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14.5.24

Kulturforum Berlin

Faszination Rom. Maarten van Heemskerck zeichnet die Stadt

(smb) 1532 begab sich der holländische Künstler Maarten van Heemskerck auf eine Reise von Haarlem nach Rom. Von seinem etwa fünfjährigen Aufenthalt in der Ewigen Stadt hat sich im Kupferstichkabinett ein einmaliges Konvolut von über 170 Zeichnungen erhalten. Dazu gehören neben Panoramen und Stadtansichten vor allem Studien nach antiken Skulpturen und Ruinen. Dieser herausragende Bestand wird 2024 – 450 Jahre nach dem Tod des Künstlers – erstmals vollständig zu sehen sein. Neben den virtuosen Zeichnungen, die zugleich wichtige Bildquellen zur Geschichte Roms zur Zeit der Renaissance darstellen, werden auch Gemälde, Druckgraphiken, Bücher und Gipsabgüsse ausgestellt.

Maarten van Heemskerck, Titus-Bogen von Süden mit Durchblick zum Forum Romanum, um 1535, Vorzeichnung in Bleigriffel, Feder in Braun, © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Volker-H. SchneiderMaarten van Heemskerck, Blick auf das Forum Romanum, um 1532–1536, Vorzeichnung in schwarzer Kreide, Feder in Braun, braun und grau laviert, © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Volker-H. SchneiderHieronymus Cock nach Maarten van Heemskerck, Der hl. Hieronymus in einer Ruinenlandschaft, 1552, Radierung, © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar KatzMaarten van Heemskerck, Titus-Bogen von Süden mit Durchblick zum Forum Romanum, um 1535, Vorzeichnung in Bleigriffel, Feder in Braun, © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Volker-H. Schneider

Maarten van Heemskerck, Blick auf das Forum Romanum, um 1532–1536, Vorzeichnung in schwarzer Kreide, Feder in Braun, braun und grau laviert, © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Volker-H. Schneider

Hieronymus Cock nach Maarten van Heemskerck, Der hl. Hieronymus in einer Ruinenlandschaft, 1552, Radierung, © Staatliche Museen zu Berlin, Kupferstichkabinett / Dietmar Katz

Das Berliner Kupferstichkabinett besitzt zwei spektakuläre Alben mit rund 170 Zeichnungen des holländischen Künstlers Maarten van Heemskerck (1498–1574), die zwischen 1532 und 1536/37 in Rom entstanden. Der Großteil dieser Zeichnungen lässt sich auf ein querformatiges Skizzenbuch zurückführen, das er neben großformatigen Einzelblättern bei seinen Streifzügen durch die Stadt, bei seinen Besuchen in Kunstsammlungen, Antikengärten und heiligen Stätten mit sich führte. Mit großer Sorgfalt hielt van Heemskerck die römische Topografie auf Veduten und Detailstudien fest, kurz bevor die städtebaulichen Veränderungen unter Papst Paul III.

Farnese (reg. 1534–1549) einsetzten. Als erster Künstler zeichnete er das damals noch unwegsame Forum Romanum, die angrenzenden Kaiserforen und Thermenanlagen, das Kolosseum und die Monumente auf dem Palatin und dem Quirinal. Aber auch den Neubau von St. Peter hat er eindrucksvoll dokumentiert, ebenso den Kapitolsplatz vor der Umgestaltung durch Michelangelo. Zudem zeigen die Zeichnungen weltberühmte antike Skulpturen wie den Laokoon, den Torso und den Apollo von Belvedere oft aus ungewöhnlichen, überraschenden Perspektiven. Nicht zuletzt schuf er die ersten Ansichten der neu entstehenden Antikensammlungen, wie jene der Cesi, der Della Valle oder der Sassi.

Auf diese Weise stellte van Heemskerck einen umfangreichen Motivfundus zusammen, aus dem er zeitlebens schöpfen sollte. Er war ein hervorragender Zeichner, der mit außerordentlicher Sensibilität und großer Sicherheit auch im kleinem Format eindrucksvolle Kompositionen schuf. Er besaß einen bemerkenswerten Blick für Perspektiven und Arrangements und hegte eine enorme Begeisterung für die römische Antike. Als überaus kreativer und wissbegieriger Künstler eignete er sich neue Zeichentechniken und den Stil seiner italienischen Künstlerkolleg*innen an, experimentierte mit Tinten und sammelte auf dem Papier Motive, die ihm später für künstlerische Zwecke nützlich sein konnten. Sein Skizzenbuch diente ihm als visueller Wissensspeicher von Formen und Inhalten, als Medium der Schulung, Vervollkommnung und zum Ausprobieren neuer Ideen.

Die römischen Studien zählen zu den ältesten und wertvollsten visuellen Quellen der Ewigen Stadt und prägen auch heute noch unser Bild vom Rom der Renaissance. Sie sind nicht nur wichtige historische Dokumente für die Stadt Rom, sondern auch von herausragender künstlerischer Qualität. Van Heemskerck schuf regelrechte Modelle für die Wahrnehmung der antiken Monumente, die sich schnell über Kupferstiche verbreiteten – ein Phänomen, das im digitalen Zeitalter seine Analogien findet. Van Heemskerck gehörte zu den innovativsten Künstlern seiner Zeit und war auch nach seiner Rückkehr nach Haarlem als Zeichner, Maler und Entwerfer für Graphik sehr erfolgreich.

