15.5.15
Barrierefreiheit für Wiesenbrüter
Regierungspräsidium Freiburg bereitet das Feld
für die Rückkehr von Brachvogel, Kiebitz und Co. aus
dem Winterquartier
(rpf) Sie sind wieder da! Wie jedes Jahr Ende Februar bis Mitte
März
sind Kiebitze, Brachvögel und all die anderen gefiederten
Bewohner unserer heimischen Wiesenlandschaften aus ihren Winterquartieren
zurückgekehrt. An Frühlingstagen wie dem heutigen erfüllen
der trillernde Ruf des Brachvogels, der muntere Gesang der Feldlerche
und das kurze „Kuuuuiwitt“ des Kiebitzes die Luft der
Rheinebene. Was unsere Sinne erfreut und den endgültigen Einzug
des Frühlings anzeigt, ist für die Vögel der Beginn
des diesjährigen Brutgeschäfts. Ein Partner muss gefunden,
ein geeigneter Brutplatz besetzt und das Revier darum herum gegen
Artgenossen und Feinde verteidigt werden.
Szenenwechsel:
Noch vor wenigen Wochen, zwischen Oktober und Februar, konnten
Spaziergänger an gleicher Stelle schweres Gerät
beobachten und zusehen, wie Bäume fielen, Maschinen sich
durch Hecken arbeiteten und offener Boden und Wurzelstöcke
zurückblieben (Bild links: Tieflache Schwarzer Graben
bei Schutterwald. Foto: rpf). Manch einer traute seinen
Augen nicht und befürchtete
schon eine illegale Zerstörung von Landschaft und wertvollen
Biotopen. Hinter den Arbeiten steht jedoch das Land Baden-Württemberg.
Veranlasst durch das Referat Naturschutz und Landschaftspflege
des Regierungspräsidiums Freiburg, mussten in großem
Umfang Bäume und Sträucher weichen. Warum? Genau: für
die Wiesenbrüter.
Das eingangs gezeichnete Stimmungsbild von intakter Natur in
unseren Wiesenlandschaften stimmt heute leider nur noch an sehr
wenigen
Stellen. Während noch vor 30 Jahren weite Teile der Oberrheinebene
den Wiesenbrütern reichlich Platz und Lebensgrundlage boten,
muss der Beobachter heute schon weit fahren, um die letzten Einzeltiere
zu Gesicht zu bekommen. Neben nur zwei Vorkommen des Großen
Brachvogels außerhalb der badischen Oberrheinebene finden
sich die letzten Vorkommen Baden-Württembergs in den Flussniederungen
von Acher, Rench, Kammbach, Schutter und Elz zwischen Bühl
im Norden und Freiburg im Süden.
Bild
rechts: Großer Brachvogel – heute schutzbedürftiger
Charaktervogel der badischen Rheinebene. Foto: Püschel/rpf)
Und
auch diese, aus nur wenigen Paaren bestehenden, Vorkommen von
vor allem Brachvogel und Kiebitz könnten schon bald der
Vergangenheit angehören. Die Bestände sind dramatisch
eingebrochen und wenn Deutschland und Baden-Württemberg,
zusammen mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten, nicht mit Höchstgeschwindigkeit
daran arbeiten, diesen Trend zu brechen, wird das Aussterben
dieser Arten innerhalb der nächsten Jahre nicht mehr zu
verhindern sein. Gestützt auf die europäische Vogelschutzrichtlinie
und die Gesetze für besonders geschützte Arten, hat
Baden-Württemberg
sich selbst in seiner im letzten Jahr veröffentlichten Naturschutzstrategie
auferlegt, den Rückgang der Biodiversität in den Agrarökosystemen
innerhalb weniger Jahre zu stoppen und einen messbaren Aufwärtstrend
der Populationen sowie günstige Erhaltungszustände
für
alle gefährdeten Arten der Kulturlandschaft zu erreichen.
Seit Jahren werden im Auftrag der Naturschutzbehörden umfangreiche
Schutzmaßnahmen entwickelt und umgesetzt. Vorkommen von Brachvogel
und Kiebitz werden genau gezählt und sowohl Nester als auch
Jungvögel geschützt, verloren gegangene Wiesen werden
wieder angelegt, Flutmulden geschaffen und in Zukunft sollen auch
neue Schutzgebiete geplant werden.
Auch die neu angepassten, landwirtschaftlichen Förderinstrumente
des Landes FAKT (Förderprogramm für Agrarumwelt, Klimaschutz
und Tierwohl, bisher „MEKA“) und Landschaftspflegerichtline
dienen diesem Zweck, ebenso wie die oben genannten Rodungen. Durch
umfangreiche Verbuschungen in den vergangenen Jahrzehnten waren
einst offene Wiesenlandschaften in kleine, voneinander getrennte
Parzellen eingeteilt worden, die neben Wiesenumbruch und Entwässerung
den Lebensraum der Wiesenbrüter auf ein Minimum reduzierten.
Da Brachvögel zu Gebüschen einen Nestabstand von ca.
100 bis 200 Metern halten, zerschneidet jeder höhere Gehölzriegel,
selbst wenn er zahlreichen anderen Tierarten nützt, den Lebensraum
der Wiesenbrüter und verhindert, dass sich weitere Brutpaare
ansiedeln. Mit dem Ziel, den Lebensraum für die Wiesenbrüter
wieder herzustellen, wurden daher im vergangenen und zum Teil schon
vorvergangenen Winter Pappelreihen, nicht einheimische, aber auch
heimische Gehölze und Hecken zum Teil auf den Stock gesetzt,
zum Teil vollständig entfernt.
Zur Markierung der besonders wichtigen Brutgebiete für Brachvogel
und Kiebitz im Gelände wurden kürzlich die ersten 90
von insgesamt geplanten 200 einfachen Schildern in den Vogelschutzgebieten
Rench-, Kammbach- und Kinzig-Schutter-Niederung angebracht, um
Besucher auf die Bedeutung der Gebiete hinzuweisen. Auch Sie können
dort einen wertvollen Beitrag zum Schutz der Vögel leisten,
wenn Sie und Ihr Hund auf den Wegen bleiben und Störungen
während der Brutzeit von März bis Juli vermeiden.
|