werden.
    Mittlerweile sind selbst die Abbauprodukte der Proteine in der menschlichen Nahrung, Harnstoff und Ammoniak, im menschlichen Urin ein massives Problem in den Ökosystemen an Land und im Meer, verschärft durch den Trend zu proteinreicher Nahrung in den Industrieländern.
    [Verknüpfung]
    Allein die Verbrennung von Luftstickstoff in Verbrennungsmotoren erzeugt heute etwa so viel reaktive Stickstoff-Verbindungen, wie um 1950 durch Stallmist auf die Felder kam.


    UNEP: [Sutton 2013]
    PNAS: [Bouwman 2011]

    Jochen Budde und Anne Preger brachten 2022 zwei sehr lesenswerte Beiträge in Spektrum der Wissenschaft.


    Wir bringen mehr reaktiven Stickstoff auf der Erde in Umlauf als alle natürlichen Prozesse zusammen.
    Johan Rockström
    Spektrum der Wissenschaft: [Preger 2022]
    Spektrum der Wissenschaft: [Budde 2022]

    Der biologische Kreislauf der Mineralstoffe wird durch unsere Mineraldüngung, Abwasserwirtschaft und Verbrennungsprozesse nachhaltig gestört. Das bedeutet nicht nur eine ständige Verkleinerung der knappen mineralischen Phosphatvorräte, die letztlich im Meer landen, und die ständige Neuproduktion von Stickstoffverbindungen, die unter hohem Energieeinsatz und CO2-Ausstoß geschieht. Sie bedeutet auch eine globale Überdüngung der Biosphäre, die sich von den Wiesen bis in die Meere erstreckt.
    Podcast-Tip: WDR Quarks & Co.: [Verknüpfung]
    Buchtip bei Spektrum: [Verknüpfung]
    Die starke Treibhauswirkung von Distickstoffoxid, das aus überdüngten Flächen durch bakteriellen Abbau von Nitrat - auch unter Zerstörung von Humus - ausgast, wird erst seit einigen Jahren erforscht. Diese Emissionen sind laut IPCC gut ein Drittel des Agrarsektors, der wiederum rund ein Viertel aller Sektoren ausmacht.
    [Verknüpfung]
    [IPCC 2019]
    Auch die Emission von Stickoxid-Abgasen aus Verbrennungsmotoren hat derartige Ausmaße erreicht, dass nicht nur die EU Deutschland verklagt, weil es trotz Diesel-Skandal nicht ausreichend Vorsorge getragen hat, seine Bevölkerung davor zu schützen. Aber Stickoxide tragen ebenfalls zur Überdüngung bei, weil sie sich im mit Regenwasser lösen und damit zu Salpetersäure und Salpetriger Säure reagieren - im Boden erhöhen diese letztlich den Nitrat-Gehalt. Das Pflanzenwachstum nimmt so zwar zu - aber die Qualität des Holzes ist geringer, da die übrigen Mineralstoffe nicht vermehrt vorhanden sind. Roland Knauer beschreibt das Problem in Spektrum der Wissenschaft: "Mit Kalken lässt sich dieses Problem nicht bekämpfen, weil es nur die Versauerung puffert, aber keinen Stickstoff entfernt. Als einziges Gegenmittel bleibt nur, den Stickstoffeintrag zu verringern. Das Übel muss also an der Wurzel gepackt werden: Aus dem Autoverkehr darf weniger Stickstoff in die Luft gelangen, und die Nutztierzucht sollte zurückgefahren werden."
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    Die jahrzehntelange Überdüngungs-Belastung der Böden sickert immer stärker ins Grundwasser ein. Deutschland sieht sich jetzt schon mit einem EU-Gerichtsurteil wegen Gefährdung der Bevölkerung mit nitratverseuchtem Trinkwasser konfrontiert. Allein die Umweltschäden werden vom Bund deutscher Energie- und Wasserwirtschaft BDEW auf drei Milliarden Euro pro Jahr geschätzt, und es drohen zusätzlich jährliche EU-Strafzahlungen in dreistelliger Millionenhöhe.
    DLF: [Verknüpfung]
    BDEW: [Verknüpfung]

    Doch nicht nur die direkte Schadwirkung von Stickstoffverbindungen ist problematisch. Wer denkt, das verstärkte Pflanzenwachstum durch Dünger sei positiv, der täuscht sich. Die ökologischen Auswirkungen auf die Artenvielfalt in mineralstoffarmen Biotopen sind dramatisch.

    Magerwiesen z.B. verlieren durch die Düngung ihre Artenvielfalt. Wenn irgendwann die Düngung wegfällt, sind die Arten zur Wiederbesiedelung verschwunden.
    Bestimmte Pflanzen überleben nur an Standorten, an denen wenige Mineralstoffe im Boden vorhanden sind (mineralstoffarme, "magere" Standorte). Sie tun das, weil andere Pflanzen dort nicht oder nur schlecht wachsen. Auf intakten Magerwiesen z.B. findet man eine große Artenvielfalt.
    Werden magere Standorte gedüngt, dann wachsen die anderen Pflanzen weit besser. Die Spezialisten für magere Standorte sterben dort aus. Die konkurrenzstärksten Spezialisten überwuchern die anderen Pflanzen - deshalb findet man auf Fettwiesen nur wenige Arten, und entsprechend weniger Insektenarten, und entsprechend weniger davon abhängige andere Arten. Wenn die Düngung auf einem Standort irgendwann ausbleibt (warum auch immer) und die Spezialisten magerer Standorte auch in der Umgebung ausgestorben sind, sind keine Pflanzenarten mehr da, die diese Standorte besiedeln können. Sie verwüsten.
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    Genauso empfindlich wie mineralstoffarme terrestrische Ökosysteme reagieren auch die aquatischen, v.a. die besonders artenreichen Korallenriffe. Sie sind schon durch Hitzestress, Übersäuerung durch CO2, Sedimentablagerung, Tourismus und Überfischung vorgeschädigt, doch auch hier wirken schon mäßige Konzentrationen an Dünger verheerend: Algen in den oberen Wasserschichten gewinnen gegen die Zooxanthellen, die symbiontisch in den Korallen leben, die Konkurrenz um das Licht.

    Die Ökosysteme, die am sichtbarsten empfindlich auf Überdüngung reagieren, sind stehende Gewässer. Ich weiß noch, wie in meiner Schulzeit (nach dem Waldsterben) die Überdüngung unserer Seen ein zweites Ökologie-Thema war, das Wochen an Unterrichtszeit und etliche Doppelseiten im Buch in Anspruch nahm. Die höchste Stufe der Schädigung von Seen heißt Eutrophierung. Mittlerweile sind jedoch nicht mehr nur Oberflächengewässer, sondern ganze Meereszonen eutrophiert. Dort sind, verstärkt durch die Klimakrise, riesige Sauerstoffmangel-Zonen entstanden, wo nur noch anaerobe Bakterien überleben - dort herrscht also Fäulnis. In Biologieunterricht vieler deutscher Gymnasien ist das noch nicht angekommen, und weiter wird der abgespeckte Ökologie-Lehrplan von vor 40 Jahren umgesetzt. Zumindest weiß ich genügend Beispiele aus meinem persönlichen Umfeld.
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    Meere sind einer Dreierkombination ökologischer Krisen ausgesetzt: Erwärmung, Versauerung, Sauerstoffarmut. Leider gilt auch hier: das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile.
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    Der ziviliserte Mensch überschreitet viele Grenzen der planetaren Regenerationsfähigkeit, gerade am gravierendsten die der Überdüngung, bevor sie wohl in absehbarer Zeit von den Folgen des Klimaproblems überholt wird.
    Dafür ist eine ganz bestimmte Hygienetechnik verantwortlich, die ihren Siegeszug schon in der Antike begann: die Wassertoilette. Mit seiner Ernährung extrahiert der Mensch dem Boden Mineralsalze, die er teils in seinem Körper akkumuliert und teilweise wieder emittiert. Vor dem Anschluss an zentrale Wasserversorgung haben Kleinbauern selbst in Mitteleuropa bis in das 20. Jahrhundert hinein ihre Exkrete und Exkremente mit denen ihrer Tiere zusammen als Mist und Jauche auf ihre Äcker gebracht - nicht etwa zur Entsorgung, sondern als unverzichtbarer Dünger, und damit den natürlichen Kreislauf wieder geschlossen. Dung war für die Kleinbauern ein echter Wertstoff.
    [Verknüpfung]


    For rural communities in medieval England few issues were as vital as soil fertility and few substances more important than manure.
    Richard Jones
    Mat e bëssche Gelëck kannste och Mast ann der Bux fannen.
    (Mit ein bißchen Glück kannst Du auch Mist in der Hose finden.)
    Eifeler Redensart
    [Verknüpfung]

    Mit der flächendeckenden Einführung der Wassertoilette wurde dieser fundamentale Naturkreislauf komplett unterbrochen, der nach dem Kohlenstoffkreislauf den größten natürlichen Stoffkreislauf darstellt. Dadurch, dass heutzutage die Menschheit 36% der Landsäugetier-Biomasse darstellt, hat die Störung dieses Kreislaufs tiefgreifende Folgen. Dass zusätzlich 60% dieser Biomasse durch Nutztiere auf die Waage gebracht wird, potenziert das Problem. Diese Nutztiere produzieren durch ihren Kot eine immense Mineralstoffbelastung der Ökosysteme in den Regionen, wo sie gemästet werden. Gleichzeitig fehlen diese Mineralstoffe an anderer Stelle - und zwar dort, wo die Futtermittel für die intensive Viehzucht angebaut werden. Die Menschheit produziert sprichwörtlich massive Gebirge von (vulgo) Scheiße, und das ist ein bedeutender Aspekt des Anthropozäns. Das Mineralstoff-Problem alleine reicht schon für eine existentielle Gefährdung der Zivilisation, aber dass unsere wertvollste Ressource Trinkwasser ausgerechnet für die Entsorgung unserer Fäkalien übernutzt wird, kann man nur noch als Wahnsinn bezeichnen.
    [Wikipedia 2023 - Scheiße]

    Wer von diesem Agrar-Ökozid profitiert, ist - wie bei den Pestiziden - die Chemieindustrie.

    Der deutsche Chemiker Justus von Liebig hatte bereits im 19. Jahrhundert das Problem im Großraum London erkannt und so bekannt gemacht, dass sogar der Philosoph Karl Marx sich damit beschäftigte. Seine Auffassung von einem "metabolischen Bruch" wurde von Nathan McClintock wieder aufgegriffen.
    Studie: [McClintock 2010]

    Die großen deutschen Chemieunternehmen nutzten die Chance, den so entstehenden Mineralstoffmangel auf den Äckern mit ihren synthetischen Stickstoff-Verbindungen, die ursprünglich für die Sprengstoffherstellung entwickelt worden waren, zu einem hochprofitablen Geschäftsmodell zu machen; sie rahmten diesen vermeintlichen Fortschritt als "grüne Revolution". Die Erforschung von Seuchen durch die Hygienemedizin und Mikrobiologie hat dabei einen großen Beitrag zur Überzeugung der Zivilgesellschaft geleistet. Schnell galten die Misthaufen und die letzten städtischen Dung-Sammler als Zeichen von Rückständigkeit, die Wassertoilette war so modern wie das elektrische Licht.
    [Verknüpfung]
    Der hohe Grad unserer heutigen Entfremdung zeigte sich in der Corona-Krise, als die Menschen in Deutschland nicht etwa Konserven horteten, sondern Toilettenpapier.

    Komposttoiletten, am besten mit separater Urinsammlung, lösen viele Probleme auf einmal, von der Übernutzung des Grundwassers und Überdüngung der Land- und Gewässerökosysteme, über die Endlichkeit von Phosphat, Kalium, Magnesium u.a. Mineralsalze, der CO2-Emissionen bei der Stickstoffdüngerherstellung, bis zum klimaschädlichen Abbau von Humus, der die Böden dürre- und erosionsempfindlicher macht.
    Urin könnte problemlos direkt als hochwertiger Dünger dienen; bei Menschen mit hohem Medikamentenkonsum muss allerdings eine Reinigung erfolgen.
    [Verknüpfung]
    Auch Menschenkot muss in einer echten Kreislaufwirtschaft als Dünger genutzt werden, was jedoch einen hohen Aufwand an Hygienisierung erfordert. Indigene Hochkulturen in Südamerika waren mit ihrer Terra-Preta-Methode darin erfolgreich. An der Freien Universität FU Berlin wurde mit dem Projekt TerraBoGa auf Basis der prähistorischen Funde aus dem Regenwald an der Methode geforscht.
    [Wikipedia 2022 - Terra Preta]
    [Verknüpfung]
    Lange war die Komposttoilette nur etwas für überzeugte Progressive.
    [Verknüpfung]
    Mittlerweile gibt es jedoch immer mehr Angebote, und auch Versuche einer kommerziellen oder kommunalen Kompostierung für Menschen mit Berührungsängsten vor ihren eigenen Hinterlassenschaften. Ein besonders gelungenes Beispiel für Rahmung gelang einem Hersteller von Hygieneartikeln, der seine Marke für Komposttoiletten-Produkte "Goldeimer" nennt.
    Geo: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    ARD Planet Wissen: [Verknüpfung]
    finizio (Firmeninformation): [Verknüpfung]
    Auch ist eine staatliche Finanzierung dieser gemeinwohlförderlichen Technik möglicherweise gar nicht unbedingt notwendig; eine anaerobe Fermentation des Kots produziert verkäufliches Biogas. Auch diese Technik wurde bereits vor Jahrzehnten praktiziert, und zwar in China.
    bild der wissenschaft: [Verknüpfung]
    Der südkoreanische Professor Cho Jae Weon Beevi hat 2021 ein entsprechendes städtetaugliches Modell vorgestellt, die beevi toilet mit Vakuumabsaugung; die finanzielle Belohnung für den Stuhlgang kommt digital.
    SZ: [Verknüpfung]
    designboom: [Verknüpfung]
    Youtube: [Verknüpfung]
    Auch in Deutschland gibt es Großprojekte mit Vakuumabsaugung.
    haus: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Vakuumtoilette]



    Der Begriff Pestizid geht von natürlichen Biozönosen als Plage der Menschen aus, anstatt sie als Voraussetzung des Überlebens zu erkennen

    Rein- und Monokulturen sind nicht zuletzt anfällig für Schädlingsbefall. Die "innovative Lösung" der Chemieindustrie war es, was Rachel Carson 1962 zu ihrem Buch "Silent Spring" motivierte: die unzähligen Gifte gegen wilde Kräuter, Insekten und Pilze, die als "Pestizide" (lat. "Plagentöter") eingesetzt werden, um Kulturpflanzen zu schützen. Diese wirken natürlich unmittelbar und verheerend auf die Artenvielfalt. "Silent Spring" gilt als Auslöser der globalen Umweltbewegung.
    Seit Carson werden solche Gifte zwar nach und nach verboten, doch immer wieder werden neue entwickelt und zugelassen. Wie mühsam die Überwindung der Agrarlobby-Interessen ist, und wieviele persönliche Opfer gebracht wurden, darüber könnten NGOs wie Greenpeace und Pesticide Action Network Bibliotheken füllen.
    [Verknüpfung]
    Ein konkretes Beispiel dieser mühsamen Arbeit aus Deutschland ist Sulfoxaflor.
    [Verknüpfung]
    Selbst Probleme mit der Zulassung lassen sich durch eine Hintertür der EU-Pflanzenschutz-Verordnung umgehen: wenn die Zulassungsbehörden (warum auch immer) bei der Prüfung zu langsam sind, gibt es eine Ausnahmegenehmigung. Eine durchaus übliche Praxis.
    [Verknüpfung]
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    Aber auch ein europäisches Verbot hindert die Chemieindustrie nicht daran, ihre Produkte zu exportieren, so dass sie mit der Nahrung wieder auf unseren Tellern landen. Ein 2022 geplantes Exportverbot umfasst nicht die Wirkstoffe, sondern nur die fertigen Gemische, die "Formulierungen".
    [Verknüpfung]
    Pestizide sind exemplarisch für die ökozide Marktverzerrung durch die Chemieindustrie.

    1993 wird im Reisanbau rund um den Shinji-See zum ersten Mal das Neonicotinoid Imidacloprid als Insektizid eingesetzt. Im Folgejahr kommt es aufgrund von Planktonsterben zum Fischsterben - die meisten tierischen Planktonorganismen sind Krebstiere und damit nahe Verwandte der Insekten. Für die Fischer eine Katastrophe, deren Ursache erst 25 Jahre später wissenschaftlich beschrieben wird. Seit den 90ern werden Neonicotinoide global eingesetzt, und gleichzeitig findet das größte Artensterben der Menschheitsgeschichte statt. Neonicotinoide verteilen sich über Luft und Wasser auch in Schutzgebieten. Erst 2023 werden sie in der EU endgültig verboten.
    Vorausgegangen sind Jahrzehnte der Behinderung unabhängiger Forschung durch Bayer. Massenhaftes Bienensterben wurde vertuscht, unabhängige Forscher:innen, die Bayers eigene Zulassungsstudien anzweifelten, wurden massiv unter Druck gesetzt. Das jahrelange Hin und Her beim Neonicotinoid-Verbot endete mit dem Aussetzen der letzten Ausnahmeregelung 2023.
    tagesspiegel: [Knauer 2019]
    Science-Studie: [Yamamuro 2019]
    Science-Studie: [Jensen 2019]
    Bei Bayers Ersatz-Wirkstoff Sulfoxaflor dauerte das Verbot nicht ganz so lang.
    tagesspiegel: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2024 - Sulfoxaflor]
    Seit 2019 kann keine Chemikalie, also auch kein Pestizid mehr ohne Offenlegung aller Studien in der EU eine Zulassung bekommen. So können Zulassungsstudien unabhängig überprüft werden - es muss nur ein Geldgeber gefunden werden.


    Filmtip: Böden im Burnout - Wie Chemie Bienen und Äcker bedroht. 3sat 2021.
    Youtube: [Verknüpfung]

    Doch selbst Schutzgebiete schützen die Wildarten nicht vor Pestiziden, nicht einmal vor direkter Anwendung von Pestiziden vor Ort. Nach einer Studie des UBA gibt es z.B. in Sachsen - entgegen EU-Recht - keine Einschränkungen. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) verhinderte die bundesweite Umsetzung der EU-Richtlinie auf Ackerflächen und setzt wie so oft auf freiwillige Selbstverpflichtung.
    [Verknüpfung]
    Auswaschungsstudien von Pestiziden in Naturschutzgebieten haben verheerende Ergebnisse gezeigt. Europäische und internationale Abkommen sehen massive Reduzierungen bis 2030 vor. Die Frage ist, wie die Umsetzung in Gesetzen aussehen wird, oder ob sie überhaupt stattfinden wird. Selbst der Grünen-Landwirtschaftsminister Cem Özdemir setzt nicht die Empfehlungen der Wissenschaftler und der EU-Kommission um. Im deutschen Pflanzenschutzindex tut man so, als ob die Daten nicht verfügbar seien (Stand Mai 2023).
    Die EU-Kommissarin für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Stella Kyriakides warnt mit deutlichen Worten: Spektrum: [Verknüpfung]
    BMEL: [Verknüpfung]


    Wir riskieren den Zusammenbruch von Ökosystemen, was sich noch stärker auf die Ernährungssicherheit und die Lebensmittelpreise auswirken wird
    Stella Kyriakides

    Filmtipps: Insektenkiller - wie Chemieriesen unser Ökosystem zerstören
    [Verknüpfung] (Video nicht verfügbar)

    Doch schon allein wegen der Schadwirkung auf Menschen sollte der Gebrauch von Pestiziden weit strenger reguliert werden. 30 Jahre nach der letzten Studie der FAO wird 2020 eine erschreckende Auswertung öffentlich zugänglicher Daten veröffentlicht: jährlich gebe es knapp 400 Millionen Betroffene von gefährlichem Kontakt mit Pestiziden, was zu 11.000 Todesfällen führe. Nicht berücksichtigt sind dabei die etwa 100.000 Suizide mit Pestiziden.
    global agriculture: [Verknüpfung]
    Studie: [Boedeker 2020]
    Der deutsche Industrieverband Agrar IVA und die österreicher Industrie-Gruppe Pflanzenschutz IGP protestieren wegen methodischer Mängel und somit wegen Irreführung; sie führen aber nur Belege aus ihren Ländern an. Es ist bekannt, dass die Auflagen in den meisten anderen Ländern weit weniger streng sind.
    agrarheute: [Verknüpfung]

    Die ökozidalste Anwendung von Gentechnik, die ohnehin die größtmögliche Entfernung von natürlicher Vielfalt darstellt, ist die Resistenz von Nutzpflanzen für Pestizide. Bei der Bewerbung von Gentechnik werden immer andere Ziele wie Resistenz gegen Schädlinge oder Klimafolgen oder Vitamine als Inhaltsstoffe präsentiert, doch die pestizidresistenten Sorten haben den größten Marktanteil. Sie erhöhen die Rendite der Saatgut- und Pestizidhersteller.

    Karl Bär vom Umweltinstitut München wird 2020 wegen einer Anti-Pestizid-Kampagne "Pestizid-Tirol" vom Südtiroler Landesrat für Landwirtschaft Arnold Schuler wegen Rufschädigung verklagt, berichtet die Film-Dokumentation "Pestizid-Streit" aus der BR-Reihe Die Story - kontrovers. Schuler setzte sogar Bauern unter Druck, sich der Klage anzuschließen. Das Gericht lässt daraufhin von 7000 Obstbauern die Spritzbücher einziehen und dem Angeklagten zur Auswertung aushändigen. Schuler und die etwa 1000 Bauern ziehen die Klage zurück.
    Von März bis Sptember 2017 wurde demnach eine Apfelplantage durchschnittlich 38mal mit Pestiziden behandelt, also eineinhalb mal pro Woche. In knapp 60% der Fälle werden zwischen 2 und 9 verschiedene Mittel ausgebracht, dazu gehören auch "Wachstumsregulierer", um größere Äpfel zu erzeugen.
    In seiner Stellungnahme zu der Doku beschreibt Schuler den praktizierten "integrierten Pflanzenschutz" als "für die Nachhaltigkeit bedeutsam".

    Filmtip: Wie giftig ist der Apfelanbau? BR 2020.
    BR: [Verknüpfung]



    Der Wert von Biodiversität wird nicht erkannt

    Den Wert von Biodiversität kann man nicht hoch genug schätzen. Ohne sie wird die Menschheit nach allem, was wir hinreichend genau wissen, nicht überleben.

    Die Initiative The Economics of Ecosystems and Biodiversity TEEB, die von Umweltverbänden wegen ihrer Ökonomieorientierung zu Recht kritisiert wird, hat allerdings einen anschaulichen Film zum Thema produziert.


    [Verknüpfung]

    In stabilen, also biodiversen, Ökosystemen gibt es viele kleine Populationen, die von vielfältigen Gegenspielern wie Populationen von Fressfeinden oder Konkurrenten, aber auch Pathogenen wie Bakterien, Pilzen und Viren kontrolliert werden. Instabile Ökosysteme dagegen sind gekennzeichnet durch große Populationen weniger, generalistischer Arten und unkontrollierte Massenvermehrungen von Opportunisten.
    Die extremsten Formen instabiler Ökosysteme finden sich in der industrialisierten Landwirtschaft, die sich nur mit extremem Aufwand an Energie und Einsatz von Giften bewirtschaften lassen. Die Natur wird hier verstanden als ein Feind, den es fernzuhalten gilt.
    Ein krasses Beispiel für den Unterschied industrieller gegen naturnahe Landwirtschaft liefert das afrikanische Schweinepest-Virus, das nur durch weiträumige Einzäunung und strikte Desinfektion aller Dinge und Personen, die in den Stall gelangen können, aus den mitteleuropäischen Ställen gehalten werden kann. Auf Sardinien leben die Schweine wie bei uns im Mittelalter in der Natur, wo sie seit Jahrzehnten dem Virus ausgesetzt sind. Auch wenn einzelne Schweine daran sterben: die überlebenden sind dagegen resistent. Das setzt eine hohe Diversität innerhalb der Population voraus. In einem Bestand, der von wenigen Hochleistungs-Zuchttieren abstammt, ist die Diversität minimal.
    Filmtip: Netz Natur - Wildschweine gehen viral. SRF Dok 2021
    [Verknüpfung] Nach einem Jahrhundert nachweislicher Krankheitsübertragungen von Nutztieren auf Menschen und einer zunehmenden Artenverarmung wurde um die Jahrtausendwende gewarnt, dass Krankheiten auch aus natürlichen Ökosystemen den Menschen bedrohen.



    Das Artensterben befördert zoonotische Pandemien in immer schnellerer Abfolge

    Die vielfältigen Fehlentwicklungen der industriellen Landwirtschaft bedingen mitentscheidend die drängenden Krisen unserer Zeit: Artensterben und Klimakrise.
    Die erste globale anthropozänische Krise, die auch die Industriegesellschaften für alle spürbar beeinträchtigt, ist die Corona-Pandemie. Diese neueste Zoonose kann uns verdeutlichen, wie gefährlich das Festhalten an der industriellen Landwirtschaft, und noch mehr ihr Ausbau im globalen Süden ist - wenn wir nur die richtigen Schlüsse ziehen.

    Man weiß schon lange, dass Zoonosen bevorzugt in besonders artenarmen Ökosystemen entstehen, wie sie ursprünglich in der Massenviehhaltung, zunehmend aber auch in der "Natur" vorkommen, als Folge des anthropogenen Artensterbens. Das Ausmaß der Virenbelastung befördert mittlerweile nachweislich wiederum - in einer positiven Rückkopplung - das Artensterben.
    [Verknüpfung]

    Zunächst hörte man dazu die Virologen, die schon seit Jahren warnen, und dann wurden auch die Stimmen von Ökologen gehört, die ebenfalls schon seit Jahren warnen. Schon 2005 wurde der Nationale Pandemieplan für Deuschland NPP veröffentlicht. 2006 hat die FAO die Organisation Global Early Warning System for health threats and emerging risks at the human–animal–ecosystems interface GLEWS geschaffen, seit 2015 erscheint der Global Animal Disease Intelligence Report.
    [Wikipedia 2022 - Nationaler Pandemieplan für Deutschland]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    2021 gibt eine Studie des UN-Umweltprogramms UNEP zur Planetary Health an, dass ein Viertel der Krankheiten ökologisch bedingt sind, also verursacht durch Störung der planetaren Gesundheit (planetary health): durch Zoonosen, Hitze und Verschmutzung, v.a. der Luft.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]

    Die hochdekorierte Virologin Ilaria Capua, die 2006 bei der Eindämmung der drohenden H5N1-Epidemie eine Hauptrolle spielte, sagt in der NZZ: "Wir müssen uns bewusst sein, dass wir Teil des Problems sind, weil wir es waren, die diese Situation geschaffen haben." Der Mensch misshandle die Erde, raube den Tieren wichtige Freiräume, verkaufe Wildtiere auf Märkten in Grossstädten, die wegen mangelnder Hygiene, Armut und sozialer Ungleichheit ein einziges Pulverfass seien.
    Ein neues Bewusstsein sei dringend nötig, zeigt sich Capua überzeugt. In einem Buch, das sie kurz vor der Corona-Krise geschrieben hat, beschreibt sie, wie das Gleichgewicht mit Umwelt, Natur und Tieren wieder gefunden werden kann. "Salute circolare", Kreislaufgesundheit, lautet der Titel. So schreibt die Wissenschafterin etwa: "Wir leben in einem geschlossenen System, in dem nichts ausgeschlossen ist, nichts und niemand voneinander getrennt."
    [Verknüpfung]

    US-Virologe Dennis Carroll im DLF-Interview: "[DLF:] Müssen wir lernen, dauerhaft mit der Gefahr von Pandemien zu leben? Carrol: Nein, das müssen wir nicht zwingend. Das ist eine Frage unserer Lebensweise. Und die können wir ändern. Und das hat nicht nur damit zu tun, dass wir mit einer anderen Lebensweise die Gefahr von Pandemien verringern können. Wenn wir uns die Aspekte und Ursachen des Klimawandels anschauen, stellen wir fest, dass auch dies zu einem großen Teil auf die Änderung von Landnutzung zurückzuführen ist. Wir müssen uns also weder an die Gefahr durch Viren gewöhnen, noch an das Szenario des Klimawandels. Nichts davon ist unvermeidbar. Als Weltgemeinschaft hat es ja Diskussionen darüber gegeben, was eigentlich getan werden müsste. Was es bislang nicht gibt, ist der notwendige und weit verbreitete politische Wille, um die Dinge zu tun, die notwendig sind."
    [Verknüpfung]

    Im DLF fasst Inger Andersen, Direktorin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen UNEP das Problem in wenigen Punkten zusammen: "Die weltweite Nachfrage nach Fleisch wächst, dadurch gibt es immer mehr Tiere, genetisch ähnlich [wegen Verarmung an Arten], die anfälliger für Infektionen seien. Hinzukomme, dass wilde Tiere zunehmend gejagt und verzehrt werden. Die Städte wachsen immer weiter, Menschen rücken enger zusammen und verdrängen unberührte Natur. Dadurch fehlten natürliche Puffer. Hinzu kommen immer mehr und weitere Reisen. [...] Ein wichtiger Grund ist auch der Klimawandel: Wärmere Temperaturen erleichtern die Ausbreitung von Erregern, Tiere suchen sich neue Lebensräume. Menschen und Tiere, und damit ihre Krankheiten, seien so eng zusammengerückt wie noch nie zuvor."
    Anschließend skizziert John Smith, Direktor des internationalen Viehzucht-Forschungsinstituts ILRI, die Gegenmaßnahmen: "Dafür müssten die Regierungen investieren, in öffentliche Gesundheit, in nachhaltige Landwirtschaft, sie müssten die Ausbeutung der Natur eindämmen. Der Kampf gegen Klimawandel würde auch hier helfen. Das Ganze kostet Geld. Smith zitierte eine Schätzung, die schon ein paar Jahre alt ist: Ein globales Investment von rund 25 Milliarden Dollar über zehn Jahre würde einen Nutzen in Höhe von 125 Milliarden Dollar [Schätzung vor Corona] bringen. Die aktuelle Coronakrise zeige, dass der Nutzen noch höher ausfallen würde."
    [Verknüpfung]

    Die beste Erklärung der zunehmenden Zoonose-Gefahren liefert allerdings die Ökologie. IPBES-Coautorin Dr. Sandra Junglen erklärt es in der Zeit: die ökologische Krise der intensiven Landnutzung führt zu einer drastischen Artenverarmung der Ökosysteme, die nun durch große und stark schwankende Populationen weniger Generalisten geprägt sind, weiter verstärkt durch die sich verschärfende Klimakrise. Große Populationen sind immer anfälliger für Seuchen als kleine, von Fressfeinden besser kontrollierte. Das Problem ist vergleichbar mit der Massenvermehrung von Schädlingen in Monokulturen oder Seuchen in Ställen wie in übervölkerten Städten. Je größer der Seuchenherd, desto größer das Risiko von Mutationen immer gefährlicherer Varianten. Vergleichbares ist ja auch seit 100 Jahren nachweislich in Mastbetrieben passiert, wo es zur Übertragung von Schweine- und Geflügel-Viren auf Menschen kam.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Junglen nennt in der Tagesschau eindrückliche Zahlen.
    [Verknüpfung]


    Wer Pandemien verhindern will, muss den Regenwald erhalten.
    Sandra Junglen

    Im Freitag wird Junglen so zitiert:


    Weniger Artenvielfalt bedeutet mehr Tiere einer Art. Wenn mehr Tiere einer Art im selben Lebensraum vorkommen, können sich Infektionskrankheiten zwischen den Tieren einer Art besser verbreiten.
    Sandra Junglen
    [Verknüpfung]

    Die Evolutionsökologin Prof. Dr. Simone Sommer von der Universität Ulm äußerte sich schon im April 2020 eindeutig, wie der Verlust der Wildnis Brutstätten für Zoonosen entstehen lässt: "Artengemeinschaften verändern sich, sensitive Arten verschwinden und die Vielfalt reduziert sich. Gleichzeitig besetzen so genannte Generalisten die freiwerdenden ökologischen Nischen und vermehren sich stark. Das gilt leider auch für Ihre Krankheitserreger: Da sich insbesondere das Erbgut von Viren schnell verändert, können diese Erreger womöglich irgendwann die Zellen einer neuen Wirtsart befallen. Schließlich kommen durch die vom Menschen geänderte Landnutzung Arten in Kontakt, die sich unter natürlichen Bedingungen niemals begegnet wären."
    [Verknüpfung]
    Dass die Übertragung von Corona durch eine Fledermaus-Population erfolgt ist, macht Sommer in der ZDF-Reihe planet e deutlich. Auch die Methoden der Forscher werden nachvollziehbar.
    [Verknüpfung]
    Sommers Forschung wurde bei planet e schon 2015 vorgestellt.
    [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]
    Sommer wird auch 2020 im Magazin der Heinrich-Boell-Stiftung interviewt und erklärt dort ausführlich die Zusammenhänge. Sie macht dort außerdem deutlich, dass die Ausbreitung von Pathogenen unter Generalisten wiederum eine positive Rückkopplung für das Aussterben der Spezialisten ist - diese sind mit ihren zurückgehenden Populationen anfälliger, da ihr genetischer Pool kleiner ist.
    Die Gesundheit des Ökosystems ist also Voraussetzung für die Gesundheit der Individuen - dieses Prinzip bezeichnet nennt man als EcoHealth.


    Für Corona ist allein der Mensch verantwortlich
    [...] HIV kennen wir seit 1981, SARS seit 2002, Vogelgrippe H5N1 seit 2003, Schweinegrippe seit 2009, MERS seit 2012, Vogelgrippe H7N9 seit 2013, dann hatten wir den großen Ebolaausbruch 2014. [...] Wir zerstören die Lebensräume der Tiere, dadurch nehmen Infektionen zu und erhöhen damit das Risiko der Übertragung gefährlicher Krankheiten. Wir betreiben Massentierhaltung und schaffen so einen geradezu idealen Nährboden für Infektionen. Und wir handeln kommerziell mit Wildtieren, wodurch wir uns jetzt aktuell Covid-19 beschert haben.
    Simone Sommer
    [Sommer 2020]

    2021 liegen sehr viele Studien zu dem Thema vor. Eine französische Metastudie von Serge Morand und Claire Lajaunie wertet die Daten von fast 6000 Ausbrüchen von Infektionskrankheiten seit 1990 aus und erklärt damit einen klaren Zusammenhang mit dem Artensterben, wie David Lingenhöhl in Spektrum berichtet. Zitat: "Im Gegensatz zu artenreichen Wäldern, in denen Fressfeinde andere Arten in Zaum halten, fehlen diese in Monokulturen. Stattdessen können sich wenige Arten mangels natürlicher Gegner massenhaft ausbreiten. Oft handelt es sich dabei um Nagetiere, die bekannte Reservoirs für Pathogene wie zum Beispiel Hantaviren sind. Oft finden sich in diesen überformten Gebieten zudem kleine Wasserstellen, in denen sich Mücken unkontrolliert vermehren können. Das zeigt sich beispielsweise in Brasilien, wo Malaria verstärkt an Entwaldungsfronten auftritt. Für Südostasien ergaben Studien, dass die als Vektor für verschiedene Krankheiten verantwortliche Moskitoart Anopheles darlingi ebenfalls in Rodungsgebieten häufiger vorkommt. In den gemäßigten Breiten ist ein ähnlicher Zusammenhang beobachtbar: Einfache, aber intensiv genutzte Forste begünstigen ebenfalls wenig spezialisierte Tiere, während Raubtiere fehlen. Das fördere die Übertragung von Krankheitserregern wie Hantaviren durch Mäuse oder Borrelien durch Zecken."
    [Verknüpfung]

    Selbst die Bundesregierung stimmt dieser Darstellung zu und verbreitet sie im Internet. Zitat: "Was hat der Verlust an natürlichem Lebensraum mit der Verbreitung von Krankheitserregern zu tun?
    Das Übertragungsrisiko von Infektionskrankheiten steigt in artenarmen, gestörten Lebensräumen. Dort leben zunehmend wenige, anspruchslosere und konkurrenzfähigere Arten (Generalisten) [in größeren Populationen, da die Diversität abnimmmt]. Verlieren Wildtiere ihren natürlichen Lebensraum, weichen sie auf von Menschen besiedelte Flächen aus. Dadurch gelangen Mensch und Tier öfter in Kontakt und das Risiko der Übertragung von Krankheiten steigt."
    Zitat Ende.
    [Verknüpfung]
    Beispiel ist neben den bekannten Corona-, diversen Grippe- und Ebola-Viren auch die Zoonose des Hanta-Virus, die von verschiedenen Mäuse-Arten übertragen wird.

    Die problematischen Generalisten-Populationen rücken ihrerseits auch in das direkte Umfeld der Menschen vor, wie ich am Beispiel der Rötelmaus mit ihren Hantaviren aus eigener Anschauung erfahren habe. So beschreiben es zwei IPBES-Coautoren, der Agrarökologe Josef Settele vom Helmholtz-Institut für Umweltforschung in Halle und Joachim Spangenberg, Vizepräsident des Sustainable Research Institute in Köln.


    Große Änderungen in der Landnutzung führen zum Verlust von Lebensräumen, was zu höheren Populationsdichten einiger Arten und auch zu mehr Kontakten zu Menschen führt. Die Arten, die überleben, ändern ihr Verhalten und teilen sich in zunehmenden Maße Lebensräume mit anderen Tieren und eben mit dem Menschen.
    Josef Settele

    Spangenberg formuliert als Ökonom eine radikale Forderung.


    Diejenigen Ökonomen, die immer noch von einer kurzen Krise mit schneller Erholung ausgehen, sollte man aus verantwortlichen Positionen entfernen und durch Leute ersetzen, die bereit sind, der Realität ins Auge zu sehen.
    Joachim Spangenberg
    riffreporter: [Verknüpfung]
    Settele im SWR-Interview:
    [Verknüpfung]

    Ein Sonderbericht des IPBES beschäftigt sich mit dem Artensterben als kritischen Treiber von Zoonosen und fordert große Anstrengungen im Naturschutz, vor allem eine Ökologisierung der Landwirtschaft und starke Reduzierung des Fleischkonsums. Auch der Handel mit Wildtieren müsse unterbunden werden. Ein großer Absatzmarkt für exotische Haustiere ist Deutschland.
    IPBES: [Verknüpfung]
    Riffreporter: [Verknüpfung]
    Peter Daszak, Hauptautor und Vorsitzender der EcoHealth Alliance, fasst zusammen, Zitat:

    Veränderungen in der Art und Weise, wie wir Land nutzen, die Ausweitung und Intensivierung der Landwirtschaft und nicht nachhaltiger Handel, Produktion und Konsum zerstören die Natur und erhöhen den Kontakt zwischen Wildtieren, Vieh, Krankheitserregern und Menschen. Dies ist der Weg zu Pandemien.
    Klimawandel, die Zerstörung der biologischen Vielfalt und Pandemien haben die gleichen Ursachen und können deshalb auch gemeinsam bekämpft werden.


    Wir müssen Klimaschutz, Naturschutz und Gesundheitsschutz zusammen denken
    Anne Larigauderie (IPBES-Generalsekretärin)

    Weitere Beispiele findet man auf dieser Info-Seite des mdr, der auch eine nature-Studie zitiert.
    [Verknüpfung]
    Studie (kostenpflichtig): [Verknüpfung]
    Zum reinen Text der Studie über den Dienst Semantic Scholar (Registrierung erforderlich):
    [Verknüpfung]
    Die PKK-nahe kurdische Firat News Agency, die sich viel mit ökologischen und Gender- und Minderheiten-Problemen beschäftigt, macht einen Titel daraus und liefert zahlreiche Quellen: "Gründe der Covid-19-Pandemie verstehen: Ökologische Zerstörung". Im Untertitel geht sie auf das Medienversagen ein: "Viele Erreger von Infektionskrankheiten stammen von Tieren. Nur selten kommt aber die Vernichtung von Ökosystemen und Biodiversität zur Sprache, die bei der Übertragung von Viren auf den Menschen eine zentrale Rolle spielt."
    [Verknüpfung]
    Die NGO Gemeinsam gegen die Tierindustrie listet wichtige Zitate mit Quellen auf.
    [Verknüpfung]

    Die Kritikerin des "grünen Wachstums" Kathrin Hartmann verbindet das ökologische mit dem postkolonialen Problem. Unsere Wirtschaftsaktivität im globalen Süden verursacht das Problem.
    [Verknüpfung]

    Das Problem der Verbreitung von Krankheiten durch Diversitätsmangel betrifft nicht nur die Tierwelt, zeigt sich also nicht nur in Zoonosen. Sie betrifft auch die Pilzwelt. So wie die menschliche Darmflora nach einer Antibiotika-Behandlung anfällig ist für die Ausbreitung pathogener Keime, so führt eine Artenarmut auch zur Ausbreitung pathogener Pilze, wie beim lebensgefährlichen lungengängigen Pilz Cryptococcus gattii.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Die nächste Pandemie könnte allerdings auch durch multiresistente Bakterien ausgelöst werden. Dieses durch massenhafte Verfütterung von Antibiotika ausgelöste Problem ist seit vielen Jahren in der Diskussion - doch während die Warnungen eintreten und die Bakterien immer mehr Resistenzen zeigen, bleibt man beim Prinzip Carnem et Circenses. Man erlaubt sogar den Einsatz der letzten Rettung bei Bakterieninfektionen, von Reserve-Antibiotika. Und macht sie damit genauso unwirksam, während die Pharma-Industrie sich aus Profitabilitäts-Gründen weigert, neue Antibiotika zu entwickeln. Hier wäre gleich doppelt eine starke Ordnungspolitik gefragt, und kein Neoliberalismus.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]

    In demselben Erklärungs-Zusammenhang wie Zoonosen stehen die flächendeckenden, ungekannten regelmäßigen Massenvermehrungen von bisher unauffälligen, weil populationsregulierten Schadinsekten wie dem Eichenprozessionsspinner.
    [Verknüpfung]

    Der Klimawandel lässt Schadinsekten wandern - aber nicht im selben Tempo wie ihre Gegenspieler, z.B. die Tigermücke oder die Schilf-Glasflügelzikade, die ein ernstes Problem für unsere Kartoffel- und Rübenernte darstellt.
    Spiegel: [Verknüpfung]

    Filmtip: David Attenborough. Extinction - the facts
    [Verknüpfung]
    Zusammenfassung in Global Citizen: [Verknüpfung]


    Erfolgsgeschichten von planetary health und Ernährungssouveränität

    Über die notwendigen Zukunfts-Vorsorgemaßnahmen sind sich alle vollkommen einig: eine Transformation der Landnutzung zu Nachhaltigkeit, hier planetary health, also auch ökologisch leistungsfähiger Landnutzung. "Heil" war der Planet, bevor der Mensch ihn veränderte. Also: weg von der Monokultur, hin zu mehr Artenvielfalt auf dem und vor allem im Ackerboden - und noch mehr Artenvielfalt, d.h. idealerweise Wildnis, am Rand des Ackers, der möglichst breit und intensiv vernetzt mit anderer Wildnis sein muss.

    Die EU-Kommission setzt im Rahmen der klima- und ökoziden Deals mit den Faschisten Trump und gegen das Parlament den Import von Genmais durch, und zögert auch das Verbot von Glyphosat immer weiter hinaus. In Lateinamerika werden immer mehr Skandale um Gesundheitsschäden durch Pestizide bekannt.
    [Verknüpfung]
    Währenddessen schafft Mexiko, das Herkunftsland des Maises Fakten: Glyphosat und genmanipulierter, Glyphosat-resistenter Mais sind dort verboten.
    [Verknüpfung]
    Die Maya-indigene Bienenzüchterin Leydy Pech kämpfte jahrelang gegen Korruption und setzte schließlich gegen Konzerne und Großgrundbesitzer das mexikanische Recht durch. In Zeiten, in denen jährlich hunderte vorwiegend indigener Umweltaktivisten getötet werden, und in einem Land mit hoher Kriminalität wie Mexiko ist das besonders bemerkenswert. Pech erhielt für ihr Engagement 2020 den Goldman Environmental Prize.
    [Verknüpfung]

    Extensive, kleinbäuerliche Landwirtschaft mit einer deutlichen Reduzierung des Fleischkonsums, v.a. des Rindfleisch-Konsums, ist unter den richtigen Rahmenbedingungen wesentlich nachhaltiger als industrielle, und ernährt einen Großteil der Menschheit, laut FAO und UNCCD etwa 80%.
    UNCCD: [UNCCD 2022-1]
    UNCCD Summary for decision makers: [UNCCD 2022-2]
    Studie: [Lowder 2021]
    weltagrarbericht: [Verknüpfung]
    Biologische, klenbäuerliche Landwirtschaft mindert oder vermeidet die globalen Mega-Probleme Biotopverlust, Biotop-Intoxikation, Überdüngung, Emission von Giften, Treibhausgasen (Distickstoffmonoxid, CO2 und Methan), Bodenerosion, Wasserverlust, Bodenversalzung und Antibiotikaresistenz, aber auch die wirtschaftlich prekäre wirtschaftliche Abhängigkeit der Kleinbauern von der Agrarindustrie. Sie ermöglicht Ernährungssouveränität (analog zu den Ideen von Energiesouveränität von Hermann Scheer oder von Datensouveraenität von Francesca Bria).
    [Verknüpfung]
    Angesichts der drängenden Abhängigkeit afrikanischer Staaten wie Äthiopien von Getreide-Importen ist ein flächendeckendes Förderprogramm für lokale ökologische Anbaumöglichkeiten wie Agroforst-Systeme das Gebot der Stunde. Stattdessen überlässt man diese Aufgabe Wohltätigkeits-Organisationen und erlaubt milliardenschweren Investoren Land-Grabbing.

    Zitat aus der UNCCD Summary for decision makers (Google-Übersetzung, bearbeitet):

    Landressourcen – Boden, Wasser und Artenvielfalt – bilden die Grundlage für den Reichtum unserer Gesellschaften und Volkswirtschaften. Sie erfüllen die wachsenden Bedürfnisse und Wünsche nach Nahrung, Wasser, Treibstoff und andere Rohstoffe, die unseren Lebensunterhalt und Lebensstil prägen. Allerdings gefährdet die Art und Weise, wie wir diese natürlichen Ressourcen derzeitig bewirtschaften und nutzen, die Gesundheit und das Überleben vieler Arten auf der Erde, einschließlich unserer eigenen.
    Von neun planetaren Grenzen, die zur Definition eines „sicheren Handlungsraums für die Menschheit“ verwendet werden, wurden vier bereits überschritten: Klimawandel, Verlust der biologischen Vielfalt, Landnutzungsänderungen, geochemische Kreisläufe.
    Diese Probleme stehen in direktem Zusammenhang mit der vom Menschen verursachten Wüstenbildung, Landdegradation und Dürre. Wenn die aktuellen Trends anhalten, besteht das Risiko, dass weit verbreitete, abrupte oder irreversible Umweltveränderungen zunehmen werden.
    Eine Wirtschaftsleistung von rund 44 Billionen US-Dollar – mehr als die Hälfte des weltweiten jährlichen BIP - sind mäßig oder stark von Naturkapital abhängig. Doch Regierungen, Märkte und Gesellschaften berücksichtigen selten den wahren Wert aller Dienstleistungen der Natur, die der Gesundheit von Menschen und Natur zugrunde liegen. Dazu gehören Klima- und Wasserregulierung, Krankheits- und Schädlingsbekämpfung, Abfallzersetzung und Luftreinigung sowie ihr Wert für Freizeit und Kultur. [...]
    Die moderne Landwirtschaft hat das Gesicht des Planeten mehr verändert als jede andere menschliche Aktivität – von der Produktion von Nahrungsmitteln, Futtermitteln und anderen Gütern bis hin zu den Märkten und Lieferketten, die Produzenten mit Verbrauchern verbinden. Unsere Nahrungsmittelsysteme nachhaltig und belastbar zu gestalten wäre ein wesentlicher Beitrag zum Erfolg der globalen Land-, Biodiversitäts- und Klimaagenden.
    Weltweit sind Nahrungsmittelsysteme für 80% der Entwaldung und 70% des Süßwasserverbrauchs verantwortlich, und sind die größte Einzelursache für den Verlust der terrestrischen Artenvielfalt. Gleichzeitig wurde die Bodengesundheit und Artenvielfalt unter der Erde – die Quelle fast aller unserer Nahrungsproduktion – durch die industrielle Agrarrevolution des letzten Jahrhunderts weitgehend vernachlässigt.
    Intensive Monokulturen und die Zerstörung von Wäldern und anderen Ökosystemen für Nahrungs- und Rohstoffproduktion verursacht den Großteil der mit der Landnutzung verbundenen CO2-Emissionen. Stickoxide aus Düngemitteleinsatz und Methanausstoß von Wiederkäuern machen den größten und stärksten Anteil der landwirtschaftlichen Treibhausgasemissionen aus. [...]
    Es ist unrealistisch, von den Entwicklungsländern zu erwarten, dass sie die gesamte Rechnung für einen „gerechten Übergang“ hin zu einer Sanierungswirtschaft und einer klimaresistenten Zukunft tragen. Es wird außerbudgetäre Unterstützung benötigt – von Unternehmensinvestitionen, Klimafinanzierung, Schuldenerlass und Geber-/ Entwicklungsförderung bis hin zu einer Reihe innovativer Finanzinstrumente, die ausdrücklich Umwelt-, soziale und Governance-Kriterien berücksichtigen.
    [UNCCD 2022-2]


    Zu keinem anderen Zeitpunkt in der modernen Geschichte war die Menschheit mit einer derartigen Vielfalt an bekannten und unbekannten Risiken und Gefahren konfrontiert, die in einer hypervernetzten und sich schnell verändernden Welt zusammenwirken. Wir können es uns nicht leisten, das Ausmaß und die Auswirkungen dieser existenziellen Bedrohungen zu unterschätzen.
    Der Erhalt, die Wiederherstellung und die nachhaltige Nutzung unserer Landressourcen ist ein globaler Imperativ, der Maßnahmen in einer Krisensituation erfordert... Business as usual ist kein gangbarer Weg für unser weiteres Überleben und unseren Wohlstand.
    UNCCD

    UNCCD Pressemitteilung: [UNCCD 2022-3]

    Die NGO La Via Campesina vernetzt global nachhaltige Initiativen für Ernährungssouveränität.

    Der schwedische Agrarwissenschaftler Johan Rockström ist Mitautor einer Studie, die 2020 eine Tragfähigkeit des Planeten für 10 Milliarden Menschen berechnet - vorausgesetzt, die planetaren Grenzen von Klima und Biodiversität werden eingehalten. Im Moment ist beides nicht der Fall.
    [Verknüpfung]
    Originalarbeit: [Verknüpfung]
    Rockström erklärt die Zusammenhänge sehr konzentriert und spricht bei der fff-Webinar-Reihe #WirBildenZukunft nicht von Fleisch-Verzicht - sondern von gesunder Ernährung.


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    Rockström war laut Clarivate 2020 einer der meistzitierten Wissenschaftler der Welt.
    [Wikipedia 2020 - Johan Rockström]
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    Die vielfältigen Probleme rund um unseren Fleischkonsum erklärt die BNE-Initiative "keine Angst vor Komplexität".
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    Selbst wenn Bio-Ernten größere Ausfallrisiken haben, so kann man dennoch durch Verzicht auf einen Teil der Fleischproduktion mit einer viel kleineren Fläche auskommen. Die Produktivität von Permakulturen ist zudem wesentlich höher als die von herkömmlichem Bio-Anbau.
    Insekten als wechselwarme Tiere setzen wesentlich effizienter ihre Nahrung in eigene Biomasse um, als es gleichwarme Tiere wie Säuger oder Geflügel tun. In anderen Kulturkreisen hat man das längst erkannt.
    Spiegel: [Verknüpfung]
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    Auch die Produktion von Fisch-Protein lässt sich in Aquakultur mit hoher Ressourcen-Effizienz realisieren, wenn man sie mit Nutzpflanzenzucht in Hydroponik-Kultur kombiniert. Man nennt diese Technik Aquaponik.
    [Wikipedia 2021 - Aquaponik]
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    Mit Pilz-Protein versucht man Ersatz von Eiklar.
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    Milch- und andere Proteine für Zutaten oder Fertigprodukte lassen sich heute schon wesentlich produktiver in precision fermentation, also mittels Hefe- oder Bakterienkultur produzieren.
    Ganz sicher ist die Genmanipulation von Mikroorganismen zur Fermentation lukrativ, besonders angesichts der zu erwartenden Restriktionen in der Tierhaltung. Die Industrie-Denkfabrik Good Food Institute Europe erklärt die precision fermentation zu einem schnell wachsenden Zukunftsmarkt. Sie bezeichnet sich als NGO, ist meines Erachtens eher eine starke Lobbyorganisation. Sonst müsste sie sich für patentfreie Lösungen einsetzen, aber angesichts von Investoren wie Nestlé, Unilever oder Starbucks ist das nicht zu erwarten.

    In ihrem Fermentation State of the Industry Report finden sich 28 Patent-Beispiele.

    Bereits 2019 wurde der israelisch-deutsche Milchprotein-Hersteller remilk gegründet. Der deutsche Partner ist die Käserei Hochland, die erste Produktion steht in Dänemark.
    [Wikipedia 2023 - Remilk]
    Tony Seba sagt 2022 im vierten Teil seines Vortrags The Great Transformation - wie 2013 im Energie- und Transportsektor - eine disruptive Entwicklung bis 2030 voraus. Die dystopische Vorstellung, dass irgendwann alles Essen aus Reaktoren kommt, bekommt hier sehr klare Konturen.
    Youtube: [Verknüpfung]
    Zellkulturen für künstliches Rind- oder Schweine-Fleischgewebe sind allerdings noch nicht marktfähig; das wird sich wahrscheinlich kurz- bis mittelfristig ändern.
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    Im konventionellen Ansatz werden diese Zellkulturen noch mit Biomasse aus pflanzlicher Photosynthese ernährt, die eine relativ schlechte Sonnenlicht-Ausbeute liefert. Mit Wasserstoff aus der PV-betriebenen Elektrolyse (die um ein Vielfaches effizienter ist) wachsen chemosynthetische Bakterien, die sich ebenfalls zur Ernährung eignen; besonders attraktiv erscheint z.Zt. die Bildung von Bakterien-Protein. Neben Wasserstoff benötigen die Bakterien CO2 aus der Luft, Wasser und Mineralstoffe, die - wie bei herkömmlicher Ernährung auch - nachhaltig aus Urin und Kot gewonnen werden sollten. Dieser Ansatz ist ein Ableger von biotechnologischen P2X-Ansätzen, in Anlehnung daran spricht man von Power to Protein.
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    Beispiel 1: Indien, ein Land mit riesiger Bevölkerung und enormer sozialer Ungleichheit, das bereits jetzt die Klimakatastrophe mit Rekordhitze, -Dürre und -Überschwemmungen erleidet. Die überwiegend bitterarme Landbevölkerung hat schlechte Erfahrungen mit den "Segnungen" der industriellen Landwirtschaft gemacht.
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    Unter dem Eindruck von 300.000 Selbstmorden überschuldeter Kleinbauern etabliert sich in der Region Andhra Pradesh eine organisierte Gegenbewegung für ökologische Landwirtschaft. Solche Förderprogramme müssen freilich vom Staat finanziert werden, denn kein Investor kann daran etwas verdienen. Das Projekt ist ein Erfolg, und wirbt mit Nullemissionen. Es ermöglicht eine größere Resilienz der Nahrungsversorgung, mehr Ernährungs-Souveränität.
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    Zeit: [Verknüpfung]
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    Beispiel 2: Dort, wo Dürre der konventionellen Landwirtschaft empfindliche Verluste bringt, versucht man es jetzt mit alternativen Methoden: in Andalusien.
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    Filmtip: 10 Milliarden - wie werden wir alle satt? (2015)
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    Beispiel 3: Wiederbegrünung
    Auch für das Bekämpfen der Verwüstung gibt es bewährte Low-Tech-Verfahren zur Aufforstung, z.B. die von dem afrikanischen Kleinbauern Yacouba Sawadogo modifizierte Zai-Technik, die in der Sahel-Zone breite Anwendung findet (alternativer Nobelpreis 2018). Sawadogo schaffte mit seinen Agroforst-Kulturen hohe Ertragssteigerungen und hob damit lokal den Grundwasserspiegel massiv.
    [Wikipedia 2020 - Yacouba Sawadogo]
    Im Niger jedoch musste der Australier Tony Rinaudo zunächst die Bedenken der Einheimischen zerstreuen, die meinten, die Bäume würden Lebensraum für Ackerschädlinge bieten. In der großen Dürre 1984 wurde die Überlegenheit seines Ansatzes deutlich. Dabei hatte vorher er viele teure Rückschläge mit klassischen Plantagen hinnehmen müssen, bis er auf die endemische Buschvegetation aufmerksam wurde, die aus Stockausschlägen zurückgeschnittener Bäume bestand. Mit seiner Methode Farmer Managed Natural Regeneration FMNR schaffte er die Wiederherstellung dieser natürlichen Vegetation, die "natürlich" aus den best angepassten Arten bestand.
    Sein Programm hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Niger seine Pro-Kopf-Produktion von Hirse und Sorghum, die 90 Prozent des Nahrungsmittelverbrauchs im Lande decken, seit 1980 stabil halten konnte – trotz des hohen Bevölkerungswachstums.
    SWR: [Verknüpfung]
    Geo: [Verknüpfung]
    National Geographic: [Verknüpfung]
    Deutschlandfunk: [Verknüpfung]
    Deutschlandfunk Kultur: [Verknüpfung]
    Sawadogo und Rinaudo bekamen 2018 den Alternativen Nobelpreis. In Deutschland beginnt man zaghaft mit dieser Methode - auch, um sich dem Klimawandel anzupassen.
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    Hier wird eine andere unrühmliche Rolle der Industrieländer und des Schwellenlands China deutlich: Sawadogo wurde von NGOs unterstützt (Oxfam UK und World Resources Institute), und nicht etwa nicht etwa von staatlichen Organisationen in Europa. Schaut man sich deren Unterstützungsangebote an, so handelt es sich oft um Investitionsprogramme für industrielle Landwirtschaft, in der wenige der ansässigen Kleinbauern höchstens als Angestellte, meist nur noch als Saison-Handlanger eine Rolle spielen.
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    Der Rest wird, wenn nötig mit Gewalt, vertrieben und muss in den nächsten Slum ausweichen. Das ist das Gegenteil von Gerechtigkeit durch Ernährungssouveränität.
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    Willem Ferwarda von Commonland spricht von 4 Quellen der Wertschöpfung durch Wiederbegrünung.

    • inspiratives Kapital (Menschen, Leidenschaft)
    • soziales Kapital (Arbeitsplätze)
    • natürliches Kapital (Artenvielfalt)
    • finanzielles Kapital (Kohlenstoffsenke zum Verkauf von Emissionszertifikaten, Tourismus, Jagd, Immobilien usw.)

    Filmtips:
    Die Wiederbegrünung der Erde (engl. mit Untertiteln). VPro dok 2019
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    The man wo stopped the desert (Der Mann, der die Wüste aufhielt) (2010)

    Beispiel 4: Das philippinische Saatgut-Netzwerk Masipag sorgt für Unabhängigkeit von Saatgut-Konzernen und damit mehr Ernährungssouveränität.
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    Bei uns dagegen dominiert auf Grund der alten EU-Agrarpolitik (die von deutschen und französischen Bauernverbänden dominiert wird) immer noch die industrielle Landwirtschaft. Durch hohe Lohnnebenkosten, geringe Umwelt-Auflagen und mangelnde Anreize für Biotopschutz sind deutsche Bio-Produke immer noch nicht konkurrenzfähig. Mehr Ernährungs-Souveränität bei niedrigem Einkommen erreicht man bei uns nur durch Eigenproduktion oder Beteiligungsmodelle wie Genossenschaften oder solidarische Landwirtschaft.
    Unsere subventionsgetriebene Überproduktion überschwemmt die Märkte in Entwicklungsländern zu Dumping-Preisen, gegen die lokale Kleinbauern meist nicht bestehen können.
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    Nicht einmal mit Schutzzöllen können die dortigen Regierungen ihre Kleinbauern (und damit ihre Ernährungssouveränität) schützen: die EU hat dies mit Freihandelsabkommen verhindert.
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    Drei Dürresommer in Folge haben bei uns ein Umdenken ausgelöst. Die Agroforst-Initiativen schießen wie Pilze aus dem Boden. Manche Bäume wie dürreresistente Esskastanien können sogar wertvolle Rohstoffe für Nahrungsmittel liefern.
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    Hecken und Baumreihen erhöhen auch die Artenvielfalt. In den 80er- und 90er-Jahren stand noch dieser Effekt im Vordergrund, als der Landschaftsgärtner Hermann Benjes mit einer breiten Werbekampagne mit Büchern und Diavorträgen für Totholzhecken in ganz Deutschland einen Boom auslöste, teilweise mit Unterstützung der Politik. Heute wird der positive Effekt von Hecken auf das Kleinklima zusätzlich bedeutsam.
    [Wikipedia 2022 - Benjeshecke]
    Als groß angekündigte Agrarwende sah der Europarat unter dem deutschen Vorsitz 2020 erst einmal nur 20% der Agrarfläche vor, für die es keine Förderung ohne "Ökosystem-Dienstleistungen" geben soll - und das erst ab 2023. Das Parlament hatte 30% gefordert - und wie auf einem Marktplatz einigte man sich auf 25%. Bis 2023 kann der Landwirt also auf diesen 25% seiner Fläche ganz konventionell die übliche Flächenförderung in Anspruch nehmen.
    [Verknüpfung]
    Und bis 2023 kann noch viel passieren, z.B. die Ausnahme deutscher Zuckerrüben-Kulturen vom EU-weiten Verbot der besonders insektenschädlichen Neonicotinoide.
    [Verknüpfung]

    Tiermast ist nicht die einzige existentiell bedrohliche Ressourcen-Verschwendung im Agrarsektor. Die zweite geht zurück auf die Zeit, als man noch keine günstige PV zur Verfügung hatte, und Biomasse als Ersatz für fossile Brennstoffe förderte.
    Hierzu lässt sich generell sagen, dass die chemische Energiespeicherung durch Photosynthese mit einem Wirkungsgrad unter 1% nur einen kleinen Bruchteil der rund 25% bei PV. Weil PV so billig geworden ist, werden die Förderungen der Biomasse-Brennstoffe auf Dauer auch wirtschaftlich völlig unsinnig. Zudem sind sie aus Artenschutz-Gründen so schädlich, dass sie so schnell wie möglich umgelenkt werden sollten.
    Zu den Biomasse-Brennstoffen gehört auf deutschen Anbauflächen zuerst einmal Biogas, das allerdings noch solange einen wichtigen Beitrag zur kritischen Gasversorgung leistet, wie kein P2X-Methan zur Verfügung steht.
    Die EU fordert jedoch seit 2003 von den Mineralöl-Produzenten eine Reduktion der CO2-Emissionen, die diese über eine Beimischungs-Quote für sogenannte Agrotreibstoffe erfüllen. Das sind seit 2020 immerhin jeweils 6% Rapsöl-Methylester (RME, "Biodiesel" aus Pflanzenölen) für Diesel, und Bioethanol für Benzin. Für den deutschen Bedarf werden dafür weltweit 1,2 Mio ha genutzt, das entspricht 10% der Agrarfläche Deutschlands. Davon liegen große Teile in wertvollen tropischen Regenwäldern.
    Die damit erzielte Reduktion an CO2-Emissionen beträgt 9,2 Millionen Tonnen pro Jahr. Angesichts extrem gesunkener Preise für Photovoltaik und der Biodiversitäts-Krise wäre es weit sinnvoller, 97% der Anbaufläche zu renaturieren und 3% für Photovoltaik zu nutzen - damit bekäme man die entsprechende Energie für Elektroautos, würde fast den gesamten Platz für höchstmögliche Biodiversität zurückgewinnen und entsprechende CO2-Senken schaffen: die Reduktion der CO2-Emissionen wäre damit dreimal so hoch.
    [Wikipedia 2022 - Agrotreibstoff]
    DUH (pdf-Datei S. 30): [Verknüpfung]
    zitierte Studie des ifeu:
    Auch die Nutzung von Holz und Pellets als Brennstoff ist oft nicht so nachhaltig, wie sie dargestellt wird - im Gegenteil. Sie ist auch ähnlich ineffizient wie Agrotreibstoffe, wird aber immer noch subventioniert.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der Wirkungsgradnachteil der Photosynthese gegenüber Photovoltaik betrifft auch die Bindung von CO2. Mit PV-Strom können P2X-Öle produziert werden, die für diesen Zweck nicht verbrannt werden dürfen - so wie fossile Brennstoffe im Boden bleiben müssen. Solche Anlagen in der Wüste binden wesentlich effizienter CO2, als es Pflanzen können. Auch deshalb ist es weit sinnvoller, auf Kulturen von Energiepflanzen zu verzichten und stattdessen wilde oder naturnahe, produktive Ökosysteme entstehen zu lassen.
    Doch nicht nur Brennstoffe aus der Co-Elektrolyse mit CO2 sind vielversprechend für Carbon Capture, Utilization and Storage CCUS. Es bieten sich Perspektiven für dauerhafte Werkstoffe, die auch als CO2-Speicher dienen können - sofern sie nicht wieder verbrannt werden.
    Neue, gewaltige Potentiale ergeben sich aus der Polymerisation von P2X-Ethen durch die einstufige Elektrolyse von CO2 und H2O, die 2022 vom Fraunhofer Institut für Grenzflächen- und Bioverfahrentechnik IGB Stuttgart vorgestellt wurde.

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    Ein anderer organischer P2X-Grundstoff ist Dimethylether DME.
    [Verknüpfung]







    Jahrelang wurde Panik gemacht gegen das Lichtspektrum von Energiesparlampen (Abwandlung der 100 Jahre alten Neonröhre); entsprechend jetzt wieder bei LED. Anhänger dieser Verschwörungstheorie können sich nach wie vor quasi konspirativ mit ihren stromintensiven Glühbirnen eindecken.
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    Inhalt

    Nachdem das deutsche EEG von vielen Staaten der Welt kopiert wurde und während die Erneuerbaren global einen Zubaurekord nach dem anderen feiern, kommt die German Energiewende nach jahrelangen Blockaden vorläufig zum Erliegen.
    Fossilökonomisten haben dazu ihre eigene Darstellung der Vergangenheit...


    ...weil", so schließt er messerscharf, "nicht sein kann, was nicht sein darf."
    aus dem Gedicht "Die unmögliche Tatsache" von Christian Morgenstern

    ... und sie ziehen auch für die Zukunft wieder einmal ihre eigenen Schlüsse.

    In der Opposition zur Ampel-Koalition versuchen die Unionsparteien, ihr Profil durch noch stärkeres Bremsen im Klimaschutz zu schärfen, um rechtes Wähler-Klientel zu gewinnen, was ich im Kapitel Aktuelles beschrieben habe. Hier soll es um die Vorgeschichte gehen.


    Hermann Scheer hat das immer so schön gesagt, es ist eine Beleidigung der deutschen Ingenieure wenn sie sagen, dass wir das Energiesystem nicht erneuerbar machen können.
    Maja Göpel
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    In der Agnotologie spricht man von confirmation bias.

    In der konservativen Tages-, Wirtschafts- und Boulevardpresse war die Klimafrage jahrzehntelang kein Thema, und als die Schäden in den 10er Jahren zunahmen, höchstens eine Frage unserer Anpassungsfähigkeit. Wie jahrzehntelang zuvor, so konnte man dort immer noch nichts Gutes über die Energiewende lesen, bis einschließlich 2019.
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    Dabei waren die Anzeichen einer kommenden Disruption 2017 überdeutlich. Die Tatsache, dass der Klimaskeptiker Donald Trump die Wahlen in den USA gewonnen hatte, bedeutete nur, dass die globale Disruption nur weiter hinausgezögert, und damit umso heftiger ausfallen würde. Fossilökonomisten in Europa hätten gegensteuern können - stattdessen haben sie mit Trump (in Rekordzeit) und mit Putin diverse Gasdeals abgeschlossen, so wie vorher mit China einen Zoll-Deal zur Begünstigung deutscher Autos gegen chinesische PV; sie hielten am ECT fest, verhandelten CETA mit Kanada aus und an Mercosur weiter. 2022 hat die NGO PowerShift eine Studie über die Interessen der deutschen Automobilindustrie bei der Ausgestaltung von Mercosur veröffentlicht.
    [Löfken 2017]
    Dem frischgebackenen grünen Wirtschaftsminister Habeck blieb im Ukraine-Krieg schließlich nicht viel anderes übrig, als dem amerikanischen Druck nachzugeben und bei amerikanischen Verbündeten nach weiterem Ersatz für das russische Gas zu suchen - die deutsche Wirtschaft wäre angesichts der bestehenden Gasversorgungslage mit leeren Speichern bei ausbleibenden Lieferungen kollabiert.
    Zu den Umwelt-NGOs, die seit Jahrzehnten warnen, gesellten sich nach und nach die ganz großen internationalen Weltwirtschafts-Organisationen.

    • Weltbank (2006: "das größte Marktversagen der Geschichte")
    • internationale Energieagentur IEA (2008: "das Öl verlassen, bevor es uns verlässt")
    • WEF (2011: jetzt geringe Investitionen tätigen, um hohe Schadenssummen und Anpassungskosten zu vermeiden)
    • OECD (2015: CO2 besteuern)
    • IWF (2019: fossile Subventionen beenden)
    • IEA (2020: Erneuerbare sind die billigsten Energieträger)

    Den Übergang hätte man moderieren können. Das ist aber nicht passiert, es bahnte sich eine Disruption an - bis Putin den Ukraine-Krieg begann. An den Finanzmärkten entwickelte sich deshalb schon die nächste Finanzblase, die für erneuerbare Energien. Der Ukraine-Krieg wird wohl auch hier für finanzielle Turbulenzen sorgen.

    Die Liste ließe sich nahezu endlos fortsetzen. Ich habe stapelweise Zeitungsartikel von wohlmeinenden Kolleg:innen ins Fach gelegt bekommen, fast alles FAZ und Welt. Die Energiewende war bei Konservativen von Anfang an als linkes, industriefeindliches Projekt der Grünen verschrien. Gegner der Energiewende bestimmen noch im Jahr 2021 die CDU-Politik.

    Um 2010 erlebte die PV durch einen Preissturz in Deutschland einen Boom, auch weil die Einspeisevergütung nicht schnell genug zurückgenommen wurde: PV galt als überfördert, bei Privatkunden und Investoren herrschte Goldgräberstimmung. Viele Landwirte, die im gnadenlosen Wettbewerb der Agroindustrie zu viel Schulden aufgenommen hatten und denen nach der Finanzkrise deshalb der Bankrott drohte, retteten ihren Betrieb mit PV auf ihren großen Dachflächen.
    Nachdem 2011 das Potential der Erneuerbaren Energien für einen Großteil der Energieversorgung nicht mehr (wie in den Jahrzehnten zuvor) zu leugnen war, wurde dem Bürger Angst vor den Kosten der Energiewende gemacht. Die Verbraucherstrompreise ließ man zum Zwecke der Subventionierung von Großkunden weit höher steigen als nötig, und die Erneuerbaren wurden in einer groß angelegten Kampagne zum Preistreiber erklärt, eine Erzählung, die von vielen Politikern und Medien aufgegriffen wurde.
    Die Boulevardpresse stürzte sich auf das Thema.
    [Verknüpfung]
    2013 legte Peter Altmaier dem Bürger für die Energiewende eine Billion-Euro-Rechnung vor. Schlagzeile im Spiegel: "Altmaier warnt vor Kosten von einer Billion Euro."
    [Spiegel 2013]

    Die FAZ zog noch im Dezember 2017 eine vernichtende Bilanz der Energiewende, und setzte dem Eine-Billion-Euro-Mythos des Peter Altmaier noch eine Billion d'rauf.
    Zitat:

    "Doch obwohl die Bundesregierung seitdem Jahr für Jahr Dutzende Milliarden Euro auf die Bürger und Unternehmen umgelegt hat, ist absehbar, dass Deutschland das Ziel deutlich verfehlen wird – trotz des stark subventionierten Zubaus auf der gesamten Fläche: Der Ausstoß der Treibhausgase soll 2016 laut Prognose des Umweltbundesamts nur um 27,6 Prozent unter dem Vergleichswert von 1990 gelegen haben. [...]
    Das sind schlechte Ergebnisse für das Klima, obwohl laut dem Ökonomen Justus Haucap in den Jahren 2000 bis 2015 schon rund 150 Milliarden Euro in den Zubau der Erneuerbaren geflossen sind. „Volkswirtschaftlich gesehen ist das ein Drama. Viel schlechter könnte die Bilanz eigentlich nicht ausfallen“, sagt er zu den hohen Kosten der Energiewende und dem kläglichen Nutzen für die Umwelt. Mit zwei Billionen Euro sollten die Deutschen rechnen, wenn die Bundesregierung den jetzigen Kurs beibehielte und dabei die Emissionen um 70 oder 85 Prozent bis 2050 drücken wollte, haben Wissenschaftler der Akademien Leopoldina, Acatech und Union jüngst außerdem ausgerechnet."
    [Verknüpfung]

    Haucap war 2022 Hauptakteur im Uber-Skandal über die Käuflichkeit von Wissenschaft, weshalb es danach um ihn recht still geworden ist. Mittlerweile findet sich an der vordersten Anti-Energiewende-Front nur noch der Ex-ifo-Chef Hans-Werner Sinn. Seiner Popularität konnten noch so haarsträubend fehlerhafte Studien und Vorträge bisher nichts anhaben.

    Die Panikmache gegen die Energiewende verbreitet sich immer weiter wie Stille Post; bei ingenieur.de findet sich ein Beitrag des Wirtschaftswoche-Mitarbeiters Wolfgang Kempkens aus 2019, der "eine Billiarde" an Kosten des European Green Deal nennt, ohne irgendetwas zu belegen oder vorzurechnen. Eine Billiarde - das ist 500mal so viel, wie Energiewissenschaftler konservativ berechnen, ohne die ersparten Kosten der Klimakatastrophe abzuziehen.
    Zitat:

    "Ein nennenswerter Zubau an Photovoltaikanlagen, die derzeit eine Gesamtleistung von rund 42 Megawatt haben, ist in Deutschland kaum denkbar. [...] Wie gesagt: Nur am Beispiel Deutschland. Vielleicht ist hier schon die Billiarde nötig, um das Ziel zu erreichen."
    [Verknüpfung]

    Noch im Herbst 2019 behauptet der Vizepräsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau Karl Haeusgen bei Maybrit Illner, die Energiewende sei ein finanzielles Desaster, und die Technologiefrage im PKW-Bereich sei noch völlig offen.
    Zitat:

    "Es ist nicht eine Frage, wieviele Milliarden wir einsetzen, sondern ob wir sie effizient einsetzen, und wenn ich mir die bisherige Energiewende anschaue, dann sind bisher viele, viele, viele, viele [...] Milliarden sehr, sehr, sehr ineffizient eingesetzt worden und das ist das, was mir Angst macht. Sie haben dieses Batterieprojekt vorangetrieben und Sie haben Volkswagen gerufen in der E-Mobilität. Wer redet über die Brennstoffzelle, wer redet über das Projekt Power-to-X? Das sind Technologien, die vermutlich langfristig CO2-mäßig die bessere Bilanz haben als die batteriebetriebene Elektromobilität."
    [Illner 2019] 61'20''

    Damit nährt er das fossilökonomistische Narrativ von den Innovationen, die nötig sind, um die Verkehrswende zu schaffen. Als wären bisher noch keine tauglichen Alternativen entwickelt worden.

    In der Springer-Zeitung Die Welt kommen nach wie vor Klimaskeptiker und gewichtige Gegner der Energiewende zu Wort. So fällt der Vorsitzende der Max-Planck-Gesellschaft Robert Schlögl noch im August 2019 über die Energiewende ein vernichtendes Urteil: "Die Grundidee der Energiewende ist absolut unsinnig". Bei näherem Hinsehen kritisiert Schlögl lediglich eine mögliche Fixierung auf Batteriespeicher. Allein ist mir kein einziger anerkannter Experte bekannt, der hier widersprochen hätte: nur mit Akkuspeichern ohne P2X-Brennstoffe ist keine 100%ige Energiewende zu schaffen, wir brauchen P2X als Saisonspeicher. Schlögl stellt mit keiner Silbe den Einsatz von Blockheiz-Gaskraftwerken, Ausbau von P2X, Windrädern und PV-Anlagen in Frage. Die Möglichkeit der Verkehrswende zieht er gar nicht in Betracht. Insofern ist seine Aussage auf die Energiewende, wie sie von echten Energieexperten entworfen wird, gar nicht anwendbar, nicht valide.
    Er lässt sich jedoch häufig von rechtskonservativen Medien zum Thema zitieren, die Argumente gegen die Energiewende suchen. Man findet diese, wenn man "Schlögl Energiewende" in einer Suchmaschine eingibt. Spätestens dann bemerkt man, dass er gar kein Energieexperte ist, sondern Professor für die Katalyse von Grenzflächenreaktionen.
    [Verknüpfung]
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    Schlögl erinnert mich persönlich in seiner Rolle an Frederic Seitz, der ganz oben in den Top 10 der Klimaskeptiker des 20. Jahrhunderts stand, und als Vorsitzender der altehrwürdigen United States National Academy of Sciences hohes Ansehen genoss.

    Um Schlögls Expertise zu beleuchten, möchte ich am Rande die These aus dem o.g. Welt-Interview erwähnen, dass im Elektrooauto eine Reichweitenverlängerung mit Mikro-Gasturbinen sinnvoller sei als die stationäre Stromproduktion mit Kraft-Wärme-Kopplung. Ob er sich damit nicht grob verschätzt, darüber wird die Zukunft entscheiden. Die 60% Energieverluste der Gasturbine gehen jedenfalls beim Einsatz als Range Extender weitgehend verloren, als Generator bei der KWK dagegen nicht - hier wird die Abwärme zum Heizen genutzt.
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    All diese Aussagen stehen in diametralem Gegensatz zu den zahlreichen Analysen großer international anerkannter Forschungseinrichtungen und Denkfabriken, die in den letzten Jahren veröffentlicht wurden. Ich habe den Eindruck, dass solche Studien in immer höherer Frequenz erscheinen.

    Die wichtigsten „Big five“ genannten Studien werden im Rahmen des Kopernikus-Projekts Ariadne des BMBF gesondert verglichen; sie sind in der folgenden Auflistung durchnummeriert.
    [Verknüpfung]

    • der Synthese-Bericht im Rahmen des AR6 des IPCC bewertet 2023 die verschiedenen diskutierten Maßnahmen gegen die Klimakrise; wer das Simulations-Tool En-Roads des MIT kennt, wird nicht überrascht sein: die Wirkungslosigkeit der Scheinlösungen, die von den Fossilökonomisten propagiert werden, wird hier offenbar
      [IPCC AR6 2023] (Seite 69 in der Langfassung bzw. Seite 28 in der Kurzfassung)
    • [1] Agora Energiewende erklärt 2021, dass die Klimawende fünf Jahre früher möglich ist als von den Merkel-Regierungen geplant: „Klimaneutrales Deutschland 2045“
      [Agora 2021]
    • [2] der Bundesverband der Deutschen Industrie BDI entwirft mit der Boston Consulting Group BCG „Klimapfade 2.0 – Ein Wirtschaftsprogramm für Klima und Zukunft“, also vollständig dekarbonisierte Industrie
      [Verknüpfung]
    • [3] dena-Leitstudie „Aufbruch Klimaneutralität“ 2021
      [Verknüpfung]
    • [4] das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung ISI veröffentlicht seit 2021 die jeweils aktualisierten „Langfristszenarien für die Transformation des Energiesystems in Deutschland 3“ eines Forschungsverbunds im Auftrag des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz BMWK
      [Verknüpfung]
    • [5] seit 2020 koordiniert das Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF das Forschungsprojekt Ariadne, an dem alle namhaften deutschen Institute beteiligt sind, und das die technischen, wirtschaftlichen und politischen Optionen zur Energie- und Wärmewende auslotet; 2021 erscheint die Studie „Deutschland auf dem Weg zur Klimaneutralität 2045“
      Webseite: [Verknüpfung]
      animierter Vergleich der Transformationspfade: [Verknüpfung]
      Studie: [Verknüpfung]
    • Aquila Capital beauftragt 2023 das PIK zur Studie "European Power Sovereignty through Renewables by 2030"; Ergebnis: 100% Erneuerbare in Europa bis 2030 sind wirtschaftlich darstellbar
      Studie: [Verknüpfung]
    • der Leitfaden "Aktuelle Fakten zur Photovoltaik in Deutschland" vom Fraunhofer-Institut für solare Energiesysteme Freiburg ISE
      Studie: [Verknüpfung]
      Pdf:
    • das Kapitel "Pathways for the energy mix" im World Energy Outlook 2023 der International Energy Agency IEA
      [Verknüpfung]
    • das internationale Projekt State of Carbon Dioxide Removal beziffert 2023 die Möglichkeiten Grenzen der CO2-Sequestrierung; Ergebnis: ohne sofortige, drastische Emission der CO2-Emissionen kommt es zur Klimakatastrophe
    • das Akademieprojekt von Acatech, Akademie der Wissenschaften Leopoldina und Union der deutschen Akademien der Wissenschaften „Energiesysteme der Zukunft“ aktualisiert 2023 den Stand der Forschung: „Wie wird Deutschland klimaneutral? Handlungsoptionen für Technologieumbau, Verbrauchsreduktion und Kohlenstoffmanagement“;
      die erste Feststellung lautet sinngemäß: ohne Verzicht geht es nicht
      [ESYS 2023]
    • das Kopernikus-Projekt Ariadne beschäftigte sich auch mit der Frage, wie effizient Heizen mit P2G ist: "Analyse: Die Rolle von Wasserstoff im Gebäudesektor – Vergleich technischer Möglichkeiten und Kosten defossilisierter Optionen der Wärmeerzeugung"
      Ergebnis: die Wärmepumpe ist 5-6 mal so effizient
    • zum gleichen Ergebnis kam das Projekt Norddeutsches Reallabor
    • das Akademieprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ stellt 2021 fest: "Wenn nicht jetzt, wann dann – wie die Energiewende gelingt"
      [ESYS 2021]
    • das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW entwirft eine "schnelle" Vollversorgung aller Sektoren mit erneuerbaren Energien und fordert dafür eine koordinierte Ausbauplanung
      [Verknüpfung]
    • der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen SRU erklärt im Juni 2021, dass ein massiver lokaler Ausbau Erneuerbarer Energien und lokale Speicher inkl. Wasserstoff-Wirtschaft wesentlich wirtschaftlicher ist als ein massiver Wasserstoffimport, und dass P2X als PKW-Kraftstoff in einer wirtschaftlichen Betrachtung keine bedeutende Rolle spielt; Motto: "Wasserstoff im Klimaschutz: Klasse statt Masse"
      [Verknüpfung]
    • Agora Energiewende, Agora Verkehrswende und die Stiftung Klimaneutralität empfehlen ein Energie- und Wärmewende-Sofortprogramm für die ersten 100 Tage der neuen Bundesregierung; Ziel ist Klimaneutralität für 2045
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    • das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung warnt vor dem Argument, künftige Negativ-Emissionen erlaubten das Aufschieben von Emissions-Reduktionen
      [Verknüpfung]
    • das Kopernikus-Projekt Ariadne unter Leitung des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik IEE entwirft im Juni 2021 Szenarien für ein klimaneutrales Deutschland bis 2045, die im Kern eine 100%-Versorgung mit Erneuerbaren Energien umfassen
      Gesamtstudie: [Verknüpfung]
      Teilstudie zu EE: [Verknüpfung]
      Webseite zum Projekt DeV-KopSys zur Sektorenkopplung: [Verknüpfung]
    • BEE (Bundesverband Erneuerbare Energie) empfiehlt im April 2021 nur einen kleinen Importanteil und eine hohe Eigenerzeugung an erneuerbarer Energie
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      [Verknüpfung] (Audiobeitrag)
    • Scientists for Future: klimaverträgliche Energieversorgung für Deutschland bis etwa 2036
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    • 100% RE Strategy Group 2021 (Top-Energiewissenschaftler aus Deutschland, Stanford und Berkeley): 100% EE bis 2035 sind dringend nötig und auch möglich
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    • Boston Consulting Group 2021: Kohleausstieg bis 2030 auch aus Wirtschaftlichkeitsgründen notwendig; Blockade der Erneuerbaren muss fallen; es wurde viel zu lange gewartet, v.a. im Gebäudesektor
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    • Energy Watch Group 2020: Behinderungen der Energiewende durch politische Rahmenbedingungen
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    • Wuppertal-Institut 2020: Vergleich der Wertschöpfungspotentiale von Wasserstoffwirtschaft auf Basis von Importen (Nationale Wasserstoffstrategie) und Eigenproduktion (massiver Ausbau der heimischen Erneuerbaren Energien)
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    • Wuppertal-Institut 2020 für Fridays for future
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    • Energy Watch Group 2019
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    • FZ Jülich 2019
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    • IASS Potsdam 2019
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    • Fraunhofer 2018
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    • Dena 2018: neben den zentralen Säulen der Energiewende, also direkte Nutzung von Erneuerbarem Strom und Energieeffizienz, werden als dritte Säule P2X-Brennstoffe benötigt (aber nicht für PKW)
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    • US-Wetterdatenstudie 2018: für 80% Versorgung mit Erneuerbaren braucht es in den USA Speicherkapazitäten zur Überbrückung von 12 Stunden, nur für 100% von mehreren Wochen
    • DIW Metastudie 2020 (Aktualisierung von 2017)
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    • Wuppertal Institut 2017
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    • Bundesverband Windenergie BWE und Initiative Erdgasspeicher INES: zwei Szenarien für CO2-neutrales 2050; eine mit maximaler Direktstromnutzung (v.a. für Heizwärme) und eine mit mehr Speichergas; keine mit Wasserstoff-Importen
      [Verknüpfung]
    • HTW Berlin 2016: 100% Erneuerbare durch Energiespeicherung mit Sektorkopplung
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    • Fraunhofer und Öko-Institut 2014-2016: Klimaschutzszenario 2050
      [Verknüpfung]
    • Fraunhofer 2013: Energiesystem Deutschland 2050
      [Verknüpfung]
    • Fraunhofer 2012: 100% Erneuerbare
      [Verknüpfung]
    • der Sachverständigenrat der Bundesregierung für Umweltfragen SRU 2011 entwirft das Energiesystem für 2050 - zu Zeiten, als der Preisverfall der erneuerbaren Energien gerade erst im Gange ist; in den Überschriften der Studie taucht P2X-Methan als Saisonspeicher zwar nicht auf, aber auf S. 160 wird es als wichtige Zukunftsoption diskutiert
      [Verknüpfung]
      [Sterner 2009]
    • die Agentur für Erneuerbare Energien wertet 2009 50 Studien der vorangegangenen 30 Jahre aus, die allesamt das Ausbautempo der EE weit unterschätzen, und damit die Rahmenbedingungen der Energiewende verschlechtert haben
      [Pieprzyk 2009]
    • und, und, und...

    Die Deutsche Umwelthilfe DUH, die schon die erfolgreiche Klima-Verfassungsklage mit bestritten hat, fasst die "ausbleibenden Einzelmaßnahmen mit hohem Einsparungspotential" zusammen.
    [Verknüpfung]

    Nur wenige Studien weichen ab, z.B. die von den Merkel-Regierungen bevorzugte Leitstudie Integrierte Energiewende der Deutschen Energieagentur Dena. Doch selbst sie spricht nicht vom Masseneinsatz von P2X oder Wasserstoff in PKW, sondern nur von Bereichen, "die sich durch eine direkte Nutzung erneuerbaren Stroms nicht oder nur schwer von Emissionen befreien lassen". Allerdings geht sie von massiven Importen von Wasserstoff und P2X aus, so dass die Ausbauziele an erneuerbarer Energie kleiner ausfallen.
    [Verknüpfung]
    Es verwundert nicht weiter, dass diese Studie von der Energie- und Fossilwirtschaft finanziert wurde: mit Wasserstoff und P2X muss der Kunde "versorgt" werden, mit PV-Strom kann er sich selbst versorgen.
    [Verknüpfung]

    Die Fachpolitiker von CDU, FDP und selbstverständlich AfD zeigen sich von all diesen Studien weitestgehend unbeeindruckt. Ich gehe davon aus, dass viele sich nicht einmal damit beschäftigt haben.
    Die bis dahin aufgewendeten Kosten allein für Fossilbrennstoffimport und -Subventionierung werden den genannten 2-Billionen-Betrag sehr wahrscheinlich bei Weitem übersteigen, geht man von der aktuellen Summe von gut 100 Milliarden € pro Jahr aus.
    [Quaschning 2014]
    Nicht eingerechnet die Kosten durch Ressourcenkriege, Schäden durch Klima- und Biodiversitätskrise und deren Prävention, sowie Klimaklagen. Doch vor allem: Energiewende bedeutet Investition in eine kostenlose Energieversorgung. Für jedes erreichte Prozent eigener Erneuerbarer Energie schlagen nur noch Wartungs- und Erneuerungskosten zu Buche. Ebenfalls nicht eingerechnet sind die Verluste durch disruptive Veränderungen der Märkte, wie sie zur Zeit die Automobilindustrie befürchtet, die die Antriebswende zu blockieren versucht hat, und der nun die Konkurrenz um Längen voraus ist.

    Dass die FAZ mittlerweile einen Kurswechsel beim Thema Energiewende vollzogen hat, ist das deutliche Signal einer Zeitenwende. Es hängt wohl damit zusammen, dass die FAZ stärker mit der internationalen Finanzwelt verwoben ist, die eine massive Umschichtung von Kapital aus fossilen in Erneuerbare Energien ankündigt. Russlands Überfall auf die Ukraine hat diese Tendenz nochmal deutlich verstärkt.


    Wir sollten der Bevölkerung aber heute klar sagen, dass Öl- und Gasheizungen keine Zukunft haben. [...] Jeder, der sich heute noch ein Auto mit Verbrenner kauft, sollte sich darüber im Klaren sein, dass dieses Auto in ein paar Jahren keinen Wiederverkaufswert mehr hat. [..] Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern ein Energieträger, der umständlich aus erneuerbaren Energien oder aus Erdgas hergestellt werden muss. [... Wir müssen die Erneuerbaren so schnell wie möglich ausbauen.] Dadurch gewinnen wir an Souveränität. [...] Mit dem Solarstrom in Verbindung mit Wärmepumpen könnte auch Erdgas zu Heizzwecken eingespart werden. [...] Zukünftig werden Batterien auch aktiv an der Frequenzregelung im Netz und an der Sicherstellung der Versorgungssicherheit beteiligt sein.
    Bruno Burger (Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme)
    [Verknüpfung]

    Das Handelsblatt z.B. hat den Schritt zur Unterstützung der Transformation schon vorher vollzogen. Die letzte Gegenwehr kam zuletzt aus rechtskonservativen, neolibertären Kreisen, und seit der Wahl von Friedrich Merz wieder verstärkt aus der CDU. Sie betreiben eine gesellschaftliche Spaltung, und manche schrecken auch vor religiösem Fundamentalismus nicht zurück.
    Ebenfalls kaum zu glauben: Christian Lindner (FDP) spricht in der Ukraine-Krise über die Erneuerbare von "Freiheitsenergie" - gegenüber der Politik der schwarz-gelben Koalition ist das eine historische 180°-Wende.

    Dass die fossilökonomistisch verzerrte Sichtweise so lange den deutschen Journalismus dominiert hat wird verständlich, wenn man die tiefgreifende Vernetzung des politischen Systems mit der Fossilwirtschaft betrachtet.

    Die FAZ und die Welt werden bevorzugt gelesen von der konservativen Elite des Landes. Sie vertraten den Kurs der Merkel-Regierungen, die versucht haben, die Energiewende im Sinne der ursprünglichen Deutschland AG, also fossilbasiert, nach deren eigener Lesart zu moderieren, oder wie Kritiker (wie ich) sagen, zu blockieren.

    Die Deutschland AG ist das deutsche Pendant zu dem, wovor Ex-General und US-Präsident Eisenhower 1961 bei seiner Abschiedsrede eindringlich gewarnt hatte, und was auch Michail Gorbatschow in der Biographie von Werner Herzog so bezeichnete: ein militärisch-industrieller Komplex, der nachhaltigen Gemeinwohl-Interessen diametral entgegensteht, und damit früher oder später die Demokratie gefährdet. Die Geschichte dieser Unternehmen im Dritten Reich ist - von wenigen Ausnahmen abgesehen - von Opportunismus und Kollaboration geprägt. Alle anderen Beispiele sind damals gemäß den sozialdarwinistischen Spielregeln untergegangen.
    [Wikipedia 2020 - Deutschland AG]
    Diesen Konzernen ist gemeinsam, dass sie massiv politische Entscheidungen beeinflussen, um ihre riesigen Profite aus ökoziden Techniken zu sichern, obwohl das im Widerspruch zum Gemeinwohl steht. So hat die deutsche Elektro- und Schwerindustrie wie auch die chemische Industrie von deutscher Weltkriegs-Politik und Faschismus profitiert. Die chemische Industrie hat nachgewiesen toxische und ökotoxische Wirkstoffe als Fortschritt mit eigenen Studien als unbedenklich eingestuft und verkauft, und die Erforschung von Alternativen, von denen sie weniger oder gar nicht profitiert, blockiert. Jahrzehntelang profitierten die "Energieversorger" vom Exklusiv-Vertrieb der Ressource elektrischer Energie und bekämpfte die Energiesouveränität der Bürger:innen. Die Erdöl- und Automobilindustrie profitierte von der Motorisierung des Militärs, und nach dem Krieg von der fossilen Massenmotorisierung, und deshalb blockiert sie die Verkehrswende im Individual- und im öffentlichen Verkehr.
    Da die Unternehmen der Deutschland AG von der Nutzung fossiler Rohstoffe profitieren, stehen vor allem sie und ihre politischen Interessenvertreter für die Blockade von Klimaschutz in Deutschland - auch auf die Gefahr hin, Modernisierungsverlierer in der unvermeidlichen clean disruption zu werden. Um diese Gefahr zu verschleiern, erzählt man den Massen von drohender Deindustrialisierung.

    In der SPD liest man u.a. den Spiegel, der mit der Spiegel-Affäre in den 60er Jahren als investigatives Blatt berühmt wurde und bis zur Jahrtausendwende das wichtigste Organ der linksliberalen Elite darstellte. 1986 titelte er noch mit einem überschwemmten Kölner Dom "Die Klima-Katastrophe". Seit der Berufung von Stefan Aust als Chefredakteur 1993 und der Übernahme durch die Mohn-Bertelsmann-Gruppe hat er allerdings eine klimawissenschaftliche und sozialpolitische Kehrtwendung durchgemacht.
    [Wikipedia 2022 - Der Spiegel - Ära Stefan Aust]
    Aust wurde Ende der 60er-Jahre als linker Journalist bekannt. Offensichtlich folgte er damals dem Zeitgeist. Heute zählt Aust als Herausgeber des Springer-Blatts Die Welt, dessen Chefredakteur er bis 2016 war, zum entgegengesetzten Ende des politischen Spektrums. Die dramatische Wandlung des Spiegel unter seiner Führung hat der Kollege Oliver Gehrs 2005 in seinem Buch "Der Spiegelkomplex" beleuchtet. Gehrs' Büroleiter Gabor Steingart warnte ihn vor der Veröffentlichung und wechselte vom Spiegel in das wirtschaftsliberal-konservative Lager.
    [Verknüpfung]
    Besonders deutlich war sie unter dem streitbaren Chefredaktions-Mitglied Nikolaus Blome zu spüren, der vorher und nachher in der Redaktion des konservativen Boulevard-Blatts Bild-Zeitung aus dem Springer-Konzern die Nr. 2 war. Mit dem Sohn des Spiegel-Gründers Jakob Augstein lieferte er sich bis 2020 regelmäßig ein Rededuell beim öffentlich-rechtlichen Politik-Spartensender Phoenix.
    [wikipedia 2020 - Nikolaus Blome]
    [Wikipedia 2022 - Der Spiegel - Wolfgang Büchner]
    Diese neoliberale Wende ist vergleichbar mit der der FDP, die seit der "geistig-moralischen Wende" Helmut Kohls (die u.a. durch den Koalitionswechsel der FDP) keinen Nachwuchs ihres linken Flügels mehr verzeichnen kann - weil er unerwünscht ist.
    So schrieb der Spiegel bis vor Kurzem bestenfalls reserviert gegenüber Erneuerbarer Energie und den Warnungen des IPCC, also ebenfalls im Sinne der Fossil-Industrie. Ein Artikel von Gerd Rosenkranz und Harald Schumann, der den Desinformations-Kampagnen über Kosten von Windstrom der Stromkonzerne widersprach, wurde von Aust im Spiegel nicht zugelassen. Er erschien mit entsprechendem Hinweis in der Netzeitung.
    Netzeitung im Webarchiv: [Verknüpfung]
    Stattdessen kam es zur Einstellung der Klimaskeptiker Axel Bojanowski und Olaf Stampf. Besondere Tiefpunkte des Spiegel sind das Interview mit dem BGR-Klimaskeptiker Ulrich Berner 2001 sowie die Titelthemen "Die große Klima-Hysterie" vom 06.05.2007 mit dem Leitartikel "Abschied vom Weltuntergang", und "Der Windmühlenwahn" vom 28.03.2004 mit dem Leitartikel "Die große Luftnummer", dessentwegen die Experten beim Spiegel kündigten.
    [Rest 2010]


    Quer durch die Republik wächst der Widerstand gegen die Verspargelung der Landschaft durch immer mehr Windräder. Ökonomisch macht ein weiterer Ausbau wenig Sinn: Er würde Milliarden an Fördergeldern verschlingen, der Nutzen für die Umwelt wäre gering.
    Frank Dohmen und Frank Hornig
    Spiegel-Titel: [Verknüpfung]
    Spiegel-Leitartikel: [Verknüpfung]

    Aber auch das Thema Elektroauto bleibt 2010 - 19 Jahre nach dem BMW E1, 14 Jahre nach dem GM EV1 und zwei Jahre nach dem Tesla Roadster beim Spiegel völlig unterbelichtet. Der Autor Christoph Gunkel tut so, als wäre der sprichwörtlich bleischwere Blei-Akkumulator von 1887 immer noch Stand der Technik - obwohl es zu dem Zeitpunkt bereits drei verschiedene autotaugliche Neuentwicklungen gab.
    Auch in der Diskussion um die Rohstoff-Lieferketten für Elektroautos 2019 fällt der Spiegel durch reißerische Rosinenpickerei contra Elektroautos auf, ohne die größere Perspektive unseres allgemeinen Ökozid-Problems zu beleuchten.

