9.4.14
Von Orchideen, Felsblöcken und hohen Tannen
Drei Naturschutzgebiete im Regierungsbezirk feiern 75. Geburtstag
(rpk)
Auch Naturschutzgebiete können zum Glück alt werden – im
Regierungsbezirk Karlsruhe feiern in diesem Monat drei Gebiete
ihren 75. Geburtstag. Im März 1939 ausgewiesen gehören
sie zu den ältesten in Baden: die Naturschutzgebiete „Büchelberg“, „Wendenkopf“ und „Große
Tannen“.
Das Naturschutzgebiet (NSG) „Büchelberg“ im Enzkreis
ist eine markante Kuppe im Muschelkalk zwischen Würm- und
Nagoldtal. Auf den kargen Böden war ein ertragreicher Ackerbau
nie möglich, daher ist der Büchelberg schon frühzeitig
als Schafweide genutzt worden. Diese heute selten gewordene Nutzungsform
war aber nicht der alleinige Grund für die Unterschutzstellung,
vielmehr gaben die zahlreichen seltenen Pflanzenarten, wie zum
Beispiel die Orchideenarten Bienen-Ragwurz und Helm-Knabenkraut,
den Ausschlag.
Eine ganz andere Zielrichtung verfolgte man beim NSG „Wendenkopf“ im
Rhein-Neckar-Kreis, einem Gebiet an der Bergstraße bei Schriesheim.
Beeindruckend ist hier der geologische Untergrund, entstanden bei
Vulkanausbrüchen vor etwa 250 Millionen Jahren. Große
Porphyrblöcke bedecken die Hänge im Gebiet, die baumfrei
sind oder nur mit schütterem Wald bestanden, dafür sind
die Vorkommen von Moosen und Flechten besonders vielfältig.
Wesentlicher Grund für die Ausweisung war die bemerkenswerte
geologische Situation.
Die Besonderheit des dritten Gebiets, des NSG „Große
Tannen“ bei Kälberbronn im Kreis Freudenstadt, hat ihren
Ursprung im 18. Jahrhundert. Die Holzhiebe zur Blütezeit der
Flößerei, in der Baumstämme bis nach Holland transportiert
wurden, hatten gewaltige Waldverwüstungen hinterlassen. Anders
als auf vielen anderen Flächen, wo Fichten und Kiefern angesät
wurden, konnte sich hier wieder ein natürlicher Tannen-Buchenwald
entwickeln. Vor allem die mächtigen alten Tannen wollte
man mit der Unterschutzstellung erhalten.
Von den Tannen sind mittlerweile viele abgestorben, dies schmälert
den Wert des Gebiets jedoch keineswegs, im Gegenteil: Totholz,
zumal solches alt gewordener Bäume, ist für viele stark
spezialisierte Arten unerlässlicher Bestandteil ihres Lebensraumes,
ohne den sie nicht leben könnten. Dass das NSG seit 1989 zugleich
Bannwald ist, in dem jegliche Waldwirtschaft ruht und mithin Bäume
alt werden und natürlicherweise sterben können, erlaubt
so die Entwicklung einer ganz besonders reichhaltigen Lebewelt.
Der „Wendenkopf“ ist inzwischen zugleich Teil des
Natura 2000-Gebietes „Odenwald bei Schriesheim“ und
wird auch in diesem Rahmen weiter erhalten und gepflegt. Der „Büchelberg“,
heute mit Unterstützung durch Landschaftspflegemittel von
Schafen und Ziegen beweidet, erfreut sich inzwischen so hoher Wertschätzung,
dass die Besucherströme nun bereits durch eine dritte Konzeption
gelenkt werden müssen, damit auch zukünftig die Arten
erhalten werden oder sich wieder einstellen, die Grund für
die Unterschutzstellung waren.
Für die nächsten 75 Jahre wünschen die Verantwortlichen
im Regierungspräsidium, dass die Naturschutzgebiete weiterhin
Inseln mit einem besonderen Reichtum an Tieren und Pflanzen bleiben
- auch als Quellen der Vielfalt für die umgebende Normallandschaft. |