Zwangsarbeit - Lager vor Ort -
Das System der KZ-Außenlager von Dachau

Musterlager Dachau

Am 21.März 1933, kurz nach der Etablierung der NS-Terrorherrschaft, wurde bei Dachau ein KZ als "Musterlager" und zur Ausbildung der SS-Mannschaften anderer Lager gegründet. Das KZ Dachau war das erste NS Konzentrationslager und hatte "Vorbildfunktion" für alle später eingerichteten Lager.

Isolation der Gefangenen

Seine Hauptaufgabe war die Unterbringung linker Oppositioneller in "Schutzhaft", später wurden auch Strafentlassene aus politischer Haft, Juden, Zigeuner, Homosexuelle, "Asoziale", religiös motivierte Kriegsdienstverweigerer und Kriegsgefangene dort interniert.
Insgesamt waren bis 1945 Menschen aus 30 Nationen im Lager . Offiziell sind 206.206 Menschen durch dieses Lager gegangen. Sie durchlitten Schikanen, Hunger, medizinische Menschenversuche und Quälereien, bewacht von über 3.000 SS-Wärtern.
Laut Lagerkartei fielen 32.591 Häftlinge dieser Behandlung, den Hinrichtungen und nicht zuletzt der Ausbeutung in den Arbeitskommandos zum Opfer.

(Barbara Distel/Wolfgang Benz, Das Konzentrationslager Dachau 1933-1945. Geschichte und Bedeutung, München 1994, S. 5-37; W. Kucera, S. 71 ff.)

Vernichtung durch Arbeit

Dachau war kein Vernichtungslager, dennoch fand insbesondere in den 169 Außenlagern "Vernichtung durch Arbeit" statt. Diese existierten nicht alle zur gleichen Zeit. Mitte April 1945, kurz vor Ende der NS-Herrschaft, gab es noch etwa 80 Außenlager. In ihnen waren mehr als 30.000 Gefangene inhaftiert, mehr als im KZ Hauptlager Dachau.
Die Mehrzahl der Dachauer Außenkommandos - etwa 50 - befand sich in München oder in unmittelbarer Umgebung (Schleißheim, Karlsfeld) der Landeshauptstadt. Im größten und für die Rüstungsproduktion wichtigsten Münchener Außenlager in Allach arbeiteten ab 22. Februar 1943 bis zur Befreiung Ende April 1945 zwischen 17000 und 22000 Häftlinge in einem Werk der BMW in der Produktion von Flugzeugmotoren .Die Bewachung lag bei 800 SS Leuten.

Unternehmen Ringeltaube

Ab 1944 wurde der Bau unterirdischer Rüstungsfabriken forciert. Für Konstruktion und Ausführung war die dem Reichsminister Albert Speer unterstehende "Organisation Todt" zuständig, für die Arbeitskräfte sorgte die SS. Speziell zum Bau unterirdischer Fertigungshallen hatte Hitler im Frühjahr 1944 die Deportation von 100000 ungarischen Juden befohlen, da es in Polen keine jüdischen Zwangsarbeiter mehr zu rekrutieren gab.
Die jüdischen Sklaven konterkarierten so auf makabre Weise die Behauptung der Nationalsozialisten, das Gebiet des Deutschen Reiches sei judenfrei.
Um die deutsche Flugzeugproduktion von alliierten Luftangriffen unabhängig zu machen, wurde deren Fertigung in unterirdische Fabrikhallen verlegt.
Unter dem Decknamen "Ringeltaube" wurden im Frühjahr bei Landsberg am Lech drei Bauwerke in Angriff genommen. Es handelte sich um halb unterirdische Betonbunker von riesigem Ausmaß (240 m Länge, Bogen-Spannweite 83 m, innere Höhe 25,4 m.
Für diese Bauarbeiten wurden in Kaufering mehrere Häftlingslager eingerichtet. In der Nähe der Rüstungsbauten (Tarnbezeichnungen Weingut II, Diana II und Walnuss I) entstanden insgesamt 11 Lager davon die Lager I, II, III, und XI nordwestlich von Landsberg, das Lager IV bei Hurlach und das Lager VII bei Erpfting. Zwei weitere Lager waren Lager V und X bei Utting am Ammersee. In Türkheim befand sich Lager VI.

