Wernher von Braun - Lebenslauf
Eintritt ins Heer -
Raketenforschung für die Reichswehr (1932-1934)

Die ersten Pläne

Das Heereswaffenamt engagierte das Raketenteam um den Raketenflugplatz Berlin und sollte die Entwicklung der Raketenforschung vorantreiben. Ziel war bereits damals im Rahmen der Wiederaufrüstung die Konstruktion einer Fernwaffe, welche die Pariskanone übertreffen sollte. Bereits 1929 erhielt Oberst Karl Becker, der Leiter der ballistischen Versuchsabteilung und spätere Chef des HWA, von der Reichswehr die Genehmigung für ein Programm zur Erforschung von Feststoffrakete, die unter anderem als Kriegsraketen dienen sollten. Ein Jahr später bemühte sich Becker um die Finanzierung von Flüssigkeitsraketen.
Der erste Konflikt zwischen der Reichswehr und den Raketenamateuren bestand darin, dass einerseits das marktschreierische Werben für die Raketenforschung unverzichtbar war, andererseits aus Sicht des HWA aber eine strikte Geheimhaltung unvermeidlich war, da die konstruierte ballistische Rakete eingesetzt werden sollte "um diese in einem künftigen Krieg als Überraschungswaffe einzusetzen und so den Kollaps der gegnerischen Moral herbeizuführen" (Weyer 1999, S.21).

Projekt am Rande der Legalität

Wernher von Braun und Becker, der Chef des HWA, kamen überein, die Raketenforschung auf eine neue Grundlage zu stellen. Becker bot von Braun "eine gewisse finanzielle Unterstützung an, vorausgesetzt, dass wir bereit sind, unsere Arbeit in der Anonymität hinter den Mauern einer Armee-Einrichtung durchzuführen" (Wernher von Braun, Reminiscenes, S.130). Hier zeigte sich zum ersten Mal die Skrupellosigkeit von Brauns, da er sich für ein geheimes Rüstungsprojekt entschied, das am Rande der Legalität das Ziel verfolgte, die Bestimmungen des Versailler Vertrages nicht verletzende Waffenentwicklungen voranzutreiben. Später rechtfertigte von Braun seine damalige Entscheidung mit dem Argument, "die finanziellen Mittel und die Anlagen der Armee [seien] der einzige praktische Ansatzpunkt auf dem Weg zur Raumfahrt [gewesen]. [Zu diesem Zeitpunkt] dachte keiner von uns an die Zerstörungen, welche Raketen schließlich als Kriegswaffen verursachen würden." (Wernher von Braun, Reminiscenes, S. 130). Weiterhin sei der Einstieg in ein Waffenprogramm der Reichswehr der erste Schritt zur Raumfahrt gewesen.

Allerdings bekannte er sich später öffentlich, indem er sagte: "Als deutscher Wissenschaftler unter Hitler war ich verantwortlich für das V-2-Programm, in dem die tödlichen Raketenwaffen geschaffen wurden, mit denen die Nazis gegen Ende des Krieges ihre Gegner terrorisierten" (Why I chose America, in: "American Magazine" Juli 1952, S. 15).

Raketenprogramm wird geheim

Im Sommer 1933 musste der Raketenflugplatz Berlin schließen, da sich die Reichswehr weigerte, die Pacht zu verlängern. Dies war für das HWA eine willkommene Gelegenheit, die gesamte Raketentechnik aus der Öffentlichkeit verschwinden zu lassen. Das Ziel der Armee, ein geheimes Forschungsprogramm zur Entwicklung einer militärisch verwendbaren Flüssigkeitsrakete zu schaffen war durch das Arrangement mit Wernher von Braun also erreicht.

Am 1. Dezember* trat von Braun als Zivilangestellter in den Dienst der Reichswehr und schrieb sich zum Wintersemester 1932/33 an der Universität Berlin ein. Wernher von Braun hatte von nun an zweifellos eine Schlüsselstellung in der deutschen Raketenforschung eingenommen.

* Eisfeld datierte den 1. November als Beitrittsdatum.

Anfänge in Kummersdorf; erste erfolgreiche Tests

Die ersten Schritte fanden in Kummersdorf unter sehr primitiven Bedingungen statt, allerdings verbuchte von Braun bereits im Januar 1933 den ersten erfolgreichen Test eines einfachen Raketentriebwerks. Schließlich wurde daraufhin die Von-Braun-Gruppe, die vorher aus von Braun selbst und einem einzigen Mechaniker bestand, wesentlich verstärkt. Im Juni 1933 konnte dann ein Entwurf für das Aggregat 1 (A 1) mit 300 Kilogramm Schub vorgelegt werden.

"Max" und "Moritz"

Der wichtigste Schritt zur Eröffnung einer professionellen Forschung waren jedoch zwei A-2-Raketen mit den Namen "Max" und "Moritz", die am 19. und 20. Dezember 1934 auf der Insel Borkum erfolgreich gestartet wurden. Beide Raketen erfüllten die Erwartungen und erreichten Höhen von etwa 1700 Metern.
Die Türe zur Entwicklung einer ballistischen Großrakete war nun geöffnet; die Zeit der Amateurforschung war Vergangenheit. Von nun an musste es im großen Stil weitergehen, denn das "Interesse der Militärs, aber auch der Politik an der Raketenforschung [war] geweckt worden" (Weyer 1999, S. 28)

Bedeutung der Rakete für Rüstung und Politik

"Die Nazi-Größen gaben sich ab Herbst 1933 in Kummersdorf die Klinke in die Hand, und selbst Adolf Hitler stattete am 29. September 1933 erstmals seinen Besuch ab, nicht ohne daraufhin eine erhebliche Aufstockung der Mittel in die Wege zu leiten. Die Armee hatte das Raketen-Projekt fest im Griff, das Nazi-Regime hatte es fest im Blick. Die künstliche Trennung von Nationalsozialismus und Raketenforschung, wie sie in der Legende um Peenemünde immer wieder konstruiert wurde, hat in der Praxis nie existiert" (Weyer 1999, S. 28)


Hitler in Kummersdorf

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