24.2.14
Aktuelle Forschungsergebnisse verändern die Sicht auf Schloss
Urach
(ssg) Im letzten Jahr ergab eine wissenschaftliche Tagung in
Schloss Urach Erstaunliches: Mehr als eine Generation früher
als bisher angenommen ließen die Grafen von Württemberg
ihre Residenz errichten. Und der mächtige Schlossbau wurde
länger kontinuierlich
genutzt, als man bis vor Kurzem annahm! Die Staatlichen Schlösser
und Gärten Baden-Württemberg veröffentlichen die
Erkenntnisse aus dieser Tagung jetzt in einem eindrucksvollen Buch,
das soeben erschienen ist.
17 Vorträge spiegeln den Forschungsstand
Verschiedenen Disziplinen gehörten die Fachleute an, die sich
im Mai 2013 im einstigen württembergischen Residenzschloss
am Rande der Schwäbischen Alb trafen. Die Tagung, zu der die
Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg
gemeinsam mit Professor Klaus Gereon Beuckers, Leiter des kunsthistorischen
Instituts der Universität Kiel, eingeladen hatten, war öffentlich – und
so bot sich schon damals für die Gäste bei den Vorträgen
und Rundgängen einiges an Unerwartetem. Die verblüffendste
Erkenntnis brachte ein Vortrag von Tilman Marstaller. Der Bauforscher
unterzog das Bauholz des Dachstuhls Untersuchungen mit der Radiocarbon-Methode
und konnte dadurch nachweisen, dass die Geschichte des Schlosses
bereits rund vierzig Jahre früher beginnt, als man bisher
angenommen hatte. Das Jahr 1400 als Termin für das Schlossdach – das
bedeutet eine grundlegende Umstellung in der Einordnung des Schlosses.
Neubau für die reiche Braut
aus Italien?
Bisher hatte man angenommen, dass das Uracher Schloss zur Residenz
ausgebaut wurde, weil die Grafschaft Württemberg in der Mitte
des 15. Jahrhunderts unter den beiden Brüdern Ulrich V. und
Ludwig I. aufgeteilt wurde. Wofür gute 40 Jahre früher
ein so monumentales Schloss errichtet wurde, muss noch geklärt
werden – vielleicht war es aus Anlass der Hochzeit des Grafen
Eberhard III. mit der reichen italienischen Braut Antonia Visconti.
Forschung als wichtige Aufgabe für Besucherbetreuung
und Erhalt
„Es ist ein wichtiger Teil des Aufgabenspektrums unserer
Fachleute, in Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen fachwissenschaftlichen
Disziplinen das Wissen um die Schlösser und ihre Bewohner
zu vertiefen und zu verbessern“. Für Michael Hörrmann,
Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten,
hat wissenschaftliche Forschung und Fachdiskussion dabei einen
klaren Nutzwert für die Vermittlungsarbeit an den historischen
Monumenten. Die Ergebnisse fließen unmittelbar in die Verbesserung
des Besuchserlebnisses für alle Gäste und Interessierte
ein. Das kann von einer Neugestaltung bestehender Führungen,
der gedruckten und elektronischen Informationsangebote bis zu neuentwickelten
Sonderführungen, Führungswegen und Raumpräsentationen
gehen: „Im Mittelpunkt unserer Arbeit steht neben der Sorge
um den Erhalt der Monumente immer der Besucher. Wenn sich etwas
Neues in der Forschung ergibt, können unsere Besucherinnen
und Besucher sicher sein, dass es sich rasch in einem noch besseren
und noch spannenderen Besuchserlebnis niederschlagen wird!“
17 Beiträge bieten neue Erkenntnisse über
Schloss Urach
Der gerade erschienene Tagungsband macht den Ertrag der von Klaus
Gereon Beuckers und Patricia Peschel organisierten Tagung der Öffentlichkeit
zugänglich. So zeigt zum Beispiel Patricia Peschel, die
Konservatorin der Staatlichen Schlösser und Gärten
für Urach, wie vielfältig das Schloss über die
Jahrhunderte genutzt wurde – bis ins 19. Jahrhundert und
zu den Königen Württembergs. Die erste Sanierung in
den 60er-Jahren ist das Thema eines Beitrages von Stefanie Leisentritt.
Die Kunsthistorikerin Regina Cermann belegt, dass die Symbolpflanze
des Grafen Eberhard im Bart, die bekannte Palme, neu interpretiert
werden muss. Sie löst sie von seiner Pilgerfahrt ins Heilige
Land und bringt sie mit der Hochzeit mit Barbara Gonzaga in Verbindung.
Mit dem engen Zusammenhang von Schloss- und Stadtentwicklung
befassen sich mehrere Untersuchungen, etwa die von Ulrich Knapp,
der die konzeptionelle Nähe zwischen der Amanduskirche in
Urach und weiteren Bauprojekten dieser Zeit in Stuttgart, Leonberg
und Tübingen zeigt. Darüber hinaus sind u.a. die „Brüder
vom gemeinsamen Leben“, die Papierherstellung und der Buchdruck
in Urach oder das Skriptorium des Stephan Schriber am Uracher
Hof Themen dieser Publikation.
„Neue Forschungen. Stadt, Schloss und Residenz
Urach“
280 Seiten, 183 farbige Abbildungen.
Verlag Schnell + Steiner, Regensburg
Gebunden. 24,95 €
ISBN: 978-3-7954-2825-9
Der Tagungsband „Neue Forschungen. Stadt, Schloss und Residenz
Urach“ wird herausgegeben von den Staatlichen Schlössern
und Gärten Baden-Württemberg zusammen mit Prof. Dr. Klaus
Gereon Beuckers vom Kunsthistorischen Institut der Christian-Albrecht-Universität
zu Kiel. Das Buch ist für 24,95 € im Residenzschloss
Urach und im Buchhandel erhältlich.
|