    Noch im Welt-Interview im März 2023 äußert Aust ganz klar seine klimaskeptische Grundhaltung, und bezeichnet die zerstrittene Klimapolitik der Ampel als "vollkommen lächerlich" und realitätsfremd.
    Welt: [Verknüpfung]
    Youtube: [Verknüpfung] Damit liegt Aust auf Linie mit seinem neuen Chef, dem klimaskeptischen Springer-Konzernchef Mathias Döpfner.

    Wie aus der SPD, so hat sich auch aus dem Spiegel eine linke Gruppierung abgespalten, die seit 2008 unter demselben Jakob Augstein eine eigene Wochenzeitung publiziert: Der Freitag
    [Verknüpfung]
    Seit dem Weggang des Wissensredakteurs Axel Bojanowski 2020 ist beim Spiegel allerdings eine erneute Kursänderung zu bemerken, Klimaschutz ist dort wieder angesagt. Der Medienpsychologe Christian Stöcker betreibt dort ausgezeichnete Aufklärung über Klimapolitik, aber auch über sozialpsychologische Probleme der Klimakrise.

    Um das alles zu verstehen, muss man die personellen Vernetzungen von CDU, SPD, FDP und Gewerkschaften mit Industrie und Finanzwirtschaft kennen. In jüngster Zeit kommen - mit zunehmender Regierungsbeteiligung - auch vereinzelte Mitglieder der Grünen dazu.

    Die SPD als traditionell gewerkschaftsnahe Partei begann in den 70er Jahren daran zu kranken, dass der Wohlstand zunehmend von gut bezahlten Industriearbeitsplätzen abhängig wurde - als nämlich die erfolgreiche Gewerkschaftsarbeit den Arbeitern mehr Beteiligung an Gewinnen und auch wirtschaftlichen Entscheidungen brachte.
    Doch die Arbeitgeber fanden schnell heraus, dass auch Betriebsräte korrumpierbar sind; ein bekanntes Beispiel sind die Skandale um Sex-Touren des VW-Betriebsrats nach Brasilien.
    [Wikipedia 2022 - VW-Korruptionsaffäre]
    In die frühe Zeit des Neoliberalismus fielen auch die Korruptionsskandale um gewerkschaftliche Genossenschaften im Wohnungsbau (Neue Heimat) und Handel (Coop), deren Bankrott mit großem Medienecho begleitet wurde.
    Seit der Zeit von Gerard Schröder leidet die SPD allerdings unter einer regelrechten Unterdrückung linker Positionen, gemäß der neoliberalen Ideologie vom Trickle-Down-Effekt.

    Dass die linksliberalen Parteien, wie in Deutschland die SPD, im Neoliberalismus als Interessenvertreter der unteren Mittelschicht aus der Rolle gefallen sind und ihre Wähler:innen enttäuscht hat, hat den Rechtspopulismus sicher weltweit befördert.

    Über Jahrzehnte finanzierten die Fossilprofiteure großzügig die Regierungsparteien durch Spenden.
    [Verknüpfung]
    CDU und SPD werden bei Parteispenden aus der Industrie meist deutlich bevorzugt.
    [Verknüpfung]
    Das zeigt die NGO Abgeordnetenwatch durch ihre Auswertung der Vergabe von Hausausweisen zum Deutschen Bundestag durch die Parteien.
    [Verknüpfung]
    Das ausgetretene SPD-Mitglied Marco Bülow berichtet. Er hat mittlerweile die Kampagne Lobbyland gestartet.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Das ZDF berichtet 2021 in einer Folge der Doku-Reihe zoom...
    [Verknüpfung]
    ... und die ARD in Die Story im Ersten.
    [Verknüpfung]

    Greenpeace hat in einem ausführlichen Dossier die Klimaschutzbremser in CDU und SPD zu Zeiten der Großen Koalition porträtiert: "Wir haben verhindert".
    PDF: [Verknüpfung]

    CDU und FDP wehrten sich jahrelang gegen ein Lobbyisten-Register. Auch die GroKo hat erst 2021 ein erstes Gesetz geschaffen, trotz jahrzehntelang anhaltender, lautstarker Forderungen aus der Zivilgesellschaft.
    [Verknüpfung]
    Wie schwer sich die CDU mit dem Thema tut, und warum das Gesetz immer noch nicht volle Transparenz bietet, beleuchtet Petra Pinzler in die Zeit.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Als Lobbyorganisation besonders hervorzuheben ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft INSM des IW (Institut der deutschen Wirtschaft); einer ihrer Bottschafter war der Klimaskeptiker Wolfgang Clement, der aus der SPD ausgetreten ist. Ein Artikel von Tina Ternus beleuchtet deren Mechanismen der Desinformation in der Energiewende.

    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2024 - Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft]
    Ihre Kampagne gegen die Energiewende wurde natürlich vom Bundesverband Erneuerbare Energie scharf kritisiert. Auch die Kampagne gegen die grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock wurde von der INSM aggressiv vorangetrieben.
    [Verknüpfung]

    In der Subprime-Krise 2008, in der die Bundesregierung innerhalb kürzester Zeit riesige Summen zur Rettung von Banken mobilisierte, prägte Kanzlerin Angela Merkel den Begriff der marktkonformen Demokratie.
    Barbara Eisenmann produzierte 2018 für SWR2 ein Feature zum Thema:
    [Verknüpfung]


    Wir leben ja in einer Demokratie und sind auch froh darüber. Das ist eine parlamentarische Demokratie. Deshalb ist das Budgetrecht ein Kernrecht des Parlaments.
    Insofern werden wir Wege finden, die parlamentarische Mitbestimmung so zu gestalten,
    dass sie trotzdem auch marktkonform ist,
    also dass sich auf den Märkten die entsprechenden Signale ergeben.
    Dr. Angela Merkel
    [Verknüpfung]

    Bezeichnend die Antwort des Regierungssprechers Steffen Seibert auf der Bundespressekonferenz vom 04.09.2019 auf die Frage von Tilo Jung, warum immer noch kein Gesetz vorläge. "Es gibt keinen Grund für Misstrauen gegenüber der Politik, im Gegenteil."


    [Verknüpfung]

    Wie weit der Einfluss der neoliberalen Wirtschaft in Berlin geht, zeigt das Beispiel Freshfields Bruckhaus Deringer. Diese englische Großkanzlei berät einerseits die Bundesregierung bei der Gestaltung von Finanzgesetzen, und andererseits Banken bei der Gestaltung von Cum-Cum- und Cum-Ex-Geschäften.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
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    Ein wichtiger Gestalter der Cum-Ex- und anderer kreativer Steuermodelle ist der ehemalige Steuerfahnder und Steueranwalt Hanno Berger; seine umstrittene Kundschaft reicht vom Schlachtindustriellen Clemens Tönnies bis zum Finanzier Carsten Maschmeyer, einem Förderer von Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD). Berger steht vor Gericht, schiebt aber die Schuld auf der Bundesregierungen, die nicht alle Gesetzeslücken geschlossen haben.
    [Wikipedia 2020 - Hanno Berger]
    [Verknüpfung]
    Der WDR deckte Bergers Verbindungen zur FDP auf.
    [Verknüpfung]
    Die Zeit gehört zum Recherche-Kollektiv, das 2018 eine Reihe von Veröffentlichungen macht.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der damalige Regierende Bürgermeister von Hamburg, dann Finanzminister und jetzt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) steht seit Jahren im Verdacht, die Verfolgung der Warburg-Bank wegen Cum-Ex-Geschäften durch seine Finanzbehörden beeinflusst zu haben (Stand Herbst 2023).
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Das Finanzministerium hatte damals mehrfach die Hamburger Behörden angewiesen, das durch Betrug eingenommene Geld zurückzufordern. Im Untersuchungsausschuss 2020 zu Gesprächen mit den Tätern befragt, beruft sich Scholz auf Erinnerungslücken und stellt strengere Gesetze zur Verjährung solcher Taten in Aussicht - dabei wurden in seinem Ministerium gerade erst neue Gesetze erlassen, die bei der Verjährung großzügiger sind.
    [Verknüpfung]
    Die ermittelnden Behörden sind personell völlig unterbesetzt, obwohl es um mindestens 33 Milliarden an Schäden für den deutschen Steuerzahler (EU-weit 55 Milliarden) geht - es droht die Verjährung der meisten Verbrechen. Verantwortlich für die Ermittlungen ist die Landesregierung NRW unter Ministerpräsident Laschet (CDU).
    [Verknüpfung]
    Die bisherigen wenigen Urteile sind sehr milde, meist droht Verjährung: die ältesten Fälle datieren auf 2001. 2002 bekam das Finanzministerium die ersten Hinweise.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Besonders prekär ist das vor dem Hintergrund, dass lange vor dem Skandal der amerikanische Gesetzgeber ähnliche Geschäfte unterbunden hat, wie Karsten Polke-Majewski und Christian Salewski in der Zeit berichteten.
    Zitat:

    "Kein Wunder, denn während sich in den USA die Tür schließt, stößt der deutsche Gesetzgeber sie 2007 mit einer Gesetzesänderung weit auf. Der Bundesverband deutscher Banken hatte sich gemeldet: Es könne schon mal passieren, dass eine Aktie zwei Eigentümer habe – einen wirtschaftlichen und einen juristischen. Die Kapitalertragsteuer werde dann vom Staat doppelt erstattet. Der Verband hat auch schon einen Formulierungsvorschlag für ein neues Gesetz parat. Eine junge Beamtin aus Nordrhein-Westfalen warnt: Der Bankenverband wolle die Geschäfte auf Kosten des Staats nicht unterbinden, sondern im Gesetz verankern. Doch niemand hört auf sie. Der Vorschlag des Bankenverbands wird mit dem Jahressteuergesetz 2007 umgesetzt und wirkt wie ein Brandbeschleuniger für Cum-Ex."
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die leitende Staatsanwältin für Finanzkriminalität in Köln, Anne Brorhilker, ist durch ihren unermüdlichen Einsatz über 10 Jahre gegen alle Widrigkeiten bekannt geworden. 2024 wirft sie hin und wechselt zur NGO Finanzwende, wo sie sich mehr Wirksamkeit ihrer Expertise erhofft. Ihr Fall gegen den Kläger Hanno Berger am Bundesverfassungsgericht wurde von Global Investigations Review GIR mit dem Most Important Court Case of the Year Award ausgezeichnet, Bloomberg zählte sie 2021 zu den 50 einflussreichsten Personen im Bereich Finanzen weltweit.
    GIR: [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]
    manager magazin: [Verknüpfung]
    Bloomberg: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2024 - Anne Brorhilker]
    Brorhilker beklagt im Interview mit dem WDR, die Strafverfolgung von Finanzdelikten werde durch Unterbesetzung behindert, Angeklagte könnten sich in der Regel durch Vergleiche günstig freikaufen, es gebe unkontrollierte Nachfolgemodelle für Cum-Ex. Als eine wichtige Ursache sieht sie den deutschen Föderalismus, und zu wenig internationaler, oder wenigstens europäischer Austausch.


    Ich war immer mit Leib und Seele Staatsanwältin, gerade im Bereich von Wirtschaftskriminalität, aber ich bin überhaupt nicht zufrieden damit, wie in Deutschland Finanzkriminalität verfolgt wird. Da geht es oft um Täter mit viel Geld und guten Kontakten, und die treffen auf eine schwach aufgestellte Justiz. [...] Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen.
    Anne Brorhilker
    Spiegel: [Verknüpfung]
    WDR: [Verknüpfung]
    Youtube: [Verknüpfung]

    Dänemark dagegen erlässt neue Gesetze gegen Steuerbetrug.
    [Verknüpfung]
    Dass diese skandalösen Geschäfte bekannt wurden, ist dem hochkarätigen Recherche-Netzwerk correctiv zu verdanken.
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Scholz Verstrickung in den Fossilökonomismus wird deutlich in seinem Grußwort anlässlich der 125-Jahr-Feier der RWE. So spricht niemand, der sich guten Gewissens als "Klimakanzler" bezeichnen kann, denn der Energiemonopolist RWE ist seit Jahrzehnten für Ökozid im großen Maßstab verantwortlich. Die deutsche Klimaschutz-Bewegung prägte für ihn den Spottnamen "Klima-Canceler".


    Hallo, Essen! Hallo, RWE! It’s great to be with you today. It’s a privilege to join your celebration. „Energising the future“: Das ist das Motto Ihres Jubiläums. .... Den Erfolg dieser Transformation kann nicht die Bundesregierung anordnen und auch nicht die EU. Wir können nur den Rahmen setzen. Sie sind es, die die Transformation gestalten. Sie sind es, die den Bürgerinnen und Bürgern ein warmes Zuhause geben. Sie sind es, die mit nachhaltiger, sicherer und bezahlbarer Energie neue Wertschöpfung möglich machen, hier in Deutschland, in Europa und weltweit. Mehrere Hundert Milliarden an Investitionen werden in Deutschland bis 2030 für die Energiewende gebraucht. Auch in Zukunft lässt sich also mit Energie Geld verdienen. Blendende Aussichten für Sie, blendende Aussichten für RWE.
    125 Jahre RWE, das bedeutet: Viel geschafft, noch viel zu tun. Auf Sie kommt es weiter an. „Energising the future“ [...]
    Bundesregierung: [Verknüpfung]

    Ein anderes Beispiel für Verstrickungen von Politik und Wirtschaft ist der Wirecard-Skandal. Bis kurz bevor der Skandal aufflog, stand Ex-Verteidigungsminister Carl-Theodor zu Guttenberg (CSU) mit seiner Beraterfirma Spitzberg Partners auf der Beraterliste von Wirecard, und Angela Merkel machte mit ihrer Entourage persönlich Werbung bei potentiellen chinesischen Partnern. Die Finanzaufsicht BaFin hatte ein Verbot für Leerverkäufe (das sind Wetten auf fallende Kurse) von Wirecard-Aktien erlassen, die Kreditanstalt für Wiederaufbau einen Kredit verlängert, und die Aufsichtsbehörden trotz Gerüchten in der Fachpresse nie eine Beanstandung an den Jahresabschlüssen geäußert. Von Guttenberg stellt sich jetzt als Opfer von Betrügern dar.
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    Obwohl die politischen Fürsprecher größtenteils CDU-Mitglieder sind, schließt sich die CDU gerne der Kritik am zuständigen Fachminister Scholz (Kanzlerkandidat der SPD) an, der das Leerverkaufs-Verbot der BaFin zu verantworten hat - obwohl damals schon lange unüberhörbare Gerüchte kursierten. Die SPD wiederum versucht die Aufmerksamkeit auf Wirtschaftsminister Altmaier zu lenken, dessen Wirtschaftsaufsicht Apas ebenfalls versagt hat. Alle Beteiligten haben sich auf die Gutachten der Wirtschaftsberatung Ernst & Young verlassen. EY gehört zum Big-Four-Oligopol der Ratingagenturen, die 2008 durch kundenfreundliche Gutachten viele Milliarden Verluste und damit eine globale Finanzkrise auslösten, die Subprime-Krise. Die damals anlaufende Klimapolitik, ausgelöst durch die Diskussion um An inconvenient Truth von Al Gore, wurde durch diese Krise aus Geldmangel auf unbestimmte Zeit verschoben und dann unter Trump endgültig abgesagt.
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    Der deutsche Finanzminister sollte eigentlich die Besteuerung von Finanztransaktionen vorantreiben, die spätestens seit der letzten Finanzkrise massiv gefordert werden. Doch nach einem langen Prozess legt er 2020 einen Vorschlag vor, der v.a. die Interessen der Finanzindustrie bedient und Kleinanleger benachteiligt. Deshalb wird er von Österreich abgelehnt.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Sein Kompromissvorschlag belastet ebensowenig den Hochfrequenzhandel, sondern entlastet nur die Kleinsparer mit der Anhebung eines Steuerfreibetrags.
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    Der Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ist unmittelbar nach einem deutsch-russischen Gas-Deal (der den Bau der Pipeline Nordstream umfasst) von der Bundesregierung zur russischen Fossilwirtschaft gewechselt als Aufsichtsratsvorsitzender beim Pipeline-Betreiber Nord Stream und 2018 dann beim russischen Ölgiganten Rosneft. Seine engen Kontakte als niedersächsischer Ex-Ministerpräsident zu VW und Putin erklären auch die Beziehungen zum Putin-vertrauten Oligarchen und VW-Anteilseigner Oleg Deripaska.
    Bei diesem Wechsel aus politischen Zuständigkeiten in privatwirtschaftliche Beschäftigung und ggf. wieder zurück spricht man von Drehtür-Beschäftigung. Putin rekrutierte nach Schröder weitere hochrangige europäische Politiker, man spricht deshalb bei diesem besonderen Ausmaß von "Schröderisierung". In der Ukraine-Krise befindet sich Europa deshalb in einem gewaltigen Dilemma.
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    Gerhard Schröder hat die jahrelange heftige Kritik an seinem Verhältnis zu Putin nicht beeindrucken können; nach der russischen Ukraine-Invasion im März 2022 hat er auf seine Ehrenbürgerschaft der Stadt Hannover verzichtet, aber bis heute (2023) nicht auf seine Posten in russischen Unternehmen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Dass Putin als ehemaliger Agent des sowjetischen Geheimdiensts KGB hinter vielfältigen Aktivitäten zur Destabilisierung der westlichen Demokratien steckt, war zu Beginn des Ukraine-Kriegs schon lange nachgewiesen. Schröder nannte Wladimir Putin jedoch einen "lupenreinen Demokraten", auch als dieser schon für seine zutiefst undemokratischen Methoden immer lauter kritisiert wurde. Bisher hat Schröder weder widerrufen, noch hat die SPD Aufforderungen zu Schröders Parteiausschluss aufgegriffen.
    [Verknüpfung]
    Erst Schröders Festhalten an Pution im Ukraine-Krieg hat die Diskussion wieder etwas aufleben lassen. Schröder ist jedoch (Stand Juli 2022) immer noch Mitglied der SPD.


    Beckmann:
    Ist Putin ein lupenreiner Demokrat?
    Gerhard Schröder:
    Das sind immer so Begriffe. Ich glaube ihm das und ich bin davon überzeugt, dass er das ist. Dass in Russland nicht alles so ist, wie er sich das vorstellt und gar wie ich oder wir uns das vorstellen würden, das, glaube ich, sollte man verstehen. Dieses Land hat 75 Jahre kommunistische Herrschaft hinter sich und ich würde immer gerne die Fundamentalkritiker daran erinnern, mal darüber nachzudenken, ab wann denn bei uns alles so wunderbar gelaufen ist.
    [Verknüpfung]

    Eine eher ungeschickte Wortwahl, wenn Schröders Parteigenosse Frank Schwabe am 05.04.2021 bei Markus Lanz den aserbaidschanischen Geldgebern korrupter Unions-Mitglieder abspricht, "lupenreine Demokraten" zu sein. Ein klassischer Freudscher Versprecher, sollte man meinen. Schwabe ist jedoch auch der Protagonist in einem Aufklärungsfilm des SWR über die korrupten CDU-Verbindungen nach Aserbaidschan. Dort sagt er: "Das ist das Schlimmste, was im Deutschen Bundestag seit 1949 passiert ist." Während sein immer-noch-Genosse Gerhard Schröder zum 80. Geburtstag im Interview nicht einsieht, mit seiner korrupten Freundschaft zu Putin Deutschland in die enge Energieabhängigkeit von einem kriegstreiberischen Diktator getrieben zu haben.

    Schröders politischer Nachfolger, SPD-Vizekanzler Sigmar Gabriel engagierte sich 2015 gegen Widerstände aus der CDU besonders für die zusätzliche Gaspipipeline Nordstream 2, die die Ukraine umgeht. Eine Stilllegung solcher Milliardenprojekte vor der Abschreibung ist politisch schwer durchzusetzen, oder nur unter massivem Schadenersatz.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Das ist nicht nur klima-, sondern auch außenpolitisch höchst brisant, weil in der Zwischenzeit die Ukraine ihre Bündnistreue zu Russland aufgekündigt hat, u.a. als Folge des Gasstreits 2004 und amerikanischer Einmischung in die Maidan-Proteste 2013, und danach von Russland überfallen wurde.
    Gegenüber Putins Desinformations-Maschine Russia Today RT zeigt Gabriel 2017, drei Jahre nach der De-Facto-Annektion der Krim, immer noch keine Berührungsängste. Über ein Interview Gabriels mit RT titelt Ulli Tückmantel in der Westdeutschen Zeitung "wie Gabriel sich dem Desinformations-Pack andient" und spricht von "Lügen".
    WZ: [Verknüpfung]
    Gabriel wurde schon als nächster Cheflobbyist der deutschen Automobilindustrie gehandelt, hat sich aber davon wieder zurückgezogen. Dann prüfte er den Wechsel in die Wirtschaftsberatung. Sein Insider-Wissen ist von unschätzbarem Wert. Das kommt jetzt wohl der Deutschen Bank zugute.
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    Der Gasstreit ist 2022 zum Ukraine-Krieg eskaliert.
    Sigmar Gabriel war als Peter Altmaiers Vorgänger im Wirtschaftsministerium maßgeblich an der Energiekehrtwende 2015 und 2016 beteiligt.
    Letztlich ist er jetzt als Berater für Thyssenkrupp Steel tätig und knüpft intensive Kontakte zur Ampel-Regierung.
    [Verknüpfung]

    Schröders größter innerparteilicher Widersacher wiederum, Oskar Lafontaine, sorgte für mehrere Parteiabspaltungen aus der linken Seite der deutschen Parlamente.
    Bereits 2005 hatte Lafontaine vom Saarland aus die Abspaltung der Wahlalternative Soziale Gerechtigkeit WASG aus der SPD vorangetrieben, die mit der SED-Nachfolgepartei PDS zur Linkspartei.PDS, später die Linke, zusammenfand. So sollten die Linken im Westen und die Ex-SED-Wähler im Osten angesprochen werden; wegen ihrer Ostpolitik war diese Partei jedoch für viele Westdeutsche lange unwählbar.
    [Wikipedia 2024 - Oskar Lafontaine]
    [Wikipedia 2024 - Sahra Wagenknecht]
    Die Putin-Treuen in der Linken verloren nach dem Beginn des Ukrainekriegs in der Partei immer mehr an Einfluss, fanden aber in Lafontaines Frau Sahra Wagenknecht eine treibende Kraft. So hat sich 2024 das Bündnis Sahra Wagenknecht BSW von der Linken abgespalten. Das BSW bezeichnet sich als links-konservativ, und tritt ein gegen Migration und eine offene Gesellschaft, gegen die westliche Unterstützung der Ukraine, und für Gasimporte aus Russland - alles Kernforderungen der AfD, die nun also auch von einer vermeintlich linken Partei geäußert werden. Die linksliberalen Anliegen von Antiautoritarismus und Antifaschismus in den Parlamenten werden so jedenfalls deutlich geschwächt.
    DLF: [Verknüpfung]

    Wieviele Putin-Anhänger neben Altkanzler Gerhard Schröder noch die SPD belasten, ist nicht ganz klar. Diese Leute sind entweder abgewandert oder halten sich sehr bedeckt. Die wiederholte Blockade bei den Waffenlieferungen an die Ukraine, ob Spürpanzer, Schützenpanzer, Raketenabwehrsysteme oder offensive Raketensysteme, geht zweifelsohne von SPD-Kanzler Scholz aus.

    Gabriels Vorgänger Philipp Rösler (FDP) wurde von CDU-Umweltpolitiker Klaus Töpfer als "Bremser der Energiewende" bezeichnet. In seiner kurzen politisch aktiven Zeit hat er die Energiekehrtwende effektiv eingeleitet. Er begünstigte fossile Kraftwerke, rechnete den Verbrauch großer Autos (durch Division durch das Fahrzeuggewicht) schön und bremste v.a. den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus, gegen die Widerstände des Umweltministers Norbert Röttgen.
    Rösler sitzt seit seinem Ausscheiden aus der Politik in zahlreichen hochdotierten Aufsichtsräten.
    [Wikipedia 2024 - Philipp Rösler - Energiepolitik]

    Sein Nachfolger Christian Lindner steht Rösler kaum nach. Als Parteivorsitzender und Finanzminister ziehen er und seine Parteikolleg:innen in der Ampel-Koalition alle Register, um die Klimawende nach liberalen Vorstellungen zu "gestalten". Sei es das Festhalten an der Schwarzen Null (trotz zusätzlicher Finanzbelastungen durch Aufrüstung der Bundeswehr), was den Spielraum für sozialverträglichen Klimaschutz minimiert, sei es die Blockade des Tempolimits oder der Autobahnausbau durch den FDP-Ministerkollegen Volker Wissing, sei es die neoliberale Schwerpunktsetzung der Wissenschaftspolitik durch die FDP-Ministerkollegin Stark-Watzinger. Es wundert niemanden, wenn sich der neue VW-Chef Blume seiner intensiven Einflussnahme auf die Koalitionsverhandlungen brüstet. Lindner ist bekennender, langjähriger Porsche-Fahrer.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    In der Diskussion um die Verkehrswende-Blockade durch seinen Parteikollegen Wissing dreht Lindner wieder an der Gebetsmühle der Verantwortungsdiffusion.


    Es ist nicht Volker Wissing, der die Klimaziele im Verkehr nicht erreicht, es sind die Bürgerinnen und Bürger, die die Klimaziele nicht erreichen, weil die Menschen eben mobil sein wollen.
    Christian Lindner
    [Probst 2023]

    Vor der Regierungsverantwortung in der Ampel versuchte er 2019, sich als Fels in der Brandung gegen Fridays for Future zu profilieren.


    Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis.
    Christian Lindner
    [Verknüpfung]

    Nach dem Shitstorm beklagte Lindner sich über das "gewollte Missverstehen".
    Welt: [Verknüpfung]
    Doch schon bald versucht er weiter, die Forderungen der Klimaschützer als Ideologie abzutun. Wenn er schon nicht die Kinder angreifen kann, dann die Nicht-Fachleute, die sich in die Diskussion einmischen, Zitat:

    "[...] unser großes Problem ist, dass Politologen, Soziologen und Theologen auch technische Fragen beantworten. Also, Wasserstoffantrieb oder synthetischer Antrieb, synthetischer Kraftstoff oder Elektroantrieb. Das diskutieren Politologen, Soziologen und Theologen. Und das muss sich verändern, da müssen eben die sprichwörtlichen Profis ran. [...]"
    DLF (mit Transkript): [Verknüpfung]

    Lindners Problem ist, dass diese Geisteswissenschaftler sich, wie die Kinder auch, auf die Fachwissenschaften berufen können.

    Auch im Versprechen der großen Innovation, und dem Herbeireden der sozialen Spaltung ist er schon lange ganz vorne dabei. Ausgerechnet er, der die neoliberale Wirtschaftselite vertritt, die für die prekäre Lage der Menschen hauptverantwortlich ist. Damit instrumentalisiert er die Menschen, an deren prekärer Situation er selbst kein Problem erkennt, findet auch FR-Kommentator Stephan Hebel. Ulrich Schulte spricht in der taz von einem "liberalen Robin Hood".
    FR: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]


    Meine Sorge ist, dass die gut Betuchten, die sich grüne CO2-Preise leisten können, so weitermachen wie bisher [...], und die anderen, die nicht so hohes Einkommen haben, das sind dann diejenigen, die auf Auto, auf Urlaub, auf Ernährungsgewohnheiten verzichten müssen – und das ist eine neue soziale Spaltung, die wir nicht haben müssen. Denn ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wenn wir unseren Erfindergeist wecken, wir in der Lage sind, klimaneutral zu leben und zu wirtschaften ohne diese harten Freiheitseinschränkungen.
    Christian Lindner

    Eine von Lindners Expert:innen in Sachen Sozialpolitik ist Claudia Raffelhüschen. Ihr Mann Bernd ist gleichzeitig Professor in Freiburg und Lobbyist der Versicherungswirtschaft. Er ist schon der Wissensreportage Odysso des (öffentlich-rechtlichen Senders) SWR am 24.04.2008 in der Diskussion um staatliche Zuschüsse zu privaten Rentenversicherungen aufgefallen. Damals ruchbar wurde, dass Raffelhüschen als Direktor des Vereins zur Förderung des Forschungszentrums Generationenverträge e.V. gewaltige Interessen vertrat, denen es um Umsatzzuwächse von 15-16 Milliarden Euro ging: in diesem Fall relevant die Initiative Neue Soziale Markt- wirtschaft INSM, den Versicherungskonzern Gerling, den Verband der privaten Krankenversicherungen, die Süddeutsche Krankenversicherung und die Versicherung Münchner Rück.
    2017 wies die Informationsplattform Lobbypedia der NGO Lobbycontrol auf diesen Interessenkonflikt hin, und rügte sein Verhalten, ohne Hinweis darauf als unabhängiger Gutachter in den Medien aufzutreten.
    [Verknüpfung]
    Das hinderte die Wirtschaftsredaktion der ARD Tagesschau aber nicht, ihm 2022 zum Thema Erhöhung des Renteneintrittsalters wieder Raum für ein ausführliches Statement zu geben, ohne auf diesen Interessenkonflikt hinzuweisen. Raffelhüschen wird vorgestellt als Experte der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. Als Renteneintrittsalter schlägt er (wie Friedrich Merz im Jahr 2000) 70 Jahre vor - im Vergleich dazu stehen 62 Jahre in Frankreich.
    Material zur Sendung als Pdf-Datei (hier archiviert): [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Bernd Raffelhüschen]
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    Bei Trumps rüder Forderung 2019, dass Europa US-Fracking-Gas abnehmen müsse, hat Peter Altmaier auch überraschend schnell zugesagt. Finanzieren will er die Infrastruktur durch Netzentgelte (also die Gaskunden): geschätzt 800.000.000€.
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    Zeit: [Verknüpfung]
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    Wie sich herausstellte, hat Finanzminister Scholz (SPD) diesen Deal dem US-Minister Steven Mnuchin auch als Zugeständnis für Nordstream 2 angeboten, wie ein Schreiben aus dem Finanzministerium zeigt.
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    Zeit: [Verknüpfung]
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    Irland dagegen hat US-LNG schon einmal abgelehnt.
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    Auch die Streichung der Sektorziele aus dem Klimaschutzgesetz 2023 geht auf das Konto von - nun Kanzler - Olaf Scholz, und das ebenfalls, wie sich durch interne Indiskretionen herausstellte.
    Wenn man bedenkt, dass Trump die Auflagen für Fracking-Betreiber massiv gelockert hat und damit die ohnehin hohen Methanverluste aus Kostengründen noch einmal deutlich steigen werden, dass Experten statt Import den Umstieg auf P2G favorisieren, dass Fracking möglicherweise nicht sehr lang konkurrenzfähig bleibt, und dass der Transatlantik-Transport per Tiefkühlschiff (deshalb LNG, liquified natural gas) passieren soll, ist das eine möglicherweise teure und ganz sicher eine hoch klimaschädliche Entscheidung. Wo Altmaier doch immer um Kosten und Effizienz der Energiewende besorgt ist. In der kurzen Zeit nach dem ersten Fracking-Boom gab es in den USA bereits viele Pleiten, wenn die Preise wieder nach unten gingen, weil sich das teure Fracking dann nicht mehr rentiert. Was wieder neue Preisschwankungen auslöste - gut für Spekulanten, aber ungünstig für die Kunden.
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    Der erhoffte Betreiber Uniper zieht sich aus dem Geschäft in Wilhelmshaven zurück. Die Anlagen sollen immerhin für Waserstoff-Derivate wie Ammoniak oder Methan genutzt werden, deren klimaneutrale Herkunft in Frage steht - solange im Herkunftsland Strom aus fossilen Brennstoffen oder Kernkraft gewonnen wird, ist damit der Umwelt kein Nutzen entstanden. Die LNG-Terminals in Stade und Brunsbüttel bleiben in Planung.
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    Dass es weniger um Versorgungssicherheit und Kostenefizienz geht, und mehr um Geostrategie und Außenhandelsbilanz, zeigt folgende Wendung bei der US-Präsidentschaftswahl 2020. Trump war noch nicht ausgezählt, da meldete der Betreiber der geplanten LNG-Terminals Uniper den Rückzug aus dem Geschäft: auch aus rein betriebswirtschaftlicher Sicht macht Altmaier keine nachhaltige Politik.
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    Die plötzliche Kursänderung der Bundesregierung auf politische Morde in Russland zu Lasten der Gaspipeline Nordstream 2 zeigt eine bedenkenswerte Koinzidenz.
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    Die Gegenreaktion der Putin-Lobby auf CDU-Wirtschaftsminister Altmaiers Fracking-Gas-Deal und die Drohungen der USA vor einer Fertigstellung der Pipeline Nordstream 2 wirkt im Januar 2021 wieder einmal bis tief in die Reihen der SPD. Dieses Mal fällt Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig durch die Gründung einer Klima- und Umweltstiftung auf. Diese präsentiert sich offen als kreative Konstruktion zur Umgehung der US-Maßnahmen, um die an der Pipeline beteiligten Firmen vor US-Sanktionen zu schützen. Im Landtag gab es bei der Gründung dieser Stiftung seltene Einmütigkeit. Einzige Gegenstimmen kommen von den Grünen und Umweltverbänden. Fridays for Future protestiert gegen die dreiste Vereinnahmung des Begriffs Klimaschutz für wirtschaftspolitische Zwecke.
    [Verknüpfung]
    Nachweislich wurden dort 192 Millionen russische Euro verwaltet. Im August 2022 ist die Stiftung immer noch aktiv.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Katapult-MV fasst die russlandfreundliche Politik des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern der letzten Jahre zusammen.
    [Verknüpfung]
    Die Regierung Schwesig lehnte im Ukraine-Krieg den Vorschlag der Opposition ab, die aus Russland stammenden Einlagen in der ohnehin umstrittenen Klima- und Umweltstiftung von 20 Millionen Euro als humanitäre Hilfe an die Ukraine zu geben. Dieses deutsch-russische Tischtuch ist wohl immer noch nicht zerschnitten.
    Nur Matthias Platzeck hat seinen Vorsitz des Deutsch-Russischen Forums geräumt.
    Die Affäre um die dubiose Klima- und Umweltstiftung ist nur die Spitze eines Eisbergs. Putins Pläne einer fossilen "Wasserstoff-Hanse" werden bei t-online offengelegt. Nordstream 2 sollte Wasserstoff aus Dampfreformierung und Pyrolyse nach Deutschland transportieren. Verhandlungspartner auf deutscher Seite war der mecklenburgisch-vorpommersche Energieminister Christian Pegel (SPD); die Aufklärung gestaltet sich schwierig, weil Transparenz nicht gerade Pegels Priorität war und ist. Das Grüne Mitglied des Untersuchungs-Ausschusses, Hannes Damm, spricht von Vetternwirtschaft.
    [Verknüpfung]
    Das Putin-Verständnis geht bei manchen sogar noch weiter: in der Linkspartei gibt die (wenn auch intern umstrittene) populäre Sara Wagenknecht der NATO-Politik eine Mitschuld am Krieg.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die fossilen Verstrickungen der SPD reichen nicht nur nach Russland, sondern auch in die Vergangenheit der Steinkohleförderung, die wie heute die Ölwirtschaft, damals jahrzehntelang als Zombie-Wirtschaft drchgefüttert wurde. Viele Mitglieder von SPD und den parteinahen Gewerkschaften saßen in den Betriebs- und Aufsichtsräten.

    Schröders erster Wirtschaftsminister war der parteilose Werner Müller, der vorher und nachher hochrangiger Manager der Fossilwirtschaft war. Müller sträubte sich gegen das EEG und sorgte u.a. dafür, dass nicht nur Bürger, sondern auch Energieversorger die Subventionen für Erneuerbare bekommen.
    [Wikipedia 2022 - Werner Müller (Politiker, 1946)]
    [Verknüpfung]
    Die Frankfurter Rundschau nennt ihn den "letzten Ruhrbaron".
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    Schröders zweiter Wirtschaftsminister Wolfgang Clement war vorher Ministerpräsident des Stein- und Braunkohle-Bundeslandes Nordrhein-Westfalen und deshalb stark vernetzt mit dem lokalen Stromversorger RWE. Er überwarf sich mit Parteikollegen um Hermann Scheer, die die Parteilinie ändern wollten, weg von der Fossilwirtschaft (die wiederum eng mit den klassischen SPD-nahen Gewerkschaften vernetzt war) hin zur Energiewende in Bürgerhand. Clement verließ die Partei 2008 und wurde 2009 Testimonial, 2012 Kuratoriumsvorsitzender der INSM.

    Der Staatsminister im Bundeskanzleramt Eckart von Klaeden (CDU) wechselte so schnell als Lobbyist zu Daimler-Benz, dass gegen ihn wegen Anfangsverdachts auf Vorteilsnahme ermittelt wurde. In seine Amtszeit fällt die Verhinderung strenger EU-Abgasregeln nach einer Großspende der BMW-Eigentümerfamilie, Nachfahren des NS-"Wehrwirtschaftsführers" Günther Quandt. Auch eine Kooperation mit dem US-Elektrotransporter-Hersteller Rivian wurde in seiner Abteilung "External Affairs" abgewendet, unter Zusammenarbeit mit dem brandenburgischen AfD-Abgeordneten Steffen John. Dass von Klaeden mit seiner skeptischen Einstellung zur Elektromobilität im Vorstand allein dasteht, ist bekannt.
    Mit dem Entwicklungsingenieur Dirk Spaniel hat Daimler-Benz seit 2017 einen weiteren AfD-Kontaktmann im Bundestag. Sein Auflösungsvertrag wurde erst 2022 geschlossen.
    ARD: [Verknüpfung]
    derwesten: [Verknüpfung]
    perspektive-online: [Verknüpfung]
    Der Vorsitzende der Kohlekommission und ehemals sächsischer Ministerpräsident Stanislav Tillich (CDU) wechselte gleich nach dem Kohle-"Ausstieg" in den Vorstand des Braunkohlekonzerns MIBRAG.
    [Verknüpfung]

    Besonders bemerkenswert ist auch der Verband Wirtschaftsrat der CDU, der bisher die CDU-Klimapolitik maßgeblich bestimmt, also Klimaschutz massiv gebremst hat. Während politisch wirksamen NGOs aufgrund von fragwürdigen Gesetzen reihenweise die Spendenabzugsfähigkeit aberkannt wurde, genießt er weiterhin die Steuervorteile eines Berufsverbands, meidet jedoch - anders als der Name vermuten lässt - die Transparenzpflichten einer Parteiorganisation, auch bezüglich seiner Geldgeber.
    Die NGO LobbyControl hat sich in einer Studie 2021 mit dieser besonderen Konstruktion auseinandergesetzt, die eng mit dem Führungspersonal in der Fossilwirtschaft und deren Investoren vernetzt ist.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Dort ist zu lesen: "Prominente Präsidiumsmitglieder sind der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Bank Christian Sewing, Daimler-Vorständin Renata Jungo Brüngger oder Stefan Schulte, Vorstandsvorsitzender der Fraport AG. Dazu gesellen sich prominente Ex-CDU-Politiker wie Roland Koch, ehemaliger hessischer Ministerpräsident und mittlerweile Aufsichtsratsvorsitzender der UBS AG, und der ehemalige EU-Kommissar Günther Oettinger. Die Energiewirtschaft ist über E.ON-Vorstandsmitglied Karsten Wildberger vertreten. Mit Christian Freiherr von Stetten ist zudem ein aktiver CDU-Politiker im Präsidium präsent – und zwar in seiner Funktion als Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand, dem parlamentarischen Arm des CDU-Wirtschaftsflügels. [... Im Bundesvorstand] vertreten sind namhafte deutsche Unternehmerinnen und Unternehmer, darunter PwC-Geschäftsführerin Petra Justenhoven oder Lutz Raettig, Vorsitzender des Aufsichtsrates der Morgan Stanley Bank. Dabei sind auch führende Lobbyvertreter:innen wie VDA-Chefin Hildegard Müller, der Brüsseler Cheflobbyist der Allianz Burkhard Ober oder Aygül Özkan, Geschäftsführerin des Immobilienlobbyverbands ZIA. Zudem sitzen Führungskräfte aus der konventionellen Stromerzeugung (Steag und Lausitz Energie Bergbau), der Zementindustrie (CEMEX) sowie vom Autozulieferer Mapco im Bundesvorstand. [...] Um die ideologische Ausrichtung des Wirtschaftsrats einzuordnen, ist ein Blick auf den Wissenschaftlichen Beirat des Wirtschaftsrats aufschlussreich. Dieser wurde 2010 gegründet und wird mittlerweile von Prof. Lars P. Feld geleitet. Feld ist Professor für Wirtschaftspolitik an der Universität Freiburg, leitet das neoliberale Walter Eucken Institut und war bis Ende Februar 2021 Vorsitzender des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung („Rat der Wirtschaftsweisen“). Er ist zudem Mitglied in zahlreichen neoliberalen Think Tanks und Stiftungen wie der August-von-Hayek-Gesellschaft, der Stiftung Marktwirtschaft und der Mont Pélerin Society."
    Man kann es erahnen - die Politiker in diesem Kreis fossilökonomistischer Führungskräfte sind Wirtschafts-Spitzenkräfte der CDU, zu denen die wichtigsten bereits erwähnten Klimaskeptiker und Klimaschutz-Bremser der CDU zählen: "Der Wirtschaftsrat pflegt enge Beziehungen zu Wirtschaftspolitikern der CDU: Dazu zählt ihr eigener Vizepräsident Friedrich Merz, aber auch der parlamentarische Staatssekretär Thomas Bareiß und der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der Unionsfraktion Joachim Pfeiffer. [...] Aber auch Carsten Linnemann ist häufiger Gast beim Wirtschaftsrat – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene. Als Vorsitzender der Mittelstands- und Wirtschaftsunion ist er eine wichtige Schnittstelle zum Wirtschaftsflügel der Union."

    Hier nur die bedeutendsten Nebentätigkeiten des potentiellen Kanzler-Kandidaten Friedrich Merz:

    • Aufsichtsrat in der deutschen Abteilung der Bank HSBC, gegen die staatsanwaltschaftliche Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Cum-Ex-Steuerskandal aufgenommen wurden
    • Merz’ Kanzlei Mayer Brown beriet Mandanten, die in den Cum-Ex-Skandal involviert waren
    • die bedeutendste Verflechtung mit fossilem Kapital konnte Merz jedoch als Deutschland-Chef der weltgrößten Vermögensverwaltungs-Gesellschaft BlackRock vorweisen;
      BlackRock hat in seiner Wirkungszeit bis zuletzt massiv in Fossilwirtschaft investiert, noch 2019 sogar seine Investments in Kohle erhöht;
      Merz blieb dort selbst als aktiver Politiker bis Januar 2020, also kurz vor seiner Bewerbung um den Parteivorsitz der CDU
      [Verknüpfung]
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    Merz' Positionierung zur For-Future-Bewegung habe ich bereits oben beleuchtet. Doch auch nach der Flutkatastrophe in Westdeutschland 2021 bleibt er bei einer Verharmlosung der Klimakrise, wie sie nur noch in rechten Kreisen zu finden ist, denen an einer gerechten Verteilung der Ressourcen der Welt weniger gelegen ist als an nationalem Wohlstand.
    Seit seiner Vorsitzübernahme der CDU als Oppositionspartei betreibt oder duldet er die Vernetzung der Partei nach rechts außen, auch international, arbeitet sich nicht offensiv an rechten Aktivisten in der Partei ab, sondern betreibt selbst eine Bewegung der Partei nach rechts und spielt mit dem AfD-Kürzel und bezeichnet nicht die AfD, sondern die Grünen als "Hauptgegner".
    Er propagiert bis heute (Stand 2024) Scheinlösungen in der Klimakrise. Nach der Ahrtalflut behauptet er, Klimaschutz würde an der Gefahr nichts ändern. Noch 2023 behauptet er, wir hätten noch 10 Jahre Bedenkzeit für die richtigen Entscheidungen.
    Seine klimapolitische Wirkung als Parteivorsitzender habe ich oben beschieben, zum Thema politische Positionen und Abstimmungsverhalten.


    It is difficult to get a man to understand something, when his salary depends on his not understanding it.
    Upton Sinclair
    [Verknüpfung]

    Der externe Einflus auf die CDU/ CSU beschränkt sich jedoch nicht nur auf die alte Deutschland-AG aus Energie-, Chemie- und Auto-Industrie. Wenn an den Börsen davon gesprochen wird, dass die Macht von Big Oil auf Big Data übergeht, wird es für sie Zeit sich neu aufzustellen. Während liberale Medien einen Datenmissbrauchs-Skandal bei FaceBook nach dem anderen aufdecken, geht die zuständige Staatssekretärin im Verkehrsministerium Dorothee Bär mit Mark Zuckerberg auf Tuchfühlung, und ihre Büroleiterin Julia Reuss wechselt direkt als höchste EU-Lobbyistin zu FaceBook. Angesichts der Vorteile, den Politiker aus dem Datenmissbrauch ziehen, setzen sie hier nicht nur eine Tradition korrupter ("wirtschaftsnaher") Politik fort, sondern paktieren mit einem Monopol, das in der Lage ist, die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu zerstören.

    Aber auch Spitzenpolitiker der Grünen wechseln zunehmend in die Wirtschaft; der Rest der Partei verhält sich dazu auffallend ruhig.
    2020 wird Matthias Berninger Cheflobbyist von Bayer-Monsanto.
    [Wikipedia 2020 - Matthias Berninger]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Wie krass Berninger praktisch in allen Positionen den Grünen diametral widerspricht, demonstriert er in einem Werbe-Podcast. Er propagiert dort die Lösung der ökologischen Krise durch gentechnische Innovationen und nennt das "Biorevolution".
    [Verknüpfung]
    Außerdem wird Kerstin Andreae Cheflobbyistin der Energie- und Wasserlobby (BDEW) - hier durfte man bis vor Kurzem gespannt sein.
    [Verknüpfung]
    Bis April 2020 war dort noch kein Richtungswechsel abzusehen. 2021 konnte man zwar absehen, dass sich der Verband für eine konstruktive Rolle in der Energiewende entschieden hat. Kein Wunder, wo Erneuerbare mittlerweile die günstigsten Energiequellen sind.
    [Verknüpfung]
    Die geplante Gasumlage allerdings war offensichtlich allein im Interesse der fossilen Versorger angelegt: es war geplant, dass die Versorger die hohen Einkaufspreise für Erdgas auf die Verbraucherpreise umlegen dürfen. Es gab viele Proteste, und schließlich machte die Verstaatlichung des schwankenden Marktführers Uniper, gefolgt von der Gazprom-Tochter EFES, die umstrittene Aktion unnötig.
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    Im November 2022 wird bekannt, dass Titus Rebhann, der aus dem Außenministerium von Annalena Baerbock direkt zum Posten des Cheflobbyisten bei RWE wechselt. Vorher war er bei Oliver Krischer, dem ersten Staatssekretär im Wirtschaftsministerium unter Robert Habeck. Krischer übernahm den Posten des Umweltministers in NRW und handelte mit Habeck und der NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur mit RWE die umstrittene Genehmigung des Kohleabbaus unter Lützerath aus.
    [Verknüpfung]
    Der bekannteste Fall der Grünen ist der Nepotismus von Patrick Graichen, Staatssekretär von Wirtschaftsminister Robert Habeck, im Mai 2023. Im Verhältnis zu den Fällen anderer Parteien war die mediale Aufregung darüber verhältnismäßig groß. Die moralischen Maßstäbe der Öffentlichkeit an eine Partei mit hohem moralischen Anspruch sind eben anders als z.B. an eine Partei, die im Volksmund auch schon einmal "Amigo-Partei" genannt wurde.

    Diese Aufstellung ist nur die Spitze eines Eisbergs. Sie ließe sich noch weit detaillierter und mit zahllosen Parteikolleg:innen über zig Seiten fortsetzen, Ressourcen dazu siehe unten, so wie z.B. bei lobbycontrol und abgeordnetenwatch.
    [Verknüpfung]
    Diesen und anderen NGOs wird zunehmend auf Betreiben v.a. der CDU der Status der Gemeinnützigkeit entzogen, was die steuerliche Absetzbarkeit der Spenden unmöglich macht, so dass manche Spende unterbleibt.
    [Verknüpfung]

    Eine weitere Dimension der Korruption ist die direkte Zahlung sogenannter "Nebeneinkünfte" von Unternehmen an Politiker. Aufgrund korruptionsfreundlicher Gesetze bleibt diese Praxis oft im Verborgenen. Aufgedeckt wurde zum Beispiel der RWE-Skandal 2004 durch den investigativen SWR-Journalisten Thomas Leif.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2021 - RWE-Affäre]
    17 Jahre später blüht das Geschäft mit den Nebeneinkünften weiter im Verborgenen - außer in Rheinland-Pfalz, wo mittlerweile bestimmte Offenlegungspflichten bestehen. Hier zeigt sich die Dimension des Problems.
    [Verknüpfung]
    Bis zu seinem frühen Tod 2017 machte sich Leif vielfach um das Thema verdient; er gründete das Netzwerk Recherche und bekam dafür eine Ehrenprofessur der Universität Koblenz-Landau.
    [Verknüpfung]
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    [Wikipedia 2021 - Thomas Leif]
    [Verknüpfung]

    Über die kreativen Alternativen zu direkten Zahlungen an Parteien und Politiker:innen berichtet Philipp Banse vom Deutschlandfunk.
    [Verknüpfung]

    Die größte Empörung ruft jedoch meist die direkte Vorteilsnahme von Politikern hervor.
    Der jüngste Skandal der Union brachte immerhin Bewegung in die Transparenz von Parteispenden. Seit vielen Jahren begründet die Bundestagsverwaltung die Geheimhaltung von Parteispenden mit Verwaltungsvorschriften. Gegen diese Verwaltungsakte hat die Nichtregierungs-Organisation abgeordnetetenwatch 2016 beim Verwaltungsgericht Berlin Klage erhoben.
    2018 erklärte sich die CDU endlich zur Umsetzung bereit - aber selbst im April 2020 ist nichts beschlossen, stattdessen geht das Taktieren weiter.
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    Die Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts beginnt am 17.06.2020.
    [Verknüpfung]
    2021 kommt endlich Bewegung in die Debatte um das Lobbyregister. Im Zuge des Skandals um Bereicherung an der öffentlichen Maskenbeschaffung wurden auch die Vorwürfe gegen Lobbyisten des autoritäten Ölstaats Aserbaidschan so laut, dass auch deshalb weitere Rücktritte erfolgten. Die Meinungsumfragen zeigen für die CDU/ CSU steil nach unten.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Tochter des CSU-Politikers Gerold Tandler Andrea ließ sich ihre harten Preisverhandlungen zu Gunsten des schweizer Maskenhändlers Emix mit 48 Millionen Euro vergüten, die sie aber nicht versteuerte. Das könnte im Nachhinein der einzige Grund sein, wofür man sie bestrafen könnte, im Januar 2023 wurde sie wegen Fluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen. Die Richterin sieht selbst in eindeutigen Chat-Nachrichten Tandlers keinen ausreichenden Nachweis für eine Anklage auf Schmiergeld-Kriminalität.
    SZ: [Verknüpfung]
    2013 war in der CSU ein Ethikkodex beschlossen worden, der sich auf das Standardwerk "Christliche Gesellschaftslehre" des Kölner Kardinals Joseph Höffner berief (umstritten u.a. wegen politischer Hetze gegen Befürworter der Abschaffung von §218 und Vertuschung von sexuellem Missbrauch). Der Parteivorsitzende Markus Söder verlangt nun von allen Abgeordneten per Unterzeichnung einer "Integritätserklärung" zu versichern, dass sie sich an diesen Codex gehalten haben und halten werden. Ein damals eingerichteter Compliance-Ausschuss ist bis dato (Februar 2022) "niemals nicht" zusammengetreten. Söders Ehrenerklärung ist ein kläglicher Versuch, ein Gesetz doch noch zu verhindern.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Infografik: CDU-Abgeordnete verdienen 8,7 Mio. Euro nebenbei | Statista
    Statista: Verknüpfung
    Mehr Infografiken finden Sie bei Statista.

    Für Klimaschützer besonders interessant ist die große personelle Schnittmenge aus Coronakrisen-Gewinnlern rund um die Masken-Mafia, Fürsprechern korrupt-autoritärer Machthaber wie in Aserbaidschan, Kasachstan, Montenegro, Mazedonien oder Mali mit den Klimaschutzbremsern und Klimaskeptikern in der CDU. Die Machthaber in Aserbaidschan und Kasachstan sind eng vernetzt mit ihrer Ölindustrie. Eine wichtige Gegenleistung der Unions-Politiker für Aserbaidschan war ihr Persilschein beim Aufsichtsgremium für Menschenrechte im Europarat.
    Christian Stöcker berichtet im Spiegel: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Über die Verbindungen von Thomas Bareiß und die umstrittenen Parteikollegen Axel Fischer und Mark Hauptmann nach Aserbaidschan und dem Ölkonzern Socar berichtet Vice.
    [Verknüpfung]
    Die Formulierung des Magazins vice gegen einen Hauptakteur der Affäre in der CDU, Helmut Kohls Ex-Regierungssprecher Otto Hauser, er sei einer "der wichtigsten Strippenzieher der Baku-Connection", wurde gerichtlich angefochten - jedoch wurde die Klage abgewiesen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Mark Hauptmann wurde in der Maskenaffäre bekannt, weil er für die Vermittlung eines Geschäftsumsatzes von 9 Millionen Euro eine Provision von fast 1 Million kassierte.
    [Verknüpfung]
    Auch gegen mehrere von Bareiß' Reiseleitern nach Baku wird ermittelt, u.a. einem der Drahtzieher der zahlreichen Aserbaidschan-Kontakte aus der Union Eduard Lintner (CSU), der schon durch die Panama-Papers aktenkundig bekannt ist.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2021 - Maskenaffäre]
    Schon 2017 beliefen sich die Zahlungen über Briefkastenfirmen allein an Lintner auf über 800.000€.
    [Verknüpfung]
    Tobias Zech (CSU, MdB) stolpert über seine intensiven Kontakte zum rechtspopulistischen Präsidenten von Mazedonien, Nikolas Löbel (CDU, MdB) über Maskendeals.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Nikolas Löbel - Maskenaffäre]
    Bareiß gibt sich - trotz zahlreicher gemeinsamer Aserbaidschan-Reisen mit den Verdächtigen - unwissend. Angesichts der Ermittlungsergebnisse von lobbycontrol sind jedenfalls die Forderungen nach weitergehenden Untersuchungen begründet.
    [Verknüpfung]
    Aus welchem Interesse auch immer, auf dem Höhepunkt der ersten Corona-Welle drängt er in einem Telefonat den Hersteller von Beatmungsgeräten Löwenstein Medical, Aserbaidschan bevorzugt zu beliefern. Als das Redaktionsnetzwerk Deutschland RND davon berichtet, wird von beiden Seiten dementiert - und dann finden sich doch weitere Zeugen.
    [Verknüpfung]
    Die Unionskolleg:innen Lintner und Strenz haben im Europarat wegen ihrer Aserbaidschan-Kontakte Hausverbot, außerdem wurde ihre Immunität aufgehoben, um Ermittlungen einleiten zu können; Axel Fischers Wohnung wurde durchsucht. Der Ex-JU-Vorsitzende Philipp Mißfelder, auch einer der CDU-Klimaschutzbremser, ist persönlich mit dem Sohn des Diktators bekannt.
    [Verknüpfung]
    Auch Florian Hahn (CSU) hatte Kontakte nach Aserbaidschan - zumindest tauchte seine Adresse laut vice als Kontakt in Unterlagen der regimenahen The European Azerbaijan Society auf. Seine Nebentätigkeit im Aufsichtsrat des Rüstungskonzerns IABG und in verteidigungspolitischen Entscheidungsgremien wird von Transparency International 2020 als „besonders krasses Beispiel“ eines parlamentarischen Interessenkonflikts aufgeführt.
    Transparency International: [Verknüpfung]
    vice: [Verknüpfung]
    vice: [Wikipedia 2023 - Florian Hahn]


    Youtube: [Verknüpfung]

    Der bayerische Ex-Justizminister Alfred Sauter ist sowohl im Masken-, als auch im Schnelltest-Skandal verstrickt. Es geht um Vermittlungsprovisionen in Millionenhöhe.
    [Verknüpfung]
    Filmtip: Die Anstalt vom 04. Mai 2021. ZDF 2021
    ZDF (verfügbar bis 22.05.2022): [Verknüpfung]
    Showdown der Sendung bei ZDF satire auf Youtube: [Verknüpfung]
    archive.org: [Verknüpfung]
    Der Faktencheck dazu:
    ZDF: [Verknüpfung]
    2022 entscheidet der Bundesgerichtshof, die Maskendeals seien im Fall von Sauter und Nüßlein rechtens gewesen. Die beiden dürfen ihre Provosionen behalten.
    taz: [Verknüpfung]
    Andrea Tandler hat allerdings bei Bezug ihrer 50 Millionen Euro Provisionen für die 8,90€ teuren Masken sieben Millionen Euro an Steuern hinterzogen. Das wird mit über vier Jahren Haft bestraft.
    SZ: [Verknüpfung]

    Das Magazin Katapult hat die bekannten deutschen Korruptionsfälle nur von 2019 bis März 2021 in einer Liste zusammengefasst - für den Fall, dass wieder das Wort "Einzelfall" fällt.

    Katapult Magazin 2021. Lizenz: CC-BY-NC-ND.

    Wenn Jens Spahn in der Retrospektive seiner Amtsführung als Gesundheitsminister meint, "wir werden einander viel verzeihen müssen", ist das ein netter Versuch, die Verantwortung auf viele Schultern zu verteilen. Damit darf er und die anderen Entscheider nicht davonkommen, meint der Chefreporter im Investigativressort von NDR und WDR Markus Grill.
    Deutschlandfunk Kultur:

    Sauter bezeichnet sein Bundestags-Mandat selbst als "Nebentätigkeit". Sein Kanzlei-Kompagnon Peter Gauweiler hat vom europa- und klimaskeptischen AfD-Unterstützer, Nazi-Bankierserbe und Wahlschweizer Milliardär August von Finck allein in seiner Zeit als Bundestags-Abgeordneter 11 Millionen Euro für Gutachten kassiert. Bei Gauweilers 70. Geburtstag 2019 sitzt der CSU-Vorsitzende und bayerische Ministerpräsident Markus Söder direkt neben von Finck.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Die CSU hatte zusammen mit der FDP 2008 gegen hohe Zuwendungen in der Mövenpick-Affäre Steuerpolitik im Sinne von Fincks gemacht.
    [Verknüpfung]
    Von Fincks Einfluss in der CSU reicht bis in die Nachkriegszeit. Lange war er der reichste Mann Deutschlands.
    [Verknüpfung]
    Die CDU/ CSU hat schon einige große Korruptions-Skandale hinter sich, u.a. rund um die "Amigos", das waren der Verteidigungsminister und Kanzlerkandidat Franz-Josef Strauß und der Minister Max Streibl, oder die Bimbes- Affäre, in der Kanzler Helmut Kohl mit einem zweifelhaften "Ehrenwort" seine Vertuschung zu rechtfertigen versuchte, und in die wie schon vorher in der Flick-Affäre und später in der Woelki-Affäre die Steyler Missionare verwickelt waren.
    Ein anderer wichtiger Geldgeber der CDU war Siemens. Mittelsmänner des CDU-Vorsitzenden Helmut Kohl und seines Schatzmeisters Walter Leisler-Kiep waren Uwe Lütje und Horst Weihrauch. Lüthje sagte im Prozess um die "Schwarzen Kassen" aus, es habe mehrere jährliche Zahlungen über je eine Million DM gegeben; er habe persönlich einen solchen Koffer in einem Züricher Hotel in Empfang genommen.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    FAZ: [FAZ 2001]
    Es gibt mehrere Verurteilungen zu Geldstrafen. Helmut Kohl wurde in der Folge als Parteivorsitzender der CDU beerbt von seiner Protegée Angela Merkel.
    [Verknüpfung]
    Nach dem Skandal avancierte Ex-CSU-Finanzminister aus dem Kabinett Kohl, Theo Waigel, bei Siemens zum Anti-Korruptionsbeauftragten.
    taz: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2021 - Franz-Josef Strauß - Bundesminister der Verteidigung]
    [Wikipedia 2021 - Amigo-Affäre]
    [Wikipedia 2021 - CDU-Spendenaffäre]
    [Wikipedia 2021 - Liste von Korruptionsaffären um Mitglieder der CDU/ CSU]

    Söder war damals seit drei Jahren Ministerpräsident von Bayern. Wie gesagt, saß er bei Gauweilers Geburtstag direkt neben von Finck. Mit diesem Bild persönlicher Nähe im Kopfkino möchte ich Söder zum Thema Integritätserklärung nach der Maskenaffäre doch einmal zitieren:


    Für eine neue CSU braucht es neue Regeln und einen neuen Geist. [...] Wer politische Führung will, muss klar unterscheiden zwischen wirtschaftlichem Interesse und öffentlichem Interesse. [...] Durch das Verhalten einiger weniger ist schwerer Schaden für viele entstanden. [...] Wir müssen klar Schiff machen.
    Markus Söder
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Für das Klima-Thema besonders wichtig: der wirtschafts- und energiepolitische Sprecher der CDU Joachim Pfeiffer fädelte 2020 zusammen mit dem montenegrinischen Honorarkonsul Volker Zeh, mit dem er sich das Büro teilt, Geschäfte über Hunderte Millionen Euro mit Dusko Markovic, dem damaligen Premierminister von Montenegro, ein. Es geht um Energieversorgung.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die Regierung von Montenegro galt damals als hochgradig korrupt.
    [Verknüpfung]
    Pfeiffer schmiedet auch seit 2018 als Berater Pläne mit dem umstrittenen Politiker und Goldminen-Betreiber Aliou Diallo aus Mali. Die beiden wollen mit Diallos Firma Hydroma Deutschland mit afrikanischem Wasserstoff, darunter auch geologischen weißen Wasserstoff, der durch Fracking gewonnen werden soll, versorgen. Wenig später fordert Pfeiffer die "Entfesselung" für die Wasserstoffwirtschaft.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Aber der Wind dreht sich merklich. Praktisch zeitgleich mit der Gründung der "Klima-Union" gibt Pfeiffer am 10.04. seinen Verzicht auf eine erneute Bundestags-Kandidatur bekannt.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Laut einer Information des BDI aus 2020 werden die Vorkommen an weißem Wasserstoff als "äußerst gering" eingeschätzt, so wie es schon 2013 in der FAZ zu lesen war. Die Frage ist, warum man das umweltbedenkliche Fracking-Verfahren einsetzen sollte, wenn Investitionen in grünen Wasserstoff wesentlich nachhaltiger sind.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Zur Erinnerung: mit ihrer Fixierung auf den kommenden Wasserstoff-Import rechtfertigt die CDU die Energiekehrtwende und das Festhalten am Verbrenner.

    2020 erhält die CDU 1,2 Millionen Euro Parteispenden aus der Immobilienbranche. Etliche Parteimitglieder haben die Drehtür zur Immobilienbranche genutzt, wie Michael Hennrich MdB (Vorsitzender des Verbandes Haus & Grund Baden-Württemberg), Thomas Heilmann MdB (Altlanta Investment und Berliner Häuser KG), Oliver Wittke (Ex-Staatssekretär im Wirtschaftsministerium und Vorsitzender des Wirtschaftsrats der CDU, heute Immobilienvernand ZIA) und Matthias Mattner (Ex-Senator, Präsident des ZIA, Vorstand des Immobilienentwicklers ECE). Obwohl man seit Jahren von einer Wohnungsmarkt-Krise spricht, betrieb die CDU in der Folge bis zur Wahlniederlage 2021 noch etliche Maßnahmen, die die ohnehin schon horrenden Profite der Branche noch weiter steigern.

    Unliebsame Umweltbehörden wurden schon entmachtet wie die EPA unter Reagan und Trump oder die FUNAI unter Bolsonaro. Mitunter werden sie auch geschlossen, wie z.B. die Stabsstelle Umweltkriminalität NRW. Der frisch gebackene CDU-Ministerpräsident Armin Laschet schützte damit damals seine Minister:innen Schulze Föcking und Holthoff-Pförtner sowie das CDU-MdB, den Bauernverbandspräsidenten Röring vor den Rechercheaktivitäten dieser Behörde. Nach dem Zutritt eines Staatssekretärs sind dort auch Ermittlungsakten verschwunden.
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    All diese Verknüpfungen der Politik mit der Fossilindstrie und anderen Profiteuren der ökologischen Krise bereiteten Rechtskonservativen den Boden: sie sorgten jahrzehntelang für eine neoliberale Umverteilungs-Politik, die den wirtschaftlichen Druck auf Benachteiligte immer weiter erhöhte.
    Doch damit nicht genug, jetzt spielen sie mit dem Feuer. Klimaskeptiker und -Relativisten in der CDU versuchten bisher, die Spaltung in der Gesellschaft auszunutzen und sich rechtskonservative Wählerstimmen zu sichern. Gleich nach dem Verlust der Wahl 2021 zielte eine neue populistische Kampagne auf die Notlage vieler Haushalte durch die künstliche Gaspreisexplosion, die auch auf die verfehlte Unions-Politik zurückzuführen war: der JU-Vorsitzende Tilman Kuban verdrehte die Tasachen und machte die Energiewende-Politik der Ampel-Koalition verantwortlich.
    Auf solchen Narrativen bauen Populisten ihre Extrempositionen auf. Dieses Spiel mit dem Rechtspopulismus entspricht in Strategie und Wirkung der Law-and-Order-Politik mehrerer Unions-Innenminister, die den Gefahren rechter und linker Gewalt deutlich unterschiedlich begegnen.

    Für die NGO Lobby Control ist der fossile Lobbyismus gegen Klimaschutz eines der Hauptthemen. Auf einer Webseite sind ihre wichtigsten Enthüllungen zusammengefasst
    [Verknüpfung]

    Nur am Rande seien die noch stark im Dunkeln liegenden Einflüsse auf die Justiz erwähnt; auch hier klärt die NGO Finanzwende e.V. auf.
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    Gerade im Aufwind der Klimabewegung 2019, als die bürgerlichen Parteien der zivilgesellschaftlichen Forderung nach ernsthaftem Klimaschutz hätten nachkommen können, schürten sie die Angst vor den Populisten und verklärten damit ihre fatale Zurückhaltung im Klimaschutz.
    Aufrecht wäre es gewesen, den Menschen endlich zu erklären, dass die Populisten von denselben Kräften unterstützt werden wie sie selbst: von den Profiteuren des Ökozids.
    Das Platzen der Carbon Bubble könnte aus Deutschland einen abgehängten Klimaschurkenstaat machen, genauso wie die hektische System-Rettungsaktion The Great Reset des WEF. Und so könnte sich am Ende die Prophezeiung der Populisten teils bewahrheiten: dass der deutsche Bürger mit der Energiewende von der internationalen Großfinanz "abgezockt" werden soll. Und das alles nur, weil CDU und SPD in der Großen Koalition nicht im Stande waren, die veraltete deutsche Fossilbranche zur Dekarbonisierung zu bewegen. Und nicht willens, den Bürger an den Vorteilen der erneuerbaren Energieerzeugung teilhaben zu lassen.
    In der Opposition geht die Skrupellosigkeit der Fossilökonomisten noch weiter. Sie schrecken in ihrem Machtstreben nicht davor zurück, das unumkehrbare nationale Zukunftsprojekt Transformation zu diskreditieren, wo sich auch nur die kleinste Chance dazu bietet. Durch gesellschaftliche Spaltung im Klimaschutz befördern sie Politikverdrossenheit und Rechtspopulismus. Damit beschädigen sie die Demokratie.



    Die Schwierigkeit ist nicht neue Ideen zu finden, sondern den alten zu entkommen.
    John Maynard Keynes




    Hier geht es um die drei großen Erfolge der Fossilökonomisten aus der Vergangenheit, die Klimawende zu verhindern.
    Darum, wie diese Politik angesichts des Aufwachens in der Klimakrise der Öffentlichkeit erklärt wird.
    Und über die nicht minder großen Pläne der Fossilökonomisten für die Zukunft.
    Damit das gigantische Dilemma unserer Zeit der jungen Generation nicht zu genau erklärt wird, spricht sich Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) dezidiert gegen ein Unterrichtsfach Klimaschutz aus - im Gegensatz zu Italien, wo die Klimakrise freilich deutlicher zu spüren ist. Das schnell wachsende Nord-Süd-Gefälle der Klimakrise ist weiterer, gewaltiger Sprengstoff für die EU.
    [Verknüpfung]

    Beispiele aus der PR des CDU-Kanzlerkandidaten und NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet.

    Armin Laschet rechtfertigt bei Anne Will die Zurückhaltung im Klimaschutz als notwendig, und erklärt die Erdrutschgewinne der Grünen bei den Europawahlen 2019 nach den weltweiten Fridays-for-future-Protesten zum kurzfristigen Hype.


    Wir müssen besser darin werden den jungen Menschen zu erklären, warum das mit dem Klimaschutz nicht so schnell geht. [...]
    Aus irgendeinem Grund ist das Klimathema plötzlich ein weltweites Thema geworden.
    Armin Laschet
    Watson:[Verknüpfung]
    Welt:[Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Damit verbreitet er den Eindruck, dass die Forderungen der Klimabewegung unberechtigt sind und man sie nicht ernst nehmen müsse - weil bald die sprichwörtlich nächste Sau durch's Dorf getrieben wird. Eine fatale Fehleinschätzung, denn das fiel auf ihn selbst zurück: nach Jahrzehnten der massiven Verdrängung dieses existentiellen Menschheits-Problems erntete er dafür zu Recht einen massiven Shitstorm. War das ein hilfloser Rechtfertigungsversuch des jahrzehntelangen Wegsehens und Leugnens, oder ein versehentlicher Einblick in ein zutiefst kognitiv dissonantes Seelenleben eines Konservativen?

    Laschet ist ein Paradebeispiel für die fossilökonomistische Ideologie, nach der man Wissenschaft nicht als absolute (losgelöste) Autorität ernstnehmen muss, sondern als Mittel zum Zweck missbrauchen kann. Denn auf der einen Seite schürt er - wie man es bei Klimaskeptikern beobachten kann - das Feuer des latenten Zweifels an der wissenschaftlichen Lehrmeinung in seiner Wählerklientel, die gerne alles so lassen würde, wie es ist.


    Ich stimme selten, also eigentlich nie, der AfD zu. Aber sie haben heute einen wahren Satz gesagt: Immer wenn jemand ankommt und sagt, 'die Wissenschaft sagt', ist man klug beraten zu hinterfragen, was dieser gerade im Schilde führt.
    Armin Laschet
    [Verknüpfung]

    Auf der einen Seite warnt Laschet also vor manipulierten Studien und scheut dabei nicht einmal die Metaphorik der Verschwörungstheorien. Das wäre nicht weiter verwunderlich - würde er auf der anderen Seite jedoch auch nicht davor zurückschrecken Wissenschaftler für Studien zu rekrutieren, die ihm als Argumente für seine politische Agenda dienen. Beispiel: der bedeutendste deutsche Corona-Virologe ist Christian Drosten. Seine Empfehlungen sind für neoliberal-konservative Politiker ein Problem, denn sie stellen den Schutz der Bevölkerung vor die Profite der Wirtschaft. Sein Kollege Hendrik Streeck, der seine Lorbeeren mit HIV verdient hat, wird in Corona-Fragen verständlicherweise weniger oft in Fachpublikationen zitiert. Er sucht als guter Wissenschaftskollege zu Drostens Darstellung jedes denkbare Gegenargument - und deshalb wird er von neoliberalen Medien wie den Springer-Blättern Die Welt und Bild-Zeitung oft umso lauter zitiert. Streecks Corona-Einwände erinnern mich in der Argumentation persönlich stark an die der Klimaskeptiker: das Vorsorge-Prinzip ist Streeck grundsätzlich weniger wichtig als Drosten. Wirtschaft geht vor Vorsorge. Wie auch immer, Laschet beauftragte 2020 Streeck mit 65.000€ Landesmitteln mit einer Studie zum Corona-Cluster Heinsberg; parallel finanzierten Privatiers mit guten Verbindungen zu Laschet eine Kampagne der PR-Firma mit dem bezeichnenden Namen Storymachine, zur Verbreitung der Ergebnisse in den "sozialen" Medien unter dem Hashtag "Heinsberg Protokoll". Einer der Storymachine- Gründer ist Ex-BILD-Chefredakteur Kai Diekmann. Nicht weiter erstaunlich, dass die Studie Laschets Öffnungspolitik rechtfertigte. Am 09.04. gab es eine große Pressekonferenz mit Laschet und Streeck vor der NRW-Fahne. Die Welt übertrug das Event als Livestream.
    [Verknüpfung]
    Allerdings gab es zur Heinsberg-Studie bald Widerspruch von Fachkollegen wie Drosten und Gérard Krause (Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig), und Laschets vorschnelle Öffnungspolitik erwies sich als fatale Fehlentscheidung.
    Zeit: [Verknüpfung]

    In Capital findet man Details zum Ablauf der Dinge. Bemerkenswert dabei die Rolle von Armin Laschet, der - als die Sache schiefgeht - am Ende von der PR-Aktion nichts gewusst haben will. Auch Streeck verwickelt sich in Widersprüche in der Frage, ob ihm der Auftrag der PR-Agentur bewusst war und inwiefern er zur Kampagne bewusst beigetragen hat.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Die deutsche PR-Branche jedenfalls will nichts damit zu tun haben. Ihr internes Kontrollogan, der Deutsche Rat für Public Relations DRPR, spricht Storymachine am 04.06. eine "Rüge wegen der Rufschädigung des Berufsstands durch unprofessionelles Verhalten" aus.
    [Verknüpfung]
    Der Focus bringt dazu zwei sehr verschiedene Artikel, in einem ist von gezielter Falschdarstellung des MDR-Politmagazins Kontraste die Rede.
    [Verknüpfung]
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    Doch ganz abgesehen davon, wer wie auch immer die PR-Agentur des Ex-Chefredakteurs der konservativen Boulevardzeitung BILD beauftragt hat - schon die Präsentation der Studienergebnisse wird von vielen Wissenschaftlern problematisch gesehen.
    [Verknüpfung]

    Laschets Kandidaturteam-Kollege ist Gesundheitsminister Jens Spahn. Dieser ist mit Hendrik Streeck persönlich befreundet. Streecks Ehemann Paul Zubeil arbeitet seit 2021 in Spahns Ministerium.
    [Verknüpfung]
    Spahns geschickte Verbindung von Politik und Eigeninteresse beschreibt Jonas Mueller-Töwe in t-online.
    [Verknüpfung]

    Bei der Diskussionsrunde der Kandidaten für den Parteivorsitz am 14.12.2020 äußert sich Laschet über die Rolle der CDU im Klimaschutz. Er greift die kasse Verdrehung des Klimaskeptikers im BMWi Thomas Bareiß auf und teilt dabei auch noch kräftig gegen die Grünen aus:


    Wir steigen aus der Kohle aus, haben die Grünen nicht gemacht früher. Wir steigen jetzt aus.
    Armin Laschet
    Audiobeitrag ab 1'56'': [Verknüpfung]

    Eine beachtliche Wendung nach seiner Überraschung angesichts des grünen Erdrutsches bei der Europawahl 2019. Vor dem Hintergrund seiner Rolle als NRW-Ministerpräsident beim Umgang mit den RWE-Tagebauen, der Kohlebestandsgarantie bis 2038, die auch mit Hilfe eines zurückgehaltenen Gutachtens unter Protest der Kohlekommission weit über das zuverlässig absehbare Ende jeglicher Rentabilität hinaus zementiert wurde, und der von Altmaier, ihm und anderen Fossilökonomisten betriebenen Energiekehrtwende, pure Realsatire. Nur zwei Monate später hatte der IEA-Chef und Ex-Öl-Lobbyist Fatih Birol PV zum König der internationalen Elektrizitätsmärkte ausgerufen. Mit dieser bewussten Falschdarstellung führt Laschet den unbedarften Bürger in die Irre. Das ist purer Populismus, unverschämt und unanständig.

    Monate später, dieses mal nach dem verheerenden Umfrageergebnis unmittelbar nach seiner Kür zum Kanzlerkandidaten gegen Konkurrent Markus Söder. Im WDR-Interview Farbe bekennen die Flucht nach vorne an und stellt wieder den Kohleausstieg als Erfolg für den Klimaschutz dar - während Klimaschützer weiter alles daran setzen, den Ausstieg um etliche Jahre vorzuziehen.


    Das ist das, wo wir analysieren müssen: so läuft es nicht. Aber das Klimaschutz-Beispiel ist ein falsches. Diese große Koalition - ich hab's selbst mit verhandelt - hat den Kohleausstieg beschlossen. Die Grünen haben da lange d'rüber geredet, jetzt wird er gemacht!
    Armin Laschet
    [Verknüpfung]

    Er tut so, als gäbe es alle möglichen Gründe für die Erdrutsch-Gewinne der Grünen auf Kosten der CDU - aber das Klimathema könne es ja wohl nicht sein. Das ist Realitätsverweigerung auf höchstem Niveau - und damit zuerst einmal das, was wir von Fossilökonomisten seit Jahrzehnten gewohnt sind. Allerdings bewegt sich Laschet hier schon auf der Meta-Ebene.

    Nach der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen muss Laschet sich erneut in der Klimafrage positionieren. Als Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen mit dem Hambacher Wald und dem Steinkohlekraftwerks-Neubau Datteln IV ist er ein "Lieblingsgegner" der Klimaschützer. Unter dem ersten Eindruck vor Ort sagt er noch: "Wir müssen alles tun gegen den Klimawandel. Es ist eine Katastrophe, die menschengemacht ist." Aber als später konkrete Maßnahmen wie Kohleausstieg wieder angesprochen werden, spricht er von eigenen Erfolgen und schiebt die Verantwortung auf andere ab.


    Deshalb ist Nordrhein-Westfalen ja eines der Länder, das am meisten tut, gegen den Klimawandel zu kämpfen, CO2-Werte zu senken.

    [Verknüpfung]

    "[...] wir nehmen diese Starkwetterereignisse, Hitzerereignisse wahr, sie sind verbunden mit Klimawandel. Und deshalb ist NRW ja eines der Länder, das am meisten tut, gegen den Klimawandel zu kämpfen, CO2-Werte zu senken, und im Landtag in der letzten Woche das erste Klimaanpassungsgesetz zu beschließen, das genau für solche Lagen Vorbereitung trifft. Es gibt kein anderes Bundesland, das ein solches Klimaanpassungsgesetz hat.
    Wir werden immer wieder mit solchen Ereignissen konfrontiert werden, und das bedeutet, dass wir bei den Maßnahmen für Klimaschutz mehr Tempo brauchen, europäisch, bundesweit, weltweit - denn der Klimawandel entsteht ja nicht in einem Bundesland, sondern weltweit - aber dass jeder seine Maßnahmen jetzt treffen muss, und da brauchen wir mehr Dynamik."
    Im Video ab 8'21'': [Verknüpfung]
    Als er einmal über die Sache geschlafen hat, wird er präziser: "Solche Extremereignisse werden unseren Alltag künftig stärker und öfter bestimmen."
    [Verknüpfung]
    Wenn Klimaschutz-Bremser Maßnahmen ergreifen, dann sind dies zuerst Anpassungsmaßnahmen. Diese Strategie vermittelt den Bürger:innen, man könne die Risiken mit diesen Maßnahmen ausreichend verringern. Wie oft habe ich den Satz gehört, "bei uns wird es nicht so schlimm - alles wird gut." Dass Staaten des globalen Südens nicht in der Lage sind, ihre Bevölkerung zu schützen, oder gar dass die Klimafolgen in großen Teilen der Welt gravierender, ja oft genug auch tödlich sein werden, sagen diese Politiker, und auch ihre Wähler:innen, in diesem Zusammenhang nicht.

    Es ist schon eine gewagte Hypothese, von den größten Klimaschutz-Ambitionen zu sprechen, nur weil die Abnahme der Emissionswerte in NRW bundesweit den höchsten Absolut-Wert hat. Man sollte bei der Bewertung berücksichtigen, dass NRW das bevölkerungsreichste Bundesland ist, und Kohlekraftwerke besitzt, deren Emissionen EU-weit an der Spitze liegen. Ein großer Absolut-Rückgang sagt also nicht alles über die Anstrengungen aus.
    Dass die Genehmigungen der Windräder, die 2020 gebaut wurden, in die Zeit der Vorgängerregierung zurückreichen. Die Abstandsregelung sollte bis Dezember 2020 noch bei 1500m liegen - das wäre je nach Anlagengröße der größte bis zweitgrößte nach Bayern mit seiner 10H-Regel.
    [Verknüpfung]

    Im WDR-Interview mit Susanne Wieseler lässt er sich allerdings ungern Versäumnisse im Klimaschutz nachsagen - auf ihre bohrenden Fragen reagiert er unwirsch.

    Wieseler: "Sie fordern mehr Tempo beim Klimaschutz. Bedeutet das, Sie haben heute tatsächlich neue Erkenntnisse gewonnen, neue Einsichten durch dieses Hochwasser, das viele Leid?"
    Laschet: "Wir lassen Milliarden Tonnen Braunkohle im Boden. [...] [auf beharrliche Rückfragen wird Laschet etwas unwirsch und undeutlich, klingt wie:] Entschuldigung, junge Frau, [jetzt wieder deutlich:] an so einem Tag ändert man nicht die Politik. [...] Die Frage, wie wir den Klimawandel [...] bekämpfen, ist eine internationale Frage. Das jetzt so zu banalisieren, ob NRW... ist ein bißchen kurz gegriffen." Am Ende resümmiert er aber wieder: "Und noch einmal: kein Land spart soviel CO2 wie wir, und wir brauchen noch mehr Tempo, das war meine Botschaft am heutigen Tag." Wenn er seine Politik nicht ändern will, impliziert das eine Klimaschutz-Forderung an den Rest der Welt.
    Im Video ab 20'21'': [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Für das vermeintliche "junge Frau" erntet er einen Shitstorm. Hinterher behauptet er, dass er das so nicht gesagt hat.
    [Verknüpfung]
    Auch Wieseler nimmt ihn schließlich in Schutz - sie arbeitet beim WDR, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, dessen Sendegebiet v.a. NRW ist.
    Zeit: [Verknüpfung]


    Weil jetzt ein solcher Tag ist, ändert man nicht die Politik. [...]
    Die Frage, wie wir den Klimawandel bekämpfen, ist eine internationale Frage. Das jetzt so zu banalisieren auf Nordrhein-Westfalen, ist ein bißchen kurz gegriffen. [...] Deshalb ist es auch sehr gut, dass wir das gemeinsam machen [...] und dass wir da gemeinsam internationale Lösungen auch finden. Wir müssen unseren Teil leisten als Bundesrepublik Deutschland und als Land Nordrhein-Westfalen. Und noch einmal: kein Land spart soviel CO2 ein wie wir. Und wir brauchen noch mehr Tempo.
    Armin Laschet
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Das könnte man euphemistisch als Beschönigung bezeichnen, denn Laschet betreibt hier eine krasse Verdrehung der Tatsachen.
    Nur wenn das Bundesland mit den höchsten Emissionen im Corona-Jahr 2020 auch den absolut höchsten Rückgang zu verzeichnen hat, wenn gleichzeitig der Bundes-Durchschnitt sinkt, ist die Aussage zumindest fragwürdig. Wenn der Rückgang prozentual Spitze wäre, könnte man es noch eher stehen lassen - doch hier liegt Baden-Württemberg vorn. Und Länder, die sich schon länger engagieren, also im letzten Jahr mit weniger Rückgang glänzen konnten, dürfen selbst dann immer noch zu Recht widersprechen.
    Im Zubau an Windrädern ist NRW zwar tatsächlich Spitze, was jedoch auf eine Antragsflut zurückgeht, die etliche Jahre zurückliegt. Als Reaktion darauf hat der Landtag unter Laschet gerade einen Mindestabstand beschlossen, der den Zubau massiv einschränken wird. Die hohen Zubauzahlen nun als Nachweis für klimapolitisches Engagement zu präsentieren, kann man nur als dreiste Lüge bezeichnen.
    [Verknüpfung]
    Die Energieagentur NRW, eine wichtige Ressource für Know-How und Strategie der Energiewende, wird von Laschet ebenso aufgelöst wie die Stabsstelle Umweltkriminalität NRW. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung DIW macht einen Ländervergleich nach mehreren Kriterien, bei denen NRW meist auf den hinteren Plätzen landet.
    [Verknüpfung]
    Auch im Bundesländerindex Mobilität und Umwelt landet NRW im Kriterium Klimaschutz auf Platz 6, insgesamt auf Platz 11.
    [Verknüpfung]
    Bei allen Schwierigkeiten einer Rangfolge-Festlegung: die Behauptung ist allein deshalb nicht zu halten, wenn man die Auseinandersetzungen um die Braunkohle-Tagebaue und das neue Steinkohle-Kraftwerk Datteln IV betrachtet.

    Die Besetzung des Hambacher Forsts mit Baumhausbewohnern ließ sein Heimatministerium 2018 mit einem historisch großen Polizeieinsatz beenden, bei dem auch der Filmemacher Steffen Meyn zu Tode stürzte.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Behauptung, dass die Maßnahme aus Brandschutzgründen angezeigt gewesen sei, erklärt er in einem Gespräch mit einer WDR-Journalistin nach einer Zukunftskonferenz zum Strukturwandel am 02.09.2019 in Düren, das unerlaubterweise aufgezeichnet wurde, als Vorwand.
    [Verknüpfung]

    Journalistin: "Diese Gutachten haben hervorgehoben, dass Sie einen Vorwand gesucht haben."
    Laschet: "Ja, ich brauch' auch'n Vorwand, sonst kann man doch nicht tätig werden. Ich wollte den Wald räumen, ich wollte den Wald räumen."
    Jornalistin: "Das sagen sie einfach so."
    Laschet (unterbricht sie unwirsch): "Die Leute sind da illegal, weil die Bäume geschädigt werden. Die fällen Bäume und machen Baumhäuser. Das ist nicht erlaubt."


    Ja, ich brauch' auch'n Vorwand, sonst kann man doch nicht tätig werden. Ich wollte den Wald räumen.
    Armin Laschet
    [Verknüpfung]

    Der WDR veröffentlichte das Video, löscht es aber wenige Stunden danach wieder. Der Spiegel behauptet, das sei auf Druck aus Laschets Staatskanzlei geschehen, was der WDR aber bestreitet: das Video sei illegal entstaden, zudem kursiere es ohnehin in den sozialen Medien.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Nach Wochen wurde die Verknüpfung zu einem Youtube-Video und zu einem Twitter-Beitrag des Kontos @hambibleibt ebenfalls gesperrt.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Bis zum niederländischen Server todon.nl, der das Video anbietet, reicht der Einfluss aus der Düsseldorfer Staatskanzlei (noch) nicht, deshalb hier diese Verknüpfung.
    Nach einem Bericht der taz betonte ein Sprecher der Staatskanzlei, Laschet habe das Wort "Vorwand" nur aufgreifen wollen, "ohne sich den Begriff zu eigen zu machen".
    [Verknüpfung]
    Auch die Absprache eines "Rodungsfinales" mit RWE im Vorfeld versuchte Laschets Innenminister Reul zu verschleiern - sie sind jedoch aktenkundig.
    [Verknüpfung]
    Das Verwaltungsgericht Köln erklärte die Räumung aus Brandschutzgründen im September 2021 als rechtswidrig.
    [Verknüpfung]
    Die Proteste gegen die Rodung eines Waldes werden unterdrückt mit der Begründung, dass dabei einzelne Bäume beschädigt werden. Eine Verdrehung, die an den Vorwurf an Klimaaktivist:innen erinnert, bei Klimaverhandlungen mit dem Flugzeug anzureisen - nur geht es hier um potentielle Straftaten. Solch ein Fossilökonomismus hat Maß und Mitte verloren.

    Als Mitglied der Kohlekommission hatte Laschet 2018 ein möglichst spätes Ausstiegsdatum durchgesetzt, gegen die beteiligten Wissenschaftler und Umweltverbände, die 2030 forderten. Als das beschlossene Gesetz auch noch Punkte des Kompromissvorschlags ignorierte, waren diese entsprechend empört.
    In der Diskussion um die Flutkatastrophe besitzt Laschet jetzt auch noch die Dreistigkeit den Umweltverbänden zu unterstellen, sie hätten 2038 selbst vorgeschlagen. Diese werfen ihm Falschaussage vor und fordern öffentlich eine Klarstellung.
    Zeit: [Verknüpfung]
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    Der Vorsitzende der IGBCE (Industriegewerkschaft Bergbau Chemie Energie) Michael Vassiliadis nennt die Vorwürfe in der konservativen Springer-Zeitung die Welt "absurd". Die Umweltverbände hätten den Kompromiss "mitgetragen".
    [Verknüpfung]
    Vassiliadis täuscht hier bewusst die Öffentlichkeit. Zwischen einem Vorschlag und dem widerwilligen Akzeptieren eines Kompromisses gibt es einen Unterschied.


    Ich finde, Politik muss verlässlich sein. Wir haben eine Kohlekommission gehabt mit Wissenschaftlern, mit Greenpeace, mit dem BUND. Und die haben das Datum 2038 vorgeschlagen.
    Armin Laschet

    Als im Mai 2021 die Grüne Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock eine "klimagerechte Besteuerung" ankündigt, die Kurzstreckenflüge unattraktiv machen soll, reagiert die FDP gewohnt stereotyp mit dem Vorwurf des "Verbotsfetisch". Doch Armin Laschet sieht die Chance für einen neuen PR-Coup. Dabei reicht es ihm nicht, der Maßnahme klimapolitische Unwirksamkeit nachzusagen. Er spricht wie die FDP von einem "Verbot" von Kurzstreckenflügen und versteigt sich auch noch sich zu der Darstellung, diese "typisch grüne Idee" sei "populistisch".
    Zeit: [Verknüpfung]


    Das ist natürlich wieder eine typisch grüne Idee. Auf alles, wo man populistisch einwirken möchte, fordert man Verbote.
    Armin Laschet
    Zeit: [Verknüpfung]

    Dabei versuchten CDU und FDP jahrelang an die erfolgreichen Verbotspolitik-Vorwürfe gegen die Grünen von 2013 anzuknüpfen, sie prägten das Negativ-Etikett "Verbots-Partei". Damals erlebten die Grünen nach guten Umfragen ein Wahl-Debakel, nachdem sie einen "Veggie-Day" in Kantinen gefordert hatten. Was Laschet selbst und seine Partei jahrelang verpönt - also als unpopulär gebrandmarkt - haben, ist für ihn aus irgendeinem Grund plötzlich populistisch.
    [Wikipedia 2021 - Kontroverse um den Veggietag]
    [Verknüpfung]

    In demselben Interview kann er jedoch selbst der Versuchung des Populismus nicht widerstehen - er formuliert den Anspruch auf Billigflüge und das Familien-Eigenheim, und macht sich so zum Anwalt des Kleinen Mannes: der "Traum vom Sommerurlaub" dürfe nicht nur für Besserverdienende möglich sein. "[...] Ich möchte, dass in ganz Deutschland ein bezahlbares Eigenheim für Familien Realität wird."
    Er tut dabei so, als würde die CDU seit Jahrzehnten nicht die Umverteilung von unten nach oben befördern. Dabei haben sich in der Zeit der CDU-Regierungsbeteiligung die Kosten für Miete und Wohnraumerwerb drastisch erhöht. Eine Erhöhung des Mindestlohns lehnt er überdies ab: "Ein ständiger parteipolitischer Überbietungswettbewerb beim Mindestlohn schadet."
    Zeit: [Zacharakis 2021]
    In der Flugpreisdebatte wird geflissentlich übersehen, dass die Bahn bei entsprechenden Rahmenbedingungen wesentlich günstiger sein müsste. Neben den gar nicht berücksichtigten ökologischen Folgekosten sind auch Personal- und Energieaufwand der Bahn weit geringer. Nur ist die Bahn in Deutschland durch jahrzehnelange CDU-Politik pro Auto systemisch benachteiligt.
    Besonders perfide lenkt Laschet den berechtigten Ärger über die erratischen Corona-Maßnahmen um auf die Grünen, die mit den CO2-Abgaben nach seiner Erzählung den "Traum vom Sommerurlaub" zerstören.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Christian Stöcker bringt Laschets zahlreiche Widersprüche im Spiegel auf den Punkt, Anika Limbach im Freitag.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Freitag: [Verknüpfung]

    Angesichts der vielen Lobbyismus- und Korruptonsskandale der Union vor den Wahlen 2021 hier zum Schluss noch ein besonders billiges Beispiel von Anti-Klimaschutz-Populismus: am 24.06.2017 äußert Laschet sich über die Profiteure der Windkraft. Dabei war es die CDU, die in der GroKo eine Pflicht-Beteiligung von Kommunen bzw. Anwohnern von Windrädern verhinderte.


    Da wird übrigens auch Geld verdient. Das ist nicht die Caritas, wer Windräder aufstellt. Da wird auch übrigens ein bisschen Geld verdient, in dieser Branche.
    Armin Laschet
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Zum Verständnis von Laschets PR-Strategie sollte man seine Herkunft aus dem rechtskonservativ-katholischen Milieu kennen. Außerdem ist es hilfreich zu wissen, dass sein engster politischer Berater Nathanael Liminski ein ultrakonservativer Anhänger von Joseph Ratzinger (Papst Benedikt XVI) ist, der einen USA-Aufenthalt bei einem evangelikalen Republikaner absolvierte und dessen Vater Mitglied der katholischen Denkfabrik Opus Dei ist. Die ultrakonservativ-katholischen Netzwerke vereinen tiefverwurzelten, römischen Katholizismus und rechtskonservatives Staatsverständnis und durchdringen große Teile der CDU.


    Der Glaube an Gott ist prägend für mein Verständnis der Welt, [...] wenn man daran glaubt, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht, macht man auch Politik anders als zum Beispiel ein Kommunist, der bis zum Lebensende dringend mit allen Mitteln das Paradies auf Erden schaffen will.
    Armin Laschet
    [Verknüpfung]

    Darauf kann man mit dem Psychiater Viktor Frankl entgegnen:


    Es ist keine Schande sein Ziel nicht zu erreichen, aber es ist eine Schande kein Ziel zu haben!
    Viktor Frankl




    Auch in der Opposition tun Fossilökonomisten alles, um die Energiewende weiter aufzuhalten. Begleitet wurde diese Agenda von diversen Desinformations-Kampagnen, zum Beispiel dass die Energiewende technisch niemals machbar oder als sich der Erfolg für die Expert:innen absehbar wurde, dass sie viel zu teuer sei. So bringt zum Beispiel Junge-Union-Chef und bekennender Merz-Unterstützer Tilman Kuban im Winter 21/22 die Energiepreis-Krise in Zusammenhang mit der Politik der neuen Ampel-Koalition und "grüner Inflation". Dabei liegen die Gründe für die Energiepreise komplett anders, was bestens dokumentiert ist: in einer Entspannungsphase der Corona-Krise steigt die Nachfrage sprunghaft und wird nicht durch entsprechendes Angebot befriedigt. Vor allem Russland liefert nicht und benutzt den Mangel als Druckmittel in der Ukraine-Krise. Ein wirksames Gegenmittel wäre ein höherer Anteil erneuerbarer Energien gewesen - der von der CDU jahrelang verhindert wurde.
    Mit dieser schamlosen Verdrehung der Tatsachen betreibt Kuban die Spaltung der Gesellschaft in der Energiefrage - und steht damit in einer Reihe mit der AfD. Dass er damit durchkommt, wirft kein gutes Bild auf die Medien.

