3.3.15
Frauenschicksale an baden-württembergischen Höfen:
Sibylla Augusta – souveräne Regentin und
Bauherrin
Zum Themenjahr Barock der Staatlichen Schlösser und
Gärten
(ssg) Markgräfin Sibylla Augusta von Baden-Baden hat als
Bauherrin von Schloss Favorite, der Rastatter Schlosskirche, mehrerer
Kapellen und weiterer Bauten nicht nur Spuren in der Kunstgeschichte
hinterlassen. Nach der Besatzung durch die Franzosen hatte die
jung verwitwete katholische Fürstin in ihrer vormundschaftlichen
Regierungszeit auch die Markgrafschaft wieder in Ordnung gebracht
und die Landeskasse saniert. Ihre ungewöhnliche Biografie
steht stellvertretend für die vielen oft namenlos gebliebenen
Frauen des 17. und 18. Jahrhunderts, an deren Schicksal die Staatlichen
Schlösser und Gärten Baden-Württemberg im Rahmen
des Themenjahrs Barock erinnern.
Brautschau in Böhmen
Prinzessin Franziska Sibylla Augusta (1675–1733) stammte
aus dem Haus Sachsen-Lauenburg und wuchs in Böhmen auf. Aufgrund
eines großen Erbes galten ihre ältere Schwester und
sie als erstklassige Partien auf dem adeligen Heiratsmarkt. Vermittelt
von Kaiser Leopold I. sollte der badische Markgraf Ludwig Wilhelm,
der sich als Feldherr gegen die Türken verdient gemacht hatte,
eigentlich Sibylla Augustas Schwester heiraten. Doch bei der Brautschau
im Jahr 1690, für die der damals schon „Türkenlouis“ genannte
Markgraf nach Böhmen gereist war, hatte Ludwig Wilhelm nur
Augen für die damals erst 15-jährige Sibylla Augusta.
Schwierige Jahre in Süddeutschland
Im Herbst 1690 fand in Böhmen die Hochzeit statt. Das Markgrafenpaar
mit einem Altersunterschied von 20 Jahren verbrachte dort offenbar
glückliche Jahre. Erst 1693 lernte Sibylla Augusta ihre künftige
Heimat kennen. Dort waren die Bedingungen schwer: 1689 war die
Markgrafschaft im Zuge des Pfälzischen Erbfolgekrieges durch
die Franzosen verwüstet worden. Ludwig Wilhelm war oft auf
Feldzügen. Seine junge Ehefrau blieb in seiner Nähe und
reiste mit ihm, erlitt eine Fehlgeburt und brachte mehrere Kinder
zur Welt, die noch im Säuglingsalter starben. Von insgesamt
neun Kindern sollten nur drei das Erwachsenenalter erreichen. Zudem
war die Residenz Rastatt erst im Bau. Daher lebte das Paar und
sein Gefolge in Nürnberg, Aschaffenburg, Günzburg und
andernorts.
Herausforderungen für eine junge Witwe
1705/07 wurde die nach dem Vorbild von Schloss Versailles erbaute
Residenz in Rastatt fertiggestellt. Doch Ludwig Wilhelm war nur
wenig Zeit in dem prachtvollen Flügelbau vergönnt.
Er starb Anfang 1707 an einer Kriegsverletzung und hinterließ seiner
erst 30-jährigen Witwe einen Berg von Schulden. Damit nicht
genug: In den Wirren des Spanischen Erbfolgekrieges belagerten
französische Truppen Rastatt. Sibylla Augusta, die für
ihren unmündigen fünfjährigen Sohn Ludwig Georg
die Regentschaft übernahm, zog bis zum Friedensvertrag 1714
ins nahe Schloss Ettlingen und lenkte von dort aus klug, konsequent
und erfolgreich die Geschicke des Kleinstaates.
Erfolgreicher Wiederaufbau
20 Jahre lang regierte die fromme Katholikin die Markgrafschaft
Baden-Baden. 1727 übernahm Sibylla Augustas Sohn Ludwig
Georg die Regierung. Seine Mutter hatte mit Verhandlungsgeschick
und persönlicher Opferbereitschaft zwischenzeitlich die
Finanzen saniert sowie das vollkommen zerstörte Land wieder
aufgebaut. Zahlreiche Bauprojekte, etwa Schloss Favorite und
die Schlosskirche, stammen aus dieser Zeit. Damit ist Sibylla
Augusta das Musterbeispiel einer Herrscherin, die ihre Macht
nicht nur zum Vorteil ihrer Dynastie, sondern auch zum Wohl des
Landes ausübte.
Letzte Jahre in Schloss Ettlingen
Nach ihrer Regierungszeit zog sich Sibylla Augusta auf das von
ihr umgebaute Schloss Ettlingen zurück. Sie starb am 10.
Juli 1733 und wurde in der Schlosskirche Rastatt beigesetzt.
Auf ihrem Grabstein steht geschrieben: „Betet für
die große Sünderin Augusta“. So hatte sie es
gewünscht. Über das Leben und Wirken von Sibylla Augusta
ist relativ viel bekannt – damit bildet sie jedoch eine
Ausnahme. |