Zwangsarbeit - Lebensumstände -
Verpflegung von Zwangsarbeitern
in Gersthofen
Strasser/Transehe Unterschlagung von Essensrationen Bis zum 1.Juni 1944 wurden die italienischen Militärinternierten bei Transehe von der Wirtschaftspächterin des "Straßerbräu", Anna Gollong verpflegt, die aber ihren Pachtvertrag kündigte. Die Wirtschaft blieb wegen der Verpflegung der Zwangsarbeiter für die Allgemeinheit geschlossen. Bald nachdem die Witwe, die nach Angaben Anselmo Mazzis "fett wie ein Nilpferd" war, nach München umgezogen war, stellte sich heraus, dass sie Essensrationen unterschlagen hatte. Gemeinde will Lokal für Allgemeinheit wieder öffnen Der Bürgermeister, dem die Versorgung der IMI beim Straßerbräu ein Dorn im Auge war und der die Wirtschaft für die Allgemeinheit wiedereröffnen wollte, informierte Herrn von Transehe davon, "dass auch eine pachtweise Überlassung der Lokale für die Verpflegung ihrer ausländischen Arbeiter nicht in Frage kommen" könne, denn der Ertragswert sei seit der Schließung stark gesunken, der Fortbetrieb der Wirtschaft sei "ein dringendes öffentliches Bedürfnis". Der Firmenbesitzer wies am 25. Mai den Bürgermeister darauf hin, dass sich die Firma außerstande sähe, die Übernahme der Verpflegung in eigener Regie zu übernehmen. Gefährdung wehrwirtschaftlicher Ziele Gleichzeitig drohte er mit massiven Maßnahmen: Kompromiss Infolge solcher unzweideutigen Drohungen, die darauf hinausliefen, dass eine Nichtversorgung der IMIs die Erreichung kriegswirtschaftlicher Ziele verhindere, blieb dem Bürgermeister Wendler gar nichts anderes übrig als einen Kompromiss einzugehen. Schon am 3.6.1944 teilte er dem Gemeinderat mit, dass sowohl die Wirtschaft nach einer Instandsetzung wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung stehe als auch die Versorgung der IMIs durch die Verlagerung der Ausländerküche in einen Nebenraum ins ehemalige Schlachthaus sichergestellt sei. Der Kriegerswitwe Johanna Stöckeler aus Gersthofen, Eschenweg 9 war künftig für die Verpflegung der IMIs zuständig. IG Farben Die Verköstigung der russischen Kriegsgefangenen bei IG Farben lief über den werkseigenen Helmhof, wo ebenfalls Kriegsgefangene bzw. östliche Zivilarbeiter /innen angestellt waren. Die Nahrung wurde täglich vom Helmhof zu den Baracken bzw. zu IG Farben von Kriegsgefangenen hinuntergefahren. Zur Einnahme ihrer Mahlzeiten wurde bei IG Farben auf dem Werksgelände eine eigene Baracke aufgestellt. Auch in Gersthofen bemerkten Bürger den - selbst zur schlecht versorgten deutschen Bevölkerung - miserablen Ernährungszustand der "Ostarbeiter" und sowjetischer Kriegsgefangener bei IG Farben, für die selbst verfaulte Kartoffeln und Hundenahrung begehrenswert waren und die in den Abfalltonnen regelmäßig nach Kartoffelschalen und ähnlich essbaren Speiseresten suchten. (Auskunft von Frau Helmschrott, Gersthofen) |
Sauer Die Versorgung der ukrainischen Zivilarbeiterinnen bei der Munitionsfabrik Sauer übernahmen ein Ukrainer und sein 16-jähriger Sohn, die mittags die Verpflegung von der Schönbachstrasse mit einem Pferdegespann zur Firma Sauer brachten. Hery Die Kriegsgefangenen beim Säge- und Hobelwerk Hery versorgten sich selbst. Der Besitzer gestattete ihnen die Anlage von Gemüsebeeten sowie die Kaninchenhaltung. Zur Einnahme der Mahlzeiten zogen sie sich in ihre Baracke zurück. Bauern Die Bauern verpflegten ihre Fremdarbeiter selbst, sie gehörten zur Familie und erhielten in den allermeisten Fällen die gleiche