    Bis zum Regierungswechsel 2021 konnte man getrost von einer Energiekehrtwende sprechen. Weltweit war der Zubau der Onshore-Windkraft 2019 auf Rekord-Niveau - während er in Deutschland praktisch auf Null abgesunken ist.
    [Verknüpfung]
    Das Zerstörungswerk der Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Sigmar Gabriel (SPD) und Peter Altmaier (CDU) an der PV- und Windkraftbranche wirkt bis tief in die Zeit der Ampel-Koalition. Anders als die Fossilgiganten Lufthansa und TUI in der Corona-Krise werden die Zukunftsunternehmen - allen Bekenntnissen zu Erneuerbaren zum Trotz - dennoch nicht mit Milliarden gerettet. Während im Nachbarland Dänemark riesige Fabriken eröffnet werden, denn die Branche boomt.
    [Verknüpfung]


    BMWK: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Mit dem Fortschreiten der Regierungszeit der Ampelkoalition bewahrheiten sich die Befürchtungen der Kritiker, dass die FDP in Wahrheit ein trojanisches Pferd der fossilen Reaktion ist. Die Klimawende wird an allen Ecken und Enden blockiert.

    Wie uninteressant die Bedingungen 2017 für die dringend benötigten Speichertechniken waren, zeigt der Umgang des "Energieversorgers" Vattenfall mit zwei seiner acht Pumpspeicher: er legt sie still. Andere Unternehmen stellen ihre Planungen zurück.
    WasserWirtschaft: [Verknüpfung]
    Energie-Chronik: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]

    Auch PV ist so günstig geworden, dass sie längst nicht mehr subventioniert werden muss - allerdings in China.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Durch die Eingriffe der Merkel-Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), Peter Altmaier (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) sind in der PV-Industrie 80.000 und in der Windkraft-Idustrie 35.000 neue hochmoderne Arbeitsplätze verloren gegangen.
    Peter Altmaier verantwortete 2012 eine drastische Kürzung der Einspeisevergütung und die Strompreisbremse.
    Die Idee einer Ausschreibungspflicht für Windkraftanlagen wurde von FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler eingebracht, aber dann lange diskutiert, vor allem weil man im Ausland Einbrüche im Zubau beobachten konnte. CDU-Umweltpolitiker Klaus Töpfer bezeichnete Rösler als "Bremser der Energiewende". Dennoch hat Sigmar Gabriel (SPD) die Ausschreibungspflicht 2017 durchgesetzt, und strenge Abstandsregeln in CDU-geführten Bundesländern kamen hinzu. Wie vorhergesagt, brach der Windkraft-Zubau onshore dramatisch ein, begleitet von Debatten über Landschaftsästhetik und Desinformationskampagnen über Vogelmord, Infraschall, Rohstoff-Versorgung, Altteil-Entsorgung und Angstmache vor den Kosten der Energiewende. Gabriel bescherte außerdem der kränkelnden Kohlelobby 2015 die Kohlereserve, und einen "Zubaudeckel" für PV 2017.
    PV-Magazine: [Verknüpfung]
    IWR: [Verknüpfung]
    BMWi: [Verknüpfung]
    energiezukunft.eu: [Verknüpfung]
    Gabriel sorgte auch dafür, dass Betreibern von Blockheizkraftwerken die Abgabe ihrer Abwärme in Nahwärmenetze unnötig erschwert wurde, was vom Bund der Elektrizitäts- und Wasserwirtschaft BDEW kritisiert wurde. Blockheizkraftwerke sind zentrale Bausteine der Sektorenkopplung, die mit dem sommerlichen Saisonspeichergas die winterliche Dunkelflaute überwinden.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Eine wichtige Hürde für Bürgerenergie, die Großkonzerne mit eigenen Rechtsabteilungen locker überwinden, ist Bürokratie. Der Wust wirkt bis in die Regierungszeit der Ampel-Koalition.
    Stuttgarter Zeitung[Verknüpfung]

    Der EEG-Macher Hans-Josef Fell rechnet mit Hunderten Milliarden Mehrkosten in der Energiekrise 2022 durch die Energiekehrtwende.
    klimareporter: [Verknüpfung]

    Doch anstatt die günstigen Preise selbst zu nutzen, lassen wir andere profitieren. Der deutsche Markt erlahmte, und die Produktion wurde nach China verlagert.
    Hier der Vergleich der installierten Kapazitäten von China und Deutschland...

    ... und mit weiteren Ländern. Man sieht: Deutschland war bis 2021 der Negativ-Trendsetter in Europa. Eine weitere Erklärung liefert Arnaud Montebourg, ehemals Wirtschaftsminister unter dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy: die europäische PV-Industrie wurde dem zollgünstigen deutschen Autoexport nach China geopfert, denn der chinesische Staat wollte dem nur zustimmen, wenn Europa keine Strafzölle für chinesische subventionierte PV-Module einführt. Der Grund in Spanien war ein Regierungswechsel.

    [IRENA 2018]

    Der drohende PV-Deckel ließ in Deutschland den Zubau 2020 noch einmal kurz boomen - um die letzte Möglichkeit einer Einspeisevergütung zu nutzen. Weil sich jetzt der Deckel schließt, wurden viele Projekte aus Unsicherheit bereits nicht mehr geplant. Die Bundesregierung feiert den Boom, den Absturz könnte man möglicherweise auch mit Corona erklären. Diese erratische Politik ist das Gegenteil von Planungssicherheit.


    [Verknüpfung]

    Das ist bemerkenswert, denn international gesehen sind in der Corona-Krise ist der Energiesektor der Erneuerbaren der einzige, der wächst.

    Die Krise der deutschen Energiewende wurde schon lange vor Corona vorhergesagt.
    [Verknüpfung]

    [Verknüpfung]

    Auch die Einrichtung von Energiespeichern, die die Problematik der Angebots-Fluktuation der Erneuerbaren löst, wurde unter den Merkel-Regierungen in mehrfacher Hinsicht erschwert. Pufferspeicher für Fernwärmenetze werden für fossile Kraftwerke subventioniert, aber für Power-to-Heat noch nicht. Überhöhte Netzkosten machten Batterie- und Pumpspeicher lange unrentabel. Erst bei flexiblen, marktorientierten Strompreisen entfalten Speicher wirklich ihre Wirtschaftlichkeit. Der ganze Strommarkt bevorteilt jedoch Großerzeuger und -Verbraucher, und muss reformiert werden. Die Gesetzesänderungen sind wirtschaftspolitische Großprojekte, die noch Jahre dauern können. So können die Fossilökonomisten noch länger ihre Horrorgeschichten vom "grünen Zappelstrom" verbreiten.
    Filmtip: 3sat Makro. Fehlende Stromspeicher - Floppt die Energiewende?
    Youtube: [Verknüpfung]

    Im Februar 2017 fasste das Öko-Institut Freiburg seine Erkenntnisse über die Behinderung der Energiewende in einer Studie zusammen.
    [Verknüpfung]
    Argumente und Strategien für eine Beschleunigung der Energiewende aus den letzten Jahren finden sich dort natürlich auch.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Deutsche Gasturbinen - unverzichtbar für die Sektorenkopplung und damit die Energiewende - sind mit die besten der Welt. Dennoch stellt Siemens 2015 seine deutsche Produktion ein. 1400 Arbeitsplätze gehen verloren.
    [Verknüpfung]



    Stromerzeugung beim BMWi: [Verknüpfung]
    Beschäftigungszahlen EE beim BMWi: [Verknüpfung]
    Die Schwankungen im Arbeitsplatzangebot in einer der wichtigsten Zukunfts-Branchen sind katastrophal, zwischen 2011 und 2019 gingen allein netto 25% der Arbeitsplätze verloren, über 100.000. Diese Zahl sagt nichts aus über die biographischen Brüche. Das sind nur die Netto-Zahlen; viele Menschen mussten den Arbeitgeber wechseln, viele junge Menschen sich umorientieren. Viele ältere, mutige Pioniere der Branche mussten ihr Lebenswerk der Selbständigkeit aufgeben, und verloren ihre wirtschaftliche Existenz, inklusive Altersvorsorge. Obwohl sie das Zukunftsprojekt Energiewende vorangetrieben haben, droht ihnen jetzt die Altersarmut.
    Anstatt diesen politischen Skandal zu thematisieren, beschäftigten sich die deutschen Medien 2020 mit dem drohenden Arbeitsplatzverlust durch einen längst überfälligen Strukturwandel in den Kohle-Regionen, der allein zahlenmäßig nur einen kleinen Bruchteil davon ausmacht. Die Fluktuation der Arbeitsplätze 2020 ist zu erklären mit der Torschlusspanik vor dem Verschließen des Gabrielschen PV-Deckels; die Stromerzeugung sank dennoch, da viele Altanlagen 2021 mangels Anschlussregelungen der Einspeisevergütung abgeschaltet wurden.
    Ein Problem dabei ist, dass die fossilbasierten Arbeitsplätze noch auf Strukturen des 20. Jahrhunderts zurückgehen. Das war also vor den neoliberalen Arbeitsmarktreformen von Helmut Kohl (CDU) und v.a. Gerhard Schröder (SPD), weshalb viele dieser Arbeitsplätze mit Festanstellung und gewerkschaftlicher Organisation verbunden sind - was das Interesse der SPD an diesen Arbeitsplätzen erklärt. Die Arbeitsplätze der Energiewende - also nach Schröders Agenda 2010 - sind meist nicht gewerkschaftlich gebunden, was u.a. das Desinteresse der SPD an der Erhaltung dieser Arbeitsplätze erklären könnte - vor allem jedoch das zivilgesellschaftliche. Von Mitleid mit den "Kohlekumpels" waren die Zeitungen voll, nach PV-Ingenieuren, -Werksarbeitern und -Monteuren hat m.E. kaum ein Hahn gekräht, obwohl es viel mehr (und auch zukunftsfähigere) Arbeitsplätze betrifft.


    Der unverzügliche Wechsel zu Erneuerbaren Energien ist keine Last, sondern die größte greifbare soziale und wirtschaftliche Zukunftschance.
    Hermann Scheer
    [Verknüpfung]

    Wie sich aus den Grafiken entnehmen lässt, kann man seit etwa 10 Jahren (CDU-Regierung mit FDP, dann mit SPD) von einer Energiekehrtwende in D sprechen. Peter Altmaier (CDU), hat schon 2012 als Umweltminister den Einbruch der PV-Installationen, die von FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler ausgelöst wurden, wie eine gelungene Notbremsung gefeiert. Tatsächlich war vorher die PV überfördert, weil die Modulpreise weit schneller gesunken waren als die Einspeisevergütung. Die hohe Rendite verursachte einen unerwarteten Boom, was eine ungewollt hohe Belastung der Stromkunden bedeutet hätte.
    [Verknüpfung]
    Doch der Notbremse folgte keine moderate Förderung, die die Zubaurate wieder gesteigert hätte. Stattdessen ließ man die deutsche PV-Technik zum Aufbessern der Außenhandelsbilanz im Interesse exportstarker Industrien (v.a. Auto und Chemie) nach China abwandern - und nahm auch den Effekt mit, dass so Eigen-PV als günstige Energie für Elektroautos ausgebremst wurde.
    Seit 2013 war Altmaier dann als Kanzleramts- und dann als Wirtschaftsminister federführend beteiligt, und bezeichnete noch im Januar 2020 gerade die Politik dieser Zeit als weltweit vorbildlich: "Und es gibt weltweit viele Länder, die sich genau an diesem Beispiel orientieren, weil wir in Deutschland Umweltschutz und Wohlstand unter einen Hut bringen konnten in den letzten zehn Jahren. Das soll auch in Zukunft so bleiben."
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    Dazu kommt, dass die CO2-Emittenten vor zweistelligen Milliardensummen an Nachforderungen geschützt werden sollen. Die Konzerne hatten ihre Beteiligungen an den EEG-Kosten durch das sogenannte Scheibenpacht-Modell in umstrittener Weise gesenkt und müssten dafür mit Nachforderungen rechnen. Diese erlöschen nun durch das Gesetz teilweise, weil es einen Vergleich vorsieht.
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    Staatssekretär Thomas Bareiß findet's toll.

    Wenn nach Altmaier alles "in Zukunft so bleibt", wird seine Energiekehrtwende-Politik aus Deutschland einen Klimaschurkenstaat machen, und auch wirtschaftlich komplett abhängen.
    Wenige Monate nach der EEG-Novelle zeigt Altmaier plötzlich erstaunliche Einsicht.
    Als Abschiedsgeschenk an seine Nachfolger hinterließ Altmaier 2021 noch eine völlig unterdimensionierte Stromschätzung für das Jahr 2030, auf deren Basis er einen ebenso unterdimensionierten Zubau Erneuerbarer Energien festlegte.


    If the rate of change on the outside is greater than the rate of change on the inside,
    the end is near.
    Jack Welch, former CEO, General Electric

    Altmaiers französischer Kollege Arnaud Montebourg macht im arte-Film "Umweltsünder E-Auto?" seinem Ärger Luft, dass die (klimafreundliche, zukunftsträchtige) europäische PV-Industrie den Interessen der (klimaschädlichen, veralteten) deutschen Verbrenner-Industrie geopfert wurde.

    Die deutsche Bürger-Energiewende hat die Erneuerbaren global konkurrenzfähig gemacht. Der Videokanal "Leben mit der Energiewende" warnt vor aktuellen Plänen der Netzbetreiber, tiefgreifend in die Energiesouveränität der Eigen-PV-Produzenten einzugreifen (Stand April 2020): "das Ende der Bürgerenergiewende".


    [Verknüpfung]
    Währenddessen steht nach Gesetzeslage vom September 2020 die Zwangsabschaltung von 18.000 Altanlagen der Bürgerenergiewende 2021 bevor, und von weiteren hunderttausenden in den Folgejahren.
    [Hirsch 2020]

    Eine konsequente Bürgerenergiewende würde die Monopole der Energieversorger zerstören. Das würde den Staat zwingen, neue Steuerquellen zu erschließen. Der globale Steuer-Unterbietungswettbewerb wurde bis 2021 in der globalisierten Wirtschaftswelt überhaupt nicht adressiert; seitdem gibt es eine internationale Vereinbarung zur Einführung einer Mindeststeuer von 15%. Das reicht jedoch nicht, und so werden deutsche Fossil-Arbeitsplätze von heute weiter gegen die Klimaschutz-Interessen der künftigen Generationen ausgespielt.
    Ausreichende CO2-Abgaben und Klimaschutz-Importzölle könnten diese Gefahr mindern. Die Tatsache, dass manche Kommunen an Energieversorgern beteiligt sind, erschwert die Lage: die Profite werden gebraucht, um die klammen Kommunal-Haushalte zu stützen, und wieder stellt sich die Frage der Finanzierung.
    Die Energieversorger nutzen ihre Macht, um die Energiewende zu verhindern, denn sie wollen sie nicht. Energiepolitik-Pionier Hermann Scheer erklärte das Problem auch noch in seinem letzten öffentlichen Auftritt, der Energiewende-Aktivist Klaus Müller beschreibt es regelmäßig in seinem Blog.
    Entsprechend wird auch die EEG-Novelle der Großen Koalition 2020 von vielen Experten der Energiewirtschaft heftig kritisiert: sie zementiert die Vormacht der Energieversorger und macht die Bürgerenergiewende zunichte.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Sie verstößt u.a. gegen 2018 beschlossene EU-Regeln für einen unbürokratischen, gleichberechtigten Marktzugang für Kleinanlagen erneuerbarer Energien.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Textversion: [Verknüpfung]
    pdf: [Verknüpfung]
    Ein Bündnis von Unternehmen und NGOs reicht im August 2021 eine EU-Beschwerde gegen Deutschland ein, weil dort EU-Recht nicht umgesetzt wird.
    [Verknüpfung]
    Die EU ist hier endlich ein Vorreiter in internationalem Klimaschutz. Deutschland riskiert nicht nur in der Energiewende den Anschluss zu verlieren, sondern auch EU-Strafzahlungen.
    Das Akademieprojekt „Energiesysteme der Zukunft“ benennt 2022 die Möglichkeiten, die Energiewende zu beschleunigen. Alles in allem das Gegenteil der Merkel-Politik.
    [ESYS 2022]

    Die klimaschädliche Regel in der globalisierten Welt sind jedoch Freihandelsabkommen, die staatliche Gesetze aushebeln, um Profitinteressen zu bedienen. So hat Fossil-Deutschland sich 1994 dem Energiecharta-Vertrag ECT angeschlossen für den Fall, dass irgendwann doch jemand auf die Idee kommen sollte, Gesetze für Klimaschutz zu beschließen.
    Bei Verstoß gegen ECT drohen Prozesse vor Schiedsgerichten, die Vertragsstrafen von insgesamt bis zu 350 Milliarden Euro nach sich ziehen können, selbst bis 20 Jahre nach dem Ausstieg ("Zombie-Klausel"). Abschreckende Beispiele gibt es bereits. Italien verließ den Vertrag 2016.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
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    [Wikipedia 2021 - Vertrag über die Energiecharta]
    Der ECT-Vertrag sichert den Kohlekonzernen jetzt schon Milliarden an Entschädigungen. Als die Niederlande 2019 den Kohleausstieg für 2030 beschließen, klagt RWE auf 2 Milliarden € Schadenersatz. Das passt so gar nicht zum neuen Image als Antreiber der Energiewende.
    [Verknüpfung]
    Der Umweltaktivist Nicolas Hulot wurde unter Präsident Macron zum Umweltminister. Er erlitt jedoch eine empfindliche Niederlage beim Versuch, die Exploraration fossiler Ressourcen bis 2028 zu beenden. Die ECT-Klage der kanadischen Vermilion Energy vor dem Schiedsgericht ISDS bewog die Regierung, die Frist bis 2040 zu verlängern. Hulot verließ die Regierung kurz danach.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
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    Der deutsche Kohleausstieg dagegen gab keinen Anlass zu ECT-Klagen - die Gefahr, dass irgendein Investor auch nur den geringsten Verlust erleiden könnte, war nicht im Entferntesten zu sehen.
    Klimaaktivist:innen stellen zu Recht die Frage, warum solche Verträge über internationalen Klimavereinbarungen stehen.
    [Verknüpfung]
    Frankreich drängt in der EU zum Ausstieg aus dem klimaschädlichen Vertrag.
    [Verknüpfung]
    Die Versuche der EU einer tiefgreifenden Vertrags-Reform sind gescheitert, nun erwägt man ein neues Abkommen.
    [Verknüpfung]
    Céline Keller erstellte 2022 (wie 2021 zum Thema Klimaschutz-Bremser) einen sehr aufschlussreichen Comic.
    Webseite: [Verknüpfung]
    Pdf: [Verknüpfung]

    Yamina Saheb war Mitarbeiterin im ECT-Sekretariat und wurde zur Whistleblowerin.
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Manuskript:
    [Verknüpfung]

    Der Europäische Gerichtshof EuGH in Luxemburg beschied 2021 die Energiecharta als Verstoß gegen EU-Gesetze. Wann die deutsche Politik mit entsprechenden Entscheidungen die Konformität mit EU-Recht wieder herstellt, also ECT kippt, ist damit aber nicht gesagt. Viele EU-Gesetze werden von Mitgliedsländern umgangen, denn sie können sich die Strafzahlungen an Brüssel leisten - vor allem Deutschland.
    [Verknüpfung]
    Im Herbst 2022 fallen die ECT-Mitglieder der EU wie Dominosteine.
    [Verknüpfung]



    Wie tief verwurzelt der Fossilökonomismus im Jahr 2021 noch immer ist, zeigt eine völlig verdrehte Nachricht in der Print-Ausgabe der Bild-Zeitung vor der Bundestagswahl; Titel: "IG-Metall-Chef Hoffmann: Klimaschutz wird 100.000 Jobs kosten".

    In der Online-Ausgabe dagegen war zumindest eine Wahrheit zu lesen: nämlich dass der IG-Metall-Chef im Gegenteil vor massiven Arbeitsplatz-Verlusten warnt, falls die Bundesregierung nicht endlich klare Rahmenbedingungen für die unvermeidliche Transformation der Wirtschaft schafft. War es das Versehen eines Redakteurs oder klares Kalkül, dass die Leserschaft die Hintergründe nicht im Entferntesten einschätzen kann?
    Der Presserat jedenfalls sprach von Irreführung und sprach eine Missbilligung gegen Bild aus.
    [Verknüpfung]

    Zuletzt noch ein Zitat. Es zeigt, dass bei Fossilökonomisten eine Bürgerenergiewende weiterhin überhaupt nicht denkbar ist. Wenn Öl aus Klimaschutzgründen ausscheidet, dann muss irgend eben ein anderer Energieträger über ein Monopol zentral verteilt werden.


    Wasserstoff ist das Öl von morgen.
    Anja Karliczek
    [Verknüpfung]

    Fossilökonomisten geben der Wasserstoffwirtschaft den Nimbus einer Wunderwaffe, der vergleichbar ist mit dem Hype um Atomkraft oder dem deutschen Diesel. Dabei ergibt sie für die Energiewende nur Sinn im Kontext mit anderen Technologien, die aber nicht erwünscht sind.
    Die Strategie: es werden erst einmal weiter fossiles Gas und Öl verbrannt, bis Wasserstoff als Öl-Ersatz flächendeckend verfügbar ist. Entsprechend sieht der verkehrspolitische Sprecher der CDU Joachim Pfeiffer auch gar nicht 100% grünen Wasserstoff vor, der aus der Elektrolyse mit Erneuerbaren Energien stammt, sondern aus Kostengründen auch andere Formen, die mehr oder weniger klimaschädlich sind (weiß, blau, türkis). Den Kostenvergleich zieht Pfeiffer gar mit dem massiv klimaschädlichen grauen Wasserstoff. Es muss sehr kritisch beobachtet werden, ob nicht am Ende auch diese momentan vorherrschende Form mit eingespeist wird.
    [Verknüpfung]
    Die HGÜ-Leitung SuedLink wird und wird nicht fertig. Die Verbindung von nördlichen Wind- und südichen Sonnenstrom-Gebieten würde einen guten Teil des derzeitigen Speicherbedarfs obsolet machen, denn Sonne und Wind ergänzen einander die meiste Zeit des Jahres, die kalte Dunkelflaute ist nicht die Regel. Als Grund für die Blockade werden wie bei Windkraftprojekten Bürgerproteste angegeben.
    [Verknüpfung]
    Es ist zumindest leichter, ein Überseekabel nach Norwegen zu ziehen: NordLink ist seit 2021 in Betrieb.
    [Wikipedia 2022 - NordLink]
    Wie konsequent Infrastrukturen mit weit größeren Belastungen für Anwohner und Umwelt in Deutschland selbst gegen heftigen zivilen Ungehorsam vorangetrieben werden können, zeigen die erfolglosen Proteste gegen Autobahnen durch ökologisch wertvolle Wälder.
    Auch der Bau von 1640km neuer Gasleitungen wird mit Hochdruck vorangetrieben.
    Diese und bestehende sollen später auf Wasserstoff umgestellt werden.
    [Verknüpfung]
    Netzbetreiber und Rohrhersteller sind begeistert:
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Es ist aber noch gar nicht klar, ob die Rohre nicht zu schnell verspröden. Wasserstoffkorrosion ist ein gefürchtetes Werkstoffproblem bei Stahl, das ist seit der industriellen Anwendung des Haber-Bosch-Verfahrens 1913 bekannt. Die Werkstoff-Experten sehen in dieser Sicherheits- und Kostenfrage deshalb noch Forschungsbedarf:
    [Verknüpfung]
    Den Forschungsstand 2022 fasst Prof. Martin Robinius von der Beratungsfirma umlaut Aachen, vormals am FZ Jülich, zusammen. Zitate: "Umstellung der Gasverteilernetze[:] [...] Für Umstellung auf 100 % Wasserstoff Klärung offener technischer Fragen und Anpassung des technischen Regelwerks erforderlich [...] für die Haushalte gibt es mit Wärmepumpen zumeist eine wirtschaftlichere Alternative [...] vereinzelt H2 im Verkehrs- und Gebäudebereich".
    [Verknüpfung]
    Die Risiken von Undichtigkeiten gehen weit über die Energieverluste hinaus. Jedem Chemiker ist aus dem Umgang mit Wasserstoff-Gas bekannt, dass es aufgrund seiner geringen Dichte aus jeder noch so kleinen Ritze geradezu in die oberen Atmosphärenschichten schießt. Daraus könnte eine Gefahr des Wasserstoff- und in der Folge Wasser-Verlusts, und zudem der Anreicherung von Sauerstoff resultieren - beides durchaus relevante Gefahren.
    Dass Wasserstoff aber die Atmosphäre komplett verlassen könnte, sieht das Helmholtz-Institut weniger als Gefahr. Dafür oxidiert er unter der hohen UV-Strahlung mit Luftsauerstoff zu Wasser, das in diesen Höhen ansonsten kaum vorkommt. Dort könnte es jedoch wiederum in den Ozon-Haushalt eingreifen. In seinen Modellrechnungen kommt das Helmholtz-Institut insgesamt zu dem Schluss, dass die Wasserstoffwirtschaft in geeigneten Szenarien kein signifikantes Risiko darstellt.
    [Verknüpfung]
    Die NGO Environmental Defense Fund EDF teilt diese Einschätzung nicht und fordert weitere Forschung, v.a. eine Berücksichtigung der Kurzfrist-Treibhausgas-Potentiale. Sie zitiert eine Studie der European Geosciences Union EGU und nennt zusätzlich die Leckage-Gefahren durch den fossilen Rohstoff für den momentan vorherrschenden blauen Wasserstoff, das Treibhausgas Methan, sowie NOX-Emissionen der Verbrennung von Wasserstoff.
    [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]
    Entsprechend plant Wirtschaftsminister Habeck zuerst nur mit einem Wasserstoff-Kernnetz, das nur Industrie und Speichersysteme mit den Import- und Produktionskapazitäten verbindet.
    [Verknüpfung]
    Wasserstoffimporte verlagern Wertschöpfung und Arbeit ins Ausland und machen abhängig, berechnete 2020 das Wuppertal Institut
    [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]
    Wie auch immer die offenen Fragen um Wasserstoff ausgehen: De facto missbraucht die CDU die Wasserstoff-Strategie offen als Verhinderungsargument für den Ausbau der Onshore-Windkraft und - unter dem Schlagwort Technologieoffenheit - batterieelektrischer Mobilität. Auch die Ausbauziele für PV werden unter Verweis auf die Wasserstoffstrategie bei Weitem nicht so hoch angesetzt wie von den meisten Experten der Energiewirtschaft für das Einhalten des Paris-Abkommens gefordert. Auch die Verbrauchsschätzung für 2030 wird von Peter Altmaier entgegen allen Expertenaussagen viel zu niedrig angesetzt - mit derselben Konsequenz, dass das Ausbauziel entsprechend klein ausfällt.
    Im Mai 2020 steht der jahrelang drohende PV-Deckel unmittelbar vor dem Verschluss. Eine Zwangsabschaltung der Altanlagen droht, weil ihr Weiterbetrieb bis Ende 2020 nicht geregelt ist. Während in anderen Ländern PV boomt, konnte bei uns damals von Planungssicherheit in diesem Sektor keine Rede sein.
    erneuerbareenergien.de: [Verknüpfung]
    Auch die Verhandlungen der GroKo verliefen 2020 für die Energiewende enttäuschend, da die CDU weiter blockierte. CDU-Energiepolitiker Joachim Pfeiffer beharrt auf einer bundesweiten 1000m-Abstandsregel, weil dies entscheidend sei für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Den SPD-Vorschlag einer Gewinnbeteiligung von Anwohnern, die nachweislich zu hoher Akzeptanz führt, lehnt die CDU ab. Außerdem knüpft sie ihre Zustimmung zum Heben des PV-Deckels an das Zugeständnis der SPD bei einer bundesweiten 1000m-Abstandsregel.
    [Verknüpfung]
    CDU-Kanzlerkandidat und Ministerpräsident Laschet senkte in seinem Bundesland NRW noch Anfang 2021 mit den 1000m Abstand zu Siedlungen den Spielraum für den Zubau auf 0,2 Prozent der Landesfläche - die Experten fordern 2%. Außerdem betreffen die verschärften Regeln auch das Repowering, also den Ersatz von Altanlagen durch größere neue.
    Und wieder stehen tausende Existenzen in den Erneuerbaren Energien auf dem Spiel. Am Ende kann man ja vielleicht auch Corona verantwortlich machen. Man darf gespannt sein, was für Rettungsmaßnahmen der GroKo für die Verbrenner-Industrie einfallen.

    2023 dagegen hat Deutschland weit mehr PV installiert als in den ehrgeizigen Zielen des Wirtschaftsministeriums vorgesehen.
    RND: [Verknüpfung]
    Verbrenner-Hersteller, die die Elektrisierung verschlafen haben, plädierten nach Corona nicht für den Green Deal, sondern für eine neue Abwrackprämie. Ob die kommt oder nicht, ihnen dürfte weder das Elektroauto noch das Wasserstoffnetz für die versprochenen Brennstoffzellen-Autos keine schlaflosen Nächte bereiten. Denn sie wussten, dass der schlagende Kostenvorteil der Elektroautos - Betrieb mit Eigen-PV-Strom - damals blockiert wurde, und vor allem wie lange schon die Stromtrassen blockiert wurden. Auch die Vorbehalte gegen Pipelines, die Knallgas transportieren, hätte man bei Bedarf beliebig bis zum Aufstand von Wutbürgern eskalieren lassen können.
    Das ist jedoch keine Option mehr, die verpflichtenden CO2-Reduktionsziele zwingen zum Handeln. Da man am Geschäftsmodell der Energieversorger, also der zentralen Verteilung von Energie, festhalten will, muss es eben jetzt ein Ausbau der Gasleitungen sein.
    Möglicherweise wird sich der Kostenvorteil von Elektroautos mit Eigen-PV im Autoland Deutschland erst dann herumsprechen, wenn Kunden anderswo davon profitieren. Der Carbon Tracker beziffert den Kostenvorteil auf Faktor 10 und sieht darin und in der Corona-Pandemie sogar mögliche Ursachen für einen Peak Oil 2019.
    [Wille 2020]
    Auch die fossile Technologie Kohlekraft bekommt bei uns eine Bestands- und Finanzierungsgarantie über Jahrzehnte, gerade wurde in Datteln ein neues Steinkohle-Kraftwerk hochgefahren, das u.a. mit umstrittenem Import-Brennstoff aus Kolumbien betrieben wird.

    Erneuerbare Energien werden behindert, fossile subventioniert.

    Welche Vorstellung von Zukunft soll ein junger Mensch, der sich informiert, entwickeln? Woher soll er seine Zuversicht nehmen? Überall auf der Welt regt sich Widerstand gegen das fossile System.
    Wie soll er sein Geld für Wohnen, seine Mobilität, seine Altersversorgung investieren? Vor allem: wie soll er sich beruflich entscheiden? Ich kann es ihm nicht guten Gewissens sagen. Gesetzt den Fall, ich riete ihm zu einem Beruf im fossilen System - bei Business-as-usual hieße das Zerstörung seiner eigenen Lebensgrundlagen, bei der zu erwartenden Disruption Arbeitslosigkeit. Oder ich riete zu Berufen in der Klimawende - bei Ausbleiben der Klimawende ist das Risiko von Arbeitslosigkeit ebenfalls hoch.






    Selbst die Springer-Zeitung die Welt schreibt mittlerweile, dass die deutsche Industrie und Politik die Elektrifizierung im Automobilsektor verschlafen hat und spricht vom Detroit-Syndrom, in Anspielung auf den katastrophalen Niedergang der US-Automobilindustrie.
    [Verknüpfung]
    2021 wurde jedes zweite Elektroauto in China produziert - vor allem für den eigenen Markt.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Was ist passiert?

    Bundesverkehrsminister Scheuer (CSU) stellte auf einer Keynote des Industrieverbands bitkom noch Ende 2018 die Entwicklung selbstfahrender Autos als wichtiger dar als die Umstellung des Antriebs. Mit einer herabsetzenden Bemerkung versucht er zu beschönigen, dass die deutsche Automobilindustrie bei der Entwicklung von Elektroautos nicht ihrem Selbstverständnis als Weltspitze entspricht.


    Ein[en] Rasierapparat auf 4 Rädern, den wird irgendwie jeder 'mal zusammen nageln können, nämlich [ein] Elektroauto.
    Andreas Scheuer



    [Verknüpfung]

    Fünf Jahre später zeigt sich, wie überheblich diese Geste war. In China sind deutsche EAutos die Ladenhüter.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Eine investigative Reportage aus der Reihe Frontal 21 des ZDF erlaubte dem Interessierten 2011 einen hervorragenden Einblick in das Deutschland in den frühen Jahren des globalen Mega-Booms. Zu Beginn wird der Leiter der internationalen Energieagentur IEA Fatih Birol zitiert, "das Öl zu verlassen, bevor es uns verlässt" (im Video ab 7'43''), das war 2008. Heute warnt er vor der Klimakrise und betont die Potentiale einer Energiewende.
    Noch 2009 verkündete Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg das "Ziel, Deutschland zu einem Leitmarkt für Elektromobilität zu machen." Umweltminister Sigmar Gabriel berichtete von der Ankündigung der Industrie, 2011 Elektromodelle auf den Markt zu bringen (im Video ab 31'35'').
    Als es dann soweit sein sollte, stellte der damalige Präsident des Verbandes der Automobilindustrie VDA Matthias Wissmann, vormals CDU-Verkehrsminister, für 2012/13 Modelle in Aussicht, die mit Verbrennern auch preislich konkurrieren können; Zitat:

    "Wenn wir [die Deutsche Autoindustrie] auf den Markt kommen - in diesem langen Marathonlauf zu den erfolgreichsten und besten E-Autos, dann kommen wir mit Autos auf dem Markt, die genauso gut sind, wie unsere Autos mit Verbrennungsmotor. Sie können davon ausgehen, dass 2012/2013 alle großen deutschen Automobilhersteller mit solchen Fahrzeugen auf den Markt kommen. Und die werden dann beim Verbraucher auch mehr Anklang finden, als das ein oder andere, manchmal auch nicht so ganz überzeugende Modell aus Asien." (im Video ab 39'50'')
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]

    2007 hatten die Grünen im Landtags-Wahlampf derart hohe Umfragewerte, dass CSU-Kandidat Markus Söder plötzlich Bäume umarmte und sogar ein Verbrenner-Verbot für 2020 forderte, was er dann 2020 für 2035 bekräftigte. 16 Jahre später, mitten im Elektroauto-Boom in China und Nordeuropa, startet die CSU nach dem europäischen Verbrenner-Verbot ab 2035 eine Petition "Ja zum Auto" - gemeint ist der Verbrenner-PKW, als wäre das Elektroauto gar kein Auto. Da fällt einem unwillkürlich die jüngste Wendung in der erratischen Unions-Atompolitik ein.
    Spiegel 2007: [Verknüpfung]
    Spiegel 2020: [Verknüpfung]
    CSU: [Verknüpfung]
    T-Online: [Verknüpfung]

    Der einzige Hersteller, der hier 2012 in einer Fahrzeugklasse nennenswert punkten konnte, war der US-Pionier Tesla mit dem Model S in der Oberklasse.
    Kompakt- und Mittelklasse- Elektroautos waren zu dieser Zeit nur für Leute gebaut, die bereit waren, aus Umweltgründen deutlich mehr zu bezahlen: lange Zeit führten die vom visionären Renault-Nissan Chef Carlos Ghosn vorangetriebenen Modelle Nissan Leaf (2010 Japan) und Renault Zoe (2012 Frankreich) die Verkaufslisten an, wenn auch mit vergleichsweise bescheidenen Zahlen, dazu kam 2013 aus Deutschland der technologisch ambitionierte BMW i3, der mit seiner teuren Carbon-Alu-Karosse seiner Zeit ähnlich voraus war wie seinerzeit Audi mit dem A2 (in der Silhouette sind die beiden Autos sehr ähnlich).
    Preislich attraktive Modelle der Mittelklasse kamen erst mit dem ersten deutlichen Preisverfall der Akkus, zuerst Koreaner: 2016 Hyundai mit dem Ioniq und 2019 Kia mit dem e-Niro.
    Der VW e-Golf kam 2014 und verkaufte sich wegen des Preis-Leistungs-Verhältnisses so schlecht, dass 2019 die Produktion gestoppt wurde. Ein Massenmarkt entwickelte sich lange nicht, denn außer weniger Kleinwagen gab es nur schwere, teure SUV für zahlungskräftige Kunden.

    Die ZDF-Sendung hat mich damals bewogen, (mangels ÖPNV und weiter Wege) ernsthaft über die Anschaffung eines Elektroautos nachzudenken. Nach etwas Bedenkzeit begann ich mit dem Elektro-Umbau eines Rasierapparats Audi A2 mit einem Bausatz von Heiko Fleck, auch mangels Zutrauen an die etablierten Hersteller, mit LiFePO4-Akkus, die nur aus chinesischer Produktion zu haben waren (und dank ihrer Robustheit 2021 immer noch!). Nach über 40.000km und sogar einer (selbstverschuldeten) Tiefentladung, die wegen des geringen Stroms eine Rettungsaktion ermöglichte), zeigen 66 der 68 Akkus die gleiche Kapazität wie die beiden, die ich 2018 ersetzen musste. Selbst dieser Ausfall wäre vermeidbar gewesen, es war kein Versagen der Akkus, sondern der Schutzelektronik. (Ich hatte bei diesem Akkupaar das Schutzelektronik-Modul überbrückt, und ausgerechnet dieses Modul hätte als erstes die Ladung beenden müssen.)
    [Verknüpfung]
    2017 erwarben wir für meine Frau - nach vielen positiven Erfahrungsberichten - einen Renault Zoe und waren damit bis zum Motorschaden bei 130.000km sehr zufrieden. Ein unterdimensioniertes Lager sollte nicht der Grund für eine derart teure Reparatur sein, zumal der Motor nicht einmal als Altteil zurückgenommen wurde, sondern verschrottet worden wäre. Nach der spektakulären Entlassung des visionären Carlos Ghosn 2018 wurde das Thema Elektromobilität im Renault-Nissan-Konzern jahrelang sträflich vernachlässigt.
    [Wikipedia 2023 - Carlos Ghosn]
    2023 sollte unser 270.000km alter Familien-Diesel, ein Skoda Fabia Kombi 1,2TDI mit 4l Verbrauch pro 100km, ersetzt werden. Das Elektroauto-Angebot in Deutschland bestand aus nicht einmal einer Handvoll Kleinwagen und ansonsten mehr oder weniger großen und schweren SUV, dazwischen nur zwei Kompaktwagen, der Opel Astra (samt Stellantis-Pendant von Peugeot) und der VW ID.3. Weil wir schon zwei elektrische Kleinwagen besaßen, haben wir schließlich einen ID.3 als Familien-Elektroauto gebraucht gekauft, auch wenn es keine Kombi-Version gibt. Eine familientaugliche Kofferraum-Erweiterung für leichtes Gepäck ist nur als Box auf einem Fahrradträger realisierbar, der auf der optionalen Hängerkupplung montiert wird. Aber es gibt weder eine Dachbox, noch darf man mit der Anhängerkupplung einen Anhänger ziehen. Der ID.4 hätte zwar einen tauglichen Kofferraum, als SUV hätte er jedoch weit mehr Strom verbraucht, und meine Frau komplett abgeschreckt.
    Vor allem aber lag der Preis nur wenig über dem eines vergleichbaren gebrauchten VW-Golf mit günstigem Benzinermotor. Die Verunsicherung der deutschen Verbraucher hat dazu geführt, dass Ende 2023 die Leasing-Rückläufer der ersten Verkaufswelle des VW ID.3 bis zu 36% unter Neupreis (Förderbonus ist dabei bereits abgezogen) zu haben waren, teilweise mit weit unter 20.000km Laufleistung (von 160.000km garantierter Batteriefunktion in insgesamt acht Jahren).
    Das ist eigentlich immer noch skandalös mehr als der Kampfpreis eines neuen ID.3 in China, der aber wegen der EU-Homologisierung nicht reimportiert werden kann. Auch wenn ein Preiskampf in Deutschland absehbar ist, ein neues deutsches Elektroauto dieser Größe wird wohl nicht so bald zu solchen Preisen in Deutschland zu haben sein.
    t-online: [Verknüpfung]
    Nach dem Auslaufen des e-up ist der ID.3 das kleinste Elektroauto aus dem VW-Programm. Bei einem Gewicht von satten 1,8t sagt das alles über die Hinhalte-Taktik der deutschen Hersteller, deren Verbrenner-Lager überquillen, und die jetzt schon an den Börsen-Ratings die chinesische Konkurrenz zu spüren bekommen.

    Zeitweilig warb VW sogar für die Umrüstung von Verbrenner-Fahrzeugen.
    [Verknüpfung]

    Die große Masse der unentschlossenen Autokäufer wird im Winter 2019/20 zusätzlich durch eine Verzögerung der angekündigten Aufstockung der Kaufprämie vom Kauf eines Elektroautos abgehalten. Bis zur Autokauf-Saison im Frühjahr 2020 wurde diese hinausgezögert, begleitet von Verschwörungsideen um den Dieselskandal.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zwei Jahrzehnte lang mussten Klimaschützer mit ansehen, wie Millionen Kunden mit immer neuen (geringen) Steuernachlässen für neue Abgasnormen zum Kauf zigtausend-Euro teurer Neuwagen geködert wurden, die keinen Deut weniger CO2 ausstießen, und hinterher noch wunders dachten, was sie damit für die Umwelt getan hätten. Es war vielen nicht klar, dass die Klimarelevanz der Stickoxid-Schadstoffe gegen Null geht. Selbst der Dieselskandal konnte daran nichts ändern, im Gegenteil: die Desinformations-Kampagnen gegen die damals schon verfügbaren Elektroautos verfingen so gut, dass die allermeisten enttäuschten Dieselfahrer sie verschmähten und statt dessen massenhaft auf Benziner umstiegen - die oft noch mehr CO2 ausstießen als Diesel.
    Wie erfolgreich die Verbrenner-Industrie mit ihrer Absatzpolitik ist, zeigt v.a. der Zulassungsrekord für die besonders klimaschädlichen SUV unmittelbar vor dem Durchbruch der Elektroautos in Deutschland.
    [Verknüpfung]
    In deren Fahrerschaft - das sei wegen anderslautender Gerüchte am Rande bemerkt - besetzen die Grünen-Wähler nur den vorletzten Platz; nur Linken-Wähler fahren weniger SUV.
    [Verknüpfung]
    Falls der Druck aus China und dem Rest der Welt für einen massiven Preisverfall nicht reicht, droht nach dem Boom der Benziner wohl zuerst noch einer der Hybrid- und dann noch einer der Plugin-Hybride.
    Dafür wird Einiges getan: Altmaiers Blockade von Eigen-PV trägt dazu bei, dass der Preisvorteil von Elektroautos nicht zu groß wird. Auf das Abrechnungs-Chaos der zig Ladesäulen-Anbieter lassen sich nur mutige Elektroauto-Begeisterte ein. Der Ladestationen-Verbund der deutschen Autohersteller Ionity sichert sich zwar die besten Standorte, verlangt aber für Verbraucher unwirtschaftlich hohe Preise, mahnt Volker Quaschning.
    [Verknüpfung]
    Die im Premiumsegment boomenden Plugin-Hybride ließen sich je nach elektrischem Nutzungsanteil unterschiedlich besteuern - allerdings verzichtet der Staat darauf, die Diagnosegeräte auszulesen. So brüsten sich manche Fahrer dieser Boliden, das Ladekabel noch originalverpackt und genießen die Subventionen durch Kaufprämie und privilegierter Dienstwagen-Besteuerung.

    Ein Anlass mehr für kalifornische Entwickler, die deutsche Vormachtstellung im Automobilsektor in Frage zu stellen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Auch nach dem Diesel-Abgas-Skandal, in dem die Bundesregierung mit fragwürdigen Testvorschriften auffiel, erweist sie sich bei der Einforderung der strengen CO2-Emissionswerte der EU wieder besonders kreativ im Sinne der Autohersteller. So erreicht man eine Emissionsminderung nur auf dem Papier. Den Fahrern der Verbrenner wird suggeriert, sie bräuchten sich wegen der Emissionen ihrer Fahrzeuge keine Sorgen zu machen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Besonders irritierend sind diese Botschaften, vor allem die Wahlkampf-Erzählung von der Rettung des Verbrenners durch alternative Kraftstoffe im Jahr 2021 [!], wenn gleichzeitig die Industriepolitik schon druckvoll in eine ganz andere Richtung geht. Vollends ratlos schaut man zu, dass dieser Desinformation kaum widersprochen wird - etwa aus Gründen der Koalitionstauglichkeit? So vermittelt man den Verbrenner-Käufern den Eindruck, das Ende der Verbrenner sei nicht absehbar, und die Industriepolitik habe keine Fehler gemacht. Dabei werden die Wiederverkaufswerte der Verbrenner irgendwann ins Bodenlose stürzen.

    Unterstützung für das Elektroauto kam auch aus ganz unerwarteter Richtung. Männer, die bisher ihren Mangel an Selbstwertgefühl mit schnellen, lauten Autos kompensierten, erkennen zunehmend die Potentiale der Elektroautos: die Autos des Vorreiters Tesla hatten v.a. deshalb solchen Erfolg, weil sie um Welten besser beschleunigen als gleich teure Verbrenner. Und selbst im Segment der irrwitzigen "Boliden" (weit über 100.000€) gibt es elektrische Konkurrenz für die Verbrennungs-Monster von Bugatti & Co.
    [Verknüpfung]







    Mit der Massenmotorisierung wurde das effizienteste öffentliche Verkehrsmittel zum Stiefkind der deutschen Verkehrspolitik. Trotz der vielen Mittelgebirge hatte Deutschland bis zum Zweiten Weltkrieg den großen Aufwand nicht gescheut, eine kleinmaschige Infrastruktur zu schaffen. In den USA war das Schienennetz viel weitmaschiger - auch da, wo die Topographie günstige Trassen ermöglicht.
    Die ersten Jahrzehnte nach dem Krieg waren gekennzeichnet von einer zunehmenden Streckenstilllegung. In den 90ern wurde die Zerstörung unter drei aufeinander folgenden Ex-Daimler-Benz-Managern massiv forciert. Dabei fallen mir etliche Punkte ein, die sogar europäische Bahnprojekte betreffen.

    • während im Rest von Europa auch Nebenstrecken nach und nach elektrifiziert wurden, werden 2020 in Deutschland noch flächendeckend Dieseltriebzüge eingesetzt, die die CO2-Bilanz massiv verschlechtern, vor allem bei der (attraktivitätsbedingt) sehr geringen Auslastung der Züge; zur Elektrifizierung wird allen Ernstes der Einsatz von Brennstoffzellen diskutiert
      [Fockenbrock 2020]
    • die Stunden-Taktung der Züge, die in der Schweiz auch im Verbund mit Bussen hervorragend funktioniert, ist in Deutschland ein großes Zukunftsprojekt; die Gegenwart ist geprägt durch Sparen bei Material, Personal und viel zu kurzen Anschlusszeiten - ergo: massenhaften, teils stundenlangen Verspätungen
    • obwohl in Italien seit Jahrzehnten auf kurvenreichen Nebenstrecken zeitsparend im Einsatz, setzt sich Neigetechnik in Deutschland nach einer desaströsen Einführungsphase nicht durch
    • Nachtzüge betreibt die DB seit 2016 nicht mehr; die Wagen wurden verkauft, z.T. an die ÖBB
      [Wikipedia 2020 - Schlafwagen - Entwicklung in Europa ab 1990]
      Back on Track ist eine europäische Initiative, die im Rahmen des Green New Deal Schlafwagen wieder zum Fernreise-Standard für Strecken bis 1500km machen will
      [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
    • im selben Jahr fielen auch Autoreisezüge dem Rotstift zum Opfer; einige werden privat weiterbetrieben
      [Wikipedia 2020 - Autoreisezug]
    • im europäischen Fernstreckenprojekt Nordsee-Italien ist der Ceneri-Alpentunnel mindestens 15 Jahre früher fertig als die deutschen Lücken
    • der neue unterirdische Durchgangsbahnhof Stuttgart 21 kostet Bahn und öffentliche Hand Unsummen, die weit über die geplanten Kosten hinausgehen, und verlängert an einem zentralen Netzknotenpunkt die Fahrzeiten
      - dafür schafft er oberirdisch neue Flächen, die ausgiebig für lukrative Immobilienspekulationen genutzt wurden; die Verantwortlichen haben enge Verbindungen zu den Profiteuren
      [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
    • der Ausbau der Berliner S-Bahn dauert Jahrzehnte
      [Verknüpfung]
    • weitere Beispiele: Bahnanschluss nach Tschechien (seit den Neunzigerjahren angedacht), Neubaustrecken Rhein/Main – Rhein/Neckar (für einzelne Abschnitte Planungen zwischen 2004 und 2010, wurden erst vor ein paar Jahren wieder aufgenommen), Neubau Karlsruhe – Basel (dasselbe, für den ersten Teilabschnitt seit 1998 Baurecht, Baubeginn 2018), Flughafen Mümchen, Nordzulauf Brennerbasistunnel (Österreich baut seit 2007, Italien seit 2009).
      [Verknüpfung]

    Der Interessenverband Allianz Pro Schiene zeigt in seinen Infografiken die desaströse Lage der Bahn in Deutschland. Wenn Verkehrsminister Scheuer Milliardeninvestitionen ankündigt, wird eine signifikante Besserung - wenn überhaupt - erst in Jahren bemerkbar sein. Die Milliarden wollen auch wirklich ausgegeben werden. Dafür braucht es langfristige Planungen, die jahrelang verschleppt wurden.





    [Verknüpfung]

    Die Reaktivierung aufgegebener Schienenstränge wird momentan noch von der Allianz Pro Schiene und dem Verband Deutscher Verkehrsbetriebe VDV vorangetrieben.
    [Verknüpfung]

    Die Ursachen sind politischer Natur: das Gemeinwohl-Interesse wird bei der Bahn-Infrastruktur weit geringer eingeschätzt als zum Beispiel beim Bau von Autobahnen oder der Ausbeutung von Bodenschätzen. Frankreich und die Schweiz (per Volksabstimmung 1987) setzen andere Prioritäten.
    Zeit: [Verknüpfung]








    Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.
    Albert Einstein

    Seit der Bundestagswahl 2021 ist klar: die Abwehr gegen wissenschaftsbasierte Klimaschutz-Maßnahmen reicht in der Öffentlichkeit nicht mehr aus.
    Doch schon erklären Fossilökonomisten ihre überlegene Kompetenz beim Klimaschutz: sie setzen auf Emissionshandel, Kompensationen und Innovationen. Sie entspringen demselben unbedingten Fortschrittsglauben, der auch den Fossilökonomismus hervorgebracht hat. Oftmals handelt es sich nur um Scheinlösungen, manche davon sogar gefährlich; immer jedoch dienen sie der Begründung neuer Geschäftsmodelle und werfen damit wieder die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit auf.
    [KlimaKollektiv 2021]

    Ein Beispiel: der selbsternannte Energie- und Verkehrswendespezialist Hans-Werner Sinn referiert darüber, wie seiner Meinung nach Klimaschutz wirklich funktioniert. Er lieferte 2008 mit dem Buch "das grüne Paradoxon" die populistische Propaganda, mit der die Energiekehrtwende begründet wurde. Zitat aus der Zusammenfassung bei researchgate:

    "Die grüne Umweltpolitik ist voller Paradoxien. Windräder verschandeln unsere Landschaft, klimaschonende Atomkraftwerke werden abgeschaltet, der Biosprit in unseren Autos verursacht Hunger in armen Ländern. Alle nationalen Maßnahmen von Ökosteuer bis zur Förderung grüner Energien gehen auf Kosten der Steuerzahler. Doch all das kann den Klimawandel nicht stoppen, sondern wird ihn sogar beschleunigen."
    [Verknüpfung]

    Weil Sinn das Thema Bio-Kraftstoffe aufgreift, sei hier erwähnt, dass diese 2008 noch als vermeintlich CO2-mindernde Ersatztreibstoffe galten, und damals von Fossilökonomisten mit dem Argument "Tank oder Teller" abgelehnt wurden. Die Expertenplanungen der Jahrtausendwende gingen von einer drastischen Verringerung des motorisierten Individualverkehrs aus, denn ein kompletter Ersatz der Treibstoffe durch Bio-Alternativen war gar nicht möglich, und die Entwicklung der Elektroautos war nicht sicher absehbar. Man einigte sich EU-weit auf eine Beimischung von unter 10%, was das Problem nicht löste, und dafür großflächigen Ökozid durch riesige Palmöl-Plantagen.
    Die echte Alternative zum Verbrenner kam schließlich mit dem Elektroauto. Jetzt, wo es Fossilökonomisten darum geht, dieses zu verhindern, sind sie plötzlich gegen ein Verbot von Bio-Kraftstoffen, weil diese die CO2-Bilanz von Verbrennern verbessern.
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]
    Langfassung: [Verknüpfung]

    Eine CO2-Steuer ermöglicht den Beteiligten eine einfache Kalkulation.
    Fossilökonomisten bezeichnen sie dagegen als Planwirtschaft, weil der Preis nicht durch den Markt bestimmt, sondern politisch festgelegt wird. Sie favorisieren das EU-weit beschlossene Modell des Zertifikatehandels, weil der Markt (mit Adam Smiths "unsichtbarer Hand") den CO2-Preis bestimmt.
    Bei dieser Darstellung verschweigen sie, dass das Emissionsminderungsziel, das durch Ausgabe der Emissionszertifikate festgelegt ist, auch nicht weniger Planwirtschaft bedeutet.
    Noch viel planvoller ging die Bundesregierung unter Merkel vor: von 2005-2021 wurden Zertifikate für etwa 4,8 Milliarden Tonnen CO2-Äquivalente kostenlos ausgegeben und der Preis damit für Jahre verdorben, 2021 waren es noch 120 Millionen Tonnen. Bis 2012 wurden damit nahezu alle Emissionskosten deutscher Unternehmen eliminiert.

    [Verknüpfung] (Reiter "allowances and emissions")
    [Verknüpfung] (pdf-Dokument, Seite 50)
    Das entspricht den gesamten Emissionen von Deutschland in den sechs Jahren 2016-2021.
    [Verknüpfung].
    Bei einem gemäß UBA klimagerechten CO2-Preis von 237€ pro Tonne hätten allein diese Emissionsrechte weit über eine Billion Euro gekostet - soviel wie Peter Altmaier als Kosten der Energiewende beziffert hatte.
    Jörg Landgrebe, der deutsche Chefaufseher für den Emissionshandel, spricht von einem "süßen Gift", das über lange Zeit die notwendige Entwicklung emissionsarmer Technologien verhindere.
    [Verknüpfung]
    Erst nach 14 Jahren dieses "marktwirtschaftlichen Handels" ist der Preis 2019 endlich auf ein erkennbar wirksames Niveau gestiegen, doch immer noch weit von dem Wert entfernt, den die Wissenschaft als ausreichend ansieht.
    DIW-Ökonomin Claudia Kemfert erklärt, warum selbst der von den Grünen anvisierte Preis von 60€ im Jahr 2021 unealistisch niedrig ist und nicht etwa zu hoch, wie Christian Lindner behauptet.
    [Verknüpfung]
    Manche Experten prognostizieren sogar negative Effekte des Mechanismus für den Klimaschutz:
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Spekulation bedeutet die Möglichkeit kontraproduktiver Preisausschläge nach oben (schlecht für Unternehmen) und unten (schlecht für die Umwelt). Das IKEM spricht von einer potentiellen Zeitbombe.
    [Verknüpfung]
    Als Beispiel findet man hier - ausgerechnet - die Kohleverstromung in Ostdeutschland:
    [Verknüpfung]
    Außerdem hält das IKEM den Emissionshandel für verfassungswidrig.
    [Verknüpfung]

    Das größte Risiko des Handels ist jedoch ausgerechnet seine Profitabilität. Wie bereits mehrfach ruchbar wurde, birgt er ein hohes Risiko von Spekulation und sogar Betrug. Die Profite, die Investoren bisher aus CO2-Emissionen schöpften, nutzen sie nun als Investition in neue Geschäftsmodelle. Je mehr Profite sie daraus erzeugen, desto weniger steht den Staaten für den notwendigen Ausgleich sozialer Härten durch Klimaschutz zur Verfügung.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    40 Firmen erhielten nicht nur Zertifikate für alle Emissionen geschenkt, sie verkaufte auch die überzähligen für 41 Milliarden Euro, allein deutsche Firmen für 10 Milliarden, z.B. HeidelbergCement für 2 Milliarden Euro, die ihren Kunden zusätzlich 258 Millionen Euro für Zertifikate berechnen. Das ermittelte Luuk Sanders von De Groene Amsterdamer. Klimafreundliche, teurere Konkurrenten verlieren damit noch mehr an Konkurrenzfähigkeit.
    Business Leaders: [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung] ZDF Frontal 21 auf Youtube: [Verknüpfung]

    Fossilökonomisten rechnen vor, dass durch das "Marktinstrument" des Emissionshandels die CO2-Reduktion wesentlich billiger erreicht wurde als durch das EEG. Sie übersehen dabei "nur", dass ohne die EEG-Subventionierung wahrscheinlich kaum ein privater Investor die Erneuerbaren seit Einführung des Emissionshandels bis heute zur Marktreife entwickelt hätte - eine bezahlbare Energiewende heute also schlicht unmöglich wäre. Der FAZ-Gastautor Joachim Weimann rechnet außerdem alle Sektoren mit ein, auch die, bei denen der Emissionshandel bisher null Wirkung entfalten konnte (Verkehr und Wohnungsheizung).
    [Verknüpfung]

    Der Film "The Story of Cap and Trade" (aus der empfehlenswerten Serie "The Story of...") zeigt sehr anschaulich: der Emissionshandel bietet zwar viele Chancen auf Profite - die allerdings nicht der Allgemeinheit zugute kommen, sondern nur Investoren. Dafür birgt er hohe Risiken von Betrug, der letztlich für alle katastrophale Folgen hat: mehr CO2. Z.B. die CO2-Kompensationen: wer CO2 vermindert, bekommt Emissionsrechte, die er wiederum verkaufen kann. Hier wurden bereits verschiedene betrügerische Geschäftsmodelle beobachtet.


    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Fossilökonomisten rechnen auch besonders gern mit Kompensationen. Obwohl die Menschheit alle Möglichkeiten nutzen muss, bereits vorher emittiertes CO2 aus der Atmosphäre zu sequestrieren, ohne damit neue, zusätzliche Emissionen auszugleichen. Denn die Möglichkeiten der Sequestrierung sind ohnehin stark begrenzt, sie sind unverzichtbare, eng begrenzte Ressourcen im Klimaschutz.

    Wie die Kompensation mittels Baumpflanzung von Fossilökonomisten als Rechtfertigung für Zurückhaltung im Klimaschutz missbraucht wird, und welche Probleme noch damit zusammenhängen, habe ich ausführlich weiter oben beschrieben. Besonders schmerzhaft ist der Skandal um die Baumpflanz-Aktion Plant for the Planet, deren Spendenkonto von Fridays for Future Deutschland genutzt wird. Er zeigt deutlich die Gefahr von Missbrauch. Ähnlich wie beim Emissionshandel und den Lieferketten muss die internationale Politik hier eine zuverlässige Überwachung sicherstellen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Eine andere Art der Sequestrierung ist die per direct air capture (DAC), eine Adsorptionstechnik. Erst in Jahrzehnten wird dazu genug Überschuss-Strom aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen. Vorher ist es weit effizienter, die Energie direkt für CO2-neutrale Technik wie Elektromobilität oder Wärmepumpen einzusetzen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Peter Viebahn vom Wuppertal Institut diskutiert 2019 den aktuellen technischen Stand.
    [Verknüpfung]

    CCS (Carbon Capture and Storage) in ausgebeuteten Kavernen ist auf Dauer nicht diffusionssicher (CO2 ist nun 'mal ein Gas, und die Erdkruste keine druckdichte Stahlgasflasche) und kann Erdbeben verursachen. Das hatten erste Untersuchungen an Probelagern ergeben.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2020 - CO2-Abscheidung und -Speicherung - Gefahren]
    In der einzigen kommerziellen Anlage 2021, dem Kraftwerk Boundary Dam des kanadischen Konzerns SaskPower, ist es nur deshalb wirtschaftlich, weil das CO2 zum Austreiben von Öl aus einer Ölquelle verwendet wird. Natürlich eine zweifelhafte Klimaschutz-Maßnahme, wenn CO2 einerseits abgeschieden, anderseits aber damit neuer fossiler Brennstoff gefördert wird, der ein Vielfaches an CO2 freisetzt.
    [Verknüpfung]
    Weil für die Vattenfall-Kraftwerke dieser Zusatznutzen nicht realisierbar war, hat Vattenfall aus Kostengründen die Entwicklung von CCS eingestellt.
    [Verknüpfung]

    Im Vorfeld des Paris-Abkommens wurde BECCS, eine CCS-Variante mit Biomasse-Verfeuerung, als Kandidat für eine massenhafte Sequestrierung alter Emissionen aus der Atmosphäre gehandelt. Doch es sprechen - wie beim Thema Massenaufforstung bereits ausgeführt - eine Vielzahl von Gründen dagegen: die Verringerung der Albedo und die Freisetzung von CO2 aus Humus würde den Klimaschutz-Effekt schmälern, die Plantagen würden mit Fortschreiten der Klimakrise immer weniger produktiv (ein zusätzlicher Rückkopplungseffekt), und die nötigen hochproduktiven Monokulturen sind ökologische Wüsten, die zudem gegen Klimawandel weniger resilient sind als wilde Natur.
    DLF: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    Das stellte auch der nationale Waldgipfel im Auftrag des Landwirtschaftsministeriums BMEL 2021 fest.
    ARD: [Verknüpfung]

    Filmtip: Leschs Kosmos. Wieviel Grün braucht der Blaue Planet?
    ZDF 02.06.2020: [Verknüpfung]
    Filmtip: Interview mit Almut Arneth (KIT) zur Landnutzung anlässlich der COP28. ARD 2023. ARD: [Verknüpfung]
    ARD-Mediathek: [Verknüpfung]

    Ein noch weit gravierenderes Problem sind die erforderlichen Flächen und Wassermengen für die erforderlichen Plantagen. Im Gegensatz zu den grünen Luftschlössern der Aufforstung kann man immerhin den Flächenbedarf beziffern, die aktuellen Studien sprechen allerdings von gigantischen 25-80% der bisher genutzten Fläche. Es käme also zu einer Konkurrenz mit Nahrungsmittelerzeugung und v.a. Wildreservaten in Dimensionen, die eine gerechte Verteilung von Ressourcen vollkommen unmöglich machen würden. Bei ernstgemeintem Schutz der Biodiversität ist BECCS ein vollkommen illusorischer Ansatz.
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    Dennoch wird der Ansatz weiter verfolgt, z.B. in Hamburg und Berlin - was Proteste auslöst.
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    Geradezu absurd erscheint vor dieser Sachlage die Forderung von Ex-CDU-Agrarministerin Julia Klöckner in der Wärmepumpen-Debatte, den Verkauf von Brennholz und Pellets nicht einzuschränken, allzu offensichtlich im Sinne ihrer Klientel, der Waldbesitzer-Lobby.
    Ein hoher Anteil regenerativer Energien vor allem in Schweden, aber auch in anderen Teilen Europas, geht auf die Nutzung von Brennholz zurück - was schon sehr bald zugunsten von Wärmepumpen, die mit grünem Strom betrieben werden, deutlich reduziert werden muss, wenn die Waldflächen Europas und global nicht nur erhalten bleiben, sondern wieder wachsen sollen.
    ARD: [Verknüpfung]

    Trotz der vielen kritischen Stimmen aus der Wissenschaft wird CCS nach wie vor als Lösung der CO2-Emissionsproblems diskutiert - von der CDU und der Ölindustrie sogar als massentauglicher Ersatz für Erneuerbare Energien. Obwohl nach Versuchen Anfang des Jahrtausends verworfen, taucht CCS immer wieder in der Liste der Klimaschutz-Innovation auf. Christian Lindner (FDP) z.B. noch bei Maybrit Illner am 13.12.2018.
    Auch die vermeintliche Klimaneutralität von blauem Wasserstoff geht auf CCS zurück. Der Wasserstoff wird ganz konventionell durch Kohleverschwelung erzeugt und das entstehende CO2 deponiert. Durch Verbindung mit dem Begriff der Wasserstoff-Wirtschaft erzeugt man die Illusion von Nachhaltigkeit.

    2016 fand man tatsächlich eine sinnvolle Möglichkeit für CCS: die Mineralisierung mit Metalloxiden zu Carbonaten durch Verpressen von Kohlensäure in Basaltgestein.
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    In Zeiten billiger erneuerbarer Energie wird man nicht mehr auf Kohlekraft angewiesen sein, und so eröffnet sich dann eine gefahrlose Möglichkeit der Sequestrierung (Negativemission). Vor der Euphorie der Fossilökonomisten, bis da hin weiter keine drastische Minderung der CO2-Emissionen vermeiden zu können, kann man jedoch nur warnen, sagt das MCC. Basalt als CO2-Speicher brauchen wir zur Entfernung von vorhandenem CO2 aus der Atmosphäre, und wir dürfen diese Ressource auf keinen Fall zum Absorbieren weiterer Emissionen verschwenden. Außerdem ist das Verfahren auf lange Sicht nicht nachhaltig. Das in Carbonaten gebundene CO2 wird über erdgeschichtliche Zeiträume hinweg durch Thermolyse wieder aus dem Gestein freigesetzt, wenn heiße Magma an die Oberfläche kommt. Das ist eine Teilreaktion im geologischen Kohlenstoffkreislauf.

    Die Potentiale der verschiedenen CO2-Senken (Carbon Dioxide Removal CDR) in Deutschland wurden 2018 und 2019 vom IASS und 2021 vom Mercator-Instituts MCC erfasst; 2022 fasst der Sachverständigenrat für Umweltfragen der Bundesregierung die Studien zusammen.
    2019 eruierte das Umweltbundesamt die Potentiale von Bio-CCS oder BECCS.
    Studie: [Verknüpfung]
    Pdf-Datei: [Verknüpfung]
    Auch der SRU hat 2022 die Potentiale eruiert und CDR ohne gleichzeitige massive Minderung der Emissionen als untauglich für Klimaschutz bezeichnet.
    Der Europäische Rechnungshof erstellte 2018 einen Sonderbericht: "Die für die letzten zehn Jahre geplanten Fortschritte wurden nicht erzielt".
    [Verknüpfung]
    2023 wurde der erste globale Bericht über die Potentiale von CDR veröffentlicht: The State of Carbon Dioxide Removal Report.
    [State of CDR Report 2023]
    Aufforstung weist zwar geringe Kosten auf, ihre Potentiale sind jedoch nur marginal. Technologen mit nennenswerten Potentialen wie DAC dagegen sind unwirtschaftlich. Deshalb muss das wichtigste Augenmerk auf Emissions-Vermeidung liegen.
    Heute kann noch niemand kann sagen, wie groß die DAC-Potentiale sind und in welchem Maße unsere Volkswirtschaften in der Lage sein werden, diese Potentiale auch wirksam und nachhaltig auszuschöpfen. Zumindest sind die Potentiale der Abscheidung und Kompensation endlich. Sie werden dringend benötigt, die historischen CO2-Emissionen zu sequestrieren, und dürfen nicht für weitere Emissionen verschwendet werden.
    CDR kann nur als eine von vielen Maßnahmen einen bescheidenen Beitrag leisten, das Ausmaß der Klimakatastrophe zu mindern.

    Auch wenn die technische Fixierung von CO2 eines Tages - mittels Überschüssen an Erneuerbarer Energie - massenhaft zur Verfügung stehen wird, und auch wenn sie unverzichtbar sein wird: aus heutiger Sicht ist es wesentlich wirtschaftlicher, die Emissionen sofort zu vermindern und den Einsatz dieser Technik damit so weit wie möglich hinauszuzögern, so dass sie zur Serienreife entwickelt werden kann. Und natürlich den Bedarf dieser Technik zu minimieren.
    MCC: [Verknüpfung]
    PIK: [Verknüpfung] Science: Lawrence 2019
    Nature: Lawrence 2018
    DLF: [Verknüpfung]
    ee: [Verknüpfung]
    SZ: [Verknüpfung]
    joule: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Eine denkbare Variante ist der Einsatz von P2X zur Produktion speicherfähiger Öle oder Kunststoffe.


    Scaling up Carbon Dioxide Removal (CDR) is an urgent priority, as are efforts to rapidly reduce emissions, if we are to meet the temperature goal of the Paris Agreement. Scenarios for limiting warming to well below 2°C involve removing hundreds of billions of tonnes of carbon dioxide (CO2) from the atmosphere over the course of the century.
    CDR is not a silver bullet, as scenarios that limit warming to 2°C or lower require deep cuts to emissions in addition to, not in place of, CDR. A few scenarios do meet the Paris temperature goal without novel CDR, but these require even more aggressive emission reductions, which we are not on track to achieve.
    The State of Carbondioxide Removal
    [Verknüpfung]


    Wer also hofft, sein uraltes Diesel-Auto weiterfahren zu können, der irrt. Wir können uns nicht auf den technischen Möglichkeiten zur CO2-Entfernung ausruhen, selbst wenn diese deutlich erweitert werden. Im Gegenteil: Es kann nur eine Ergänzung sein. Das Hauptaugenmerk muss auf der Reduktion der Emissionen liegen.
    Jan Minx
    [Verknüpfung]


    Geoengineering is not an option.
    Greta Thunberg

    Buchtip: Greta Thunberg. Das Klimabuch. S. Fischer Verlag. Berlin 2022
    [Verknüpfung]


    Die Phantasien der Fortschrittsgläubigen werden seit Jahren von kaum etwas so befeuert wie von der "Künstlichen Intelligenz". Die junge Generation, die bereits einen guten Teil ihrer Lebenszeit in virtuellen Welten verbracht hat, ist für diesen Hype besonders empfänglich. Vor allem bei ihnen hat im Bundestagswahlkampf ein Slogan der FDP verfangen, der manchem die Sprache verschlug: "Digitalisierung first, Bedenken second." Soll das heißen, "Rechner an, Hirn aus"? Dennoch reichte vielen für die Wahlentscheidung schon eine Verbesserung der Internet-Verbindung.
    Die Ex-Google-Mitarbeiterin Meredith Whittaker forschte zu KI und führt jetzt die Geschäfte des datensicheren Messenger-Diensts Signal. Sie sagt, KI "ist vor allem ein Marketinghype".
    [Verknüpfung]
    Der Youtube-Kanal Explainity beschreibt das Problem in drei Minuten und stellt fest: "Doch wir Menschen werden noch sehr genau planen und daran arbeiten müssen um zukünftig sicherzustellen, dass wir diese mächtige Technologie weise verwenden." Genau diese Eigenschaft, Weisheit, kann man der KI ganz sicher noch nicht attestieren.
    [Verknüpfung]
    Auch in der Klimakrise kann KI nütlich sein, z.B. beim Management der Einspeisung und Speicherung im Stromnetz. Die allermeisten aktuellen digitalen Emissionen sind jedoch nur klimaschädlich, ohne irgendein Problem zu lösen. Eine Studie des Öko-Instituts aus dem Jahr 2021 beziffert die deutschen digitalen Pro-Kopf-Emissionen mit ca. 850kg CO2-Äquivalent pro Jahr.
    taz: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]


    Eine weitere vom unbegrenzten Fortschrittsglauben motivierte Innovation ist die Gentechnik, die oben bereits behandelt wurde.


    Von allen diskutierten Klima-Innovationen ist mir nur eine bekannt, die bereits umgesetzt wurde: die von Verkehrsminister Scheuer eingeführten E-Tretroller oder E-Scooter.
    Die Europäische Umweltagentur moniert, dass eine Entlastungswirkung des Verkehrs nicht beobachtet werden kann - im Gegenteil.
    [Verknüpfung]
    Auch die Sicherheit im Straßenverkehr hat gelitten.
    [Verknüpfung]
    Bedenkt man die Lebensdauer dieser Fahrzeuge (auch mit Akku-Wiederverwertung), dann ist das Fahrrad doch die nachhaltigere und sicherere Alternative.

    Die Bürger:innen von Paris sprechen sich im April 2023 bei einer gesetzesverbindlichen Bürgerbefragung mit 90% gegen E-Scooter-Leihsysteme aus.
    DLF: [Verknüpfung]

    Als weitere klimarettende Innovationen werden noch autonome Flugtaxis und Wasserstoffflugzeuge gehandelt - beide Konzepte werden von den allermeisten Verkehrsexperten nicht als rechtzeitig verfügbare Alternative zu ÖPNV, Rad, Elektroautos und Flugzeuge mit P2L-Treibstoff angesehen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Bei Nutzung von EFuels bleiben die treibhauswirksamen Kondensstreifen; bei Wasserstoff wären sie sogar noch weit größer.
    [Verknüpfung]

    Der Experte Prof. Rolf Henke vom staatlichen Forschungsinstitut DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) spricht von einem zeitlichen Horizont der Decarbonisierung im Flugsektor zwischen 2035 (Einführung) und 2050 (Flottenaustausch). Bis dahin können wir im Flugsektor nur durch Vermeidung CO2 sparen - so wie in der Corona-Krise viel mehr möglich war, als die meisten Verantwortlichen und Vielflieger behaupteten. Videokonferenzen konnten einen Großteil der Reisen ersetzen.
    [Verknüpfung]


    In letzter Konsequenz erweist sich das In-Aussicht-Stellen von innovativen Zukunfts-Techniken als höchst wirksame Bremse der Klimawende, so wie das derzeitige Favorisieren des Wasserstoff-Antriebs oder gar Verbrennnungsmotoren mit P2L-Treibstoffen für PKW statt echter Verkehrswende und des Wasserstoff-Imports statt Förderung der Bürger-Energiewende gegen alle Argumente der anerkannten Energie-Experten.

    Die Klimaforscher James Dyke, Robert Watson und Wolfgang Knorr fassen die Probleme der diskutierten Scheinlösungen bei golem zusammen.
    [Verknüpfung]

    Fossilökonomisten propagieren eine Offenheit für Innovationen, die viel attraktiver und besser geeignet seien als die bereits fertig entwickelten bzw. gebrauchsfertigen Alternativen der Klimaschützer, die sie als technologischen Rückschritt darstellen.
    Damit stehen sie in bester Tradition mit den vollkommen unkritischen Machbarkeits-Vorstellungen des Atomzeitalters - womit wir beim nächsten Fossilökonomismus wären.

    Es ist auch nicht verwunderlich, dass mit Seitz und Singer gerade ein Atomphysiker und ein Weltraumphysiker dieser Zeit als erste professionelle Klimaskeptiker prominent wurden. Die Schnittmenge zwischen (Ex-) Klimaskeptikern, Fossilökonomisten und Atomkraft-Befürwortern in Deutschland ist sehr groß (in Ländern, die noch keinen Atomausstieg vollzogen haben, allerdings wohl kleiner).







    Konventionelle Atomkraft ist weder ungefährlich, noch wirtschaftlich (auch ohne die Folgekosten, die i.d.R. die Allgemeinheit trägt) - und zudem nicht einmal CO2-neutral. Das Problem der Endlager für hochradioaktive Abfälle, die über Hunderttausende von Jahren sicher sein müssen, ist bis auf zwei Ausnahmen in Finnland und Schweden weltweit ungeklärt.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Konventionelle Kraftwerke sind zu teuer und benötigen zuviel Bauzeit.
    WiWo: [Verknüpfung]
    Neue Nukleartechniken werden in den nächsten 10 Jahren - in denen nach der Lehrmeinung der Klimaforschung die Energiewende in wesentlichen Teilen stattfinden muss - ganz sicher nicht massentauglich, oder wie Fossilökonomisten fordern "grundlastfähig" verfügbar sein. Das alles ist unter Fachleuten der Energiewirtschaft vollkommen unstrittig. Dieser Konsens wird auch in En-ROADS, der umfassenden Simulation des Sloan Instituts am MIT, sichtbar. Ein Ausbau der Kernenergie zum völligen Ersatz fossiler Kraftwerke würde eine Vervielfachung des Brennstoffbedarfs nach sich ziehen, der nicht lange global befriedigt werden kann.


    Das wichtigste Ergebnis der vorliegenden Arbeit ist, dass der Beitrag der Kernenergie zur Eindämmung des Klimawandels sehr begrenzt ist und sein wird. Gegenwärtig werden durch die Kernenergie jährlich 2–3 % der gesamten globalen Treibhausgasemissionen vermieden. Mit Blick auf angekündigte Pläne für nukleare Neubauten und Laufzeitverlängerungen würde dieser Wert bis 2040 sogar noch weiter sinken. Zudem wird ein substanzieller Ausbau der Kernenergie aufgrund technischer Hindernisse und begrenzter Ressourcen nicht möglich sein. Die begrenzte Versorgung mit Uran-235 verhindert erhebliche Ausbauszenarien mit der aktuellen Nukleartechnologie. Neue Nukleartechnologien, die Uran-238 verwenden, werden nicht rechtzeitig verfügbar sein. Selbst wenn solche Ausbauszenarien möglich wären, würde ihr Klimaschutzpotenzial als Einzelmaßnahme nicht ausreichen.
    Muellner et al.
    Studie bei sciencedirect: [Muellner 2021]

    Die Klimakrise bringt die europäischen Nuklearstaaten gerade jetzt in schwere Bedrängnis, denn dem überalterten Kraftwerkspark droht Kühlmittelmangel.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der französische Stromkunde zahlte zwar vor Jahren sehr geringe Preise, doch ist das Geschäft zunehmend defizitär. Der mittlerweile verstaatlichte Konzern EDF ist mit 70 Milliarden verschuldet, und genauso viel werden für den Bau von sechs neuen Kraftwerken veranschlagt. Die Kundenpreise werden seit Jahrzehnten mehr und mehr subventioniert, und weil der Staat das Defizit nicht mehr komplett auffangen konnte, sind sie 2024 auch auf 27ct/ kWh gestiegen. Ohne Subvention allerdings wäre er nach Berechnungen der staatlichen Commission de régulation de l'énergie CRE 75% höher, also 47,25ct/ kWh.
    Zeit: [Joeres 2024]
    CRE: [CRE 2024]
    Auch in Deutschland wurde schon vielfach nachgerechnet: die Atomenergie ist ein Zuschussgeschäft, für das immer wieder der Steuerzahler aufkommen muss.
    wiwo: [Hennersdorf 2016]
    Im Januar 2024 veröffentlicht die CDU die "Heidelberger Erklärung", in der sie die Atomkraft als Lösung einer klimaneutralen Energieversorgung präsentiert. Das ist so weltfremd, dass ich gar nicht die taz oder FR zitieren muss. Denn meine Quelle, die neoliberale Münchener Denkfabrik ifo-Institut ist nicht gerade für linksgrüne Positionen bekannt; ihr Ex-Vorsitzender Hans-Werner Sinn z.B. treibt weiter in "sozialen" Medien sein Unwesen und schafft es mit seinem Unsinn sogar immer noch in die konventionellen Medien. Wenn also der Energieexperte dieses ifo-Instituts Dr. Mathias Mier im Handelsblatt für Atomkraft in Deutschland keinen business case sieht, dann sollte das CDU und FDP doch sehr zu denken geben, Zitat:

    "Wenn man alle Schäden der Atomkraft, auch für nachfolgende Generationen, mit einrechnet, gibt es auf der ganzen Welt keinen Business-Case für diese Anlagen." [Mit den ersten neuen Anlagen sei erst 2040 zu rechnen.] "Da wollen wir schon fast CO2-neutral sein und brauchen es gar nicht mehr. [...]"


    Es ist populistischer Unfug, wenn CDU und CSU den Bau neuer Atomkraftwerke fordern. Das macht in Deutschland einfach keinen Sinn.
    Mathias Mier

    Das Handelsblatt weiter: Verbreitet sei Kernenergie deswegen eher in Ländern, die entweder keine Alternative hätten oder aus militärischen Gründen auf Atomkraft setzten. Außerdem sei ein Kernkraftwerk nicht gut mit den Erneuerbaren zu kombinieren, denn anders als Gaskraftwerke könnten Atomkraftwerke nicht die stark schwankende Residuallasten flexibel bedienen, so erkennt auch Mier die Sachlage an.
    "Gegenteilige Meinungen sucht man unter Expertinnen und Experten vergeblich", so schreibt das Handelsblatt, und zitiert einen weiteren Experten, der nicht namentlich genannt wird: "Der Bau eines neuen Windrads ist aufgrund der Gegenwehr vieler Bürgerinnen und Bürger vor Ort schon hochproblematisch. Wie wollen Sie da ein neues Atomkraftwerk verkaufen?". Das sollte allerdings auch ohne Namensnennung eines Experten jedem schnell einleuchten.
    Handelsblatt: [Witsch 2024]

    Dennoch behaupten fossilökonomistische Politiker:innen wie Friedrich Merz immer noch, wir müssten die Debatte um Kernenergie, auch unkonventionelle, fortsetzen: Deutschland werde durch den Ausstieg 2023 wirtschaftlich existentiell bedroht, und im internationalen Kernkraft-Boom abgehängt.
    Während Frankreich konventionelle Reaktoren baut, träumt Merz seit 2020 von einem Energiesystem mit Dual-Fluid-Reaktoren, deren Konzept in einem privaten Berliner Institut entworfen wurde und bisher nur auf dem Papier existiert. Woher bis zu deren flächendeckendem Einsatz eine CO2-neutrale Energieversorgung kommen soll, verrät Merz nicht.
    [Wikipedia 2022 - Dual-Fluid-Reaktor]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Warum das Konzept schon vor Jahrzehnten erdacht, jedoch wegen unmöglicher Anforderungen an die Werkstoffe bis heute nicht einmal versuchsweise realisiert wurde, erklärt Patrick Sauter in seinem Youtube-Kanal Ingenieurskunst.
    Filmtip: Ingenieurskunst. Dual-Fluid-Reaktor - Die Zukunft der Energieversorgung?
    Youtube: [Sauter 2022]

    Eine Übersicht der internationalen Entwicklung des Kernkraft-Sektors geben Caterina Lobenstein mit Xifan Yang 2021, und Ingo Arzt 2023 in der Zeit. Von einem internationalen Boom, wie er von CDU-Politiker:innen immer wieder herbeigeredet wird, kann keine Rede sein. Ein Großteil des Kraftwerksparks ist überaltert, und der Neubau ist aus Kostengründen sehr spärlich.


    Zeit: [Lobenstein 2021]

    Für einen internationalen Überblick hat auch die Gesellschaft für Reaktorsicherheit GRS die Zahlen der verschiedenen Institute ausgewertet.
    [Verknüpfung]

    Die nukleare Stromproduktion hält zwar an, weil uralte Kraftwerke trotz steigendem Risiko weiter laufen. Neue Großkraftwerke werden jedoch außer in China und Indien kaum gebaut. Weil der Strombedarf steigt, ist 2023 der nukleare Anteil an der Stromproduktion weiter auf 9,2% zurückgegangen. Die wenigen europäischen Neubau-Projekte laufen im Zeit- und Finanzplan völlig aus dem Ruder, und die Investitionen in Erneuerbare sind weltweit sechs mal so hoch - dort ist der Boom real.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Lobenstein 2021]
    Orsted[Verknüpfung]
    FR: [Verknüpfung]
    Kurzfristig ließe sich an dem Tempo auch nichts ändern. Nach den Jahren des anhaltende Wachstums ist eine Generation hochqualifizierter Fachleute gealtert.
    Welt: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    In Frankreich ist jetzt für eine Renovierung des Kraftwerksparks eine groß angelegte Ausbildungskampagne erforderlich, die allein auf zehn Jahre angelegt ist.
    DLF: [Verknüpfung]
    Gleichzeitig erklärt der Atomstratege Friedrich Merz den Ausbau der Erneuerbaren Energien wegen des Fachkräftemangels für unrealistisch. Derartige Realitätsferne vom Chef einer CDU, die Zustimmungswerte von 30% verbucht, kann ich nur noch bewältigen wie in den 90er-Jahren meine Angst vor der ganz realen Gefahr von Bedienungsfehlern in Atomkraftwerken: mit Widerspruch, und mit viel Humor.


    Youtube: [Verknüpfung]

    2023 fällt ein weiteres Gutachten des Bundesamts für Sicherheit der nuklearen Entsorgung BASE ein vernichtendes Urteil über die SMR. Diese seien, wenn überhaupt, erst in Jahrzehnten tauglich für eine wirtschaftliche Großserie, und lösten auch nicht das Endlagerproblem. Die Fixierung der CDU auf Atomkraft im Grundsatzprogramm 2023 beurteilen Anja Stehle und Zacharias Zacharakis in der Zeit als unrealistisch; sie zitieren das BASE-Gutachten und den Energiesystemforscher der TU Dortmund Christian Rehtanz.


    Die vielfach in der öffentlichen Diskussion und von Entwicklern selbst formulierte Erwartung an die neuen Reaktorkonzepte kann insgesamt nicht als realistisch eingeschätzt werden.
    BASE
    [Die Pläne neuartiger Nukleartechnik sind] extrem teuer. [...] Selbst wenn heute entschieden würde, in Deutschland neue Atomkraftwerke zu bauen, glaube ich nicht, dass es dafür Investoren geben würde.
    Christian Rehtanz
    Zeit: [Verknüpfung]
    Studie: [BASE 2023]
    IDW: [Verknüpfung]

    Entweder geht es Merz mehr um das Einfangen politischer Zustimmung als um einen seriösen Beitrag zur Debatte - oder er ist absolut ideologisch verblendet. Merz bedient damit rechtskonservative Meinungen und arbeitet so gegen den dringend benötigten schnellen Erfolg der Energiewende - und arbeitet damit Hand in Hand mit den Republikanern in den USA.
    [Verknüpfung]
    Das Klimaschutz-Paket des demokratischen US-Präsidenten Joe Biden steht wegen einzelner fossiler Bremser in seiner eigenen Partei auf Messers Schneide. Gegen die Atomlobby konnte er sich nicht durchsetzen - dort steht allerdings zusätzlich das Interesse der USA als Atomwaffen-Nation im Hintergrund. Um schnell wenigstens diese CO2-armen Erzeugungs-Kapazitäten zu sichern, rettet Biden mit einem Sofortprogramm mit Staatsgeld unrentable Altkraftwerke - was sehr viel über die Zukunftsfähigkeit der Branche aussagt, und exponentiell steigende Unfall-Risiken mit sich bringt.
    [Verknüpfung]

    Die Klage einiger JU-Mitglieder vor dem Verfassungsgericht gegen die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke 2023 sah ich zunächst mit reichlich Belustigung, vor allem die Begründung wegen der zusätzlichen CO2-Emissionen. Falls das Verfassungsgericht das bestätigt - wie soll die Regierung denn bitte Abhilfe schaffen? Die Betreiber werden dafür bereits fürstlich entschädigt - soll die nachwachsende Generation etwa wegen dieser marginalen Mengen zusätzlichen CO2s entschädigt werden? Denn gibt es ansonsten nicht um viele Größenordnungen höhere Emissionen, die von Merkel-Regierungen verursacht worden sind, und für die sie genauso entschädigt werden müssten?
    Rheinische Post: [Verknüpfung]
    WDR: [Verknüpfung]

    In der Öffentlichkeit führen diese Bedenken der CDU jedoch zu hohen Zustimmungswerten.

    Der Youtube-Videoblogger Akkudoktor alias Dr. Andreas Schmitz klärt die kontroversen Aussagen über die Abschaltung der letzten Atomkraftwerke und die Konsequenzen zum Strompreis mit wissenschaftlicher Expertise auf. Die Im- und Exportgeschäfte mit Strom zwischen Deutschland und Frankreich halten sich die Waage, und geschehen vor allem aus Kostengründen. Insgesamt wird von Fachleuten eher eine französische Abhängigkeit von deutschem Strom gesehen, da die französischen Atomkraftwerke mittlerweile sehr unzuverlässig geworden sind. Der hohe Strompreis ist auf den Ukrainekrieg und das Strommarktdesign zurückzuführen, das lange vor der Ampelregierung beschlossen wurde. Ein Ausbau der Kernenergie ist aus Kosten- und Klimaschutzgründen vollkommen abwegig.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Im Geladen-Podcast erklären einmal Prof. Bruno Burger, ehemaliger Chef des Fraunhofer-Instituts, und Dr. Kost, ein anderes Mal Prof. Stefan Krauter von der Universität Paderborn das Thema ausführlicher. Im SWR äußert sich Prof. Volker Quaschning von der HTW Berlin. Der Behauptung vom Untergang Deutschlands durch Abschalten der verbliebenen wenigen Atomkraftwerke widersprechen alle Experten deutlich.
    SWR: [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]

    Auch der Videoblogger Tom Bötticher beschäftigte sich in gewohnt konzentrierter Form mit dem Thema.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Die meisten dieser Punkte sind nachzulesen bei Petra Pinzler in der Zeit.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Wie in der FDP, so flammt auch in Merz' CDU im Herbst 2022 wieder einmal die Hoffnung auf baldige Verfügbarkeit von Fusionsreaktoren auf - die vermeintliche Sensationsmeldung aus dem LLNL erweist sich aber bei näherem Hinsehen ganz real als winziges Fünkchen, das die Ingenieure vielleicht dem perfekten Zündmechanismus der Wasserstoffbombe näher bringt, aber bei der Konstrukton eines Fusionskraftwerk wohl eher kaum einen Beitrag leistet. Das LLNL ist eine militärische Einrichtung und zündet mit Laser, Fusionskraftwerke zünden mit Hitze aus Magnetfeldern.

    Die Betreiber des neuen englischen AKW Hinkley Point C haben sich 2013 für 35 Jahre eine höhere Einspeisevergütung inklusive Inflationsausgleich vertraglich zusichern lassen (musste noch von der EU bestätigt werden, das geschah 2014), als 2021 in Deutschland für PV-Strom gezahlt wird.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Dabei sind die maximalen Entsorgungskosten auch schon vereinbart: was 2138 über 7,2 Milliarden GBP hinausgeht, übernimmt blanko der Steuerzahler. Fachleute halten hohe Mehrkosten für sehr wahrscheinlich.
    [Verknüpfung]

    Auch eine Haftpflicht-Versicherung, die selbst Gemeinden für den Schulweg der Kinder und Arbeitgeber für den Weg zur Arbeit abschließen müssen, brauchen Atomkraftwerke weltweit nicht. Seit 1957 gibt es in mehreren Ländern mit den "Atompools" Konstruktionen einer Rückversicherung, die aber im deutschen Fall nur bis 2,5 Milliarden Euro haften.
    [Wikipedia 2022 - Atompool]
    [Wikipedia 2022 - Deutsche Kernreaktor-Versicherungsgemeinschaft]
    Was darüber hinaus geht, muss der Betreiber zahlen - was sehr wahrscheinlich nicht geschieht, weil er darüber zahlungsunfähig ("bankrott") gehen wird. Die Sachschäden der Havarien von Tschernobyl und Fukushima werden auf ein Vielfaches geschätzt; die Wirtschaftsredaktion der Tagesschau gibt (leider ohne Quellenangabe) das Hundertfache an.
    [Wikipedia 2022 - Atompool]

    Insgesamt werden in Großbritannien schneller alte Atomkraft-Kapazitäten abgebaut als neue aufgebaut. Mit dem Bau von Block C war man in Hinkley Point nicht einmal in der Lage, die Stilllegung von Block B auszugleichen. Geplante Neubauten in Wales und Nordwest-England wurden bereits von den japanischen Betreiberfirmen abgesagt.
    [Verknüpfung]
    Das ist kein Einzelfall; parallel spielt sich das gleiche Drama in Frankreich ab. Flamanville, Block 3. Baubeginn war 2007.

    Prognosen ursprünglich voraussichtlich
    Inbetriebnahme 2012 (Stand 2007) 2024 (Stand 2021)
    Kosten 3.300.000.000€ (Stand 2007) 19.100.000.000€ (Stand 2021)

    [Wikipedia 2020 - Kernkraftwerk Flamanville - Neubau Block 3]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Olkiluoto (Finnland), Block 3. Baubeginn war 2005.

    Prognosen ursprünglich voraussichtlich
    Inbetriebnahme 2011 (Stand 2006) 2022 (Stand 2021)
    Kosten 3.000.000.000€ (Stand 2005) 11.000.000.000€ (Stand 2021)

    [Wikipedia 2020 - Kernkraftwerk Olkiluoto - Bauzeit und Kosten] [Verknüpfung]

    Die bisherigen Mehrkosten von 8 Milliarden Euro in Finnland trägt der französische Steuerzahler, denn der geplante Preis war als Fixpreis vereinbart und die Baugesellschaft Areva gehört dem französischen Staat.

    Wie die Betreiber von Hinkley Point C in Großbritannien, so hat auch bei uns die Atomwirtschaft sich beim Staat für 23,34 Milliarden € ein "Rundum-Sorglos-Paket" besorgt, allerdings für alle bestehenden und zukünftigen Abfälle. Falls die Entsorgung teurer wird als erwartet, zahlt die Solidargemeinschaft, und nicht die Profiteure an den Einnahmen des Stromverkaufs.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Das Geld sollte bis 2022 eingezahlt sein, war es dann schon 2017. Ob das Geld überhaupt noch etwas wert ist, wenn es an die Entsorgung geht - für diese Spekulation muss der Bürger herhalten. Man rechnet bis 2100 mit 700% Zuwachs. Bis 2019 sah die Bilanz laut DLF negativ, laut Die Welt positiv aus.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Und das liegt nicht nur an der Bürokratie in Europa. Auch in den USA, dem land of the free, sind neue Kernkraft-Projekte langwieriger und teurer als geplant. Die ersten neuen US-Reaktoren seit Jahrzehnten bei Waynesboro in Georgia sind 2023 17 Milliarden teurer und 7 Jahre aus dem Zeitplan.
    fortune: [Verknüpfung]

    International - besonders in demokratisch verfassten Ländern - ist kein neuer Boom der Kernenergie absehbar, mit Ausnahme von Atomwaffen-Mächten, und auch da ist teilweise insgesamt trotz Neubau ein Niedergang zu verzeichnen.
    [Verknüpfung]
    In Deutschland kommt zwar Euphorie auf, wenn der liberale französische Präsident Macron von einer Renaissance der Atomkraft spricht, was jedoch nur Ersatz der ältesten Atomkraftwerke seines Landes bedeutet. Interne Studien ergaben allerdings, dass vor 2040 nicht die Reaktoren ersetzt werden können, die bis 2035 abgeschaltet werden müssten.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Nach der Katastrophe von Fukushima hat auch Japan seine Atomkraft-Politik geändert. In der Liste der Reaktoren findet man bei Wikipedia keine Neubauten, sondern nur Abschalttermine.
    [Wikipedia 2022 - Liste der Kernkraftwerke - Japan]
    Entsprechend werden neue Kraftwerke nur noch von Staaten finanziert, nicht mehr von der Privatwirtschaft. Anstatt eines angekündigten Booms verzeichnet die Atomindustrie einen drastischen Rückgang, von 17% Erzeugungsanteil 1996 auf 10% 2020.
    [Verknüpfung]

    Eine Neubewertung des Weiterbetriebs laufender bzw. 2021 und 2023 stillgelegter Reaktoren ergibt sich in Deutschland auf Grund der Energiekrise im Ukrainekrieg. Im Sommer 2022 ergab ein Stresstest, dass eine Abschaltung unkritisch für die Versorgungssicherheit ist, und auch die Praxis bestätigt diese Ergebnisse.
    BMWK: [Verknüpfung]
    In Deutschland sprach sich die Energiewissenschaft praktisch geschlossen gegen eine Renaissance der Atomkraft aus. Auch die deutschen Energiekonzerne wollen trotz des staatlichen Entsorgungs-Freibriefs keine Renaissance der Atomkraft.
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    Befördert von einer Initiative des IT-Milliardärs Bill Gates werden jetzt Reaktoren der Generation IV als Lösung des Energieproblems propagiert, sogenannte sogenannte Mini-Reaktoren oder small nuclear reactors SMR. Die Baukosten und Bauzeiten würden sich durch Serienfertigung der Kraftwerke deutlich reduzieren, was auch realistisch ist. Fachleute, u.a. Berater der Bundesregierung, sagen jedoch: sie sind zu ineffizient und in der Masse dennoch zu teuer, v.a. aber kommen sie viel zu spät für ein zukunftstaugliches Klimaneutralitäts-Ziel.
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    Zitat aus einem Report des Generation IV International forum: "The time perspective is a readiness for commercial fleet deployment by around 2045 (for the first systems)".
    [Verknüpfung]
    In puncto Wirkungsgrad sind kleinere Anlagen auf jeden Fall größeren unterlegen, weshalb sich in der Wachstumsphase der Kernkraft eine ideale Größe von etwa 1GW etabliert hat: größer ist zu schwer zu handhaben, kleiner ist zu ineffizient. Deshalb rechnet man bei SMR mit einem deutlich höheren Brennstoffbedarf und entsprechend höherer Produktion radioaktiven Abfalls pro erzeugter kWh.
    [Verknüpfung]

    In der CDU finden sich dennoch schnell Befürworter, z.B. die CDU-Regionalgrößen Michael Baldauf (Rheinland-Pfalz) und Christoph Ploß (Hamburg). Im hessischen Wahlkampf punktet Boris Rhein mit der Forderung nach einer Renaissance der Atomkraft.
    SZ: [Verknüpfung]
    Handelsblatt: [Verknüpfung]

    Filmtip: ZDF Frontal 21 vom 16.04.2024: Comeback der Atomkraft?
    ZDF Mediathek: [Verknüpfung]


    Filmtip: Bill Gates nuklearer Traum: Wird er Realität? ZDF Nachrichten 15.04.2024.
    ZDF bei Youtube: [Verknüpfung]

    Der globale Park an Atomkraftwerken umfasst 2022 gut 400 Reaktoren. Wegen der Kosten und der günstigen Erneuerbaren gibt es auch mehr Abbau als Zubau von Kraftwerken. Die OECD rechnet mit einer Reichweite der wirtschaftlich abbaubaren Uran-Vorräte von 20 Jahren, die restlichen Reserven reichen 130 Jahre, sind aber nur mit höherem Aufwand zu gewinnen. Diese Daten liegen im selben Bereich wie die des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags aus 2006.
    Welt: [Verknüpfung]
    Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages: [Verknüpfung]
    Je günstiger man hierbei zu sein versucht, desto höher sind wieder die Umweltbelastungen, die schon bei konventioneller Förderung enorm sind.
    Zusammen schaffen diese 400 Bestands-Kraftwerke mit etwa 400GW etwa ein Zehntel des globalen Strombedarfs. Bei 100% Atomstrom würden die Reserven 13 Jahre reichen, die Vorräte 2 [sic!].
    Die geplanten Minireaktoren benötigen meist ebenfalls konventionelle Brennstoffe - zumindest die mit herkömmlichem Konzept. Diese würden durch ihren schlechteren Wirkungsgrad die Ressource Uran nochmals schneller erschöpfen.

