Zwangsarbeit - Ideologische Grundlagen\nMuster für eine Anweisung der Gestapo

Geheime Staatspolizei München den 24.3.1942
Stapoleitstelle München
B.Nr. 35567/42

I. Allgemeines

§1 Die im Reichsgebiet eingesetzten Zivilarbeiter aus den besetzten sowjetrussischen Gebieten (im Folgenden kurz als russische Arbeiter bezeichnet) sind von der deutschen Bevölkerung, anderen ausländischen Zivilarbeitern und allen Kriegsgefangenen streng abzusondern. Sie werden in geschlossenen Lagern untergebracht, die sie nur zum Zwecke des Arbeitseinsatzes in Begleitung des Wachpersonals verlassen dürfen.
§2 Die russischen Arbeiter haben auf der rechten Brustseite ihrer jeweiligen Oberbekleidung (bei Arbeiten ohne Rock auch auf dem Hemd ein mit dem betreffenden Bekleidungsstück fest verbundenes Kennzeichen stets sichtbar zu tragen. Das Kennzeichen besteht aus einem hochstehenden Rechteck und zeigt bei blauweißer Umrandung auf blauem Grunde die Aufschrift "Ost" in weißer Farbe.
§3 Den russischen Arbeitern ist jeder, nicht durch den Arbeitseinsatz bedingte Umgang mit
a) Personen deutscher Staatsangehörigkeit, insbesondere mit solchen anderen Geschlechts, und vor allem jeder Geschlechtsverkehr bei Androhung der Todesstrafe zu verbieten;
b) anderen ausländischen Zivilarbeitern oder Kriegsgefangenen zu untersagen.

II. Dienstbetrieb

§4. Dem Leiter der Bewachung obliegt die Regelung des Dienstes der Wachmänner im Wohnlager, auf dem Wege zur Arbeitsstelle und am Arbeitsplatz. Niemals darf ein Mann allein zum Wachdienst eingeteilt werden. Der Leiter ist verantwortlich für die Durchführung der ergangenen Anordnungen, Sicherheit, Ordnung und Disziplin im Lager und an der Arbeitsstelle. Er hat den Dienst der Wachmänner zu überwachen und diese von Zeit zu Zeit unvermutet zu kontrollieren. Während seiner Anwesenheit hat er einen Vertreter zu bestimmen.
2) In wichtigen und grundsätzlichen Fragen hat er die Entscheidung der Stapoleitstelle (Außenstelle) einzuholen. Auch hat dieser über besondere Vorkommnisse zu berichten.
3) Besteht akute Gefahr für die Sicherheit des Lagers, so hat er - falls der Weg über die Stapo zu langwierig - selbständig Hilfe durch die Ordnungspolizei anzufordern.

§ 6. Bei den geringsten Anzeichen von Widersetzlichkeit und Ungehorsam ist rücksichtslos durchzugreifen und zur Brechung von Widerstand auch von der Waffe schonungslos Gebrauch zu machen.
Auf fliehende Russen ist sofort zu schießen mit der festen Absicht, zu treffen. Im Übrigen richtet sich der Waffengebrauch nach der Dienstanweisung über den Waffengebrauch der Polizeibeamten. Über jeden Fall des Waffengebrauchs ist der zuständigen Polleitstelle zu berichten. Die Wachmänner müssen sich jederzeit ihrer besonderen Verantwortung für die Sicherheit des Lagers und die Beaufsichtigung der Insassen bewusst sein.

III. § 8. Die russischen Arbeiter sind im Benehmen mit den Ortspolizeibehörden sobald als möglich zu kennzeichnen und über ihre Pflichten eindringlichst zu belehren. §2,3. Die Kennzeichen werden bei den Ortspolizeibehörden vorrätig gehalten. Wegen der Beschaffung von Befestigungsmaterial für das Annähen wird sich die Ortspolizeibehörde mit dem zuständigen Wirtschaftsamt in Verbindung setzen.

IV. Strafen

§9 Im Lager und an der Arbeitsstelle herrscht strenge Zucht und Ordnung. Die Arbeiter haben den Anordnungen der Wachmänner und außerdem im Lager den Anweisungen des Lagerpersonals, im Betriebe des Betriebspersonals Folge zu leisten. Wer sich den ergangenen Anordnungen nicht fügt oder seine Arbeit nachlässig verrichtet, wird bestraft. Als Strafen sind zugelassen:

1. Ordnungsübungen nach Beendigung der Arbeitszeit,
2. Zuteilung zum Straftrupp
3. Entziehung der warmen Tagesverpflegung bis zu drei Tagen in der Woche,
4. Arrest auf die Dauer von höchstens drei Tagen.

In den Straftrupp sind besonders diejenigen Arbeiter einzuweisen, die nachlässig und träge arbeiten und Belehrungen unzugänglich sind. Diesen Arbeitern sind alle Vergünstigungen zu entziehen. Sie sind mit besonderer Schärfe anzufassen. Die dem Straftrupp zuzuweisende Arbeit bestimmt der Betrieb.
Die Arreststrafe wird in der Strafzelle bei Entzug der Arbeit, der Bewegung im Freien und des Bettlagers sowie unter Beschränkung der Kost auf Wasser und Brot vollzogen.
Die Strafen werden vom Leiter der Bewachung festgesetzt. Jede Bestrafung ist im Strafbuch zu vermerken, schwerere Strafen sind außerdem der zuständigen Stapoleitstelle mitzuteilen.
§10 Schwere Diziplinarvergehen, Unbotmäßigkeiten, Sabotagehandlungen oder -versuche, Fälle von Geschlechtsverkehr und kriminelle Verfehlungen sind unverzüglich der aufsichtsführenden Stapoleitstelle zu melden. Bis zum Ergehen weiterer Weisung ist der betreffende Arbeiter in Arrest zu nehmen.


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