Wassiliewska, Galina

Wassiliewska

Galina Wassiliewska; Arbeitseinsatz in Augsburg, Streichholzfabrik Biehr

Auch Galina traf ich bereits im März 2006 in Kiew. Im Alter von 12 Jahren wurde sie nach Deutschland, nach Augsburg deportiert. Mittlerweile ist sie 77 Jahre alt, sieht aber deutlich jünger aus. Der Vater von Galina wurde bereits 1933 unter Stalin aus politischen Gründen nach Sibirien deportiert, als er zehn Jahre später aus dem Straflager entlassen wird, kehrt er nach Kiew zurück. Seine Frau will nicht mit ihm in den Kaukasus, so trennen sich beide und der Vater von Galina heiratet nochmals. Kurz danach wird er zum Kriegsdienst einberufen. Sie sieht ihren Vater nach dem Krieg nur noch wenige Male, zur Geburt ihrer Tochter 1961 besucht er sie. Dann trennen sich die Wege.

1942 wird Galina gemeinsam mit ihrer Mutter nach Augsburg deportiert. Die Mutter ist 33, sie ist 12 Jahre. In Augsburg arbeitet Galinas Mutter in der Fabrik, ihre Behandlung ist demütigend. Auch Galina arbeitet einen halben Tag in der Fabrik des Streichholzfabrikanten Biehr in der Nähe der Kahnfahrt in der Nähe der Jakobermauer. Galina macht mir eine Skizze von der Lage des Betriebes.. Die Streichholzfabrik wurde während der Bombardierungen 1944 vollständig vernichtet. Die Baracken der Zwangsarbeiter befanden sich auf dem Werksgelände, neben den Ostarbeitern waren auch Franzosen bei Herrn Biehr beschäftigt. Die Direktorin nahm sie gerne am Nachmittag mit in die Stadt zum Einkaufen, manchmal durfte sie sogar alleine in die Stadt gehen. Frau Erna Biehr war eine warmherzige, humorvolle Frau, sie sang sehr gerne und liebte die Natur. Galina hat nur gute Erinnerungen an Frau Biehr und bittet mich, ihr Grab zu finden und Blumen niederzulegen. Ich verspreche, mich darum zu bemühen.

Galina ist sehr aufgeregt, mich zu treffen, sie setzt mehrere Male an und verliert manchmal den Faden, sie ist zu aufgewühlt. Galina musste viele Schicksalsschläge überstehen. Die Tochter verunglückte tödlich, so zog sie ihre beiden Enkelkinder auf. Mittlerweile sind die Enkelkinder 19 und 25 und die einzige Freude im Leben von Galina. Glücklicherweise besuchen die Enkel ihre Oma regelmäßig. Ihr Mann sitzt nach einem Schlaganfall im Rollstuhl.

Ich bin besonders betroffen davon, dass Sie mir die Bilder ihrer Tante und ihres Onkels zeigt und mich fragt: „Sehen so die Gesichter einer minderwertigen Rasse aus?“ Noch nach über 65 Jahren sitzt die Demütigung durch die Nazis tief.

Galina ist fast blind. Ihr Mann ist kein Kriegsveteran, daher zahlt die Krankenkasse auch nicht notwendige Operationen. Ältere Menschen in der Ukraine vermeiden daher, wenn es sich vermeiden lässt, operative Eingriffe, denn die müssten sie selber bezahlen. Aber es gibt eben zweierlei ärztliche Versorgung : die eine für die Reichen, die andere ist eine reine Notversorgung für diejenigen, die über kein Geld verfügen. Es gibt eine Liste derjenigen Medikamente, die für Pensionäre kostenlos sind, alle anderen müssen bezahlt werden. Aber woher das Geld nehmen, bei gerade mal 120 Euro Pension?

Wie schon im letzten Jahr überreiche ich Frau Wassiliewska einen Geldbetrag und sie ist überglücklich. Ich verspreche, sie beim nächsten Male wieder zu besuchen.


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