    Einziger mittelfristiger Ausweg aus dem Nuklear-Brennstoffmangel sind Brut-Reaktoren, die den Brennstoff besser ausnutzen, und die Abfallmenge reduzieren. Diese ließen sich aber im großen Maßstab bisher nicht wirtschaftlich betreiben, weil der Sicherheits- und Wartungsaufwand durch die hohe Materialbeanspruchung zu hoch ist. Der Hauptkühlkreislauf enthält flüssiges Natrium oder gar Kalium. Die heftige Knallgasproduktion bei Kontakt dieser Metalle mit Wasser wird jedem Schüler der Sekundarstufe I in Chemie erklärt.
    [Wikipedia 2023 - Brutreaktor]

    Eine vielversprechende Weiterentwicklung des Schnellen Brüter ist der Transmutations-Reaktor, denn mit seiner Hilfe lässt sich sogar Atommüll weiterverwerten und reduzieren. Allerdings sind auch diese Reaktoren technisch extrem anspruchsvoll. Natürlich greift man unter Fossilökonomisten dennoch begeistert auch nach diesem Strohhalm.
    Der Mythos Transmutation wurde jedoch 2021 in einer Studie des Instituts für Sicherheits- und Risikowissenschaften an der Universität dür Bodenkunde Wien im Auftrag des (deutschen) Bundesamts für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung gründlich entzaubert: eine Reduktion von 150t hochradioaktiver Transurane auf 30t würde einen 300 Jahre andauernden Betrieb einer kerntechnischen Anlage erfordern und die Menge schwach- und mittelradioaktiver Abfälle noch vergrößern. 40% der Abfälle sind dafür ungeeignet, da sie bereits verglast sind.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Zitat des Bundesamts für die Sicherheit nuklearer Entsorgung BASE:

    "Ist Transmutation in der Praxis umsetzbar?
    Bislang existiert keine industriereife Transmutations-Anlage. Bis dahin könnten - so das vom BASE in Auftrag gegebene Gutachten - noch viele Jahrzehnte vergehen. Die Forschungs- und Entwicklungsarbeit wäre mit hohen Kosten verbunden."
    BASE: [Verknüpfung]
    Gutachten für das BASE: [BASE 2021]
    Pdf-Datei: [Verknüpfung]

    Die neuen Kernspaltungs-Techniken wie Transmutations-, Thorium- oder SMR-Reaktoren sind also noch lange nicht bis zur Großtechnik ausentwickelt - d.h. sie sind noch sehr teuer, und keiner weiß, ob und wenn ja, wann sie wirtschaftlich zu betreiben sein werden. Geschweige denn, ob nicht am Ende doch wieder Kompromisse bei Betriebssicherheit und Entsorgung zugunsten der Profite gemacht werden.


    [Verknüpfung]

    Alle großen Transmutations- und Brutreaktoren sind bisher in Deutschland, Frankreich und Japan gescheitert; nur in Russland laufen noch zwei. Die Katastrophen von Majak und Tschernobyl lassen erahnen, wie die Sicherheitsstandards in einem Land sind, in denen Menschenleben nichts zählen.
    [Wikipedia 2023 - BN-Reaktor] Der Schnelle Brüter in Kalkar am Niederrhein mit 300MW Leistung wurde 1985 fertiggestellt, aber wegen Sicherheitsbedenken nicht in Betrieb genommen.
    [Wikipedia 2023 - Kernkraftwerk Kalkar]
    Der natriumgekühlte schnelle Brüter Monju in Japan wurde nach 250 Tagen Betrieb 2010 wegen zweier Unfälle wieder geschlossen, noch vor der Reaktor-Katastrophe von Fukushima. Beide Male brannte Natrium.
    In Frankreich wurde 2010 der Bau des 600MW-Brutreaktors der vierten Generation Advanced Sodium Technological Reactor for Industrial Demonstration ASTRID in Marcoule geplant, wo auch die äußerst störanfälligen Schnellen Brüter Phénix und Superphénix abwechselnd in Betrieb waren. ASTRID sollte für Atommüllentsorgung per Transmutation eingesetzt werden, und der Bau wurde international unterstützt. Die Ankündigungen der Cogema-Vorstandsvorsitzenden "Atomic" Anne Lauvergeon klangen nach einem Wunderreaktor, der Atommüll einfach "verschwinden" lassen könne. Lauvergeon zählte damals laut Forbes zu den 100 mächtigsten Frauen der Welt, Nr.3 in Europa.
    Die WDR-Wissenschaftsreihe Quarks & Co. erklärt die vielen Einschränkungen, die derzeit die Transmutation uninteressant machen: das Verfahren ist längst nicht ausgereift, und es entsteht zwar weniger, aber stärker strahlender Abfall, und ein großer Teil des Atommülls ist dafür ungeeignet.
    WDR Quarks & Co.: [Verknüpfung]
    FR im web archive: [Verknüpfung]
    FR im web archive: [Wikipedia 2023 - Anne Lauvergeon]
    Im selben Jahr wurde wie Monju in Japan auch Phénix stillgelegt, der neuere Superphénix war bereits Jahre zuvor stillgelegt worden. Im September 2019 - Lauvergeon war in diverse Untreue- und Korruptionsskandale verstrickt - hat die französische Nuklearbehörde CEA auch das 900 Millionen Euro teure Transmutations-Projekt ASTRID aufgegeben, und mit ihm die gesamte Entwicklung von Reaktoren der vierten Generation.
    [Wikipedia 2023 - ASTRID (Reaktor)]
    [Wikipedia 2023 - Kernkraftwerk Phénix]
    [Wikipedia 2023 - Kernkraftwerk Creys-Malville]
    Le Monde: [Verknüpfung]
    Die einzigen großen verbliebenen Transmutations-Projekte sind die Neutronenbeschleuniger Japan Proton Accelerator Research Complex J-Parc in Japan und Multi-purpose hybrid Research Reactor for High-tech Applications MYRRHA in Belgien (Start geplant 2030). Die Anlagen umfassen zunächst nur die Neutronenquellen, also noch keinen Reaktor.
    [Wikipedia 2023 - MYRRHA]
    [Wikipedia 2023 - J-Parc]
    Der Hoffnungsträger NuScale, dessen SMR noch 2022 vom Magazin Time auf der Liste der "besten Erfindungen des Jahres 2022" stand, legt bereits 2023 die SMR-Entwicklungssparte still. Ab jetzt entwickelt man dort nur noch Lösungen für Windenergie, Solarkraftwerke und Batterien.
    WiWo: [Verknüpfung]

    Neben dem Atommüll ist die weitere Verbreitung waffenfähigen Urans, auch bei den konventionellen SMR, natürlich ein weiterer Punkt, der gegen eine Weiternutzung der Atomkraft spricht.

    Alte Reaktoren zu teuer, neue noch nicht ausgereift - fragt sich, warum liberale und konservative Politiker die Atomkraft trotzdem immer wieder neu in die Diskussion einbringen. Auch in sozialen Medien wird ein geradezu unheimlicher Atom-Hype betrieben, vor allem werden jetzt neue Techniken als Heilsbringer im Klimaschutz gefeiert. Der Artikel des kalifornischen Pro-Atom-Klimaaktivisten Michael Shellenberg im Wirtschaftsmazin Forbes, der die Anti-Atom-Politik der NGOs als Förderung fossiler Brennstoffe kritisiert, ist ein Musterbeispiel für massives Cherry Picking.
    Forbes: [Verknüpfung]
    Auch in Chats von Klimabewegungen mischen sich immer wieder Atomkraft-Befürworter lautstark ein, und sogar auf Klima-Demos sieht man immer wieder einzelne Fahnenträger für Atomkraft - oftmals Akteure aus dem Ausland, die teilweise offensichtlich lobbyieren.
    Welt: [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]
    Guardian: [Verknüpfung]
    Zeit: [Lobenstein 2021]

    Die legendärste Zukunftshoffnung der Fossilökonomisten ist die seit den 50er Jahren angekündigte Fusionstechnik. Legendär auch, weil sie noch weitere Jahrzehnte auf sich warten lässt, in denen man dem Bürger erzählt, dass die Welt bis da hin guten Gewissens weiter fossile Brennstoffe verfeuern und CO2 produzieren kann.
    Die erfolgreiche Zündung mit Laser im Lawrence Livermore National Laboratory LLNL, einem Forschungszentrum für Wasserstoffbomben, löst bei ihnen im Dezember 2022 eine irrationale Euphorie aus. Bundesbildungs- und Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger FDP verspricht im heute-journal des ZDF am 13.12.2022 laufende Fusionsreaktoren in Deutschland binnen eines Jahrzehnts - obwohl ihr Berater Constantin Häfner die ersten kontinuierlich arbeitenden Versuchsreaktoren frühestens für 2045 vorhersagt, beim Kraftwerk ist man damit noch lange nicht.
    [Verknüpfung]


    Als US-Wissenschaftler von Fortschritten in der Fusionsforschung berichteten, prophezeite Stark-Watzinger, das erste deutsche Kernfusionskraftwerk werde in zehn Jahren ans Netz gehen. Experten fragten sich, ob Stark-Watzinger versehentlich eine Null vergessen habe.
    Martin Spiewak
    Zeit: [Verknüpfung]

    Ihr Parteifreund, der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr, ist davon überzeugt, dass der entscheidende Hebel für die Entwicklung des Fusionsreaktors der Bürokratieabbau sei.
    [Verknüpfung]

    Tatsächlich ist es zunächst die reine Physik, die ein Kraftwerk in unbekannte Ferne rückt. Im LLNL wurde lediglich eine senfkorngroße Portion von Deuterium und Tritium (erbrütet aus Lithium) einmalig gezündet mit 192 Hochleistungslasern. Dabei wurde zwar mehr Energie direkt aus dem Plasma freigesetzt als die Laser direkt in das Plasma einstrahlen mussten (QPlasma ist etwas größer als 1); doch diese wurden mit der 200fachen elektrischen Energie angetrieben (Qtotal ist viel kleiner als 1).
    Der vermeintliche Durchbruch nutzt höchstens bei der Zündung von Bomben, aber nicht in aktuellen Versuchsreaktoren. Die Medien versagen wie vor 20 Jahren bei den Klimaskeptikern darin, in Interviews der Propaganda mit der Wahrheit zu begegnen.
    [Wikipedia 2023 - Produktion aus Lithium]
    Die Leiterin des erfolgreichen Forschungszentrums LLNL Kimberly Budil sagt in der Präsentation der Ergebnisse, man sei von einer möglichen großtechnischen Umsetzung noch "several decades", also einige Jahrzehnte, entfernt.
    [Wikipedia 2023 - Kimberly S. Budil]
    Statement der Institusleiterin Kimberly Budil: [Verknüpfung]
    Die Quantenphysikerin Sabine Hossenfelder über Qtotal vs QPlasma bei Youtube: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Der Youtube-Kanal von Financial Times stellt die internationalen Teams vor, die an einem Reaktor arbeiten. Die Mitarbeiter am international durch Staaten finanzierten Großprojekt ITER sehen die langsamen Fortschritte recht nüchtern. Es gibt daneben aber zahlreiche private Projekte, die erstaunliche Mengen an Investorgeldern einsammeln konnten und naürlich entsprechend euphorisch von ihren Zukunftsaussichten berichten. Alles in allem erscheint mir das Ganze als eine ziemlich unsichere Spekulation, also eine ungewisse Wette auf die Zukunft, die sich nur Investoren leisten können, die Spielgeld einzusetzen bereit sind und/ oder eine philantropische Mission empfinden, Innovation zum "Segen der Menschheit" voran zu bringen. Bill Gates ist (wieder einmal) der bekannteste Investor.
    FT bei Youtube: [Verknüpfung]

    Die Reihe Kurzgesagt vom öffentlich-rechtlichen Youtube-Kanal Funk spricht von einer "Milliarden-Wette". Was ist, wenn wir nur darauf setzen, also keine Solarzellen und Windräder bauen, und dann die Wette verlieren?
    [Verknüpfung]

    Anders als im gefeierten Laser-Experiment des LLNL zündet man in den heutigen, und auch in den für die nächsten Jahrzehnte geplanten Versuchreaktoren, durch hohe Temperaturen mittels gigantischer Magnetfelder. Zum aktuellen Stand der Reaktor-Forschung ein Interview von Prof. Harald Lesch mit seinem Physikerkollegen Hartmut Zohm vom Max-Planck-Institut für Plasmaforschung in Garching.


    [Verknüpfung]

    Aus dem Interview:
    Iter ist ein internationales Projekt zum Bau eines Experimental-Reaktors, bei dem erstmals mehr Energie frei werden soll als zum Zünden des Plasmas aufgewendet wird. Projektstart 2007, Baubeginn 2009, geplanter Start 2035.
    Das Iter-Experiment soll die Selbstheizung des Plasmas durch Alpha-Teilchen erforschen - einen Effekt, der bisher noch nicht ausreichend erforscht ist, um größere Anlagen zu planen (8'29'').
    Das Kachelmaterial für den 24/7-Betrieb in einem späteren Großreaktor muss noch entwickelt werden (3'50'').
    China baut parallel zu Iter einen ähnlichen, eigenen Experimental-Reaktor, der dann auch einen Demo-Betrieb ermöglichen soll (6'35''). Von einem Regelkraftwerk ist auch da nicht die Rede.
    Angenommen, das Iter-Experiment würde 2035 fertig und könnte auf Anhieb verwertbare Ergebnisse liefern (was allein schon wenig wahrscheinlich ist): Wenn man nun bedenkt, dass Planung und Bau eines konventionellen AKW etliche Jahre dauert, und dass ein Fusionsreaktor um ein Vielfaches komplexer ist - wann sollen die Reaktoren denn fertig sein? Die Wahrscheinlichkeit, dass es vor 2050 passiert, wage ich mit Null vorauszusagen. Nach den (konservativen) IPCC-Szenarien müssten wir jedoch bis dahin unsere CO2-Emissionen bis auf Null gesenkt haben - und diese Szenarien gehen von einer kontinuierlichen Abnahme der Emissionen aus, nicht von ungebremsten Emissionen bis zum abrupten Umstieg, aus. D.h. um das CO2-Budget einzuhalten, müssten wir (ohne Umstieg auf Erneuerbare) noch viel früher auf die Fusionstechnik umsteigen.
    Ein sehr ambitioniertes Projekt will den kleinen Iter-ähnlichen Forschungs-Reaktor Sparc mit supraleitenden Spulen bauen, Beginn 2021. Ob er wirklich wie geplant 2025 in Betrieb gehen kann, bleibt abzuwarten. Auch, ob und wenn ja, wann das Konzept sich für Kraftwerke einsetzen lässt: Sparcs Plasma soll die Fusion nach der Planung für 10s unterhalten. Klar ist, dass ein Masseneinsatz bis 2030 äußerst unwahrscheinlich und bis 2040 sehr unsicher ist.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Ab dem ungewissen Moment, wo die Kraftwerkstechnik verfügbar sein wird, dauert es nochmals Jahrzehnte bis zur Vollversorgung. N. J. Lopes Cardozo von der Eindhoven University of Technology rechnet 2019 vor, dass man in 20 Jahren ein Drittel der Stromproduktion auf Fusionskraftwerke umstellen könnte, wenn man pro Jahr 250 Kraftwerke baut. Zur Zeit schafft man 10 Atomkraftwerke pro Jahr.
    Der Standard: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]


    Fehler sind sehr nützlich. Aber nur, wenn man sie schnell findet.
    John Maynard Keynes

    Allein wenn die rechtspopulistische Zeitung BILD die Fusionstechnik als Zukunftshoffnung ohne jede Kritik propagiert, dann sollte das den aufgeklärten Beobachter schon stutzig machen. Ich habe zwar mir den Film nicht komplett angetan. Doch exemplarisch sind schon die abschließenden Statements der Forscher. Sie atmen die Religion eines verlorenen Anthropozentrismus aus dem Atomzeitalter, der jetzt in der plötzlichen Verzweiflung über die drohende Klimakatastrophe wieder aufkommt. Das ist dankbares Material für die Förderung von Medienkompetenz in der Schule: "so nicht".
    [Verknüpfung]





    Fazit: Es sind oft dieselben Leute, die zukünftige Innovation als Lösung anpreisen und in einem Atemzug sagen, die Alternativen der Klimaschützer (Bio-Landwirtschaft, Radwege, ÖPNV, Elektroautos und erneuerbare Energien aus Wind, Sonne und Wasserkraft mit Akku- und P2X-Speichern) seien unwirtschaftlich und "innovationsfeindlich".
    Fossilökonomisten akzeptieren nur diejenigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die Fossil- (und meist auch Atom-) Wirtschaft begründen - nach libertärem Vokabular sound science. Alles andere ist für sie per definitionem unwissenschaftlich, junk science.
    Sie verwechseln Wissenschaft mit Machbarkeitsvorstellungen des Atomzeitalters und erklären alles, was diesen Vorstellungen widerspricht, als unwissenschaftlich, mitunter auch als ideologisch oder gar quasireligiös.
    Sie verstehen nicht, dass Klimamodellen, Ökosystemmodellen, Solarzellen, Windrädern, Akkus und Smart Meter sehr anspruchsvolle Prinzipien derselben Wissenschaften zugrunde liegen wie selbstfahrenden Autos, Brennstoffzellen, Atombomben und Fusionskraftwerken. Stattdessen tun sie so, als katapultiere uns die Klimawende in die Steinzeit.
    [Vitzthum 2019]
    [Verknüpfung]
    Besonders Christian Lindner traf einen Nerv, als er der Protestbewegung Fridays for Future mangelnde Professionalität vorwarf - aber anders, als er sich ausgerechnet hatte.
    Wer sich bezüglich der klimapolitischen Handlungsoptionen jenseits von Vorurteilen, Gerüchten und Mutmaßungen über den tatsächlichen Stand der Wissenschaft informieren will, kann dies mit dem Simulationstool En-ROADS des MIT tun, das seit Dezember 2019 online für jeden verfügbar ist.
    [Sterman 2019]




    Inhalt

    Der anthropogene Klimawandel hat unbestreitbar in die Klimakrise geführt, und sich dramatisch beschleunigt.

    2015 gehen die Staaten der Weltgemeinschaft im Paris-Abkommen eine moralische Verpflichtung zu wirksamem Klimaschutz ein, erstmalig mit einer klaren Zielsetzung.
    Anstatt die Wissenschaft zum Primat der Politik zu machen, beginnen neue, fruchtlose Verteilungskämpfe um Prozente und Promille - von Kosten und Profiten.

    2018: Nach drei Jahren der Verweigerung von Konsequenzen aus dem Pariser Abkommen beginnt die 15-jährige Greta Thunberg einen wöchentlichen Schulstreik und kurz darauf steht die Welt Kopf.

    Die Politik muss sich scheinbar erst einmal sortieren.

    Angela Merkel steht möglicherweise unter dem Druck der Konservativen, als sie zuerst versucht, die Proteste mit Argumenten zu unterdrücken: dieser sei unberechtigt, weil er keine Lösungen biete. Diese Strategie trifft auf heftige Proteste: Erwachsene unterstützen die Kinder, weil man von diesen keine Lösungen erwarten dürfe - das sei Aufgabe der Politik.
    [Verknüpfung]
    Der Verweis der Kinder auf die Wissenschaft wird bestätigt von 23.000 deutschsprachigen Akademiker:innen, die innerhalb weniger Wochen die Unterstützungsadresse der Scientists for Future unterschrieben haben.
    Merkel versteht die Welt nicht mehr. In einem Beitrag des Senders Phoenix zur Münchener-Sicherheitskonferenz 2019 versucht sie es schließlich mit einer Verschwörungstheorie: "Diese hybride Kriegsführung im Internet ist sehr schwer zu erkennen, weil sie plötzlich Bewegungen haben, von denen sie gedacht haben, dass die nie auftreten – die immer ansetzen an einem Manko. In Deutschland protestieren jetzt die Kinder für Klimaschutz. Das ist ein wirklich wichtiges Anliegen. Aber dass plötzlich alle deutschen Kinder – nach Jahren ohne sozusagen jeden äußeren Einfluss – auf die Idee kommen, dass man diesen Protest machen muss, das kann man sich auch nicht vorstellen."
    [Verknüpfung]

    Tage später spürt sie wohl, dass sie damit eine allzu unpopuläre Meinung vertritt.
    Jedenfalls rudert sie in ihrem Video-Podcast vom 02.03.2019 komplett zurück. In ihrem letzten Interview als Bundeskanzlerin im November 2021 wird sie sogar die Jugend zu Protesten auffordern.

    [Verknüpfung]

    Man versucht zuerst, die Bewegung zu unterdrücken, lächerlich zu machen, die Rede ist von "Schulschwänzern", "Infantilisierung der Politik", mangelnder Sachkenntnis. FDP-Chef Christian Lindner versuchte, eine Welle der fossilen Reaktion zu provozieren.


    Von Kindern und Jugendlichen kann man nicht erwarten, dass sie bereits alle globalen Zusammenhänge, das technisch Sinnvolle und das ökonomisch Machbare sehen. Das ist eine Sache für Profis.
    Christian Lindner

    Aber die Beharrungskräfte der Fossilgesellschaft schwinden je nach Stimmungslage schnell, wohl auch schneller als Lindner dachte: die Erkenntnis, dass es so nicht ewig weitergeht und dass es für die Menschheit Zeit für den Wandel ist, griff damals um sich wie ein Lauffeuer.
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]
    Lindners Zitat wurde kurze Zeit später, als die Scientists for Future in Rekordzeit ihre 23.000 akademischen Unterstützer präsentieren konnten, in den Medien oft als ein entscheidender Stein des Anstoßes dargestellt.

    Nach gut einem Jahrzehnt von Orkanen, Dürresommern, Überschwemmungen, Temperaturrekorden, riesigen Wald- und sogar Moorbränden, Missernten, Migrationskonflikten, Pipelinekonflikten, Ölpestereignissen, Insektensterben, Plastikmüllfluten, etc., etc., etc., aber auch massiver Finanzkrisen, ist der Leidensdruck weiter gestiegen.
    Wer sich bezüglich unserer Handlungsoptionen über den Stand der Wissenschaft informieren will, kann dies mit dem Simulationstool En-ROADS des MIT tun, das seit Dezember 2019 online für jeden verfügbar ist. Mit ein paar Mausklicks kann man schnell erkennen, dass die Vorhaben der Fossilökonomisten für wirksamen Klimaschutz untauglich sind.
    [Sterman 2019]
    Viele warten auf den Startschuss für Klimaschutz. Kapital und Wirtschaft erwarten die Setzung entsprechender klarer Rahmenbedingungen, um rechtzeitig vor der Disruption oder gar dem Platzen der Kohlenstoff-Blase aussteigen zu können. Auch die Jugendlichen braucht eine Perspektive, nicht nur ökologisch, sondern auch beruflich. Die überwiegende Mehrheit von ihnen ist mittlerweile über die Zukunft sehr besorgt, und immer mehr praktizieren klimafreundliche Alternativen. Mit ihrem zivilen Ungehorsam bei Fridays for Future, Extinction Rebellion, Last Generation etc. bringt eine neue politisch aktive Gruppe jetzt ihre berechtigte Forderung nach Zukunft so lautstark zum Ausdruck, dass sich in der Perspektive der Elterngeneration ganz neue Horizonte auftun. Auch wenn sie die politische Reaktion provoziert, und diese auch im Kleinreden besteht, ist ihre politische Bedeutung nicht zu unterschätzen.
    2020 wertet eine Studie des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung PIK die Forschungen über sozio-ökonomische Kipppunkte aus. Das Team der Soziologin Ilona Otto macht sechs kritische Interventionen aus: "die Abschaffung von Subventionen für fossile Energien bei gleichzeitiger Förderung der dezentralen Energieerzeugung; den Umbau zu treibhausgasneutralen Städten; ein Ende von Investments in Vermögenswerten, die mit der Nutzung fossiler Energien verbunden sind; die klare Benennung der moralischen Dimensionen der fossilen Energienutzung; deutlich verbesserte Klimabildung mit entsprechendem gesellschaftlichem Engagement; sowie eine durchweg transparente Offenlegung von Treibhausgasemissionen".
    Mittlerweile gerät auch die moralische Dimension, die bisher meist noch gemieden wurde, in den Fokus. Deshalb sind nun auch besonders die Schulen gefragt, die über die Kinder die transformatorische Normensetzung in die Familien transportieren.


    Das Bewusstsein für die globale Erwärmung ist hoch, aber die gesellschaftlichen Normen zur grundlegenden Veränderung des Verhaltens sind es nicht. Diese Diskrepanz kann die Wissenschaft alleine nicht beheben.
    Johan Rockström
    Pressemitteilung des PIK: [Verknüpfung]
    Studie: [Otto 2020]

    Welche Effekte in diesem Prozess die Energiekrise im Ukraine-Krieg auslöst, ist wohl die alles entscheidende Frage. Bedenkt man die bisherigen Effekte fossiler Propaganda und die Erfolge des Populismus, dann kippt im schlimmsten Fall das sozio-ökonomische System zurück in die Zeiten des extraktivistischen Imperialismus, nur zusätzlich befeuert durch nie gekannte technische Möglichkeiten und riesige Arsenale von Atomwaffen in den Händen wahnsinniger und rücksichtsloser Diktatoren.







    Weil der Staat sich zunehmend über Abgaben auf Lohnzahlungen und immer weniger aus Kapitaleinkünften finanziert, ist Arbeit "zu teuer" geworden. Sie beschränkt sich bei uns auf die Aufgaben, die sich nicht irgendwie durch (computergesteuerte) Maschinen oder Computer erledigen lassen.
    Arbeitsplätze sind deshalb heute sehr von fossilem Energieeinsatz abhängig. Weil Ressourcenverbrauch nicht künstlich um die später anfallenden externen Kosten verteuert wird, ist Fossil-Energieverbrauch immer noch profitabel. Dazu wird er jedoch oft noch zusätzlich mit gigantischen Summen subventioniert.
    Einkünfte aus Kapitaleinsatz dagegen sind so wenig belastet, dass das Kapital sich immer schneller konzentriert.

    Die Devise "kaputt - neu" wäre vor 50 Jahren noch ein Unding gewesen - heute wird sie als Wachstums- und Innovationstreiber bedenkenlos beschworen.

    Fossilökonomisten nennen 35.000 Arbeitsplätze, die beim sofortigen Abschalten der Kohlekraft in Deutschland wegfallen würden. Dabei werden es voraussichtlich selbst bei einem (wie von einigen Umweltverbänden empfohlenen) vorgezogenen Ausstieg 2030 nur noch 5000 sein.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Allein im Energiesektor hat die Nachhaltigkeitswende bis 2016 350.000 Arbeitsplätze geschaffen, wobei von 2011 an in der PV 100.000 verloren gegangen sind.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Der Ausbau der (marktreifen) Energie-Speichertechnik hat dabei noch gar nicht angefangen - die Technik ist reif für die Großserie.

    Die bisherige Ausführung und Planung für Erzeugung und Speicherung erneuerbarer Energie sind dezentral - die Beschäftigungs-Potentiale dürfte man vorsichtig als sehr groß bezeichnen.

    Der Ausbau der Windkraft ist in 2019 zum Stillstand gekommen, zigtausende Arbeitsplätze sind seitdem verloren gegangen. Die Nachwirkungen der Merkelschen Energiekehrtwende reichen bis weit in die Zeit der Ampelkoalition: im Sommer 2022 schließen die letzten großen Windanlagen-Hersteller ihre deutsche Produktion.

    Die übrigen Sektoren (Ernährung (Extensivierung, Bio-Anbau, Eigenversorgung, Permakultur), Transport (ÖPNV, individuelle Mobilitätsdienstleistungen), Wärmesektor (energetische Sanierung, Power-to-heat, Wärmenetze)) und Kreislaufwirtschaft bergen ebenfalls ein gewaltiges Arbeitsplatz-Potential: die Wertschöpfung erfolgt viel stärker lokal, die Gewinne wandern nicht mehr in dem früheren Maße auf die Konten von Riesenkonzernen, die im großen Maßstab Steuern vermeiden.

    Für externe Kosten (auch Klimaschäden) kommen Andere auf - weshalb Ressourcenverbrauch bisher extrem billig war, ja er wird z.T. sogar massiv subventioniert. Das hat zur Intensivierung des Energieverbrauchs zu Lasten von Arbeitsplätzen geführt. Arbeitsintensive Prozesse gelten ökonomisch als unproduktiv, auch weil der Staat sich zum Großteil über Lohnnebenkosten finanziert. Ansätze einer ökosozialen (auch: ökologischen) Steuerreform, die Ressourcenverbrauch verteuert und mit den Einnahmen Arbeits-Nebenkosten senkt, sind von den Regierungen nie mit Eifer beworben oder gar konsequent verfolgt worden. Man spricht auch von Ökosteuer.
    Unter Rot-Grün gab es ein erstes Gesetz (dank Protagonisten um Michael Müller und Ernst Ulrich von Weizsäcker), es verwundert aber nicht, dass der damalige Kanzler Schröder noch im Jahr seiner Abwahl zu einem der größten Gasförderer der Welt wechselte. Die folgenden CDU-geführten Regierungen unter Ex-Umweltministerin Merkel entschärften die Regelungen wieder.
    [Wikipedia 2019 - Ökosteuer (Deutschland)]
    [Siebert 2019]

    Die deutsche Politik klammert sich an 800.000 Arbeitsplätze in der Verbrenner-Industrie, und bezahlt für deren Fehlentscheidungen. Mit dem verniedlichenden Begriff "Schummel-Software" wird der Milliarden-Betrug verharmlost; das Elektroauto wird jahrelang nicht entwickelt, sondern schlechtgeredet. Diesel wurden nicht durch Elektroautos ersetzt, sondern durch Benziner, die noch mehr CO2 auzsstoßen. Derweil haben andere Länder dafür gesorgt, dass der Erfolg der Elektromobilität nicht mehr aufzuhalten ist, u.a. durch die Ankündigung von Verkaufsverboten.


    [Viehmann 2018]

    Wir opfern der Verbrenner-Industrie den Klimaschutz nicht nur am Auspuff; Trump verlangt für niedrige Auto-Einführzölle (im Deal mit Jean-Claude Juncker 2018) entsprechende klimaschädliche Gegenleistungen:

    • Import von Gensoja
      [Verknüpfung]
      Heimlich, still und leise beschließt die EU-Kommission im Januar 2021 für weitere 10 Jahre die Zulassung bzw. ihre Verlängerung von 8 genmanipulierten Futtermitteln - entgegen der Beschlüsse des EU-Parlaments, dem neben Beschwerden nur noch langwierige Klagen vor dem EuGH übrig bleiben
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    • Import von Fracking-LNG
    • Möglicherweise auch die Verhinderung von Steuern gegen amerikanische Internet-Konzerne? Immerhin ist Deutschland europaweit einer der Haupt-Blockierer entsprechender Gesetze, während Frankreich mit Unterstützung der EU vorangeht.
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    Das schuldgetriebene Geldsystem verursacht zwischen den Staaten eine heftige Konkurrenz um Kreditwürdigkeit bei Großinvestoren, die ihr Geld in Staatsanleihen anlegen sollen. Entsprechend stabil sind ihre Währungen. Im Umkehrzug müssen Staaten mit großem Exportüberschuss wie Deutschland darauf achten, dass ihre Staatsanleihen und Währungen für die Handelspartner nicht zu hoch bewertet sind. Um Autos, Waffen und Chemikalien exportieren zu können, importieren wir aus wichtigen Absatzmärkten massenhaft Rohstoffe und Energie.

    Wir waren bisher ein zuverlässiger Absatzmarkt für die klimazerstörende Ausbeutung der Weltressoucen durch Ölkonzerne aus den USA, Saudi-Arabien und Russland (der mit Putin befreundete Ex-Kanzler Schröder (SPD) ist Manager bei dem russischen Gaskonzern Rosneft).
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    Damit befeuern wir wieder neue Konflikte zwischen USA und Russland.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Bezeichnend für die deutsche Handelspolitik ist auch ihr Festhalten am lange verhandelten Freihandelsabkommen Mercosur. Hinter den Bestrebungen nach freiem Handel Europas mit Brasilien steckt nach einer Studie der NGO PowerShift auch und v.a. die deutsche Automobilindustrie.
    Der Bund deutscher Industrie BDI fasst die alten und intensiven Beziehungen zusammen.
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    Trotz weltweiter Proteste gegen den brasilianischen Staatschef Bolsonaro wegen der Zerstörung des Regenwalds, jetzt verweigert er der Bevölkerung Schutz vor der Corona-Pandemie und verurteilte damit Zigtausende zu Tode, v.a. Indigene und schutzlose Favela-Bewohner. Der Abbau von Zöllen fördert den Absatz deutscher (in Zukunft vielerorts verbotener) Verbrenner und (z.T. EU-weit verbotener) Agrarchemie im Gegenzug mit dem Absatz von Tierfutter und Fleisch von Regenwaldflächen. Gegen Schützer des Regenwalds und seiner indigenen Völker hat der oft als Faschist bezeichnete Staatschef Bolsonaro bereits unverhohlene Drohungen ausgesprochen und auch wahr gemacht.
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    Zeit: [Verknüpfung]
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    Dennoch ging die Bundesregierung beim Abschluss des Abkommens über Jahre von einer Einhaltung der vereinbarten Sozial- und Umweltstandards aus. Erst im September 2021 stoppte die EU das Vorhaben.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Umwelt-NGO WWF bilanziert 2021 die Jahre 2005-2017: die EU verursacht mit 16% demnach die zweithöchsten Abholzungen von Tropenwäldern, direkt nach China mit 24%. Es gibt allerdings auch dreimal soviele Chinesen wie EU-Bürger. Pro Person liegt die EU also an der Spitze - in Tradition seiner kolonialen Vergangenheit.
    [Verknüpfung]
    WWF: [Verknüpfung]
    WWF: [Verknüpfung]
    Die von Merkels Bundesregierung vorgestellte "entwaldungsfreie Lieferkette" wird beworben als Nachhaltigkeit. Es ändert aber nichts an der Tatsache, dass die Abnahme von Tierfutter aus Brasilien den Entwaldungsdruck erhöht und ein Regime stützt, das Menschenrechte massiv missachtet. Das hat meines Erachtens mit Nachhaltigkeit gar nichts zu tun.
    [Bundesregierung 2019-2]
    Auch seine Amnestie gegen illegale Landnahme bleibt von der Bundesregierung unbeachtet, obwohl deutsche Oppositionspolitiker protestieren und europäische (v.a. britische und schweizer) Großkunden mit Boykott drohen.
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    NGOs konnten durch Unterschriftenaktionen auch deutsche Supermarktketten zur Unterschrift bewegen.
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    Welchen Effekt man mit dem Schutz von Regenwald erzielen könnte, zeigen die Berechnungen des Mercator-Instituts. Man sollte den Einsatz für den Regenwald jedoch nicht als Freibrief verstehen, sagen die Autoren.
    [Verknüpfung]

    Seit 2008 gilt ein Regenwald-Moratorium, das den Regenwald schützen soll. Seitdem berichten Supermarkt-Handelsketten, wie sie den Regenwald schützen. Die Realität sieht jedoch anders aus. 2022 berichten Maria Mast und Victor Moriyama in der Zeit darüber, wie das Moratorium unterlaufen wird. Zuerst wird der Wald für Viehhaltung gerodet, was erlaubt ist, und dann wird das Weideland mit Soja bepflanzt. Das ist ebenfalls erlaubt, nur eine Anpflanzung direkt nach der Rodung ist verboten. Greenwashing Der Round Table for Responsible Soy RTRS akzeptiert Landregister, in denen die Bauern sich ohne weitere Kontrolle selbst entragen, sogar auf geschützten Urwaldflächen, die noch gar nicht gerodet sind. Wenn einmal jährlich die Kontrolleure eintreffen, sind die Indigenen, die dann ihre Ansprüche geltend machen könnten, längst gewaltsam vertrieben oder getötet worden. Von 350 Mio t werden nur 4,6 zertifiziert, das ist meist nur der kleine Teil der Ernte, aus der Lebensmittel gemacht werden, das Tierfutter in der Regel nicht. Die Soja-Importe der EU aus Brasilien sind kaum weniger geworden, obwohl die Supermarktketten behaupten, dieses Herkunftsland zunehmend meiden zu wollen. Dann werden die Bulk-Carrier eben in den Niederlanden auf kleinere Schiffe umgeladen, und schon importiert man aus den Niederlanden, wie z.B. einer der größten deutschen Fleischproduzenten Rothkötter über seinen eigenen Hafen in Haren an der Ems. Lieferketten werden verschleiert, Auskünfte verweigert.
    [Mast 2022]
    Der Vorsitzende der NGO Mighty Earth ist Henri Waxman, der als demokratischer Kongressabgeordneter schon nach der Lehman-Pleite den Ex-Notenbankchef Alan Greenspan "gegrillt" hatte. Mighty Earth benennt Cargill aus Minnesota, das auch große Teile des deutschen Markts beliefert, wegen der Regenwaldabholzung und vieler anderer ökozider und ausbeuterischer Praktiken, wie Kinderarbeit in der Schokoladenherstellung, als das "schlimmste Unternehmen der Welt". Danach kommt Louis Dreyfus aus Rotterdam. Die Kunden sind u.a. McDonald's, Burger King, Aldi, Edeka, Danone, Walmart, Nestlé, Unilever, Kellogg's, und die Supermarktkonzerne Tesco, Carrefour und Ahold Delhaize.
    Studie von Mighty Earth: [Mighty Earth 2019]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    New York Times: [Tabuchi 2017]
    Diese Unternehmen betreiben nicht nur die ökozide Extraktion weit über die planetaren Grenzen hinaus, sie sind beteiligt an der Nahrungsmittelspekulation, die ihre Gewinne nochmals vervielfacht, und hunderte Millionen, wenn nicht Milliarden Menschen verelenden lässt.

    Die NGO power-shift setzt sich für die Verhinderung des Mercosur-Abkommens ein.
    [Verknüpfung]







    IWF-Chefin Christine Lagarde fordert 2019 einen Verzicht auf Subvention fossiler Brennstoffe. 2019 gibt sie ein globales Volumen von 5,2 Billionen US-$ im Jahr 2015 an.
    In Deutschland schließt sich selbst der Rat der Wirtschaftsweisen dieser Sichtweise an; bei Wegfall von Subventionen ließen sich mit wenig Aufwand 30 Miliarden für den dringend notwendigen sozialen Ausgleich beim Klimaschutz mobilisieren, ohne den das ganze Vorhaben zu scheitern droht. Angetrieben von den fossilkonservativen Kräften, die mit unrealistischen Forderungen nach "Technologieoffenheit" einen Weiterbetrieb von PKW-Verbrennermotoren und Gas-Heizbrennern Widerstand gegen die notwendigen Maßnahmen provozieren.
    Allein bei uns rechnet das UBA 2017 mit 57 Milliarden Euro für 2012.
    Zugleich forderte Lagarde eine CO2-Steuer von 70$/t, und eine von der Weltbank koordinierte "Klimakoalition" will private Investitionen in Erneuerbare Energien und Energieeffizienz stärker fördern.
    [Verknüpfung]
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    [Verknüpfung]
    Studie des UBA zu umweltschädlichen Subventionen 2016: [Verknüpfung]

    Allein die umweltschädlichen Subventionen für den deutschen Verkehrssektor machen über 30 Milliarden pro Jahr aus.

    Infografik: 30,5 Milliarden, die der Umwelt schaden | Statista Mehr Infografiken finden Sie bei Statista

    Wir glauben, dass der Verzicht auf Subventionen für fossile Brennstoffe der richtige Weg ist.
    Christine Lagarde (Chefin des Internationalen Währungsfonds)

    Die OECD zeigt 2015 und 2018 die Lücken der CO2-Bepreisung in verschiedenen wichtigen Ländern; Maßstab sind moderate 30€/ t CO2.
    [Verknüpfung]


    [Verknüpfung]

    Dokumentation
    [Verknüpfung]

    Pressemitteilung 2018
    [Verknüpfung]

    Infoblatt 2018
    [Verknüpfung]

    2021 haben sich die Subventionen laut OECD beinahe verdoppelt; 2022 sieht es auf Grund der Energiekrise durch den Ukraine-Krieg nicht besser aus.
    Handelsblatt 2022: [Verknüpfung]
    OECD 2022: [Verknüpfung]

    Die aktuellen Zahlen erfasst der Fossil Fuel Subsidy Tracker.


    [Verknüpfung]

    Laut Marcel Fratzscher (DIW) beziffert der Internationale Währungsfonds die jährlichen deutschen Aufwändungen 2021 sogar mit 1,9% des BIP, das sind 70 Milliarden Euro.
    Zeit: [Fratzscher 2021]

    Das Umweltbundesamt bringt sporadisch die deutschen Zahlen heraus...
    [Verknüpfung]
    ... zuletzt gerade wieder für 2018. Mit 65 Milliarden ein hoher Betrag, der zu 47% auf den Verkehrs- und zu 39% auf den Energiesektor entfällt.
    [Verknüpfung]

    Die höchsten EU-Subventionen gehen traditionell an die Landwirtschaft, und das bis vor Kurzem komplett flächenbezogen, also umweltpolitisch völlig undifferenziert. Seit der GAP 2021 dienen 20% - in Deutschland immerhin 25%, der Förderung umweltschonenderer Verfahren.. Diese Politik bewirkt bei der aktuellen Gesetzeslage - d.h. Vernachlässigung externer Kosten - einen deutlichen Wettbewerbsvorteil der industriellen Landwirtschaft gegenüber der Bio-Landwirtschaft. Der gewünschte Effekt ist eine möglichst billige Produktion der Nahrungsmittel. Diese sind so billig, dass Europäer (v.a. Deutsche) einen viel höheren Anteil ihres Einkommens für technische Konsumgüter, Luxusartikel und Reisen (verbunden mit weiteren intensiven CO2-Emissionen) ausgeben.
    Das ist politisch durchaus gewollt. Industriepolitisch ergeben sich neue Möglichkeiten für Massenkonsum, also Wertschöpfung aus Eigentum an Patenten, Produktionsmitteln, Immobilien und Rohstoffen. Das ist die moderne Form des antiken panem et circenses (Brot und Spiele): carnem et circenses, Fleisch und Spiele.
    Doch auch afrikanische Kleinbauern haben keine Chance, gegen die subventionierte Billigware aus Europa zu konkurrieren, zumal ihre Regierungen sie auch nicht durch Zölle schützen kann - mit der EU haben viele afrikanische Staaten Freihandel vereinbart. Die Kleinbauern verlassen so oft freiwillig ihr Land, oft werden sie von korrupten Eliten vertrieben, die das Land Investoren zur Verfügung stellen.

    Betriebsaufgabe wegen europäischer Konkurrenz oder wegen Klimawandel - in beiden Fällen ein triftiger Migrationsgrund, der von der Politik euphemistisch als Wirtschaftsflucht bezeichnet wird.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
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    Des einen Leid, des anderen Freud. Nach Jahrzehnten einer verfehlten Subventions- und Kontingentierungspolitik ist die europäische Überproduktion von Milch derart gewaltig, dass neue Absatzmärkte sehr willkommen sind.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Die Produktion von Futterpflanzen (mit bei uns verbotenen Pestiziden) in Übersee für unser Vieh führt zu einer Gülle-Sintflut in Europa, die in einer nachhaltigen Landwirtschaft wieder zum Düngen der Anbauflächen der Futterpflanzen genutzt würde. Stattdessen ergießt sich diese Flut auf unseren Acker-und Weideflächen, was sowohl zu Emissionen von Ammoniak (Geruchsbelästigung, Feinstaubquelle und Problemstoff auf mineralsalzen Standorten) und Lachgas (Treibhausgas) als auch Auswaschung von Nitrat ins Grundwasser führt. Dessen Abbauprodukt führt im Körper zur Bildung krebserregender Nitrosamine. Selbst die europäische Androhung von Strafen bewirkt nur zaghafte Gegenmaßnahmen der Landwirtschaftsministerin.

    Wie dringend die Abschaffung des Dienstwagen-Privilegs ist, ist in Wikipedia gut ausgeführt, Zitat:

    "Insbesondere Umweltverbände kritisieren die aktuellen Regelungen zu Besteuerung von Firmenwagen als unsozial und ökologisch bedenklich. Nutzer von Firmenwagen könnten durch die 1-%-Regelung und die häufig praktizierte komplette Übernahme aller Betriebskosten durch den Arbeitgeber quasi zum Festpreis Auto fahren. Dies führe zu einer übermäßigen Nutzung mit entsprechenden Belastungen für die Umwelt.
    [Klima-Allianz 2011]
    Da die höchste Steuerersparnis Arbeitnehmern mit den höchsten Steuersätzen zugutekommt („Dienstwagenprivileg“), sieht unter anderem auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung die Besteuerungspraxis unter Verteilungsaspekten kritisch und empfiehlt eine entsprechende Reform.
    [SWR 2011]
    In einer Studie im Auftrag des Bundesumweltministeriums werden die aktuellen Regeln als „größte Steuervergünstigung in Deutschland“ beschrieben und verschiedene Reformmodelle diskutiert, die diese um 3,3 bis 5,5 Mrd. Euro reduzieren könnten."
    [Thöne 2011]
    Zitat Ende
    [Wikipedia 2020 - Firmenwagen - Kritik an der steuerlichen Behandlung von Firmenwagen]
    Die Denkfabrik Transport & Environment hat ermittelt, dass 76% der jährlichen Neuwagen-Emissionen durch Dienstwagen verursacht werde. Das zeigt, in welcher Größenordnung eine Umstellung der Förderrichlinien auf rein elektrische Abtriebe, auch in Kombination mit Anreizen zur Nutzung von ÖV, eine klimaschützende Wirkung entfalten könnte. Da Plugin-Hybride in der derzeitigen Anwendungs-Praxis meist mehr brauchen als Verbrenner, spricht sich T&E gegen die Förderung dieser Fahrzeuge aus, die momentan sehr hohe Verkaufsanteile haben.
    [Verknüpfung]

    Selbst im Jahr 2021 werden fossile Förderanlagen in Deutschland noch von Abgaben befreit, wie z.B. in Niedersachsen.
    [Verknüpfung]

    Die Fossilwirtschaft wurde und wird weiterhin durch immense Subventionen angeheizt, und die Kosten der CO2-Emission werden den kommenden Generationen angelastet. Die Gewinne landen bei den Profiteuren. In Zukunft steht zu befürchten, dass Deutschland für Klima- und andere ökozide Schäden aufkommen muss. Auch davon werden vor allem unsere Nachkommen betroffen sein.






    Der verschleppte Konkurs unseres Wirtschaftssystems ist nicht nur ökologisch und moralisch. In der Subprime-Krise 2008 wurde offenbar, wie nahe am Kollaps das Geldsystem selbst seit Jahren vorbeigeschrammt ist. Je weiter die Verschuldung steigt, desto abhängiger sind die Beteiligten, dass es nirgendwo zum Liquiditätssausfall kommt. Ursache sei laut dem neoliberal-neolibertären Ex-Notenbank-Chef Alan Greenspan eine falsche Ideologie, der er über vierzig Jahre lang gefolgt sei.
    Die Maßnahmen, mit der die Politik das bestehende dollarbasierte Geldsystem (respektive seine gigantischen Besitzstände) zu konservieren versucht, liegen um mehrere Größenordnungen über denen für Klimaschutz. Zu erkennen an der Expertise in den Regierungen, den parlamentarischen Gremien und dem Einfluss der Lobbyisten, zu erkennen an der Diskrepanz zwischen Empfehlungen der wissenschaftlichen Berater und der Gesetzgebung und natürlich an den Geldmengen, die zur Verfügung gestellt bzw. nicht eingefordert werden.
    Die letzte Finanzkrise 2008 z.B. kostete weltweit laut Schätzungen des IWF 11,9 Billionen US$. (Zum Vergleich: soviel verbrennen wir global in gut zwei Jahren an Subventionen in fossile Brennstoffe).

    Auslöser der Subprime-Krise 2008 waren betrügerische Geschäfte, die v.a. auf falschen Zertifikaten von CDOs basierten. Diese generierten gigantische Gewinne, die zum größten Teil bei den Betrügern geblieben sind; auch haben viele Finanzinstitute während der Krise Gewinne aus sogenannten Short-Verkäufen gemacht.
    [Wikipedia 2019 - Weltfinanzkrise]
    [Verknüpfung]
    Die vielen am Betrug aktiv Beteiligten sind bis heute unbehelligt geblieben - mit einer Ausnahme: Fabrice Tourre von Goldman Sachs prahlte in einer privaten Liebes-EMail einmal zu oft damit, andere Finanzprofis massiv übervorteilt zu haben. Wegen Milliardenbetrugs an seinen Kunden wird er als einziger Banker in der Finanzkrise verurteilt. Durch eine Vereinbarung mit Tourre über das Finanzprodukt Abacus 2007-AC1 erzielte der Hedgefonds Paulson & Company 1 Milliarde Dollar - dieser wurde jedoch (wie alle anderen Beteiligten) nicht belangt. Paulson gewann in der Krise insgesamt 15 Milliarden Dollar.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    FR: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2019 - Goldman Sachs - 2010 SEC civil fraud lawsuit]
    Telegraph: [Verknüpfung]

    Goldman Sachs war zur Zeit der Subprime-Krise die profitabelste Bank. Viele der wichtigsten US-Finanzpolitiker haben enge Beziehungen zu dieser Bank. Der damalige CEO Lloyd Blankfein wurde in einer Schlagzeile der Times zitiert, er tue "Gottes Werk."
    [Verknüpfung]

    Filmtips: The Big Short von Adam McKay (USA 2015), Too Big to Fail (USA 2011)
    Dokutips (aktuelle Situation): Let's make money, Inside Job Dokutip (Geschichte der US-Kartelle): Kapitalismus made in USA - Reichtum als Kult. arte 2023
    Teil 1 bei youtube: [Verknüpfung]
    Teil 2 bei youtube: [Verknüpfung]
    Teil 3 bei youtube: [Verknüpfung]


    There’s class warfare, all right, but it’s my class, the rich class, that’s making war, and we’re winning.
    Warren Buffett
    [Verknüpfung]

    Stabilitätsprogramme und Stresstests konnten an dem grundlegenden weiter zunehmenden Ungleichgewicht zwischen Geldmengen- und Realwertewachstum nichts ändern. Karl Reichmuth, Ehrenpräsident der Bank Reichmuth und Verwaltungsratspräsident der Investmentgesellschaft Realunit Schweiz sagt dazu 2019 im NZZ-Interview, Zitat:

    "Solange die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes nicht steigt, kommt es auch bei tiefen Zinsen nicht zu einer Inflation in den Konsumentenpreisen. Um eine Inflation zu erreichen, müssen die Zentralbanken noch mehr zu unkonventionellen Mitteln wie Quantitative Easing greifen oder das Bargeld abschaffen. Dies kann dann dazu führen, dass die Inflation plötzlich stark ansteigt und nicht mehr kontrollierbar ist. Im Gegensatz zu den Konsumentenpreisen ist bei den Vermögenspreisen schon jetzt eine starke Inflation sichtbar."
    [Verknüpfung]

    Der Wirtschaftsphilosoph Simon Derpmann, der an der Westfälische Wilhelms-Universität WWU Münster und der Heinrich-Heine-Universität HHU Düsseldorf lehrt, spricht Geld eine absolute Repräsentationsfunktion für Eigentum ab. Er nennt es stattdessen eine "soziale Beziehung". Damit rechtfertigt er eine Abkehr von Austerität, z.B. staatliche Eingriffe in Geld(wert)politik oder auch restriktive Regelung der Vergabe von Krediten.


    Ich möchte weiterhin, dass die 50 Euro in Ihrer Brieftasche genauso behandelt werden – es geht niemanden an, was Sie davon kaufen, niemand soll das überwachen oder Ihnen Ihr Geld abnehmen. Aber wenn es darum geht, wie man Immobilienkredite vergibt oder Kredite, die in fossile Energieproduktion investiert werden, dann kann der Staat da durchaus einen berechtigten Vorbehalt haben und eingreifen. Ein privates Finanzinstitut kann nicht einfach antworten: "Das ist aber mein Eigentum", wenn wir ihm sagen: "Den Kredit können Sie so nicht vergeben."
    Simon Derpmann
    [Verknüpfung]

    2022 reicht das Abschneiden der deutschen Versorgung mt russischem Gas, innerhalb eines halben Jahres global über steigende Energiepreise Inflationsraten um 10% zu verursachen.

    Die Subprime-Krise machte auch überdeutlich, dass die kollektive geflissentliche Ignoranz gegenüber Risiken eine immanente Voraussetzung des Neoliberalismus ist, und sich dabei nicht nur auf Ignoranz gegenüber sozialen oder Umweltrisiken wie der Klimakrise beschränkt, sondern selbst auf finanzielle Risiken.
    [Verknüpfung]

    Zu der Frage, wie die heutige finanzielle Situation entstanden ist, gibt es nach meinem (zugegeben bescheidenen) Verständnis der Materie plausible Gründe. Das ist freilich nur eine einfache Sichtweise, und hier streiten sich die Gelehrten.

    Geld ist ein Tauschmittel, dessen Einsatz eigentlich vom Souverän kontrolliert und gesteuert werden sollte. Die Monarchien kamen ins Wanken, als sie begannen, sich im großen Stil von Bürgern Geld für Krieg und verschwenderischen Luxus zu leihen. Als die Aristokratie den Staat ruiniert hatte, wollten die Bürger selbst der Souverän sein. Die Legitimation der Regierung musste also aus der Bürgerschaft kommen.
    In Monarchien wurde ein Kollaps des Geldsystems einfach durch Ummünzen, also Einschmelzen der wertlosen und Prägen einer neuen Währung künstlich herbeigeführt. Im Judentum war eine regelmäßige Entschuldung qua Religion festgelegt, in Sumer kam sie immer mit einem neuen Herrscher, und auch aus Griechenland und Babylon ist die regelmäßige Entschuldung überliefert.
    [Wikipedia 2019 - Erlassjahr]
    [Wikipedia 2019 - Schulden]

    In der Demokratie dagegen wollen die besitzenden Bürger jedoch ihr Machtinstrument, den Geldwert, um jeden Preis erhalten. Das könnte ein Grund dafür sein, dass die vielen Überschuldungskrisen der Geschichte von der Geldaristokratie meist bis zum (absehbaren) totalen Wirtschaftskollaps hinausgezögert wurden. Schon Platon hatte für diesen Zustand einen Begriff: Timokratie.
    [Wikipedia 2020 - Timokratie]

    90 Jahre nach der letzten globalen Wirtschaftskrise herrscht komplette Ahnungslosigkeit, wie man die Risiken und Möglichkeiten einer solchen Krise einschätzen sollte. Dass das Geld solange stabil blieb, liegt sicher auch an der Insellage der USA, die die internationale Leitwährung stellt, und die mit einem enormen militärischen Aufwand einen Großteil der Ölströme kontrolliert. Das ist ein weiteres Motiv der größten Wirtschaftsmacht, die Dekarbonisierung aufzuhalten - sie ist Haupttreiber der Carbon Bubble, und verantwortet damit entscheidend die weltwirtschaftliche Gefahr der Disruption.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Von einer Geldentwertung geht die Welt für die Menschheit nicht unter - bei einer Klimakatastrophe liegt die Wahrscheinlichkeit um ein Vielfaches höher. Geld gibt es seit 5000 Jahren, und bisher ist noch jede Währung irgendwann verschwunden. Dann wurde das alte Geld wertlos - mit allen Verbindlichkeiten - und alle fingen mit dem Wirtschaften noch einmal von vorne an. Das gab es jüngst vor dem Euro z.B. in Italien oder Griechenland regelmäßig, sogar im Nachkriegs-Frankreich einmal, oder bei der deutschen Wende 1989 in Ostdeutschland. Davon stirbt zuerst einmal niemand.
    Eine Katastrophe ergibt sich nur dann, wenn der Staat sich als handlungsunfähig erweist, und weiter Austeritätspolitik betreibt, wie in der Weimarer Republik. Wie es anders gehen kann, zeigen Gegenbeispiele. So können Unternehmen eine Zeitlang verstaatlicht werden (wie zuletzt 2008 die US-Banken unter Präsident Barack Obama). Roosevelts New Deal ab 1933 ist eine Erfolgsgeschichte ohne Gleichen, wurde aber von den Konservativen, die dieses Notprogramm durch ihre Austeritäts-Politik erforderlich gemacht hatten, als Kommunismus kritisiert.
    Fast ein Jahrhundert später war der New Deal beinahe vergessen, bevor Joe Biden mit Mühe und Not den inflation reduction act, eine stark abgespeckte Version eines green new deal, durchsetzen konnte. Anstatt es ihm gleichzutun, sprechen deutsche Ökonomen von einem Subventionswettlauf, und FDP-Finanzminister Christian Lindner von einem drohenden Handelskrieg.
    Die Wirtschaft schrammt seit vielen Jahren an der Mega-Krise vorbei, wegen der enormen Renditeverpflichtungen, die sich aus der immensen Verschuldung ergeben. Die Ungewissheit in der Krise ist natürlich schrecklich, und die Vermögensverluste würden auch viele hart treffen, die private Vorsorge betreiben. Doch man sollte in diesem Falle nicht das Ende der Welt herbeireden - ein handlungsfähiger Staat könnte auch hier eine Katastrophe verhindern.
    Unvergleichlich furchtbarer ist die Perspektive, und für Viele schon aktuelle Realität, der Klimakatastrophe und des Artensterbens.
    Eine Geldentwertung hätte mindestens einen gravierenden Vorteil: sie würde das vielbeschworene ökonomische Risiko der Ungleichverteilung schlagartig entschärfen.

    Geld sollte ein Mittel sein, das einer Gesellschaft Wohlstand oder gar Glück bringt. Eine Voraussetzung für Wohlstand ist jedoch, dass die Gesellschaft den Geldflüssen sinnvolle Regeln auferlegt. Und diese wurden in den letzten Jahrzehnten des Neoliberalismus Stück für Stück abgebaut - in Konsequenz der Ideologie von der Selbstregulation des Marktes.
    Wie weit die Konzentration des Reichtums fortgeschitten ist, zeigt sich im Geschäftsmodell des reichsten Menschen der Erde, Bernard Arnault. Er handelt nicht mit Daten, Nahrung oder Rohstoffen - er ist Chef von Moët Hennessy Louis Vuitton SE LVMH, einem Händler für Luxusprodukte.
    [Wikipedia 2024 - Bernard Arnault]
    Die krankhaften Auswüchse der globalen Milliardärskultur beschreibt ein Autorenteam der Zeit.
    Zeit: [Böhme 2024]

    Lange gab sich die neoliberale Elite beim jährlichen Strategietreffen der Globalisierung World Economic Forum ein Stelldichein. Vor allem seit der Finanzkrise 2008 kühlt die Globalisierung ab und wird zunehmend abgelöst von Isolationismus, also Protektionismus und bestenfalls bilateralen Abkommen. Entsprechend schwand die Bedeutung des WEF.
    Doch gleichzeitig erkennen immer mehr Ökonomen die aktuelle Konzentration des Kapitals und die hohe Verschuldung als Krisenherd, vor allem angetrieben durch den Neoliberalismus. 2017 galten diese Probleme beim Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos als der problematischste 10-Jahres-Krisentrend.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Zitat aus dem WEF-Risikbericht 2017:

    "Table 1.1: Top 5 Trends that Determine Global Developments
    1 Rising Income and wealth disparity
    2 Changing climate
    3 Increasing polarization of societies"
    WEF: [Verknüpfung]
    Pdf (Seite 17): [Verknüpfung]

    Zur Erklärung gibt es auch ein Video:
    [Verknüpfung]
    Auch der Welt-Risikobericht 2019 betont diese Gefahr.
    [Verknüpfung]

    Aus der Verschuldung erwächst unmittelbar der Wachstumszwang zur Zahlung der Renditen für die Rentiers (Gläubiger und Investoren), also leistungsloser Einkommen wie Zinsen, Mieten und Dividenden.
    Da Ökozid - die Vernichtung von Lebensgrundlagen - hoch profitabel ist und noch nicht bestraft wird, ergibt sich aus dem Wachstumszwang eine immer schneller galoppierende Ausbeutung von Menschen, gleichermaßen aber auch der natürlichen Ressourcen. Die Ausschöpfung der globalen Ressoucen eines Jahres wird vom Global Footprint Network mit dem Welterschöpfungstag markiert. Jedes Jahr bewegt sich der Tag im Kalender weiter vom Jahresende weg.
    Earth overshoot day
    Bisher ermöglichen nur selten rigide Gesetze die problemlose Offenlegung ökozider Geldanlagen, so wie die in Brasilien zwischen 2000 und 2011.
    [Verknüpfung]
    Die NGO portfolio.earth hat sich der Aufdeckung der Finanzinteressen verschrieben, die vom Ökozid profitieren.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Selbst beim WEF verschieben sich mittlerweile die größten Bedenken von der ökonomischen Krise zu den ökologischen Folgen des entfesselten Wirtschaftswachstums: Klimakrise, Artensterben, Pandemien. Alle 5 größten Gefahren der nächsten 10 Jahre sieht der WEF-Bericht 2020 in anthropogenen ökologischen Krisen.

    [Verknüpfung]
    Eine deutsche Übersicht des WEF-Risikoberichts 2020 beim ZDF:
    [Verknüpfung]

    Im WEF-Bericht 2019 findet man eine kritische Revision der "lange vorherrschenden Meinung", die ich als Fossilökonomismus bezeichnen würde:


    When it comes to climate, of the 10 ecological factors that can destabilize the planet’s ecosystem, three have already exceeded their “limit”.
    The traditional prevailing view has been that equality or sustainability must come at the price of growth. We find the opposite to be true – a lack of shared prosperity and environmental sustainability corrodes productivity growth.
    WEF 2019
    [Verknüpfung]

    Auch der Club of Rome benennt 2022 in seinem Bericht Earth For All die Ungleichverteilung als das größte Problem, das uns von der Lösung der Klima- und Ressourcenkrise abhält.

    Der Wirtschaftsanthropologe Jason Hickel von der London School of Economics spricht sich klar für eine Abkehr vom Wachstumsparadigma aus und kann 2022 bereits Positiv-Beispiele nennen: Neuseeland, Schottland und Island. Entwickelte Länder müssen sich sogar zurückentwickeln in den Konsumbereichen Fahrzeuge (SUV), Fliegen (Privatjets), Bekleidung (Fast Fashion) und Ernährung (Fleisch). Sein Buch "Weniger ist mehr" wurde von der Financial Times FT als Buch des Jahres ausgezeichnet.
    [Verknüpfung]

    Auch die neolibertäre Idee vom "Trickle-Down-Effekt", gegen die sich US-Präsident Biden dezidiert ausspricht, wird von vielen Ökonomen kritisiert, u.a. den Trägern des Nobel-Gedächtnispreises 2019, Abhijit V. Banerjee und Esther Duflo. Sie schreiben in "Gute Ökonomie für harte Zeiten":

    "Die Spitzensteuersätze [in den USA] lagen im Zeitraum von 1936 bis 1964 bei über 77 Prozent und in der Hälfte dieses Zeitraums bei über 90 Prozent, überwiegend in den Fünfzigerjahren unter einer republikanischen Regierung, die deutlich rechts der Mitte angesiedelt war. [...] Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Reagan’schen Steuersenkungen oder die Erhöhung des Spitzensteuersatzes unter Clinton oder die Steuersenkungen unter Bush die langfristige Wachstumsrate in irgendeiner Weise beeinflusst hätten. [...] Die Wiederholung dieses Mantras [vom "Trickle Down Effect"] durch Generationen seriöser Wirtschaftswissenschaftler hat ihm die einschläfernde Vertrautheit eines Wiegenlieds gegeben. Wir hören es noch immer von einer Schar von Wirtschaftsexperten, die sich weiterhin nicht um die Daten scheren. Es ist heute geradezu ein Glaubenssatz geworden, den jeder vernünftig denkende Mensch für wahr hält."
    [Stöcker 2022-2]

    Marcel Fratzscher vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW fordert seit Langem Umverteilung von oben nach unten, 2023 aus Anlass der künstlich erzeugten Geldklemme der Schuldenbremse in einer historischen Notlage.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Einen seiner Podcasts nennt das WEF in Referenz auf Greta Thunberg "House on Fire":
    [Verknüpfung]
    Das WEF, das jahrzehntelang eine Herzkammer des Neoliberalismus war, wirft jetzt (zumindest offiziell) grundlegende Prinzipien über Bord. Mehr dazu im nächsten Kapitel.

    Gegen Trumps massive Steuergeschenke für Reiche protestierten 400 von den selbst ernannten 1% der reichsten Amerikaner - aus Angst vor einer weiteren Spaltung der Gesellschaft.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Weil es keine global harmonisierte Vermögenserfassung, geschweige denn -Besteuerung gibt, ist man auf Schätzungen angewiesen. Die sind allerdings zunehmend ernüchternd.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
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    [Wikipedia 2020 - Paradise Papers]
    Die World Inequality Database sammelt die verfügbaren Daten und liefert gut lesbare Grafiken.
    [Verknüpfung]

    Auch wenn die CDU sich gern als der Unterstützer der hochperformanten Mittelschicht, und die AfD sich als die der hart arbeitenden Geringverdiener darstellt - die Steuerpläne im Bundestagswahlkampf 2021 sprechen eine andere Sprache. Wenn die CDU in Regierungszeiten noch die Ängste vor den Kosten der Energiewende instrumentalisiert hat, nutzt sie im Januar 2022 Putins Gasverknappung für eine Verdrehung der Tatsachen.
    Und das, obwohl sich die Ungleichverteilung in Deutschland unter Merkel während der Corona-Krise weiter verschärft hat.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Diese Krise hat wohl eine andere Dimension und vor allem Dynamik: Einnahmen von Unternehmen bleiben auf breiter Front aus - und damit können diese ihre Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen, also Zinsen und andere Renditen, Gehälter und Sozialabgaben. Der Staat kann die beiden letzten Punkte auffangen - doch er kann scheinbar die Rentiers nicht zwingen, auf ihre Forderungen zu verzichten. Und so werden Insolvenzen befürchtet, die die Welt seit 1929 nicht gesehen hat. Die Staaten haben mit ihrer expansiven Geldpolitik bereits vor der Corona-Krise eine Geld-Krise gerade noch hinauszögern können. Jetzt droht eine neue, weit größere Geldschwemme.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Doch was würde dagegen sprechen, die leistungslosen Zahlungsverpflichtungen im Falle eines solchen wirtschaftlichen Totalausfalls einfach per Gesetz zu streichen? Darüber wird nicht einmal diskutiert. Nicht etwa, weil es unrealistisch wäre: Barack Obama hat noch in der Subprime-Krise massenhaft marode Banken verstaatlicht. Die Wahrung der Besitzstände ist bis zum Kollaps (ökonomisch oder ökologisch) durchzuhalten - diese Richtlinie ist sakrosankt.
    Stattdessen wird weiter die Anregung von Wachstum als alternativlose Gegenmaßnahme dargestellt; und so müssen Steuerzahler die Renditen aufbringen, obwohl damit kein einziger Mensch besser versorgt, keine einzige Ressource gerettet oder geschont wird. Bei der zu erwartenden globalen Finanzkrise wird es ohnehin zu einem gigantischen Verlust von Eigentumswerten kommen - allerdings unter unwägbar chaotischen Umständen. Warum wird er also nicht planvoll politisch herbeigeführt? Die traurige Antwort: die Wahrung der Besitzstände hat unter allen Umständen höchste Priorität, auch weit vor dem Lebensschutz von Risikogruppen - eigentlich ein verbürgtes Menschenrecht..

    Die Corona-Krise schuf eine Art globales Reallabor für eine solche Krise. Am 9. Dezember 2020 spricht Deutschlands Virologie-Koryphäe Christian Drosten von einer "letzten Warnung der Wissenschaft", und die Kanzlerin fleht die Bevölkerung nahezu unter Tränen um Einsicht an: die Kontakte müssen auf ein absolutes Minimum reduziert werden.
    Zeit: [Verknüpfung]
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    Im BMWi arbeitete man bis kurz zuvor noch mit Hochdruck dagegen. Minister Altmaier drängt den Verbraucher hier in eine Verantwortung für die wirtschaftliche Misere. In der Bild-Zeitung rief er zum Konsum auf, Schlagzeile: "Einkaufen ist eine patriotische Aufgabe".
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    Im Spiegel überschlug sich der Ex-Bild-Chefredakteur Blome vor Begeisterung und schwingt sich zu einem streitbaren Bonmot auf: "Konsum ist erste Bürgerpflicht". Entsprechend drosch er gleich noch auf die Konsumverweigerung der Ökologie-Bewegung ein:
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    Das Ganze erinnerte zunächst an die Diffusion der Verantwortung bei der Klimakrise, Tenor: Wer im Versandhandel (oder noch schlimmer: gar nicht) kaufe, handle unpatriotisch.
    Beide übersehen jedoch, dass die Ursache für die Krise des Einzelhandels in erster Linie die Steuerfreiheit des US-Monopolisten Amazon ist, an die sich aber keiner herantraut, um nicht die Exporte unserer Autoindustrie zu gefährden.
    Armin Laschet tat es ihnen gleich.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Doch noch eine andere bittere Analogie der Corona- zur Klimakrise liegt auf der Hand: die Wahrung der Besitzstände geht weiterhin vor dem Überleben der Menschheit. Und die fossilökonomistische Presse verklärt diese Politik vor den Bürger:innen als alternativlos.
    2022 veröffentlicht das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung neue Zahlen. Die Ungleichverteilung bleibt seit Jahren stabil, aber in keinem anderen Euro-Land ist der Reichtum (abzüglich der privaten Schulden bleiben offizielle Guthaben von 6,3 Billionen Euro) weiter so ungleich verteilt wie hierzulande.
    [Verknüpfung]
    Die Stimmungsmache gegen Wissenschaftsorientierung - auch von Seiten der bürgerlichen Parteien DCU und FDP - ging so weit, dass sich der Virologe Christian Drosten kaum noch unter "das Volk" trauen kann.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Welche destruktiven misanthropischen Vorstellungen vom Menschen und der Gesellschaft im Neoliberalismus wirken, habe ich bereits oben bei den fossilökonomistischen Narrativen zum Klimaschutz beschrieben, so wie auch die dahinter liegenden psychischen Mechanismen und Manipulationsmethoden schon lange diskutiert werden. Nur so ist zu erklären, dass der fossile Status Quo 2022 noch immer nicht gekippt ist; Politiker können sich z.B. in der Gaskrise 2022 mit dem total verdrehten Narrativ von einer grünen Inflation einen Propaganda-Erfolg für ihre konservative Agenda erhoffen.

    Im Neoliberalismus wurde Geld als Mittel zum Zweck des Wirtschaftens erhoben, indem die Freiheiten der Besitzenden zu weit ausgedehnt und die der Lohnabhängigen und der Benachteiligten und der zukünftigen Generationen zu sehr beschnitten wurden.

    Diese Entwicklung ist undenkbar ohne massive Einflussnahme auf Politiker durch Vertreter finanzstarker Investoren, den Lobbyisten. Die von der Lobby manipulierten Gesetze verzerren den freien Markt. Ein freier Markt, der sich (gemäß der Ideologie des Neoliberalismus) von einer mythisch-religiösen unsichtbaren Hand gesteuert selbst regulieren soll, existiert allein schon deshalb nicht. Diese mythische Metapher entspringt dem Wohlstandsevangelium, wurde also ursprünglich als Wille Gottes interpretiert. Im Werk des klassischen Ökonomen und Moralphilosophen Adam Smith findet sich die Metapher dreimal, hat aber nirgends auch nur das Geringste mit Markt zu tun. Sein ewiger Bestseller "Vom Wohlstand der Nationen" wird in unzähligen Fällen als Quelle herangezogen. Dabei geht es dort um die Bevorzugung von Investitionen im eigenen Land, die zunächst dem Eigennutz dient, - wie bei Smith prinzipiell - letztlich doch indirekt der Unterstützung der eigenen Volkswirtschaft. Kaum ein anderer Philosoph ist so falsch zitiert worden wie Adam Smith.
    Filmtip: Der Kapitalismus (arte 2014)
    [Wikipedia 2021 - Unsichtbare Hand]
    Wichtige staatliche Kontrollstrukturen des Marktes sind die Kartellämter, die Absprachen (Kartelle) von Oligopolen und marktbeherrschende Monopole verhindern sollen. Der Arbeit des Kartellamts liegt das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen WBG aus dem Jahr 1957 zu Grunde.
    Das hat in vielen Fällen nicht funktioniert, weil auf die Richtlinien und Entscheidungen der Kartellämter politisch Einfluss genommen wurde, natürlich über Lobbyisten. Gerade Deutschlands Großindustrie wurde zur Kaiserzeit und im Dritten Reich wenig reguliert, weil starke Industriekonzerne zum Staatsinteresse erklärt worden waren. Diese Doktrin hat sich immer noch in der Idee von der Deutschland AG erhalten.
    [Verknüpfung]
    Die vielen Novellen des WBG lassen erahnen, wie findig die Akteure immer wieder waren, den Wettbewerb zu stören.
    [Wikipedia 2022 - Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen - Entstehung und Entwicklung]
    [Wikipedia 2022 - Ministererlaubnis - Geschichte]
    Besonders auffällig ist das Monopol-Problem bei den Preisabsprachen der Nahrungsmittel-Discounter, die gleichzeitig ihre Lieferanten immer schlechter bezahlen, und auch in Sachen Nachhaltigkeit oft nur in ihren Werbeblättern glänzen, und den Energieversorgern, die Deutschland unter sich aufgeteilt haben.
    Experten sagen es klar und deutlich: Der Ökonom und Wirtschaftsjournalist Norbert Häring erklärte jüngst "Wettbewerb und Kapitalismus" zu "Gegensätzen", der Libertäre Trump-Unterstützer Peter Thiel bezeichnet Wettbewerb offen als etwas "für Verlierer". Der Weltbank-Chefökonom Sir Nicholas Stern sprach über das Festhalten an der Fossilökonomie schon 2006 vom größten Marktversagen der Geschichte.
    Die NGO LobbyControl hat viele dieser marktverzerrenden Einflussnahmen aufgedeckt. Mitgründer Ulrich Müller will 2022 vom Aufdecken der Missstände dazu übergehen, dem Staat wieder mehr Geltung zu verschaffen.
    [Verknüpfung]
    Am Beispiel der Aserbaidschan-Affäre erklärt er konkrete Maßnahmen.
    [Verknüpfung]

    Filmtipp: Bedrohen Superreiche die Demokratie? 42 - die Antwort auf fast alles. arte 2023


    Youtube: [Verknüpfung]

    Beispiele für marktverzerrende Mechanismen des Lobbyismus:

    Die Grundprinzipien der Ausbeutung: Gewinne privatisieren, Verluste (z.B. Sozial- und Umweltkosten) sozialisieren. Marktsituation vermeiden, also Konkurrenz ausschalten (Monopol) oder sich damit absprechen (Kartell). Grundbedürfnisse und Infrastruktur (Energie, Wasser, Datennetze, Bildung, Gesundheitssystem etc.) nicht gemeinschaftlich organisieren, sondern profitabel privatisieren. Rechte und Klagemöglichkeiten einschränken.
    Die folgenden sozialen und wirtschaftlichen Beispiele für Fehlentwicklungen sind für den Neoliberalismus symptomatisch:

    • Freihandelsabkommen und Schiedsgerichtsbarkeit:
      Gegeneinander-Ausspielen von Staatsinteressen führt zu Steuer-/ Sozial-/ Umwelt-Dumping zum Profit von Industrieländern und internationalen Konzernen;
      die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen im globalen Süden ermöglicht den Anschein von sozialer Gerechtigkeit in den Industrieländern ("carnem et circenses")
      • ECT - Energiecharta-Vertrag schützt die Fossilindustrie seit 1994 vor staatlicher Intervention
      • TTIP - mit Schiedsgerichten sollten Gesetze ausgehebelt werden (wurde durch Proteste verhindert)
      • CETA - enthält viele umweltschädliche Elemente aus TTIP, und funktioniert durch die kanadische Hintertür (denn mit Kanada hat die EU das Abkommen bereits vereinbart - US-Firmen brauchen nur eine kanadische Tochtergesellschaft). Wegen massiver Proteste kam es bis 2022 nur zu einer vorläufigen Anwendung, der das Verfassungsgericht jedoch fünf Jahre [sic!] nach einer Klage von NGOs endlich gravierend einschränkte: die Parlamente müssen beteiligt werden
        [Verknüpfung]
        [Wikipedia 2022 - Umfassendes Wirtschafts- und Handelsabkommen]
        2022 trat ein entschärftes Abkommen in Kraft.
        Campact: [Verknüpfung]
      • Mercosur - Autos und EU-weit verbotene Ackergifte gegen Soja und Feedstock-Rindfleisch aus Ex-Regenwald - ist noch in Verhandlung
      • Konzernklagerechts-Abkommen ISDS
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
        [Wikipedia 2022 - Investor-state dispute settlement]
    • Bilanzbetrug (EnRon, Wirecard)
    • Geldwäsche (z.B. FinCen, Wirecard), also Transaktionen von Geldern aus offenkundig kriminellen Quellen, durch u.a. deutsche Geschäftsbanken im Milliardenumfang. Das gewaschene Geld erhöht den Wohnkosten-Druck, denn es landet häufig im Immobiliensektor.
      [Verknüpfung]
      Seit Jahren wird international ermittelt, aber allzu oft folgenlos. In nur 2% der Ermittlungen kam es 2018 in Deutschland überhaupt zur Anklage.
      [Verknüpfung]
    • Mietwucher (auch im Gewerbebereich), befeuert durch unzureichend regulierte Immobilienspekulation und Ende des sozialen Wohnungsbaus
      - dabei gibt es durchaus machbare Gegenmaßnahmen
      [Verknüpfung]
      [Verknüpfung]
    • exorbitante Gewinnmargen für Agrarindustrie und Lebensmittelhandel auf Kosten der Landwirte durch Oligopole
    • Spekulationen, Marktkonzentrationen und Preisabsprachen bei Nahrungsmitteln sorgen für riesige Gewinne bei Investoren und überhöhte Verkaufspreise, soziale Unruhen und Hunger bei den Verbraucher:innen
    • Renditeforderungen von Investoren an Betriebe, befeuert durch unzureichend regulierte Aktien- und Derivatespekulation
    • Lohndumping: Gegeneinander-Ausspielen der Arbeitnehmer
    • Sozialdumping
      • Hartz IV erhöht den Druck auf den Arbeitsmarkt: Arbeitslose werden gezwungen, schlecht bezahlte Jobs weit unter ihrer Qualifikation anzunehmen
        [Verknüpfung]
      • Riester- und Rürup-Verträge: der Staat überlässt die Altersvorsorge der Privatwirtschaft zur Erwirtschaftung von Profiten und unterstützt sie dabei noch mit Subventionen
        [Verknüpfung]
    • Verschiebung der Abgabenbelastung weg von Kapitaleinkommen hin zu Lohneinkommen
      • Steuerungerechtigkeit
        trotz Finanz-, Corona-, Ukraine- und Klimakrise ist die Vermögensteuer bis April 2022 immer noch nicht beschlossen
        [Verknüpfung]
        [Verknüpfung]
        reiche Deutsche nutzen eine legale Möglichkeit, durch Schenkung die Erbschaftssteuer zu umgehen, und senken damit die Steuer auf wenige Prozent; der Vorsitzende der Bürgerbewegung Finanzwende Gerhard Schick legt in der Zeit dar, dass die Legislative seit vielen Jahren Gerichtsurteile ignoriert - ein Bruch der Verfassung, den auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat.
        Zeit: [Verknüpfung]
        Finanzwende: [Verknüpfung]
        Friedrich-Ebert-Stiftung FES: [Verknüpfung]
        auch die Minderbesteuerung von Firmenerbschaften wurde bereits 2006 und 2014 vom Bundesverfassungsgericht moniert; 2023 liegt der Fall zum dritten Mal beim Bundesverfassungsgericht, denn die Reform 2016 hat an der Sachlage nichts geändert.
        ein Gutachten des Finanzministeriums hatte zudem 2012 festgestellt, dass eine höhere Besteuerung in der Regel keine negativen Effekte auf den Geschäftserfolg darstelle
        Wissenschaftlicher Beirat beim Bundesministerium der Finanzen: [Konrad 2012]
        Zeit: [Verknüpfung]
        Finanzwende: [Verknüpfung]
        DLF: [Verknüpfung]
        Michael Hartmann auf Youtube: [Hartmann 2023]
      • Steuervermeidung durch multinationale Konzerne
        Steuern werden nicht da erhoben, wo Gewinne entstehen, sondern wo Firmen ihren Sitz haben - und da liefern sich die Staaten seit Jahrzehnten ein Steuer-Dumping; Kleinstaaten und Inseln z.B. profitieren selbst von winzigen Steuersätzen der riesigen Konzerne; erst 2021 wurde ein wirksames EU-weites Austauschabkommen für Steuerdaten beschlossen
        [Verknüpfung]
        Fachleute schätzten 2014 das Volumen der legalen Steuervermeidung auf 160 Milliarden Euro
        [Blasberg 2014]
      • die Verfolgung illegaler Steuerhinterziehung wird vernachlässigt; Steuerfahnder berichten von eklatantem Personalmangel, Unterbezahlung, unzureichenden Sachmitteln und völlig veralteter Technik - obwohl sich jeder in Steuerfahndung investierte Euro für den Staat vielfach auszahlt;
        Fachleute schätzen das Volumen der Steuerkriminalität 2014 auf 50 Milliarden Euro
        [Blasberg 2014]
      • das Wissen über legale oder tolerierte Tricks zur Steuervermeidung sind lukrativ, z.B. für Gerda Hofmann, die Ministerialrätin des Finanzministers Christian Lindner (FDP)
        [Verknüpfung]
      • fehlende Finanztransaktionssteuer
        ein Großteil der Gewinne wird durch Handel mit Finanzprodukten erzielt, der teils im Millisekundentakt abgewickelt wird; seit Jahren werden hier vergeblich Abgaben gefordert, die diese massenhaften leistungslosen Geldabflüsse aus den Volkswirtschaften bremsen und gleichzeitig gemeinwohlorientiert eingesetzt werden könnten (Tobin-Steuer)
        [Wikipedia 2020 - Tobin-Steuer]
      • Share Deals: wird nur ein bis zu 90% großer Teil eines Unternehmens oder von Immobilien verkauft, werden dafür keine Steuern fällig; das führt zum Beispiel zu einem Wettbewerbsnachteil für Bauern, die Land zu 100% erwerben und Grunderwerbssteuer zahlen müssen, oder für kleine und mittelständische Unternehmen, die keine Unternehmensanteile an- oder verkaufen, sondern ganze Unternehmen
        [Wikipedia 2024 - Anteilskauf - Immobilienwesen]
      • Steuerflucht
        Panama Papers
        [Verknüpfung]
        Pandora Papers
        [Wikipedia 2022 - Pandora Papers]
      • organisiertes Steuerverbrechen
      • zunehmendes Übergewicht leistungsloser Einkommen durch Finanztransaktionen gegenüber Einkommen durch Erwerbsarbeit
    • Privatisierung bzw. public private partnership auf Kosten der Gesellschaft
      • Autobahnen - selbst dann, wenn öffentlich beauftragte Wirtschaftlichkeitsberechnungen dagegen sprechen
        [Verknüpfung]
      • Öffentliche Verkehrsmittel
      • Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen: besonders in der Corona-Pandemie zeigte sich, wie weit Anspruch und Wirklichkeit der Daseinsvorsorge auseinanderklaffen weil die Organisation dieser Einrichtungen dem Profitdenken unterworfen wurden
        [Verknüpfung]
      • Stromversorgung
      • Wasserversorgung
      • Telekommunikation
      • Forschungs- und Bildungseinrichtungen

    Besonders bezeichnende Beispiele:

    Corona-Hilfskredite für nicht nachhaltig wirtschaftende Unternehmen
    • über 1 Mrd. € Unterstützungskredite für ausbeuterische Luxus-Sportmarken
      • Adidas und Puma lassen Schuhe für wenige Euro fertigen, die dann für 200€ verkauft werden; von den exorbitanten Gewinnen geht nur wenig an den Staat, der diese Geschäfte ermöglicht, sondern an die Investoren; dennoch verlangen auch diese Konzerne in der Corona-Krise Staatshilfen
        [Verknüpfung]
      • die Marken-Produkte werden von denselben Lohnempfängern hergestellt wie die No-name-Produkte - zum selben Dumping-Lohn
      • diese Gewinnspanne steht nur stellvertretend für unzählige Markenprodukte
      • diese Missstände werden seit Jahren beklagt, u.a. in Naomi Kleins erstem Bestseller No Logo (2000), oder von der Initiative Lieferkettengesetz
    • 9 Mrd. € Unterstützung für Lufthansa
      Nicht nur, dass ein Flugunternehmen besonders klimaschädlich wirtschaftet - man könnte ja die Unterstützung wenigstens mit dem Erhalt von Arbeitsplätzen rechtfertigen. Aber dieses entfällt, weil Lufthansa allein in Deutschland 29.000 Mitarbeiter entlassen hat.
      [Verknüpfung]
      Ähnlich fragwürdig ist die staatliche Rettung des Reisekonzerns TUI, der bekannt ist für seine Mein-Schiff-Flotte von Kreuzfahrtschiffen, mit 4,3 Milliarden Euro Steuergeld.

    Besonders die Internet-Ökonomie lockt mit enormen Wachstumsraten und annähernder Regel- und Steuerfreiheit - ein entscheidender Wettbewerbsnachteil für viele heimische Unternehmen, die ganze Branchen mit Millionen Arbeitsplätzen gefährdet, und im Umgang mit seinen Arbeitnehmern weit entfernt ist von europäischen Standards, auch bei seinen Niederlassungen in Europa.
    Zeit: [Verknüpfung]
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    Beispiel: mit einem Konzern wie Amazon, der in Luxemburg lächerlich geringe Steuern zahlt, und der als Quasi-Monopolist gegenüber Lieferanten maximal aggressiv auftreten kann, kann ein Einzelhändler schon lange nicht mehr konkurrieren. Er überlebt nur, weil der Kunde noch das Shopping-Erlebnis in seiner Stadt wertschätzt. In Corona-Zeiten hält sich auch dieser letzte Effekt in engen Grenzen.
    Der EU entgehen so zig Milliarden an Steuereinnahmen. Unseren Volkswirtschaften werden Unsummen entnommen, ohne dass wie in anderen Branchen üblich ein Obulus an die Allgemeinheit abfließt, um die Volkswirtschaft am Leben zu erhalten. Diese Mittel müssen andere Steuerzahler aufbringen.
    Die ungerechte Besteuerung von US-Internet-Konzernen wurde v.a. von der Lobby der deutschen Exportwirtschaft (v.a. der Autoindustrie) bestimmt, weil die USA immer wieder mit Importzöllen drohen. Frankreich hat bereits schlechte Erfahrungen mit der Protektion der US-Internet-Konzerne durch die Washingtoner Handelspolitik gemacht.
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    Deshalb verwundert es nicht, dass das Ressort Digitales der Schwarz-Roten, aber auch der Ampel-Bundesregierung nicht einmal ein Ministerium wert ist, sondern nur die Stelle eines parlamentarischen Staatssekretärs beim Verkehrsministerium. Und das, obwohl die "Systemrelevanz" dieses Ressorts bei jeder Gelegenheit betont wird.
    Die CSU-Staatssekretärin Bär fiel vor allem durch geringe Distanz und Kritik gegenüber Vertretern der Branche auf.
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    Erstaunlich angesichts der Tatsache, dass in der EU die Regulation von Internet-Konzernen damals in den Händen der Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager lag. Vestager wurde wegen ihrer hohen Sachkompetenz und politischen Fähigkeiten als ernsthafte Kandidatin für den Kommissionsvorsitz gehandelt, konnte sich aber wegen ihrer liberalen Parteizugehörigkeit nicht gegen die Kandidatin der Konservativen von der Leyen durchsetzen. Vestager macht oft Schlagzeilen wegen ihrer kritischen, konfrontativen Haltung gegenüber Internet-Konzernen.
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    Zeit: [Verknüpfung]
    Die finanzielle Macht der Internet-Konzerne, die monopolartig ganz neue Bereiche des Lebens finanziellen Verwertbarkeit unterwerfen, allein schreit schon nach Regulierung - doch ihre Potentiale zur Manipulation von Wählermeinungen ist noch weit gefährlicher.

    Die weltweit mächtigsten Industrie-Komplexe sind 2023 die US-Tech-Konzerne Google, Amazon, FaceBook, Apple und Microsoft, auch GAFAM genannt. Ihr politischer Einfluss ist enorm, da in den USA seit dem Neoliberalismus die Regulationen, die nach der Weltwirtschaftskrise eingeführt wurden, abgebaut wurden, und das konservative Europa diesem Einfluss wenig entgegensetzte; das links-grün dominierte EU-Parlament beschlossen im Jahr 2022 die Regularien DSA und DMA.

    Ein anderes drastisches Beispiel ist der sogenannte Hochfrequenzhandel an den Börsen. Dort wird bereits im Mikrosekundentakt gehandelt, die Entscheidungen werden natürlich von Computern getroffen. Kein Wunder, dass das Zusammenwirken aller beteiligten Algorithmen 2010 zu einem gigantischen Absturz der Kurse geführt hat. Obwohl
    [Verknüpfung]
    Der Herdentrieb an der Börse ermöglicht es finanzstarken Investoren, die Entwicklungen von Waren-, Aktien- und Währungskursen zu beeinflussen; besonders deutlich sichtbar am sogenannten Hexensabbat am Ende eines Quartals. Dabei wetteifern Händler um Büros möglichst nahe zur Börse, denn auch die Länge des Datenkabels kann entscheidend sein. Besonders interessant sind hierbei die Leerverkäufe, bei denen auf fallende Kurse spekuliert ("gewettet") wird. Besonders verlustreich sind diese Spekulationen sind Volkswirtschaften mit schwachen Währungen bzw. innerhalb der Euro-Zone mit hohen Zinsen von Staatsanleihen.
    [Verknüpfung]
    Wie fragil das System ist, zeigte z.B. im Herbst 2019 der Geldmangel am Repo-Markt, der nur durch staatliche Eingriffe mit hunderten Milliarden von Dollar behoben werden konnte. Es drohte ein Crash. Am Repo-Markt wird an einem Tag mehr Geld umgesetzt, als das deutsche Jahres-BIP. Narayana Kocherlakota, bis 2015 der Präsident der Federal Reserve Bank in Minneapolis, sieht in den Zinsausschlägen am Repo-Markt ein Zeichen, dass "etwas ziemlich falsch läuft im Finanzsystem".
    Zeit: [Verknüpfung]
    Als Flash-Crash bezeichnet man plötzliche Kurszusammenbrüche, die durch unerwünschte Effekte von Algorithmen-Entscheidungen und ggf. Manipulationen ausgelöst werden, zuletzt 2010 und 2016.
    [Wikipedia 2021 - Flash Crash]
    Das Handelsblatt meldete auch einen für 2011.

    Berühmt-berüchtigt als Spekulant ist Florian Homm, der zeitweilig von den USA strafverfolgt wurde.
    [Verknüpfung]
    Brad Katsuyama war 2013 Mitgründer einer alternativen Börse, der IEX Stock Exchange. Durch eine einfache technische Maßnahme schließt sie die Händler aus, die mit den mächtigsten Algorithmen handeln. Das gehandelte Kapital muss an der IEX mindestens 350ms (eine Drittel Sekunde) lang in einem Investment verbleiben. Katsuyama sagt: "Eigentlich sollte die [konventionelle] Börse für den Markt da sein, stattdessen hat sie völlig den Verstand verloren. [...] Die Rolle der Börse sollte darin bestehen, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Konkurrenten sollten innovativ handeln, anstatt technische Vorteile zu nutzen."
    [Verknüpfung]

    Ein anderes Beispiel der Zweckentfremdung von Geld ist das Handelsvolumen der Börsenpapiere am Chicago Board of Trade, der weltgrößten Agrarbörse. Laut dem sehr sehenswerten Film "10 Milliarden" von Valentin Thurn betragen die Geldwerte, die dort umgesetzt werden, ein Vielfaches dessen, was an die Erzeuger ausgezahlt wird (61'44'').
    Leider konnte ich noch keine andere Quelle für diese Behauptung finden. Allerdings auch nichts Gegenteiliges - der Agrarmarkt handelt seit Jahrzehnten recht unbeobachtet vom öffentlichen Interesse. Player wie Glencore, Vanguard, Cargill, oder auch die deutsche BayWa, profitieren vom großflächigen Ökozid und Menschenrechtsverstößen im globalen Süden, und an den Preisschwankungen vor allem in Krisenzeiten und zählen zu den lukrativsten Firmen der Welt. Seit vielen Jahren wird darüber berichtet, das Geschäft wurde dennoch immer weiter ausgeweitet.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Boell-Stiftung: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Chicago Board of Trade]


    Hunger ist organisiertes Verbrechen.
    Jean Ziegler
    Standard: [Verknüpfung]

    Die Marktschwankungen in der Corona- und Ukraine-Krise ließen nicht nur die Gewinne der Spekulanten sprudeln, sondern auch die des Handelskonzern-Oligopols, das die Gelegenheit für überzogene Preiserhöhungen nutzte, die sogenannte "Gierflation". Die mangelnde Preistransparenz ließen für die Verbraucher:innen die Ursachen im Dunkeln, und die Kunden hatten aufgrund der Oligopole auch keine Alternative. Der Markt versagt grandios, selbst oder auch gerade bei der existentiellen Grundversorgung der Menschen. Wenn steigende Preise bei uns für Verarmung sorgen, dann sorgen sie anderswo zu Mangelernährung und Hungertod. Dr. Sophie van Huellen von der Universität Manchester erklärt.
    Audiobeitrag beim DLF: [Verknüpfung]


    And as the world saw when prices spiked in 2007-2008, when speculation creates a disconnect between real food supply and demand conditions, it can have devastating consequences for food security globally.
    Sophie van Huellen
    theconversation: [Van Huellen 2022]

    Lukas Kornher and Joachim von Braun fordern in einem Grundsatzpapier des Center for Development Research der Universität Bonn wirksame Regulationen des Markts.
    Papier als pdf: [Verknüpfung]

    Ein besonders krasses Beispiel für die Ausnutzung von Oligopol-Marktmacht in Deutschland sind die grauenvollen Zustände in der deutschen Fleischindustrie, die schon seit 20 Jahren von der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten NGG beklagt werden, aber jetzt erst plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit standen: das Gesundheitsamt musste wegen der Pandemie den Betrieb einschränken.
    taz: [Verknüpfung]
    Studie (Volltext-Suche nach 2001 und 2004): [Verknüpfung]
    In der Zeit erschien 2023 der erschütternde Bericht "Schattenmenschen" über die menschenverachtenden Zustände in der Fleischindustrie. Anne Kunze und Daniel Müller sprechen von Sklaverei.
    [Verknüpfung]
    Statt auf Regulation setzte Landwirtschaftsministerin Klöckner (CDU) wie so oft auf eine "freiwillige Selbstverpflichtung" der Industrie.
    NGG: [Verknüpfung]

    Die Technologien der Tech-Konzerne haben sich in den USA v.a. im staatlich unterstützten Forschungs-Zentrum Stanford entwickelt, und dort auch in Sachen Finanzierung und Steuern optimale Wachstumsbedingugnen gefunden, weshalb sie global dominieren.
    Das größte deutsche Tech-Unternehmen ist SAP, dessen Besitzer Hasso Plattner einer der reichsten Deutschen ist (2024 Platz 10).