Nach van Heemskercks Tod wurden die Zeichnungen weitergegeben, zunächst an Künstler, später an Sammler. Einzelne Blätter wurden weiterverkauft und der größte Teil vermutlich im 18. Jahrhundert – zusammen mit weiteren Zeichnungen anderer Künstler – in die beiden Sammelalben eingeklebt. So blieb der Kernbestand der römischen Zeichnungen van Heemskercks bis heute zusammen, ein einmaliger Fall der Kunstgeschichte. 1886 und 1892 gelangten die Alben ins Berliner Kupferstichkabinett; seitdem sind sie noch nie in ihrer Gesamtheit ausgestellt worden.

Aus konservatorischen Gründen musste nun das sogenannte erste römische Album, das in den 1980er-Jahren erneuert worden ist, aufgebunden werden, sodass 66 dort zuvor eingeklebte Seiten eines ehemaligen Skizzenbuches mit ihren 130 gezeichneten Vorderund Rückseiten nun zum ersten Mal öffentlich gezeigt werden können. In Vorbereitung auf die Ausstellung fanden umfangreiche Untersuchungen der Tinten und Papiere statt, die es ermöglichen, die ursprüngliche Reihenfolge der Seiten noch genauer als bisher zu rekonstruieren und die Zeichenprozesse besser zu verstehen. Eine Rekonstruktion des kleinen Skizzenbuches als Digitalisat und Faksimile vermittelt den Eindruck des vollständigen Ensembles vor seiner Zerlegung und der Aufnahme in den Klebeband. Das zweite Album, das 21 weitere Blätter mit 36 Zeichnungen van Heemskercks enthält, wird in gebundener Form ausgestellt und wöchentlich umgeblättert.

Auch hier steht eine digitale Version zur Verfügung.

Zahlreiche Leihgaben aus verschiedenen Sammlungen der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, aber auch aus bedeutenden Museen wie dem Rijksmuseum in Amsterdam, der Bibliothèque nationale de France und dem Louvre in Paris, dem Metropolitan Museum in New York, den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein, dem Kunsthistorischen Museum in Wien, der Nationalgalerie in Prag, den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden oder der Hamburger Kunsthalle bereichern die Ausstellung. So finden ehemals zugehörige Skizzenbuchseiten für die Dauer der Präsentation ihren Weg nach Berlin und werden mit ihren Pendants wieder zusammengeführt. Zudem werden die Berliner Blätter durch weitere Zeichnungen sowie zwei Gemälde aus der römischen Schaffensphase ergänzt.

Darüber hinaus werden Abgüsse antiker Skulpturen, die van Heemskerck gezeichnet hat, ausgestellt. Mehrere Stichserien, die nach seiner Rückkehr nach Holland entstanden und römische Motive aufgreifen, veranschaulichen, wie die ikonischen Bilder seiner Streifzüge durch Rom über die Druckgraphik europaweite Verbreitung fanden.

Die Ausstellung gliedert sich in drei Kapitel: Einführend wird van Heemskercks künstlerisches Schaffen vor der Reise thematisiert. Neben den ersten biografischen Würdigungen durch Giorgio Vasari, Hadrianus Junius und Karel van Mander sind Gemälde Jan van Scorels zu sehen, in dessen Haarlemer Werkstatt Van Heemskerck zwischen 1528 und 1530 als Mitarbeiter tätig war, des Weiteren eigene frühe Werke. Ergänzt werden diese durch Druckgraphik nach römischen Bauten und Skulpturen sowie Beschreibungen und Pläne der Stadt Rom, die in Holland zirkulierten und zur Vorbereitung einer Reise dienen konnten. Im zentralen Raum sind van Heemskercks römische Zeichnungen und Gemälde ausgestellt.

Die Skizzenblätter sind thematisch gruppiert, sodass Besucher*innen sowohl die hervorragende Zeichenkunst van Heemskercks entdecken als auch seinen Spaziergängen durch Rom folgen können. Dieser ästhetischthematische Zugang wird von einer besonderen, von der üblichen Wandhängung in gerahmten Passepartouts abweichenden Präsentation unterstützt, bei der die beidseitig bezeichneten Skizzenbuchblätter nahezu freischwebend in der Mitte des Raumes inszeniert werden. Der letzte Raum widmet sich der Werkphase nach der Rückkehr nach Haarlem sowie der künstlerischen Rezeption und dem Nachleben der römischen Studien.

Hier liegt ein weiterer Schwerpunkt der Ausstellung, der die Funktionen der Zeichnungen im malerischen und druckgraphischen Werk van Heemskercks beleuchtet.

„Faszination Rom. Maarten van Heemskerck zeichnet die Stadt“ wird kuratiert von Christien Melzer, Kupferstichkabinett, Tatjana Bartsch, Bibliotheca Hertziana – Max-Planck-Institut für Kunstgeschichte, und HansUlrich Kessler, Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst.

Die Ausstellung wird großzügig gefördert durch die Kulturstiftung der Länder, die Tavolozza Foundation und die Wolfgang Ratjen Stiftung, Vaduz.

26. April – 4. August 2024
Eine Sonderausstellung des Kupferstichkabinetts – Staatliche Museen zu Berlin in Kooperation mit der Bibliotheca Hertziana – Max-PlanckInstitut für Kunstgeschichte

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog in deutscher und englischer Ausgabe im Hirmer Verlag (ISBN: 978-3-7774-4343-0). Dieser wurde ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Rudolf-August OetkerStiftung, der Bibliotheca Hertziana sowie Wolfgang Wittrock und Oskar Matzel. „Maarten van Heemskerck. Das Römische Zeichnungsbuch“ erscheint im Verlag Hatje Cantz (ISBN: 978-3-7757-5788-1). Ein umfangreiches Vermittlungsprogramm mit einer Vortragsreihe, einer Rallye für Kinder und Workshops für Familien rundet die Ausstellung ab.  

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Pexels, Ksenia Chernaya      

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