Auch in Augsburg entstanden KZ-Außenlager. Ab 9.Februar 1943 bis Mitte April 1944 wurden in der Gemeinde Haunstetten 2.700 Häftlinge untergebracht, die bei Messerschmitt AG in der Flugzeugfertigung arbeiteten. Das Außenlager wurde am 13.4.1944 bei einem Bombenangriff zerstört, wobei viele Häftlinge umkamen.
Sechshundert der überlebenden Häftlinge kamen hierauf in das ungefähr zehn km nördlich von Augsburg gelegene KZ-Außenlager Gablingen. Auch dieses wurde, vermutlich am 25.April 1944 durch einen Bombenangriff zerstört.
Ende April 1944 wurde deshalb in der damaligen Luftnachrichtenkaserne in Augsburg-Pfersee ein neues Lager eingerichtet, in dem noch bis zur Befreiung am 23.April 1945 über 1000 Häftlinge beschäftigt waren.
Auch in Horgau bestand vom 4.März 1945 bis zum 4. April 1945 ein KZ-Außenlager unweit des Bahnhofs, das mit etwa 300 Häftlingen belegt war.

Ungarische Jüdinnen im KZ Frauenlager Augsburg-Kriegshaber

Parallel zum Außenlager Augsburg-Pfersee bestand in der Zeit vom 7.September 1944 bis zum 25. April 1945 in Frauenlager in Augsburg-Kriegshaber. Bei den damaligen Michelwerken. Die Gefangenen waren 500 ungarische Jüdinnen, die bei den Michelwerken und anderen Betrieben arbeiteten.
Auch in Gersthofen, Schwabmünchen, Welden und einigen Kommandos in Augsburg sind weitere KZ-Außenlager dokumentiert. Aber diese Angaben sind unklar und nicht anderweitig bestätigt.

Das KZ-Außenlager Haunstetten

Das Außenlager befand sich in der Inninger Straße in Haunstetten in der Höhe der heutigen Hermann-Frieb-Straße. Im Februar 1943 wurde ein bestehendes Kriegsgefangenenlager auf dem Gelände einer ehemaligen Kiesgrube innerhalb weniger Tage zu einem KZ ausgebaut.
Das Lager wurde mit einem etwa 3 m hohem Stacheldrahtzaun, mit Sichtschutzmatten und vier Wachtürmen an den Ecken von der Außenwelt abgeschirmt. Die Häftlinge waren in 22 Holzbaracken untergebracht, die Unterkünfte der SS-Wachmannschaften lagen an der gegenüberliegenden Seite der Inninger Straße. Die Baracken waren in Stuben eingeteilt, die mit 30 bis 50 Personen vollgestopft waren. Im Anschluss an das Außenlager in Richtung Westen und auf der gegenüberliegenden Seite der Inninger Straße Richtung Nordosten schlossen sich Zwangsarbeiterlager an.
Schätzungsweise waren im Januar 1944 2693 Häftlinge im Lager. Es war eines der größten Lager, die für die Luftfahrt-Rüstungsindustrie im Reichsgebiet arbeiteten. Lediglich das Allacher BMW-Fertigungswerk und in Oranienburg (Fertigung für die Heinkel AG) waren größere KZ-Außenlager. Die ersten 200 Häftlinge kamen mitsamt ihren Bewachern aus dem KZ Mauthausen, erst später wurden mehr als 2000 Gefangene aus dem KZ Dachau dorthin überstellt. Im Lager befanden sich verschiedenste Nationen, Deutsche, Franzosen, Sowjetbürger und Polen. Für die deutschen Gefangenen war die Versetzung vom Dachauer Stammlager nach Haunstetten eine Art Bestrafungsmaßnahme (Kucera, S. 75). Aber die Messerschmitt AG suchte auch gezielt aus den KZ Dachau, Natzweiler, Buchenwald, Bergen-Belsen und Groß-Rosen nach Ingenieuren, Vorrichtungsbauern und Kaufleuten.

Ein ehemaliger Häftling erinnerte sich an den Auswahlvorgang:
"In Dachau auf dem Appellplatz war das so: Die Häftlinge mussten sich aufstellen. Dann kam ein Mann mit Lederhose und Pfeife und sagte: Schlosser, Dreher, Mechaniker usw. heraustreten! Zu den Hervorgetretenen sagte er: Zu Messerschmitt! Zu Hinkel! usw..."