    Das Geschäftsmodell der Allerreichsten ist der Nahrungsmittel-Discount, v.a. Lidl und Aldi, und die Chemie- und Automobilindustrie. Dort dominiert die reichste Familie Quandt / Klatten, Erben des Nazi-Industriellen und frühen Hitler-Unterstützers Günther Quandt, weit vor den VW-Erben der Familie Porsche / Piech. Der Großteil der deutschen Wirtschaft basiert v.a. auf mittelständischen, nicht auf Großunternehmen.
    wiwo: [Verknüpfung]
    statista: [Verknüpfung]

    businessinsider titelt 2022: "Noch nie gab es so viel Vermögen wie heute: Deutsche besitzen rund 19 Billionen Euro – der Reichtum ist aber ungleich verteilt, laut Analyse."
    businessinsider: [Verknüpfung]

    Die lange Niedrigzins-Phase hat zu einem Angebot an Geld für Investoren geführt, die manche Politiker als Spielgeld bezeichnen. In der Eifel sagt man "den Deïbel scheïßt net op e kleene Kupp", hochdeutsch etwa "der Teufel scheißt nicht auf kleine Haufen". Dieses Sprichwort ist eine derbe Metapher für die positive Rückkopplung der Ungleichverteilung: je liquider ein Investor, desto geringere Zinsen zahlt er. Damit kann er bei seinen Investments weit größere Gewinne erzielen, weil weniger Zinsen abgezogen werden. Entsprechend spekulativ kann er seine Geschäfte gestalten, und damit höhere Renditen erzielen. Wenn er zu scheitern droht, wird er häufig gerettet weil "systemrelevant" oder "too big to fail". Verluste werden damit sozialisiert, während Gewinne wie selbstverständlich privatisiert werden.


    Das Geheimnis des erfolgreichen Börsenhandels liegt darin, zu erkennen, was der Durchschnittsbürger glaubt, dass der Durchschnittsbürger tut.
    John Maynard Keynes

    Ein wenig regulierter Wust an Finanzprodukten birgt zudem viele Möglichkeiten von Manipulationen an den Finanzmärkten:
    ...

    Je größer der Investor, desto größere Investments kann er per "Hebel" stemmen, und damit desto bessere Chancen im Wettbewerb seiner Branche bekommen. Nicht umsonst gab es immer wieder Versuche von Staaten, seine Bürger mit Kartellgesetzen vor Monopolen zu schützen. Die zunehmende Vernetzung von Politik und Wirtschaft hat jedoch auch diese Festungen gobal geschleift und damit die Monopolbildung erleichtert.
    In der Folge von Kapitalkonzentration und Monopolbildung konzentriert sich auch der Besitz der wenigen Firmen auf immer weniger Menschen. George Monbiot beschreibt den Übergang der Wirtschaftsmacht von Großkonzernen auf Oligarchen:

    "Das größte Vermögen wird heute nicht [mehr] durch unternehmerische Brillanz erzielt, sondern eben durch Erbschaft, Monopolbildung und Rendite: Man sichert sich die exklusive Kontrolle über entscheidende Vermögenswerte wie Land, Gebäude, privatisierte Versorgungsunternehmen und geistiges Eigentum und führt Dienstleistungsmonopole wie Verkaufs-, Software- und Social-Media-Plattformen zusammen, um dann von den Nutzern Gebühren zu verlangen, die weit über den Produktions- und Vertriebskosten liegen. In Russland nennt man Leute, die sich auf diese Weise bereichern, Oligarchen. Doch es handelt sich dabei um ein weltweites Problem. [Unternehmensmacht existiert immer noch, aber heute wird sie von oligarchischer Macht überlagert und mutiert zu dieser.]"

    Solche Entwicklungen setzen natürlich eine starke Durchdringung und Vermischung von politischer und wirtschaftlicher Macht voraus: Lobbyismus und Korruption. Die Bevölkerung verliert so das Vertrauen in die Politik. Aber anstatt die wahren Verursacher der Krise zu adressieren - die Investoren - lassen viele sich zu Verschwörungstheorien hinreißen. Oligarchen bauen für ihre politischen Zwecke aus dem Hintergrund Populisten auf, die in immer mehr Ländern in Machtpositionen gewählt werden und dann ihre Macht mit undemokratischen Mitteln zementieren.
    [Monbiot 2019]

    Diese Schieflage wurde zuerst in den USA besonders deutlich.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Joseph Stiglitz fällt 2020 in seinem Buch "Der Preis des Profits" ein vernichtendes Urteil - und braucht dabei nicht einmal auf die Frage der Klimagerechtigkeit einzugehen. Dazu hatte er schon 2019 bemerkt, dass die notwendigen Anstrengungen für die kommenden Generationen vergleichbar seien mit einem Dritten Weltkrieg.
    [Verknüpfung]

    Aber auch in Deutschland hat die Ungleichverteilung mittlerweile zu einer krisenhaften Situation geführt.


    Der größte Teil des Vermögens in Deutschland wurde nicht mit de[n] eigenen Hände[n] erarbeitet, sondern wurde geerbt. [...] Der größte Teil ist leistungsloses Vermögen. [...]
    Es wird Vermögen sehr gering besteuert. [...] Aber [der Staat] baucht ja irgendwo sein Geld her. Dann sagt er eben "dann besteuere ich eben Arbeit."
    Es ist extrem wirtschaftlich schädlich zerstört Wohlstand, wenn sich Arbeit nicht oder kaum lohnt, und da gibt es unendliche Beispiele.
    Marcel Fratzscher
    [Verknüpfung]

    2024 präzisiert er die deutsche Erbschafts-Problematik in der Zeit.

    "In kaum einem anderen Land wird so viel Vermögen vererbt wie in Deutschland: Fast ein Drittel des gesamten Privatvermögens von elf Billionen Euro wurde nicht von den Eigentümern selbst erwirtschaftet, sondern ererbt. [...] Fast 35 Millionen Deutsche leben in Haushalten, die ihr monatliches Einkommen komplett für ihren Lebensunterhalt ausgeben. Sie können nicht sparen, um eine zusätzliche Absicherung im Alter zu haben oder Rücklagen für Bildung, Qualifizierung oder andere Wünsche zu bilden. [...] Das größte Scheitern ist jedoch, dass die Hälfte der jungen Generation heute mit einer mäßigen Bildung geringere Chancen und geringere Einkommen als ihre Eltern haben wird. Sie kann weder aus dem eigenen Arbeitseinkommen Vermögen aufbauen, noch wird sie von ihren Eltern erben. [...] Das Resultat ist eine zunehmende Polarisierung."
    Zeit: [Fratzscher 2017]
    OECD-Studie: [Verknüpfung]

    Buchtip: Fratzscher, M.. Geld oder Leben. Wie unser irrationales Verhältnis zum Geld die Gesellschaft spaltet. Berlin 2022

    Haupttreiber der Entwicklung sind die stetig steigenden leistungslosen Einkommen aus Erbschaften, während das Lohnniveau durch Lösen der Tarifbindung unter Schröder (SPD) und geringe Mindestlöhne auch im Europavergleich relativ gering ist. Die sichersten Renditen liefern seit Jahren zunehmend Immobilien. Nach der Privatisierung des sozialen Wohnungsbaus wurde 1990 die Wohnungsgemeinnützigkeit von Kanzler Kohl abgeschafft. Das waren massive steuerliche Anreize, die jetzt zur Lösung der Wohnraumkrise wieder diskutiert werden - aber eben nur diskutiert. Unter Schröder und Merkel hat diese Verknappung von Wohnraum zu Immobilien- und Mietpreisen geführt, die in der Gesellschaft als krisenhaft wahrgenommen werden. Es droht m.E. eine gigantische Immobilienblase, die spätestens dann platzt, wenn unsere fossile Volkswirtschaft in der postfossilen Welt nicht mehr konkurrenzfähig ist und die hohen Renditen aus den Immobilien nicht mehr erwirtschaften kann.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Weil die Klimapolitik in Deutschland und weltweit immer wieder zwischen Progression und Reaktion hin- und hergerissen wird, ist die Planungssicherheit für nachhaltige Investitionen gering. Deshalb werden die riesigen Geldberge lieber in "Betongold" investiert, und damit wieder gigantische Immobilienblasen geschaffen, die mit ihren Renditeerwartungen - Mieten und Immobilienkosten - den Wohlstand breiter Schichten auffressen. Es ist allerdings nur eine Frage der Zeit, wann die fossile Blase platzt, und dann werden die fossilen Volkswirtschaften nicht mehr in der Lage sein, diese Renditeerwartungen zu erfüllen. Die Immobilien werden wie die fossile Infrastruktur im Crash zu Stranded Assets.
    Ein Teufelskreis, den man leicht durchbrechen könnte: durch internationale Vereinbarungen der Willigen, wie es Olaf Scholz mit seinem Klimaclub angeregt hatte. Die Gelegenheit wäre in der Ukraine-Krise günstig gewesen: Frankreich hätte mit Deutschland den Prozess in der EU angeschoben, Biden hat mit dem Inflation Reduction Act viele Hundert, auch privater, Milliarden mobilisiert. FDP und CDU sitzen derweil auf der Geldtruhe und verteidigen damit sowohl den Geldwert (wenn weniger ausgegeben wird, gibt es weniger Inflation) als auch die fossilen Profite.

    Der frühere Reporter der Financial Times und Bloomberg-Kolumnist Chris Bryant erläutert Fratzschers zweiten Punkt, die Abgabenbelastung der unteren und mittleren Einkommen bei gleichzeitiger Schonung der Reichen.
    [Bryant 2024]

    Marilena Piesker schaut in der Zeit in einem Vergleich mit der Schweiz noch genauer hin und kritisiert neoliberale Mythen. Zitat:

    "In Deutschland zahlt man viele Steuern – es ist ein sogenanntes Hochsteuerland. Doch längst nicht alle Menschen tun das gleichermaßen. Wer zur Mittelschicht gehört, zahlt im Schnitt 43 Prozent an Steuern und Sozialabgaben auf das eigene Einkommen. Gleichzeitig hat sich der tatsächlich gezahlte Steuersatz der Milliardäre in den vergangenen 30 Jahren halbiert, wie eine neue Studie des Netzwerks Steuergerechtigkeit, Momentum Instituts und Oxfam zeigt.
    Wer in Deutschland Multimillionärin ist, zahlt heute im Durchschnitt nur 29 Prozent an Abgaben auf ihre Einnahmen. Milliardäre kommen sogar noch günstiger weg: Die beiden BMW-Erben Stefan Quandt und Susanne Klatten haben etwa ein geschätztes Vermögen von rund 49 Milliarden Euro. Im Jahr 2022 zahlten die zwei laut einer weiteren Analyse des Netzwerks Steuergerechtigkeit auf ihr Einkommen von fast zehn Milliarden Euro allerdings nur etwa 26 Prozent. [...]
    [Arbeitsplätze in vererbten Firmen seien weniger gefährdet als befürchtet, da] Firmen bei geringen Erbschaftsteuern häufiger an Verwandte gingen und nicht an andere Menschen, die womöglich kompetenter wären, um sie zu leiten."
    [Piesker 2024]


    Wenn eine Person, die in Deutschland steuerpflichtig ist, in ein anderes Land ziehen will, muss sie ihr Vermögen einmalig versteuern, und zwar so, als wäre es Einkommen. Für die meisten vermögenden Personen würde dafür der Höchstsatz von 47,5 Prozent anfallen, was fast die Hälfte des Vermögens wäre. Auch der illegale Weg, bei dem Vermögen etwa heimlich auf ein Konto in Panama oder den Seychellen transferiert wird, ist schwieriger geworden. Der automatische Informationsaustausch zwischen mehr als 100 Ländern, den es seit 2017 gibt, verpflichtet viele Steueroasen dazu, Kontoinhaber offenzulegen.
    Deutschland könnte mit einer Vermögensteuer 73 Milliarden Euro einnehmen. [...] „Mit einer Vermögensteuer für Superreiche können wir sicherstellen, dass ihr Steuersatz auf etwa 40 bis 50 Prozent ansteigt“, sagt Julia Jirmann, Referentin beim Netzwerk Steuergerechtigkeit. Das wäre dann vergleichbar mit dem, was auch die Mittelschicht bezahlt.
    Marilena Piesker

    Der Journalist Bernd Ulrich (stellvertretender Chefredakteur der Zeit) legte bei Anne Will schonunglos offen, auf welche Weise Konservative wie sein Gegenüber, Peter Altmaier, die unteren Einkommensschichten gegen die Klimaopfer ausspielen.

    Der emeritierte Soziologieprofessor der TU Darmstadt Michael Hartmann erläutert die politische Entwicklung im Neoliberalismus, die auch von Sozialdemokraten vorangetrieben wurde. Die politische Elite, sogar aus der SPD, ist für die Ungleichverteilung verantwortlich, die in der Krise am unteren Einkommensende der Gesellschaft für eine massive Wählerwanderung zu rechtsextremen Parteien sorgt.


    Filmtip: Michael Hartmann. Die Eliten und der Aufstieg des Rechtspopulismus. Vortrag an der Volkshochschule Reutlingen am 13.10.2023.
    Youtube: [Hartmann 2023]

    Ihnen schließen sich die Unwilligen und Verunsicherten der Mittelschicht an, die um ihre Privilegien fürchten. Und da schließt sich der Kreis: die Brandstifter des Neofaschismus sind neolibertäre Eliten.

    Die NGO Finanzwende betreibt auf einer Internetseite der Friedrich-Ebert-Gesellschaft eine Uhr, die die Summe der seit 2009 vermiedenen Erbschaftssteuern ausweist.



    Eine Grundannahme des Neoliberalismus: geht es den Reichen gut, prosperiert die Wirtschaft. Mit dieser Doktrin, die Milton Friedman 1970 als Trickle-Down-Effekt formulierte, ließen sich Generationen von Wählern der Mittelschicht die neoliberale Agenda verkaufen.


    Ich bin immer und unter allen Umständen für Steuersenkungen, egal, aus welchem Grund und wann immer sie möglich sind.
    Milton Friedman
    [Stöcker 2022-2]

    Schon lange vorher erklärte der Wirtschaftswunder-Minister Ludwig Erhard (FDP) 1957 in seinem Buch "Wohlstand für alle" die Verteilungsfrage in einer wachsenden Wirtschaft als sekundär: "Es ist viel leichter, jedem einzelnen aus einem immer größer werdenden Kuchen ein größeres Stück zu gewähren, als einen Gewinn aus einer Auseinandersetzung um die Verteilung eines kleinen Kuchens ziehen zu wollen." Sicherlich ist das deutsche Wirtschaftswunder im Wiederaufbau nach einem Weltkriegsdesaster, zudem massiv unterstützt vom Kriegsgewinner USA, der ein "Bollwerk" gegen die Sowjetunion errichten will, ein Extremfall; aber Erhards Einblick in sein Weltbild zeigt uns, dass die fatale, mittlerweile sakrosankte Orientierung am Wachstum axiomatisch war, also von Anfang an unser System begründet, obwohl sie den einfachsten wissenschaftlichen Grundsätzen, die schon ein Kindergartenkind versteht, fundamental widerspricht.
    [Verknüpfung]

    Eine, wenn nicht die, Vordenkerin der Transformationsforschung Donella Meadows brachte den systemischen Irrtum der Wachstumsideologie auf den Punkt.


    Growth is one of the stupidest purposes ever invented by any culture; we’ve got to have an enough.
    We should always ask ‘growth of what, and why, and for whom, and who pays the cost, and how long can it last, and what’s the cost to the planet, and how much is enough?
    Donella Meadows
    [Kensler 2021]

    Das Aufstiegsversprechen ließ die Solidarität schwinden. Lieber kümmerte man sich um die eigene Karriere, als sich für gerechte Verhältnisse zu engagieren, und damit seine Karrierechancen zu gefährden. So hat die Mittelschicht sich letztlich selbst dezimiert.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Im kalten Krieg haben sich die USA mit dem Sowjet-Kommunismus einen imperialen System-Konflikt geliefert, den sie auf der ganzen Welt in Form grausamer Stellvertreter-Kriege ausfochten. Sobald US-Unternehmen in ihren postkolonialen Geschäftsmodellen durch kommunistische Umstürze behindert wurden, gab es Geheimdienstaktionen zur Sabotage und Konterrevolutionen, z.B. in den Ananas- und Bananenrepubliken von Mittel- und Südamerika, in Südostasien oder in den Ölstaaten des Nahen Ostens. Entsprechend wurde der Kommunismus auch im Inneren der USA mit allen Mitteln bekämpft, nachdem mit Henry A. Wallace beinahe ein Sozialist Vize-Präsident geworden wäre. Seit der folgenden McCarthy-Ära wurde jede Art von sozialer Umverteilung in den USA seit Jahrzehnten gleichgesetzt mit Kommunismus, eine Bedrohung des american dream. Die lange Phase wirtschaftlicher Stabilität hat jedoch eine derart stabile Ungleichverteilung entstehen lassen, dass die Erzählung des Aufstiegs "vom Tellerwäscher zum Millionär" immer mehr zu einem Märchen verkommen ist. Doch obwohl mittlerweile Millionen in prekären Verhältnissen ohne soziale Absicherung leben, bleiben Forderungen nach sozialer Umverteilung aus, denn die Erzählung von den unbegrenzten Möglichkeiten und der Verantwortung jedes Einzelnen für sein Schicksal bleibt common sense. Einsatz für in Europa selbstverständliche Sozialleistungen wird auf Wahlplakaten mal als Sozialismus, mal als Kommunismus bezeichnet.
    [Verknüpfung]

    Der amerikanische Philosoph Michael Sandel analysiert das Problem 2020 in seinem Buch "The Tyranny of Merit: What's Become of the Common Good?" (deutsch "Vom Ende des Gemeinwohls - Wie die Leistungsgesellschaft unsere Demokratien zerreißt"). Zitat aus dem Klappentext:

    "Wer hat in unserer Gesellschaft Erfolg – und warum? Unter dem gesellschaftlich unumstrittenen Mantra „Wer hart arbeitet, kann alles erreichen“ haben wir gelernt zu glauben, dass jeder genau das hat, was er verdient. Die Profiteure und Nutznießer dieses Systems, das Erfolg auf Leistung und Talent zurückführt, gehen darum davon aus, dass sie ihren Erfolg verdienen, dass er ihnen zusteht, eben weil sie sich angestrengt haben. Im Umkehrschluss bedeutet das, dass diejenigen, die am System scheitern, selbst Schuld sind.
    Die Hybris der Gewinner ebenso wie die Demütigung der Verlierer befeuern den populistischen Protest, dessen Zeugen wir aktuell weltweit sind. Im Kern zielt der Unmut gegenüber den Eliten auf eine Kritik an der Tyrannei der Leistungsgesellschaft, und diese Kritik ist berechtigt. Seit Jahrzehnten nimmt die Ungleichheit in den demokratischen Gesellschaften zu, Verlierer und Gewinner des Systems entfernen sich sowohl auf sozialer als auch auf finanzieller Ebene immer weiter voneinander.
    Statt an einer trennenden Ethik des Erfolgs festzuhalten, müssen wir an einer Politik des Gemeinwohls und der Gerechtigkeit arbeiten, die allen Mitgliedern der Gesellschaft zugutekommt."
    [Verknüpfung]

    Der Ökonom an der Lyndon B. Johnson School of Public Affairs und der University of Texas James Kenneth Galbraith spricht 2006 über die seinerzeitige USA von der jahrzehntelangen Herrschaft einer "räuberischen Klasse".

    "Today, the signature of modern American capitalism is neither benign competition, nor class struggle, nor an inclusive middle-class utopia. Instead, predation has become the dominant feature — a system wherein the rich have come to feast on decaying systems built for the middle class. The predatory class is not the whole of the wealthy; it may be opposed by many others of similar wealth. But it is the defining feature, the leading force. And its agents are in full control of the government under which we live."
    [Verknüpfung]

    Während der Subprime-Krise 2008 veröffentlichte Galbraith das Buch "The Predator State".
    [Wikipedia 2021 - James K. Galbraith]

    Die aktuelle Misere der amerikanischen Mittelschicht beschreibt ein Artikel in der Zeit.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Der 2022 verstorbene italienische Präsident des EU-Parlaments David Sassoli verknüpft seine Analyse mit einer Lehre aus Corona. Zitat aus einem Zeit-Artikel von Georg Diez von 29.10.2020:

    "Sassoli sagte gerade, dass „nach Jahren des Verschweigens und Verdrängens der Realität von Armut und Marginalisierung“ immer deutlicher werde, dass „eine bestimmte Ideologie“ verantwortlich sei für die Krise, in der wir uns befinden, „eine bestimmte Kultur, die uns glauben machen will, dass unser Planet, unser Leben nur für die Wenigen gemacht sei, denen es gut geht, für unendliches Wachstum auf einer Erde mit unbegrenzten Ressourcen“. Covid-19, sagt Sassoli, habe diese Selbsttäuschung der vergangenen Jahre und Jahrzehnte deutlich gemacht, habe gezeigt, wie fragil unsere Gesellschaften und unser Leben geworden sind."
    Zeit: [Verknüpfung]


    Du bist reich, weil ich arm bin.
    Bertolt Brecht

    In seinem Beitrag zur Tele-Akademie mit dem Titel Das Ende der Mittelschicht bei 3sat entwirft Daniel Goffart, Chefredakteur der Wirtschaftswoche, eine mögliche Zukunft der Arbeit.

    "Wenn die Finanzierung der Sozialsysteme ausschließlich auf dem Faktor Arbeit beruht, der Faktor Arbeit in der digitalen Welt aber eine zunehmend geringere Rolle spielt, dann müssen wir umdenken. Wir müssen sie vom Faktor Arbeit lösen."

    In Goffarts gleichnamigen Buch ist zu lesen:

    "Der nachdrücklichste Beweis für die permanente Ausplünderung der Mittelschicht durch den Staat spiegelt sich in der Tatsache wider, dass man ab einem Jahresgehalt von 54.950 Euro bereits mit dem Spitzensteuersatz belegt wird. … Vor sechzig Jahren musste man noch das Zwanzigfache des Durchschnitteinkommens verdienen, ehe man den Spitzensteuersatz bezahlen musste. Heute reicht dafür das 1,3-Fache. Hinzu kommt, dass der unersättliche Fiskus auch bei allen Reserven zulangt, die sich die Mittelschicht für die Ausbildung der Kinder oder das eigene Alter mühsam abspart. Die ab 2005 geltende nachgelagerte Besteuerung und die Sozialversicherungspflicht von Erträgen aus Lebensversicherungen oder Versorgungswerken vernichtet bei der Auszahlung einen guten Teil des extra Ersparten. Dagegen werden Erbschaftssteuern fast gar nicht mehr erhoben und die Kapitalerträge der wirklich Reichen pauschal mit 25 Prozent besteuert. [S. 38–39] [...]
    Ich frage mich ernsthaft, warum es bei uns eine so große Sympathie für die Datenkraken aus Amerika gibt, die hier in Europa kaum Steuern bezahlen und durch ihre Marktmacht viele kleine Firmen verdrängen oder aufkaufen. Warum lassen wir diese heranwachsenden Kartelle einfach weiter gewähren und im Verborgenen ihre Datennetze ausbreiten? Warum lassen wir es zu, dass wir abgeschöpft, ausgeforscht, manipuliert und verkauft werden? Warum zwingen wir sie nicht zu Transparenz? Es ist so absurd wie gefährlich, wenn zwei, drei Privatunternehmen den gesamten öffentlichen Raum für sich beanspruchen und ihn nach ihren Regeln gestalten und ausbeuten."
    [Verknüpfung] (S. 353–354)

    Im Neoliberalismus wurde die Staatsfinanzierung systematisch von oben nach unten verschoben: Einnahmen aus Kapitalgewinnen wurden von Abgaben entlastet, Einnahmen aus Lohnarbeit mit Abgaben belastet. Die hohen Steuersätze werden nur von den unteren Lohngruppen voll bezahlt, je weiter man nach oben kommt, desto mehr werden Möglichkeiten von Abschreibung und Steuerflucht genutzt. Liberale konnten sich dennoch jahrzehntelang als Anwälte der Lohnempfänger geben, indem sie den Missmut gegen "die da oben" schürten und den schlanken Staat forderten.


    Die Hinnahme der herrschenden Verhältnisse ist die Aufgabe der Politik.
    Daniel Goffart
    [Goffart 2020]

    Wenn die Bürger also nicht bereit sind, an der Gestaltung ihrer Zukunft mitzuwirken, sondern sie einer Obrigkeit überlassen, dann ist die Demokratie in Gefahr.


    Aus dem Aufstiegsversprechen wird in der Krise die Abstiegsdrohung

    Der explodierende Unmut in Deutschland, der während der Ukraine-Krise zum rasanten Aufstieg der AfD führt, wird auch von Wirtschaftsfachleuten in den USA mit Sorge beobachtet. Auch Bloomberg-Kolumnist Chris Bryant sieht eine Benachteiligung von Lohnbeschäftigten zugunsten der Reichen.
    [Bryant 2024]

    Entsprechend lässt sich z.B. in Deutschland eine stetige Abnahme des Anteils von Arbeitseinkommen (Lohneinkommen und Arbeitseinkommen von Selbstständigen) am Volkseinkommen verzeichnen.

    [Verknüpfung]

    pdf (Seite 7): [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Zusätzliches Krisenpotential birgt dabei der Ausstieg der Babyboomer aus dem Erwerbsleben, und ihr Einstieg in den Ruhestand: schlagartig gehen die Staatseinnahmen zurück, und steigen die Sozialleistungen für Minderrenten. Daniel Goffart und Marcel Fratzscher erklären im BR.


    BR bei Youtube: [Verknüpfung]

    In ihrem Buch "Working Class" beschreibt die Autorin Julia Friedrichs ganz konkrete Beispiele von Menschen, die sie ein Jahr lang begleitet hat. Sie hat auch Expert:innen zu Auswegen aus der Krise gefragt. Zum Buch ein Interview in der Zeitschrift jetzt.
    [Verknüpfung]

    Insgesamt deckt der neoliberalistische Staat seinen Finanzbedarf für das Gemeinwohl weniger aus Unternehmen, die von seiner Volkswirtschaft profitieren, und dafür mehr aus Lohn und Konsum der Bürger:innen, was bei mangelnder Besteuerung von Umweltschäden i.d.R. beides mit hohen CO2-Emissionen verknüpft ist. Beispiele: die Emissionen des Verkehrs- und Heizungssektors bleiben ohne Not viel zu hoch, Verpackungen werden ohne Not immer mehr, wobei viele Kunststoffverpackungen ohne Not verbrannt werden müssen, weil ihr Design kein Recycling zulässt. Gegen die Kurzlebigkeit von Konsumprodukten wird nichts unternommen.
    Konsum ist eben die erste Bürgerpflicht.

    Das hielt als "systemrelevant" bezeichnete Unternehmen jedoch nicht davon ab, diesen Staat bei Geldmangel zu Hilfe zu rufen, in der Krise als Geisel zu nehmen: Gewinne werden privatisiert, Verluste sozialisiert. Jüngere Beispiele aus der Zeit vor Corona sind die Finanzkrise 2008, die Gesundheitsreform 2012, die Abwicklung der deutschen Atomindustrie und die Entschädigung von Gläubigern der Sberbank 2022, die auf hohe Zinsen spekuliert haben.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung] [Verknüpfung]

    Zum Ausgleich externer Kosten wurden schon seit Jahrzehnten Steuern auf Ressourcenverbrauch gefordert, aber wenn überhaupt, dann meist nur zaghaft eingeführt, z.B. die CO2-Steuer und die Ökosteuer.

    In der Konsequenz haben sich (auch durch die finanziellen Hebel der Großfinanz) solche Geschäftsmodelle etabliert, die bei hoher Ressourcenintensität, aber geringem Arbeitsaufwand Profit abwerfen - auf Kosten der Konkurrenz ressourcenschonender, arbeitsintensiver Prozesse.
    Anders ausgedrückt: einen nachhaltigen Lebensstil können sich nur Wohlhabende leisten, und diese politisch gestalteten Kostenstrukturen machen die ökologische Frage zu einer sozialen. Einzelheiten zu dieser politischen Gestaltung habe ich oben ausgeführt.

    Also Verschwenden statt aufwändig Vermeiden, neu Produzieren statt Reparieren, vorzeitig dem Müll Zuführen statt länger Benutzen, Müll Beseitigen statt Recyceln.
    Um dieser Tendenz entgegenzuwirken, wurden um die Jahrtausendwende von Rot-Grün sogenannte ökologische Steuerreformen betrieben, die aber nicht konsequent weitergeführt wurden und deshalb weitgehend wirkungslos blieben.

    Während die Zerstörung von Retouren für Amazon lukrativ erscheint und Initiativen zu mehr Reparieren in Deutschland nur von engagierten Kreativen vorangetrieben wird, kümmert sich in Frankreich der Staat um klarere Rahmenbedingungen, die das erleichtern, schon bevor Europa aktiv wird.
    [Verknüpfung]
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    Einen nachhaltigen Lebensstil können sich Wohlhabende leisten - viele von ihnen tun das auch. Insgesamt tragen sie aber mit ihrem Hyperkonsum weit überproportional zum Ökozid bei. Die belgische politische Philosophin Ingrid Robeyns fordert Limitarianismus, eine Begrenzung des maximalen Vermögens.
    [Verknüpfung]


    If everyone is to flourish, we cannot afford the rich. Nor can we afford our own aspirations, which the culture of wealth maximisation encourages.
    (dt.: Wenn es allen gut gehen soll, können wir uns die Reichen nicht leisten. Wir können uns auch nicht unsere eigenen Bestrebungen leisten, die die Kultur der Vermögensmaximierung fördert.)
    George Monbiot
    [Verknüpfung]

    Der deutsche Staat hat sich in vielerlei Hinsicht von der Fossilwirtschaft abhängig gemacht.

    Besonders auffällig: viele rheinischen Kommunen sind durch Beteiligung an den RWE direkt abhängig von deren Profiten aus massiver CO2-Produktion. Ihre Defizite könnten genauso gut von Bund und Ländern ausgeglichen werden - dafür müssten aber wieder bestimmte Klientele Einnahmen hergeben.

    [Verknüpfung]

    In weit höherer Größenordnung liegen die Mineralölsteuer-Einnahmen des Staats. Auch durch diese Abhängigkeit ist Deutschland am beständigen Fluss von Öl und Gas interessiert.

    In ähnlicher Geiselhaft des fossilen Wachstumszwangs befinden sich die Bezieher privater Altersvorsorge. Seit Kanzler Schröder (SPD) wird die staatliche Rente durch subventionierte Privatrenten ergänzt. Der Staat verzichtet damit auf die Möglichkeit, durch geregelte Einnahmen einer staatlichen Rentenkasse für sichere Renten zu sorgen, und gibt der Finanzwirtschaft weitere gigantische Hebel für Spekulationen in die Hand. Vor allem aber liefert er die Interessen der Privatrentner auf Gedeih und Verderb den Launen der Finanzmärkte aus, was in den USA schon Millionen in die Altersarmut getrieben hat. Damit begibt sich der Staat vor allem in das Dilemma, einerseits für das Gemeinwohl der Zukunft mit Klimaschutz zu sorgen, andererseits aber die private Altersversorgung aus fossilen Profiten nicht zu gefährden. Wie Deutschland entschieden sich die meisten Industriestaaten bisher dafür, lieber die Fossilwirtschaft und damit die Anthropozän-Krisen voranzutreiben, weil die Kosten dieser Profite durch Externalisierung von anderen gezahlt werden. Der Generationenkonflikt wird sich dadurch zusätzlich verschärfen.
    Aus all diesen Gründen müssen die Spielregeln für Profite sich nachhaltig ändern. Der Ölstaat Norwegen hat 2015 aus seinem Pensionsfonds - dem größten der Welt - Papiere mit mehr als 30% Kohleinvestments entfernt. Schwedische und kalifornische Fonds sind gefolgt. Ein weiteres Zeichen, dass die Ära der fossilen Brennstoffe endet.
    [Verknüpfung]

    Kein Wunder, dass ganze Generationen junger Leute in der Phantasie aufwuchsen, man könne aus Geld einfach immer mehr Geld machen. Ich habe mich jahrelang gewundert über den hohen Anteil der Abiturjahrgänge, die ihre Zukunft in der Finanzwirtschaft suchten.
    Während die Wertschöpfung durch Lohnarbeit unter Ausbeutung von Ressourcen immer stärker aus den klassischen Industrieländern abwanderte, wurde das Gewicht der Finanzmärkte immer größer. Der Ökonom Bernard Lietaer vom Club of Rome war verantwortlich für die Einführung des ECU in der belgischen Zentralbank, in der Karibik Geschäftsführer des bis dato erfolgreichsten Offshore-Währungsfonds, Berater multinationaler Konzerne und in Südamerika Berater der Regierungen jeweils in Sachen „Optimierung von Devisengeschäften“, in Berkeley Professor für internationales Finanzwesen und Präsident des größten elektronischen Zahlungssystems der Welt. Lietaer rechnete schon 1999 in seinem Buch "Das Geld der Zukunft" vor, dass von allen transferierten Devisen nur 2% für die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen fließen, und 98% für Finanzprodukte. Das berichtet Ernst Ulrich von Weizsäcker im folgenden Video ab 23'56''.
    [von Weizsäcker 2018-1]
    Nachzulesen in der Rezension von Thomas Betz.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Bernard Lietaer]
    Im Video stellt von Weizsäcker seinen jüngsten Bericht für den Club of Rome vor; dabei geht er auch auf andere grundlegende Irrtümer und Probleme der neoliberalen Ideologie ein, u.a. eine Missinterpretation des Moralphilosophen Adam Smith ("die unsichtbare Hand des Marktes") durch die marktradikalen Neoliberalisten: sie betrieben Cherry Picking. Eine Rezension hier:
    [Verknüpfung]
    [von Weizsäcker 2017]
    Eine andere Komplementärwährungs-Ökonomin war Margrit Kennedy.
    [Wikipedia 2022 - Margrit Kennedy]

    Diese Zahlen zeigen, wie gering die notwendigen Mittel für die Befriedigung unserer Bedürfnisse sind, und welche Summen also quasi an Spielgeld in der Welt verschoben werden. Sie erklären auch, warum von privater Seite nur noch so wenig in Realwirtschaft investiert wird, woran auch Konjunkturprogramme wenig ändern: an den Finanzmärkten und durch Immobilienspekulation lässt sich viel schneller das Geld vermehren.
    [Verknüpfung]

    Bernard Lietaer fasst seine Erkenntnisse in seinem letzten großen Interview am 4. Mai 2016 für Monneta in Brüssel zusammen. Er empfiehlt ein Finanz-Ökosystem mit komplementären Währungen, und sieht die Umsetzung nur über Basisdemokratie.


    Don't expect the top to solve the problem. That's going to be a very important ingredient a bottom-up energy that self-organizes. It's the only way that I can see realistically to have the changes implemented that are needed. And well - what are you waiting for? It's going to be affecting your life and the life of your children if we don't solve these problems.
    I think the world we're living in now is very very deeply shaped and limited by the money system that we're using. I'm not against it in absolute terms. In fact I'm saying reform is necessary but not enough because the reform will not go deeply enough while moving to a monetary ecosystem. [That] will provide a very very very broad range of new capacities that will affect not only the material life but also the emotional and spiritual life of humans for many generations to come. And that's the problem that as youth you're going to have to solve.
    Bernard Lietaer



    Youtube: [Verknüpfung]

    Wichtige Wirtschafts- und Gesellschaftswissenschaftler, die die Missstände der Kapitalverteilung, aber oftmals auch Lösungsansätze erklären, sind u.v.a.:

    1. Joseph Stiglitz (Nobel-Gedächtnispreis 2001: 1997-2000 Chefökonom der Weltbank und Wachstumskritker; Klimazoll, WWIII against climate change)
    2. Amartya Sen (Nobel-Gedächtnispreis 1998: Armut, Wohlfahrtsökonomie, feministische Ökonomie; Unterstützer des Stern-Reports)
    3. Robert Solow (Nobel-Gedächtnispreis 1987: Armut, Wohlfahrtsökonomie; Unterstützer des Stern-Reports)
    4. James Mirrlees (Nobel-Gedächtnispreis 1996: Unterstützer des Stern-Reports)
    5. Elinor Ostrom (Nobel-Gedächtnispreis 2009: Gemeinwohl-Forschung)
    6. Paul Krugman (Nobel-Gedächtnispreis 2008: Neue Ökonomische Geographie)
    7. Robert Shiller (Nobel-Gedächtnispreis 2013: Marktversagen, Plutokratie)
    8. William Nordhaus (Nobel-Gedächtnispreis 2018: 2-bis-3-Grad-Ziel 1975, CO2-Preis-Konzept 1977, Klimaclub von Staaten)
    9. Abhijit V. Banerjee (Princeton, Harvard, MIT) und
    10. Esther Duflo (MIT; Nobel-Gedächtnispreis 2019: Poor Economics - Wirtschaftsbuch des Jahres der Financial Times FT 2011)
    11. Angus Deaton (Nobel-Gedächtnispreis 2015 "für seine Analyse von Konsum, Armut und Wohlfahrt")
    12. Sir Nicholas Stern (Chefökonom der Weltbank: Stern-Report 2006)
    13. Jeremy Rifkin (Konzept der collaborative commons)
    14. Nouriel Roubini (Hebrew University Jerusalem, Harvard, Yale, Berater der US-Regierung, Stern School of Business New York: Vorhersage der Asien-Krise 1997 und der Subprime-Krise 2004)
    15. Ann Pettifor (Green New Deal 2008, dysfunktionales Geldsystem)
    16. David Hope und
    17. Julian Limberg (London School of Economics 2020: The Economic Consequences of Major Tax Cuts for the Rich)
    18. Michael Hudson (Kapitalkonzentration)
    19. Sandra Navidi (renommierte Beraterin: toxische Kapitalkonzentration, Super Hubs 2016)
    20. Gabriel Zucman (Steuergerechtigkeit)
    21. Thomas Piketty (Kapitalkonzentration)
    22. James Kenneth Galbraith (Lyndon B. Johnson School of Public Affairs: The Predator State 2008)
    23. Noreena Hertz (King's College, University College London: Generation K)
    24. Jeffrey Sachs (Harvard, Columbia University, National Bureau of Economic Research: Kritik an deutscher Austeritätspolitik in der griechischen Schuldenkrise, Schuldenerlass für Länder des Globalen Südens, Regenerative Society Foundation 2020)
    25. Marcel Fratzscher (Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung DIW: Ungleichheit)
    26. Peter Bofinger (Universität Würzburg, Rat der Wirtschaftsweisen, Economics for Future)
    27. Heiner Flassbeck (Universität des Saarlandes Saarbrücken, Freie Universität Berlin, Hamburger Universität für Wirtschaft und Politik, Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen, Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung DIW, Chefvolkswirt der Konferenz der UN für Handel und Entwicklung UNCTAD: Nachfrageorientierung nach Keynes, einzelwirtschaftliche Partikularinteressen destabilisieren die Marktwirtschaft, auch diesbezüglich Kritik an der Struktur des wiedervereinigten Deutschland und der Währungsunion)
    28. Mathias Binswanger (Universität St. Gallen, Universität Kassel, Universität Basel: Wachstumszwang der Geldwirtschaft 2019)
    29. Hans Christoph Binswanger (Universität St. Gallen, Universität Zürich, Direktor der Forschungsgemeinschaft für Nationalökonomie FGN-HSG, erster Direktor des Instituts für Wirtschaft und Ökologie IWÖ-HSG: Kritik an der Ignoranz des Produktionsfaktors Natur, Wachstumszwang, "Die Glaubensgemeinschaft der Ökonomen" 1998, ökologische Steuerreform; Adam-Smith-Preis für marktwirtschaftliche Umweltpolitik 2004)
    30. Graeme Maxton (Cass Business School London, Club of Rome: Die Wachstumslüge 2011)
    31. Adam Tooze (Columbia University: Staatsverschuldung für Klimaschutz)
    32. Silja Graupe (Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung: Ökonomische Bildung: Die Geistige Monokultur der Wirtschaftswissenschaft und ihre Alternativen (2013), Die Entleerung der Bildung – Ökonomisierung als radikales Reframing (2021))
    33. Norbert Häring (Handelsblatt, Financial Times Deutschland: Endspiel des Kapitalismus)
    34. Timm Gudehus (Ökonomie-Fachbuchautor: Neue Geldordnung, Springer 2016)
    35. Leopold Kohr (Einfluss auf die teilautonomen Ökonomien von Anguilla und Wales; small is beautiful, slow is beautiful)

    Die Kostenabwägung von Klimawende vs. Klimaschäden erklären u.a.:

    1. Mariana Mazzucato (London Business School, University College London; Der unternehmerische Staat 2013)
    2. Gaya Herrington (KPMG, Update to Limits to Growth 2021)
    3. Partha Dasgupta (Harvard, Princeton, London School of Economics, Cornell; Dasgupta Review 2021)
    4. Claudia Kemfert (Deutsches Institut für Wirtschaft DIW, 2004)
    5. Nicholas Stern (Chefökonom Weltbank; Stern-Report 2006: "größtes Marktversagen der Geschichte"; Statement in Attenboroughs "Extinction - the Facts")
    6. der WBGU der Bundesregierung 2007
    7. Ortwin Renn (Clark University Worcester USA, ETH Zürich, Dekan der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften an der Universität Stuttgart 2013-2016, wissenschaftlicher Direktor des Potsdamer Institute for Advanced Sustainability Studies IASS 2016, Ehrendoktor der ETH Zürich 2007 und der Mittuniversiteit Schweden 2020, Honorarprofessur TU München, Fellow der American Association for the Advancement of Science AAAS und Mitglied im Präsidium der Deutschen Akademie für Technikwissenschaften Acatech 2002, Mitglied in nationalen und internationalen Evaluierungskommissionen und Senatsausschüssen (u. a. Helmholtz-Gemeinschaft und Leibniz-Gemeinschaft), Mitglied im Senat der Berlin-Brandenburger Akademie der Wissenschaften BBAW, Direktor der Akademie für Technikfolgenabschätzung in Baden-Württemberg 2001, Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Risiko-Dialog, St. Gallen 2010, Sprecher der Helmholtz-Allianz "Zukünftige Infrastrukturen der Energieversorgung - Auf dem Weg zu Nachhaltigkeit und Sozialverträglichkeit" 2012, Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung an der Universität Stuttgart ZIRIUS 2012, Präsident der Internationalen Gesellschaft für Risikoanalyse SRA 2012, Science and Technology Advisory Council des EU-Kommissionspräsidenten 2013, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina 2018: Die alternative Bewegung 1985, Leitbild Nachhaltigkeit 2007, Zeit der Verunsicherung - was treibt Menschen in den Populismus? Der gesellschaftliche Diskurs in postfaktischen, postethischen, postdemokratischen Zeiten 2017)
    8. Tony Seba (Dozent in Stanford: Clean Disruption of Transport and Energy 2014)

    Piketty: "Das Kapital frisst die Zukunft": [Spiegel 2014]
    Ostrom: [Stollorz 2011]
    Krugman: [Wikipedia 2019 - Paul Krugman - Wirtschaftspolitische Standpunkte]
    Hope und Limberg: [Verknüpfung]
    Navidi: [Wikipedia 2019 - Navidi]
    Binswanger: [Verknüpfung]
    Robert Shiller spricht wie Krugman 2014 vom Weg in die Plutokratie und knüpft damit an die Warnung des konservativen Präsidenten Eisenhower vor dem militärisch-industriellen Komplex bei seiner Abschiedsrede an.
    [Verknüpfung]
    Silja Graupe ist einer der Interview-Partner des SWR im Beitrag "Realitätsferne Wirtschaftswissenschaft – Das VWL-Studium in der Kritik" von Stefan Fuchs. Wegen der einseitigen Fixierung der deutschen Ökonomie auf Neoklassik gründete sie mit dem Ökonom und Kulturwissenschaftler Walter Ötsch die Cusanus Hochschule für Gesellschaftsgestaltung in Bernkastel-Kues, die mittlerweile nach Koblenz umgezogen ist.
    SWR: [Verknüpfung]
    Manuskript: [Verknüpfung]
    Tony Seba: [Wikipedia 2022 - RethinkX]
    Kohr: [Wikipedia 2021 - Leopold Kohr]
    Filmtip: Small is beautiful - die Rückkehr zum menschlichen Maß - Leopold Kohr
    [Verknüpfung]

    Ein großer Teil der Fachleute ist sich einig: Man muss Kapitalismus vor Kapitalisten schützen. Für die auf Adam Smith anspielende Frage, warum "Nationen scheitern" untersuchen Daron Acemoglu und James Robinson 12.000 Jahre Geschichte und blicken damit weiter zurück als der Anthropologe David Graeber in seinem epochalen Werk "Schulden".
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Sehr gut lesbare Einführung ins Thema durch Gabriel Zucman in Die Zeit.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Joseph Stiglitz argumentiert in die Zeit mit Wirtschaftshistoriker Adam Tooze (Columbia Universität) für Staatsinterventionismus und gegen die neoliberale Klima-Finanzpolitik eines Christian Lindner.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der Wirtschaftsethiker Martin Kolmar erklärt, dass die unsichtbare Hand des Marktes die externen Effekte nicht adressiert und deshalb auch nicht funktioniert.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Einige dieser Autoren wurden während und nach der letzten Finanzkrise bekannt. Sie erklärten das Zustandekommen dieser und vorangegangener Krisen, haben sie z.T. vorhergesagt. Doch jetzt werden ihre Thesen - nachdem die Finanzwelt durch weitere Verschuldung der Staaten gerettet wurde - wieder von deren Interessenvertretern z.T. als linke Ideologie abgetan. Dabei sind etliche Träger des Nobel-Gedächtnispreises für Wirtschaft darunter.
    Die wissenschaftlich und u.a. aus dem New Deal real belegten Potentiale staatlicher Intervention werden in gleicher Weise bewusst verheimlicht oder diskreditiert, wie bisher die Fakten der Klima- und Biodiversitätskrise heruntergespielt und vor Alternativen Ängste geschürt werden: politisch motivierte Desinformation.

    Deutliche Anzeichen, dass das neoliberale, fossile System wankt, sind die brachialen Markteingriffe in republikanisch regierten US-Bundesstaaten gegen Divestment und der Absturz der Trickle-Down-Politikerin Liz Truss in Großbritannien.
    Auch das Jahresgutachten 2022 der sogenannten "Wirtschaftsweisen", eines Beratergremiums der Bundesregierung, fordert Umverteilung und Sparanreize gegen fossile Verschwendung.

    Ein Blick auf die radikalliberalen Ursachen der Weltwirtschaftskrise, welche Folgen sie in Europa hatte und der gemeinwohlorientierte Staatsinterventionismus, durch den sie in den USA überwunden wurde, wäre hier sehr hilfreich.
    Und so werden Gewinne weiter privatisiert, und Schäden sozialisiert oder externalisiert. Statt mit globalen Gerechtigkeitsfragen und Zukunftsprognosen beschäftigt man sich lieber mit schlankem Staat und steigenden Außenhandelsbilanzen (Verlierer sind die Unterprivilegierten) und dem ewigen Wachstum des BIP (die Vernichtung von Ressourcen trifft die Verlierer von morgen).

    Gemäß dem ifo Zentrum für Makroökonomik und Befragungen haben reiche Menschen in Deutschland bei der Senkung ihrer Steuerlast weit mehr Möglichkeiten als in anderen Industrienationen. Der Leiter des Instituts Andreas Peichl sagte dem Spiegel, in Deutschland läge das zu versteuernde Einkommen um mehr als 20 Prozent unter das Brutto-Einkommen gesenkt, in den USA um 12 Prozent, bei den OECD-Staaten im Schnitt bei 10 Prozent. Man nennt diese Rechenmodelle auch "Steuerschlupflöcher".
    Tagesschau: [Verknüpfung]


    Das heißt: Bei uns haben Reiche viel mehr Möglichkeiten, sich arm zu rechnen.
    Andreas Peichl


    Selbst Milliardäre wie George Soros oder Nick Hanauer kritisieren die Politik, die zu der aktuellen Verteilungssituation geführt hat. Sie wissen genau, dass eine Gesellschaft mit einer derartigen Ungleichverteilung scheitern muss.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Hanauers TED-Talk bei Youtube: [Verknüpfung]
    Besonders George Soros ist schon lange extremen antisemitischen Verschwörungsvorwürfen ausgesetzt. Schon die Nazis haben linke Tendenzen mit der antisemitischen Erzählung einer jüdischen Weltverschwörung verbunden.
    Es gibt trotz dieser rechts-autoritären Widerstände eine wachsende Bewegung von Millionären, die höhere Verteilungsgerechtigkeit einfordern, z.B. in den Organisationen Millionaires for Humanity und tax me now.
    In beiden Organisationen aktiv ist der Millionär und Unternehmensberater Gerd Hofielen, der sich auch in der Gemeinwohlökonomie engagiert.
    [Verknüpfung]
    Diese beiden haben sich mit Patriotic Millionaires zur Kampagne in tax we trust zusammengeschlossen.
    in tax we trust: [Verknüpfung]
    Millionaires for Humanity: [Verknüpfung]
    Patriotic Millionaires: [Verknüpfung]
    Die BASF-Erbin Marlene Engelhorn fordert als eines der Gesichter der Initiative taxmenow eine hohe Besteuerung von Erbschaften.
    taxmenow: [Verknüpfung]
    taxmenow: [Verknüpfung]

    Was habe ich davon, wenn ich alleine superreich bin? Dann bin ich ganz allein.
    Marlene Engelhorn

    Im Januar 2022 haben die Patriotic Millionaires in einer Studie eindrucksvoll die Dimensionen dessen beziffert, was mit bescheidenen 2-5% an progressiver Reichen-Steuer bewirkt werden könnte: 2,5 Bio US-$ p.a., das heißt soziale Absicherung für 3,7 Milliarden Menschen.
    Angesichts dieser Zahlen ist das 1992 gegebene Versprechen der Industrieländer einer Friedensdividende von 100 Milliarden p.a. ein Schlag ins Gesicht der Menschen im globalen Süden. Dass dieses Versprechen mit dem Klimaabkommen in Paris für Klimafolgenanpassung erneuert wurde, macht es noch weit schlimmer, denn diese Gelder sind Almosen aus den Profiten des Ökozids. Und dass dieses Versprechen bisher noch jedes Jahr gebrochen wurde, ist für den globalen Süden, die ehemaligen Kolonien, ein weiteres historisches Verbrechen, und eine Schande für die Bürger:innen der Industrieländer.

    Der Club of Rome fordert im September 2023 in seiner Kampagne Earth for all die G20 vor ihrem nächsten Treffen dringend zur Einführung von Reichensteuern auf. Dazu nennt er erdrückende Argumente.

    • Im letzten Jahrzehnt verzeichneten Personen mit mehr als 50 Millionen US-Dollar einen Vermögenszuwachs von 18,3 %, während Milliardäre einen Vermögenszuwachs von 109 % verzeichnen konnten.
    • Nur 4 Cent von jedem Dollar Steuereinnahmen stammen aus Vermögenssteuern.
    • Seit 2020 hat das reichste 1 % fast zwei Drittel des gesamten neuen Vermögens erworben. Das Vermögen der Milliardäre wächst täglich um 2,7 Milliarden US-Dollar.
    • Für jeden Dollar an neuem Vermögen, den jemand aus den unteren 90 % anhäuft, hat einer der Milliardäre der Welt 1,7 Millionen Dollar gewonnen.
    • Die Hälfte aller Millionäre zahlt keine Erbschaftssteuer und gibt 5 Billionen US-Dollar steuerfrei an die nächste Generation weiter.
    • Der durchschnittliche Steuersatz für die Reichsten ist von 58 % im Jahr 1980 auf 42 % in den OECD-Ländern gesunken.
    • Die Steuer auf Kapitalgewinne – typischerweise die wichtigste Einnahmequelle für das oberste 1 % – beträgt in mehr als 100 Ländern durchschnittlich nur 18 %.
    • In den Boomjahren der 1950er und 1960er Jahre betrug der höchste Grenzsteuersatz der US-Bundeseinkommensteuer 91 %, die Erbschaftssteuer lag bis 1975 bei 77 % und die Körperschaftssteuer bei über 50 %.

    Morris Pearl, der Vorsitzende der Patriotic Millionaires war bis 2014 Geschäftsführer des weltgrößten Vermögensverwalters BlackRock.


    In den letzten Jahrzehnten ist die Vermögensungleichheit weltweit sprunghaft angestiegen. Die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich hat die Weltwirtschaft destabilisiert, den Aufstieg extremistischer Politik verschärft und das Gefüge unserer Gesellschaftsordnung ins Wanken gebracht. Als ultrareiche Person, die eine Organisation gleichgesinnter wohlhabender Menschen vertritt, fordere ich die G20 auf, uns zu besteuern. Die Staats- und Regierungschefs der größten Volkswirtschaften der Welt müssen schnelle und entschlossene Maßnahmen koordinieren, um das gefährliche Ausmaß der Ungleichheit zu verringern. Wenn es ihnen nicht gelingt, extremen Reichtum zu besteuern, werden die Folgen eine dauerhaft geschwächte Weltwirtschaft, der Niedergang demokratischer Institutionen und zunehmende soziale Unruhen sein. Die G20 müssen handeln.
    Morris Pearl
    Club of Rome: [Verknüpfung]

    Nach vier Jahrzehnten Neoliberalismus und immer schneller abfolgenden Finanzkrisen wird seit Jahren eine epochale Finanzkrise vorhergesagt; aber es gibt auch endlich Gegenbewegungen: am 08.06.2019 vereinbaren OECD- und G20-Wirtschaftsminister Reformen zur Besteuerung großer internationaler Konzerne, u.a. der Internet-Giganten.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Jetzt, wo diese Lage jetzt mit dem absehbaren Platzen der Carbon Bubble mit der Corona-Pandemie zusammentreffen, treibt die US-Finanzministerin Janet Jellen unter dem neuen Präsidenten Biden endlich diese Idee, Unternehmenssteuern global zu harmonisieren, voran.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die G7-Staaten haben - angesichts leerer Kassen - im Frühjahr 2021 endlich eine Absichtserklärung von GloBE, einer Mindeststeuer von 15%, unterzeichnet; auch eine Besteuerung in dem Land, wo der Umsatz entsteht, ist geplant.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    GloBE ist die Weiterentwicklung (pillar 2, Säule 2) des Projekts von OECD und G20 Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting BEPS. Damit sollen die Gewinne vor allem da besteuert werden, wo sie erwirtschaftet werden, und nicht im Land des Firmensitzes.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    EY: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Base Erosion and Profit Shifting]
    Bisher (April 2023) haben über 100 Staaten, u.a. USA, Indien und die EU außer Zypern, Estland, Ungarn und Irland unterzeichnet.
    [Verknüpfung]
    Im Mai 2023 wurde Ungarns Widerstand durch Verhandlungen gebrochen.
    SZ: [Verknüpfung]

    Ein Team von Ökonomen um Bernard Lietaer diskutierte für den Club of Rome 2012 in "Money and Sustainability - the missing link" die Krise der monetären und ökologischen Verschuldung und mögliche Alternativen. Zwischen 1970 und 2010 zählen sie 425 Geld-Systemkrisen. Damals belastete die Griechenland-Schuldenkrise die europäische Union, so dass nach der Subprime-Krise die Diskussion wieder aufkochte.
    Der Report analysiert die Wirkungen der global vorherrschenden Wirtschaftspolitik der Austerität, also der Wahrung der Besitzstände der Wohlhabenden. Sie funktioniert durch die globale Verbreitung von Leitwährungen, die unter den gegebenen Ungleichgewichten zur Ausbeutung des Menschen und seiner natürlichen Ressourcen führen, und der Konzentration auf Kartelle und Monopole. Er entwirft eine Ergänzung des Währungssystems mit komplementären, regionalen Währungen, die wieder eine lokale Wertschöpfung ermöglichen.
    [Verknüpfung] (pdf)


    It would be naïve to think that innovations are magic bullets to solve all our problems. We can no longer afford to overlook new currencies that could promote sustainability.
    Bernard Lietaer
    [Verknüpfung]

    Widerstand gegen die ökonomischen Missstände ist eine mühsame politische Arbeit, die in der Öffentlichkeit - trotz eines verbreiteten latenten Missmuts - kaum Beachtung findet.
    Tax Justice Network: [Verknüpfung]
    Finanzwende e.V.
    Europäische Beobachtungsstelle Steuerpolitik: [Verknüpfung]







    Wie sehr demokratische Politiker darin versagen, ihren Bürgern die Wahrheit zu sagen und damit den Lügen von Populisten den Weg bereiten, erklärt Thomas Assheuer in Die Zeit. Er zeigt, wie sich die Geschichte wiederholt. Schon vor der letzten Welle des Faschismus, die die Welt in den Zweiten Weltkrieg stürzte, gab es prominente Warnungen von Gesellschaftswissenschaftlern wie Georg Simmel und Max Weber.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Seit dem Zweiten Weltkrieg sind die Fossil-Investoren mit kapitalistischen Demokratien bisher gut gefahren. Das Aufstiegsversprechen hat große Teile der Bevölkerungen zu Höchstleistungen inspiriert - die oft genug bis zur Selbstausbeutung und Erschöpfung führen. Doch über Lobbyismus und Korruption wird der Wettbewerb auf den vielen Märkten verzerrt, so dass irgendwann das Sprichwort seine Existenzberechtigung beweist: wer hat - egal ob Betriebsanteile, Schürf- oder Bohrrechte, Immobilien, Patente, Datenzugriff oder Gold - dem wird gegeben.

    Dabei haben die linksliberalen Parteien wie SPD in Deutschland und Demokraten in den USA in den Zeiten wuchernder Wirtschaften die Interessen der unteren Mittelschicht aus den Augen verloren. Damit legten sie eine weitere Grundlage für den Erfolg der Rechtspopulisten. Walter Ötsch geht im Interview mit Florian Rötzer über den neoliberalen Vordenker Walter Lippmann auf die Rolle der linksliberalen Parteien ein, Zitat:

    "Die historische Tragödie der Sozialdemokraten ist ja auch, dass sie ihren eigenen Beitrag zu dieser Entwicklung nicht erkannt hat. Die SPD müsste sich damit auseinandersetzen, welche Folgen Hartz IV mit sich gebracht hat, jenseits von Effizienzüberlegungen. Auch die Ökonomen unter Obama, die in hohem Maße aus der Clinton-Administration stammten, konnten ihren Betrag in der Handhabung der Finanzkrise 2008 nicht erkennen, es hat dabei auch eine Kontinuität von Bush auf Obama gegeben. Auch die amerikanischen Demokraten reflektieren ihren Beitrag zur Entstehung der Wut von unten nicht. Das konnte Donald Trump aufgreifen und das hat ihn groß gemacht. [...]
    Auch angesichts der kommenden Klimakatastrophe gibt es kein prinzipielles Erkenntnisdefizit. Das Problem liegt in der aktuellen ökonomisierten Gesellschaft, weil der Ort der Produktion eines gesicherten Wissens, der früher die Universitäten waren, durch den Neoliberalismus erodiert ist. Genau wie Sie sagen: Das gilt es wiederherzustellen, aber dafür muss der Strukturwandel durch die Ökonomisierung verstanden werden."
    Teil 1: [Verknüpfung]
    Teil 2: [Verknüpfung]


    Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten.
    Marc-Uwe Kling
    [Verknüpfung]

    Immer wenn die Ungleichverteilung im Kapitalismus krisenhafte Züge annimmt, werden in der Zivilgesellschaft die linkspolitischen Rufe nach Umverteilung lauter. Zusätztlich droht jetzt auch noch der Verlust des fossilen Geschäftsmodells. Deshalb verbreitet die rechtskonservativ-wirtschaftsliberale Oberschicht einfache, alternative Erzählungen, um den Status Quo zu erhalten. Sie schürt in der Bevölkerung die Angst vor Kontrollverlust. Wenn die Demokratie nicht im Stande sei, die Dinge zum Wohle "der Volksgemeinschaft" zu regeln, sei ein Verzicht auf Demokratie das geringere Übel.
    [Verknüpfung]

    Populisten versprechen vordergründig eine Politik für die Benachteiligten, die Verlierer des Systems. Doch in Wirklichkeit konservieren sie - wie alle bürgerlichen Parteien - die Ursache der Misere, die ungerechten Besitzverhältnisse. Egal ob diese auf legalem Wege entstanden sind oder auf illegalem, aber per Korruption toleriertem Wege. Allerdings begünstigen autoritäre Populisten die Reichen mehr als alle anderen, z.B. die AfD und die NSDAP. Die Begründung ist je nach Weltanschauung mal sozialdarwinistisch, mal religiös, jedoch immer strikt obrigkeitshörig: "die natürliche bzw. göttliche Ordnung ist nicht anzuzweifeln". Es sei denn, Populisten erklären eine reiche Minderheit zu Sündenböcken, an deren Enteignung sie sich dann bereichern, wie die Juden im Holocaust; oder sie zerschlagen eine kommunistische Diktatur und errichten dafür eine rechte. China und auch Russland sind Beispiele dafür, wie alte kommunistische Eliten auch im neuen System profitieren können.
    Narzisstische Politiker sind auch in der Demokratie besonders anfällig für Korruption und tendieren oft zum Populismus. Korruptionsbekämpfung ist einer der wichtigsten Stabilisatoren einer Demokratie. Wo immer auch nur die kleinste Korruption in der Demokratie öffentlich wird, schüren oppositionelle Populisten Verdruss daran, und verbreiten die Erzählung, Schuld sei eine immanente Schwäche der Demokratie. Doch wo echte Populisten an die Macht kommen, blüht die Korruption erst richtig auf - allerdings im Verborgenen, denn Systemkritik ist gefährlich, oft tödlich.
    tagesspiegel: [Verknüpfung]
    Bundeszentrale für politische Bildung bpb: [Wolf 2021]
    Deutscher Präventionstag: [Verknüpfung]
    psychologie aktuell: [Verknüpfung]

    Hinter Populisten stecken seit je her reiche Investoren, ihre Banken und auch die Mafia.
    Wie diese sich als übergeordnete globale Macht zwischen dem westlichen Bündnis freiheitlicher Demokratien und den kommunistischen Diktaturen im Ostblock etablieren und ein gewaltiges System von steuerfrei deponiertem Geld und Geldwäsche schaffen konnten, und wie schließlich Putin in Russland ein eigenes Mafia-Imperium errichten konnte, davon berichtet die arte-Reihe "Mafia und Banken". Der Ostblock lieferte billige Rohstoffe und stellte billige Arbeiter, der Westen zahlte mit harten Devisen und diente als Opfer für organisierte Kriminalität, die Eliten aus Ost und West verbargen ihr Vermögen vor der Steuer in Steuerparadiesen, wo auch kriminelle Gelder gewaschen wurden.


    Power tends to corrupt and absolute power corrupts absolutely.
    Lord Acton
    Korruption = Entscheidungsmonopol + Ermessensspielraum – Rechenschaftspflicht.
    Robert Klitgard
    Bundeszentrale für politische Bildung bpb: [Wolf 2021]



    Filmtip: Mafia und Banken. arte 2023
    Teil 1: Die Pionierzeit. Youtube: [Verknüpfung]
    Teil 2: Follow the Money. Youtube: [Verknüpfung]
    Teil 3: Grenzenloses Verbrechen. Youtube: [Verknüpfung]

    Wie üblich suchen Populisten die Schuld für die von reichen Eliten verursachte Misere woanders - bei anderen Nationen, Minderheiten, Subkulturen und Migranten. Diese Erzählungen haben schon in den 30er Jahren den europäischen Faschismus ausgelöst.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Studie: [Clewer 2019]
    Telepolis: [Verknüpfung]
    Zu den Finanziers der AfD gehören der Nazibankiers-Sohn August von Finck, dessen Vater in Nazi-Deutschland jüdische Großbanken "arisierte" und damit zum reichsten Deutschen wurde, und der Immobilien-Milliardär Henning Conle.


    Nur die allerdümmsten Kälber wählen ihren Metzger selber."
    Wahlspruch der SPD um 1900
    [Verknüpfung]

    In der Krise des 21. Jahrhunderts geht es nicht primär um Geld, sondern auch um natürliche Ressourcen. Doch auch diese Krise befeuert den Faschismus.

    Jahrzehntelang leugneten rechte Klimaskeptiker die anthropogene Erwärmung, und bezeichneten die Klimaschützer als "Klimafaschisten". Mittlerweile begrüßen sie die Klimakrise als willkommenes Werkzeug eines rassistischen Genozids - das ist jetzt also echter, ungeschminkter Klimarassismus und Klimafaschismus im Wortsinn; er ist oft gepaart mit echtem Ökofaschismus, der Umweltschutz nur in der persönlichen Umgebung einfordert, dem aber die Lebensbedingungen anderswo egal sind.
    Hier gilt es jedoch eine empfindlich wichtige Grenze zu ziehen vom grundsätzlich rechtsstaatlichen Wirtschaftsliberalismus zum rechten Libertarismus. Matthias Quent vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft IDZ in Jena und Professor für Soziologie in Magdeburg beschreibt im Podcast Wochendämmerung mit Katrin Rönicke und Holger Klein das neue Phänomen.
    Podcast Wochendämmerung: [Verknüpfung]
    Alternativer Stream: [Verknüpfung]


    Klimawandel ist ja eigentlich gar nicht menschengemacht in dem Sinne, dass alle Menschen etwas dazu beigetragen haben, sondern die Ursachen, die Verantwortungen sind ungleich verteilt. Das heißt die reichsten zehn Prozent müssen sich sicher viel mehr verändern, und die allerreichsten ein Prozent nochmal extremer, und müssen auch mehr hergeben, um dem Herr zu werden.
    Das ist historisch [...] auch [...] sehr tragisch immer wieder bestätigt worden, dass wenn der Kapitalismus unter Druck gerät, und diese extreme Ungleichheit unter Druck gerät, der Faschismus als ein Verteidigungsmodus eine Option ist. Dass man also sagt, "ehe ich meine Privilegien, ehe ich den Kapitalismus aufgebe, dann gebe ich eben die Demokratie auf." [...]
    Die ganz klassische Kategorie [für Faschismus] ist schon [...] nicht nur das Rassistische, das Völkische, das Rechtsextreme, historisch seit der Französischen Revolution die Politik der Ungleichheit und die Politik der individuellen Freiheit, aber in dem Moment, wo diese Ungleichheit so extrem wird und die eigene Freiheit so extrem wird, dass andere Menschen darunter leiden, dass andere Menschen darunter sterben, dann sind wir an der Schwelle, wo die Verteidigung dieser Ungleichheit ins Faschistische schwappen kann.
    Und diese Schwelle ist besonders dann nahe, wenn sich alte Eliten gemein machen mit ich sage mal dem Mob - etwas umgangssprachlich, also mit zum Beispiel den Demonstrant:innen der AfD. [...] Wir reden nicht über die FDP, das würde ich zurückweisen. Aber wir sehen, dass es libertäre Kreise gibt, die sich in der FDP auch selber so bezeichnen, [...] eher junge Leute gerade im Umfeld dieses ganzen Bitcoin-Hypes hat sich eine neue Form von Rechtslibertarismus etabliert, der sozialstaatsfeindlich ist und damit auch verfassungsfeindlich ist in einer Art und Weise, und wo die Abgrenzung nicht so plausibel und stark [ist] wie etwa zum völkischen Nationalismus, den man ja der FDP nun wirklich nicht vorwerfen kann, aber dass es eine Radikalisierung auch in eigentlich liberalen demokratischen Kreisen gibt, bis zum Sprachlichen eines Herrn Kubicki, das würde ich schon bestätigen. Aber ich würde das nie der FDP vorwerfen, da gibt es viele Leute, die eher auf der Seite der Demokratie als auf der Seite des Kapitalismus stehen würden, in so [...] einem fiktionalen Endzeit-Szenario
    . [...] Aber ja, keine politische Richtung ist vor so einer faschistischen Radikalisierung gefeit.
    Matthias Quent

    Entscheidend bei der Beurteilung ist der Unterschied zwischen Libertarismus und Liberalismus. Quent zieht eine klare Grenze.

    "[Libertarismus] ist Anarchie für Reiche. Das hat ja auch einen bürgerrechtlichen Aspekt, und der ist ja auch legitim, also individuelle Rechte vor dem Staat zu schützen. Das ist 'ne ganz, ganz wichtige Sache. Hier geht es aber eigentlich darum, staatliche Eingriffe im Hinblick auf sozialen Ausgleich ganz abzuschalten. Also es geht nicht nur um Verteidigungsrechte, sondern es geht um Überlegenheitsrechte. Also sozusagen, dass alle Formen von Freiheit, die wir so kennen eigentlich, dass es immer die Freiheit der anderen mit meint. Also meine Freiheit endet da, wo ich die Freiheit des Anderen oder der Anderen beeinträchtige. Der Libertarismus geht darüber hinweg und [...] eigentlich ist es eine Form von Survival of the Richest, wenn man das so sagen will. Das konnte man bei den Corona-Demos sehr stark sehen, wie dieser Hass auf den Staat, auf staatliche Eingriffe radikalisiert wurde zu einer wirklich generellen Ablehnung von einer Politik des Ausgleichs, auch der Politik einer Gemeinschafts-Verantwortung.
    Also individuelle Rechte gegen staatliche Übergriffe zu verteidigen, das ist völlig elementar demokratisch, daran möchte ich keinen Zweifel aufkommen lassen. [Liberalismus ist] die Möglichkeit zur individuellen Verwirklichung, individuelle demokratische Freiheit, Rechte."


    Aber wie gesagt, jede Richtung ist radikalisierbar und [so gibt es] eine radikalisierte Form insbesondere des marktorientierten Liberalismus, wo es eben nicht darum geht, dass [...] alle Menschen dieselben Chancen haben. Es gibt extreme Chanceneinschränkungen, die struktureller Natur sind. Dazu gehört Rassismus, dazu gehören Formen von Sexismus, dazu gehört ganz klassisch Klassismus. Bildungsschwierigkeiten, alle möglichen Hemmnisse, die sich im System ausdrücken.
    Liberal ist zu sagen: "wir müssen diese Hemmnisse überwinden, um zu einer Situation zu kommen, wo tatsächlich eine Chancengleichheit für alle besteht". Und libertär wäre zu sagen: "Ja, mir doch egal, wie es den anderen geht. Hauptsache, ich komme so weit wie es geht nach oben."
    [... Klein:] Dann landest Du mit Sicherheit im Faschismus. [Quent:] Ja, absolut.

    Matthias Quent und Holger Klein im Gespräch

    Damit kommt Quent zum Schluss: angesichts der Ungerechtigkeiten und der wirklich beängstigenden äußeren Umstände ist Aufgeben dennoch prinzipiell die schlechteste Option.

    "[Klein:] Jetzt sieht's ja im Moment so aus, als würde die Welt untergehen, im Sinne der Klima-Apokalyptiker. Wir werden das 1,5-Grad-Ziel nicht halten. [...] Die Folgen des Klimarassismus werden für die Opfer immer spürbarer, in was für einer Welt finden wir uns dann wieder irgendwann? Die Rechte verschwindet davon nicht, die Opfer verschwinden davon nicht. Was für [...] eine Gesellschaften-Struktur würden wir dann sehen [...]?
    [Quent:] Die [Optionen] für eine klimagerechte Welt [...], die Modelle liegen ja auf dem Tisch. Es mangelt nicht an Studien und Analysen, wie das alles möglich wäre, dass es sogar billiger wäre, als wenn man so weitermacht, und die Klima- und Wetterkatastrophen in der Zukunft bezahlen müsste. Dass es selbst innerhalb des kapitalistischen Systems eine ganze Reihe von Anreizen eigentlich geben müsste, und bei allen Warnungen, die wir artikulieren, aus der Situation heraus wollen wir doch die [...] optimistische Hoffnung nicht aufgeben, dass es sich lohnt und dass es auch möglich ist, für eine bessere Zukunft einzustehen und zu streiten. Das Beispiel vorhin [...], dass vor 20 Jahren aus der Mitte der ganze Gegendruck kam [...], all die Windkrafträder, die hier irgendwo stehen, zeigen ja auch: es gibt Fortschritt, es ist möglich. Es ist nicht linear, und es gibt immer wieder Rückschläge. Aber das Kaninchen sollte aus Angst vor der Schlange keinen Selbstmord begehen, sondern wir sollten diese Fragen von Gerechtigkeit, Nachhaltigkeit zusammen denken, zusammen diskutieren, zusammen dafür eintreten. Und dann glaube ich, es ist durchaus möglich, dass wir in 50, 60, 70 Jahren weltweit eine bessere Situation haben. So wie wir jetzt trotz unserer Geschichte, trotz Neoliberalismus und allem ja auch jetzt insgesamt eine bessere Welt und eine gerechtere Welt haben als vor 50, 60 oder 70 Jahren. Dafür möchte ich plädieren."

    Im Podcast mit Jochen Marmit bei SR 2 KulturRadio führt Quent die toxische Alternative aus.

    Marmit: "Der Einfluss von, ja, in dem Sinne nicht nur der FDP, sondern eben von rechten Parteien in Anführungszeichen, die auf, ja, Besitzstandswahrung eigentlich aus sind, ist das vielleicht am Ende das, was uns alle in den Abgrund taumeln lassen wird, kann man das vielleicht so zusammenfassen am Ende der Sendung?"
    Quent: "Ja, das ist eine sehr tragische Zusammenfassung, aber sie trifft es ganz gut. Ich meine es geht ja weniger um die FDP als Partei, sondern ein bißchen als Symbol, als eine Sprecherposition für Interessen. Nämlich die Interessen von [...] einem Teil der besonders Wohlhabenden von der Wirtschaft und [die] von der sozialen Ungleichheit [profitiert, die] in den vergangenen Jahrzehnten ja keineswegs gesunken ist. Das heißt, die FDP mag 'ne kleine Partei sein, in Wähler:innenstimmen gesprochen, aber sie steht für eine sehr starke Einflussnahme [der Reicheren], die schlicht und einfach einfach mehr Einfluss auf die Politik haben. Was [...] auch daran liegt, dass beispielsweise ärmere Menschen viel seltener wählen gehen [...]. Und dann kommen wir zu einem Punkt, wo Lobbyeinflüsse, wo natürlich auch die demokratisch legitimierte Regierungsbeteiligung der FDP Dinge, von denen ein Großteil der Bevölkerung, die Forschung sagen würden, "das wären sinnvolle Schritte, das müsste jetzt eigentlich getan werden, und in den anderen Ländern wird es ja auch getan", so etwas blockieren kann."
    Marmit: "Also Fazit in einem Satz: „Weiter so“ ist die größte Falle, in die wir 'reintappen können."


    Wer ein "Weiter-so" will, der will nicht, dass die Welt weiterlebt, der will nicht, dass nachfolgende Generationen und unsere Kinder in Freiheit leben, der will nicht, dass Menschenwürde auch im Globalen Süden möglich ist. Und die Gefahr ist, wenn wir nicht die Chancen, die wir als sehr reiches Land haben, die wir als Demokratie haben, wenn wir die nicht für gerechte Lösungen [...] nutzen, dass [...] das Risiko besteht, und da sind wir uns mit vielen Forscher:innen international einig, dass wir auf einen neuen Faschismus der Abschottung, der Ausbeutung und der brutalen Ressourcenkämpfe zulaufen könnten.
    Matthias Quent
    SR 2 KulturRadio: [Marmit 2022]

    Klimaschutz ist praktizierter Antifaschismus.

    Die Verdrängung der Fakten ist eine Voraussetzung des Faschismus, die schon Hannah Arendt und Erich Fromm herausgearbeitet haben.

    Quinn Slobodian, Dozent für Geschichte am Wellesley College, zeichnete 2021 die Wurzeln des Rechtspopulismus in die neoliberalen Zentren Mont Pelerin Society und Hayek-Gesellschaft detailliert nach. Eine Übersetzung seines Aufsatzes in der Tribune "Hayek’s Bastards: The Populist Right’s Neoliberal Roots" erschien im schweizer Magazin Republik.
    Republik: [Verknüpfung]
    Tribune: [Verknüpfung]

    Der Kabarettist Jan Böhmermann warnt 2023 per Satire vor der Politik der FDP in der Ampel-Koalition als staatsfeindlichem Extremismus einer RAFDP. Er spielt damit auf die Verdrehung der Konservativen an, die friedlichen Klimaproteste seien kriminell radikal, und entlarvt dabei die Freiheits-Ideologie als populistische Strategie, die letztlich der Instrumentalisierung der verunsicherten Massen dient.

    Der Professor für Soziale Arbeit an der IU Internationale Hochschule Hamburg Björn Oellers schrieb das Buch "Zwang statt Freiheit - zum autoritären Gehalt der Lehre Hayeks". Er zeigt auf, wie die AfD aus einer neoliberalen wirtschaftsnahen Partei zur Spitze der völkischen Bewegung wurde - ganz in der Tradition ihres bekanntesten Vordenkers Hayek.
    taz: [Verknüpfung]
    kritiknetz.de: [Verknüpfung]
    Radio Corax: [Verknüpfung]

    Besonders problematisch ist die Forderung der autoritären Rechten nach lockeren Waffengesetzen, wie sie auch von der AfD in Deutschland vorgebracht wird. Markus Krall ruft in seiner Bestseller-Kampfschrift "die bürgerliche Revolution" zum bewaffneten Aufstand auf, sollte es zu einer sozial-ökologischen Revolution kommen.

    In den USA ist man noch ein paar Schritte weiter als in Deutschland. Faschisten hängen dort allzu gerne Minderheiten die Schuld an der Klimakrise an, die sie zuvor noch standhaft geleugnet haben. Beispiele sind die Amokläufer von El Paso und Christchurch 2019.
    Huffpost: [Verknüpfung]
    Vice: [Verknüpfung]
    Vice-Video bei Youtube: [Verknüpfung]

    Die populistischen Herrscher in Mittel- und Osteuropa sind für ihre Korruption bekannt, Jair Bolsonaros Klientel sind die reichen Großgrundbesitzer. Donald Trump ist finanziert von neolibertären US-Milliardären und russischen Oligarchen, zum Großteil aus Profiten des fossilen Wirtschaftssystems.
    Die unteren Lohngruppen wurden in den Steuerplänen der AfD zur Bundestagswahl 2021 eindeutig am stärksten benachteiligt, und die oberen am stärksten bevorteilt. Das sollte niemanden verwundern, denn die AfD gründete sich als wirtschaftsliberale Partei, und wird seitdem von Milliardären mitfinanziert, u.a. dem Bankier August von Finck, dessen Vater von der Arisierung einer jüdischen Bank profitierte, und dem Immobilien-Milliardär Henning Conle. Die Herkunft der AfD-Spenden wird oft verschleiert.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Henning Conle]
    Auch die Züricher Pharmafirma Pharma Wholesale International AG PWS flog als Spender auf.
    Luzerner Zeitung: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Alice Weidel - Wahlkampfspenden aus dem Ausland]
    2021 schaffte das Recherche-Netzwerk correctiv, die von Meuthen aus dem Parteivorsitz gedrängte Frauke Petry und ihren Mann Marcus Pretzell zum Whistleblowing zu motivieren.
    [Verknüpfung]
    Filmtip: Auf der Spur des Geldes. Arte 2021.
    Video bei zdf.de: [Verknüpfung]
    ZDF-Mediathek: [Verknüpfung]
    Video bei arte.tv/de: [Verknüpfung]
    arte-Mediathek: [Verknüpfung]
    correctiv über die Recherchen zum Film: [Verknüpfung]
    Der ostdeutsche Youtube-Videoblogger Alexander Prinz alias der dunkle Parabelritter deckt die Netzwerke der AfD auf; einmal die Verbindungen zur rechten Finanzelite und dann die zum Rechtsextremismus.
    Youtube: [Verknüpfung]
    Youtube: [Verknüpfung]
    Filmtip: Die Schattenspender der AfD. ZDF 2022.
    ZDF: [Verknüpfung]
    ZDF mediathek: [Verknüpfung]


    WDR bei Youtube: [Verknüpfung]


    Denn die einen sind im Dunkeln
    Und die andern sind im Licht.
    Und man siehet die im Lichte
    Die im Dunkeln sieht man nicht.
    Bertolt Brecht

    Im Januar 2024 wird durch eine Recherche des Netzwerks Correctiv das Düsseldorfer Forum bekannt, denn beim siebten Treffen der Gruppe im Potsdamer Nobelhotel Landhaus Adlon wurden konkrete Deportations-Pläne für den Fall eines Wahlsiegs der AfD diskutiert. Organisatoren sind der bekannte Rechtsextreme und ehemalige Zahnmedizin-Dozent an der Universität Düsseldorf, Gernot Mörig, sowie der Unternehmer Hans-Christian Limmer (BackWerk, Hans im Glück). Ziel der Veranstaltung ist die Akquise von Spenden.

    Die 2021 aufgeflogene Vernetzung von AfD und Hessen-FDP über den Politikberater und Medienunternehmer Tom Rohrböck wurde laut Recherchen von Zeit, NDR und WDR über die Liechtensteiner Firma Batwolf teilweise von einem unbekannten Milliardär finanziert.

    George Monbiot erklärt - wie bereits oben erwähnt - in einem wichtigen Artikel im Guardian 2019 zuerst, wie Kapitalisten im Neoliberalismus zu Oligarchen wurden, wodurch die Krise der Ungleichverteilung entstand.

    Die erste Passage aus Monbiots Text sei hier nochmals zitiert, weil man so den Zusammenhang besser versteht. Zitat: "Das größte Vermögen wird heute nicht durch unternehmerische Brillanz erzielt, sondern eben durch Erbschaft, Monopolbildung und Rendite: Man sichert sich die exklusive Kontrolle über entscheidende Vermögenswerte wie Land, Gebäude, privatisierte Versorgungsunternehmen und geistiges Eigentum und führt Dienstleistungsmonopole wie Verkaufs-, Software- und Social-Media-Plattformen zusammen, um dann von den Nutzern Gebühren zu verlangen, die weit über den Produktions- und Vertriebskosten liegen. In Russland nennt man Leute, die sich auf diese Weise bereichern, Oligarchen. Doch es handelt sich dabei um ein weltweites Problem. [Unternehmensmacht existiert immer noch, aber heute wird sie von oligarchischer Macht überlagert und mutiert zu dieser.]"

    Anschließend erklärt Monbiot, wie Populisten die Interessen von Oligarchen in Politik umsetzen, wie vor 90 Jahren im Faschismus. Monbiot nennt sie Killer-Clowns:
    "Während Institutionen, Regeln und demokratische Kontrolle zusammenbrechen, erweitern die Oligarchen auf unsere Kosten ihr Vermögen und ihre Macht. [...] Die Killer-Clowns bieten den Oligarchen auch noch etwas anderes: Zerstreuung und Ablenkung. Während die Kleptokraten uns schröpfen, werden wir von ihrem Theater abgelenkt. Wir sind fasziniert von Witzbolden, die uns ermutigen, die Wut, die den Oligarchen vorbehalten sein sollte, auf Einwanderer, Frauen, Juden, Muslime, People of Colour und andere imaginäre Feinde und übliche Sündenböcke zu lenken."


    Genau wie in den 1930ern ist die neue Demagogie ein Betrug, eine Revolte gegen die Auswirkungen des Kapitals, finanziert von Kapitalisten.
    George Monbiot
    Freitag: [Monbiot 2019]
    Original: [Verknüpfung]

    Die äußerst treffende Zeichnung der Populisten als Killer-Clowns wird in einem Essay des DLF, gekürzt in einem Artikel des Tagesspiegel, weiter ausgemalt.
    DLF: [Verknüpfung]
    Tagesspiegel: [Verknüpfung]

    Zunehmend bedröhnt von von den Versprechen der Werbeindustrie, den Manthras der Desinformation und dem Selbstbetrug geflissentlicher Ignoranz, feiert die westliche Welt wie vor 100 Jahren unter dem Motto "Wohlstand für alle" eine große Konsumparty, die wie damals im Kolonialismus den Großteil der Menschheit außen vor lässt. Sie befindet sich gerade im Höhepunkt des Rauschs, kurz vor der Selbstvergiftung. Denn der auf Ölverbrauch "optimierte" technische Fortschritt und die überexpandierte Weltbevölkerung bringen den Planeten dieses Mal nachweislich weit über die Grenzen seiner Belastbarkeit.
    Umso lauter wird der Widerstand aus der aufgeklärten Zivilgesellschaft. Aber noch im Höhepunkt der Klimaproteste tönte Jens Spahn (CDU) in totaler Ignoranz der Krisengefahr "Deutschland geht es gut wie nie", oder Friedrich Merz (CDU) "die Behauptung, wir hätten dieser Generation die Kindheit und die Jugend genommen, ist ein völlig abwegiger Vorwurf"
    .
    [Verknüpfung]
    Nach der Corona-Krise wacht der Westen im Ukraine-Krieg endlich quälend langsam aus dem Delirium auf, und findet sich im Kater einer vernetzten, unübersehbaren Finanz-, Ressourcen- und Ökosystemkrise, von der die Klimakrise nur ein Puzzlestein ist. Schon die Corona-Krise zeigte die Fragilität des Systems überdeutlich, und trotzdem wurden gigantische Mittel nicht zur Transformation genutzt, sondern zur Erhaltung des ökoziden Status Quo. Wie fatal diese Entscheidungen sind, zeigt sich in der Energiekrise im Ukraine-Krieg. In diesem unsicheren Zustand können selbst Mitte-Links-Regierungen wie die deutsche Ampel viele Mittel gar nicht mobilisieren, um den Balanceakt zwischen Erhaltung von Strukturen und deren überlebenswichtigen Weiterentwicklung zu schaffen. Die Interessen der Besitzenden, ihre Geldwerte zu konservieren, werden weiter von neoliberalen Politiker:innen gegen die Interessen der Jugend durchgesetzt.
    An der Austeritätspolitik von FDP-Finanzminister Christian Lindner scheitern zentrale Bausteine der Transformation. Und so geht die Party vorerst weiter, und die ersten randalieren, weil ihnen die Suchtmittel ausgehen.

    International sind die Verwerfungen natürlich noch weit krasser und bergen noch weit größere Konfliktpotentiale. Die Supermächte konkurrieren um die schwindenden restlichen Ölreserven, die ja noch in nie dagewesenem Tempo ausgebeutet werden. Die USA stehen auch hier besonders unter Druck der aufstrebenden Weltmacht China.

    Immerhin zeigen die plötzlichen Krisen im Zeitraffer, wieviel mehr an politischen Zumutungen im Interesse der Allgemeinheit möglich ist, als die Freiheits-Apologeten und die Misanthropen uns glauben machen wollen.
    [Verknüpfung]
    Denn so wie der Mensch immer noch interindividuelle Konkurrenz zeigt, die sich bei allen Tierarten findet, so sind ihm auch die Tendenzen zum Teilen, zur Solidarität und zur Kooperation seit Vormenschen-Zeiten angeboren. Vor allem aber ignoriert das Egoismus-Narrativ völlig die Fähigkeit des Menschen zur Anpassung durch soziales Lernen. Deshalb erhebt es ja auch Überlegenheit (Imposanz) und Durchsetzungsfähigkeit (Dominanz) zu kulturellen Werten, wo eigentlich genau das Gegenteil gefragt wäre.
    Statt die Welle kollektiven Gemeinsinns zu unterstützen, nutzen die konservativen und neoliberalen Fossilökonomisten jede noch so nichtige Gelegenheit, auch nur kleinste Ansätze einer Transformation in Verzichts- und Neiddebatten zu zerreden, oder die linke Jugendkultur mit populistischen Vorwürfen moralischer oder gar kultureller Unterdrückung zu überziehen.
    Die Empfindlichkeit der linken Jugend gegen jede Unterdrückung von Minderheiten erklärt der liberal-konservative Zeit-Autor Jens Jessen damit, dass diese sich selbst als Minderheit politisch nicht repräsentiert sieht, bedroht von einer zukunftsvergessenen Seniorengeneration. Deren Angst vor Identitätsverlust und sozialer Spaltung durch eine "woke" Cancel Culture schüren AfD, FDP und CDU mit einem mehr oder weniger ausgeprägten Kulturkampf.
    Auch in der Energiepolitik entdeckt die CDU mittlerweile eine soziale Frage und überschlägt sich vor und während dem Ukrainekrieg mit Vorwürfen und Panikmache v.a. gegen die Grünen in der Ampelregierung, als wäre sie nicht in Koalition mit FDP und SPD verantwortlich für viele Voraussetzungen der Multikrise gewesen. Diesen Opportunismus kann ich nur schamlos nennen. Dennoch goutieren ihn die angstgeleiteten Massen mit hohen Umfragewerten der CDU.

    Diese Schichten halten Grüne in Regierungsverantwortung für völlig unfähig, obwohl z.B. Robert Habeck als langjähriger Wirtschaftsminister in Schleswig-Holstein das Gegenteil bewiesen hat. Würde der deutsche Strompreis in Nord- und Südzone getrennt berechnet, wäre er in Norddeutschland wegen des hohen Windstromanteils deutlich billiger.

    Und damit nicht genug an Tragik der Allmende, an zivilgesellschaftlicher Misere. Denn damit unterstützt die CDU direkt die Populisten, die mehr oder weniger offen die Demokratie in Frage stellen. Gerade noch sammelten die Gutwilligen sich in der Krise, und schon droht eine laute autoritäre Minderheit, die Gesellschaft wieder zu spalten. Die völlig realitätsfremde Wärmepumpendebatte, die von der FDP angezettelt wurde, war ein Höhepunkt der rechten Hetze gegen die Grünen. Im bayerischen Wahlkampf zeigte sich dabei Hubert Aiwanger besonders populistisch, und wurde kurz danach mit seiner rechtsradikalen Jugendzeit konfrontiert.

    Während sich die Transformation oder gar Disruption in fortschrittlichen Gesellschaften bereits abzeichnet, sind die reaktionären Kräfte auch jetzt wieder alarmiert. Sie setzen seit Jahren ein globales Netzwerk von Populisten in Stellung, in deren Geschrei autoritätsgläubige Bürger:innen völlig die Orientierung verlieren. So droht - wie vor 100 Jahren im Faschismus - die Herrschaft korrupter Patriarchen, die das profitable fossile System erhalten, nur ohne jede demokratische Kontrolle. Doch damit ist es immer noch nicht genug, die CDU vernetzt sich zunehmend mit rechtskonservativen Kräften in den USA.
    [Verknüpfung]
    Alisa Schellenberg spricht in der Zeit von einer "Radikalisierung der Generation Weiterso".

    Schon in den sozialen Verwerfungen der Corona-Pandemie nutzten rechte Querdenker bevorzugt die Theorie vom Deep State, der mit dem Great Reset die endgültige Versklavung der Gesellschaft plane.
    In einem Podcast mit Jochen Marmit von SR 2 KulturRadio skizzziert Matthias Quent die Corona-Krise als Brutstätte der reaktionären Ideen gegen Klimaschutz. Zitat:

    "Da wird also aus der Corona-Diktatur [...] dann die Klimadiktatur auch sehr schnell gezimmert. Ist das der Zusammenhang? [Quent:] Das ist die Extremform und das ist das, was wir in der Forschung auch sehr stark gesehen haben. [...] Es wurde gesagt: Der Corona-Lockdown, das ist nur die Vorbereitung für den Klima-Lockdown, für das eigentliche Ziel, die Gesellschaft, den Staat völlig zu verändern und hier so was wie einen Ökosozialismus, eine Ökodiktatur einzuführen. [...] Im Extremfall wird auch der Ukraine-Krieg [an]geführt, [...] als eine Inszenierung zum Zweck einer neuen Weltherrschaft, um die Bevölkerung einzulullen, zu verdummen, zu unterdrücken usw.."
    SR 2 KulturRadio: [Marmit 2022] (17'40'')

    Verschwörungstheorien haben eine Grundvoraussetzung: sie sind schwer widerlegbar. Ob die Verschwörung einer geplanten Pandemie stattgefunden hat, kann ebensowenig widerlegt werden. Allerdings sollte man sich vor Augen halten, dass der notwendige wirtschaftliche Paradigmenwechsel aus einem Grund nicht per Knopfdruck herbeigeführt werden kann, so wie es noch in der Antike beim Sabbatjahr zum Reset eines Währungssystems möglich war. Die Macht liegt heute in der Hand der Geldbesitzer, und diese werden i.d.R. alles daran setzen, eine Geldentwertung oder Umverteilung zu verhindern. Deshalb ist eine Pandemie ein durchaus willkommener Anlass, alte Strukturen zu zerschlagen, um Zukunftsfähigkeit zu schaffen. Die Warnungen der Virologen vor einer Virus-Pandemie lagen jedenfalls schon lange auf den Tischen der Regierungen. Deshalb wurden schon lange für den Ernstfall entsprechende Strukturen geschaffen und Szenarien geübt, z.B. Atlantic Storm 2005; Event 201 war 2019 nur eine Neuauflage solcher Übungen.
    [Verknüpfung]
    2012 befasste sich der Bundestag mit der Warnung einer Behörde vor einer Pandemie mit einem Erreger genau der Art von Covid-19.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    2015 gehörte für das Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit e.V., ein Expertengremium von Bundestagsabgeordneten, eine Pandemie zu den Top-Risiken.
    [Verknüpfung]

    Verständlich, dass das große Geld aus der Fossilwirtschaft in die Green Economy flüchtet. Die Dynamik platzender Blasen lässt sich in der Wirtschaftsgeschichte studieren. Allerdings ist die Größe der Kohlenstoff-Blase ohne historisches Vorbild. Eine Regel wird jedoch sicher gelten: Wer am Ende den Schwarzen Peter hat, verliert.
    [Verknüpfung]
    Dem jahrzehntelangen Fossilökonomismus ist es geschuldet, dass die Transformation allzu lange hinausgezögert wurde und deshalb umso schneller passieren wird; möglicherweise schneller, als manche Volkswirtschaft verkraftet. Vor Investitionen in Fossilwirtschaft wird jetzt sogar von der IEA gewarnt, und die erste Blase der Green Economy wird bereits sichtbar.
    Ganz sicher hat die EU-Politik, federführend die der Bundesrepublik Deutschland der letzten 10 Jahre, maßgeblich dazu beigetragen, dass zig Millionen fossile Arbeitsplätze disruptiv verloren gehen werden. Und dass Europa in der Disruption abgehängt wird, und zumindest für massive Fehlentscheidungen wie das Festhalten am Verbrenner, der Kohlekraft und der industriellen Landwirtschaft bezahlen muss, ob nur mit Wettbewerbsnachteilen oder sogar mit Entschädigungen.
    Wenn fossilökonomistische Populisten also einen großen Plan von "gigantischer Abzocke" vorhergesagt haben, kann man ihnen nur entgegenhalten: die Klimawende wurde von ihnen viel zu lange verhindert. Mit einer rechtzeitigen Bürgerenergiewende, Verkehrswende und Agrarwende hätten wir die Menschen an der Transformation beteiligen können. Diese Chance wurde vertan, obwohl wir mit der Energiewende beste Voraussetzungen hatten. Jetzt wird sicher so manches Geschäft damit gemacht, das nicht zum Vorteil der Bürger ist - wenn der Plan des WEF aufgeht. Es steht zu befürchten, dass man am Ende auch dafür noch die Klimaaktivsten verantwortlich machen wird.