Nahrung wie die Deutschen. Franzosen und Italiener im Gasthaus Stern Vom 1.5.1943 an bis etwa 6 bis 8 Wochen nach Kriegsende wohnten im Gasthof Stern am Kirchplatz zwischen 25 bis 30 Italiener im großen Saal im ersten Stock des Gasthofes. Die Lechchemie hatte den Saal gemietet, Stockbetten organisiert und moderne Spülklosetts und Waschbecken installiert. Die Italiener durften sich im Ort und im Landkreis frei bewegen. Ab 1944 war eine private Unterbringung von westlichen Zivilarbeitern untersagt. Das Essen nahmen die Italiener in der Kantine der Lechchemie ein, der Kantinenwirt hieß Schwarz. Die Italiener erhielten für Essensmarken, mit denen sie aber nur im Stern bzw. bei der Lechchemie essen konnten. Da die Gastwirtschaft "Stern" am Dienstag Ruhetag hatte, tauschten die Wirtsleute unter der Hand auch mal Essensmarken, damit die Italiener auch in Augsburg speisen konnten. Später stand ihnen auch im Saal eine Kochgelegenheit zur Verfügung, wo sie ihren Kaffee selbst zubereiten konnten. Am Abend nahmen sie das Essen gemeinsam in der Wirtsstube ein, wo auch Deutsche zugegen waren. Keiner der Italiener beherrschte die deutsche Sprache, ein Signore Bossi konnte Französisch, und so lief die Kommunikation über die Tochter des Wirtes in französischer Sprache. Das Essen war in der Kriegszeit denkbar schlicht, manchmal gab es Blutwurst (10g) mit abgerösteten Kartoffeln und Sauerkraut, Fischküchlein oder saure Lunge, ein anderes Mal Kartoffelküchlein mit Kompott. Mehr als 200g Fleisch pro Mann gab es in der Woche nicht. Franzosen ab 1944 im Sammellager Monate später wurden im Stern zusätzlich etwa 20 bis 30 Franzosen untergebracht, die ebenfalls bei der Lechchemie beschäftigt waren. Sie wohnten ebenfalls im 1. Stock im Saal, ein Zimmer wurde von den Italienern abgetrennt. Wie die Italiener hatten sie freien Ausgang bis 21 Uhr. An den Sonntagen besuchten die Franzosen ihre Freunde bei der MAN, gingen zum Lech baden bzw. ins Bad im Auenhof, wobei es für Ausländer bestimmte Auflagen gab, oder aber sie blieben in Gersthofen. Die meisten der Franzosen erhielten eine Schwerarbeiterzulage, es ging ihnen unmerklich schlechter als den Deutschen, die ebenfalls ihre Lebensmittel auf Marken bekamen. Mit der Putzfrau, welche die Lechchemie mehrere Male in der Woche zur Wirtschaft "Stern" schickte, tauschten die Franzosen oft Zucker gegen Zigaretten. Herr Hellwig fungierte als Dolmetscher, denn er beherrschte Französisch perfekt. Die Franzosen leisteten wie die Italiener Schichtarbeit, gegen 9 Stunden am Tag. Ein Franzose, der mit weiteren Landsleuten bei der Firma Lindenmeyer in der Rot-Kreuz-Straße arbeitete, kam gelegentlich am Abend und spielte im Nebenzimmer perfekt auf dem Klavier auf. Die Franzosen waren bei den einheimischen Frauen wegen ihren vollendeten Umgangsformen und ihrer Höflichkeit sehr beliebt. 1943 gab es in Gersthofen einige französische Ehepaare, die privat untergebracht waren, ein Ehepaar hatte sogar die 15-jährige Tochter dabei. Sonntags kamen sie ins Gasthaus Stern zu ihren Landsleuten auf ein Gespräch. In ärztliche Behandlung begaben sie sich zum Zahnarzt Dr. Winter in der Donauwörtherstrasse, was zeigt, dass die westlichen Zivilarbeiter nahezu den deutschen Arbeitern gleichgestellt waren. Die Tochter des Sternwirts weiss noch, dass Bernard, ein junger Franzose in Gersthofen den Einheimischen gegen Zigaretten oder andere Waren die Haare schnitt. |
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