Arbeits- und Lebensbedingungen

Minderqualifizierte Häftlinge wurden in der Fließbandproduktion eingesetzt. Bis Januar 1944 leisteten die bei Messerschmitt beschäftigten Häftlinge des Haunstetter KZ-Lagers 740.640 Arbeitsstunden im Flugzeugbau. Für die gesamte Arbeitsleistung aller KZ-Häftlinge während des Krieges zahlte die Messerschmitt AG über neun Millionen RM an die SS.

SS profitiert von Sklavenarbeit

Für einen Facharbeiter mussten fünf oder sechs, für Hilfsarbeiter drei oder vier und für Frauen bis zu zwei Reichsmark pro Tag an das Wirtschaftsverwaltungshauptamt der SS überwiesen werden.
Zum Vergleich: bei zwölfstündiger Schichtzeit musste die Messerschmitt AG für männliche KZ-Gefangene bis zu 50 Pfennige pro Stunde bezahlen. Ein normaler angelernter Arbeiter bekam schon Ende 1940 im Schnitt 1,05 RM, ein Hilfsarbeiter 81 Pfennige von der Firma - zuzüglich Lohnnebenkosten.
Für männliche Facharbeiter wurden von der Messerschmitt AG bis zu 10 Mark täglich überwiesen (vgl. Kucera, S. 80 Abb. 29)

Erlös des Einsatzes von Juden in der Wirtschaft

Für einen Facharbeiter bei neunmonatigen Arbeitseinsatz (neun Monate wurde als die durchschnittliche Lebensdauer angenommen) abzüglich aller Nebenkosten im Durchschnitt 1631 Reichsmark, wobei der erhoffte Erlös aus der Leiche des Häftlings in Höhe von ungefähr 200 Reichsmark eingerechnet ist. (Focke H./Reimer, U. , Alltag der Entrechteten. Wie die Nazis mit ihren Gegnern umgingen, Reinbek 1980, S. 175
Die Häftlinge waren also von der SS an Messerschmitt vermietet. Die SS hatte also die Kosten für den Arbeitsausfall zu tragen. Versicherungsbeiträge oder Sozialleistungen, aber auch Disziplinierungsmaßnahmen fielen für die Firma nicht an. Gelder wurden nur für den geleisteten Arbeitstag über das KZ Dachau an die SS abgeführt.

Alltag

Die KZ-Arbeiter begannen ihre Arbeit um 4 Uhr, die anderen Arbeiter begannen ihre Arbeit um sieben Uhr. Der Marsch zur Werkhalle und zurück erfolgte mit SS-Wächtern und Hunden. Als Kleidung gab es Holzschuhe, karierte Kittel usw. Bei der Arbeit war das Sprechen verboten. Als Frühstück gab es zum Essen nur schwarzen bitteren Kaffee ohne alles, zur Brotzeit ein Stück Brot mit Margarine, mittags Suppe mit ca 200 gr Brot.

Die Zerstörung des Lagers

Am 13. April 1944 wurde das Lager durch einen Bombenangriff zerstört. Schon am 25. Februar und 16. März wurden Bombenangriffe auf Augsburg geflogen, die v.a. auch der Messerschmitt AG galten. Die Standesämter Haunstetten und Augsburg verzeichnen 120 tote Häftlinge. Die Überlebenden wurden nach dem 13. April auf andere Lager verteilt. Ungefähr 600 der Überlebenden kamen nach Gablingen, ca. 400 nach Leonberg, um weiterhin für Messerschmitt zu arbeiten.

Das KZ Außenlager Gablingen

Das Lager wurde erstmals am 21. Februar 1944 genannt und dürfte nicht länger als 6 Wochen bestanden haben. Es befand sich zwischen der Bahnlinie Augsburg-Donauwörth und der Bundesstraße 2 am Schienenstrang, der vom Bahnhof Gablingen zum damaligen IG-Farben, Gersthofen, führt, also in der Nähe der heutigen US-Abhöranlage.
Auf dem damaligen Flugplatzgelände wurde es mit Holzbaracken und eventuell Wachtürmen, ähnlich dem Haunstetter Lager, aufgebaut. Neben den Holzbaracken wurden anscheinend auch die von den Luftwaffensoldaten geräumten Kasernengebäude zur Unterbringung genutzt.
Die Gefangenenzahl stieg schnell an von 352 im Januar/Februar 1944 auf später bis mehr als 1000 Männer. Die Zunahme beruhte v.a. auf der Überstellung von etwa 600 Überlebenden des zerstörten Haunstetter Lagers im April 1944:

"Nach dem Bombardieren sind wir nach Gablingen gekommen. Wir waren in Holzbaracken untergebracht. Kasernen waren auch da, aber die waren schon leer, die deutschen Soldaten waren an der Front. Von hier sind wir in die Waggons eingeladen worden und wurden nach Haunstetten zu Messerschmitt gebracht. Wir waren nur ein paar Tage hier, nicht lang. Dann wurde auch Gablingen bombardiert."

(Cezary Cholewinski bei dem Interview während des Besuchs von ehemaligen polnischen Zwangsarbeitern bei der DASA, Werk Augsburg, am 5.5.1993)

In dieser Phase des Krieges nahmen die Nazis keine Rücksicht mehr auf Nationalität, ihnen war nur die Arbeitsleistung der Gefangenen wichtig. Bewacht wurden sie von SS-Männern und ehemaligen Wehrmachtssoldaten, die in die SS eingegliedert worden waren. Die Verpflegung soll besser als in den großen Lagern gewesen sein.
Die Häftlinge arbeiteten in 12-Stunden-Schichten weiterhin im Augsburger Messerschmittwerk, teilweise auch in einem Messerschmitt-Betrieb, der auf den Gablinger Flugplatz ausgelagert worden war.
Zudem wurden sie bei Bombensuchkommandos in Augsburg und für Arbeiten auf dem Flugplatz eingesetzt. Die Gefangenen waren in zwei Gruppen geteilt. Die kleinere Gruppe von etwa 200 bis 300 Männern arbeitete in den etwa eine Viertelstunde Fußmarsch entfernten Hangars auf dem Gablinger Flugplatz an Teilen von Düsenflugzeugen, wahrscheinlich der Me 262. Der größere Teil der Häftlinge wurde täglich zur Arbeit in die Augsburger Messerschmittwerke gebracht. (Aussage Herr Pröll, April 2001)
Einige Häftlinge erinnern sich noch an Hinrichtungen durch die SS . So sollen sechs Häftlinge wegen Lebensmitteldiebstahl erhängt worden sein.
Czestaw Kordylewski, der den Ort des Lagers 1993 besuchte, aüßerte sich hierzu:
"Hier hat sich eine traurige Situation ergeben. Sechs Häftlinge, fünf Russen und ein Pole, haben irgendwo nach dem Bombenangriff auf das Lager Haunstetten im Splittergraben oder in der Küche etwas zum Essen, Brot und ein kleines Stück Speck, mitgenommen. Die SS hat das entdeckt und alle sechs aufgehängt hier im Lager. Die mußten sich alle auf einen Stuhl stellen mit einem Seil um den Hals. von hinten kam der Kapo und zog den Stuhl heraus. 24 Stunden später bis zum nächsten Tag sind sie gehangen. Auch Zygmund Sucharski hat das wie ich mit eigenen Augen gesehen."
(W. Kucera, S. 92)

Am 24. April 1944 vormittags wurde das Lager durch einen Bombenangriff zerstört, bei dem es Tote gab. Die Überlebenden mussten daraufhin in einer Kiesgrube nahe der Bahnlinie Augsburg-Donauwörth übernachten. Nach einigen Tagen wurden die Gefangenen in verschiedene Lager verlegt, nach Leonberg per Lastwagen zur Arbeit im Tunnelbetrieb, andere in das neu errichtete Lager in Augsburg-Pfersee, das erstmals am 23.Mai 1944 in den Akten genannt wurde.


Außenlager des KZ Dachau


Konzentrationslager - Artikel aus einem Atlas


Außenlager im Landkreis Augsburg


Lageplan Aussenlager Haunstetten


Lager Haunstetten


Luftbild Haunstetten (1) 30.01.44


Luftbild Haunstetten (2)


Bombardierung des KZ-Außenlagers Haunstetten


Luftangriff (1)


Luftangriff (2)


Zerstörtes Lager Haunstetten 13.04.44


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