12.11.15
Das jüdische Konstanz - Blütezeit
und Vernichtung
Das Rosgartenmuseum erinnert 2015 mit der Sonderausstellung „Das
jüdische Konstanz. Blütezeit und Vernichtung“ an
das gewaltsame Ende jüdischen Lebens im westlichen Bodenseeraum
vor 75 Jahren. Dargestellt werden die Verfolgungsmaßnahmen
seit 1933, die „Arisierung“ von Geschäften, die
für alle Welt sichtbare Ausstoßung der jüdischen
Bürger aus dem Alltagsleben, die Ereignisse der so genannten „Reichskristallnacht“ und
die Deportation der badischen und pfälzischen Juden 1940
in das Lager Gurs/Frankreich.
Die Ausstellung richtet indessen den Blick tiefer
in die Geschichte und zeigt die Gesellschaft am Bodensee nicht
nur in Täter
und Opfer gespalten, zeigt jüdische Deutsche nicht nur als
Opfer von staatlicher Verfolgung und nachbarschaftlicher Ausgrenzung:
Im „Goldenen Zeitalter“ des Judentums in Konstanz waren
die Juden tatsächlich jüdische Mitbürger, hatten
Anteil am wirtschaftlichen Aufschwung, engagierten sich in der
Kommunalpolitik und übernahmen die Wertvorstellungen der wilhelminischen
Gesellschaft. Aus der rein rechtlichen Gleichstellung wurde eine
zunehmende Verbürgerlichung, deutscher und badischer Patriotismus
war hier ebenso zu Hause wie in den nichtjüdichen Familien
der Bodenseestadt.
Die antijüdische Propaganda der Nationalsozialisten fiel auch
am Bodensee auf den reichen Boden einer von Krieg und Inflation
verstörten und zunehmend völkisch denkenden und fühlenden
Gesellschaft. Mit Beginn der nationalsozialistischen Diktatur begann
auch auf lokaler Ebene eine von den Kommunalverwaltungen häufig
besonders radikal betriebene Ausgrenzung und Verfolgung der jüdischen
Bürger. Höhepunkte – oder besser Tiefpunkte – dieser
Entwicklung sind zum einen der (mühevolle) Brand der Synagoge
am 9. November 1938, zum anderen die Deportation von 112 jüdischen
Mitbürgern in das primitive Übergangslager Gurs am Fuße
der Pyrenäen, für viele die erste Station auf dem grausamen
Weg in die Vernichtungslager im Osten.
Bild links: Passpapiere der Familie Levinger
mit dem 1938 eingeführten „Judenstempel“, einem gelben „J“ im
Innern und einem schwarzen „J“ auf der Kennkarte. ©
Rosgartenmuseum Konstanz Nach 1945 kehrten kaum Überlebende der alten jüdischen
Gemeinde Konstanz zurück. Erst in den 1960er-Jahren nahmen
es Liesel und Erich Bloch auf sich, der nachwachsenden Generation
von den Ereignissen nach 1933 zu erzählen und die Erinnerung
an das jüdische Konstanz wach zu halten. Neues jüdisches
Leben war schon kurz nach Kriegsende aus dem Kreis heimatlos gewordener
jüdischer Überlebender entstanden.
Erinnerungen an die verlorene Heimat: Bea Muhlfelder-Bravmann,
Tochter des Konstanzer Kantors Jacob Bravmann, bewahrt bis heute
Kinderbuch, Küchengerät ihrer Mutter und Schlüssel
aus der Konstanzer Wohnung auf. © Rosgartenmuseum Konstanz
Im Richentalsaal des Kulturzentrums am Münster werden Exponate
aus Konstanz und aller Welt wie ein Pessach-Tuch aus einem Konstanzer
Haushalt des 19. Jahrhunderts, verschiedene Artikel Konstanzer
Bekleidungshäuser und Hutgeschäfte jüdischer Inhaber,
private Koffer der Emigrationszeit, Bildmaterial und andere persönliche
Objekte aus dem damaligen Leben jüdischer Familien zu einer
berührenden Präsentation zusammengestellt werden. Die
Ausstellung wird begleitet von einer Publikation und einem vielfältigen
Rahmenprogramm. Noch bis 30. Dezember 2015
Kulturzentrum am Münster, Richentalsaal, Konstanz
|