Paraskowa, Orlowa

Paraskowa

Orlowa Paraskowa, geb. am 30.10.1923; Arbeitseinsatz Kammgarnspinnerei Augsburg

Mit dem Taxi fahren wir zu Frau Orlowas Wohnung. Paraskowa steht schon vor dem Haus und so fahren wir mit ihr zur Stiftung und dort unterhalten wir uns. Weshalb nicht bei ihr zuhause? Ihr Enkel wohnt bei ihr, der ist Alkoholiker und würde ihr sofort das ganze Geld abnehmen. Er darf nicht einmal wissen, dass wir sie besucht haben.

Paraskowa wohnte 1942 in Ivankovicy bei Kiew und erhält dort von den hiesigen Behörden den Gestellungsbefehl nach Deutschland. Auch die Jungs aus den Nachbarfamilien müssen nach Deutschland, aber sie kennt die anderen kaum, denn ihr Vater wird nach Leningrad aus politischen Gründen deportiert, und sie muss mit, erst 1938 kehren sie aus der Gefangenschaft zurück.
Am 6. Juli 1942 beginnt ihre Deportation nach Deutschland. Sie erinnert sich an den Güterwaggon, Essen hatte sie mitzubringen, der Zug legte einige Zwischenstopps ein, dann ging es mit Lastwagen weiter.
In Augsburg wird sie von einem Mann ausgesucht für die Arbeit auf einem Bauernhof, wo sie Kühe melken soll, aber das kann sie nicht. Sie kommt zu Tonis Schweiger nach Augsburg, Hindenburgstrasse 20. Dort hat sie in der 2. Etage ein eigenes Zimmer, auch ein Russe und zwei Polen sind mit ihr dort bei der Arbeit. Das Essen ist ordentlich, sie werden gut behandelt, es gibt lediglich einmal eine Prügelei mit Russen.

Danach kommt sie nach zur Kammgarnspinnerei und ist dort auf dem Fabriksgelände untergebracht. Viele Mädchen teilen sich das Zimmer. Die Mädchen müssen in der Fabrik die Fäden von den großen auf die kleinen Spulen umlegen.
Als am 28. Februar 1944 durch einen Bombenangriff die Fabrik zerstört wird, entkommt sie der Bombardierung wie durch ein Wunder. Überall lagen Trümmer umher, die Wasserleitung war gesprengt, sie erinnert sich, dass nur eine Ecke stehenblieb mit einem Schrank. Ein Deutscher hilft den ukrainischen Mädchen, durch das Fenster aus der Fabrik zu kommen. In den folgenden drei Nächten werden die Mädchen ständig woanders hingeführt, nach 3 Tagen kommen sie schließlich nach Göggingen, wo sie bis zu ihrer Befreiung durch die Amerikaner bleiben. Sie wohnen im Lager und müssen nicht mehr arbeiten. Sie erinnert sich, dass sie mit einer polnischen Frau mit zwei Kindern untergebracht war. Die hygienischen Verhältnisse scheinen nicht sehr vorteilhaft gewesen zu sein, denn sie bekommt Läuse.

Nach 1946 erst kehrt Paraskowa in ihre Heimat zurück, denn sie war wie viele ihrer ukrainischen Leidensgenossinnen zuerst in einem Filtrationslager in Strigau, wo sie über ihre Tätigkeit in Deutschland befragt wurde. Dort lernt sie ihren späteren Mann kennen, der beim sowjetischen Lagerleiter beschäftigt war.

1947 wird sie Mutter eines Sohnes, 1948 wird die Tochter Ludmilla geboren. Ludmilla stirbt im März 2007 durch einen Autounfall und so kümmert sie sich um ihren Enkel Wladimir, der sie regelmäßig besuchen kommt, vor allem wenn er kein Geld mehr hat und Stoff, d.h. Wodka benötigt.
Zu allem Unglück stirbt Wladimirs Ehefrau Ilina 4 Tage nach dem Tod seiner Mutter im Alter von 30 Jahren. Sowohl Ilina als auch Wladimirs Mutter Ludwina waren Alkoholiker, auch Wladimirs Vater und Großvater tranken regelmäßig. Wladimirs neue Freundin Lena versorgt ihn regelmäßig mit Alkohol, sie ist Straßenverkäuferin. Wenn sie kein Geld hat, kommt Paraskowas Enkel zu ihr, schläft seinen Rausch aus und bestiehlt sie regelmäßig.
Für mich steht eines fest: wir können der Frau das Geld nicht mit nach Hause geben, dann würde der Enkel das Geld sofort in Alkohol umsetzen. Sie sagt sie brauche das Geld für eine dringende Augenoperation, aber ich bitte sie, regelmäßig in die Stiftung zu kommen. Dort könne sie dann einmal oder zwei Mal pro Woche einen Geldbetrag abholen, und zwar in Griwna, damit es der Enkel nicht merkt. Wenn sie die Operation Vornehmen lassen wolle, dann könne der hinterlegte Geldbetrag von der ukrainischen Stiftung ausbezahlt werden.

Ernüchtert verabschieden wir die Frau und fahren sie in ihre Wohnung zurück, wo hoffentlich der im Vollrausch liegende Enkel hoffentlich nichts von dem Geldbetrag erfahren wird. Auch das ist ein Teil des ukrainischen Alltags.


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