    Donald Trump ist der traurige Tiefpunkt einer Reihe heutiger Oberschicht-Populisten (selbstredend allesamt Klimaskeptiker) wie Boris Johnson, Beppe Grillo oder Silvio Berlusconi, deren Karrieren auch durch den Bedeutungsverlust der Qualitäts-Printmedien und der öffentlich-rechtlichen Medien möglich geworden sind.
    Berlusconi gehörte seit Jahren zum Geheimbund Loggia Propaganda Due (P2), der sich im Nachkriegs-Italien nach dem Vorbild von Freimaurer-Bünden aus rechtskonservativen Politikern, Geldadel und Industriellen zusammensetzte. Treibende Kraft war Licio Gelli, ein Faschist. So ist es kein Wunder, dass P2 in den 70er Jahren noch einen autoritären Staatsstreich plante. Mit Hilfe u.a. der Mafia und des paramilitärischen Gladio-Netzwerks wurden damals Anschläge mit zahlreichen Toten verübt, die zuerst erfolgreich Kommunisten angehängt wurden. Viele politische Gegner, Polizisten oder rivalisierende Verbrecher wurden ermordet.
    Mit dem Aufkommen des Neoliberalismus in den 80er Jahren änderte P2 seine Strategie hin zur Unterwanderung des Staats. Der linksliberale Regierungschef Giovanni Spadolini, der das Netzwerk zerstören wollte, wurde ausgetauscht gegen den kooperativen Sozialisten Bettino Craxi. Bis heute ist das Thema nicht aufgearbeitet, und die Mitglieder blieben oft unbehelligt von Strafverfolgung.
    [Verknüpfung]
    Zu dieser Zeit senkte der Ex-Schauspieler Reagan in den USA die Medienstandards und ermöglichte so rechtskonservativen Privatsendern wie dem von Rush Limbaugh, ihre spalterische Propaganda zu verbreiten. Alles, was nur nach Arbeitnehmerrechten oder Sozialversicherung roch, wurde als Kommunismus gebrandmarkt. Die neoliberale Ideologie, je nach Weltbild mal verbunden mit evangelikalem Wohlstandsevangelium, mal mit Just-World-Theorie, wurde so tief im amerikanischen Bewusstsein verankert.
    Auch Berlusconis politischer Aufstieg basierte auf der erfolgreichen Propaganda von Privatsendern, seines Medien-Imperiums Mediaset. Die Welt spricht in Anspielung auf Trumps italienischen Vorbild von "Trumpusconi".
    [Verknüpfung]
    Der jüngste Berlusconi-Skandal ist eine 40-minütige, unkommentierte, antisemitische Propagandarede des russischen Außenministers Sergej Lawrow auf Rete 4, das zu Berlusconis Konzern Mediaset gehört. Mit dieser Rede versuchte Lawrow, den innenpolitischen Druck gegen die antirussische Politik Italiens zu erhöhen. Parallel dazu wird vom russischen Propagandisten Wladimir Solowjow der italienische Faschismus als "dritter Weg" verklärt und Putin mit Mussolini verglichen. Matteo Salvinis rechtspopulistische Partei Lega kooperiert offiziell mit Putins Partei Einiges Russland.
    [Verknüpfung]
    Der australische Medientycoon Rupert Murdoch wirkte in den USA vor allem über den Sender Fox News.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Besondere Bedeutung kommt wohl der Klage des Wahlmaschinen-Herstellers Dominion zu. Sie verklagt Fox News auf 1,2 Milliarden US$ Schadenersatz wegen Verleumdung. Im Zuge der Verhandlung wird den Mitarbeiter:innen wie Tucker Carlson genau auf den Zahn gefühlt, woher die Erfindung der gefälschten Wahlergebnisse kam, auch Rupert Murdoch. Die Aussagen könnten auch Donald Trump oder zumindest seine Anwälte belasten.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Australien geht 2011 mit Gesetzen gegen Murdochs Abhör-Praktiken (auch in Großbritannien), und seit 2020 gegen Monopol News Corp und dessen Desinformationskampagnen vor.
    OÖNachrichten: [Verknüpfung]
    Rheinische Post: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    DW: [Verknüpfung]
    Tucker Carlson gilt heute als genauso einflussreich wie der Milliardär Steve Bannon während der ersten Trump-Kandidatur. Der republikanische Mehrheitsführer im Abgeordnetenhaus Kevin McCarthy hat erwirkt, dass ausgerechnet Carlson exklusiven Zugriff auf die 40.000 Stunden an Video-Aufzeichnungen im Kapitol während des Putschversuchs am 6. Januar 2021 hat. Carlson propagiert die Verschwörungstheorie einer false-flag-Operation des FBI - obwohl Trump nachweislich die Massen zum Kapitol dirigiert hat.

    Tucker Carlson ist das Vorbild von Julian Reichelt. Seit der Wahlniederlage 2021 bedient sich die CDU in Deutschland deshöchst umstrittenen Journalisten, nachdem dieser beim Springer-Verlag wegen seines Sexskandals entlassen wurde.

    In den USA wurde der Murdoch-Konzern im Ermittlungsverfahren um den gescheiterten Putschversuch untersucht, und Murdoch erst 2023 verhört. Die Ermittlungen ergaben, dass nachweislich bewusst falsche Nachrichten über die Murdoch-Medien verbreitet wurden. Murdoch selbst bezeichnete Trumps Erzählungen ausweislich eines Dokuments "wirklich verrücktes Zeug", nach Augenzeugen sprach er von "Bullshit", der "toxisch" sei. Die Fox-News-Moderatoren Laura Ingraham und Sean Hannity mussten gestehen, dass sie ebenfalls über den Wahrheitsgehalt in Trumps Lügen genau bescheid wussten. Murdoch-Mitarbeiter räumten ein, dass sie Trumps Anwälte für verrückt hielten, aber dennoch ihre Lügen verbeiteten.
    watson.ch: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Carlson wurde im Zuge der Schadenersatz-Klage von Murdoch entlassen.
    RND: [Verknüpfung]
    Murdochs Sohn James indessen distanziert sich seit Jahren von den klimaskeptischen Kampagnen seines Vaters.
    [Verknüpfung]
    Ganz so hohe Ambitionen zeigte der Medienunternehmer Leo Kirch in Deutschland unter Kanzler Helmut Kohl nicht - die konservative Gestaltung der Medienlandschaft gestalteten die beiden eher im Team.
    [Wikipedia 2021 - Leo Kirch]
    Während Kohl noch ein von sozialer Marktwirtschaft geprägtes Land umkrempelte, haben die Folgen des Neoliberalismus über die Jahrzehnte einen tiefgreifenden Kulturwandel bewirkt. Dieser bereitete dem Neolibertarismus, der aus den USA herüberschwappt, den Boden - und findet besonders in protestantisch-preußischen und elitär-erzkatholischen Milieus Anklang. Mehr dazu im Kapitel über Religion.

    Was der australische rechtskonservative Medien-Millardär Rupert Murdoch in Großbritannien nicht geschafft hat, wollte der neolibertär-konservative Regierungsstratege Dominic Cummings endlich schaffen. Nach dem Vorbild der osteuropäischen Rechtspopulisten betrieb er die Zerstörung des traditionsreichen öffentlich-rechtlichen Senders BBC.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Leider wird die Demontage der BBC von Premierminister Johnson auch nach Cummings Weggang weiter betrieben - allerdings erst als ein Skandal um Corona-Parties in Downing Street hochkocht, bezeichnenderweise.
    [Verknüpfung]

    Wie dünn die Grenze des Populismus zum Faschismus ist, sah man schon vorher an Jair Bolsonaro, 2021 aber noch weit erschreckender am Sturm eines Mobs auf das Parlament der Supermacht USA, das Washingtoner Kapitol am 6. Januar 2021. Das ZDF Auslandsjournal bringt das Interview mit einem Regionalvorsitzenden der rechtsradikalen paramilitärischen Proud Boys, Matthew Walter. Der Ex-Soldat Walter berichtet von seiner Orientierungslosigkeit nach dem Kriegseinsatz und deutet die Verschwörungstheorie an, dass der Sturm von linken Kräften provoziert worden sei. Diese Theorie kursiert in extremen republikanischen Netzwerken genauso wie vorher die Behauptung der manipulierten Wahl.
    [Verknüpfung]
    Dass Trump den Proud Boys nahesteht, zeigt ein Zitat aus einer Rede zu den Rassenprotesten nach der qualvollen, rassistisch motivierten Ermordung von George Floyd durch einen Polizisten. Trump hat den Wahlspruch der Proud Boys "stand back and stand by" dort wörtlich zitiert. Unmittelbar vor dem Sturm hat Donald Trump dann vor dem Mob eine aufhetzende Rede gehalten, in der er die Angst der Demonstranten heraufbeschwört: "Ihr werdet Euer Land niemals mit Schwäche zurückerobern. Wenn Ihr nicht wie der Teufel kämpft, werdet Ihr kein Land mehr haben." Auf dem Platz stand deutlich sichtbar ein Galgen für den immer Trump-treuen Vizepräsidenten Mike Pence, der die per Gesetz unausweichliche Bestätigung der Wahl Bidens schließlich doch nicht verweigern wollte. Trump weiter: "Also wir werden [...] die Pennsylvania Avenue hinuntergehen [...] und wir werden zum Kapitol gehen und wir werden [...] versuchen, unseren Republikanern [...] den Stolz und die Stärke zu geben, die sie brauchen, um unser Land zurückzuerobern." Er ließ seine Anhänger dann aber doch im Stich.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2021 - Sturm auf das Kapitol in Washington 2021]
    Die Parallelen zur Mobilisierung paramilitärischer Gruppen wie der SA in der Weimarer Republik durch die NSDAP sind überdeutlich.
    Noch weit erschreckender als der Putschversuch ist die Tatsache, dass bis heute (Stand Oktober 2022, kurz vor den midterm elections) Trump bei jedem Versuch, ihn zur Rechenschaft zu ziehen, davongekommen ist. Er konnte seine Parteigänger nach einem kurzen Schockmoment gleich wieder für sich gewinnen. Das lässt für die Zukunft Übles erahnen; die bisher laufenden Gerichtsverfahren ziehen sich hin (Stand Oktober 2023).

    Wie Trump mit den Fake News, so arbeiten sich auch die deutschen rechtspopulistischen Parteien immer wieder an der Demontage der öffentlich-rechtlichen und Print-Medien mit dem Hetzbegriff "Lügenpresse" ab, in Verachtung des liberalen Staats oft in einem Atemzug mit "Staatsfunk" für die öffentlich-rechtlichen Medien. Damit hatte schon Reichspropagandaminister Goebbels in der Nazidiktatur die Gleichschaltung der Medien betrieben. Nicht umsonst ist die Pressefreiheit einer der meistbeachteten Indikatoren für Rechtsstaatlichkeit. Absolute Deutungshoheit ist Voraussetzung für Krieg und Totalitarismus. Damit beschäftigt sich die ZDF-Dokumentation Die großen Lügen aus der Reihe ZDF History, MrWissen2Go des öffentlich-rechtlichen Youtube-Kanals funk mit der Sprache der Nazis.
    ZDF: [Verknüpfung]
    funk auf Youtube: [Verknüpfung]
    So wie in den USA die Gründer der heute klimaskeptischen Koch- und Bush-Öl-Imperien vom Handel mit Hitler-Deutschland profitiert haben, gibt es heute noch in Mitteleuropa reiche klimaskeptische AfD-Unterstützer wie August von Finck, deren Vorfahren damals profitiert haben. Die AfD unterstützt den Klimaskeptiker-Verein EIKE e.V., dessen Vorsitzender Limburg ranghohes AfD-Mitglied ist.

    Mit ihrem Narrativ von einem repressiven Staat mit gleichgeschalteten Medien stoßen die Populisten nun auch noch zu allem Überfluss bei extrem Linken auf Resonanz, die endlich den Tiefen Staat abschütteln wollen und sich mittlerweile ihrerseits deutlich gegen Andersdenkende in einer Wagenburg positionieren. Selbst nach ihrem Selbstverständnis intellektuelle Linke brechen verbal Brücken der Verständigung hinter sich ab.
    [Verknüpfung]
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    Als "Rubrik 1" hat Rubikon im Winter 2020/21 (ich weiß nicht, wie lange vorher schon) das Thema "Tiefer Staat und Fassadendemokratie". Wenn man bedenkt, dass der originär linke Blog Rubikon die verschwörungstheoretischen Kanäle KenFM und Russia Today als Partner hat, drängt sich mir der Verdacht einer spalterischen Absicht russischer Oligarchen unter Putin und neolibertärer US-Milliardäre auf; diese konnten ja auch schon beim Brexit (Spaltung der EU und Europas) und den Wahlen in den USA und Brasilien hervorragend umgesetzt werden, wie Carole Cadwalladr u.a. im Film The Great Hack darlegt.
    [Verknüpfung]
    Zu den linken Verschwörungstheoretikern werden auch Mathias Bröckers und Paul Schreyer gezählt. Sie tragen dazu bei, dass die Corona-Proteste so breite Wirkung erzielen, was auch undifferenzierten Anti-Klimaschutz-Protesten Vorschub leisten könnte.
    [Wikipedia 2022 - Mathias Bröckers]
    [Verknüpfung]

    Je mehr Sicherheit der Staat in der Corona-Krise durchsetzen wollte, desto übergriffiger wurde er von vielen Menschen empfunden. Über die Corona-Imfungsdebatte gingen viele Freundschaften und Allianzen zu Bruch, und viele meinungsstarke, auch linke, Autoren profilierten sich mit einer vermeintlichen Offenheit und Mut zu kontroversen Meinungen. In dieser geistigen Wagenburg fand sich mit dem Ukraine-Krieg unmittelbar das nächste Thema.
    Über die Kampfbegriffe "Gesinnungsdiktatur" und "Selbstzensur" landete das Germanisten-Soziologen-Duo Richard David Precht und Harald Welzer in der Welle von Corona-Querdenken und putinfreundlichem Pazifismus mit "Die vierte Gewalt" - gemeint ist der "Mainstream-"Journalismus - einen Bestseller, der Neurechten gefährliche Munition gibt.
    Kölnische Rundschau: [Verknüpfung]
    Der investigative Youtube-Videoblogger Alexander Prinz alias "der dunkle Parabelritter" legt diese narzisstische Methode der Selbstvermarktung in seinem Beitrag "Precht exposed" schonungslos offen.
    Youtube: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Alexander Prinz]

    Ähnlich spalterisch wirken die linken selbsternannten Pazifisten, die gegenüber Putins Angriffskrieg eine Beschwichtigungspolitik einfordern.


    Divide et impera.
    Niccolò Machiavelli

    Appeasement nannte man schon die Untätigkeit des Westens angesichts des aufziehenden Nationalsozialismus. Der Wirtschaftswissenschaftler, Friedensforscher Tilman Brück, Gründer des International Security and Development Center ISDC kritisiert diese Haltung und erklärt auch den Zusammenhang mit Klimaschutz und feministischer Außenpolitik.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    David Gray kommentiert in der Leipziger Zeitung den Aufruf deutscher Intellektueller in der Zeitschrift Emma, Sanktionen und Waffenlieferungen auszusetzen, als Unterstützung Putins macciavellistischer Politik der Spaltung Europas. Er spart nicht mit expliziter Sprache.
    [Verknüpfung]

    Comic-Tip: Streit um Asterix. Der römische Agent Tullius Destructivus soll Zwietracht im gallischen Dorf säen. Auf S. 10 zeigt Destructivus sein ganzes Können, indem er die Piraten dazu bringt, ihr eigenes Schiff zu versenken (eine der besten Comic-Doppelseiten, die ich kenne). Doch sein Auftraggeber Julius Cäsar rechnet nicht damit, dass Asterix die Verschwörungstheorie doch noch aufdeckt.

    Im Vereinigten Königreich konnte ebenfalls ausgerechnet die kommunistische Linke, bereits kurz nach der Jahrtausendwende, von Rechtslibertären unterwandert werden, angeführt von Frank Furedi. Davon berichtete George Monbiot seinerzeit im Guardian.
    [Verknüpfung] Ähnlich wie Frank Furedi in England, so entwickelte sich in Deutschland der Ex-Kommunist Jürgen Elsässer zum Rechtspopulisten.
    [Wikipedia 2021 - Jürgen Elsässer]
    Rechtslibertarismus ist eine elitäre Ergänzung zum Rechtspopulismus; rechte Denkfabriken sind oft neolibertär. Beispiel: der rechts-libertäre Blog sp!ked (gegründet mit Geldern der Charles Koch Foundation) propagiert - mittlerweile auch in den USA - die Redefreiheit.
    [Verknüpfung]
    Sp!ked hat auch einen deutschen Ableger Novo, das einen Schwerpunkt in der Kritik an Umwelt-, Klimaschutz und Sozialstaat gefunden hat; die Redakteurin Sabine Beppler-Spahl veranstaltet in Berliner Schulen neolibertäre Debattier-Clubs mit Gymnasiasten, z.B. über Rassismus und Entschädigung für Kolonialismus.
    [Verknüpfung]
    Wer nicht weiß, was Neolibertarismus für Sozialstaat und Biosphären-Schutz bedeutet, sollte sich das Manifest durchlesen.
    Zitat:

    "Dem humanistischen Ideal, dass der Mensch frei und autonom sein Leben und seine Umwelt kontrollieren und durch rationales Handeln zum Besseren gestalten kann, steht heute ein antihumanistisches gegenüber, das auf Vermeidung, Selbstbegrenzung, Risikoscheu und Angst vor Veränderungen basiert. Hier erscheint der Mensch in erster Linie als mögliche Gefahr für sich selbst, für andere und den ganzen Planeten. Dagegen wenden wir uns. [...] Die moderne Sprache des Freiheitsentzuges ist die des Beschützers und Pädagogen. Frauen müssen vor Männern geschützt werden, Verbraucher vor Konzernen, Nichtraucher vor Rauchern und die Raucher vor sich selbst. [...] Das Ziel des Sozialstaats muss es sein, dass Menschen unabhängig bleiben und weder staatlicher Fürsorge bedürfen, noch staatlicher Bevormundung ausgesetzt sind." Usw..
    [Verknüpfung]

    Beppler-Spahls Debattier-Clubs laufen (in Anspielung auf das Antirassismus-Schlagwort "Black Lives Matter") unter dem Titel "Debating Matters". Im Dezember 2020 bringt sie zum Thema Black Lives Matter ein Buch heraus, zusammen mit Frank Furedi, dem Waffen-Liberalisierer und Brexit-Partei-Abgeordneten Kevin Yuill u.a.. Ein Blick in das Inhaltsverzeichnis ist aufschlussreich.
    [Verknüpfung]
    Beppler-Spahls letzte Titel waren "Brexit - Demokratischer Aufbruch in Großbritannien" und "Grenzen und Spaltungen: Immigration nach Europa". Ihr Mann schreibt Titel wie "Schluss mit der Klimakrise" und "Die sortierte Gesellschaft: Zur Kritik der Identitätspolitik", der sich mit Gender-Themen beschäftigt - ein enormer Trigger für rechtskonservative Kreise.

    Auch die große libertäre US-Denkfabrik Cato Institute hat ein deutsches Pendant. Der FDP-Politiker Frank Schäffler gründete 2015 Prometheus, das gegen öffentlich-rechtliche Medien hetzt, die Anti-Wärmepumpen-Kampagne befeuert und die Aktivisti von Letzte Generation mit der frühen RAF verglichen hat.
    Prometheus gehört wie das Cato Institute zum Atlas Network. Dessen Name bezieht sich möglicherweise auf die "Bibel" der Neoliberalen "Atlas Shrugged" von Ayn Rand. Amy Westervelt und Geoff Dembicki geben in The New Republic einen guten Überblick über die Geschichte des Netzwerks. Es geht zurück auf das Institute of Economic Affairs IEA des Briten und Hayek-Anhängers Antony Fisher, der nach Erfolgen in Großbritannien auf Welttour die Koch-Brüder und Rupert Murdoch als Partner gewinnen konnte. Hauptgeldgeber kommen überwiegend aus den USA: Öl- und Tabakkonzerne, u.a. Koch Ind., Shell und Philipp Morris, Großinvestoren, Chemie- und Pharmaunternehmen.
    Antony Fisher war der Kopf der neoliberalen Kampagne in Großbritannien, die mit der Wahl der konservativen Iron Lady Margaret Thatcher den Siegeszug des Neoliberalismus in Europa einleitete. 1981 vernetzte Fisher die Think Tanks in USA und Europa mit Hilfe von Geldern aus der Ölindustrie, vermittelt v.a. über Friedrich von Hayek. Atlas steckt auch hinter der Kriminalisierung der Straßenblockaden im angloamerikanischen Raum, mittels derer u.a. die Aktivitäten von Extinction Rebellion XR in Großbritannien und die Proteste gegen die Dakota Access Pipeline unterbunden wurden.
    Fishers Bedeutung erinnert an die von Dominic Cummings, den Architekten der Brexit-PR.
    [Wikipedia 2023 - Atlas Network]


    The U-turn in British policy executed by Margaret Thatcher owes more to Fisher than any other individual.
    Milton Friedman

    Das Atlas Network war ebenso involviert in etliche neokoloniale bis faschistische Einflussnahmen der USA in Mittel- und Südamerika, u.a. der Abwahl von Hugo Chavez in Venezuela und die Wahl von Jair Bolsonaro in Brasilien. Auch die Strategie des Redwashing wird von ihm verbreitet: Umweltaktivisten seien die wahren Neokolonialisten, da sie Fortschritt und Wohlstand in den rohstoffliefernden Ländern des Globalen Südens verhindern. Ein schwedischer Think Tank des Atlas Network bezeichnet Klimaaktivisten als "Klimapopulisten" und vergleicht sie mit Nazis, ähnlich wie in Deutschland von Klimafaschisten gesprochen wird - eine komplette Täter-Opfer-Umkehr. Auch die deutsche "Anti-Greta" Naomi Seibt, die zur Wahl der AfD aufuft, wird unterstützt vom Atlas Network.
    newrepublic: [Westervelt 2023]
    Fishers Institute of Economic Affairs feierte als einer der Hauptdrahtzieher der Hard-Brexit-Kampagne einen großen Erfolg, und setzt sich weiter gegen Klimaschutz und für den Abbau staatlicher Sozialpolitik wie den National Health Service ein. Sein Ableger Freer beheimatet 24 rechtskonservative Politiker:innen wie die Trickle-Down-Premierministerin Liz Truss, der wegen klassistischer und islamophober Äußerungen umstrittene Ben Bradley und die selbsternannte farbige "anti-woke" Kemi Badenoch.

    Was anfangs als Instrument der Gemeinschaftsbildung und demokratischen Fortentwicklung beworben wurde, verkehrte sich in das Vehikel der größten Gefahr für demokratische Gesellschaften: die "sozialen" Medien. Sie haben in den letzten Jahren weit verheerender gewirkt, als es klassische Medienkampagnen des letzten Jahrhunderts vermochten. Das funktioniert zunächst über klassische Medien (in demokratischen Staaten sind es private), die für Auflage oder große Anzeigenkunden so manche journalistische Lüge zu verbreiten bereit sind.
    Mit der Einführung des Internet 2.0 geschieht die Manipulation nicht mehr öffentlich, sondern im Verborgenen, und vor allem zielgerichtet. Bezahlt von Milliardären, wird der Datenmissbrauch in "sozialen" Netzwerken als Manipulations-Instrument genutzt. Speziell im Bereich der Klimathematik sind dazu bisher nur wenige Studien bekannt geworden, z.B. Farrell 2015.
    Wesentlich mehr Aufmerksamkeit bekamen solche Manipulationen durch den Brexit. In der vorangegangenen Desinformations-Kampagne, die als Generalprobe vor Trumps Wahlkampf von Russland aus beeinflusst wurde, war der Chefstratege Dominic Cummings eine zentrale Figur.
    [Verknüpfung]
    Nicht umsonst war Cummings einer der ersten Köpfe, die der 2020 gewählte Präsident Biden von den USA aus hat rollen lassen. Die vielfachen, tiefgreifenden Einflussnahmen aus Russland auf Donald Trump beleuchtet Johannes Hano in der Reihe ZDF Zoom:
    [Verknüpfung]

    Seit Jahren sind ganze "Trollarmeen" aktiv, die über Kommentare im Web 2.0 und v.a. "soziale" Medien teils aggressiv, teils subtil in die Diskussionen eingreifen, die nachweislich v.a. aus Russland, koordiniert werden. 2008, als in den USA selbst Konservative gerade begannen, den Klimawandel als Problem anzuerkennen, startete der Militärstratege Anatoly Tsyganokist die vom Ölexport abhängige Ex-Weltmacht Russland mit einer breiten Propaganda-Kampagne, die auf die Zerstörung der liberalen westlichen Demokratien und ihre Bündnisse abzielt, von denen die größte Bedrohung für das fossile Kapital ausgeht.
    Wie üblich in Propaganda wird praktisch durchgehend auf Quellenangaben verzichtet, und in den seltenen Fällen, wo es doch Quellen gibt, sind sie meist unseriös oder werden falsch zitiert.
    Zeit: [Verknüpfung]
    2023 gibt der Putin-vertraute Oligarch und Besitzer der Privatarmee Wagner Jewgenij Prigoschin zu, von Anfang an auch Kopf der russischen Trollarmee zu sein.
    Ein Datenleck der bis dato unbeobachteten russischen IT-Firma Vulkan offenbart den Umfang russischer Aktivitäten. Sie gehen weit über Spionage und Meinungsmanipulation hinaus und reichen bis in Sabotage von Kern-Infrastruktur.
    [Verknüpfung]

    Zwei Monate nach Prigoschins Putschversuch, und zwei Tage nach seinem tödlichem Flugzeugabsturz tritt am 25.08.2023 in der EU der Digital Services Act gegen Hass-Propaganda in Kraft.

    Die wachsende Unzufriedenheit und fehlende Medienkompetenz ihrer Leser und Zuschauer beschert diesen Gerüchte-Giftküchen enormen Erfolg. Zwischen dem neuen autoritären Populismus und den "sozialen" Medien gibt es eine wechselseitige Verstärkung, eine positive Rückkopplung. So kommt es dazu, dass große Teile der diskurs-aktiven Zivilgesellschaft sich in sogenannten Informationsblasen befinden. Sie glauben an ein System von Behauptungen, die dem Mainstream, also der wissenschaftlichen Lehrmeinung, der Darstellung in konventionellen Medien und öffentlichen Stellen, diametral widersprechen. Da solche Mainstream-Darstellungen strikt abgelehnt werden, spricht man auch von Filterblasen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Dort findet sich als Extremform der Typus des Verschwörungs-Theoretikers, der sich in der Verantwortung sieht, seine Mitmenschen über ihren Irrtum aufzuklären. Dass er sich dabei nahezu komplett auf unseriöse Quellen beruft, die im Widerspruch zur offiziellen Darstellung stehen, macht das Unterfangen besonders wichtig. Sozialpsycholog:innen erklären das Phänomen.
    Rolf Pohl (Leibniz-Uni Hannover) erklärt damit, warum Männer besonders anfällig für extreme, mitunter missionarisch-aggressive Formen des Verschwörungsglaubens sind: Viele sind motiviert von der Sehnsucht, ein Held zu sein. In diesem Falle bewahrt der Held seinen Clan vor Gefahren, von der Ungerechtigkeit bis hin zum Untergang.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Pia Lamberty (Universität Mainz) erklärt mit der Politologin Katharina Nocun die Hintergründe in einem Buch und in der Online-Konferenz tincon im Netz:
    In Krisensituationen empfinden Betroffene ein Gefühl des Ausgeliefertseins bis hin zu existentieller Angst vor Kontrollverlust, und ein Bedürfnis, Schuldige zu finden. Der Eindruck, zur Elite der Wissenden zu gehören, verschafft ihnen Gefühle der Selbstaufwertung, und Erleichterung. Man entwickelt ein Gefühl der Verantwortung: das Bedürfnis, die "Schlafschafe" aufzuklären, und sich gegen die vermeintlich Schuldigen zu wehren, im Extremfall mit Gewalt. Wenn man diesen Impulsen nachkommt, entsteht ein Gefühl der Selbstaufwirksamkeit. Dieser Mechanismus ist auch besonders geeignet, eine eigene Verantwortung zu verdrängen.
    [Verknüpfung]
    Buchtip: Nocun, Katharina und Pia Lamberty. Fake Facts – Wie Verschwörungstheorien unser Denken bestimmen. Quadriga. Köln 2020
    [Verknüpfung]
    Mittlerweile kümmern sich auch größere Aufklärungs-Portale um Verschwörungserzählungen.
    BpB: [Verknüpfung]
    WDR Quarks & Co.: [Verknüpfung]
    Weil die Corona-Maßnahmen gravierende Einschnitte für alle darstellten, die wissenschaftlichen Begründungen jedoch als Anlass für Diskussionen genutzt wurden, sahen die Rechtspopulisten eine gute Gelegenheit, mittels Verschwörungstheorien ihren politischen Wirkungskreis zu vergrößern. An diesem Beispiel lassen sich Akteure und Mechanismen sehr gut nachvollziehen. Das tut die Sendung Kontraste des öffentlich-rechtlichen Rundfunk Berlin-Brandenburg rbb: "Im Sog der Lügen".


    RBB bei Youtube: [Verknüpfung]

    Dass man radikalisiertes Querdenken auch zur Profession machen kann, zeigt das Beispiel von Frank Schreibmüller.
    [Verknüpfung]

    Der englische Dokumentarfilmer Adam Curtis greift die Erklärung des Pulitzer-Preisträgers Richard Hofstadter auf, der schon Mitte des 20. Jahrhunderts den Einfluss der Theorie einer Illuminaten-Verschwörung auf die amerikanische Politik beschrieben hatte. Hofstadter beginnt dabei mit der Gründung der Republik als von Gott erwähltes Land von weißen Christen für weiße Christen, bis zu seiner Zeit, der antikommunistisch-rassistischen McCarthy-Ära. Die Illuminaten-Erzählung habe sich in der Isolation der weißen Siedler entwickelt und habe einen "paranoiden Stil in der amerikanischen Politik" hervorgebracht. Sie steht in der antisemitischen Tradition der Herkunftsländer.
    [Wikipedia 2022 - Richard Hofstadter]
    [Wikipedia 2022 - The Paranoid Style in American Politics]
    Der britische Kulturwisenschaftler Gordon Fraser stellt die neue Verschwörungserzählung PizzaGate, die im US-Wahlkampf 2016 von Trump-Unterstützern gegen Hillary Clinton in die Welt gesetzt wurde, in diese Tradition.
    Studie: [Verknüpfung]
    PizzaGate wird als Vorläufer der antisemitischen QAnon-Erzählung eines Deep State angesehen, denn es exisitiert ein frühes Posting des Nutzers "Q", das diese Erzählung aufgreift und damit die Bewegung begründet.
    [Wikipedia 2022 - Pizzagate - Folgen]
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Pizzagate conspiracy theory]
    Donald Trump und seine Unterstützer in den sozialen Netzwerken nähren nach wie vor erfolgreich diese Erzählungen.
    [Verknüpfung]

    Filmtip: Adam Curtis. Can't Get You Out Of My Head. BBC 2021
    [Verknüpfung]

    Zu dieser fatalen Selbstverstärkung von Desinformation kommt es zum einen durch die technische Auslegung der Angebots-Algorithmen in den Filterblasen ("Leser, die diesen Artikel gelesen haben, lasen auch..."). Noch weit fragwürdiger jedoch ist, dass die "sozialen" Medien aktiv und systematisch zur politischen Meinungsmache missbraucht werden.
    Nach den Meldungen über die Methoden der Klimaskeptiker und das Profitdenken der sozialen Medien befürchtete ich schon länger etwas Derartiges. Vom Umfang und der Effektivität war ich dann doch wieder zutiefst verstört. Die walisische Journalistin Carole Cadwalladr deckte 2018 durch die Whistleblower Robert Wylie und Shamir Sanni den Skandal um die KI-Dienstleister Cambridge Analytica, Aggregate IQ und Palantir auf. Das sind IT-Firmen, die auf den Facebook-Plattformen Data Mining betreiben: Nutzerdaten werden verkauft und mittels Analyse-Tools Nutzerprofile erstellt. Diese dienen dem politischen Microtargeting. Zielgruppengerecht werden Falschmeldungen verbreitet, um demokratische Wahlen und Abstimmungen zu manipulieren: Brexit, Trump-Wahl, Bolsonaro, Orban etc., allesamt Abstimmungserfolge autoritärer Populisten. Jedesmal feierten die Datenanalysten mit, wenn eine Abstimmung gewonnen wurde, denn sie bekamen eine Erfolgsprämie.


    Wie sie klicken, so sie ticken.

    Geldgeber sind Milliardäre, in der Reihenfolge ihres Auftretens die Ölmagnaten-Brüder Charles und David Koch, russische Oligarchen, Medientycoon Rupert Murdoch und zuletzt IT-Milliardäre wie Robert Mercer, Steve Bannon und Peter Thiel. In einem Ziel sind sie sich einig: liberale Zivilgesellschaften zu spalten, und rechtskonservative bis autoritäre Regierungen zu installieren. Der Skandal schlug in Großbritannien hohe Wellen, auch wegen der Brexit-Kontroverse.
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    Auf die Spur des russischen Mittelsmanns Arron Banks kam Cadwalladr durch Zufall.
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    Recherchen der Welt und netzpolitik.org decken 2020 ein russisches Desinformationsnetzwerk auf.
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    Auch Google schaltet nutzerspezifische Anzeigen - und das wird von Ölfirmen und -Investoren zur Desinformation in Klimafragen genutzt, wie der Guardian offenlegt. Das Ausmaß ist alarmierend: diese Firmen zählen zu Googles wichtigsten Anzeigenkunden.
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    Zur digitalen Desinformation gehört auch die Löschung unliebsamer Daten aus dem Internet. Auch dafür gibt es Dienstleister wie z.B. Eliminalia, die für viel Geld auch Vieles möglich machen. Es besteht keine Zusammenarbeit mit Kriminalbehörden.
    [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]

    2019 muss FaceBook in einem Strafverfahren wegen Weitergabe von Nutzerdaten 5 Milliarden Dollar zahlen. In der zivilen Sammelklage kommt es erst Ende 2022 zu einem vergleichsweise glimpflichen Vergleich für Meta, wie der Facebook-Nachfolgekonzern heißt, über etwa 700 Millionen Dollar.
    [Verknüpfung]

    Ein wichtiger Agent der Brexit-Kampagne war (bis zur Wahl Joe Bidens als US-Präsident) Chefstratege von Premierminister Boris Johnson: Dominic Cummings.
    Filmtip: Brexit - The Uncivil War (deutsch: Brexit - Chronik eines Abschieds) - Spielfilm mit Benedict Cumberbatch über Aggregate IQ in der Brexit-Kampagne VoteLeave
    Nach diversen Anhörungen bezeichnet ein britischer Untersuchungsausschuss in seinem Bericht die Akteure als "digitale Gangster" und beschuldigt den wichtigsten Plattform-Betreiber Mark Zuckerberg schwer. Wenn er sich an eine 2011 getroffene Datenschutz-Vereinbarung mit der Regulierungsbehörde gehalten habe, wäre es nicht zu dem Datenmissbrauch gekommen. Außerdem habe er die Aufklärung behindert.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Filmtip: The Great Hack - Dokumentation über Cambridge Analytica, u.a. in der Brexit-Kampagne leave.eu. Netflix 2019
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zuckerbergs gegenteilige Beteuerungen erscheinen zweifelhaft, v.a. wenn man den Umgang seines Konzerns mit Trumps Desinformations-Kampagnen betrachtet. Es gab sogar massive firmeninterne Querelen.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Die demokratische Kongressabgeordnete Alexandria Occasio Cortez stellt Zuckerberg in einer Anhörung sehr unangenehme Fragen.


    So You won't take down lies or You will take down lies?
    Alexandria Occasio Cortez
    Guardian:


    Youtube: [Verknüpfung]

    Johannes Franzen hält in seinem Zeit-Essay "giftige Genies" Mark Zuckerberg mit der Kontrolle seines mächtigen Werkzeugs für intellektuell und moralisch überfordert, Zitat: "Zuckerberg, dessen Firma großen sozialen und kulturellen Schaden angerichtet hat, wirkt konstant überfordert, der Verantwortung, eine weltumspannende kommunikative Infrastruktur zu verwalten, intellektuell und moralisch einfach nicht gewachsen. Er ist – wie die meisten Protagonisten der Mediengeschichte in den letzten 20 Jahren – weder ein Held noch ein Schurke, sondern ein unreifer, inkompetenter Mann, der Glück gehabt hat."
    [Verknüpfung]


    [Zuckerberg:] Yeah so if you ever need info about anyone at Harvard. Just ask. I have over 4,000 emails, pictures, addresses, SNS.
    [Chat-Partner:] How'd you manage that one?
    [Zuckerberg:] People just submitted it. I don't know why. They "trust me". Dumb fucks.
    Mark Zuckerberg (in einem privaten Chat)
    [Carlson 2010]

    Filmtips:
    Weltmacht FaceBook - Das Reich des Mark Zuckerberg. ZDF 2023
    ZDF (verfügbar bis 14.11.2026): [Verknüpfung]
    ZDF Magazin Royale 10.12.2021: Wie Facebook weltweit Demokratien zerstört. ZDF 2021
    [Verknüpfung]

    Was mich dann aber weit mehr verstörte: bei uns wurde der Skandal nur von Interessierten wahrgenommen. Hier drei der raren deutschen Zeitungsmeldungen:
    [Verknüpfung]
    Wird ein Geschäftsmodell zu streng reguliert oder fällt ein Akteur unangenehm auf, lässt man die Firma bankrott gehen (wie bei Cambridge Analytica geschehen) und gründet gleich die nächste Firma. Der systematische Datenmissbrauch läuft immer weiter.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Nach Cadwalladrs Enthüllungen wurde auch die CA-Managerin Brittany Kaiser zur Whistleblowerin. Sie schrieb dazu das Buch Targeted. The Cambridge Analytica Whistleblower's Inside Story of How Big Data, Trump, and Facebook Broke Democracy and How It Can Happen Again.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2020 - Brittany Kaiser]
    In der Sendung Sternstunde Philosophie des SRF wurde sie im Januar 2020 interviewt.
    [Verknüpfung]
    2023 wurden weitere Vernetzungen von Cambridge Analytica aufgedeckt, jetzt mit einer isaelischen Firma für black ops, das sogenannte "Team Jorge" um den ehemaligen Militär Tal Hanan. Nachweislich hat das Team in Nigeria Wahlen manipuliert.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der TED-Talk von Carole Cadwalladr sollte eigentlich Pflichtprogramm zum Thema Medienkompetenz in Schulen sein, ist aber weitgehend unbekannt.
    [Verknüpfung]
    Im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehen hat sich die ZDF-Sendung Zoom am Thema verdient gemacht; dort kommt auch der Whistleblower Shamir Sanni zu Wort. Die Sendung lässt sich auch auf englisch abrufen:
    [Laabs 2019]
    [ZDF 2019]
    Mittlerweile auch auf Youtube: [Verknüpfung]
    Nach Cadwalladrs Enthüllungen und den darauf folgenden Wellen des FaceBook-Skandals konnte man hoffen und erwarten, dass die Demokratien auf derartige Gefährdungen durch Datenmissbrauch mit Gegenmaßnahmen reagieren.
    In den USA jedenfalls sind die größten Befürchtungen wahr geworden, so zeigt die Dokumentation "People You may know" von Dr. Charles Kriel. Er ist Sonderberater der britischen Regierung zum Thema Desinfomation. Der Film zeigt, dass der Datenmissbrauch in den USA von radikal rechten Gruppen massiv weiterbetrieben wird.
    Die radikal rechte evangelikale Plattform Communio nutzt Microtargeting, um leicht beeinflussbare Schichten für sich zu gewinnen, und Donald Trump zu wählen.
    Cambridge Analytica, Gloo, InSights und andere Datendienstleister nutzen dafür eine riesige Datenbank über politische Profile von 191.000.000 US-Bürgern. Data Trust gehört der republikanischen Partei der USA. Der Whistleblower Chris Vickery berichtet einem britischen Untersuchungsausschuss darüber und stößt damit Kriels Recherchen an. Dort äußert sich der Whistleblower Sven Hughes.
    Die deutsche Version "Dunkle Machenschaften - Wie mit Daten die US-Wahlen beeinflusst werden" wurde in der Reihe von ZDF zoom ausgestrahlt. Das Video war über die Suche der ZDF-Mediathek leider nur bis zum 01.12.2020 zu finden und (Stand Juni 2022) noch nicht bei Youtube verfügbar.
    [Verknüpfung]
    Allerdings funktioniert noch der Mediathek-Download-Link.
    [Verknüpfung]
    In Großbritannien kann man auf die englische Version bei iwonder.com zugreifen.
    [Verknüpfung]
    Der öffentlich-rechtliche Sender Deutsche Welle interviewt die beiden Autoren.
    [Verknüpfung]
    2021 kommt ein neues Insider-Sachbuch heraus, das weitere Belege für die Missbrauchs-Vorwürfe dokumentiert: Inside FaceBook von Sheera Frenkel und Cecilia Kang.
    [Verknüpfung]

    Buchtip: Jessikka Aro. Putins Armee der Trolle. Der Informationskrieg des Kreml gegen die demokratische Welt. (Original: Putin’s Trolls. On the Frontlines of the Information War Against the World. Johnny Kniga. Finnland 2022)

    Die Meute der Brexiteers hat in der Parlamentswahl, die wegen mehreren Rücktritten immer wieder verschoben wurde, 2024 nichts mehr zu erwarten. Die letzte nach ordentlichen Wahlen bestätigte Premierminister:in war Theresa May; nach ihrem Rücktritt folgten Boris Johnson, Liz Truss und Rishi Sunak ohne Wahlen. Das Land ist nach dem Verlassen des EU-Binenmarkts hoffnungslos abgewirtschaftet, die linke Labour-Partei liegt in Umfragen weit vorn. Viele der Brexiteers wechseln in die Wirtschaft, Nigel Farrage will Donald Trump im Wahlkampf unterstützen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Auch im US-Wahlkampf 2020 wurden massive Desinformationskampagnen aufgedeckt, z.B. vom Atlantic-Journalisten McKay Coppins: "The Billion-Dollar Disinformation Campaign to Reelect the President - How new technologies and techniques pioneered by dictators will shape the 2020 election".
    The Atlantic: [Coppins 2020]
    Amanpour and Company bei PBS:
    ... bei Youtube: [Verknüpfung]

    Die Künstliche Intelligenz von Textgeneratoren wie ChatGPT lässt selbst den Mit-Erfinder Yoshua Bengio an der Sicherheit vor maschinell vestärkter Desinformation zweifeln. Er fordert wie Yuval Harari und andere, darunter sogar Elon Musk, ein halbjähriges Moratorium der Zulassung, damit die Staaten mit den nötigen Aufsichtsregeln hinterherkommen.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Ein Blick auf Putins Propaganda-Politik zeigt, dass der Westen die Gefahr der russischen Desinformation seit langem fatal unterschätzt hat. 2013 formulierte der Generalstabschef Gerassimow eine Doktrin, nach der Russland sich in einem hybriden Krieg mit dem Westen befindet. Eine Zeit lang nach der Ukraine-Krise 2014 beleuchtet der MDR die Folgen in der Dokumentation "Spiel im Schatten - Putins unerklärter Krieg gegen den Westen". Hier taucht auch ein zentraler Akteur des deutschen Rechtspopulismus auf: Jürgen Elsässer mit seinem Compact-Magazin. Im Mai 2017 wurden die Autoren Marcus Weller und Arndt Ginze mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet.
    MDR: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]

    Das russische Magazin The New Times wurde wegen seiner regierungskritischen Berichterstattung 2018 mit einer hohen Geldstrafe belegt und ihre Internetseite am 28.02.2022, vier Tage nach der Invasion der Ukraine, blockiert. Seit 2011 ist Yevgenia Albats dort Chefredakterin, eine Freundin der 2006 ermordeten Journalistin Anna Politkowskaja. In einem langen Interview aus dem Jahr 2017 erklärt sie Putins Machtergreifung, seine Motive und Einstellungen, und auch die begeisterten Reaktionen im Kreml auf die Wahl Donald Trumps. Sie erklärt Putin als "gefährlich für die Menschheit", weil Putin keine Angst vor Krieg habe, auch nicht vor Atomkrieg.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - Yevgenia Albats]
    Schon 2018 berichtet der Spiegel über die führende Rolle des Putin-vertrauten Oligarchen Jewgenij Prigoschin, der als Besitzer der privaten Söldnertruppe Wagner schon damals bekannt war, beim Betrieb der Troll-Fabriken in der Olgino- und Savushkina-Straße in St. Petersburg.
    [Verknüpfung]
    2023 gibt Prigoschin diese Aktivitäten öffentlich zu, auch den Eingriff in die US-Wahlen 2016. Die Brutalität der Wagner-Truppen ist Beobachtern lange bekannt, rückt jedoch durch den Ukaine-Krieg stärker in den Fokus.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Der 2023 ermordete Putingegner Alexej Navalny biographierte Prigoschin 2017 auf Youtube.


    Youtube: [Verknüpfung] (mit englischen Untertieln)

    Im April 2018 warnt der israelische Geschichtsphilosoph Yuval Harari vor neuer Diktatur - eingesetzt durch Missbrauch der "sozialen" Medien durch autoritäre Kräfte.


    [Harari 2018 yt] (Untertitel in vielen Sprachen, u.a. deutsch, verfügbar)
    [Harari 2018 TED] (Transkript und Untertitel in vielen Sprachen, u.a. deutsch, verfügbar)

    Die chinesische Plattform WeChat integriert die Funktionen vieler Vorbilder aus den USA, und verknüpft entsprechend alle möglichen Daten ihrer mittlerweile eine Milliarde Nutzer:innen. Sie ist laut dem investigativen Youtube-Kanal Simplicissimus die "gefährlichste App aller Zeiten". Der Beitrag basiert auf einem Interview mit der Trierer Sinologin Prof. Dr. Kristin Shi-Kupfer.
    Simplicissimus auf Youtube: [Verknüpfung]

    Der Psychologe und Autor Christian Stöcker schreibt im Spiegel von Putins globaler Rechten oder der rechten Internationalen.
    [Verknüpfung]
    Putins Vordenker ist der faschistische Staatsphilosoph Iwan Iljin, dessen Überreste er aus der Schweiz nach Russland überführen ließ und in seinem Beisein beisetzen ließ, und der mittlerweile zum russischen Schulkanon gehört. Die Zeit berichtet.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Auch zwei zaristischen Generälen des russischen Bürgerkriegs hat Putin Denkmäler errichten lassen, Anton Iwanowitsch Denikin und Wladimir Oskarowitsch Kappel. Sie vertraten die Idee von Russland als imperialer paneurasischer Macht, erklärt US-Historiker Antony Beevor.
    t-online: [Verknüpfung]
    Wie junge Menschen von dem russischen Faschismus vereinnahmt werden, zeigt sich auf der Plattform Chatroulette, wo sie sich mit Ukrainer:innen zum Austausch treffen.
    n-tv: [Verknüpfung]

    Einer der bedeutendsten fossil-patriarchalen Netzwerker ist der russische Oligarch Oleg Deripaska, der offenbar beim Aufbau seines Aluminium-Imperiums vor mafiösen Methoden nicht zurückschreckte - er wurde zumindest von einem Konkurrenten der Todesdrohung bezichtigt. Über seinen europäischen Mittelsmann, den Österreicher Unternehmer Siegfried Wolf, hat er Einfluss auf den fossil international vernetzten österreichischen Kanzler Sebastian Kurz genommen, die geplanten europäischen Regeln für die energieintensive und lieferketten-kritische Aluminiumbranche zu verwässern. Deripaskas Einfluss geht über den VW-Konzern, dessen russischen Partnerkonzernen er vorsteht, bis in die höchsten Etagen der Bundespolitik.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der spätere Wahlkampf-Manager von Donald Trump, Paul Manafort, hatte Deripaska schon 2004 geholfen, dessen Finanzen vor der ukrainischen Krise abzuschirmen.
    [Wikipedia 2022 - Paul Manafort - Sowjetische Nachfolgestaaten]
    [Verknüpfung]
    Siegfried Wolf wurde von Kurz auch direkt steuerlich begüstigt. Als Deripaskas Mann in Österreich vermittelte er bei Kurz schließlich einen skandalösen Knebelvertrag zur Gaslieferung an den österreicher Staatskonzern OMV, der Putin selbst 2023 noch Devisen zur Finanzierung seines Ukraine-Kriegs sichert. Dabei wurde der OMV-Chef Gerhard Roiss, der auf Diversifizierung der Gasquellen setzte, durch Rainer Seele ersetzt, vormals Chef von BASF-Wintershall.
    FAZ: [Verknüpfung]
    NZZ: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    Putins Einfluss geht über die wirtschaftlichen Kontakte hinaus. Es besteht ein starker Verdacht, OMV habe Fridays-for-Future-Akivisti ausspionieren lassen.
    Spiegel (für Abonnenten): [Verknüpfung]

    Von Deripaska und dem niedersächsisch dominierten teilstaatlichen Mega-Konzern Volkswagen ist es auch nicht weit bis in die Staatskanzlei von Niedersachsen, aus der die SPD-Ministerpräsidenten Gerhard Schröder und Sigmar Gabriel als Interessenvertreter Putins für die Bundesregierung rekrutiert wurden.

    Ein Schlüsselmoment, der die Machtlosigkeit der liberalen Demokratien gegenüber dem globalen fossilen Patriarchat zeigt wie kaum ein anderer, war die gemeinsame Pressekonferenz von Trump und Putin in Helsinki. Trump wurde dort mit dem Vorwurf der US-Geheimdienste konfrontiert, dass seine Wahl zum US-Präsidenten von Russland beeinflusst worden sei. Daraufhin leugnet Putin und wird dabei von Trump unterstützt.


    President Putin says it's not Russia. I don't see any reason why it would be.
    Donald Trump
    [Verknüpfung]

    Im September 2022 wird über Geheimdienst-Dokumente berichtet, die 300 Millionen Dollar Wahlkampfhilfe aus Russland für Trump belegen sollen. Die Berichte in den US-Top-Medien berufen sich auf einen hochrangigen Regierungsbeamten.
    Zeit: [Verknüpfung]
    CNN: [Verknüpfung]
    Washington Post: [Verknüpfung]

    Einen anderen Beweis für seine Treue zu Putin zeigt Trump, als er seinen Außenminister Rex Tillerson (vormals Chef des Putin-Konkurrenten Exxon) sofort entlässt, als dieser Putin als außenpolitisches Risiko darstellt und ihn verbrecherischer Methoden im Fall Skripal bezichtigt.

    Einen weiteres Mal zeigt sich die fossil-autoritäre Ost-West-Achse beim russischen Überfall auf die Ukraine. Donald Trump betont seine guten Beziehungen zu Putin und erklärt Joe Biden zum Schuldigen.
    rnd: [Verknüpfung]
    fr: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    t-online: [Verknüpfung]
    Es gibt Hinweise, dass Putin Material zurückhält, das Trump belastet.
    [Verknüpfung]

    Washington stand jedes Mal Kopf - aber selbst nach Trumps missglücktem Staatsstreich und Putins Überfall auf die Ukraine sind beide in ihrem fossilpatriarchalen Zerstörungswerk aktiver denn je.

    Nachdem im Juli 2022 der oberste Gerichtshof der USA massiv die Exekutivgewalt der Umweltbehörde EPA in Sachen Klimaschutz beschneidet, platzt Christian Stöcker verbal der Kragen, er schreibt derartig korrekten Klartext, wie ich es mich hier nur selten getraut habe: "Im Würgegriff der Feinde der Menschheit", "unglaubliche, globale Macht der Branchen, die uns in den Untergang führen", "mächtige, dezentrale globale Verschwörung gibt, die seit Jahrzehnten auf den Untergang der menschlichen Zivilisation hinarbeitet", "die Menschheit reagiert nicht", "planeten- und damit zivilisationszerstörenden Geschäftsmodelle", "Die gleichen Spender, hier wie dort", "Die Fürsten des Fossilen kommen mit fast allem durch", "schamlose Lobbyarbeit deutscher Politikerinnen und Politiker aus CDU/CSU, SPD und FDP", ... .
    Ich empfehle alle Artikel von Christian Stöcker, denn er zieht die richtigen Schlüsse und Verbindungen; aber diesen hier empfehle ich besonders dringend. Ich versuche ein Best of:

    "Die unterlegene Richterin Elena Kagan formulierte es in ihrer von zwei Kollegen mitgetragenen abweichenden Meinung so: »Das Gericht ernennt sich selbst – statt des Kongresses oder der Fachbehörde – zum Entscheider in Sachen Klimapolitik. Mir fallen nicht viele Dinge ein, die ich furchteinflößender finde.« So steht das da wirklich, in einem offiziellen Dokument des Gerichts. [...]
    Weitere Entscheidungen zum Thema Klimapolitik stehen vor US-Gerichten an. Es wird so weitergehen, das ist völlig klar. Die Öl- und Kohlebarone der USA, die mit Spenden, Strategien und unzähligen Detailaktivitäten seit Jahren auf diesen Zustand hingearbeitet haben, haben vorerst gesiegt. Die vorher gefällten und noch zu erwartenden Kulturkampfurteile des Gerichts – zum offenen Waffentragen etwa, zum Abtreibungsrecht – sind vor allem Ausstellungsstücke für die massiv polarisierte Wählerschaft, der man diese neue, kaum beschränkte Macht verdankt. Die Republikaner haben sich zu einer rechtsextremen Partei entwickelt, der Fakten und sogar die US-Demokratie selbst gleichgültig sind. Darunter leiden werden sehr viele: Frauen, Kranke, Arme, alle Nichtweißen, Homosexuelle, Transmenschen und so weiter. Aber all das ist in Wahrheit vor allem Marketing, Werbebotschaften an den um seine Privilegien fürchtenden weißen, reaktionären Anteil der Bevölkerung. Ihr wirtschaftlicher und gesundheitlicher Abstieg – in keiner Industrienation ist die Lebenserwartung so niedrig wie in den USA – wird mit der Bedienung von Ressentiments vergütet.
    Jedes Mal, wenn jemand über die schlimmen »Woken« jammert, spielt er dieses Propagandaspiel im Dienste von Öl, Kohle und Geld mit. Symptomatisch: Auch da ziehen Wladimir Putin und die Republikaner an einem Strang.
    Die christlichen Fundamentalisten bekommen ihre Unterdrückungsinstrumente, die Waffenfanatiker ihre Sturmgewehre. Und, wenn es schlimm ausgeht, die Republikaner bald die Gelegenheit, Wahlergebnisse ganz legal zu ignorieren. Damit wäre der Coup gewissermaßen perfekt. [...]
    Man darf bei alledem nicht vergessen, dass die Fossilbranchen nachweislich seit Jahrzehnten wissen, dass die von ihren Produkten und Praktiken verursachten Treibhausgase den Planeten immer weiter aufheizen, was schon jetzt ständig Katastrophen auslöst. Und dass sie seit Jahrzehnten zunächst sehr erfolgreich dabei waren, diese Tatsache zweifelhaft oder gar falsch erscheinen zu lassen, mit »Thinktanks«, »Stiftungen«, »Studien«, gekauften Wissenschaftlern, Kampagnen, Korruption.
    Zum Gesamtbild gehören viele Puzzleteile, alle nur scheinbar unverbunden, alle Teil eines mittlerweile klaren, erschreckenden Gesamtbildes:

    Die Liste ließe sich nahezu beliebig fortsetzen, aber der Kern bleibt immer der gleiche: Die Hersteller von CO2 haben, wie Guterres sagt, die Welt im Würgegriff. [...]
    Die Botschaft lautet jetzt nicht mehr »Das ist alles nicht wahr«, sie lautet »Wir haben aber auch Rechte« oder, wenn opportun, weicher: »Im Moment müssen wir leider noch so weitermachen, aber wir hören bald damit auf, wirklich, wir haben verstanden.« An ihrem Verhalten aber ändern sie rein gar nichts, im Gegenteil: Viele ihrer Strategien gehen gerade jetzt erst wirklich auf. Das Supreme-Court-Urteil zeigt das einmal mehr. Das Aufweichen des Bekenntnisses zum sofortigen Ausstieg aus fossilen Investitionen beim G7-Gipfel – betrieben vom deutschen Kanzler! – ist ein weiteres Beispiel für das gleiche verhängnisvolle Phänomen.
    Wie ein Junkie oder ein Alkoholiker. Nur ein Schnaps, ein Schuss noch, einer! Und der Dealer lächelt freundlich und verständnisvoll." Zitat Ende.


    Die Fossilbranchen sind, das ist längst völlig klar, Feinde der Menschheit. Sie haben sich Strategien, Verbündete und Handlanger zugelegt, um so noch möglichst lange weitermachen zu können. Das ist natürlich selbstzerstörerisch, denn auch die Kinder der Öl- und Kohlemanager und ihrer Anteilseigner werden auf einem heißeren, instabilen, in Teilen unbewohnbaren Planeten leben müssen. Aber bei denen, die am Zurasen auf den Abgrund verdienen, sind die kognitiven Abwehrmechanismen, die sie selbst so lange von Profis haben bedienen lassen, offenbar besonders gut ausgebildet. Es ist ein globaler Selbstmordpakt, wie John Kerry das einmal formuliert hat.
    Christian Stöcker

    Und die Propagandisten der Fossilbranchen verdrehen die Tatsachen komplett, indem sie die gerade die Klimaschützer zu Menschenfeinden erklären, z.B. Markus Krall, Axel Bojanowski oder Julian Reichelt. Die Rhetorik der Spaltung könnte nicht krasser sein.
    Die 28. Weltklimakonferenz COP in Doha 2023 soll derweil von einem Ölscheich geleitet werden, Sultan al-Jaber, der Chef der Abu Dhabi National Oil Company.
    [Stöcker 2023-1]
    Wenn Stöcker die Durchsetzung vermeintlicher Rechte der Konzerne beklagt - wie jetzt wieder in Lützerath geschehen - dann füge ich meine Forderung nach Strafverfolgung von Ökozid, Schadenersatz und Enteignung hinzu.

    Stöcker zitiert selbst wiederum UN-Generalsekretär Antonio Guterres.


    Wir scheinen in einer Welt gefangen zu sein, in der die Produzenten und Finanziers fossiler Brennstoffe die Menschheit im Würgegriff haben. Seit Jahrzehnten hat die fossile Brennstoffindustrie massiv in Pseudowissenschaft und Öffentlichkeitsarbeit investiert – mit einem falschen Narrativ, um ihre Verantwortung für den Klimawandel herunterzuspielen und ambitionierte Klimapolitik zu unterminieren. Sie haben exakt die gleichen skandalösen Taktiken eingesetzt wie die Tabakindustrie in den Jahrzehnten davor.
    Antonio Guterres
    [Stöcker 2022-3]

    Doch nicht nur in den USA läuft die populistische Desinformation auf Hochtouren.

    Der EU-Parlamentarier und Kabarettist Nico Semsrott erklärt die Machenschaften des IT-Unternehmers Davide Casaleggio, der in Italien über seine Facebook-ähnliche Plattform Rousseau auf intransparente Weise Einfluss auf die populistische Bewegung Movimento Cinque Stelle nimmt.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2020 - Davide Casaleggio]
    In der Zivilgesellschaft melden sich immer wieder kritische Stimmen, die eine Regulierung oder gar Zerschlagung "sozialer" Netzwerke fordern.
    [Verknüpfung]
    Auch politische Berater äußern sich kritisch, hier der Leiter des Instituts für Technikfolgenabschätzung in Karlsruhe Armin Grunwald.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Sogar die eigenen Mitarbeiter von FaceBook bekommen Skrupel, die innerhalb der Firma zu Verwerfungen führen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Twitter kommt gesetzlichen Beschränkungen zuvor und kommentiert allzu bedeutende Fälle von unwahren Tatsachenbehauptungen von Donald Trump.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Der russische Nachrichtenkanal Russia Today wurde in Deutschland von der Videoplattform Youtube 2021 wegen falscher Berichte über Corona-Impfungen geblockt.
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Die Kampagne EU vs DiSiNFO richtet sich explizit gegen die organisierte russische Desinformations-Kriminalität.
    [Verknüpfung]

    Mit dem Bankrott von Cambridge Analytica ist der Datenmissbrauch nicht beendet. Es ist kein Wunder, dass sich der Journalist Peter Kreysler 2020 als fingierter Politikberater in internationalen PR-Agenturen einschleichen konnte, die sich der Methoden von Cambridge Analytica bedienen.
    Er berichtet neben den Investigationen in den PR-Agenturen von Studien, die sich mit den Auswirkungen der Angebots-Algorithmen der "sozialen" Medien beschäftigen.
    Eine Cambridge-Studie aus dem Jahr 2012 zeige, dass schon ein FaceBook-Profil aus 70 Like-Klicks im Durchschnitt zuverlässiger ist als die Einschätzung eines Freundes, aus 100 zuverlässiger als die der Eltern, aus 300 zuverässiger als die des Lebenspartners (21'30'').
    Nach einer MIT-Studie aus dem Jahr 2018 würden Fake News hundertmal so viele Menschen erreichen wie wahre Nachrichten und sich sechs mal so schnell verbreiten, politische sogar noch dreimal schneller als unpolitische. Um die Nutzer länger auf ihrer Plattform zu halten, seien die Empfehlungs-Algorithmen darauf eingestellt, aufsehenerregende Nachrichten gegenüber sachlichen zu bevorzugen. Die Verbreitung von Desinformation durch diese clickbait-Algorithmen sei gravierender als die aktive Arbeit von Trollen. Das Vertrauen in Zeitungs-Journalismus ist dadurch in den USA auf etwa ein Drittel gesunken, während Europa noch zwei Drittel aufweist.
    [Verknüpfung]
    Der Medienblogger Sascha Lobo verdeutlichte schon 2017 diese und andere Studienergebnisse in seiner ZDFneo-Dokumentation "Manipuliert" mit Testpersonen.
    [Verknüpfung]
    Kurzfassung: [Verknüpfung]
    Das Center for European Policy Analysis (CEPA) veröffentlicht Ende März 2022 eine große Studie, die Strategien, Methoden und Wirkungen der Desinformation zu Covid-19 aus Russland und China untersucht; Zitat aus der Zusammenfassung: "Russia and China have created and amplified disinformation and propaganda about COVID-19 worldwide to sow distrust and confusion and to reduce social cohesion among targeted audiences.".
    [Verknüpfung]

    Der Satiriker Jonathan Swift beschrieb das Problem schon vor 300 Jahren. Heute ist es natürlich durch die Algorithmen der "sozialen" Medien potenziert - während freilich auch die Möglichkeiten zur Überprüfung viel besser geworden sind, die nur leider von viel zu wenigen genutzt werden.


    Die Lüge fliegt, und die Wahrheit hinkt hinterher.
    Bis die Menschen die Lüge erkennen, ist's zu spät. Die Geschichte hat ihre Wirkung bereits getan.
    Jonathan Swift
    Filmtip: Wahlkampf undercover - wie PR-Profis uns manipulieren. NDR 2021
    ARD: [Kreysler 2021-1] (30'50'')
    ARD-Mediathek: [Kreysler 2021-2]
    ARD bei Youtube: [Verknüpfung]
    Filmtip: Minidoku-Reihe "Süchtig nach Dopamin". arte 2023
    ... Twitter: [Verknüpfung]
    ... Youtube: [Verknüpfung]
    ... TikTok[Verknüpfung]
    ... FaceBook: [Verknüpfung]
    ... Instagram: [Verknüpfung]

    Dumm klickt gut.
    Anonym

    Im Oktober 2021 werden die Ursachen des Problems von einer Whistleblowerin enthüllt. Die Ex-Produktmanagerin Frances Haugen wirft ihrem früheren Arbeitgeber FaceBook vor, die Algorithmen besonders sensibel für Empörung und Angst zu machen - denn diese Reaktionen sorgen für die höchsten Klickraten. Damit leiste er Hass und Hetze massiv Vorschub. FaceBook habe "Blut an den Händen" und diskutiert mit Europa-Parlamentarier:innen über Lösungsansätze.
    DLF: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]
    Kurz darauf werden die Facebook Papers bekannt, die weitere, detaillierte Belege für die bisher aufgekommenen Vorwürfe liefern, u.a. zum Umgang mit der Hetze im Vorfeld des Sturms auf das Kapitol.
    Zeit: [Verknüpfung]


    I believe FaceBook products harm children, stoke division and weaken our democracy.
    Frances Haugen
    Guardian: [Verknüpfung]

    Die konservative Politik der CDU und FDP ist für die Vertrauenserosion, die Verschwörungstheorien provoziert, verantwortlich, und zwar in mehrfacher Hinsicht.
    Erstens zerstörte sie mit intransparenter Klientel-Politik für Reiche und Korruption direkt das Vertrauen der Bürger:innen.

    Zweitens instrumentalisieren bürgerliche Parteien sogar die Rechtspopulisten, und verharmlosen rechte Gewalt, während schon friedlicher ziviler Ungehorsam in die Nähe zum Terrorismus gestellt wird. So spielen sie immer wieder die Karte der Gefahr, die der Demokratie durch Populisten drohe, zum Beispiel in langer Tradition CDU-Innenminister in der Migrationsfrage, oder Wirtschaftspolitiker im Klimaschutz. In der Frage der Onshore-Windkraft wurde die Instrumentalisierung offenbar, weil Wirtschaftsminister Peter Altmaier sich diese Leute direkt ins Ministerium holte.

    Drittens zündeln Fossilökonomisten aus denselben Parteien immer wieder mit Anti-Klimaschutz-Populismus, indem sie durch Desinformation die Thesen der Populisten indirekt oder direkt verbreiten.
    Die Geister, die liberal-konservative Politiker riefen, wurden sie in der Corona-Pandemie nicht los: die von ihnen propagierte Wissenschaftsfeindlichkeit machte ihre Versuche, nach Wochen der Zaghaftigkeit endlich wirksame Maßnahmen zu ergreifen, immer wieder zu einem unwürdigen Schauspiel.

    Viertens vernetzen sie sich offen sichtbar mit der Alt-Right-Bewegung in den USA, und knüpfen wie diese enge Kontakte zu FaceBook, wo viele Fäden der manipulativen Datenverwertung zusammenlaufen.

    Fünftens eignen sie sich zunehmend und auf höchster Parteiebene die Sprache von Rechtspopulisten an, und tragen damit zu deren Normalisierung bei.
    Sechstens dulde(te)n sie in ihren Reihen Mitglieder, die eindeutig im rechtsextremen Spektrum zu verorten sind (Gauland, Otte, Homann, Maaßen, ...), und offen rechte Gewalt verharmlosen - was den psychischen, physischen, aber auch den argumentativen Druck auf den politischen Gegner erhöht.

    Die rechtspopulistischen Politiker Max Otte (ehemals CDU, ausgeschlossen erst 2022) und Hans-Georg Maaßen (CDU-Direktkandidat des Bundestags-Wahlkreises Schmalkalden 2021) erwähne ich hier allerdings nur am Rande, weil sie nicht mehr die Mitte der Partei repräsentieren. Otte wurde viel zu lange, und Maaßen wird weiter toleriert.
    Im Sommer 2023, wo die Umfragen einen Rechtsruck anzeigen, sendet der Vorsitzende Merz äußerst zweideutige Signale bezüglich der Nähe zur AfD.

    Die Politikwissenschaftlerin Paula Diehl von der Universität Kiel erkennt in der zunehmend rechtspopulistischen Sprache der CDU ein Moment zur Normalisierung rechtsextremen Gedankenguts, die sich in den erschreckenden Ergebnissen der Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung niederschlägt. Anfang 2023 tendieren 20% der Befragten zu rechtsextremen Positionen, liegen aber noch im Graubereich, weil sie sich nicht eindeutig festlegen. 8,3% der Deutschen haben ein gefestigtes rechtsextremes Weltbild - dieser Wert lag vor wenigen Jahren noch bei 2-3%. Über 6% wünschen sich eine Diktatur.
    Die Strategie gemäßigter Konservativer, die Grenzen zum Rechtspopulismus aufzuweichen, gehe letztlich zu Lasten der Konservativen und zu gunsten der Extremen, wie man in Frankreich unter Nicholas Sarkozy und den USA unter Trump sehen könne.
    DLF: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]

    Der Historiker Christopher Clark warnt im September 2023 vor einem "Amoklauf der Konservativen", wie er in den USA seit Jahren stattfindet und den demokratischen Staat massiv gefährdet.


    Ein pluralistisches System braucht konservative Menschen, um stabil zu sein. Und deswegen ist der aktuelle Amoklauf der Konservativen aus meiner Sicht viel schädlicher als der Amoklauf bei den Linken. Die Linken können sich das leisten sozusagen. Aber wenn Konservative, die von ihrem Selbstverständnis aus gesehen staatstragend sind und nicht mehr so handeln; wenn sie Wahlen und andere staatliche Institutionen nicht mehr anerkennen, und wenn sie sich auf Verschwörungserzählungen einlassen, wie es in den Vereinigten Staaten besonders fortgeschritten ist, dann kann man nur jeden Konservativen inständig anflehen, wieder konservativ zu werden.
    Christopher Clark
    [Verknüpfung]

    Ein Beispiel für das Infragestellen staatstragender Institutionen in Deutschland bietet Hans-Werner Sinn, wenn er das Außerkraftsetzen von Urteilen des Bundesverfassungsgerichts als politische Option darstellt, eine autoritäre Zerstörung des Rechtsstaats; oder die Debatte der rechten Intoleranz um Meinungsfreiheit, die von Kulturkämpfern wie Jens Spahn aufgegriffen wird.

    Spätestens seit den internen Auseinandersetzungen um den Faschisten Björn Höcke ist die AfD als rechtsextreme Partei berüchtigt. Die Landesverbände Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen sowie die Jugendorganisation Junge Alternative JA werden beim Verfassungsschutz als "gesichert rechtsextrem" geführt, und stehen als solche unter besonderer Beobachtung.
    Sämtliche Rechtspopulisten in Europa werden schon lange vom revanchistisch motivierten Putin direkt und indirekt über populistische Desinformation unterstützt. Vielen Unterstützer:innen der AfD ist nicht klar, mit wem sie es bei Putin zu tun haben, denn die Darstellung Putins ist in der rechtspopulistischen Blase von antiwestlichen Verschwörungserzählungen geprägt.
    DLF: [Verknüpfung]
    bpb: [Verknüpfung]
    FAZ: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    krautreporter: [Verknüpfung]
    FR: [Verknüpfung]
    Der tschechische Geheimdienst berichtet von geheimen Kontakten des des russischen Netzwerks Voice of Europe mit dem AfD-Abgeordneten Petr Bystron, der als Multiplikator von Desinformation fungiert hat.
    [Verknüpfung]

    Putin erhält in Deutschland ebenso Zuspruch von links. Ursprünglich aus der Nachfolgepartei der SED, der PDS, mit der sich später Teile der SPD unter Oskar Lafontaine zur Linken zusammenschlossen. 2024 spaltete sich daraus jedoch die Fraktion der Putin-Treuen als Bündnis Sahra Wagenknecht ab.

    Je weniger privilegiert Menschen sind, desto leichter lassen sie sich mit fossiler Propaganda in Angst vor Veränderung versetzen, zur Aggression gegen Umweltschutz verhetzen. Aber auch überforderte Mittelschicht-Bürger:innen, die sich im gefühlten täglichen Kampf gegen den gesellschaftlichen Abstieg aufreiben, und denen die Zeit für vertiefte Information fehlt, haben Angst und sind mittlerweile für die Parolen empfänglich. Die Zeit veröffentlicht im März 2024 eine erschreckende Auswertung von Umfragedaten.
    [Verknüpfung]
    Doch die gewaltbereiten, auffälligen Neonazis und die hohen Umfragewerte der AfD sind nur ein Symptom. Hinter der Bewegung stecken wie vor hundert Jahren elitäre Kreise, die die Wut der Abgehängten und die Abstiegsängste der Mittelschicht instrumentalisieren. Heute sind es Libertäre, die "Freiheit" sagen, aber das Recht des Stärkeren, also Sozialdarwinismus, meinen. Bislang agierten sie weitgehend im Verborgenen, doch jetzt versuchen sie, eine Jugendkultur zu etablieren.
    Im Mai 2024 sorgt eine Videoszene vor einem Sylter Nobelclub für Entsetzen. Die Gäste grölen Nazi-Parolen zu dem bekannten Party-Hit "L'amour toujours" des Italo-DJs Gigi d'Agostino. Der Staatsschutz ermittelt, auf dem Oktoberfest wird das Lied verboten. Weitere Videos mit dem gleichen Inhalt werden bekannt; auch der österreichische Identitäre Martin Sellner, der seit März in Deutschland Einreiseverbot hat, lässt sich in Passau auf einer Party filmen, wo dieses Lied gegrölt wird.
    Standard: [Verknüpfung]
    Standard-Kolumnist Olivera Stajić beklagt die Naivität von Staat und Zivilgesellschaft, die nur in klassistischer Manier auf die pöbelnden Neonazis schaute und den latenten Rassismus geflissentlich übersah.


    Selbstverständlich gab es schon immer unter den Trägern von Poloshirts, weißen Blusen und legeren, über die Schultern geworfenen Tennis-Sweatern Anhänger und Befürworterinnen von menschenverachtenden Ideologien. Genauso wie in allen anderen gesellschaftlichen Schichten. Wer wegen des Videos aus Sylt überrascht ist, war bisher schlicht naiv. Doch geschockt sollten wir alle sein. Und zwar ob der Unverhohlenheit, mit der die kleine Nazi-Party in einem beliebten Club gefeiert und gefilmt wurde. Wer so agiert, fühlt sich im Recht und sehr, sehr sicher.
    Olivera Stajić
    Standard:

    Hendrik Cremer vom Deutschen Institut für Menschenrechte DIFM in Berlin stellt 2021 im Titel einer Analyse fest: die AfD befindet sich "Nicht auf dem Boden des Grundgesetzes".

    Das Institut für Menschenrechte ist ein gemeinnütziger Verein, der die Bundesregierung in Menschenrechtsfragen berät, und der seit 2015 nach einem Bundesgesetz verfasst ist, dem Gesetz über die Rechtsstellung und Aufgaben des Deutschen Instituts für Menschenrechte DIMRG.
    Bundesministerium für Justiz: [Verknüpfung]


    Anders als es von ihren Mitgliedern immer wieder behauptet wird, steht die AfD daher nicht auf dem Boden des Grundgesetzes. Sie gibt sich zwar das Image, eine bürgerliche, konservative und seriöse Partei zu sein, vertritt aber Positionen, die nicht mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung vereinbar sind. [...]
    Wird der Grundsatz der gleichen Menschenwürde und der Rechtsgleichheit eines jeden Individuums in Frage gestellt, wird eine absolute Grenze überschritten. Solche Positionen sind daher auch nicht als gleichberechtigte legitime politische Positionen zu behandeln.
    Hendrik Cremer
    [Cremer 2021]

    In der neuesten Studie des DIFM erklärt Cremer im Juni 2023, "warum die AfD verboten werden könnte".
    taz: [Verknüpfung]

    Die AfD betreibt eine Diskursverschiebung in der Nazi-Erinnerungskultur, die von Verharmlosung bis hin zu verschwurbelter Glorifizierung reicht.


    Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.
    Alexander Gauland
    Anstatt die nachwachsende Generation mit den großen Wohltätern, den bekannten, weltbewegenden Philosophen, den Musikern, den genialen Entdeckern und Erfindern in Berührung zu bringen, von denen wir ja so viele haben, ... vielleicht mehr als jedes andere Volk auf dieser Welt..., und anstatt unsere Schüler in den Schulen mit dieser Geschichte in Berührung zu bringen, wird die Geschichte, die deutsche Geschichte, mies und lächerlich gemacht. [...] Wir brauchen nichts anderes als eine erinnerungspolitische Wende um 180 Grad.
    Björn Höcke
    DW: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]

    Miesmachen bedeutet, etwas eigentlich Gutes schlechtzureden. Allein war die Nazidiktatur gar nichts eigentlich Gutes. Wo nun ein Mahnmal gegen Naziverbrechen die Nazis oder gar Deutschland lächerlich machen soll, will sich mir so gar nicht erschließen. Die Verbrechen der Nazis sind abscheulich, widerwärtig, erschreckend grausam. Ich frage mich, aus welch gekränkter Perspektive heraus man die Erinnerung daran als Lächerlich-Machen empfinden kann. Eine 180-Grad-Wende bedeutet jedenfalls: was man bisher ablehnte, will man in Zukunft begrüßen.
    Erich Kästner schrieb über Geschichtsvergessenheit ein Gedicht.


    In memoriam memoriae
    Die Erinn’rung ist eine mysteriöse
    Macht und bildet die Menschen um.
    Wer das, was schön war, vergißt, wird böse.
    Wer das, was schlimm war, vergißt, wird dumm.
    Erich Kästner
    [Verknüpfung]

    Der Geschichts- und Sportlehrer Björn Höcke, Fraktionsvorsitzende im Thüringer Landtag, ist ein Extrembeispiel für die Normalisierung der NS-Sprache. Er darf seit einem Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen 2019 als Faschist bezeichnet werden, da dieses Werturteil "auf einer überprüfbaren Tatsachengrundlage" beruhe.
    FR: [Verknüpfung]
    Auch die Beschimpfung Höckes als Nazi ist nach Auffassung der Staatsanwaltschaft Hamburg von der Meinungsfreiheit gedeckt, sie stellte 2023 ein entsprechendes Verfahren ein.
    [Verknüpfung]
    Höcke fällt auch durch die Wiederverwendung nationalsozialistischer, teils sogar verbotener, Sprachmuster auf. Er steht deshalb unter Anklage. Er wurde im Mai 2024 wegen öffentlicher Verwendung der Kampfparole der Nazi-Terrororganisation Sturmabteilung SA zu 13.000€ Strafe verurteilt.
    Zeit: [Sepp 2023]
    ZDF: [Verknüpfung]
    : [Verknüpfung]
    2019 ließen der Mord des CDU-Lokalpolitikers Walter Lübke und der Anschlag auf die Synagoge in Halle die AfD-Verbotsdiskussion wieder aufleben; in der Zeit besprach der Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke Höckes Buch aus dem Jahr 2018, in dem seine faschistische Grundhaltung und sein tief im preußischen Nationalismus verankertes Denken, das vor Militarismus nur so strotzt, deutlich wird. Wie aus den Nazi-Schriften der Weimarer Republik liest man die Verachtung der Demokratie, und damit die Ablehnung unserer Verfassung, heraus. Zitat aus dem Artikel:

    "Höcke [beschwört] einen „Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch“ [...] Als zentrales Ziel seiner Partei fordert Höcke eine Säuberung Deutschlands von „kulturfremden“ Menschen. Darunter versteht er, in aller Pauschalität, Asiaten und Afrikaner. Höcke schreibt: „Neben dem Schutz unserer nationalen und europäischen Außengrenzen wird ein groß angelegtes Remigrationsprojekt notwendig sein. [...] In der erhofften Wendephase“, (offenkundig meint er einen Machtantritt der AfD), „stünden uns harte Zeiten bevor, denn umso länger ein Patient die drängende Operation verweigert, desto härter werden zwangsläufig die erforderlichen Schnitte werden, wenn sonst nichts mehr hilft. [...] Vor allem eine neue politische Führung wird dann schwere moralische Spannungen auszuhalten haben: Sie ist den Interessen der autochthonen Bevölkerung verpflichtet und muss aller Voraussicht nach Maßnahmen ergreifen, die ihrem eigentlichen moralischen Empfinden zuwiderlaufen.“ Man werde – so heißt es bei Höcke weiter wörtlich –, „so fürchte ich, nicht um eine Politik der 'wohltemperierten Grausamkeit' herumkommen. Existenzbedrohende Krisen erfordern außergewöhnliches Handeln. Die Verantwortung dafür tragen dann diejenigen, die die Notwendigkeit dieser Maßnahmen mit ihrer unsäglichen Politik herbeigeführt haben.“ [...] [Er zitiert] Friedrich Hegel [...]: „Brandige Glieder könnten nicht mit Lavendelwasser kuriert“ werden. [Die einzige Behandlungsmöglichkeit war zu dieser Zeit die Amputation.] Seine Regierung sei lediglich und allein der autochthonen, übersetzt also der ethnisch-deutschen Bevölkerung verpflichtet. [...]
    In seinem Buch stellt Höcke auch fest, dass “wir leider ein paar Volksteile verlieren werden, die zu schwach oder nicht willens sind mitzumachen“. Er denke an einen „Aderlass“. Diejenigen Deutschen, die seinen politischen Zielen nicht zustimmten, würden aus seinem Deutschland ausgeschlossen werden. Er trete für die Reinigung Deutschlands ein. Mit „starkem Besen“ sollten eine „feste Hand“ und ein „Zuchtmeister“ den „Saustall ausmisten“. [...]
    Aktuell befinden wir uns nach Höcke „im letzten Degenerationsstadium“ der Demokratie, der Pöbelherrschaft einer sogenannten „Ochlokratie“. Durch das „multikulturelle Großprojekt“ sei Deutschland zerrüttet und dem Untergang ausgeliefert und die gegenwärtige liberale politische Verfassung ein „freiheitsfeindliches Machtgebilde“. Diesem „Verhängnis“ will Höcke nach eigenen Worten Einhalt gebieten. Ansonsten sei ein neuer Karl Martell (der Verteidiger Europas gegen den Islam in einer Schlacht vor 1.200 Jahren) und eine (militärische) „Rückeroberung“ aus einer „Ausfallstellung“ heraus nötig, um Europa zu retten."
    Zitat Ende.
    Zeit: [Funke 2019]

    Wenn Höcke die Vollstreckung eines vermeintlichen "Volkeswillens" verspricht, und die Demokratie als Ochlokratie darstellt, verdreht er die Tatsachen. Zur Wortbedeutung ein Zitat aus Wikipedia: "Ochlokratie (altgriechisch ὀχλοκρατία, aus ὄχλος óchlos, deutsch ‚Menschenmenge‘, ‚Masse‘, ‚Pöbel‘, und -kratie), deutsch auch Pöbelherrschaft, ist ein abwertender Begriff für eine Herrschaftsform, bei der eine Masse ihre politischen Entschlüsse als Mehrheit oder durch Gewalt eigennützig durchsetzt."
    [Wikipedia 2024 - Ochlokratie]
    Diese Art der Täter-Opfer-Umkehr betreiben die Rechtspopulisten auch mit ihrem Vorwurf fehlender Meinungsfreiheit.

    Die antifaschistische Webseite Volksverpetzer hat die explizitesten Zitate anderer AfD-Mitglieder:innen bzw. deren Mitarbeiter:innen gesammelt.


    Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte.
    Alice Weidel
    Ich würde niemanden verurteilen, der ein bewohntes Asylantenheim anzündet. [...] Immerhin haben wir jetzt so viele Ausländer im Land, dass sich ein Holocaust mal wieder lohnen würde. [...] Ich wünsche mir so sehr einen Bürgerkrieg und Millionen Tote. Frauen, Kinder. Mir egal. Es wäre so schön. Ich will auf Leichen pissen und auf Gräbern tanzen. Sieg Heil!
    Marcel Grauf, Referent von Dr. Christina Baum, AfD und Heiner Merz, AfD
    Brennende Flüchtlingsheime sind kein Akt der Aggression.
    Sandro Hersel, AfD
    Das Pack erschießen oder zurück nach Afrika prügeln.
    Dieter Görnert, AfD
    Wir müssen die Printmedien und den öffentlich-rechtlichen Propagandaapparat angreifen und abschaffen.
    Heiko Hessenkemper, AfD
    Wir sollten eine SA gründen und aufräumen!
    Andreas Geithe, AfD
    Drecksack-Antifakindern bekiffter Eltern gehört eine verpasst und sie in den Dreck geworfen. Ihnen gehört gedroht, dass sie nächstes Mal unter der Erde liegen!
    Egbert Ermer, AfD
    Wir müssen ganz friedlich und überlegt vorgehen, uns ggf. anpassen und dem Gegner Honig ums Maul schmieren aber wenn wir endlich soweit sind, dann stellen wir sie alle an die Wand. [...] Grube ausheben, alle rein und Löschkalk oben rauf.
    Holger Arppe, ehemals AfD
    [Verknüpfung]

    Die Zusammenschnitte von AfD-Zitaten des Videokanals Rederei FM datieren noch von 2019 und 2020, lange vor der Verbotsdiskussion nach dem Düsseldorfer Forum in Potsdam 2023.


    Rederei FM auf Youtube: [Rederei FM 2019]

    Rederei FM auf Youtube: [Rederei FM 2020]

    Der ehemalige Vorsitzende der Schüler Union NRW und AfD-Bundestagsabgeordnete Matthias Helferich bezeichnete sich als das "freundliche Gesicht des NS" und "demokratischen Freisler", und zeigte sich mit dem Erkennungszeichen der österreicher Nazis. Er verließ dann jedoch die Bundestagsfraktion, wobei ihm nicht einmal mehr ein Gastmandat zugestanden wurde.
    taz: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Matthias Helferich] Der Brandenburger Soldat und Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck wird vom militärischen Geheimdienst MAD als "Extremist" eingestuft.
    taz: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Hannes Gnauck]

    Mittlerweile wurde sogar mit Daniel Halemba ein AfD-Kandidat in den Landtag gewählt, der wegen Verdacht von kriminellem Rechtsextremismus gesucht und verhaftet wurde, und der jetzt unter Beobachtung der Staatsanwaltschaft steht.
    [Wikipedia 2023 - Daniel Halemba]
    RND: [Verknüpfung]
    Nach seiner Freilassung wurde Halemba wieder herzlich vom Vorsitzenden seiner Landtagsfraktion empfangen.
    [Verknüpfung]

    Der AfD-Aussteiger Christian Hirsch äußert sich zu seinem Buch "Machtergreifung" im MDR.


    Viele AfDler beschäftigen sich mit Geschichte. Bloß nehmen sie das Dritte Reich nicht als Warnung, sondern als Blaupause: So können wir es wieder machen.
    Christian Hirsch
    [Verknüpfung]

    Auch Alexander Leschik berichtet von seinem Ausstieg aus der Jungen Alternative, der Jugendorganisation der AfD. Er bezeichnet die Partei als gefährlich.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Das Geld vom Staat und aus Spenden nutzt die AfD, um unliebsame Berichterstattung gerichtlich zu unterdrücken.
    [Verknüpfung]

    Die Chefkorrespondentin des Redaktionsnetzwerks Deutschland RND Daniela Vates erklärt im DLF, wie AfD-Politiker:innen das Grundrecht auf Meinungsfreiheit missbrauchen und aushöhlen.


    Sie sagen freie Meinungsäußerung und meinen, Hetzen muss straffrei bleiben. Sie plakatieren Demokratie bewahren und es klingt wie Hohn. Denn die Werte des Grundgesetzes, das dieser Tage 75 Jahre alt wird und die Republik so gut und weise getragen hat, lassen sie für niemanden gelten als für sich selber.
    „Habe ich keine Menschenwürde?“ fragte der Thüringer AfD-Chef Pöcke in dem Prozess, in dem er gerade wegen der Verwendung einer Parole der Nazi-Sturmtruppe SA verurteilt wurde. Es fragte dies ausgerechnet derjenige, der gerne die Überlegenheit der Deutschen, insbesondere gegenüber Afrikanern, bis ins Sexualverhalten hinein durchdekliniert. Die AfD hat sich selbst in die rechtsextreme Ecke gestellt, die Verfassungsschutz und Gerichte als solche benennen.
    Die Märtyrer-Pose, die die Partei gerne einnimmt, wenn das Offensichtliche kritisiert wird, ist ziemlich schlechte Schauspielerei.
    Daniela Vates
    [Vates 2024]

    Im November 2023 treffen sich im Potsdamer Nobelhotel Landhaus Adlon Größen aus AfD und der nordrhein-westfälischen Werte-Union mit Rechtsextremen zum siebten Treffen des Düsseldorfer Forums, vormals Düsseldorfer Runde. Innerparteilich ist die Veranstaltung keinesfalls unbedeutend, z.B. war dort im Vorjahr AfD-Bundesvorstand Tino Chrupalla zu Gast. Veranstalter sind Gernot Mörig, Sohn des SA-Offiziers Wilhelm Mörig und ehemals Bundesführer des Bund Heimattreuer Jugend BHJ, sowie der bis dato unbescholtene Großgastronom Hans-Christian Limmer. Wegen seiner früheren Mitgliedschaft in einer Abspaltung der BHJ war bereits 2020 Andreas Kalbitz aus der AfD ausgeschlossen worden.
    [Wikipedia 2023 - Freibund]
    [Wikipedia 2024 - Andreas Kalbitz - Entzug der AfD-Mitgliedschaft]
    FR: [Wikipedia 2023 - Heimattreue Deutsche Jugend]
    [Verknüpfung]
    In Potsdam wird eine euphemistisch "Remigration" genannte Deportation von Millionen unerwünschter Personen diskutiert, egal ob mit illegalem oder legalem Aufenthaltsstatus, auch mit deutscher Staatsbürgerschaft. Ein Kriterium für das Bleiberecht ist die Integration in die Volksgemeinschaft, also kommt für Deportation auch eine politische Motivation in Frage. Als Ziel wird nach dem Vorbild des antisemitischen Nazi-Madagaskarplans zur "Lösung der Judenfrage" ein deutsch verwaltetes Kolonial-Territorium in Afrika diskutiert. Die Pläne wurden damals von den Nazis wegen der englischen Seeblockade verworfen, zugunsten des Holocaust.
    [Wikipedia 2024 - Madagaskarplan]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Lebendiges Museum online LeMo der Stiftung Deutsches Historisches Museum DHM: [Verknüpfung]
    Hauptreferent ist der bekannte Ex-Vorsitzende der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich Martin Sellner.
    Der EU-Parlamentskandidat der AfD Maximilian Krah beziffert in seinem Buch "Politik von rechts" die Zahl der in Deutschland unerwünschten Personen auf über 25 Millionen, davon 15 Millionen Staatsangehörige.
    Als die Potsdamer Geheimpläne im Januar durch die Arbeit des Recherche-Netzwerks Correctiv aufgedeckt werden, steht der Vorwurf mangelnder Verfassungstreue im Raum, eine Voraussetzung für das heftig diskutierte Parteiverbot. AfD-Politiker gehen derweil dennoch in die Offensive. Die Bundesvorsitzende Alice Weidel, deren Mitarbeiter Roland Hartwig teilgenommen hatte, spricht über die Recherche von "Stasi-ähnlicher Zersetzungsarbeit" und behauptet, alle Beschlüsse des Treffens seien verfassungskonform - entlässt Hartwig aber vorsorglich.
    Die anwesende AfD-Abgeordnete Gerrit Huy dazu: "Wir leben glücklicherweise noch in einem freien Land, in dem man sich privat treffen und austauschen kann". Der Abgeordnete René Springer tönt bei dem Ex-Twitter-Dienst X: "Wir werden Ausländer in ihre Heimat zurückführen. Millionenfach. Das ist kein Geheimplan. Das ist ein Versprechen." Der AfD-Europaabgeordnete Bernhard Zimniok in einem Video auf X: "Selbstverständlich wollen wir in großem Stil abschieben. [...] Statt diesen aufwändig inszenierten Enthüllungsbericht zu produzieren, hätten diese Kasper auch ganz einfach unser Parteiprogramm lesen können."
    Correctiv: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    Berliner Morgenpost: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]
    Es folgen über Wochen massive antifaschistische Demonstrationen in ganz Deutschland.
    FAZ: [Verknüpfung]
    ARD: [Verknüpfung]
    Sellner wurde im März 2024 die Einreise nach Deutschland für drei Jahre verboten.
    Standard: [Verknüpfung]

    Der Kabarettist Florian Schröder spricht für sein Buch "Unter Wahnsinnigen" mit Straftätern, Soldaten, Psychologen und Kriminologen, u.a. dem langjährigen Vorsitzenden der österreichischen Identitären, Martin Sellner, über Rechtsextremismus. Schröder bezeichnet Sellner als gefährlich, weil er die Sprache und Ideen der Rechtsextremen für immer größere Kreise unter Konservativen, vor allem jüngeren, anschlussfähig macht. Sellner war bereits vor dem Skandal um den Deportations-Gipfel bekannt, weil Friedrich Merz mit seinem "Sozialtourismus" eine Sellner sehr ähnliche Wortwahl vorgenommen hat.
    radioeins: [Verknüpfung]

    Die AfD-Programmatik und -Rhetorik bedient sich stark bei den rechtslibertären Kräften aus den USA. Neben der rassistischen Segregation ist besonders die Unterdrückung und Vernichtung des politischen Gegners zu befürchten, natürlich begleitet von einer Intensivierung kolonialer und ökologischer Ausbeutung und in Folge dessen weiterem, exponentiell verlaufendem Ökozid.

    Der linksliberale FDP-Politiker aus der gelb-roten Koalition Gerhart Baum kritisiert in der Zeit die Haltung der Konservativen in der aktuellen Entwicklung und erinnert an die Weimarer Republik.


    [...] nicht durch die extremen Kräfte ist Weimar untergegangen, sondern letztlich durch das Versagen der bürgerlichen Mitte. Sie hat Hitler dann noch durch das Ermächtigungsgesetz die Waffe in die Hand gegeben, mit der er die Demokratie endgültig auslöschen, rassistisch motivierten Völkermord begehen und die Welt in Brand setzen konnte. [...]
    Ich habe dabei immer im Kopf, dass die Deutschen in ihrer Geschichte mitunter ein gestörtes Verhältnis zur Freiheit hatten. Sie sind zu oft Versuchungen zur Unfreiheit erlegen, sie haben nie eine erfolgreiche Revolution zustande gebracht, mit Ausnahme der DDR-Bürger 1989. Wie wurde die Freiheitsbewegung von 1848 niedergeknüppelt! Nationalismus war oft stärker als der Wille zur Verteidigung der Freiheit. Dieses völkische Denken war auch in der Weimarer Zeit von Einfluss. „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“, stand später auf den Plakaten der Nazis, Wer nicht zum „Volk“ gehörte, der wurde ausgegrenzt. Gerade in der Wiederholung dieses Verhaltens sieht das Bundesverfassungsgericht heute eine fundamentale Verletzung der Menschenwürde derjenigen, die ausgegrenzt werden.
    Gerhart Baum

    Baum zitiert Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier.


    Wenn es in Debatten nur noch ums Gewinnen geht, dann verlieren wir alle. Wenn wir uns den politischen Diskurs von denen zerstören lassen, die am liebsten keinen Diskurs hätten, dann lassen wir zu, dass unsere Demokratie zerstört wird. Den zivilisierten politischen Streit in unserer Gesellschaft zu verteidigen, das ist die gemeinsame Aufgabe aller Demokratinnen und Demokraten.
    Frank-Walter Steinmeier


    Die antifaschistische NGO Zentrum für politische Schönheit widmete Björn Höcke ein Modell des Holocaust-Mahnmals in Sichtweite seines Refugiums in Thüringen.
    Zentrum für politische Schönheit: [Verknüpfung]

    Am meisten besorgt mich die Reaktion der deutschen Politik auf die bisherigen Enthüllungen der Datenmissbrauchs-Skandale: in keinem europäischen Land außer Großbritannien wurden meines Wissens jemals Beschränkungen von Facebook ernsthaft diskutiert. IT-Unternehmen zahlen in ganz Europa wesentlich weniger Steuern als andere Unternehmen.
    Nur das EU-Parlament zeigt Engagement in der EU-weiten Regulation der Tech-Giganten, angetrieben von der dänischen linksliberalen EU-Wettbewerbs-Kommissarin Margrethe Vestager, unterstützt vor allem von den Grünen. 2018 trieb Vestager erfolgreich den Beschluss eines Aktionsplans zu Desinformation voran. Eine Bilanz im Jahr 2021 zeigte, dass die meisten EU-Staaten zu wenig tun; allein Frankreich hat ein Gesetz und eine Behörde geschaffen.
    Stephan Lewandowsky, ein wichtiger Vertreter der Agnotologie-Wissenschaft, hatte schon 2019 mit den bedeutendsten Co-Autoren zum Thema die Klima-Desinformation in den USA untersucht. 2020 erforschte er für die EU-Kommission den Einfluss der "sozialen" Medien auf die Politik.
    [Verknüpfung]
    Im Januar 2022 wurde im EU-Parlament mit dem Digital Services Act und dem Digital Markets Act zum ersten Mal eine umfassende Gesetzgebung zur Regulation der Datenauswertung in "sozialen" Medien und des Wettbewerbs auf den digitalen Märkten auf den Weg gebracht.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Im Juni legt die EU-Kommission einen vertärkten Verhaltenskodex zur Bekämpfung von Desinformation vor.
    [Verknüpfung]
    In der von Sven Giegold gegründeten Webinar-Reihe Europe Calling der Europäischen Grünen erklären die Frances Haugen, der Peter Pomerantsev und Felix Kartte, Ende Januar 2022 den Sinn einer solchen Regulation.
    [Reset 2022]


    [Verknüpfung]

    Frances Haugen war zu dieser Zeit die meistzitierte Facebook-Whistleblowerin.
    Kartte ist Sprecher der NGO Reset, zu deren Beratern auch die Harvard-Ökonomin Shoshana Zuboff zählt. Zuboff ist Expertin für Aufmerksamkeits-Ökonomie und Überwachungs-Kapitalismus in "sozialen" Medien und sprach 2021 in derselben Webinar-Reihe.
    Peter Pomerantsev ist ein englischer Experte für russische Propaganda. Zitat Wikipedia: "Seit 2013 verfasst er kritische Hintergrund-Berichte, Kommentare und Analysen zur kulturellen und politischen Entwicklung Russlands für Newsweek, The Atlantic Monthly und andere Zeitschriften. Er prägte den Begriff „postmoderne Diktatur“, um Wladimir Putins Regierungssystem zu charakterisieren. [...] Pomerantsev verfasste außerdem als Co-Autor mit Edward Lucas ein Arbeitspapier zu Gegenstrategien der Russischen Propaganda in Mittel- und Osteuropa. Das Papier wurde 2016 in Partnerschaft mit der Information Warfare Initiative des Center for European Policy Analysis (CEPA) veröffentlicht."
    [Wikipedia 2022 - Peter Pomerantsev]
    Keinen Monat später kommt es zur russischen Invasion in die Ukraine, begleitet von Desinformation und Meinungsdiktatur.
    Eineinhalb Jahre später, nach einer mustergültigen Hetzkampagne gegen eine grüne Wärmewende in den öffentlichen und "sozialen" Medien, hat sich die Situation in Deutschland weiter zugespitzt, obwohl die Warnzeichen international immer deutlichr wurden. Darius Hamidzadeh Hamudi fragt in einem Essay für den taz-blog "Wem gehört die Öffentlichkeit" und fordert die Regulation der "sozialen" Medien zum Schutz einer wehrhaften Demokratie.
    [Verknüpfung]
    Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen beklagte schon 2018 im DLF eine "große gesellschaftliche Blindheit" und schlug einen Plattformrat vor.
    DLF: [Verknüpfung]

    Am 25.08.2023, zwei Tage nach dem tödlichen Flugzeugabsturz des Trollarmee-Führers Jewgeni Prigoschin, und einen Tag nach dem Rücktritt des stellvertretenden Kommissionspräsidenten Frans Timmermans, tritt das Gesetz endlich europaweit in Kraft. Es schreibt eine Löschung beanstandeter Hassbotschaften binnen 24h vor, und sieht Geldstrafen bis zu einem Sechstel des globalen Umsatzes vor. Timmermanns hat die verantwortliche Kommissarin Margrete Vestager, die ebenfalls ihren Rückzug angekündigt hat, stark unterstützt.

    Die Frage ist, was die Regierungen der Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat daraus machen, denn zu Zeiten der Großen Koalition war aus Berlin nichts dazu zu erwarten. Es steht zu befürchten, dass auch hier wieder Lobbyist:innen konservative Politiker:innen bewegen können, zu gunsten der Unternehmen einzugreifen und dem Gesetz sämtliche Zähne ziehen.
    Der liberale Ex-Vize-Premierminister Nick Clegg z.B. stieg schon in die höchste Chefetage bei Meta (vormals FaceBook) auf.
    [Verknüpfung]
    Die für Digitales zuständige CSU-Staatssekretärin (im Verkehrsministerium) Dorothee Bär pflegte schon 2019 intensiven Kontakt mit Mark Zuckerberg und machte daraus gar keinen Hehl, sie warb sogar damit.

    [Verknüpfung]
    Ihre Büroleiterin Julia Reuss, Lebensgefährtin des zuständigen Ministers Andreas Scheuer (CSU), wechselte im Februar 2021 als Public Policy Director, also oberste Lobbyistin, für Zentraleuropa direkt zu FaceBook.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Nur ein weiterer Anlass, an der Unabhängigkeit von Politiker:innen zu zweifeln. Dabei wird die Dringlichkeit der politischen Regulation mit jedem Tag größer, sie ist seit vielen Jahren überfällig. Die Tech-Konzerne agieren nicht mehr in einer unregulierten Grauzone, sondern in ihrem eigenen Universum.
    Die Kontakte von Jens Spahn, "Team"-Kollege von CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet, zu höchst umstrittenen far-right-US-Politikern wie Steve Bannon und Richard Grenell sind in diesem Zusammenhang genauso bedenklich wie sein Besuch auf dem Wiener Opernball beim österreichischen ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz, Koalitionspartner der rechtspopulistischen FPÖ, und wegen Korruptionsverdachts 2023 angeklagt. Nach seinem Rücktritt wurde Kurz als Global Strategist vom neolibertären IT-Milliardär Peter Thiel angestellt, der zu den einflussreichsten Unterstützern Donald Trumps zählt.
    Zeit: [Verknüpfung]
    tagesspiegel: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    lto: [Verknüpfung]
    Grenell ist einer der fünf Ex-Trump-Mitarbeiter:innen, die im Wahlkampf 2024 weiter loyal zu Trump stehen. Ihnen stehen 20 Ex-Kolleg:innen gegenüber, die sich Trump öffentlich vehement gegen eine weitere Amtszeit aussprechen.
    Berliner Morgenpost: [Verknüpfung]
    Diese Kontakte sind im Ukraine-Krieg noch beunruhigender, wenn man Trumps zuverlässige Loyalität zu Putin betrachtet. Das hält 2022 den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz nicht davon ab, sich mit dem republikanischen Oppositionsführer und Trumpisten zwecks "Austausch über konservative Werte" zu treffen, und Thiel bekommt Ende 2021 den von FAZ, Welt und NZZ den Schirrmacher-Preis.
    Damit nicht genug: der russische Knebelvertrag mit dem österreicher Gasversorger OMV, der selbst im Ukraine-Krieg Bestand hat, wurde unter Kanzler Kurz vom Putin-Vertrauten Deripaska eingefädelt.

    Während in Deutschland die kritische Diskussion über die "sozialen" Medien weiterhin an der Mehrheit der Nutzer vorbeigeht, startet Mark Zuckerberg die nächste Stufe der digitalen Verwertung der Nutzer-Persönlichkeit. Es reicht seiner neuen Firma Meta nicht mehr, auf ihr Konsum- und sonstiges Klick-Verhalten, Adressbücher, Fotosammlungen, Mikrofon- und Kamerazugriff zuzugreifen. VR-Brillen der zugekauften Firma Oculus (deren Besitzer Palmer Luckey übrigens Trump unterstützte und jetzt für die Rüstungsindustrie arbeitet) sind die Hardware für den Zugriff auf das virtuelle Metaverse, - und vice versa. Der Molekularpsychologe und Medienexperte Christian Montag (Uni Ulm) erörtert dieses und andere Probleme mit dem Investigativ-Videoblogger Alexander Prinz, der unter dem Pseudonym Der Dunkle Parabelritter einen Youtube-Kanal betreibt. Prinz belegt seine kritische Besprechung wie immer mit zahlreichen Quellen.
    [Verknüpfung]
    2020 hat der Metaverse-Geldgeber Matthew Ball die Eigenschaften des Metaverse definiert. Zitat aus einem Artikel in t3n:

    1. "Das Metaverse kann niemals beendet oder pausiert werden. Es läuft immer weiter.
    2. Es ist live. Zwar laufen im Metaverse, wie auch in der realen Welt, zeitlich begrenzte Events ab. Das Metaverse als Ganzes findet jedoch in Echtzeit statt.
    3. Es gibt keine Obergrenze für die Teilnehmer:innen-Zahl.
    4. Das Metaverse hat seine eigene Wirtschaft. Firmen und Individuen können investieren, kaufen, verkaufen und für Arbeit innerhalb des Metaverse bezahlt werden.
    5. Das Metaverse umfasst die digitale Welt genauso wie die physische. Außerdem gibt es offene und geschlossene Plattformen innerhalb des Metaverse.
    6. Digitale Objekte sind innerhalb des Metaverse austauschbar. Als Beispiel nennt er Objekte aus Videospielen, die heute nur in dem jeweiligen Game genutzt werden können. Im Metaverse gäbe es, so Ball, jedoch immer die Möglichkeit, diese Objekte auch in einem anderen Kontext zu verwenden.
    7. Das Metaverse ist voll von Inhalten und „Erfahrungen“, die von Individuen, privaten Gruppen oder Unternehmen erstellt werden."
    [Verknüpfung]

    Zuckerberg hat seit Jahren ca. 100 IT-Firmen zugekauft und versucht u.a., ein eigenes Bezahlsystem zu etablieren. Mit Metaverse könnte er Abhängigkeiten ungeahnten Ausmaßes schaffen.
    Ideengeber für Metaverse war Oculus-Mitarbeiter Jason Rubin 2018. Nach dessen Ausführungen sollten bei den letzten kritisch denkenden Menschen alle Alarmsirenen laut schrillen.


    I might check in to Facebook multiple times a day, but I will live in the Metaverse, work in the Metaverse, and potentially prefer my time in the Metaverse to my day-to-day grind. [...] If delivering the Metaverse we set out to build doesn’t scare the living hell out of us, then it is not the Metaverse we should be building.
    Jason Rubin
    [Verknüpfung]
    Buchtip: Christian Montag. Du gehörst uns. Karl Blessing Verlag 2021

    Damit sind Zuckerberg & Co. mittlerweile schon Lichtjahre entfernt von den klassischen Medien - um die sich jedoch hierzulande die Politiker immer noch lieber bemühen.

    Öffentlich-rechtliche (ÖR-) Sender sind per Gesetzesauftrag verpflichtet, über Fehlentwicklungen und Ungerechtigkeiten aufzuklären. Damit sind sie per definitionem ein Dorn im Auge von Strukturkonservativen, denen es um die Zementierung der Verhältnisse geht. Kein Wunder, wenn diese versuchen, private und "soziale" Medien zu fördern und die Möglichkeiten der ÖR-Medien zu beschneiden. Hier ein Beispiel, wie Armin Laschets rechtskonservativer Staatssekretär Nathanael Liminski (CDU) den NRW-Rundfunkrat umgestaltet.
    [Verknüpfung]
    Seit 2017 sitzt Liminski als Vertreter seines Bundeslandes NRW im ZDF-Fernsehrat.
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    Als neue Intendantin der ARD verbannt die Schäuble-Tochter und Frau des baden-württembergischen CDU-Vorsitzenden Christine Strobl die bekannte investigative Sendung "Story im Ersten" aus dem Programm komplett in die Mediathek, andere Politikmagazine werden gekürzt und bekommen schlechtere Sendeplätze. Vorher war sie Chefin des Unterhaltungsfilm-Produzenten Degeto, als ARD-Tochter oft kritisiert für die Trivialiserung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.
    [Verknüpfung]
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    Umso leichter haben es private Akteure mit ihrer Desinformation. Diese Tendenz zeigt sich international. Nachdem die rechtskonservativen Murdoch-Medien in Großbritannien die öffentliche Meinung pro Brexit manipuliert haben, bereiten sie jetzt die Abschaffung des großen Vorbilds aller öffentlich-rechtlichen Medien vor: der traditionsreichen BBC. In Italien hat Silvio Berlusconi mit seinem privaten Medienkonzern Mediaset über Jahre die Politik bestimmt. In den USA gab es auch vor Ronald Reagan nicht einmal ÖR-Medien, aber immerhin eine Fairness-Doktrin, die alle Medienschaffenden zur Ausgewogenheit verpflichtete. Reagan schaffte sie ab und bereitete damit hetzerischen Lügen-Formaten wie Fox News und Talkradio den Boden, die letztlich Trump und den Sturm aufs Kapitol möglich machten.

    Mit ihrer Forderung nach Meinungsfreiheit erklären Populisten und Neolibertäre auch den Kanon der Klima- und Biodiversitätswissenschaften zur simplen Meinungsfrage, ein plumper, aber erschreckend effektiver Versuch, eine in Teilen völlig überforderte Halbwissens-Gesellschaft zu übertölpeln. Was allerdings nicht weniger als die menschliche Zukunft bedroht.
    Die breite, aber leise und deshalb wenig wirksame Gegenwehr der freiheitlichen Zivilgesellschaft ruft gleich den Vorwurf von Cancel Culture und Wokeness hervor. Öffentlich-rechtliche und unabhängige Qualitäts-Medien, die per öffentlichem Auftrag antreten, Missstände aufzudecken und damit den Status Quo gefährden, werden als "Systemmedien" diskreditiert. Diese werden stilisiert als Instrumente einer volksgefährdenden Verschwörung feindlicher Kapitalisten (die Antisemiten unter ihnen nennen v.a. jüdische wie Soros oder Rothschild). Medienvertreter werden vom aufgehetzten Mob tätlich angegriffen. Dabei sind es gerade die rechten Populisten, die den Machterhalt einer alten, großteils fossilen, Geldelite anstreben.
    Mittlerweile wurden in einigen republikanisch regierten US-Bundesstaaten reaktionäre Anti-Wokeness-Gesetze verabschiedet, man kann also vom Beginn einer Gleichschaltung sprechen.
    Die Anbieter der "sozialen" Medien erweisen sich allzu oft als unfähig oder auch nicht Willens, sich der Vereinnahmung durch rechte und neolibertäre Kräfte zu widersetzen. Aber nicht nur deshalb sind sie gefährlich.

    Längst sind auch in der Datenverarbeitung Monopole mit gigantischer globaler Marktdurchdringung entstanden. Angesichts der großen und weiter steigenden Alltagsbedeutung digitaler Medien ist das eine alarmierende Entwicklung, vor der seit vielen Jahren gewarnt wurde. Professorin Shoshana Zuboff von der Harvard Business School erklärt den Überwachungs-Kapitalismus (surveillance capitalism) zu einer neuen ökonomischen Ära: jetzt werden menschliche Überzeugungen, Wahrnehmungsmuster, Verhaltensmuster, Empfindungen etc. zu Markte getragen. Die Profite erzielen die "sozialen" Netzwerke mit Werbung, die durch Wissen über das Nutzerverhalten extrem individuell platziert werden kann. Je länger die Aufmerksamkeit des Nutzers so auf einer Plattform gehalten werden, kann, desto mehr Werbung kann sie verkaufen. Je besser ihre Prognose des Nutzerverhaltens, desto erfolgreicher ist die Werbung.
    Zuboff sprach auch mit dem österreichischen Juristen und Datenschutz-Aktivisten Max Schrems in der Webinar-Reihe der Europäischen Grünen Europe Calling.


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    The world’s most valuable resource is no longer oil, but data.
    Kiran Bhageshpur
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    Durch zielgruppenoptimierte Werbung wird dort nicht nur unser Konsum-, sondern auch unser Wahlverhalten manipuliert. Und da wird es gefährlich, wie der Skandal um Cambridge Analytica und der Sturm auf das Kapitol gezeigt haben. Gefährliche Populistische Hass-Propaganda wird also nicht nur einfach zugelassen, es werden sogar Werbeeinnahmen damit gemacht.
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    Das International Corporate Governance Network ICGN hat im März 2021 dazu eine Analyse herausgegeben.


    There are only two industries that call their customers users - illegal drugs and software.
    Edward Tufte
    [ICGN 2021]

    Eine Gruppe hochrangiger Plattform-Aussteiger um Tristan Harris betätigt sich im Verein Center for Humane Technology, um über das Problem aufzuklären, das Demokratien existentiell gefährdet.
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    Harris schlug schon 2017 per TED Talk Alarm.
    TED Talk mit Untertiteln und interaktivem Transkript: [Verknüpfung]
    Filmtipp: The Social Dilemma. Netflix 2020


    If you're not paying for it, you're the product being sold.
    Sue Gardner
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    Auch hier ist die EU der Antreiber der Gesetzgebung. Die italienische Ökonomin Francesca Bria machte private und kommunale Daten in Barcelona für gemeinnützige Zwecke nutzbar, um den ÖPNV besser organisieren zu können. 2023 setzt sie ihre Ideen im Projekt New Hanse für das New Institute in Hamburg um. Im Zeit-Interview forderte sie 2022 von der EU schnell eine starke Gesetzgebung, sonst würden wir eine "digitale Kolonie" von USA und China. Mit der Herrschaft von Big Tech, der Plattformökonomie amerikanischen Zuschnitts, sei den Menschen genauso wenig gedient wie mit der des chinesischen Big State. Zur Big Democracy eines "technischen Humanismus" gehört die Datensouveränitat der Bürger:innen und ein gemeinnütziger Umgang damit, sie nennt es Data Commons.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Boell-Stiftung: [Verknüpfung]
    Brand Eins: [Verknüpfung]
    Sie begrüßt das Datengesetz als Auftakt, das am 23.02.2022 beschlossen wurde, und das den Besitz von Daten in der EU regelt.
    [Verknüpfung]
    2018 hat die EU bereits die erste Gesetzgebung bezüglich Künstlicher Intelligenz eingeführt, den Artificial Intelligence Act..
    [Verknüpfung]
    Der aktuelle Stand der Gesetzgebung ist eigens dokumentiert.
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    Im ARD-Kulturmagazin titel thesen temperamente wurde Francesca Bria 2022 portraitiert, bei wired erklärt sie ihre Strategie für Barcelona, in der Zeit die für Hamburg.
    ARD bei FaceBook: [Verknüpfung]


    wireduk auf Youtube: [Verknüpfung]


    Zeit auf Youtube: [Verknüpfung]

    Die Unionsparteien CDU und CSU vernetzen sich mit US-amerikanischen Rechtskonservativen und Rechtslibertären, und mit europäischen Pro-Putin-Kräften

    Anstatt wie progressive EU-Politiker die Gefahren zu erkennen, dienen konservative deutsche Politiker sich den neuen Mächtigen wie Mark Zuckerberg oder Peter Thiel an, suchen aber auch die Nähe zu vermeintlichen deutschen IT-Startups wie Wirecard oder Augustus Intelligence. Wirecard war nachweislich ein internationaler Milliarden-Bilanzbetrug.
    Filmtip: Wirecard - die Milliarden-Lüge
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    Wirecard-Geschäftsführer Jan Marsalek ist flüchtig und zudem in einen Menschenrechts-Skandal mit russisch-tschetschenischen Söldnern in Nordafrika verwickelt. Die Ermittlungs- und Verfolgungs-Behörden vermitteln dabei den Eindruck erschreckend rechtsfreier Räume.
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    [Wikipedia 2022 - Jan Marsalek]

    Wenn man die Unterstützung von Marsalek noch als Täuschung durch einen russischen Spion abtun konnte, erfolgt die Kooperation der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung KAS mit der ungarischen rechtspopulistischen Denkfabrik Mathias Corvinus Collegium, oder der EVP-Vertreter aus der CDU mit der italienischen Postfaschistin Giorgia Meloni bei vollem Bewusstsein.
    Volksverpetzer: [Verknüpfung]
    WDR: [Verknüpfung]

    Als Datendienst stößt Augustus Intelligence in eine noch weit gefährlichere politische Dimension. Dort versammelte sich in den USA zu Hochzeiten der neuen rechten Alt-Right-Bewegung und Donald Trump mit Hans-Georg Maaßen und August Hanning eine konzentrierte, rechtskonservative Expertise deutscher Geheimdienste, und mit Carl-Theodor zu Guttenberg und Philipp Amthor gesellten sich prominente Unions-Spitzenpolitiker dazu; unter den Finanziers findet sich der AfD-Unterstützer August von Finck. Politiker riskieren fahrlässig unsere Demokratie, indem sie solche Datenauswertungs-Unternehmen unreguliert oder gar mit Vorsatz auf Zivilgesellschaft und Geheimdienste loslassen.
    Der Spiegel vermutet dahinter naheliegend: "Hier soll offensichtlich ein deutsches Palantir entstehen. Palantir ist einer der wichtigsten und unerbittlichsten Überwachungskonzerne der Welt, mit besonderem Fokus auf Geheimdienste, Polizeibehörden und Verwaltungen. Seit einigen Jahren hat man sich auch der Digitalisierung des Kriegs verschrieben. Palantir steht wie kaum ein Unternehmen für die Privatisierung der Sicherheitsbehörden, für die Übernahme eines Teils staatlicher Hoheitsgewalt mit digitalen Mitteln."
    Lobo im Spiegel-Podcast: [Verknüpfung]
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    Am 17.10.2021 - nach der Insolvenz der Firma - stürzte der Geschäftsführer Wolfgang Haupt mit dem Hubschrauber bei Heilbronn nach einer Explosion ab. Es gibt Hinweise auf ein Attentat.
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    Hinter der Analyse-Plattform Palantir steht der Neolibertäre Peter Thiel, der nicht nur als Datenauswerter, sondern auch durch Spenden und strategische Zusammenarbeit nachweislich zu den wichtigsten Unterstützern von Donald Trump zählt.
    Die Datenleitungen von Peter Thiels Datenanalyse-Dienst Palantir gehen bis in die europäische Polizei Europol.
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    In Deutschland heißt einer der Geheimdienste Verfassungsschutz. Dass es Thiel jedoch eher nicht um die Treue zur demokratischen Verfassung geht, zeigt eines seiner bekanntesten Zitate.


    Ich glaube nicht länger, dass Freiheit und Demokratie miteinander vereinbar sind.
    Peter Thiel
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    Die Ausübung wirtschaftlicher Macht durch Monopole, deren Gemeinwohlschädlichkeit in liberalen Demokratien durch Kartellgesetze kontrolliert wird, ist für ihn legitim, Wettbewerb dagegen schädlich; Zitat: "[das] kompetitive Ökosystem treibt die Menschen zur Rücksichtslosigkeit oder in den Tod." Das ist für Linke eine Begründung für den Sozialstaat. Marktradikale wie Thiel, die eher zum Sozialdarwinismus neigen und den Sozialstaat strikt ablehnen, nutzen diese Erzählung als Vorwand für ihre Ablehnung von Wettbewerbsregeln.
    Zusammen mit dem Republikaner Blake Masters, der auch Chef der Thiel Foundation ist, verfasste Thiel seine Elegie auf aggressive Startups "Zero to One". Der Verlag Campus bewirbt das Buch online, in der Rubrik "über das Buch" heißt es:


    Globalisierung ist kein Fortschritt, Konkurrenz ist schädlich und nur Monopole sind nachhaltig erfolgreich.
    aus der Verlagsinformation über das Buch "Zero to One" von Peter Thiel
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    Competition is for losers.
    Peter Thiel
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    Thiel betätigt sich auch als Mäzen der neurechten Kultur der white supremacyin den USA.
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    Zu Thiels Mitarbeitern zählt seit dessen Rücktritt wegen manipulierter Umfragen der Ex-Ministerpräsident von Österreich Sebastian Kurz, der wiederum intensive Kontakte zum CDU-Spitzenpolitiker Jens Spahn hat, und der durch seinen engen Freund Richard Grenell ebenfalls mit dem Zentrum der Alt-Right-Bewegung vernetzt ist. Kurz kann dort viel lernen über die Modernisierung von PR mit Hilfe von Datenanalyse. Kurz hielt auch die Laudatio, als Thiel 2021 überraschenderweise den renommierten Frank-Schirrmacher-Preis bekam - Schirrmacher war ein Kritiker der digitalen Tech-Monopole.
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    Kurz war maßgeblich an der Aufweichung europäischer Umweltauflagen der Aluminiumbranche beteiligt - vermittelt durch den Unternehmer Siegfried Wolf, Mittelsmann des russischen Aluminiumbarons, Oligarchen und Putin-Vertrauten Oleg Deripaska. Ein Vorgänger Thiels als US-Wahlkampf-Manager wiederum ist Paul Manafort. Gegen Manafort wird ermittelt wegen Zusammenarbeit mit Deripaska im Zusammenhang mit der russischen Beeinflussung der Wahlen 2016.

    Weniger verdeckt als seine Parteikollegen geht der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz im Sommer 2022 vor. Er plant, im August den bekennenden Trump-Unterstützer Lindsey Graham zu einem Austausch über "konservative Werte", wie in der BILD zu lesen ist. Als Vorsitzender des Justizausschusses war Graham die Folgenlosigkeit des Mueller-Reports über russische Einflussnahme in den USA, an der Berufung erzkonservativer Richter im Supreme Court mitverantwortet, und als Senator gegen eine nachträgliche Amtsenthebung nach dem Sturm auf das Kapitol gestimmt.
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    [Wikipedia 2022 - Lindsey Graham]
    [Wikipedia 2022 - Mueller Report]
    Auf wen er sich da einlässt, weiß Merz ganz genau; noch 2020 sagte er (als ausgewiesener "Transatlantiker" seiner Partei): "[Graham] wird im Gegenteil, so wie schon in den letzten Tagen, auch in den nächsten Jahren dafür sorgen, dass die Polarisierung im Kongress und die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft fortbestehen bleiben. Der „Trumpismus“ wird noch lange nachwirken, und Graham dürfte einer der Garanten dafür sein."
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    Organisisert wird das Treffen vom deutschen Think Tank und Medienkanal The Republic, dessen Gründer mit der Reaktion auf Rezos "Zerstörung der CDU" CSYou erfolglos waren. Der Twitterkanal ist aus den @amthorMemes hervorgegangen, der Instagram-Kanal aus den "Konservativen Meme-Kommandos", dessen Gefolgschaft sich auch aus dem Dunstkreis rechter Verschwörungs-Theoretiker:innen rekrutiert. Teile der Union haben sich von The Republic wegen Rechtslastigkeit bereits distanziert. Merz ficht das nicht an; er publiziert auch seine Schriften u.a. über Viktor Orbans Think Tank Mathias Corvinus Collegium, das auch Bücher rechtsextremer Autoren verlegt.
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    Zu dem Austausch kommt es allerdings nicht, nachdem zuerst Merz ein Podium mit Graham und anderen rechten Politikern absagt, und erst daraufhin Graham seinerseits das persönliche Treffen mit Merz ebenfalls absagt.
    [Verknüpfung]
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    Auch der EVP-Fraktionschef Manfred Weber (CSU) hat aus parteitaktischen Erwägungen heraus wenig Berührungsängste mit Rechtspopulisten, z.B. Wahlkampfhilfe für Silvio Berlusconi, der der Rechtsextremen Giorigia Meloni durch eine Koalition zum Wahlsieg verhalf.
    [Verknüpfung]

    2022 trat ein weiterer Protagonist aus der neolibertären Szene auf die große Bühne: Elon Musk. Zum Milliardär wurde er durch Mitgründung der Bezahl-Plattform PayPal und die frühe Übernahme des Elektroauto-Pioniers Tesla. Seine Gesinnung konnte man eigentlich bereits an der teuren Vorbereitung seines Mars-Siedlerprojekts, der Manchester-kapitalistischen Behandlung seiner Belegschaft und seinem extrem arroganten Auftreten ablesen.
    Um, wie er meint, den Bürgern wieder ihrem Recht auf Meinungsfreiheit zu verhelfen, kaufte er 2022 Twitter, und hob sofort wie angekündigt die Sperrung umstrittener Konten auf. Darunter waren vor allem die von rechtsextremen Nutzern, die wegen frauenverachtenden, rassistischen und ähnlichen menschenverachtenden Nachrichten gemeldet worden sind. Donald Trump lehnte zwar dankend ab und blieb bei seinem eigenen Dienst Truth Social, aber viele andere nutzten den Dienst wieder ausgiebig für ihre Hetzkampagnen.
    Zu Musks Geldgebern zählen der saudische Prinz Alwaleed bin Talal, ein Tochterunternehmen des staatlichen Investmentfonds von Katar und der Kryptowährungsbörse Binance, die ursprünglich in China gegründet worden war. Dafür dürften sie die Twitter-Firmenpolitik in Fragen der Meinungsfreiheit klar beeinflussen; die al-Saud bekamen sogar aus Twitter-Daten Hinweise auf politische Gegner, die sie daraufhin hinrichten ließen.
    Zeit: [Buchter 2023]
    Standard: [Verknüpfung]
    BuzzFeed: [Verknüpfung]
    Handelsblatt: [Verknüpfung]
    ZDF: [Verknüpfung]
    FR: [Verknüpfung]
    Musk macht viele Fehler. Er ist deshalb auf finanzielle Unterstützer angewiesen.
    Ultralativ bei Youtube: [Verknüpfung]
    Gegen Twitter gab es schon vor Musks Übernahme Vorwürfe wegen Weitergabe von Daten an das saudische Königshaus - in der Folge kam es zu Hinrichtungen.
    Standard: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Schon vor Musks Übernahme hat der Twitter-Algorithmus stark zur Bildung von Filterblasen beigetragen. Es dient nachweislich mehr der Erhöhung von Klicks als der Verbreitung von Wahrheit, denn das Geschäftsmodell basiert auf Werbung.
    Das Center for Countering Digital Hate CCDH hat die Zunahme von Hass- und Lügenpropaganda dokumentiert. Elon Musk reagiert mit einer Klage wegen Geschäftsschädigung. Der Geschäftsführer von CCDH Imran Ahmed spricht von einer "Kriegserklärung" des Social-Media- Unternehmens X (vormals Twitter) gegen unabhängige Forscher.
    [Verknüpfung]
    Dem Trump-Unterstützer und Frauenhasser Andrew Tate wurde sein loser Umgang mit Twitter zum Verhängnis. Hier zeigt sich die enge Verschränkung des proprietär-fossilen Konservatismus mit dem Patriarchat, die Eva von Redecker als Petro-Patriarchat bezeichnet. Diese Verschränkung sieht auch der Club of Rome als grundlegend für das Klimaproblem, weshalb er die Emanzipation zu einem Schlüssel der Transformation erklärt.

    Im Frühjahr 2023 reiste eine Delegation der CSU zum ultrakonservativen Gouverneur von Florida und Präsidentschaftskandidaten Ron de Santis: Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer mit seiner Ex-Staatssekretärin für Digitales Dorothee Bär, und der korruptionsverdächtige Florian Hahn. Scheuer kritisiert die "grüne Gesprächspolizei" und übernimmt den Kulturkampfbegriff der amerikanischen Rechten "woke", so wie überhaupt die meisten rechten Unionspolitiker gefühlt in jedem zweiten Interview dieses Wort platzieren.
    SZ: [Verknüpfung]

    In diesem Zusammenhang sei last not least der mächtige Mann hinter Armin Laschet erwähnt, der erzkatholische Nathanael Liminski, der ein Praktikum bei einem evangelikalen US-Politiker absolviert hat.

    In den USA sehen wir, wie leicht auch eine alte, vermeintlich stabile Demokratie durch Lügen gespalten werden kann. Dass eine Krise auch anders bewältigt werden kann als durch Besitzstandswahrung, Ideologie, Spaltung und Krieg, nämlich durch Einsicht, Pragmatismus, Kooperation und Solidarität, zeigen viele ermutigende Beispiele: die Entwicklung vieler Demokratien, die Abschaffung der Sklaverei, Einführung des Frauenwahlrechts, die Sozialpolitik ab dem 19. Jahrhundert, Salvador Allendes Sozialismus in Chile, die Ablösung der südafrikanischen Apartheid durch Nelson Mandelas Ubuntu-Politik oder Theodore Roosevelts New Deal.
    [Verknüpfung]


    Ich verstehe nicht, warum Leute Angst vor neuen Ideen haben. Ich habe Angst vor den alten.
    John Cage








    Dass die Volkswirtschaften dieser Welt in der Lage sind, ein gutes Leben für alle zu ermöglichen, und Wohlstand sich v.a. über Verteilung entscheidet ist, zeigt Ernst Ulrich von Weizsäcker mit einer eindrucksvollen Zahl: die Arbeitsproduktivität ist in den letzten 150 Jahren um Faktor 20 gestiegen, und die dazu notwendigen Ressourcen lassen sich durch eine Effizienz-Revolution bereitstellen, beim Beispiel Energie am günstigsten durch Energiewende, Mobilitätswende und Wärmewende. Beschleunigen lässt sich die Effizienz-Revolution durch Verteuerung der Ressourcen-Nutzung und Entlastung der Lohnnebenkosten. Arbeitgeber zahlen seit Jahrzehnten zur sozialen Vorsorge Lohnnebenkosten, warum nicht auch zur ökologischen Vorsorge Energienebenkosten? Natürlich kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch in einer effizienten und erneuerbaren Welt kein unendliches Wachstum möglich ist, dass wir uns also werden bescheiden müssen. Positiv ausgedrückt: wir brauchen ein neues Verständnis von Suffizienz, also wann es zum Guten Leben reicht. Und selbstverständlich brauchen wir ein Ende des Bevölkerungswachstums, das mit dem Ende von Armut auch umso eher möglich ist.

    Die aktuelle globale Überschuldungskrise wird man entweder gesteuert durch Umverteilung lösen - oder aber nach einem Kollaps durch neue Währungen: Altschulden würden getilgt, Guthaben jedoch ebenso. Dies bedeutet zwar auch den Verlust von Geldvermögen, aber eben vor allem die Entlastung der Wirtschaft von dem erdrückenden Zwang zur Erwirtschaftung von Renditen, die staatlichen Zukunftsinvestitionen oder Subventionen von privaten Zukunftsinvestitionen im Wege stehen. Die Staaten hätten wieder Handlungsspielräume wie einem Green New Deal nach dem Vorbild von Roosevelts New Deal 1933.
    Für den Fall einer Geldkrise hortete die Bundesbank Tonnen an Banknoten einer Ersatzwährung in einem damals geheimen Bunker.
    [Wikipedia 2020 - Bundesbankbunker Cochem]

    Im Jahr 2022 verdichten sich die sozioökologischen Megakrisen, und die fossilen Profiteure schaffen es zunehmend, die demokratischen Gesellschaften für ihre Zwecke einzunehmen: die Konservativen in Großbritannien isolierten die Nation im Brexit von Europa, in den USA herrscht eine tiefe Spaltung zwischen New Deal und fossiler, neolibertärer Reaktion, in Europa fällt eine Wahl nach der anderen für Putin-freundliche, EU-feindliche Nationalisten aus, in Brasilien liefern sich der Faschist Bolsonaro und der linke Lula da Silva Schlammschlachten in den "sozialen" Medien.
    Und all das geschieht, während die Finanzmärkte sich schon aus Angst vor Stranded Assets und dem Platzen der Carbon Bubble von Big Oil abwenden. Die Zeichen deuten auf die lange angekündigte Disruption.
    In den USA greifen ausgerechnet die marktreligiösen Konservativen in ihrer Verzweiflung zur ultimativen Marktverzerrung und hindern Investoren per Gesetz am Divestment. Nach Boris Johnsons Skandalen in London strafen die Finanzmärkte die Thatcher-Verehrerin Liz Truss für ihr Trickle-Down-Programm gnadenlos ab: noch während ihr Finanzminister Kwarteng seine Maßnahmen verkündet, stürzt das Pfund ins Bodenlose, Staatsanleihen und Immobilienfinanzierungen verteuern sich schlagartig.
    [Verknüpfung]
    Der Internationale Währungsfonds IWF warnt sonst nur Pleitestaaten des globalen Südens - jetzt warnt er das Vereinigte Königreich. Drei Tage verbreitet Truss Durchhalteparolen, dann beginnt sie mit der Entlassung von Kwarteng zurückzurudern. Am 19.10. kommt es bei einer Abstimmung im Unterhaus zum Tumult. Am 24.10. muss sie nach einer Rekord-Amtszeit von 50 Tagen zurücktreten; von diesen sind allein zehn wegen der Trauerfeiern zum Tod von Queen Elizabeth II ohne jegliche politische Entscheidung verstrichen.

    Joe Biden hatte vor seinem Treffen mit Truss gesagt:


    Ich bin müde und angewidert von der Trickle-Down-Ökonomie. Sie hat nie funktioniert.
    Joe Biden

    Ein Sprecher der Premierministerin sieht keinen Zusammenhang dieser vernichtenden Kritik zu Truss' Agenda: "Die Annahme ist lächerlich, dass Präsident Biden damit auf die britische Politik angespielt haben könnte." Eine Verdrehung, die den Satirikern das Wort geradezu in den Mund legt. Constantin Seibt titelt im Schweizer Magazin Republik "Die Queen ist tot. Der Wahnsinn regiert." Der Economist ätzt für eine Wirtschaftszeitung ungewöhnlich respektlos: "Ms Truss betrat die Downing Street am 6. September. Sie jagte ihre Regierung mit einer Serie von nicht finanzierten Steuerkürzungen und Energiesubventionen am 23. September in die Luft. Zieht man die 10 Tage Staatstrauer nach dem Tod der Queen ab, war sie 7 Tage an der Macht. Das ist die Regalzeit eines Kopfsalats."
    [Verknüpfung]
    Was wieder der Gerüchteküche über die englischen Ernährungsgewohnheiten Nahrung gibt, aber - egal. Das Truss-Disaster wird jedenfalls sehr schön auf einer Internetseite unter der Überschrift "Led By Donkeys" visualisiert; leider ohne Impressum, deshalb keine Gewähr auf Korrektheit des graphischen Modells.
    [Verknüpfung]
    Liz Truss' Regierungsbilanz ist verheerend. Sie gilt als die schlechteste Premierministerin aller Zeiten und habe Großbritannien zu einer internationalen Witzfigur gemacht.
    [Wikipedia 2022 - Liz Truss - Bewertung ihrer Amtszeit]
    [Verknüpfung]
    Truss' Nachfolger ist der Milliardär Rishi Sunak, dessen Familie 2023 ein Milliardengeschäft mit BP macht, nachdem Rishi gesetzlich alles klar gemacht hat. Sunak zerschlägt im Handstreich die ambitionierte Klimapolitik seiner Vorgänger, und katapultiert Großbritannien auch bei Klimaverhandlungen ins Abseits.

    Angus Deaton, Träger des Nobel-Gedächtnispreises 2015 "für seine Analyse von Konsum, Armut und Wohlfahrt", beklagt: "Es wird alles in Geld gemessen." Sein autobiographisches Alterswerk heißt "Ökonomie in Amerika - ein eingewanderter Ökonom erforscht das Land der Ungleichheit". Im Jahr des Nobelpreises veröffentlichten er und seine Frau Anna Case eine Untersuchung über "steigende Morbidität und Mortalität in der Lebensmitte unter weißen nicht-hispanischen Amerikanern im 21. Jahrhundert" - eine weitere Analyse über die Verzweiflung in der US-amerikanischen Mittelschicht, die von massiven Verlustängsten geprägt ist. Der in den USA verbreitete Begriff von "Toden der Verzweiflung" durch Alkohol und Drogen geht auf Deaton und Case zurück. Deatons Forschungsergebnisse dienten Präsident Obama als politische Begründung, während sie unter Trump zur Erklärung für dessen politischen Erfolg herangezogen wurden.
    2023 ist die Lebenserwartung amerikanischer Arbeiter weiter gesunken. Sie liegt bei 74 Jahren, neun Jahre unter der ihrer akademischen Landsleute. Hier rächt sich, dass Bildung in einer übersättigten Gesellschaft keinen großen Wert darstellt.


    Die Tode der Verzweiflung reflektieren den Mangel an politischer Macht von Amerikanern mit einem niedrigeren Bildungsabschluss. Ihre Leben sind auf unterschiedliche Weise auseinandergefallen. [...] Die Volkswirtschaftslehre misst alles in Geld. Doch dabei ignoriert sie zu oft die Zerstörung von Gemeinschaften oder den Verlust von Jobs.
    Angus Deaton
    Zeit: [Heißler 2023]

    Und natürlich ignoriert sie genauso die Übernutzung von Ressourcen für künftige Generationen.

    Werner Vontobel erklärt im Schweizer Magazin Republik das grundlegende Problem: das Vertrauen in die trügerische Sicherheit des Geldsystems.
    Republik: [Verknüpfung]

    Was die neolibertären Ökonomen seit Jahrzehnten übersehen: die Verschuldung der Menschheit auf dem Konto ihrer globalen Ressourcen lässt sich nicht einfach durch eine Geldreform tilgen. Greenpeace schrieb einen treffenden Spruch Cree-Indigenen zu und druckte ihn auf einen Aufkleber, der in der Umweltbewegung der 80er-Jahre weltweit verbreitet war. Die Quellensuche von Quoteinvestigator führt zu einem Interview aus den Jahr 1972 von Ted Poole mit der kanadischen Abenaki-Indigenen Alanis Obomsawin, die später als Filmemacherin bekannt wurde.


    When the last tree is cut, the last fish is caught, and the last river is polluted; when to breathe the air is sickening, you will realize, too late, that wealth is not in bank accounts and that you can’t eat money.
    Alanis Obomsawin

    [Poole 1972]

    Alanis Obomsawins Beitrag ist umso erfreulicher, als Indigene in Kanada eine leidvolle Geschichte der Marginalisierung durchlebt haben.
    Zeit: [Verknüpfung]

    2006 sorgte Nicholas Stern mit seiner Schätzung von künftigen riesigen Klimaschadens-Summen auf den Börsen und auch bei den Regierungen durchgreifend für Furore, begleitet von Al Gores Film "Eine unbequeme Wahrheit". Zwei Jahre später aber verdängte die Subprime-Krise von 2008 das Thema zehn Jahre lang von den Monitoren, Corona-Krise und Ukraine-Krieg folgten. Vor solchen Verzögerungen hatte Stern eindringlich gewarnt. In der Finanzkrise wurde deshalb der Spruch geprägt "wäre das Klima eine Bank, dann hätte man es längst gerettet", oder skandierfähig ausgedrückt "bei den Banken sind sie fix, für das Klima tun sie nix".

    Der Arzt, Moderator und Mitinitiator von Scientists for Future Eckart von Hirschhausen drückt es kürzer aus, und nimmt Bezug auf die Debatte um die Schuldenbremse.


    Die nächste Generation wird nicht fragen, wieviel Geld habt ihr uns vererbt, sondern wie prall ist diese Erde noch mit Arten gefüllt? - Und wir sind Teil davon!
    Eckart von Hirschhausen

    Christian Stöcker twittert im August 2022:


    Das Problem der Lindner-FDP (und der Merz/Söder-Union, aber die regiert ja nicht), ist, dass sie Geld für real und CO2 für verhandelbar hält. Es ist aber das exakte Gegenteil richtig. Das gleiche gilt für „Markt“ (ausgedacht, konstruiert) und Physik (real)[.]
    Christian Stöcker
    [Verknüpfung]

    Der Wirtschaftshistoriker Adam Tooze bezeichnet Christian Lindner im September 2023 wegen seiner kompromisslosen Austeritätspolitik als "gefährlichsten Mann Europas", Zitat: "Die Schuldenbremse ist eine Bedrohung für den Wohlstand." Lindner senke das Niveau der Debatte auf das von Populisten, seine Aussagen zur Schuldenbremse seien "absurd".
    [Verknüpfung]

    In langfristig denkenden Beratergremien stellen sich jetzt endlich Fragen der Generationengerechtigkeit. Zunehmend finden die Schulden an den kommenden Generationen als sogenannte externe Kosten Berücksichtigung. Das gemeinschaftliche Herbstgutachten der deutschen Wirtschaftsforscher benennt im Kapitel "Wirksame Klimapolitik engt die gegenwärtigen Verteilungsspielräume ein" ganz klar das Problem. Dort formulieren sie einen weiteren Zielkonflikt: "Demzufolge müssen klimapolitische Maßnahmen mit einem Konsumverzicht der gegenwärtigen Generation einhergehen, wenn sie nicht über einen gesamt-wirtschaftlichen Vermögensabbau finanziert werden sollen."
    [Verknüpfung]

    Das Modell des neoliberalistischen Staates, der von der chilenischen Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet per gewaltsamem Umsturz errichtet wurde, gerät im Herbst 2020 ins Wanken. Eine Bürgerbewegung setzte ein Referendum durch, das am 26.10. mit 78,3% für eine Sozialreform der Verfassung ausging.
    [Verknüpfung]
    Pinochet starb 2006; seine Frau Lucia Hiriart, der eine wichtige Rolle bei Allendes Umsturz nachgesagt wurde, starb im Dezember 2021.
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    72 Jahre nach der Gründung der Mont-Pelerin-Gesellschaft, die die Paradigmen des Neoliberalismus propagiert hat, finden sich immer mehr Kreise von angesehen Wirtschaftswissenschaftlern, die gemeinsam eine neue Wirtschaftsordnung fordern.
    Zeit: [Schieritz 2019]

    Schon vor der Subprime-Krise 2008 wurden Stimmen laut, die das Ende des Geldsystems vorhersagten, verursacht durch Geldmengenausweitung und Überschuldung von Staaten, Firmen und Haushalten. Nur eine massive Zusatzverschuldung der Staaten verhinderte dann den Zusammenbruch. Die Folgejahre waren geprägt von weiterer explosiver Ausweitung der Geldmenge.
    Die Corona-Pandemie verschärfte den Prozess massiv. So ist von 2020 bis 2022 der Geldbesitz der 10 reichsten Menschen von 0,7Bio (dt. Billionen!) auf 1,5Bio US$ angestiegen, während das Einkommen bei 99% der Menschheit sank, oftmals unter das Existenzminimum.
    [Oxfam 2022]
    Das Geld wurde eigentlich von Staaten in Verkehr gebracht, um in der Corona-Krise die Realwirtschaft zu stützen. Das hat zwar geklappt, aber nur zu einem extrem hohen Preis.
    Die Auswirkung war ist eine Blasenbildung bei Sachwerten wie Gold und Immobilien, und (wie 1929) eine Explosion der Aktienkurse. Die erhoffte durchgreifende Wirkung gegen die anhaltende Investitionsmüdigkeit blieb jedoch bisher (2022) aus.
    Dabei ist der Investitionsbedarf der Klimawende gigantisch. Ob die Zurückhaltung der Investoren den unklaren Rahmenbedingungen geschuldet ist, könnte wohl ein wichtiger Grund sein. Investoren und ihre Vertreter wie der BDI, die lange gegen die Klimawende lobbyiert haben, vollziehen eine disruptive 180°-Wende und beklagen nun die erratische Klimapolitik der Merkel-Jahre. Sie entwickeln 2021 mit der Unternehmensberatung BCG die Strategie "Klimapfade 2.0" und starten damit eine PR-Kampagne "Klimapfade für Deutschland".
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    Eine frühe Kritikerin des Geldsystems war die Erfinderin des Green New Deal Ann Pettifor, die die Subprime-Krise vorhersagte.

    Der Ökonom und renommierte Wirtschaftsjournalist Norbert Häring fordert eine Neuausrichtung in der Ökonomie-Ausbildung. Er gründete zu diesem Zweck die Bewegung economists for future. Die Forderung wird von fachlicher Seite unterstützt durch die World Economics Association, die Bundesfachschaftenkonferenz WiSo (die alle wirtschaftswissenschaftlichen Fachschaften in Deutschland vertritt) und die Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW).
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    [Verknüpfung]
    Häring beschreibt in seinem Buch 2021 das "Endspiel des Kapitalismus". In einer Buchvorstellung für Neue Geldordnung am 21.10.2021 beschreibt er den unregulierten Umgang mit Kapital als Ursache der aktuellen Geldwertkrise. Zunächst definiert er Kapital als alle Eigentumsrechte, die leistungslose Einkommen (Renten) ermöglichen. Dazu führt er aus:

    "Man kann sagen, das Kapital hasst den Wettbewerb. Weil in einer Wirtschaft mit wettbewerblichen Märkten im reinen Sinne sind die Gewinne gering oder gar nicht existent, und entsprechend ist der Wert der Besitzrechte der Kapitalisten, also ihr Kapital, gering. Kapital besteht geradezu aus dem Grad der Einschränkung des Wettbewerbs. Kapital ist der Gegenwartswert aller heutigen und künftigen Gewinne, die der eingeschränkte Wettbewerb erst ermöglicht.
    Wettbewerb und Kapitalismus sind Gegensätze. Je mehr Wettbewerb herrscht, desto weniger [...] kapitalistisch ist ein System. Kapital braucht um zu existieren Wettbewerbsbeschränkung und Monopolgewinne. Ganz zentral dafür sind Patente und anderes geistiges Eigentum.
    "
    Im Video ab 14'15'': [Verknüpfung]

    Ein Beispiel für solch eine libertäre Interpretation von Kapitalismus bietet Peter Thiel mit seinem Spruch "Competition is for losers", der in Wirtschaftskreisen auf große Resonanz trifft: Thiel ist wichtigster Berater von Donald Trump, und 2022 bekommt er den Frank-Schirrmacher-Preis von den großen deutschen konservativen Zeitungskonzernen FAZ, Welt und NZZ. Außerdem ist er Gründer des undurchsichtigen international tätigen Datensammlers Palantir, der sogar von deutschen Behörden genutzt wird.
    Der Demokrat Joe Biden dagegen hat wie seine progressiven Vorgänger versucht, Monopole stärker zu beschränken. Er hat die Kartellbehörde Federal Trade Commission wieder gestärkt, nachdem Republikaner ihre Kompetenzen beschnitten haben; genauso wie der Ampel-Minister Robert Habeck nach den vielen Jahren CDU-geführter Regierungen.
    netzpolitik: [Verknüpfung]
    Bundestag: [Verknüpfung]
    Die NGO LobbyControl dokumentiert anlässlich des WEF 2024 die wachsende Macht der Monopole, v.a. der Tech-Konzerne.
    LobbyControl: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]

    Im Interview bei der Deutschen Welle mit Jens Olesen am 03.11.2021 bezeichnet Norbert Häring das Geldsystem als "Schneeball-System" und erklärt einen möglichen Weg aus der Krise: mehr Staat und Umverteilung, ein Ende ungerechter Subventionen, das Ende des unkontrollierten Shareholder-Kapitalismus, die Rückkehr zum Stakeholder-Kapitalismus.

    10'19''
    Olesen: "Das heißt, wir gucken in den Abgrund und stürzen hinein - oder können wir das noch verhindern?"
    Häring: "Wir können das im Prinzip ändern, aber nicht, ohne dass es einen Zusammenbruch gibt. Der Zusammenbruch dieses Finanz-Schneeballsystems muss eigentlich kommen. Aber der muss nicht so schlimm sein, wenn man's nicht so macht wie früher und alle Ansprüche der Kapitalbesitzer einfach über alles stellt, sondern so macht wie die Isländer mit ihren drei Riesenbanken damals. Die haben die pleite gehen lassen, haben das übernommen, was wichtig war, um den Zahlungsverkehr weiterlaufen zu lassen, und dann ist Island nicht viel passiert, der Bevölkerung. Während bei uns, da hat die Regierung Hunderte Milliarden eingeschossen, nur um ein paar kleine bis mittlere Banken vor'm Zusammenbruch zu retten. So darf man's eben nicht machen, sondern diejenigen, die bisher profitiert haben, müssen halt auch ausnahmsweise 'mal die Lasten tragen, die Kapitalbesitzer, und um die Wirtschaft muss man sich dann eben kümmern, die kann man auch anders aufstellen."
    Olesen: "Dennoch wird hier gerade eine Bundesregierung gebildet, bei dem eine Partei, nämlich die FDP, sagt "keine Belastung für Vermögende". Wäre das der richtige Weg dem Desaster zu entkommen, das sie befürchten?"
    Häring: "Also das Problem ist nicht, die Vermögenden zu belasten, das was sein muss, ist die Vermögenden nicht zu subventionieren, wie das in der Vergangenheit immer passiert ist. Da [sind] ja mit riesigen öffentlichen Geldern [...] die Vermögen der Vermögenden geschützt worden, sind sie vor Verlusten bewahrt worden. Und das darf einfach nicht mehr passieren, [...] man muss gar nicht aktiv schröpfen. Und dann geht's eben d'rum, den Finanzsektor und insgesamt den Kapitalismus zu zähmen, dass die Unternehmen eben nicht wie bisher ein Spielball für die Kapitalinteressen sind und nur dazu dienen, möglichst hohe Rendite zu erwirtschaften. Weil das steht nicht unbedingt im Einklang mit den Interessen der Bevölkerung."
    Olesen: "Wie kann man denn diesen Bewusstseinswandel in den Entscheidungsetagen denn sozusagen herbeiführen?"
    Häring: "Also, es passiert schon. Es gibt ja diese sehr interessante Initiative des Verantwortungskapitals, wie es zunächst hieß. Da ist durchaus auch die Wirtschaft d'ran beteiligt und politische Kreise, wichtige Kreise aus beiden. Inzwischen heißt's GmbH mit gebundenem Kapital. Das geht sehr in die Richtung, die mir vorschwebt, so in richtung Stiftungsmodell. D.h. die Unternehmen stehen im Wettbewerb, sie sollen auch Gewinne machen und wollen Gewinne machen. Aber die Gewinne dienen nicht dazu, Ansprüche von Kapitalbesitzern zu befriedigen, sondern die bleiben im Unternehmen und werden dafür verwendet zu investieren, besser zu werden, bessere Produkte zu machen und mehr. Also letztlich gehört das Unternehmen dann sich selber, nicht dem Staat, sondern sich selber und dient eben dazu, seinen Zweck zu erfüllen."
    [Verknüpfung]

    Die Dokumentation "End of the Road - How our money became worthless" (True Story Documentary Channel bei youtube) ist, was Fakten angeht, leider nicht zitierfähig, weil die Autoren nicht zu identifizieren sind. Die deutsche Übersetzung läuft auf einem Youtube-Kanal, der sehr kritisch zu sehen ist. Die Empfehlung zum Goldkauf ist möglicherweise im Sinne von Auftraggebern des Films. Die Beschreibungen der Produktion von US-Dollar und der damit per Wechselkurs verknüpften Währungen als gigantisches, betrügerisches Ponzi Scheme ist jedoch sehr schlüssig und erhellend. Das bekannteste Ponzi Scheme war das von Bernard Madoff, das 2008 aufgedeckt wurde.
    engl. [Verknüpfung]
    dt. [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2021 - Charles Ponzi]

    Der Physiker, Unternehmensberater und Ökonomie-Fachbuchautor Timm Gudehus spricht beim aktuellen Geldsystem von einer "ansteigenden Spirale von Geldschöpfung und Staatsverschuldung" und entwirft eine neue Geldordnung, zu lesen in der Zeitschrift für Wirtschaftspolitik 2014.
    [Verknüpfung]
    Der Fachbuchverlag Springer brachte seinen Titel "Neue Geldordnung" 2016 in der Reihe essentials heraus.

    Die Klimaschäden richten in Entwicklungsländern weit bedeutendere Schäden an Personen und ihren Sachwerten an, denn dort können sich die Geschädigten nicht immer auf staatliche Hilfe verlassen. Auch deshalb werden die Forderungen nach internationalem Ökozid-Strafrecht immer lauter.

    Konservatismus kann sich nicht allein auf die Erhaltung eines Wirtschaftssystems um jeden Preis beschränken. Im Gegenteil sind die gleichzeitige Erhaltung der Besitzstände und der natürlichen Lebensvoraussetzungen - bei der heutigen Dominanz fossilökonomistischer Profitmodelle - nur schwer vereinbar. Die Profiteure verhinderten jahrzehntelang wirksamen Klimaschutz, weil dieser ihren Interessen zuwiderlief. Das ändert sich gerade radikal: mit dem Platzen der Kohlenstoff-Blase (Carbon Bubble) steht der Fossilökonomie eine nie dagewesene Kapitalflucht bevor. Deutschland droht mit dem Festhalten an den alten Technologien nicht nur ein wirtschaftlicher Niedergang (vergleichbar mit dem Modernisierungsverlierer nach dem Zweiten Weltkrieg: England), sondern auch noch die Anklage wegen anhaltender Emission von Treibhausgasen.

    Hier stellt sich wohl auch die Frage, warum diejenigen, die von der Fossilwirtschaft teils exorbitant profitiert haben, nicht auch von ihrem Profit abgeben und damit für Folgeschäden aufkommen sollen, wie es endlich der Club of Rome 2022 in seinem Bericht Earth for All 2022 fordert. Eine Umverteilung wird allein aus ökonomischen Gründen von einer immer größer werdenden Mehrheit namhafter Ökonom:innen gefordert, seit Jahren ist es Top-Thema beim WEF. Im Grundgesetz ist nicht nur der Schutz des Privateigentums begründet, sondern auch das Gemeinwohl: "Eigentum verpflichtet" (Artikel 14). Artikel 15 erlaubt Enteignung, und für andere Zwecke wie Straßenbau (Dannenröder Forst) oder Rohstoffgewinnung (Hambacher Forst) findet sie immer wieder statt. Selbst Sozialdemokraten entdecken das Thema.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Wenn Bürger jedoch mit Enteignung gegen Mietwucher und Immobilien-Spekulation vorgehen wollen, geht ein jahrelanges Gezerre los.
    [Verknüpfung]
    Inwiefern deutsche Immobilien zu einem Spielball von schnell gemachtem Geld geworden sind, zeigt das Beispiel des Investors Rocket Internet, das nur die Spitze eines Eisbergs darstellen dürfte.
    [Verknüpfung]

    Dabei fordern viele Ökonomen (incl. IWF) eine Umstrukturierung: ein Ende der Fossil-Subventionen (global 5Bio $, D 50Mrd €), und eine wirksame CO2-Steuer, in Tradition zu Nordhaus 1977. Er bekam 2018 den Nobel-Gedächtnis-Preis.
    Das scheint eine Diskussion ausgelöst zu haben. Viele Ökonomen, darunter 27 Träger des Ökonomie-Nobel-Gedächtnis-Preises (es dürfte geschätzt die Mehrheit der noch lebenden Preisträger sein), forderten 2019 öffentlich eine wirkungsvolle CO2-Bepreisung.
    [Wall Street Journal 2019]
    Im Januar 2023 zählt die Liste über 3600 Ökonom:innen aus den USA, darunter mittlerweile 28 Nobel-Gedächtnispreisträger:innen.
    [Verknüpfung]

    Die 2012 verstorbene Preisträgerin Elinor Ostrom bekam 2009 - kurz nach der - den Nobel-Gedächtnispreis (nebenbei als erste Frau) für ihre Forschung zum Thema Allmende.
    [Verknüpfung]

    Der Ökonom Peter Grassmann fordert wie viele Kolleg:innen eine längst überfällige Einbeziehung der externen Kosten in die Wirtschaftlichkeitsbetrachtung.
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    In der dreiteiligen Dokureihe "Wer bezahlt die Zukunft?" des MDR aus dem Jahr 2022 mehrere Ökonom:innen zu Wort, darunter Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen Dr. Martin Werding von der Ruhr-Universität Bochum, die Leiterin des OECD Berlin Centre Dr. Nicola Brandt und die Geschäftsführerin des Dezernat Zukunft Philippa Sigl-Glöckner. Sie kritisieren das Narrativ vom "Sparen für die kommenden Generationen", das angesichts der demographischen Lücke und vor allem der gigantischen externalisierten Kosten der Klimakrise wie Hohn wirkt, und plädieren für ein sofortiges Ende der fossilen Subventionen und der Schwarzen Null, sowie eine massive staatliche Ausgabenpolitik für Klimaschutz als Zukunftsvorsorge.
    [Verknüpfung]

    Josef Stiglitz hatte schon als Weltbank-Chefökonom eine wachstumskritische Haltung, die Subprime-Krise vorhergesagt und den Nobel-Gedächtnispreis bekommen. Er kritisiert die Ungleichverteilung, und vergleicht 2019 die notwendigen Anstrengungen für den globalen Green New Deal mit denen für einen 3. Weltkrieg
    [Verknüpfung]
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    Die streitbare Kapitalismuskritikerin und gelernte Bankkauffrau Ulrike Herrmann unterschätzt wie so viele die Effizienzpotentiale der Energiewende, wenn sie sagt, dass wir den Primärenergiebedarf von heute "niemals" mit Erneuerbaren decken können. Ihr Vorschlag einer geplanten Zuteilungswirtschaft wie im Nachkriegs-England ist allerdings ein bedenkenswerter Vorschlag. Niemand wurde dort enteignet, der soziale Frieden war größer als zuvor.
    [Verknüpfung]

    Die Union der Mitte fordert 60€/ t CO2
    [Verknüpfung]
    22 gewichtige Finanzminister (Ausnahme USA) ebenfalls.
    [Verknüpfung]

    Die Scientists for future haben den Stand der CO2-Steuer-Diskussion zusammengefasst.
    [Verknüpfung]

    Ein derart auf Verschuldung basierendes System ist auf beständige Riesensummen an Zinsen, Renditen und Mieten angewiesen - schon ein einziger größerer Zahlungsausfall kann einen Domino-Effekt auslösen, wie man an der Pleite von Lehman Brothers 2008 sehen konnte. Jetzt steht nicht nur eins, sondern unzählige Investments auf der Kippe, zu sehen daran, dass die Börsen verrückt spielen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zunächst übernehmen wieder die Staatskassen die Zahlungen. Die Frage ist, wie lange das funktioniert, und wenn es funktioniert, wie die Schuldenbelastung des Staats sich weiter auswirkt.

    Was passiert derweil in Deutschland? Eine epochale Entscheidung zur Wahrung deutscher Besitzstände ist ein Zusatz zu Artikel 109 GG aus 2015: die sogenannte "Schwarze Null" der großen Koalition, also das gesetzliche Verbot der Netto-Neuverschuldung.
    [Verknüpfung]
    Zur Begründung der Austeritäts-Politik in der EU und in den USA wurde häufig die Studie Growth in a Time of Debt von Kenneth Rogoff und Carmen Reinhart zitiert, die aber mittlerweile von Fachkollegen widerlegt wurde.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung] Austeritätspolitik beruhigt zwar die vermögende Bürgerklientel und damit eine bestimmte Wählerschaft, ist jedoch allein schon aus ökonomischen Gründen bei Wissenschaftlern, auch aus der Ökonomie hoch umstritten.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Focus: [Verknüpfung]
    Handelsblatt: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    Spiegel: [Verknüpfung]
    Es sprachen also schon lange viele rein wirtschaftliche Gründe gegen die Austeritätspolitik der "Schwarzen Null". Doch die neoliberale Ideologie wurde selbst angesichts der kombinierten ökologischen und ökonomischen Mega-Krise verteidigt, so sprachen z.B. Ordoliberale von "unendlichem Wachstum in einer endlichen Welt". Deshalb müsse an der Schwarzen Null unbedingt festgehalten werden, hieß es noch 2019.
    [Verknüpfung] Nach den Merkel-Jahren, wo die Infrastruktur jahrelang schneller verschlissen als erneuert wurde, schlägt die angesagte multiple Ressourcen-Krise zu: Corona als Folge der Biodiversitätskrise, der Ukraine-Krieg als Folge patriarchaler Machtansprüche auf fossile Ressourcen, die Migrationskrise als erstes Anzeichen der drohenden Klimakatastrophe. Die demographische Keule, der Ruhestand der BabyBoomer, beginnt zuzuschlagen. Während andere Staaten sich für Zukunftsinvestitionen verschulden, beharren deutsche Konservative dennoch gegen alle ökonomische Expertise auf dem Einhalten der Schuldenbremse. Wenn selbst die bedeutendsten "wirtschaftsnahen" neoliberalen Ökonomen Michael Hüther, Leiter des Instituts der deutschen Wirtschaft IW, und Clemens Fuest, Leiter des ifo-Instituts, sich unisono mit dem Rat der Wirtschaftsweisen für Reformen aussprechen, dann stehen die Unterstützer der Schuldenbremse wissenschaftlich auf ganz dünnem Eis. Auf think-ordo.de fand ich Anfang Dezember 2023 keine Beiträge zum Thema, obwohl in der deutschen Ökonomie gerade nichts Anderes heißer diskutiert wird.

    Die Modern Money Theory findet immer mehr Anhänger in der Fachwelt, und erklärt auch, warum Staatsverschuldung ein Mittel gegen die Klimakatastrophe ist.
    [Verknüpfung]

    Was ist schlimmer? Die Vernichtung von Besitzständen oder die Vernichtung von Lebensgrundlagen? Von Geld oder Leben?

    Dass eine Finanzkrise, eine Pandemie und seit 2022 auch ein europäischer Krieg viele hundert Milliarden Konjunkturhilfen rechtfertigt, die drohende Klimakatastrophe jedoch nicht, stößt bei Klimaschützern auf berechtigte Empörung. Bisher wurden schon riesige Summen mobilisiert, um Ausstände nicht nachhaltiger Branchen auszugleichen. Gastronomie 70% Umsatzausgleich, Handel Null. Lufthansa 9 Milliarden, trotzdem 29.000 Entlassungen. Keine einfachen Entscheidungen. Da helfen auch mehrere "schwarze Nullen" der letzten Jahre nicht viel weiter, wenn die günstige Finanzlage nicht für Investitionen genutzt wird. Die Krise der restlichen Weltwirtschaft wird auch unsere erfassen.
    Zu den Billionen an Finanz-Soforthilfen der letzten Jahre kommen jahrzehntelange Subventionen und Rohstoffimportkosten, die sich auf viele Billionen Euro aufsummieren. Damit könnte man heute gleich mehrere Klimawenden vollziehen.

    Mit den Corona- und Ukrainekriegs-Rettungsschirmen haben wir allerdings auch die wohl letzte historische Chance, die Weichen zu stellen für eine postfossile Wirtschaft. Nicht nur linke Denkfabriken werben für den "Green New Deal". Selbst das WEF wirbt für einen "Great Reset", der die größten sozio-ökologisch-ökonomischen Risiken gleichzeitig adressieren soll.
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    Es sieht dabei die Chance eines großen Beschäftigungs-Motors, den "Jobs Reset".
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    Selbst in der Ampel-Koalition mit den Grünen werden wieder hunderte Milliarden mit einer gigantischen Gießkanne an Preisentlastungen für alle ausgeschüttet, zuerst als Treibstoffzuschuss, und dann als Gaspreisdeckel. Aber für zusätzlichen Klimaschutz auf die "Schwarze Null" zu verzichten, ist mit FDP-Finanzminister Christian Lindner nicht zu machen.
    Dabei werden die Anzeichen für eine einsetzende Massen-Kapitalflucht, also das Platzen der Carbon Bubble, werden immer deutlicher.
    Mit jedem nachhaltig angelegten Rettungs-Euro werden Fossil-Investitionen riskanter. Nicht alle Anlagestrategen spekulieren kurzfristig (d.h. nicht alle Marktteilnehmer wollen "zocken"). Und diese werden dann nervös, wenn sich das Platzen der Carbon Bubble abzeichnet - die Kursbewegungen werden durch ihre kurzfristigen Geschäfte dramatisch ausfallen. Versicherungen spielen dabei eine immer wichtigere Rolle, denn schon länger beurteilen sie die mittelfristigen Ausfallrisiken in der Fossilwirtschaft zunehmend kritisch.
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    8 große europäische Versicherungen haben im Juli 2021 die Net-Zero Insurance Alliance gegründet.
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    Die ersten prominenten Aussteiger aus Fossilinvestments waren die Rockefeller Foundation (die aus dem Imperium des ersten Milliardärs und bekanntesten Ölbarons John D. Rockefeller hervorging) und der norwegische Rentenfonds. Es ist eine innenpolitisch brisante Frage, wieviele Anlagen v.a. deutscher Kleinsparer und auch Rentenfonds vom Platzen der Carbon Bubble getroffen werden, weil sie nicht früh genug aussteigen.
    Auch werden die gewichtigen mittel- und langfristigen Anleger wie BlackRock ihr Marktgewicht nach dem Ausstieg aus Fossilinvestments entsprechend einsetzen, um den Trend in ihrem Sinne zu beeinflussen. Anlagen mit schlechten Aussichten gutes Geld hinterherwerfen - das haben Investoren noch nie gerne gemacht.
    Wie weit die Entwicklung genau ist, ist sicher ein gut gehütetes Geheimnis der Insider, die aus den Spekulationen Gewinne realisieren wollen. Man kann nur feststellen: Aus dem anfänglichen Börsen-Getuschel über "Stranded assets" in Fossilenergie wurde Geraune.
    Noch Ende September 2019 hatte sich BlackRock-Chef Larry Fink geweigert, mit seinem Fonds dem Netzwerk Climate Action 100+ beizutreten. Die dort vertretenen Fonds enthielten damals schon 34 Billionen US-$, und BlackRock sah sich im Fokus einer großen Protest-Kampagne in den USA.
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    Im Januar 2020 fiel Larry Fink dann um, im Gegensatz zu den Konkurrenten Fidelity und Vanguard. Er trat mit seinem mittlerweile 7 Billionen US-$ schweren Fonds dem 35-Billionen-Netzwerk Climate Action 100+ bei und kündigte eine mittelfristige Umschichtung von Anlagekapital an.
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    Finks Darstellung hat zwar noch weniger mit einer tiefgreifenden Wende als mit dem Versuch von Trendsetting und v.a. Greenwashing zu tun. Denn BlackRock behält nicht nur viele fossile Investments, es investiert sogar weiter neu in neue. 80% der von Finanztests bewerteten ESG-Fonds von BlackRock (also solche mit Nachhaltigkeits-Anspruch) bekamen die schlechteste Note.
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    Wieviel Greenwashing da auch immer betrieben wird, der Trend ist dennoch absehbar. Es ist zu erwarten, dass das "grüne Kapital" wie die Koalition Climate Action 100+ ihren Einfluss wo auch immer nutzen wird, um Fossilinvestitionen früher oder später unrentabel zu machen, denn diese schmälern ja die Profite der alternativen Investments. Ich als Laie kann mir Marktwetten, Lobbyismus für politische Auflagen, Schadenersatz-Klagen vorstellen, aber das ist sicher nur ein Teil der möglichen Druckmittel.
    Im Herbst 2020 kommt der erste Paukenschlag. Larry Fink preist Klimarisiken bei einem neuen ETF-Wertpapier ein, das deutsche Staatsanleihen enthält. Die Entscheidung beruht auf der Einschätzung des FTSE-Index. Wie sehr Investments in Erneuerbare Energien in Deutschland an den Finanzmärkten geschätzt sind, sieht man an den Green-Bonds-Staatsanleihen. Im September wurden 4 Milliarden angeboten, aber 33 geordert. Mehr als 6,5 Milliarden wollte man aber nicht herausgeben. Die Energiewende läuft irgendwo zwischen "im Rückwärtsgang" und "mit angezogener Handbremse".
    [Verknüpfung]
    Die Selbstdarstellung des Vermögensverwalters für Interessenten macht BlackRocks rein wirtschaftliche Interessen für Klimaschutz deutlich und sollte konservative und liberale deutsche Politiker zum Nachdenken anregen.
    [Verknüpfung]
    Und sie sollten bedenken, dass BlackRock nach der letzten Finanzkrise wegen seiner überlegenen Risiko-Bewertung zum sicheren Hafen vieler Investoren wurde.
    [Wikipedia 2020 - Aladdin (BlackRock)]
    Am 21.01. machte Finks Vize Philipp Hildebrandt in den ARD-Tagesthemen deutlich, "...dass Klimarisiken [...] heute Investitionsrisiken sind. Das sind nicht mehr irgendwelche entfernten Risiken, sondern das sind Risiken, die sich direkt in Portfolios reflektieren, die sich auch sehr direkt auf die Bewertung von Firmen auswirken können" (im Video ab 6'25'').
    Die Corona-Krise mit ihren gewaltigen Konjunkturprogrammen sieht Fink entsprechend als einmalige Chance für die richtigen Weichenstellungen.
    Manager-Magazin: [Verknüpfung]


    [Tagesthemen 21.01.2020]

    Kurioserweise ist kurz vorher der Deutschland-Chef von BlackRock in die Politik zurückgekehrt: Friedrich Merz fiel noch im letzten Jahr durch heftige Kritik an Greta Thunberg und den Schülerprotesten auf. Als potentieller CDU-Kanzler-Kandidat dagegen hält er sich damit 2019 auffallend zurück. Als Oppositionsführer 2022 setzt er als Gegenentwurf zur Ampel-Politik auf zusätzliche Dekarbonisierung mit Atomkraft.

    Die Europäische Zentralbank EZB kündigte am 8. Juli 2021 an, in Zukunft bei allen Geldvergabe-Entscheidungen den Klimawandel als entscheidendes Argument zu berücksichtigen, also Offenlegung, Risikobewertung und Entscheidungen über Sicherheiten und den Ankauf von Vermögenswerten des Unternehmenssektors.
    [Verknüpfung]

    Eine Studie beziffert 2021 die Risiken der Stranded Assets für die Finanzwelt und vergleicht sie mit der Subprime-Krise 2008.
    Guardian: [Verknüpfung]
    Studie bei nature: [Verknüpfung]

    Leider hat die Energiepreiskrise im Ukraine-Krieg 2022 fossile Investments wieder lukrativer gemacht. Und auch Protagonisten wie BlackRock wurden schon vorher des Greenwashings bezichtigt.
    Dass die Großfinanz mittel- und langfristig umdenkt, sieht man jedoch vor allem an der Besetzung eines Beraterpostens im Bundesministerium für Wirtschaft und Klima BMWK im November 2022: der Grüne Minister Habeck entscheidet sich auf Anraten des Grünen Neoliberalismus-Kritikers Sven Giegold für Elga Bartsch. Bartsch war im Gespräch als Nachfolgerin des EZB-Chefs Jens Weidmann. Schon 2007 hat sie bei der amerikanischen Großbank Morgan Stanley eine Arbeit über "The Economics of Climate Change" geschrieben und - wie im Jahr zuvor Weltbank-Chefökonom Stern - eine Risikoabwägung des Klimawandels gefordert. Ab 2018 hat sie sich bei BlackRock als Expertin für Risiken des Klimawandels und deren ökonomische Modellierung für Divestment eingesetzt.
    Robert Pausch und Mark Schieritz erklären in der Zeit kurz, aber sehr aufschlussreich die Hintergründe (auch zur fossilen Reaktion, siehe oben); Zitat: "Das Interesse eines Vermögensverwalters besteht darin, auch noch in zwei, drei Jahrzehnten Vermögen verwalten zu können, wozu beispielsweise ein bewohnbarer Planet Voraussetzung ist. Und halbwegs stabile Demokratien. Es ist jedenfalls nicht ganz unplausibel, dass Kohle wahrscheinlich nicht der Energieträger der Zukunft ist und die Aktien von Kohleunternehmen deshalb nicht das allerbeste Investment sind." Larry Fink versteht und erklärt die Ölparty für beendet.


    Wir fokussieren uns nicht auf Nachhaltigkeit, weil wir Ökologen sind. Wir tun es, weil wir Kapitalisten sind.
    Larry Fink
    Zeit: [Pausch 2022]

    Angesichts der zunehmenden Klimaklagen und -Proteste steigt dennoch der gesellschaftliche Druck auf die Vorstandsetagen, die mittlerweile die ersten personellen Konsequenzen nach sich ziehen.
    Bill McKibben von der NGO 350.org, Initiator der Divestment-Kampagne, beschreibt z.B. im April 2020 bereits erbitterten Widerstand aus Wirtschaft und Politik gegen eine erneute Kandidatur eines der einflussreichsten Klimaskeptiker Lee Raymond als Aufsichtsrats-Chef der Großbank JP Morgan Chase, eine der größten Banken der Welt. Die Besetzung des Postens am 19.05. beschreibt er als einen der wichtigsten Stichtage des Jahres.
    [Verknüpfung]
    Zitat McKibben:

    "In recent months, Wall Street seemed to be reaching a tipping point on climate change. One big institution after another began issuing position papers outlining their concern. Laurence Fink, founder and chief executive of BlackRock, the world’s biggest asset manager, wrote in his annual letter to C.E.O.s that „climate change is almost invariably the top issue that clients around the world raise“ with his staff. The company promised to use its outsize shareholder power to vote against management teams not making fast enough progress on climate change. Mr. Raymond would seem to be target No. 1 for that cause."

    Raymond war in den Jahren 1993-2005 Chef von Exxon, der Post-Kyoto-Zeit, als die Ölfirma ihre heftigsten Klimaskeptiker-Kampagnen führte.
    [Verknüpfung]
    Die gute Nachricht von seiner Abwahl kam schon 17 Tage vor dem Termin, und wurde begleitet von deutlichen Worten vom obersten Rechnungsprüfer Stringer: "This move helps ensure improved oversight of the board and the company’s long-term strategy when it comes to transitioning to a low carbon economy. But our work does not stop here. JPMorgan has been the largest global lender and underwriter to the fossil fuel sector, providing $269 billion in financing to fossil fuel expansion from 2016 to 2019. The company needs to move away from financing the dirty fossil fuels of the past and toward the big, strategic clean energy investments of the future. There must be no place for a climate change denier and former Exxon CEO on JPMorgan’s board."
    [Verknüpfung]
    Raymonds Demission waren Proteste von Klimaaktivisten gegen die Bank und die Veröffentlichung einer langfristigen Gewinnwarnung an die Anleger vorausgegangen, für den Fall, dass die Bank nicht aus ihren fossilen Investments aussteige. Die BBC berichtet: "In a hard-hitting report to clients, the economists said that without action being taken there could be „catastrophic outcomes“."
    [Verknüpfung]

    Im Februar 2023 kündigt der Chef der Weltbank David Malpass seinen Rücktritt an. Er wurde eingesetzt von Donald Trump und wurde u.a. von Al Gore kritisiert wegen klimaskeptischer Äußerungen.
    [Verknüpfung]

    Auch Versicherungsgesellschaften, die weiterhin fossile Projekte versichern, stehen entsprechend jetzt unter Druck.
    [Verknüpfung]

    Trotz jahrelanger gutachterlicher Auseinandersetzung zwischen Ökotoxikologie und Autoindustrie wurde jetzt in Großbritannien ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Tod eines Mädchens und der Luftschadstoffen (Stickoxide und Feinstaub-Partikel) richterlich festgestellt.
    [Verknüpfung]

    Während die europäischen Ölaktien monatelang immer weiter absacken, steigen die Erneuerbarer Energien.
    [Verknüpfung]

    Diese Paukenschläge sind bis auf das Parkett der Börsen durchgeschlagen. Man spricht dort 2021 vom Ende der Ölzeit nicht mehr nur hinter vorgehaltener Hand.
    [Verknüpfung]
    In Konsequenz zum Umbau des VW-Konzerns hin zu batterieelektrischen Antrieben, wirbt auch die Volkswagen-Stiftung mit einer geänderten Anlage-Strategie.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Leider beschränkt sich das (manchmal auch nur scheinbar) grüne Engagement der Investoren auf den Energie- und Mobilitätssektor. Die Agrarwende bietet wenig bei den derzeitigen politischen Rahmenbedingungen wenig Aussicht auf Rendite. Deshalb verschärft sich die Situation im Agrarsektor sogar, weil man zusätzlich für Geld, das aus Fossilinvestments abgezogen wird, Anlagemöglichkeiten sucht, und in den soft commodities der Agrarindustrie findet. Viele Investoren und Banken stehen wieder auf der Anklagebank der Klimaschützer, auch BlackRock, Vanguard, JP Morgan, Citigroup und Bank of America. Nicht selten sind diese involviert in der Abholzung von Regenwäldern. Viele sogenannte Nachhaltigkeits-Fonds umfassen Investments in Agrochemie und Saatgut-Monopole.


    [Verknüpfung]

    In der Retrospektive des "Kraftpakets" der Bundesregierung zur Förderung der Wirtschaft in der Corona-Krise hat man sich immerhin gegen eine Verkaufsförderung von Verbrennern ausgesprochen hat. Dabei ist man den Empfehlungen der Wirtschaftsweisen gefolgt.
    [Verknüpfung]
    Der Kompromiss sieht jedoch vor, dass Plugin-Hybride weiter gefördert werden sollen. Wie effektiv die Kontrolle der Nutzung von deren Elektroantrieben ausfällt, bleibt abzuwarten. Das bisherige Steuerprivileg von Plugin-Hybrid-Dienstwagen führte zu massenweise Anschaffung solcher Autos mit Systemleistungen teils weit über 500PS, deren Fahrer stolz ihr originalverpacktes Ladekabel vorzeigen.
    Auch ansonsten sehen Experten im Kraftpaket nur halbherzige Schritte im Klimaschutz.
    [Verknüpfung]

    Mittlerweile wird auch in Politik und Zivilgesellschaft der EU laut über den European Green Deal nachgedacht; die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte bereits bei ihrer Amtseinführung vor der Corona-Krise ein großes Klimaschutz-Konjunkturprogramm angekündigt.
    Möglicherweise hat Larry Fink jetzt den Countdown für das Platzen der Carbon Bubble angezählt - das Wettrennen heraus aus den fossilen Investments.
    [Verknüpfung]
    BlackRock ist ein Meilenstein im Divestment, viele andere, auch sehr große Investoren, ziehen nach.
    [Verknüpfung]
    Auch in Deutschland gab es ein sogenanntes Commitment von Investoren zum Klimaschutz. Die 16 beteiligten Unternehmen verwalten 5,5 Billionen Euro.
    [Finanzsektor 2020]
    Im Mai 2020 hat EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen ihren neuesten bemerkenswerten Beratervertrag abgeschlossen: BlackRock berät die EU in Sachen Nachhaltigkeit.
    [Kern 2020]
    Zusammenhänge mit dem Projekt "The Great Reset" des WEF werden nicht bewusst hervorgehoben. Es verdichten sich jedoch die Anzeichen, dass Big Money sich des Themas Energiewende bemächtigt, also noch bevor Hermann Scheers Bürgerenergiewende abgeschlossen werden konnte. Mit Bürgerenergie hat die Energiewende begonnen, und sie hat - gegen die Widerstände der Fossilökonomisten - den Markt für Erneuerbare geschaffen. Sie hätte den Bürgern auch zur Energiesouveränität verhelfen können - doch jetzt stehen die Chancen dafür wesentlich schlechter.
    Anstatt den Bürgern noch eine Chance zu geben, lässt die GroKo-Regierung bis Juni 2020 den PV-Deckel und die Abstandsregel bestehen und erzählt von der nationalen Nationale Wasserstoffstrategie. Mit ihrem Zentralversorgungs-Ansatz bietet diese großen Investoren eine stabile Rendite und dem Staat stabile Steuereinnahmen - wie bisher beim Ölfluss.
    Das könnte Wasser auf die Mühlen der Rechtspopulisten sein, die eine Verschwörung des Großkapitals gegen Deutschland wittern. Allerdings kann man hoffen, dass die kommenden Energiewende-Projekte, wie auch immer sie gestaltet sind, für hohe Beschäftigung sorgen und die Populisten damit wieder marginalisiert werden.
    Wissenschaftler und Umwelt-NGOs warnen jedoch vor einer undifferenzierten Förderung von "grünem Wachstum". Degrowth ist eines der möglichen Schlüsselkonzepte für die Klimawende.
    [Verknüpfung]

    Die südafrikanische Ökonomin Ann Pettifor vom University College London UCL ist die Vordenkerin des Green New Deal.
    Diesen Begriff prägte sie mit ihrer Denkfabrik New Economics Foundation schon 2008, zwei Jahre nach dem Stern-Report, während der Subprime-Krise, die sie als Chance für den "dringend nötigen" konzertierten Ausstieg des internationalen Kapitals aus fossilen Investments skizzierte ("urgent action needed").
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Im Übrigen hat sie die Subprime-Krise 2006 vorausgesagt und v.a. mit dem System der Geldschöpfung erklärt.
    [Verknüpfung]
    Ökonomische Schlüsselentscheidungen sollten wieder von den Bürgern kontrolliert werden; der Finanzmarkt müsse wieder reguliert und es sollten demokratisch beaufsichtigte Investitionsbanken geschaffen werden.
    [Wikipedia 2020 - Die Produktion des Geldes]
    Die Entkriminalisierung von systematischem Finanzbetrug durch lobbygesteuerte Politiker sei für sie ein Skandal. Sie beruft sich auf John Maynard Keynes, den Vordenker von Roosevelts New Deal: Das internationale Geldsystem sei kein privates, sondern ein öffentliches Gut.
    2019 veröffentlichte sie ihre Ideen erneut in einem Buch mit dem Titel The Case for the Green New Deal.
    Interview im Podcast Tiefenschärfe[Verknüpfung]
    Buchvorstellung bei Hamburger Edition, mit einer Transkription des Interviews: [Verknüpfung]
    Im Interview zu ihrem Buch vergleicht Pettifor die Situation mit der vor Roosevelts New Deal: Präsident Hoover hatte mit seiner Austeritäts-Agenda staatliche Mittel zur Bekämpfung der Dust-Bowl-Katastrophe und der drängenden Wirtschaftskrise zurückgehalten, obwohl die damalige Globalisierung und der Erste Weltkrieg riesige Gewinne in die Kassen der Investoren gespült hatten. Sie hält auch den European Green Deal für zu zaghaft, weil seine Finanzierung von Austeritätspolitikern bestimmt werden.


    Ja, meine Vorschläge sind ehrgeizig – und angesichts der großen Macht der globalen Banken und Silicon-Valley-Milliardäre mögen sie utopisch erscheinen. Das stimmt aber nicht.
    Wirklich utopisch ist die Vorstellung, dass Gesellschaften auf Dauer eine sich auf die »unsichtbare Hand« der globalen Märkte stützende Regierung tolerieren werden – unsichtbare und nicht rechenschaftspflichtige Marktakteure, die Austerität, soziale Unsicherheit, Arbeitslosigkeit und die Zerschlagung der öffentlichen Daseinsfürsorge für viele Menschen rechtfertigen und gleichzeitig Steueroasen, Kapitalmobilität und Kapitalgewinne für die Reichsten der Reichen verfechten. Wir wissen aus der europäischen Geschichte, dass diese Form von utopischer Theorie und Politik von der Bevölkerung auf längere Sicht nicht akzeptiert wird. Die aktuelle Wirtschaftspolitik wird den Ruf nach »starken Männern« (und Frauen) verstärken, die mit dem Versprechen antreten, sie vor solchen ungehemmten Marktkräften zu schützen. Ein solcher »Schutz« durch die extreme Rechte wird die Dinge nur noch schlimmer machen.
    Deshalb müssen die fortschrittlichen Kräfte in ganz Europa den Menschen in Europa ein alternatives Wirtschaftsparadigma anbieten – eines, das sich in einem soliden und demokratischen makroökonomischen Rahmen bewegt. Der Green New Deal ist ein solcher Plan. Und wir wissen, dass er funktioniert, weil er schon einmal funktioniert hat – unter dem populärsten US-Präsidenten aller Zeiten, Franklin D. Roosevelt. Als zu Beginn der 1930er Jahre Teile Europas die Demokratie abschafften und sich Deflationspolitik, Sparmaßnahmen und dem Faschismus zuwandten, verteidigten die Vereinigten Staaten die Demokratie und verfolgten eine Wirtschafts- und Währungspolitik, die die Austeritätspolitik beendete, Arbeitslosigkeit wirkungsvoll bekämpfte und die notwendigen Finanzmittel zur Bewältigung der schwersten Umweltkrise jener Zeit aufbrachte: dem Dust Bowl.
    Ann Pettifor

    2018 erhält Pettifor den Hannah-Arendt-Preis, der von der Stadt Bremen und der Heinrich-Böll-Stiftung vergeben wird.
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    Pettifors Idee vom Green New Deal wird in den USA nur von Politiker:innen der Demokratischen Partei diskutiert und beworben; zuerst von Präsident Barack Obama, später von linken Demokrat:innen wie Alexandria Ocasio-Cortez, die vor allem auch die Chancen für soziale Transformation nutzen will. In der Europa-Politik findet der Begriff seit den Parlaments-Wahlen zu Zeiten von Fridays for Future große Resonanz selbst bei Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von der CDU, die Mutter von sieben Kindern ist. Allerdings, wie Pettifor im Interview kritisiert, ist ihr European Green Deal wieder von Austeritätpolitikern gemacht. Angela Merkel zeigte keine nationalen Ambitionen, unterstützte jedoch zumindest offiziell die EU-Politik. Im EU-Parlament 2020 enthielten sich die meisten CDU-Abgeordneten.
    Drei Jahre später zeigt sich, dass auch der FDP-Finanzminister Christian Lindner wie seine Vorgänger (zuletzt Olaf Scholz, SPD) die Gelder für Klimaschutz und Umverteilung weiter zurückhält. Er tut das selbst in der kombinierten Krise von Corona und Russlands Aggressionskrieg - den Pettifor im Übrigen in dem Interview ebenfalls voraussagt. Hier könnte die Energie- und Agrarwende neben den Klimaschäden auch die Energieabhängigkeit adressieren - doch Lindner entscheidet, dass für das 9-Euro-Ticket kein Geld da ist. Stattdessen werden 200 Milliarden Euro nur für die Subvention privaten fossilen Konsums sprichwörtlich verbrannt.
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    Bidens minimalistische US-Version des Green New Deal, der Inflation Reduction Act, löst in Deutschland wegen seiner protektionistischen Ausgestaltung heftige Gegenwehr aus.


    Wenn wir den Green New Deal umsetzen wollen, werden wir das globalisierte Finanzsystem mitsamt seiner Ideologie beseitigen müssen.
    Ann Pettifor
    Zeit: [Verknüpfung]

    Pettifor durfte die Neuauflage ihres Programms am Grantham Institute (Vorsitzender Sir Nicholas Stern) der renommierten London School of Economics vorstellen.
    Sie erklärt in diesem Vortrag die Zusammenhänge zwischen der Klimakrise und dem dysfunktionalen Geldschöpfungssystem, das eine unregulierte Geldschöpfung und -Konzentration auslöste. Entsprechend sagt sie eine baldige Neuordnung des Geldsystems und einen Ausstieg aus fossilen Investments voraus, ausgelöst z.B. durch eine massive Versorgungskrise in einer Weltstadt wie Wassermangel (Kapstadt) oder Feuer (Los Angeles). Diese Vorhersage könnte mit dem geplanten Great Reset des WEF als Reaktion auf die Corona-Krise bereits 2021 eintreffen.


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    Pettifors Plan des Green New Deal wurde im US-Wahlkampf 2020 von linken US-Demokraten aufgegriffen. Der gewählte US-Präsident Biden hat diese Bewegung allerdings gleich nach der Wahl innerhalb seiner Partei marginalisiert und seine eigenen Leute auf das Thema angesetzt. Biden beruft sich in seinem Investitionsprogramm 2021 build back better auf Erfahrungen seiner Vorgänger Roosevelt und Johnson.
    Ex-Außenminister John Kerry ist der Klima-Beauftragte der Biden-Regierung. Sein Programm nennt sich "World War Zero", angelehnt an die WWIII-Rhetorik von Joseph Stiglitz. Im April beschließt er mit seinem chinesischen Kollegen die Zusammenarbeit im Klimaschutz.
    Zeit: [Verknüpfung]
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    Ganz im Sinne von Roosevelt und Johnson hat Biden nicht nur Investitions-Ausgaben, sondern auch mehr Steuergerechtigkeit im Blick. Will man die Ausbeutung der Natur unterbinden, kann es nicht bei den unmoralischen Renditen des Neoliberalismus bleiben. Sie waren möglich durch einen globalen Einfluss der neoliberalen Finanzindustrie, die zum einen eine schuldenfinanzierte Geldflut auslöste, andererseits einen Steuer-Unterbietungswettbewerb, mit dem internationale Konzerne Staaten gegeneinander ausspielen konnten.
    Veränderungen sind unmöglich ohne globale Absprachen der Solidarität, wie der Vorstoß der Finanzminister Janet Jellen (USA) und Olaf Scholz (D) für eine harmonisierte Unternehmenssteuer.
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    Die schwedische Wirtschafts-Denkfabrik des Klimaschutzes wedonthavetime (die leider auch die frühe Greta Thunberg kurzzeitig unterstützte, wovon diese sich aber dann schnell distanzierte) konnte multinationale Konzerne gewinnen, die sich vor dem Platzen der Carbon Bubble auf der richtigen Seite positionieren wollen. Hier z.B. eine Petitionsliste von Unternehmen für ein ambitionierteres CO2-Reduktionsziel der EU für 2030:
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    Die Liste der Unterzeichner liest sich über weite Strecken wie das Horrorkabinett der Klimaschützer.
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    Im September 2020 startete wedonthavetime die große PR-Kampagne exponential climate action summit.
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    Diesen Aktivitäten vorausgegangen war 2019 eine Moral-Offensive des Business Roundtable der US-Wirtschaft.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Es kam letztlich, wie sich seit dem Divestment des Rockefeller Family Fund 2016 immer stärker andeutet: Big Money nimmt sich des Themas Klimaschutz an. Die epochale Corona-Krise wird jetzt auch vom WEF - wo sich seit 50 Jahren die ökonomischen Weichensteller jährlich zum Update treffen - als einmalige und letzte Chance für den überlebensnotwendigen "Great Reset" angesehen.
    Schon vor der Corona-Krise war klar, dass ein unkontrolliertes Platzen der Carbon Bubble zu einem Zusammenbruch des kapitalistischen Systems führen würde, der - wenn überhaupt - dann nur durch eine rechtzeitige, planvolle Umschichtung von Kapital gerade so verhindert werden könnte. Der Zusammenbruch kommt coronabedingt jetzt schon vorher, und ein fossiler Wiederaufbau erscheint angesichts der Risiken geradezu widersinnig. Sehr wahrscheinlich steckt vor allem diese Erkenntnis hinter diesem Projekt.
    WEF-Gründer Klaus Schwab (82) selbst brachte mit Thierry Malleret ein Buch mit den Vorschlägen des WEF zum Thema heraus. Die Buchvorstellung im August 2020 war für einen naiven Laien wie mich zunächst eine veritable Sensation.
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    Das Wirtschafts-Mastermind Schwab spart nämlich nicht mit linken Narrativen. Er spricht von einem "Wendepunkt der Menschheit" nach einer "mindestens 20-jährigen Dominanz der Wirtschaft über die Politik", und will die "Rückkehr der Regierungen". Coautor Malleret drückt aus, was unter den schmerzlichen Opfern der Corona-Krise erreicht wurde: "Expertise is back."
    "Egoismus" im internationalen bis zum persönlichen Bereich habe sich "verstärkt". Man müsse wieder aus dem kurzfristigen Profitdenken des Shareholder-Kapitalismus zurückkommen zu einem langfristigen Engagement von Stakeholdern.

    Die Architekten des Great Reset bauen dabei auch auf die Konzepte der Vierten Industriellen Revolution durch Künstliche Intelligenz, die das WEF schon 2016 ausgerufen hat. Mit Tausenden junger Leute aus 400 Städten ("global shapers") soll die kommende Generation an der zivilgesellschaftlichen Verbreitung und Umsetzung des Plans maßgeblich beteiligt werden.
    Die führenden Finanz- und Wirtschafts-Einrichtungen der Welt haben zu diesem Entwurf beigetragen. Das macht deutlich: bei diesem Projekt geht es um nichts weiter als eine neue postfossile Weltwirtschaftsordnung. Ein kurzer Film erklärt: "why we need to rethink capitalism after the Coronavirus pandemics".


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    Er gehört zu einer ganzen Reihe von Filmen des WEF.
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    Der Neoliberalismus hat ausgedient.
    Klaus Schwab
    Interview in Zeit: [Verknüpfung]

    Natürlich meldet sich die neolibertäre Gegenwehr - es geht um die Erhaltung lukrativer fossiler Geschäftsmodelle. Auch wenn die Musik der Ölparty abgestellt wurde, gröhlen einige die Lieder immer noch weiter: sie haben den Schuss gehört, aber rüsten zum Gegenschlag, oder sie spekulieren auf schnelle Profite in einer volatilen Geschäftswelt.
    Karl-Heinz Paqué von der FDP-Denkfabrik Friedrich-Naumann-Stiftung redet die Bedeutung des WEF klein. Klingt für mich wie das Pfeifen im Walde.
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    Andere gehen zum Propaganda-Frontalangriff über. So meldet sich der berühmt-berüchtigte Ex-Dollarmilliardär und in Deutschland vielbeachtete Börsen-Guru Florian Homm zu Wort. Er ist wegen illegaler Finanzpraktiken vorbestraft und arbeitet auch für den populistischen russischen Medienkanal Russia Today.
    Im Video versucht er die Industrie-Arbeitnehmerschaft gegen das Programm einzunehmen: viele würden für die neuen Arbeitsplätze umlernen und Lohnminderungen hinnehmen müssen (was für die privilegierten Festangestellten in der Zwei-Klassen-Industriebelegschaft durchaus zutreffen könnte), unterstützt von einem staatlichen Grundeinkommen (was ihm eine Horrorvorstellung zu sein scheint). Homm zeichnet eine Welt voller Beschränkungen der Freiheit, industriellem Niedergang und Massenarbeitslosigkeit. Von neuen, qualifizierten Arbeitsplätzen in Energie- Kreislauf- und Agrarwirtschaft ist genausowenig die Rede, wie von der Menschheits-Aufgabe, ihr eigenes Ende abzuwenden. Dafür ist er umso stärker an seinem Leben nach dem Tod interessiert.
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    Eindeutiger politisch zu verorten sind die rechtskonservativen Stimmen wie des AfD-nahen Vorsitzenden der Werte-Union und Wirtschafts-Experte Max Otte, der ebenfalls die Besitzstände der Fossilinvestoren gefährdet sieht, und erfolgreich v.a. bei Geringverdienern die Angst vor dem Wirtschaftskollaps schürt, wie die Klickzahlen seiner youtube-Videos zeigen.
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    Zu den Great-Reset-Verschwörungstheoretikern zählt auch der Nuntius des Papstes in den USA, der emeritierte Bischof Viganò.
    Doch auch von links kommt scharfe Kritik. Der preisgekrönte linke Wirtschafts-Journalist Norbert Häring dagegen zeichnet ein sehr pessimistisches Bild des Great Reset:
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    Im Podcast mehrwutstropfen der neulandrebellen begibt er sich in den Dunstkreis linker Verschwörungstheoretiker.
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    Häring setzt dort das Projekt in einen Zusammenhang mit der Abschaffung von Privat-Eigentum der Bürger und dem drohenden Überwachungsstaat per KI, Digitalgeld und Sharing Economy.
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    Die Vorgeschichte der WEF-Agenten und die Verknüpfung der WEF-Pläne mit der vierten industriellen Revolution durch KI liefert tatsächlich auch Anlass für ernste Bedenken, sollte die gemeinwohlorientierte Transformation nicht gelingen. Manche davon gleiten nahtlos in Verschwörungstheorien - von rechts wie von links - ab, an deren Entstehung die Protagonisten mit ihrer intransparenten Politik der Umverteilung von unten nach oben nicht unschuldig sind.
    Übersichten über die Verschwörungstheorien bieten die Frankfurter Rundschau, die Schweizer Handelszeitung und Belltower News.
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    Irritierend: in den Mainstream-Medien oder bei den Politikern gab es nur ein schwaches Echo. Das machte es noch schwerer, zwischen den Meinungen der Protagonisten und Gegnern zu einer Bewertung zu kommen.
    Die weniger bekannte Deutsche Wirtschafts-Nachrichten gehört zur Bonnier-Gruppe (Dagen's Nyheter) und hat m.E. eine sehens- und lesenswerte Übersicht veröffentlicht:
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    Möglicherweise gibt es tatsächlich einzelne Geldgeber, die den Reset aus reiner Liebe zu unserem Planeten anstreben. Sehr wahrscheinlich jedoch werden die meisten, die ihr Kapital in der fossilen Ökonomie aufgebaut haben, das nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit tun, sondern weil sie wissen, dass die Ölparty vorbei ist.
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    Die Umwelt- und Menschenrechts-Journalistin Naomi Klein beobachtet die Ankündigungen des WEF allerdings schon einige Jahrzehnte skeptisch und findet am Great Reset nicht viel Neues. Von den guten Ankündigungen wurde schon früher i.d.R. weniger umgesetzt als von den schlechten. Die Orientierungslosigkeit in den Informations-Blasen der Extremen, die sich in Verschwörungstheorien ausdrückt, findet sie allerdings besorgniserregend kontraproduktiv für die nötige Konsensfindung der globalen Gemeinschaft.
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    Der investigative Youtube-Videoblogger Alexander Prinz alias "der dunkle Parabelritter" schätzt die Agenda des WEF zwei Jahre nach deren Veröffentlichung ebenfalls als eine Sammlung frommer Wünsche ein, und sieht die Bedeutung des WEF als Globalisierungs-Denkfabrik zudem schwinden: die Welt zeigt mittlerweile massive Tendenzen zur Deglobalisierung und Protektionismus, was diesem Projekt entgegensteht.
    Youtube: [Verknüpfung]

    Man könnte resigniert resümieren: das Projekt der Globalisierung (wie das der europäischen Einigung im Kleinen) hätte ein Erfolg werden können, wäre es nicht von finanziellen Interessen vereinahmt worden. Aber auch hier sollte man die Hoffnung nicht aufgeben, dass vernünftige Menschen noch Gestaltungsspielräume nutzen, so wie es die linksgrüne Mehrheit im EU-Parlament seit 2019 tut.

    Als Bürger erwartete ich, dass man einen zivilgesellschaftlichen Diskurs zu derart wichtigen Themen einleitet, wie die verschiedenen sehr erfolgreichen Klima-Bürgerräte, und v.a. auch Umweltverbände am Entscheidungsprozess beteiligt. Vor allem wenn dieser Diskurs in Davos geführt wird. Doch weit gefehlt. Wir Bürger:innen bleiben weitestgehend ausgeschlossen, das Meiste liegt weiter im Dunkeln.
    Es stellte sich heraus, dass die wohlgemeinten Appelle aus Davos mehr oder weniger verhallten. Weder Merkel noch Scholz griffen das Thema auf, sondern wurschtelten weiter, als sei nichts gewesen. Eine wahrscheinliche Erklärung: der Great Reset scheiterte durch Gegenwehr der Fossilökonomisten, Klimabremser und fossiler Patriarchen in Berliner Hinterzimmern, und die eine oder andere der schwelenden Krisen wird die kommenden Katastrophen weiter verschlimmern, so wie es gerade der Ukraine-Krieg tut.
    Der Green New Deal in den USA hätte ein Aufschlag werden können - eine deutsche Reaktion gab es nicht oder sie war nicht hilfreich, und so verkam er zu einem protektionistischen US-Projekt, dem inflation reduction act. Selbst unter Beteiligung der Grünen überlässt man es der EU, etwas Konstruktives zu antworten. Nach Energiekehrtwende, Dieselskandal und verspätetem Kohleausstieg ist das kein Wunder, aber dennoch eine Ernüchterung für Umweltaktivist:innen.

    Ob nun Greenwashing oder Ernsthaftigkeit, gute Absicht oder Perfidie - was auch immer hinter dem WEF-Projekt steckte: es führte dazu, dass einige Menschen aufhörten, vor der Krise die Augen zu verschließen, und dass sie sich auf Veränderungen einstellten. Was bis heute nachhallt, sind die Verschwörungstheorien.







    Philosoph:innen - egal ob mit oder ohne theologischen Hintergrund - haben sich schon immer Gedanken um existentielle (Zukunfts-) Fragen gemacht, selbst darüber, welchen Sinn solche Fragen haben. Psycholog:innen helfen uns, diese Fragen und Antworten darauf produktiv zu reflektieren, und Probleme unserer biologischen Natur zu verstehen und am besten auch noch zu bewältigen.

    Die ältesten Sinnfragen werden mit Geschichten beantwortet, im religiösen Kontext sind das oft Wundergeschichten. Die bevorstehenden Veränderungen zur Abwendung der ökologischen Katastrophe sind so gravierend, dass den meisten die Phantasie dazu fehlt. In einem vermeintlichen "Realitätssinn" verleugnen sie den Glauben an "Wunder". Johanna Haberer und Sabine Rückert erklären wunderbar im Zeit Magazin, wie inspirierend neue Erzählungen für die Menschheit schon immer gewesen sind.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Angesichts des in der Krise aufkommenden Autoritarismus - der auch von religiösen Fundamentalisten befeuert wird - sieht Thomas Assheuer in der Zeit dennoch sehr wohl eine Existenzberechtigung der Kirchen, die noch eine wichtige Rolle in der Völkerverständigung spielen könnten. Es kommt natürlich darauf an, dass sie sich - wie immer wieder geschehen - nicht wieder von den Mächtigen instrumentalisieren lassen.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Assheuer bezweifelt, dass sich eine rein technokratische Lösung ergibt, und begründet seine Hoffnung religiös.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die Indigene Potowatomi und Biologie-Professorin Robin Wall Kimmerer erklärt im Zeit-Interview, wie die indigene Kultur in der Transformation helfen kann.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Das International Institute for Sustainable Development fordert und koordiniert seit Jahrzehnten die Unterstützung indigener Gemeinschaften, um Nachhaltigkeit weltweit zu fördern.
    [Verknüpfung]

    Der Kognitionspsychologe der Hochschule für Angewandte Wissenschaften HAW Hamburg Christian Stöcker schreibt in einem Beitrag seiner Kolumne über die psychologische Distanz, die mit der Realisierung der Katastrophe immer schneller schwindet, und unser problematisches Risikoverhalten. Er ruft zur Gegenwehr gegen die ökoziden Kräfte auf und erklärt deutlich die Bedrohungslage.
    [Stöcker 2022-1]

    Empathie muss gelernt werden.
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    In Krisenzeiten lernt man sie schnell, denn die Chancen auf Wohlstand und z.T. sogar Überleben sinken, wenn andere sehen, dass man sich egoistisch verhält. Mit dem Zweiten Weltkrieg und der Nachkriegsphase ist die letzte große Krise so lange her, dass der gesellschaftliche Druck zum Empathie-Lernen kaum noch zu spüren ist; manche Eltern bauen ihre Kinder sogar regelrecht zu narzisstischen Egomanen auf. Alarmzeichen dieser fatalen Entwicklung ist der grassierende Hass gegen Minderheiten und Andersdenkende.
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    Wo es der gesellschaftlichen Anerkennung dient, wird Empathie mitunter zur Selbstdarstellung instrumentalisiert und sogar zur Legitimation missbraucht.
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    Augenzeugen der letzten Krise gibt es nur noch wenige - sie stehen den Auswüchsen dieser soziokulturellen Entwicklung oft sehr kritisch gegenüber.
    Für diesen kritischen Blick auf die Gesellschaft von außen haben wir heute Politikpsychologen wie Prof. Thomas Kliche:
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    Wir verfressen die Zukunft unserer Kinder und Enkel. Und das bedeutet, wenn wir die Konflikte nicht heute austragen, dann werden sie in sehr viel schärferer Form in 10-20 Jahren kommen. Dann fliegt uns nämlich unsere Zivilisation um die Ohren.
    Thomas Kliche

    Verzicht wird wiederentdeckt; nicht als bindende moralische Verpflichtung, sondern als identitätsstiftende, gewinnbringende Option.
    [Verknüpfung]
    Immer mehr Konsumenten entdecken einen neuen Aspekt von Lebensqualität: sie empfinden es als Angriff auf ihre Würde, auf Produkte angewiesen zu sein, die unter Ausbeutung von Natur und Mensch entstanden sind.







    Jimmy Carters Förderprogramm für Erneuerbare Energien 1976 und das Rot-Grüne EEG 2000 haben eine globale Energiewende ausgelöst, die 2020 die erneuerbaren Energien zur günstigsten Energiequelle gemacht hat.

    Im Sommer 2023 wird das Solarpaket 1 beschlossen, das 50 Hürden für Bürgerenergie-PV entfernt. Dem Beschluss ging u.a. eine sehr erfolgreiche Bundestags-Petition des Aufklärungs-Videobloggers Akkudoktor alias Andreas Schmitz voraus, die eine Liberalisiserung bei Balkonkraftwerken forderte. Selbst die Union und die AfD konnten sich dem Thema nicht verschließen, weil vielen Bürger:innen instinktiv klar wurde, dass es um ihre Freiheit geht. Ein beteiligter AfD-Abgeordneter betreibt selbst eine Balkon-PV.
    13 Jahre nach dem Tod Hermann Scheers spricht sich endlich herum, dass Energiesouveränität ein hohes Gut ist.
    Der Energiewende-Blogger Klaus Müller spricht von Energiebesitz.
    energiewende rocken: [Verknüpfung]

    Eine CO2-Steuer ist bereits an vielen Orten eingeführt, zuerst 1991 in Schweden.
    [Verknüpfung]
    Besonders nachhaltig ist die Steuer dort, wo Überschüsse als Klimageld zur Umverteilung genutzt werden, z.B. in Österreich oder Kanada.
    Standard: [Verknüpfung]
    globalnews: [Verknüpfung]

    Die Proteste der Jugendbewegung Fridays for Future hat weltweit Debatten ausgelöst, vergleichbar mit dem ersten Earth Day 1970. Nur ist die heute notwendige Geschwindigkeit der Veränderung um Größenordnungen größer als damals.

    Juristische Forderungen und Erfolge der jüngsten Zeit

    Während die Prognosen über Opfer an Menschenleben bei den Entscheidern bisher wenig Eindruck machten, verursachen die Prognosen über die Kosten der Klimakrise immer mehr Resonanz. Die Summen werden freilich immer höher, und ihre Fälligkeit liegt nicht mehr allein in der Zukunft. Immer mehr Vorkehrungen werden getroffen, allen voran bei den Investoren, dass diese Kosten immer weiter minimiert werden. Sie wirken auf die Regierungen ein, dass sie die Rahmenbedingungen entsprechend für die Klimawende und gegen die fossilen Profite gestalten.
    Zunächst drohen Strafzahlungen, z.B. jetzt schon wegen Nichteinhaltung von EU-Vorgaben. Allein für Deutschland rechnet Ottmar Edenhofer vom Mercator Institut MCC in den nächsten Jahren mit 3-6 Milliarden Euro.
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    Doch das sollen nur kleine Anreize der EU sein, die Politik zu ändern. Bei Weitem höher liegen die Kosten für Klimaschäden, die nach dem Verursacherprinzip ersetzt werden müssen.
    Rückversicherer wie die 140 Jahre alte Munich Re (vormals Münchener Rück) denken besonders langfristig und haben die Klimaschäden konsequent seit 1973 im Blick.
    [Verknüpfung]
    Für das erste Halbjahr 2020 beziffern sie die Sach-Schäden auf 68 Milliarden $, Tendenz: kontinuierlich steigend.

    Ihre öffentlich zugängliche Datenbank NatCatService arbeitet die Zahlen professionell auf, ist aber mittlerweile nicht mehr frei zugänglich - ich wüsste gerne, warum.
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    Die Gesellschaft für Wirtschaftliche Strukturforschung GWS in Osnabrück rechnet zusammen mit prognos und dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung iöw für das Wirtschaftsministerium allein die bezifferbaren Schadwirkungen auf das deutsche Bruttoinlandsprodukt bis 2050 auf 280-900 Milliarden Euro; nicht mit eingerechnet die "immateriellen" Kosten wie die für Ökosystemschäden, vorzeitige Todesfälle und andere sozioökonomische Folgen.
    SWR: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]
    Der Geschäftsführer der GWS Dr. Christian Lutz erklärte das Problem am 25.10.2023 in einem Vortrag im Rahmen der Vorlesungsreihe "Klimawandel und Frieden" an der Universität Münster, mitveranstaltet vom Bündnis Together for Future Münster, auch anlässlich der Feierlichkeiten "375 Jahre Westfälischer Frieden".


    Youtube: [Verknüpfung]

    Die gesundheitlichen Folgen wurden in derselben Reihe am 07.10.2023 von Prof. Dr. Susanne Koch erklärt, Wissenschaftlerin an der Charité in Berlin und Professorin an der Southern University Denmark in Odense.


    Youtube: [Verknüpfung]

    Schon 2017 hatte Dr. Samuel Myers in der wichtigsten medizinischen Fachzeitschrift Lancet einen Artikel veröffentlicht, und danach einen Vortrag bei der Academy of Medical Sciences & The Lancet International Health Lecture 2017 gehalten.
    Lancet-Studie: [Verknüpfung]


    Youtube: [Verknüpfung]

    Eine Studie des MCC für die Bundesregierung schätzte 2021 die externen Kosten der ökologischen Krisentreiber, die wir bereits heute verursachen. Und hier kommt man auf weit höhere Zahlen. etwa eine halbe Billion Euro, aber nicht für den Zeitraum bis 2050, sondern pro Jahr.

    Das globale BIP sinke in diesem Jahrhundert um durchschnittlich 37%, so schätzt 2021 eine internationale Studie der ETH Zürich, dem Imperial College London, der Universität Cambridge und weiteren renommierten Einrichtungen. Das ist doppelt so viel wie zur Weltwirtschaftskrise 1929. Schon die kurzfristigen Schadwirkungen auf das globale BIP stiegen seit den 70er-Jahren von 175 Milliarden Dollar pro Jahrzehnt auf 1,38 Billionen. Die langfristigen Schäden pro Tonne CO2 beziffert die Studie auf 2500€.
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    Studie als OpenAccess: [Kikstra 2021]

    Eine Studie beziffert die aktuellen internationalen Reparationsansprüche der am härtesten betroffenen Gemeinschaften allein gegenüber den großen Ölfirmen auf 207 Milliarden US-$ pro Jahr bis 2050, also etwa 5 Billionen. Coautor Richard Heede, Mitgründer and Direktor des Climate Accountability Institute, spricht von einer Spitze des Eisbergs. Insgesamt beziffert die Studie die Schäden für diesen Zeitraum auf knapp 100 Billionen, also 4 pro Jahr.
    Studie als Open Access: [Grasso 2023]
    Guardian: [Verknüpfung]
    Solche Berechnungen geben potentiellen Anlegern Orientierung über die Risiken von Investments. In Neuseeland müssen Finanzunternehmen ihre Kunden seit 2021 per Gesetz darüber aufklären.
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    Das Projekt Private Equity Climate Risk PECR ist eine Initiative der NGO Carbon Tracker, unterstützt vom Private Equity Stakeholder Project und Global Energy Monitor. Es analysiert die Anlagestrategien großer Private Equity Fonds und fordert ebenfalls, fossile Profiteure zur Rechenschaft zu ziehen.
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    Der Direktor der Bank of England, Mark Carney, warnt die Fossilindustrie explizit vor Schadenersatzforderungen von Klimageschädigten. Eine kritische Steigerung der Risikobewertung fossiler Investments ist nur eine Frage der Zeit.
    Rolf Muntwyler fasst den Stand der Klagewelle in den USA 2021 zusammen.
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    Unternehmen, die die Klimakrise ignorieren, werden bankrott gehen. Dabei ist auch die Finanzwirtschaft bedroht. Für Unternehmen aber, die sich als Teil der Lösung verstehen, können aus der Transformation große Chancen entstehen.
    Mark Carney (Juli 2019)
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    Die schweizer Germanistin und Theologin Sieglinde Geisel ist irritiert vom gesellschaftlichen Umgang mit der Aufdeckung der Desinformationskampagnen der Ölindustrie im Jahr 2023. Sie spricht in Deutschlandfunk Kultur von einem Verbrechen gegen die Menschheit.


    Im Januar wurde eine Studie der Harvard University veröffentlicht, die hieb- und stichfeste Beweise für etwas vorlegte, was seit 2015 vermutet wurde. Der Ölkonzern Exxon Mobil wusste intern bereits seit den 1970er-Jahren, dass fossile Brennstoffe das Klima aufheizen. Nach außen jedoch tat der Konzern alles, um Zweifel an der Erderwärmung zu säen.
    Die Erdölfirmen folgten damit dem Modell der Tabakindustrie, die jahrzehntelang behauptete, Rauchen verursache keinen Lungenkrebs. Diese „merchants of doubt“ – Händler des Zweifels, wie es in einem Buchtitel heißt –, setzten alles daran, die Wissenschaft zu diskreditieren, in der Medizin genauso wie später in der Klimaphysik.
    Sie behaupteten, die Berechnungen der Physiker seien unsicher, sie redeten Klimamodelle schlecht, verbreiteten gar Mythen über eine drohende Eiszeit. Die organisierten Klimaleugner waren mit dieser Strategie überaus erfolgreich. Ihre Kampagnen führten dazu, dass die Klimaziele in den letzten 30 Jahren nicht ernsthaft verfolgt wurden: Wenn die globale Erwärmung angeblich so unsicher ist, gibt es auch keinen dringenden Handlungsbedarf. Damit retteten die Erdölfirmen ihr Geschäftsmodell: An der Durchsetzung von Umweltnormen verdient niemand, an ihrer Verschleppung jedoch sehr wohl.
    Die Erdölindustrie nahm die globale Katastrophe bewusst in Kauf, um ihre exorbitanten Profite nicht zu gefährden – wenn es je ein crime against humanity gab, ein Verbrechen gegen die gesamte Menschheit, dann dieses.
    Sieglinde Geisel
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    Der UNO-Generalsekretär Antonio Guterres bezieht sich in seiner Ansprache zum WEF 2023 auf die gleiche Studie, als er Strafen für die Ölindustrie fordert.


    We learned last week that certain fossil fuel producers were fully aware in the 1970s that their core product was baking our planet. Just like the tobacco industry, they rode rough-shod over their own science. Big Oil peddled the big lie. And like the tobacco industry, those responsible must be held to account.
    Antonio Guterres
    Guardian: [Verknüpfung]
    euronews: [Verknüpfung]

    Die riesigen Milliardensummen Stern-Report befeuerten die Klimadebatte 2006, wurde jedoch von der Finanzkrise 2008 übertönt. Seitdem wurden immer mehr Berechnungen angestellt, die den Anlegern immer mehr Angst vor einem Totalausfall ihrer fossilen Investments als "Stranded Assets" macht.
    Um den Schutz von Naturkapital zu begründen, wird zunehmend versucht, seinen Geldwert zu bestimmen. Auch das hilft, Schäden zu beziffern. Hier zwei Beispiele von Top-Adressen: Cambridge (Dasgupta Review 2021 im Auftrag des britischen Finanzministeriums) und Stanford.
    Ökonomen des University College London UCL, das zu den 5 höchstbewerteten Universitäten des Landes zählt, schätzen jetzt die klimabedingten jährlichen wirtschaftlichen Schäden des Jahres 2070 bei Verzicht auf Klimaschutz auf 5,4 Billionen US-$ - ein Wert, der sich ab dann laut Schätzung noch in die zig Billionen steigern kann.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Originalstudie: [Verknüpfung]
    Diese Warnungen sollten auch von den Regierungen gehört werden, die in Ignoranz der lauten Warnungen aus Wissenschaft vor unzähligen Opfern weiter die Marktregeln zu Gunsten der Fossilwirtschaft fortschreiben.

    Dass sich in der notwendigen Umschichtung von Kapital (aus der Carbon Bubble in alternative Investments) auch wieder Möglichkeiten der Wissens-Verwertung ergeben, ist selbstverständlich. Fossilökonomisten versuchen selbst aus diesem Umstand ein Gegenargument zu machen. Im Gegenteil sollten die Volkswirtschaften die Transformation nicht allein der Finanzwelt überlassen, denn diese wird sie nach ihren Interessen gestalten. Umso ernster sollte man deshalb nicht nur die ökologischen, sondern auch die ökonomischen Warnungen von Gaya Herrington nehmen. Sie ist Direktorin des Nachhaltigkeits-Beirats bei der einflussreichen Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft KPMG in New York und schrieb 2021 ein Update zu Limits to Growth.


    This suggests that it’s almost, but not yet, too late for society to change course.
    Gaya Herrington
    [Herrington 2021]

    Auch deutsche erzkonservative Denkfabriken ändern ihren Kurs. 2024 bezeichnete Mathias Mier vom Münchener ifo-Institut zuerst die Atompolitik der CDU als "populistischen Unfug". Wenige Wochen später brachte das Institut eine Studie, die die Kostenersparnis von europäischem Klimaschutz bezifferte.

    2019 wurde die Geheimhaltung bei der Zulassung von Chemikalien in der EU für unzulässig erklärt.
    Das ECT-Abkommen wird im gleichen Jahr vom EuGH auf europäischer Ebene für unwirksam erklärt. In der Folge treten 2022 mehrere EU-Staaten aus - in Deutschland gibt es bisher nur eine Absichtserklärung (Stand Oktober 2023).

    Der Bau der der Dakota Access Pipeline wurde von heftigen Protesten, vor Ort v.a. durch betroffene Indigene, begleitet. Ihr Betrieb wurde zweifach gerichtlich untersagt, allerdings immer noch ohne Konsequenzen (Stand August 2023).
    Themenseite bei the guardian: [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2023 - Dakota Access Pipeline]

    Die weitere Erschließung des Bloque 43 im riesigen Urwald-Nationalpark Yasuní, einem UNESCO-Biosphärenreservat in Ecuador, wurde im August 2023 per Referendum abgelehnt, obwohl das Land wirtschaftlich vom Ölexport abhängt. Das Referendum umfasst weiterhin ein Verbot der Förderung von Erzen im UNESCO-Biosphärenreservat Chocó Andino. Ein entsprechendes Gesetz steht allerdings noch aus und hängt vom Ergebnis der Stichwahl im Oktober ab.
    taz: [Verknüpfung]
    taz: [Verknüpfung]

    Endlich werden in der Konsequenz immer mehr Klagen gegen CO2-Emittenten und Staaten, deren Gesetze ihre Geschäftsmodelle unterstützen, anhängig. Sie werden betrieben von Institutionen, die Verluste durch Klimafolgen zu verzeichnen haben. Deshalb ist irgendwann mit einer merklich ansteigenden Flut von Klagen und v.a. drastischer Verschärfung von Gesetzen gegen Emissionen zu rechnen.
    Im September 2019 hat der UN-Menschenrechtsausschuss Klimaschutz in der UN-Menschenrechtskonvention verankert.
    Besonders öffentlichkeitswirksam sind - wie auch ihre Proteste - die Klagen von Kindern.
    Zum Beispiel im September 2020 vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte EGMR.
    [Verknüpfung]
    Oder die Klage Juliana vs. United States, die bereits durch mehrere Instanzen läuft. Im Juni 2023 gab das Bezirksgericht dem Antrag der Kläger auf Erlaubnis zur Änderung der Klage statt. Einer der Kläger:innen ist der indigene Aktivist Xiuhtezcatl Martinez.
    [Wikipedia 2023 - Juliana v. United States]
    [Verknüpfung]
    Oder die Klimaklage im Februar 2020 vor dem Bundesverfassungsgericht, die unerwartet am 29.April 2021 Erfolg hatte.
    Eine Übersicht der UN aus 2016: [Verknüpfung]
    deutsch: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    2021 wurde der französische Staat wegen Untätigkeit im Klimaschutz vom Verwaltungsgericht verurteilt.
    Zeit: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    In Brasilien stellte 2022 das oberste Gericht das Pariser Klimaschutzabkommen als Menschenecht über die nationale Gesetzgebung. Damit werden dem Fossilökonomistismus des faschistischen Präsidenten Bolsonaro Grenzen gesetzt. Das Zurückhalten von Geldern des staatlichen Klimaschutzfonds stuft das Gericht als Verfassungsverstoß ein.
    Am internationalen Gerichtshof für Menschenrechte in Den Haag wird seit seit 2020 eine Klage von secs portugiesischen Jugendlichen gegen 33 Staaten, die EU-Staaten sowie Großbritannien, Norwegen, Russland, die Schweiz, die Türkei und die Ukraine, verhandelt. Der Fall zählt zu den 22 "schwerwiegenden" von 72.100 Fällen, die vor allen 17 Richtern der Großen Kammer verhandelt wird.
    [Verknüpfung]
    Marianne Grimmenstein, eine umweltaktivistische Lehrerin, organisiert seit 2020 eine entsprechende Sammelklage gegen die deutsche Regierung.
    Über die Klage:
    [Verknüpfung]
    Zum Formular:
    [Verknüpfung]

    Das Grantham Institute an der London School of Economics zählt im Juni 2022 über 2000 anhängige Klimaklagen weltweit.
    [Verknüpfung]
    Eine Studie des Grantham Institute zeigt den negativen Einfluss von Klimaklagen auf den Wert von Unternehmen auf. Fossile Investments werden schnell zunehmend riskanter.
    Info der LSE: [Verknüpfung]
    Studie: [Verknüpfung]

    Im September 2022 gewinnen acht Bewohner:innen der Torres Straites Inseln nach drei Jahren eine Klage vor dem UN-Menschenrechts-Ausschuss gegen die australische Regierung wegen Untätigkeit im Klimaschutz.
    [Verknüpfung]

    Besonders aussichtsreich waren zuerst Klagen von Anlegern, z.B. gerade New York und Massachussetts gegen Exxon - denn es ging um deren Geld. Exxon hatte seine Wertpapiere für Pensionsfonds als zukunftssichere Anlage beworben und in seinen Broschüren (zusätzlich zu den Anzeigen in großen Zeitungen) die Risiken durch Klimawandel bestritten. Nun lautet die Anklage: Betrug und Irreführung der Öffentlichkeit.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Vor Gericht beruft Exxon sich nun auf Meinungsfreiheit - die Anklage der Staatsanwälte der Virgin Islands und von New York klagen wegen dieser falschen Behauptungen wider besseren Wissens auf Betrug.
    [Hertsgaard 2016]
    Neue Verfahren 2020: Delaware, Charleston (SC), Hoboken (NJ), Connecticut.
    [Verknüpfung]
    Die Irreführung der Gesellschaft geht ja nicht nur von Unternehmen aus, sondern auch von Politikern, die sich von diesen lobbyieren lassen. Sie sind in gleicher Weise haftbar zu machen.

    Aber auch Geschädigte haben zunehmend bessere Aussichten auf Schadenersatz, zuerst einmal in den USA. Allein die Region Marin County in Kalifornien mit 250.000 Einwohnern verlangt 20 Milliarden von Exxon und 24 weiteren Ölfirmen. Exxons Klage gegen den Supreme Court, Geschworenengerichte auszuschließen, wurde im April 2023 abgewiesen.
    Reuters: [Verknüpfung]
    Dem gingen viele weitere Klagen verschiedener Körperschaften der USA voraus, gegen die die Ölfirmen ganze Armeen von Rechtsanwälten geschickt hatte. Alexandra Endres fasste Anfang 2018 den damaligen Stand der Klagen zusammen und erklärte die Zusammenhänge.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Im September 2023 verklagt in der Konsequenz des Supreme Court-Urteils als erstes der reichste und auch bevölkerungsreichste US-Bundesstaat Kalifornien die Ölfirmen ExxonMobil, Shell, BP, ConocoPhillips und Chevron, sowie das American Petroleum Institute API wegen Verursachung von Klimaschäden, bei gleichzeitiger Irreführung der Öffentlichkeit trotz eigener, geheimer gegenteiliger Forschungsergebnisse, und Beeinflussung der Klimapolitik durch massive Lobbyarbeit. Beweismittel ist u.a. die aktuelle Arbeit von Oreskes, Supran und Rahmstorf.
    Staatsanwaltschaft Kalifornien: [Verknüpfung]

    Die ersten Strafprozesse gegen die Fossilindustrie sind bereits anhängig. Es war nur eine Frage der Zeit, wann es zu ersten Verurteilungen und Strafzahlungen kommt, und zu Verschärfungen der Gesetze, auch international. Shell und Eni verloren 2021 gegen Nigeria, sie müssen dort im Niger-Delta Sanierungsversuche finanzieren.
    Doch auch wenn die Opfer der Klimakrise ihre legitimen Schadenersatzansprüche wegen asymmetrischer Gesetzeslagen heute noch nicht durchsetzen können, so schlagen die Klimaschäden bereits trotzdem auf die Weltwirtschaft durch. Weil nämlich die Zahlungsfähigkeit vieler Entwicklungsländer klimabedingt leidet, drohen gewaltige Zahlungsausfälle. Die IWF-Chefin Kristalina Georgiewa fordert 2021 deshalb einen Klimafaktor bei der globalen Schuldenpolitik. US-Finanzministerin Janet Yellen sieht - verschärft durch Corona - einen Krisen-Moment gekommen, der nur noch unter einer massiven Einflussnahme zu bewältigen ist, vergleichbar mit den Maßnahmen in Folge des Zweiten Weltkriegs in Bretton Woods.
    [Verknüpfung]
    Wenn das WEF mit der Bewältigung der Corona-Krise die Weltwirtschaft gleich auch noch für eine nachhaltige Zukunft neu ordnen will, sollte man sich in Berlin auf weitere internationale, restriktive Umwelt- und Klima-Gesetze einstellen.

    Auch die Bedrohung der Biodiversität wird beklagt. Die Deutsche Umwelthilfe DUH und Foodwatch klagen im April 2023 gegen die deutschen Zulassungsbehörden wegen Untätigkeit zum Schutz deutscher Pestizidhersteller. Nach EU-Recht müssten die Genehmigungen bei fünf Pestiziden sofort entzogen werden.
    [Verknüpfung]

    Es war nur eine Frage der Zeit, wann sich eine NGO mit der Klima-Haftungsfrage beschäftigt: das Climate Accountablity Institute sammelt seit 2011 akribisch Emissionsdaten und stellt sie Wissenschaft und Justiz zur Verfügung.
    [Verknüpfung]
    Zur Motivation der Gruppe ein Artikel von Aktivist Richard Heede, in dem etliche Themen dieser Arbeit zusammengefasst sind.
    [Verknüpfung]

    Made with Flourish
    [Verknüpfung]

    Der Nachweis einer Schuld ist bei den bisherigen nationalen Gesetzeslagen zwar noch schwierig. Doch in den USA sind bereits zahlreiche Schadenersatz-Prozesse gegen Fossilunternehmen anhängig. Überlegungen gibt es vor allem auf der Ebene des internationalen Rechts.

    Klimawandel macht krank, erklärt der Arzt und Mitbegründer der Scientists for Future, Eckart von Hirschhausen - nicht nur wegen der akut lungenschädigenden Nebenprodukte der Verbrennung, die bisher allgemein als "Luftschadstoffe" bezeichnet wurden, sondern wegen der tödlichen Hitze durch die Erderwärmung.
    [Verknüpfung]
    Einer der Autoren des EEG 2000, der Grünen-Politiker Hans-Josef Fell, geht weiter und fordert 2022 endlich die Einstufung fossiler Brennstoffe als Gesundheitsrisiko.
    [Verknüpfung]

    Der Film "Ökozid" skizziert einen fiktiven Fall im Jahr 2034 vor dem UN-Gerichtshof, der klimabedingt von Den Haag nach Berlin umziehen muss: Deutschland wird von Klimaopfer-Staaten auf Schadenersatz verklagt, quasi als "Klima-Schurkenstaat".
    Die Recherchen zum Film wurden unterstützt vom Max-Planck-Institut für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg und vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg und wurde zur Prime Time im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ausgestrahlt.
    [Verknüpfung]
    Der Faktencheck ist sehenswert. Der Völkerrechtler Tom Sparks bezeichnet dort das deutsche Klimaschutz-Versäumnis als Verstoß gegen die Menschenrechte der UN.
    [Verknüpfung]
    Die Attributionsforschung ermöglicht seit 2010 eine Beantwortung der Frage, ob Wetterextreme durch Klimawandel bedingt heftiger und häufiger auftreten und hilft, entsprechende Schadenersatzforderungen zu begründen.

    Bei der Zukunftsvision des Films wird es wohl nicht bleiben. Immer lauter werden die Forderungen nach internationalem Recht, neben Kriegsverbrechen, Völkermord, Folter und Verbrechen gegen die Menschlichkeit auch den Ökozid zu bestrafen.
    Die erste Forderung hat 1972 der damalige schwedische Ministerpräsident Olof Palme vor den Vereinten Nationen erhoben. Palme wurde 1986 ermordet, seine Idee endete 10 Jahre später lautlos hinter den Kulissen der UN auf Betreiben der westlichen Ölförderstaaten. Die geheimen Akten wurden 2013 entdeckt von Polly Higgins und ihren Mitarbeitern, die dazu eine wissenschaftliche Arbeit schrieben. Die schottische Unternehmensrechts-Anwältin Higgins hatte Palmes Idee 2010 wieder aufgegriffen und versuchte seitdem, den Gesetzgebungs-Prozess über eine Änderung des Rom-Statuts wieder anzustoßen. Sie fand Mitstreiter wie den spanischen Richter Baltasar Garzón, der schon gegen den chilenischen Diktator Augusto Pinochet und unter Morddrohungen wegen Verbrechen der spanischen faschistischen Franco-Diktatur ermittelt hatte.
    Für die Änderung des Rom-Statuts braucht nur eines der 123 Oberhäupter der Unterzeichner-Staaten den Antrag einzubringen. Polly Higgins gründete mit Jojo Mehta 2017 die Organisation Stop Ecocide, ein Vorbild für weitere Organisationen. Higgins starb 2019 an Krebs.
    [Wikipedia 2021 - Polly Higgins]
    [Verknüpfung]
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    Nachruf von George Monbiot im Guardian: [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
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    [Verknüpfung]
    Der niederländische öffentlich-rechtliche Sender VPRO berichtete 2015 darüber, wie nahe die Aktivisten in Schweden dem Erfolg waren.
    [Verknüpfung]

    Es brauchte wohl noch einer breiten zivilgesellschaftlichen Unterstützung wie den Schülerstreiks von Fridays for Future. 2020 diskutiert Frankreichs Präsident Emmanuel Macron den nationalen Straftatbestand des Ökozids.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Macron greift damit einen Vorschlag des französischen Klima-Bürgerrats auf, der außerdem mit großer Mehrheit Verfassungsänderungen für Biodiversitäts- und Klimaschutz empfiehlt und auch praktikable, konkrete Vorschläge zu wirksamem Klimaschutz macht.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Als eine der Maßnahmen wird drei Jahre später ein Verbot von drei Inlands-Flugstrecken eingeführt. Sie lassen sich durch Zugfahrten unter zweieinhalb Stunden ersetzen. Der Bürgerrat hatte vier Stunden als Kriterium vorgesehen, wodurch weit mehr Flüge betroffen gewesen wären.
    ee: [Verknüpfung]
    Am 10. September 2020 hat auch der britische Bürgerrat seine eindeutigen Beratungsergebnisse zum Thema Klimaschutz veröffentlicht: praktikable, konkrete Vorschläge zu wirksamem Klimaschutz.

    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Endlich auch in Deutschland ein Bürgerrat Klima eingerichtet - auch hier wieder sehr erfolgreich. Es zeigt sich: wird die Desinformation überwunden, kann ein fruchtbarer Diskurs in Gang kommen. Deshalb spricht sich der Rat mit 96% für verbindliche Klimabildung aus. Vorsitz hat der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler, dessen abschließendes Statement denkwürdig ist.
    [Verknüpfung]
    Der Verein Mehr Demokratie e.V. fördert basisdemokratische Arbeit, und will diesen Ansatz in der Klimafrage verstetigen.
    [Verknüpfung]

    Eine wichtige Unterstützung bekommt die Ökozid-Gesetzgebung durch die Erklärung des Menschenrechts einer intakten Umwelt durch die UN im Sommer 2022.
    [Verknüpfung]

    Politische Erfolge der jüngsten Zeit

    Immer mehr Naturschutzgebiete werden zu Rechtspersonen erklärt. In Europa ist Spanien mit einer links-grünen Regierung Vorreiter: das Mar Menor, eine 73km lange Lagune bei Cartagena, wurde 2022 auf diese Weise geschützt.
    taz: [Verknüpfung]
    Auch in Ecuador, Neuseeland, Kolumbien, Indien und Kanada gibt es ähnliche Beispiele.
    taz: [Verknüpfung]
    Studie der Uni Leipzig: [Verknüpfung]
    Dieses Gesetz allein schützt die Natur allerdings nicht, denn Indigene konnten in Ecuador wie in Kolonialzeiten oft mit billigen Versprechungen übervorteilt werden: [Verknüpfung]
    SZ: [Verknüpfung]

    Die UN erklären 2022 den "Zugang zu einer sauberen Umwelt" zum Menschenrecht, 12 Jahre nach der Resolution über Versorgung mit Trinkwasser und Entsorgung von Fäkalien.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Im September 2020 beschließt der Umweltausschuss des EU-Parlaments das Ende fossiler EU-Subventionen bis 2025 (2020 waren es 137 Milliarden Euro, von denen Deutschland 37,5 beisteuert), eine Verschärfung des Minderungsziels für 2030 von 40 auf 60% und die Umsetzung des Klagerechts aus der Aarhus-Konvention von 1998.
    [Verknüpfung]

    Baldiges Aus für die Kohlekraft in Europa: Während Merkel-Deutschland sich eine Bestandsgarantie der Kohlekraft bis 2038 leistete, war ein Großteil der Industrieländer wesentlich ambitionierter, mit oder ohne Atomausstieg:

    • 2020: Schweden, Österreich
    • 2021: Frankreich
    • 2023: Portugal
    • 2024: Vereinigtes Königreich
    • 2025: Republik Irland, Italien
    • 2029: Niederlande
    • 2030: Kanada
    • 2030: Finnland
      [Kirchner 2019]

    Am 07.07. 2022, nach Monaten der quälenden Krisenintervention im Ukraine-Energiekrieg, beschließt der Bundestag endlich das sogenannte Osterpaket zum Ausbau der Erneuerbaren Energien. Im Gesetz wird festgesetellt, dass der Ausbau der Erneuerbaren von "überragendem öffentlichen Interesse" sei. Eine weitere Beschleunigung der Planungs- und Genehmigungsverfahren steht noch aus.
    [Verknüpfung]
    Der Solarenergie-Förderverein Deutschland e.V. SFV kritisiert: Von dem Ziel einer 100% klimaneutralen Selbstversorgung bis 2045 sind bis 2030 nur knapp ein Drittel vorgesehen. Dabei muss die Energiewende - auch angesichts zunehmender Konflikte um fossile Brennstoffe - schnell umgesetzt werden. Das Stromangebot muss schnell steigen, um die Elektrifizierung der Sektoren voranzutreiben und nicht durch eine Verknappung des Stromangebots zu gefährden. Sonst ist auch die absehbar notwendige CO2-Sequestrierung unmöglich. Fazit des SFV: zu wenig, zu spät.
    Leider findet man beim SFV keine Verweise auf Studien, und der Verein gibt den Flächenbedarf eines Windrads mit der Kreisfläche unter den Rotoren an. Die Flächen zwischen den Rotoren eines Windparks zählt er nicht. So kommt er auf ausreichende Windstrompotentiale. Von Windkraft-Gegnern werden jedoch schon die heutigen Windparks als "Verspargelung der Landschaft" kritisiert. Repowering, also die Vergrößerung der Anlagen in bestehenden Windparks, bietet noch Potentiale, aber die größten Zuwächse in der Technologie dürfte die Branche meines Erachtens hinter sich haben. Also müssten nach den Forderungen des SFV weit mehr als die von Habeck geplanten 2% der Landesfläche genutzt werden.
    Die 2% ergeben sich wiederum aus Empfehlungen des Umweltbundesamtes UBA.
    UBA: [UBA 2023]
    Vergleicht man Habecks Zahlen mit den Bedarfsanalysen des Kopernikus-Projekts Ariadne, dann sieht Habecks Planung schon besser aus. Hier geht man von einem verstärkten Ausbau der Erneuerbaren, zusätzlich aber von einer Ergänzung der Bedarfslücke mit Importen Erneuerbarer Energien aus. Einen Ausweg bieten nur Verzicht, Ersatz (z.B. Videokonferenzen) oder eine Steigerung der Effizienz, was angesichts von riesigen, oft schlecht gedämmten Einfamilienhäusern oder den aktuellen Standard-Elektroautos mit um die 2t Gewicht und SUV-Abmessungen sicher kein Kunststück darstellt.

    EE-SektorStand 2022Referentenentwurf Habeck für 2030Bedarf für 2045 nach SFVPotentiale laut Ariadne-Projekt
    Wind (on- und offshore64140510236
    PV59200650550
    SFV: [Verknüpfung]

    Nur Polens Ausstiegsszenario läuft bis 2049. Es ist die Frage, ob die abnehmende Konkurrenzfähigkeit der Kohle nicht doch einen früheren Ausstieg aus wirtschaftlichen Gründen erzwingt.
    [Wikipedia 2020 - Kohleausstieg - Ausblick: Stilllegung von Kohlekraftwerken]

    Immer mehr Länder folgen den Forderungen des Club of Rome nach Frauenrechten und betreiben eine feministische Außenpolitik, u.a. Deutschland mit der Außenministerin Anna-Lena Baerbock. Die NGO Women Engage for a Common Future WECF lobbyiert dafür.
    [Verknüpfung]

    Aus für den Verbrennungsmotor: Kopenhagen wird 2025 CO2-neutral; viele Länder haben den Verbrenner-Ausstieg für 2025-40 beschlossen, immer mehr ziehen nach. Autohersteller, die zu lange am Verbrenner festhalten, riskieren (inklusive ihrer Belegschaft) mittelfristig ganz vom Markt zu verschwinden.
    [Verknüpfung]


    [Viehmann 2018]

    Der britische Premierminister Johnson kündigte im Januar 2020 an, dass der Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor um fünf Jahre vorverlegt werden soll (von ursprünglich 2040 auf 2035). Im November zog er es nochmals 5 weitere Jahre vor.
    [Wikipedia 2020 - Phase-out of fossil fuel vehicles]
    [Verknüpfung]
    Die Autozeitung schreibt im Mai 2020, dass der deutsche Druck über die EU gegen die dänischen Verbotspläne zunächst nur einen Aufschub und neue interne Querelen bringt. Weltweit schließen sich mit jeder Erfolgsmeldung von Elektroautos immer mehr Staaten der Verbotskoalition an. Warum auch sollten Länder ohne mächtige Verbrenner-Industrie sich weiter dem Klimaschutz verschließen, allein deshalb, weil sie so Klagen und Strafzahlungen vermeiden können? Bald bleiben Deutschland zum Handeln nur noch Klimaschurken wie Trump, Putin, Morrison und Bolsonaro übrig.
    [Verknüpfung]
    In der Autozeitung vom 18.05. finden sich auch neue Ausstiegsdaten:
    2025 Norwegen
    2030 Dänemark, Indien, Irland, Island, Israel, Niederlande, Schweden, Slowenien
    2032 Schottland
    2035 Großbritannien, Taiwan
    2040 Frankreich, Kanada
    [Verknüpfung]
    Weitere Ausstiegsangaben: 2035 Japan
    Zeit: [Verknüpfung]
    Zeit: [Verknüpfung]
    2035 Kalifornien
    [Verknüpfung]Zu Merkel-Zeiten fanden sich auch erste Koalitionen für ein EU-weites Verbot.
    [Verknüpfung]
    Auch wenn ihre Weitsicht vom verkehrspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion Pfeiffer und auch von der Partei-Vorsitzenden Kramp-Karrenbauer noch nicht geteilt wird: sogar Kanzlerin Merkel hat ein Verbrenner-Verbot in (wenn auch unbestimmte) Aussicht gestellt. Unternehmen brauchen Planungssicherheit.
    [Verknüpfung]
    Merkel spricht auch - 23 Jahre nach ihrem Buch "Der Preis des Überlebens" - bei ihrer Rede auf dem WEF in Davos 2020 wieder von Klimaschutz als "Überlebensfrage der Menschheit" und widerspricht damit deutlich Donald Trump. Der hatte in seiner vor Zukunftsoptimismus strotzenden Rede das Wort Klima nicht einmal in den Mund genommen, sehr wohl aber die "Untergangspropheten" kritisiert. Auch in den WEF-Foren ist Klimaschutz das beherrschende Thema, Trump wird als Fremdkörper wahrgenommen.
    [Verknüpfung]
    Im Frühjahr 2023 wurde nach lange Hin und Her der Beschluss des EU-Parlaments über ein Verbot neuer Verbrenner im Jahr 2035 vom Europarat angenommen - mit der lächerlich anmutenden Ausnahme von Verbrennern, die ausschließlich mit EFuel betrieben werden können. Diese Ausnahme war eine Conditio sine qua non der FDP, die mit einem deutschen Veto gedroht hat.
    Auto Motor und Sport: [Verknüpfung]

    Wenige Tage nach der Amtseinführung von Joe Biden kündigt der größte US-Autobauer General Motors das Ende des Verbrenner-Motors in PKW für 2035 an - mit Hintertüren.
    [Verknüpfung]
    Der Spiegel vergleicht diese und andere Ankündigungen von Autobauern. Das Ende des Verbrenners ist nur eine Frage der Zeit - und der Kosten Erneuerbarer Energie.
    [Verknüpfung]

    Doch die Verkehrswende wird nicht ausschließlich als 1:1-Ersatz der Verbrenner durch Elektroautos betrieben, wie es die Autohersteller gerne hätten. ÖPNV und Radverkehr haben anderswo in der Welt hohe Priorität.
    Es geht auch in Deutschland: der Umstieg vom ÖPNV auf das Fahrrad machte zu Corona-Zeiten eine Einrichtung zusätzlicher "Pop-Up"- Radwege plausibel; Radwende Bochum hat einen Ratgeber dazu erstellt.
    [Verknüpfung]

    Am Beispiel von Utrecht (Niederlande) kann man nachvollziehen, wie tiefgreifend der Wandel von der in den 70ern üblichen Autostadt zur Fahrradstadt war. Ab 1958 wurden nach den Plänen des deutsches Verkehrsplaners Prof. Max-Ernst Feuchtinger alle Grachten zugeschüttet und für große Autostraßen incl. Ringautobahn zuasphaltiert. Doch schon 1965 verbannte Utrecht die Autos aus der Innenstadt, die umgebende Ringstraße jedoch führte über eine zugeschüttete Gracht. In den 70ern hieß es dann in den Niederlanden: "Stop de Kindermoord!", denn etwa 400 der jährlichen Verkehrstoten waren Kinder. Die Ölkrise tat ihres dazu, dass die Befürworter des Fahrrads gewannen. Nach und nach wurde das Auto weiter verbannt und die Grachten wieder ausgegraben. Die letzten Grachten Utrechts wurden erst vor wenigen Jahren wiederhergestellt. 2010 folgte der Traffic Circulation Plan 2010-2015, nach dem Schnellwege mit großzügigen Unter- und Überführungen, und optimierte Verkehrsleitsysteme das Radfahren noch attraktiver und sicherer gemacht wurden. Die Utrechter sind stolz auf ihren Ruf als fahrradfreundlichste Stadt der Welt. Die deutschen Radfahrer:innen kann man hier sehr leicht am Helm erkennen.
    Utrecht investiert pro Bürger:in und Jahr 132€ für Radinfrastruktur - deutsche Kommunen dagegen 2-10€. Tatsächlich konnte ich den Unterschied zu deutschen Städten selbst erfahren. Jung und Alt sind ohne Helm mit einem Durchschnittstempo unterwegs, das in Deutschland nur von Lebensmüden, Rüpeln und besonders selbstbewussten Straßenbenutzer:innen erreicht wird. Das schnelle Radfahren in Utrecht jedoch gefahrlos, weil Radfahrer genug Platz haben und alle besonders auf sie Rücksicht nehmen. Auch als Fußgänger beachtet man viel aufmerksamer die Abtrennung der Verkehrsflächen gegenüber Radfahrer:innen - man nimmt sich dort so sehr vor rasenden Rädern in Acht wie bei uns vor Autos.

    Studie:
    Zeit:


    Animation im VPro-Doku-Teaser bei Youtube: [Verknüpfung]

    Immer mehr Metropolen werden Fahrradstädte.

    Dass die Klimaschutz-Effekte im Vergleich zu Elektroautos weit gravierender sind, zeigt eine Studie.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Statt Arbeitgebern mit Steuervorteilen Anreize zu geben, ihren Angestellten emissionsintensive Dienstwagen zu stellen, werden sie seit 50 Jahren in Frankreich (versement transport seit 1971) und Wien (Dienstgeberabgabe seit 1970) an den Kosten des ÖPNV beteiligt.
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    Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat sich damit beschäftigt.
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    Der Pauschaltarif ("Flatrate") für Busse und Bahnen kostet in Deutschland viermal so viel wie in Österreich. Zwar ist das Netz größer - aber es sind auch entsprechend mehr Kunden zu erwarten, die im Schnitt auch nicht vier mal so viel Zeit in den Verkehrsmitteln verbringen dürften als Österreicher.
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    Es wurde dort von den Grünen eingeführt.
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    Selbst massive Investitionen in kostenlosen ÖPNV werden mancherorts als günstiger eingeschätzt als die Kosten des Autoverkehrs.
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    Während die Debatte über ein Autobahn-Tempolimit bei uns politische Grabenkämpfe auslöste und auch jetzt in der Ampel-Koalition von der FDP verhindert wurde, und auch die Koalitionvereinbarung über eine Entscheidungsfreiheit der Kommunen für Tempo 30 noch 2023 gebrochen wurde, hat die Zweite Parlaments-Kammer der Niederlande schon am 27.10.20 für Tempo 30 in geschlossenen Ortschaften gestimmt, schneller ist nur wo ausdrücklich beschildert erlaubt. Die erste Kammer, der Senat, kann nur ablehnen oder zustimmen.
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    Französische Kommunen, die Tempo 30 eingeführt haben, ziehen eine positive Bilanz: 70% weniger Verkehrstote. Das sind Tausende von Menschenleben.
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    Spanien zieht 2021 nach.
    [Verknüpfung]
    Eine der Ursachen für die deutsche Auto-Fixiertheit ist, dass das Kraftfahrzeug-Gesetz im Kern aus der Kaiserzeit stammt, also im Kern nie reformiert wurde. Einschränkungen wie Tempo 30 in Ortschaften oder Fahrbahnbeschneidungen für Radwege bedürfen eines gravierenden Grundes. Ich habe selbst eine in den frühen 2000ern eine Ortsbegehung wegen Antrags der Anwohner auf Tempo 30 in einer Sackgasse mitbekommen. Der zuständige Beamte stellte sich derart quer, dass die Anwohner entnervt aufgaben.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Im Juli 2021 beschließen 7 deutsche Großstädte einen Tempo-30-Versuch, unterstützt vom deutschen Städtetag: Aachen, Augsburg, Freiburg im Breisgau, Hannover, Leipzig, Münster und Ulm.
    Zeit: [Verknüpfung]
    In Großbritannien gilt ab 2022 nicht mehr Vorrang für den motorisierten Verkehr, sondern für die Schwächsten. Radfahrer dürfen nebeneinander fahren und dürfen nur mit 1,50m Abstand überholt werden - was de facto bei nur einer nutzbaren Fahrspur unmöglich ist. Eine Pflicht, auf dem Radweg zu fahren - auch wenn dieser wie so oft in Deutschland nur sehr hinderlich zu benutzen ist - gab es dort eh nicht. Fußgänger haben generell Vorrang vor dem abbiegenden Verkehr, auch vor Radfahrern. Die Regierung folgt damit etlichen Gerichtsurteilen der letzten Jahre.
    [Verknüpfung]

    Auch die Bahnen suchen nach Alternativen. Nach der Schweizer Bundesbahn SBB wird ab 2023 die Deutsche Bahn Wildkräuter nur noch mit alternativen Methoden wie Heißwasser bekämpfen, statt mit dem umstrittenen Pestizid Glyphosat. Die Hersteller wie Bayer versuchen derweil in der Glyphosate Renewal Group das Ende der EU-Zulassung zu verhindern.
    [Verknüpfung]

    Die gesetzliche Verpflichtung zur Reparierbarkeit und Förderung einer Reparaturkultur wurde in der EU von Frankreich vorangetrieben - nach der Devise "reduce - reuse - repair - recycle". Auch in Österreich gibt es eine staatliche Initiative, den Reparaturbonus.
    [Verknüpfung]

    Vielerorts beschäftigen sich Kommunen mit den Fragen, die sie selbst lösen können - auch und gerade wenn die Staaten aus falscher Rücksichtnahme im Klimaschutz noch bremsen. Internationale Städte-Klimabündnisse ICLEI (seit 1990, 1750 Mitglieder 2020) und C40 (seit 2005, 97 Mitglieder 2022) machen die Arbeit effektiver.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - ICLEI]
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2022 - C40 Cities Climate Leadership Group]

    Seit 2021 gibt es auch auf internationaler Ebene Bündnisse wirklich ambitionierter Staaten, z.B. Beyond Oil and Gas Alliance. Initiiert 2021 von Costa Rica und Dänemark, wächst die Zahl der Mitglieder.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Wirtschaftliche Auswirkungen der jüngsten Zeit

    Die Divestment-Kampagne der Klimaschutz-NGO 350.org hat seit 2012 viele Anleger zum Ausstieg aus Fossil-Investments motivieren können. Am 18.09.2019 wurden Divestitionen von stolzen 11 Billionen (engl. trillions) US-$ von über 1000 Großanlegern und 50.000 Einzelanlegern verkündet, am 07.09.2023 waren es schon über 40 Billionen.
    [Verknüpfung]

    Den aktuellen Wert findet man hier:

    [Verknüpfung]

    Der Blog Klimasocial beim Journalisten-Netzwerk Riffreporter hat auch diesen Trend früh beleuchtet:
    [Verknüpfung]

    Eine Anlegerflucht aus Anlagen der Fossilwirtschaft ist früher oder später zu erwarten - aus Angst vor Stranded Assets.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    Der international vernetzte Ökonom Axel Weber stellt in der Konsequenz eine Investitionswelle großer Investoren in Erneuerbare Energien in Aussicht.
    Zeit: [Verknüpfung]

    Die EU-Kommission beziffert den jährlichen gesamteuropäischen Investitionsbedarf der Klimawende auf 290 Milliarden Euro. Angesichts der Kosten für Fossilbrennstoff-Importe, Subventionen und Folgekosten durch Klimaschäden betrachtet sie selbst diese Summe als lohnende Zukunftsinvestition, die natürlich auch massenhaft Arbeitsplätze bedeutet.
    [Verknüpfung]

    Der von Peter Altmaier geschätzte Investitionsbedarf bis 2050 von 1-2 Billionen Euro - der bei Fossilökonomisten seit Jahren als Horrorzahl kursiert - wurde von Wirtschafts-Fachleuten bestätigt. Allerdings fordern sie einen kompletten Umbau der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen.
    [Verknüpfung]
    Sie sehen nicht nur einen klimapolitischen, sondern auch einen großen gesamtwirtschaftlichen Vorteil dieser Ausgaben: Arbeitsplätze, Wertschöpfung, Erhaltung des Technologiestandorts, Verminderung von Abhängigkeiten. Gerade letztere machen sich 2021 schmerzhaft bemerkbar, weil Putin mit einer Erdgas-Verknappung seiner Forderung nach einer Genehmigung der zweiten Nordstream-Pipeline Nachdruck verleiht.
    Weil die Politik die notwendigen Entscheidungen verschleppt, werden die Forderungen aus der Wirtschaft immer lauter. "Sechs Jahre nach Paris" erwarten die großen Unternehmen der Stiftung 2 Grad die Möglichkeit, mit sicheren Rahmenbedingungen Planungssicherheit zu bekommen, "damit Klimaschutz zum Geschäftsmodell wird", so Vorstandsmitglied Sabine Nallinger.
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    BDI-Präsident Russwurm beklagt auf dem Tag der Industrie 2021 eine mangelnde Planungssicherheit.
    [Verknüpfung]
    Grünen-Kanzlerkandidation Annalena Baerbock verspricht im Wahlkampf 2021 mehr Planungssicherheit für die Investoren und Betriebe: sie setzt nicht auf die Selbstregulation der Märkte, sondern stellt eine klare Ausrichtung der Industrie auf CO2-Neutralität in Aussicht.
    [Verknüpfung]
    Anlässlich der COP28 in Dubai 2023 beziffert die Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft Deloitte das globale Sparpotential bei Investionen in Klimaneutralität auf 50 Billionen US-$ - vorausgesetzt, dass die politischen Rahmenbedingungen nicht weiter die Fossilwirtschaft begünstigen.
    finanznachrichten.de: [Verknüpfung]
    2023 ist es noch nicht so weit, und die Banken profitieren weiter kräftig am ökoziden Öl- und Gasgeschäft.
    Spiegel: [Verknüpfung]
    klimareporter: [Verknüpfung]
    DW: [Verknüpfung]
    Focus: [Verknüpfung]
    Die Denkfabrik Climate Analytics beziffert 2023 die Gewinne der Ölkonzerne zwischen 1985 und 2018 auf 30, die von ihnen verursachten Verluste auf 20 Billionen US-$. Für den Klimafolgen-Fonds Loss and Damages der UN wären die Verursacher also eine sinnvolle Quelle, meint auch der UN-Generalsekretär Antonio Guterres.
    Climate Analytics: [Schleussner 2023]
    2023 stellt sich auch die Industriegewerkschaft Metall IGM ganz neu auf. Während Kreisverbände in Baden-Württemberg noch vor Kurzem mit AfD-Parolen aufgefallen sind, wählt sie jetzt Christiane Benner zur Vorsitzenden, die die klimaneutrale Transformation der Branche aktiv unterstützen will. Sicherheit sei das beste Mittel gegen die AfD.
    ARD: [Verknüpfung]
    DLF: [Verknüpfung]
    Welt: [Verknüpfung]

    In seinem letzten Filmauftritt skizzierte Hermann Scheer - einer der Väter des EEG - schon 2010 die absehbare Revolution im Energie- und Mobilitätssektor voraus.
    [Verknüpfung]
    [Wikipedia 2019 - Die 4. Revolution]

    Filmtips mit Hermann Scheer:
    Die 4. Revolution (Carl-A. Fechner 2010)
    Let's make money

    Stanford-Professor Tony Seba sagte 2014 mit seinem Buch eine baldige "Clean Disruption of Transport and Energy" voraus.
    [Verknüpfung]
    In seinen regelmäßig aktualisierten Vorträgen zeigt er eindrucksvoll, inwieweit seine Prognosen exponentiellen Wachstums der Erneuerbaren eingetreten sind.
    [Verknüpfung]
    [Seba 2020]
    cleanthinking: [Verknüpfung]
    elektroauto-zoe.de: [Verknüpfung]
    energypost.eu: [Verknüpfung]
    Sebas Institut RethinkX: [Verknüpfung]
    2022 geht er in Teil 3 seines Vortrags auch auf die Energiekosten in Deutschland ein.


    Teil 1 - Patterns of Change, Key Technologies & #PhaseChangeDisruption: [Seba 2022-1]
    Teil 2 - The Disruption of Transportation: [Seba 2022-2]
    Teil 3 - The Disruption of Energy: [Seba 2022-3]
    Teil 4 - The Disruption of Food & Agriculture: [Seba 2022-4]


    Twitter: [Verknüpfung]


    Risk and Well-Being: [Verknüpfung]

    Sebas Prognosen wurden 2013 belächelt, heute nicht mehr.


    Zeit: [Schulze 2021]
    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]

    US-Ökonom Jeremy Rifkin 2019 zu der bevorstehenden Disruption in einem Interview:

    "So what's happening is we're sitting on the biggest bubble in history — stranded assets in the fossil fuel industry — because now the cost of solar and wind are cheaper, it means all of the gas-fired power plants and the pipelines and the refineries and all the way to the gas stations are stranded assets. They will not amortize out. [...]
    Citigroup, a big bank, says this could be some $100 trillion in stranded assets across the fossil fuel civilization. The Economist magazine's Intelligence Unit said it's at least $40 trillion. Our projections are that over the next 10 years this Third Industrial Revolution infrastructure made up of solar and wind electricity and electric transportation vehicles is going to mean that the fossil fuel civilization will probably collapse somewhere around 2028."

    Rifkin warnt 2019 davor, keinen Green New Deal zu machen und stellt Millionen von Arbeitsplätzen in Aussicht.
    [Rosteck-Buetti 2019]
    Der Trend lässt sich bereits 2020 an konkreten Zahlen ablesen.
    [Kirchner 2020]
    Die Politik des Post-Trump US-Präsidenten Joe Biden dokumentiert die Überzeugung der US-Wirtschaft, auf der Welle der Disruption zu reiten, um nicht von ihr überrollt zu werden.
    [Verknüpfung]
    Die neue Energieministerin in Bidens US-Kabinett ist Jennifer Granholm, die acht Jahre Gouverneurin von Michigan, also auch der motor city Detroit war. Dort hat sie nach der Auto-Krise mit dem Ausbau erneuerbarer Energien trotz Trumps Gegenwehr eine Blaupause für Strukturwandel geschaffen, die sie jetzt in den ganzen USA ausrollen soll. In Deutschland wollen Fossilökonomisten davon bisher nichts wissen und spielt mit den Existenzängsten der verunsicherten Menschen in der Fossilbranche.
    Zeit: [Verknüpfung]
    Auch das Grundproblems - ein unreguliertes Finanzsystem - adressiert Biden mit mehr Staat.
    [Verknüpfung]


    [Rohwer-Kahlmann 2019]

    2020 meldet Bloomberg: "The new Energy Giants are Renewable Companies".
    [Verknüpfung]

    Sogar die FAZ, in der über die Jahrzehnte alle irgendwie denkbaren Einwände gegen die Energiewende zusammengetragen wurden, rät jetzt zur Investition in Erneuerbare.
    [Verknüpfung]

    Bürgerräte in Frankreich und UK haben sich konstruktiv, und nicht ausweichend wie die Regierungen, mit dem Thema Klimaschutz auseinandergesetzt und deutliche Empfehlungen an die Regierungen ausgesprochen.

    Manche befürchten bei der Rekrutierung der Grünen-Energieexpertin Andreae beim BDEW nur professionelles Greenwashing. Es sieht allerdings danach aus, dass sie dort eine neue industriepolitische Leitlinie pro Energiewende umsetzen soll. Ob das noch im Sinne der ursprünglichen Bürgerenergiewende gestaltet wird, darf man bezweifeln.
    [Verknüpfung]
    Dazu würde auch der 180°-Schwenk der Gewerkschaft IGBCE mit ihrem langjährigen Vorsitzenden Michael Vassiliadis passen, die in den letzten Jahrzehnten sehr stark industriepolitische Interessen vertreten hat, d.h. sich bis dato eher gegen Erneuerbare ausgesprochen hat. Plötzlich sieht Vassiliadis ein deutliches Beschleunigungspotential beim Energiewende und Kohleausstieg: "Wir fangen dieses Jahr, 2020, an mit dem Stilllegen, um die 2020-Ziele möglichst zeitnah zu erreichen – was wir übrigens schaffen, nicht genau Silvester 2020, aber kurz danach ist das in der Energiewirtschaft erreicht. Das zweite Ziel ist 2030, das erreichen wir sicher. Und der Rest, der im Bericht behandelt wird, ist die Frage, wie schnell geht es da drin. Ich will Ihnen eins sagen, das sage ich auch den Hörern, will ich ganz klar, das kann sich alles viel, viel schneller darstellen, wenn wir endlich auch diskutieren über das Einschalten und nicht nur über das Ausschalten."
    [Verknüpfung]

    Selbst im fossilökonomistisch dominierten Ölstaat Texas stehen - nach der Beratung in Bürgergremien - jetzt viele Windräder, nachdem ein öffentliches repräsentatives Gremium sein Beratungsergebnis veröffentlicht hat.
    Zu sehen im Video: Tomorrow - der Film.

    Im Mai 2021 passiert es: die IEA warnt vor Investitionen in fossile Energien, d.h. der DJ der Energiemärkte verkündet das Ende der Ölparty. Viele in Deutschland versuchen, diesen Schuss zu übertönen.
    Der Zustrom von Kapital in das Wachstum der Green Economy wächst blasenhaft an.

    [Verknüpfung]
    [Verknüpfung]
    Dieser Wachstumsschub, der ausnahmsweise einmal in die richtige Richtung geht, könnte in Deutschland durch die erratische Wirtschaftspolitik, die fossile Profiteure massiv protegiert, verpasst werden.

    Falls Manager bisher Erwägungen über Transformation angestellt haben, dann sicher oft einzeln, "im stillen Kämmerlein". Dass aus diesen einsamen Überlegungen plötzlich gemeinsame Wirtschaftsstrategien werden, zeigt sich an neuen Kooperationen wie der Initiative Kompass für Deutschland. Hier treffen Manager der "Realwirtschaft" auf teils radikale Transformationsforscher:innen.


    Statt [Lösungen] zu suchen, lassen wir den Status quo wahnsinnig mächtig werden. Der muss sich nicht rechtfertigen für seine Konsequenzen, obwohl wir in allen Studien aus der Nachhaltigkeitsforschung sagen, business as usual ist eine doofe Idee! Wir müssen dahin kommen, dass man sich für die Beibehaltung des Status quo mindestens so stark rechtfertigen muss wie für das Verändern.
    Maja Göpel
    Zeit: [Verknüpfung]


    Was ist denn der Default, also was ist die strukturelle Lösung heute, die wir "normal" nennen - und warum muss die sich nicht rechtfertigen ob ihrer Konsequenzen, sondern nur die Alternative?
    Maja Göpel
    ZDF Terra X 02.07.2021: [Verknüpfung] (10min 30s)







    Die Fossilwirtschaften dieser Welt werden - genau wie das von dieser Wirtschaft erzeugte, aufgeblähte Kapital - künstlich am Leben erhalten; je länger, desto disruptiver wird der Umstieg auf die Zukunftstechnologien (oder wirklich zurück in die Steinzeit). Derweil setzen konservative Kräfte bestenfalls auf symbolische CO2-Preise und nähren ansonsten die Hoffnung auf technische Innovation, obwohl die innovativen Konzepte längst auf dem Tisch liegen. P2X wird fälschlicherweise als innovativer Zukunftstreibstoff für Verbrennerautos gefeiert, während er als bedeutende Schlüsseltechnologie der Sektorenkopplung weitgehend unbekannt ist. Auch Recycling oder massive Förderung der Bio-Landwirtschaft ist politisch derzeit noch gar kein Thema.

    Die jahrzehntelangen Kampagnen der bürgerlichen Parteien gegen die Leistungsfähigkeit der Erneuerbaren Energien und der Bio-Landwirtschaft haben sich in vielen Köpfen hartnäckig festgesetzt; das weckt jetzt heftige bürgerliche Beharrungskräfte gegen die Nachhaltigkeitswende. Wirtschaftsminister Peter Altmaier leistete in der Talkshow Anne Will am 22.09.2019 seinen politischen Offenbarungseid: Merkel könne die Klimawende nur durchsetzen, wenn der Wähler dahinter stünde - von politischer Verantwortung, Gestaltungswillen oder gar Richtlinienkompetenz der Kanzlerin war keine Rede. Wer wie Altmaier (auch schon als Umwelt- und Kanzleramtsminister) jahrelang bei der Energiewende verbal und politisch auf der Bremse steht, braucht sich über die Desinformiertheit vieler Wähler beim Klimaschutz nicht zu wundern - und genauso wenig über erdrutschartige Schwankungen in der Wählergunst. Altmaier steckt in der Legitimationsfalle: die Kinder sollen es den Alten erklären, warum sie für Klimaschutz Opfer bringen müssen. Dabei kann der Grund trivialer nicht sein: weil die Kinder überleben wollen.

    Friedrich Merz (CDU), der Deutschland-Chef des größten Vermögensverwalters der Welt (BlackRock, der auch riesige Fossilinvestitionen hält), spricht dagegen von grünem Populismus...


    [Verknüpfung]

    ... und Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD) bläst in dasselbe Horn.
    [Verknüpfung]

    Ein anderes katastrophales Beispiel jahrzehntelanger Kampagnen sehen wir in England. Die überwiegende Mehrheit britischer Politiker suchte die Schuld für alle möglichen Missstände bei der EU-Politik - und damit schuf sie die besten Voraussetzungen für die Brexit-Kampagne. Johnson, ursprünglich ein glühender EU-Befürworter, wurde zum Opfer der eigenen Schuldzuschreibungen. Immer, wenn bei den Tories in UK etwas schieflief, war die EU schuld.

    Das Narrativ des 20. Jahrhunderts, das stetig wachsenden Wohlstand für alle durch Nutzung fossiler Brennstoffe verspricht, ist zur Lebenslüge mutiert: die Ölparty ist vorbei. Die Legitimation der fossilökonomistischen Poltik ist in der Krise: der Ökozid, dessen Ansage man lange widersprochen und zuletzt relativiert hat, erweist sich jetzt für die junge Generation als reale, erschreckende existentielle Bedrohung. Angesichts der bereits sichtbaren und absehbaren Schäden und irgendwann unausweichlich folgender Disruption fordert jetzt auch endlich die Ökonomie ein drastisches Umlenken.
    Die Politik erweist sich jedoch angesichts der Desinformiertheit und Voreingenommenheit der Massen, die sie selbst von Anfang an mit verschuldet hat, noch als handlungsunfähig.

    Angesichts einer Gesellschaft, die sich in wenigen Jahrzehnten derart grundlegend von den Lebensbedingungen, -Vorstellungen und -Kompetenzen ihrer Vorfahren entfremdet hat, ist das kein Wunder. Die Verweigerungshaltung schon bei Beschränkungen der Höchstgeschwindigkeit auf Autobahnen oder verzichtbaren Flugreisen deutet - betrachtet man die katastrophalen Konsequenzen - auf eine höchst problematische moralische Grundhaltung, die nach Jahrzehnten des Neoliberalismus, in der kollektive kognitive Dissonanz kultiviert wurde, nun endlich zivilgesellschaftlich und selbst von Wirtschaftseliten in Frage gestellt wird.

    Der schnell steigende politische Druck der Jugend ist jedoch weltweit spürbar und zeigt erste Wirkungen - zumindest eine Beschleunigung des Umdenkens bei den Älteren, die sich mit ihren Kindern solidarisieren.




    Die Zukunft hat viele Namen: für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance.
    Victor Hugo














    Wie diese Arbeit, so sind auch diese Ressourcen nicht 1:1 im Unterricht "as is" verwertbar. Aber in dieser Liste stehen Institutionen, an denen man nicht vorbeikommt, wenn man sich mit der Thematik beschäftigen will (ohne Anspruch auf Vollständigkeit).

    Die folgende Tabelle listet besonders wichtige Filme zum Einstieg in die Thematik auf.

    ThemaTitelQuellenangabenBemerkungen
    Ursache patriarchale FossilwirtschaftDie ErdzerstörerDie Erdzerstörer. Arte 2020.
    URL: https://archive.org/details/DieErdzerstrer
    die patriarchale europäische Kultur basiert seit der Kolonialisierung auf der Ausbeutung globaler Ressourcen, schadet den Menschen des globalen Südens und zerstört die Lebensgrundlagen der gesamten Menschheit
    Einfluss der Fossil-Lobby auf die PolitikKampf ums KlimaDie Story im Ersten: Kampf ums Klima. ARD 2022.
    URL: https://pdvideosdaserste-a.akamaihd.net/int/2022/11/01/e44c2d7f-3801-4cb3-bd57-e45f1d1b50ec/JOB_242872_sendeton_960x540-50p-1600kbit.mp4
    die Fossilindustrie bestimmt wie in den USA auch die deutsche Politik zum Schaden der Allgemeinheit
    Problem LandnutzungHunger!Hunger! ZDF zoom 2014
    URL:
    industrielle Landwirtschaft ist nicht zukunftsfähig, Kleinbauern müssen zur Ernährungssouveränität befähigt werden
    (es gibt auch eine weitere Folge von ZDF zoom zum Thema: Durst!)
    Problem LandnutzungDie Erde, die unsere Welt rettet - Landwirtschaft neu denkenDie Erde, die unsere Welt rettet - Landwirtschaft neu denken. ZDF Terra X Leschs Kosmos 2023
    URL: https://www.zdf.de/wissen/leschs-kosmos/die-erde-die-unsere-welt-rettet-landwirtschaft-neu-denken-102.html
    industrielle Landwirtschaft ist nicht zukunftsfähig; der Boden muss als CO2-Speicher ökologisch wiederbelebt werden, und kann dann gleichzeitig dem Wassermangel abhelfen
    Problem KlimakriseDer Wind - Motor des KlimawandelsDer Wind - Motor des Klimawandels. Arte 2022 https://www.arte.tv/de/videos/091178-000-A/der-wind/aktueller Stand der Klimaforschung
    Problem BiodiversitätskriseExtinction - the factsAttenborough, D.. Extinction - the facts. BBC 2021.
    URL: https://hdclump.com/extinction-the-facts/
    Bemerkungen
    Folgeproblem ZoonosenVirenjägerVirenjäger. ZDF planet e 2015
    URL: https://www.zdf.de/dokumentation/planet-e/die-virenjaeger-100.html
    eine zoonotische Pandemie wurde lange vorhergesagt, denn sie ist eine Folge des Artensterbens, das wiederum auch von der Klimakrise angetrieben wird
    (2020 folgte eine Aktualisierung des Themas, zu der aber nur noch ein Texthinweis existiert: Welt der Viren. ZDF planet e 2020
    (URL: https://presseportal.zdf.de/pressemitteilung/mitteilung/welt-der-viren-planet-e-auf-spurensuche/seite/5/))
    Problem IdeologieDie Kampagne gegen das KlimaDie Kampagne gegen das Klima. Danish Broadcasting Corporation 2021.
    URL: http://www.youtube.com/watch?v=k4vcJ-XTNbE
    das fossile Patriarchat missbraucht die demokratische Meinungsfreiheit zur Desinformation der Massen
    (alternativ der Klassiker: Merchants of Doubt. Sony Pictures 2014)
    Problem Datenmissbrauch im InternetThe Great HackAngriff auf die Demokratie: Wurde der Brexit gekauft? ZDF Zoom 2019.
    URL: https://www.youtube.com/watch?v=uW1bymlNKWw
    das Patriarchat missbraucht in Kooperation mit "sozialen" Netzwerken deren schutzwürdige Nutzerdaten zur gezielten Desinformation der Massen
    (alternativ in Spielfilmlänge:
    The Great Hack. Netflix 2019
    The Social Dilemma. Netflix 2020)
    Problem Versagen des "freien" Markts am Beispiel ElektroautoWarum das Elektroauto sterben musste.Warum das Elektroauto sterben musste. Sony Pictures 2006der Markt ist nicht frei, sondern wird politisch gesteuert, und die Politik wiederum wird gesteuert von mächtigen Petro-Patriarchen
    Lösungen der Energie-, Verkehrs- und WärmewendeDie Energiewende zu Ende gedacht — Was wird sich für uns ändern?Goebel, Olaf. Die Energiewende zu Ende gedacht — Was wird sich für uns ändern? Hochschule Hamm-Lippstadt 2022
    https://www.youtube.com/watch?v=VvnmBOLuvGw

    Der IPCC ist das größte wissenschaftliche Gremium aller Zeiten. Alle paar Jahre seit der Rio-Konferenz werden von ihm Klimaberichte verfasst. Deutsche Übersetzungen findet man hier:
    IPCC Assessment Report 6 (2015-2023): https://www.de-ipcc.de/250.php
    IPCC (alle Berichte): https://www.de-ipcc.de/270.php

    Zugang zu wichtigen Klima-Simulationsrechnern findet man hier:
    Klimaatlas des Deutschen Wetterdiensts DWD: https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaatlas/klimaatlas_node.html
    Deutsches Klimarechenzentrum DKRZ: https://www.dkrz.de/de/projekte-und-partner/HLRE-Projekte/focus/regionale-klimaprojektionen-fuer-europa
    Das Climate Service Center Germany GERICS des Helmholtz Zentrums HEREON bietet regionale Modelle: https://www.dkrz.de/de/projekte-und-partner/HLRE-Projekte/focus/regionale-klimaprojektionen-fuer-europa
    Einen Überblick der Angebote bietet der Klimanavigator des GERICS:
    https://www.klimanavigator.eu/links/038441/index.php

    Das Portal our world in data sammelt globale wissenschaftliche Datenerhebungen und fasst sie zusammen, auch in grafischer Form:
    https://ourworldindata.org/

    Die Klima-Allianz ist das Bündnis der wichtigsten deutschen zivilgesellschaftlichen Akteure im Klimaschutz und bereitet die aktuell wichtigsten Informationen zum Thema auf:
    https://www.klima-allianz.de/

    Konstruktives zur gesellschaftlichen Transformation:
    Die richtige Kommunikation über das Thema ist anspruchsvoll und entscheidend für die Chancen der Transformation - Christopher Schrader (von Riffreporter) liefert für klimafakten.deein Handbuch.
    https://klimakommunikation.klimafakten.de/
    Das BNE-Projekt "Keine Angst vor Komplexität" will die Kommunikation in der Transformation erleichtern.
    https://www.regenwald-schuetzen.org/unsere-projekte/bildungs-projekte/systeme-verstehen/
    Dort findet man eine Übersicht von Fallen und Chancen der Kommunikation:
    https://www.regenwald-schuetzen.org/fileadmin/user_upload/pdf/Projekt/systemisch/poster-systemisch-nachhaltigkeitskommunikation.pdf
    Das Journalisten-Kollektiv Riffreporter unterhält den transformativen Blog Klimasocial:
    https://www.riffreporter.de/klimasocial/

    Im Past Global Changes 2k Network Pages2K haben sich die Fachleute zum Thema Hockeyschläger-Diagramm, das die Klimageschichte der letzten zwei Jahrtausende beschreibt, eigens zusammengeschlossen, um die diesbezügliche Desinformation der Klimaskeptiker zu widerlegen.
    https://pastglobalchanges.org/science/wg/2k-network/intro

    Fridays for Future bestreikt Schule und betreibt alternative Bildungsarbeit: #WirBildenZukunft
    https://fridaysforfuture.de/
    https://www.youtube.com/playlist?list=PL37AJ6Wl9Tde0X6OVCPIORv6l5rYj7Wm1
    Die Students for Future machen Bildungsarbeit in der Public Climate School: https://publicclimateschool.de/
    Die deutschsprachigen Scientists for Future untermauerten entscheidend mit einer schnellen, durchschlagenden Unterstützungsaktion die Forderungen von Fridays for Future, lobbyieren für die künftigen Generationen und machen vielfältige Bildungs-Angebote; z.B. die Experten-Vorträge: https://files.scientists4future.org/index.php?path=9__Autorenvortr%C3%A4ge
    Zusammen mit den Teachers for Future, veranstalten sie das Klima in der Schule Symposium KISS:
    https://schule.scientists4future.org/
    Teachers for Future fordern die sofortige und konsequente Umsetzung der von den UN (inklusive Deutschland) 2014 beschlossenen 17 Zielen der Bildung für Nachhaltige Entwicklung BNE:
    https://teachersforfuture.org/
    https://de.wikipedia.org/wiki/Ziele_f%C3%BCr_nachhaltige_Entwicklung

    Der Verein Klima*Kollektiv Köln hat 2021 ein Positionspapier zur Bewertung der verschiedenen Klimaschutz-Strategien veröffentlicht, die allem Scheinlösungen kritisiert:
    https://www.klimascheinloesungen.de

    Die NGO La Via Campesina vernetzt global nachhaltige Initiativen für Ernährungssouveränität: https://viacampesina.org/en/

    Die Lancet Commission hat 2019 aus der Forschung zur Planetary Health die Planetary Health Diet entwickelt.
    https://eatforum.org/eat-lancet-commission/the-planetary-health-diet-and-you/

    Der Production Gap Report des United Nations Environmental Programme UNEP beziffert die Relation zwischen dem Anspruch (Pariser Abkommen) und Wirklichkeit im Klimaschutz.
    UNEP: [Verknüpfung]
    Bericht: [Verknüpfung]

    Das Redaktionsteams des Online-Magazins Riffreporter und des Monatshefts blaetter bringen komplexe Themen, die Massenmedien gerne liegen lassen, auf den Punkt.
    riffreporter: https://www.riffreporter.de/de
    blaetter: https://www.blaetter.de/
    blaetter fasst zudem in einem monatlichen Podcast die wesentlichen Themen der Zivilgesellschaft zusammen; sie lassen sich wie ein Update, die zwölf Ausgaben eines Jahres im Rückblick auch wie eine Chronik, anhören.
    blaetter podcast: https://www.blaetter.de/podcast

    Der investigative Youtube-Videoblogger Alexander Prinz alias "der dunkle Parabelritter" betreibt Aufklärung gegen die verbreitete Desinformation in Politik und Zivilgesellschaft und ist medienpädagogisch empfehlenswert.
    Youtube: https://www.youtube.com/channel/UCK4LDHLxBqiAtcwCm4z7DRg
    Twitch: https://www.twitch.tv/derdunkleparabelritter

    Der Ingenieur Dr. Andreas Schmitz berichtet in seinem Videoblog Akkudoktor über seine Selbstbau-Projekte in Sachen Energie- und Wärmewende auf eine Weise, die im besten Sinne aufklärend ist und zum Ausprobieren von Selbstwirksamkeit ermutigt. Schmitz war Mitinitiator der Bundestagspetition zu Balkonkraftwerken, denen sich alle Parteien inklusive der AfD anschlossen: https://www.youtube.com/@akkudoktor

    Der Chemiestudent von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster Tom Bötticher forscht an Akkus und beschäftigt sich in seinem Youtube-Videoblog Doktorwissenschaft mit der Aufklärung von fossiler Desinformation über die Verkehrs- und Energiewende: https://www.youtube.com/@TomBoetticher
    Er ist bekannt für seine Beteiligung an einer bedeutenden Studie zur erhöhten Selbstentladung erhitzter Li-Ionen-Akkus durch die Verwendung eines ungeeigneten Klebebands aus PET bei der Konstruktion.

    Climate Interactive ist ein Projekt des Sloan-Instituts am Massachussetts Institute of Technology MIT, dem Institut, an dem Dennis Meadows' Team die Prognosen Limits to Growth für den Club of Rome berechnet hatte: climateinteractive.org/
    Es hat mittlerweile neben vielfachen Informationsprogrammen neue Simulationen online gestellt, die Nutzer nach dem aktuell besten Stand der Wissenschaft selbst auslösen können: En-ROADS und C-Roads.
    Das Multisolving Institute ist eine weitere Abteilung von Climate Interactive. Es beschäftigt sich mit den Lösungen des Anthropozän-Problems: https://www.multisolving.org/

    Studie zur Akzeptanz von Klima- und Biodiversitsschutz (Planetary Health) an der Universität Erfurt, Planetary Health Actions Acceptance Study Erfurt pha2se: https://projekte.uni-erfurt.de/pha2se/summary/analysis/

    Climate Action Tracker visualisiert die verfügbaren Daten zu CO2-Emissionen nach Sektoren und Ländern und bietet darüber hinaus weitere Berichte und einen Blog:
    https://climateactiontracker.org/data-portal/

    Die Potentiale von Carbon Dioxide Removal CDR werden seit 2023 von einer großen internationalen Forschergruppe erfasst: The State of CDR.
    https://www.stateofcdr.org

    Unter Koordination einer Gruppe am University College London UCL erfassen zig Gruppen internationaler Wissenschaftler seit 2014 im jährlichen Bericht Lancet Countdown die verschiedenen Aspekte von Klimagesundheit und geben Empfehlungen.
    https://www.lancetcountdown.org/about-us/interact-with-the-key-findings/

    Die Datenbank gogel von Urgewald listet die Unternehmen auf, die die Carbon Bomb betreiben, den Overshoot über 1,5°: https://gogel.org/

    Energiewende sachlich und anschaulich erklärt von Klaus Russell-Wells:
    https://joul.de

    [Verknüpfung]

    Dave Borlace tut das Gleiche auf Englisch: Just have a think - The Climate and Sustainable Energy Channel.

    Die Bundesnetzagentur bietet interaktive Grafiken zur Visualisierung der deutschen Strommarkt-Daten: https://www.smard.de/page/home/marktdaten/78
    Darauf basieren die Simulationen der Lade GmbH, bei der man eine Vervielfachung der einzelnen Quellen Erneuerbarer Energie und zusätzlich den variablen Einsatz von Akku-Netzspeicher simulieren kann.

    Ein oder besser das Spezialgebiet des Journalisten Udo Leuschner ist die deutsche Energiewirtschaft. Er stellt im Internet Basiswissen und die Chronik (seit Juni 1991) der Energiepolitik zur Verfügung:
    https://www.udo-leuschner.de/basiswissen/index.htm
    https://www.energie-chronik.de/chframe.htm

    Der interaktive Atlas des IPCC zeigt detaillierte Klima-Prognosen auf interaktiven Karten:
    https://interactive-atlas.ipcc.ch/

    Dürremonitor des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung Leipzig:
    https://www.ufz.de/index.php?de=37937

    Hochwasser-Zentralen:
    https://www.hochwasserzentralen.info/

    Die Geschichte der internationalen Klimaforschung bei Spencer Weart vom American Institute of Physics; empfehlenswert auch die Seite "personal notes":
    https://history.aip.org/climate/internat.htm

    Politische Aktivitäten und kriminelle Machenschaften von Klimaskeptikern investigativ beleuchtet:
    https://insideclimatenews.org/
    Die frühe Vorläufer-Plattform ScienceCorruption.com beschäftigt sich noch mit den libertären Unterstützern der Tabakindustrie; hier finden sich auch die Veteranen der Klimaskeptiker:
    https://sciencecorruption.com/

    Wer trägt die Verantwortung? Fragt Climate Accountability
    https://climateaccountability.org/

    Was API (American Petroleum Institute) und Exxon wussten:
    https://exxonknew.org
    http://www.rapidshift.net/smoke-fumes-the-deep-history-of-oil-and-climate-change/
    Methoden der Wissenschaftsleugner, Verbindungen der Ölindustrie mit der Tabakindustrie:
    https://www.smokeandfumes.org

    Sammmlung der University of California San Francicso mit Millionen interner Papiere der US-Industrie, die ihre Desinformation zu Tabak, Chemikalien, Arzneimittel, Nahrung und fossile Brennstoffe dokumentieren, ausgehend von den Cigarette Papers.
    https://www.industrydocuments.ucsf.edu/

    Tagesaktuelle Überblicke liefert:
    https://www.heise.de/tp/energie-und-klima/

    Zusammenhänge rund um aktuelle Vorkommnisse der Energiewende beleuchtet Klaus Müller als Blogger (nichts für schwache Nerven...):
    https://energiewende-rocken.org/
    ...und zusammen mit seiner Community Europäische Energiewende:
    [Verknüpfung]
    Besonders zu erwähnen die neue Studie über erfundene Anti-Windkraft-Aktivisten und das EEG-Paradoxon.

    Neues aus der German Energiewende:
    https://klimareporter.de
    ...vorher: http://www.klimaretter.info
    dort auch ein Dossier zur Energiekehrtwende (man nennt es dort Klimaschmutzplan):
    http://www.klimaretter.info/serie/klimaschmutzplan

    Toralf Stauds und Nick Reimers Blog über fossile Desinformation wie Klimaskepsis und Greenwashing:
    http://klima-luegendetektor.de/

    International, v.a. wichtig wegen der Berichte über die Desinformationsfabriken in den USA:(gewannen 2013 den Pulitzer-Preis und 2021 den National Headliner Award)
    https://insideclimatenews.org/

    aktuelle Daten zu Subventionen:
    https://www.energypolicytracker.org/

    influencemap untersucht die Einflussnahme fossiler Investoren auf die Politik:
    https://influencemap.org/FAQ

    Vernetzung von Politik und Fossilwirtschaft:

    • klassische Journalisten
      • Netzwerk correctiv
      • Die Zeit
      • Süddeutsche Zeitung
      • Der Spiegel (allerdings eher bei Themen, die außerhalb der Fossilthematik liegen)
    • Journalisten öffentlich-rechtlicher Rundfunk- und Fernsehanstalten
      • Deutschlandfunk
      • ZDF zoom
      • ZDF Frontal 21
      • WDR monitor
      • MDR Panorama
      • SWR Report
    • NGOs; unter ihnen finden sich zahlreiche, denen das Finanzamt die Gemeinnützigkeit aberkannt hat:
    • ... und natürlich Kabarettisten:
      • Die Anstalt
      • Mann, Sieber
      • Hagen Rether
      • ...

    Der Anthropozän-Blog von Reinhold Leinfelder: "Der Anthropozäniker - Unswelt statt Umwelt."
    https://scilogs.spektrum.de/der-anthropozaeniker/

    Die internationale Stiftung future earth publiziert seit 2016 die kostenlose Zeitschrift Anthropocene.
    https://www.anthropocenemagazine.org/

    "Mein" Thema aus Sicht eines Energieberaters (leider erst zu spät entdeckt - ich hätte mir viel Arbeit ersparen können):
    http://www.oekosystem-erde.de/index.html

    Basisfakten beim deutschen Klima-Konsortium:
    https://www.deutsches-klima-konsortium.de/de/basisfakten.html

    Eine kurze Geschichte des Klimawandels:
    https://www.bbc.com/news/science-environment-15874560

    Kippelemente des Klimasystems:
    https://www.klimareporter.de/tag/serie-kippelemente

    Zahlen zur CO2-Emission und -Budgets:
    https://www.globalcarbonproject.org/

    Stefan Rahmstorf zur Frage: Wie erkennt man einen echten Klima-Experten?
    https://scilogs.spektrum.de/klimalounge/wie-erkennt-man-echte-klimaexperten/

    Diskussion der Thesen von Klimawandel-Leugnern und Klimaschutz-Bremsern:
    https://www.klimafakten.de
    Klimafakten bringt seit 2021 Dossiers mit der Zusammenfassung der Klimafakten herausgegeben.
    2022: https://www.klimafakten.de/meldung/was-wir-heute-uebers-klima-wissen-basisfakten-zum-klimawandel-die-der-wissenschaft
    http://klima-luegendetektor.de

    Klimasimulationen beim Deutschen Klimarechenzentrum:
    https://www.dkrz.de

    Meerespiegelkarten bei Firetree:
    http://flood.firetree.net/
    Projektion für 2050:
    https://coastal.climatecentral.org/

    Klimawandel lokal in Rheinland-Pfalz:
    http://www.kwis-rlp.de
    http://www.kwis-rlp.de/fileadmin/website/klimakompetenzzentrum/downloads/Veroeffentlichungen/Themenhefte/Themenheft_Klima_kompr.pdf

    Klimaschäden in Zahlen:
    https://www.munichre.com/de/loesungen/fuer-industriekunden/natcatservice.html

    Der Bodenatlas des BUND 2015:
    https://www.bund.net/service/publikationen/detail/publication/bodenatlas-2015/

    Weltagrarbericht:
    https://www.weltagrarbericht.de/

    Klimawandel und Wasserwirtschaft - eine Arbeitsgemeinschaft der Landes-Umweltministerien und -Ämter berichtet
    https://www.kliwa.de/

    Die Atlanten der Heinrich-Boell-Stiftung: Matrialsammlungen zu Themen, Schwerpunkt Konsum: https://www.boell.de/de/die-atlanten-der-heinrich-boell-stiftung

    Wege aus der Plastik-Krise: https://act.greenpeace.de/wege-aus-der-plastikkrise/

    Kritische Informationen zur Finanzpolitik in Deutschland von Team Finanzwende:
    https://www.finanzwende.de/
    Skandal-Videos zum Thema:
    https://www.finanzwende.de/ueber-uns/finanzschelle/



    Agora 2021: Prognos, Öko-Institut, Wuppertal-Institut (2021): Klimaneutrales Deutschland 2045. Wie Deutschland seine Klimaziele schon vor 2050 erreichen kann. Zusammenfassung im Auftrag von Stiftung Klimaneutralität, Agora Energiewende und Agora Verkehrswende. URL: https://www.agora-energiewende.de/veroeffentlichungen/klimaneutrales-deutschland-2045/

    AEE 2019: N.N.. Mit Sektorenkopplung Synergien für die Energiewende schaffen. Agentur für Erneuerbare Energien e.V.. Berlin 2019. URL: https://www.youtube.com/watch?v=n9D_4OnzKd0

    ai 1977: amnesty international. Colonie Dignidad - ein Folterlager der DINA. ai 1977. URL: https://colonia-dignidad.com/wp-content/uploads/2021/01/Broschuere-Colonia-Dignidad-ein-Folterlager-der-DINA-19-77.pdf

    Aleo 2018: Der Siegeszug hocheffizienter Solarzellen – Was sie über die PERC-Technologie wissen sollten. Aleo Solar. Prenzlau 2018. URL: https://www.aleo-solar.de/der-siegeszug-hocheffizienter-solarzellen/

    Amerland 2024: Andrea Amerland. Springer Professional 24.04.2024. Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH. Wiesbaden 2024. URL: https://www.springerprofessional.de/verguetung/arbeitsrecht/in-deutschland-wird-geschuftet-wie-noch-nie/26993268

    API 1965: N.N.. American Petroleum Institute - Proceedings 1965. API 1965. Washington 1965. URL: https://assets.documentcloud.org/documents/5348130/1965-API-Proceedings.pdf

    Armbrüster 2020-1: Armbrüster, T.. Machbar - Zukunft durch Verbote. Podiumsdiskussion mit Maja Göpel und Ulf Poschardt. Futurium. 20.09.2020. URL: https://futurium.de/de/veranstaltung/machbar-verbote-2/machbar-zukunft-durch-verbote

    Armbrüster 2020-2: Armbrüster, T.. Machbar - Zukunft durch Verbote. Podiumsdiskussion mit Maja Göpel und Ulf Poschardt. Futurium. 20.09.2020. URL: https://www.youtube.com/watch?v=4Spy3nhikiU

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    Arte 2019: Viallet, Jean-Robert (Regie); Jean-Robert Viallet, Christophe Bonneuil, Jean-Baptiste Fressoz (Buch); Alexandre Cornu, Victor Ede (Produktion). Die Erdzerstörer (Originaltitel: L'Homme a mangé la Terre). Cinephage Productions, Stenola Productions, ARTE France, CNC, RTBF, Tax shelter.be. Frankreich und Belgien 2019. URL: https://www.arte.tv/de/videos/073938-000-A/die-erdzerstoerer/
    Stenola: https://stenola.be/en/film/le-grand-dereglement/
    Archive.org: https://archive.org/details/DieErdzerstrer
    Youtube: https://www.youtube.com/watch?v=sWlbnNDu6OE

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    URL des Manuskripts im Archiv docplayer: https://docplayer.org/203178704-Beitrag-die-goldhaendler-von-degussa-afd-geschaefte-und-rechte-gesinnung.html
    URL des Videos in der ZDF-Mediathek: https://rodlzdf-a.akamaihd.net/none/zdf/21/01/210112_clip_4_f21/1/210112_clip_4_f21_2360k_p35v15.mp4

    BASE 2021: Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung: Small Modular Reactors - Was ist von den neuen Reaktorkonzepten zu erwarten? 10. März 2021. URLs: https://www.base.bund.de/DE/themen/kt/kta-deutschland/neue_reaktoren/neue-reaktoren_node.html, https://www.base.bund.de/SharedDocs/Downloads/BASE/DE/berichte/kt/gutachten-small-modular-reactors.pdf

    BASE 2023: Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE). Analyse und Bewertung des Entwicklungsstands, der Sicherheit und des regulatorischen Rahmens für sogenannte neuartige Reaktorkonzepte. Zwischenbericht zu AP-1 und -2 Vorhaben 4721F50501. BASE März 2023. Berlin 2023. URLs:
    (1) Studie: https://www.base.bund.de/SharedDocs/Downloads/BASE/DE/berichte/kt/zwischenbericht-gutachten-sogenannte-neuartige-reaktorkonzepte.pdf
    (2) Pressemitteilung: https://www.base.bund.de/DE/themen/kt/kta-deutschland/neuartige-reaktorkonzepte/sogenannte-neuartige-reaktorkonzepte-gutachten.html

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    (3) Pressemitteilung: https://www.unbonn.org/de/news/un-warnt-im-global-land-outlook-2-vor-chronische-landverschlechterung-und-bietet-praktische

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    Ich habe für diese Arbeit meiner Familie sehr viel Zeit vorenthalten. Ich weiß nicht, wie ich mich dafür bedanken kann, oder ob eine Bitte um Verzeihung nicht eher angebracht wäre. Immerhin tue ich dies auch für meine eigenen Kinder.
    Eine Tragik an unserer Zeit ist, dass sie uns so viel mehr Möglichkeiten bietet als jemals zuvor, dass aber viele dieser Möglichkeiten durch Desinformation verhindert werden. Es geht um alles. Es war das, was Häuptling Seattle meinte, als er sagte: "Wir werden sehen."
    Für Fragen, konstruktive Anregungen oder Hinweise auf Fehler bin ich dankbar: za881@lehrer.uni-karlsruhe.de
    ©Harald Thielen-Redlich 2019-2022

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