11.11.14
Martini
Ein Beitrag auf dem Landeskunde-Blog
Der 11. November ist der Tag des Heiligen Martin, des späteren
Bischofs von Tour. Martinus wurde als Sohn eines römischen
Tribuns 316/17 (oder 336) n. Chr. geboren und christlich erzogen.
Er trat in den römischen Militärdienst ein und wurde
Offizier, konnte aber im Lauf der Zeit diesen Militärdienst
nicht mit seinem christlichen Glauben vereinen. Wohl kurz vor 356,
den Jahr seines Ausscheidens aus dem Militärdienst, hatte
er vor dem Stadttor von Amiens die legendäre Begegnung mit
einem Bettler, mit dem er seinem Mantel teilte.
15 Jahre später wurde er Bischof von Tours, lebte ein Leben
als vorbildlicher Christ, starb am 8. November 397 und wurde am
11. November desselben Jahres in seiner Bischofskirche in Tours
beigesetzt.
Für den Frankenkönig Chlodwig I. war Martin mit seiner
Haltung gegenüber dem als ketzerisch angesehenen Arianimus
eine feste Stütze des katholischen Glaubens in seinem Reich.
Der Heilige wurde damit zum Schutzheiligen der fränkischen
Könige. Martins Mantel, die „cappa“, galt als
fränkische Reichsreliquie, er wurde seit 679 im Königspalast
in Paris aufbewahrt und auf allen Feldzügen mitgeführt.
Der Aufbewahrungsort wurde danach „capella“, Kapelle,
genannt, ebenso das Kollegium der dort amtierenden Priester – ein
Begriff, der mit der Zeit auf alle Gotteshäuser überging,
die nicht eigene Pfarrkirche waren. Ebenso ging der Begriff der
Kapelle auf die Gemeinschaft der Kleriker über, die vom König/Kaiser
mit besonderen Verwaltungsaufgaben betraut wurden, die „Hofkapelle“ der
deutschen Kaiser des Mittelalters. Schließlich und endlich
wurden auch die an der Kapelle wirkenden Musiker mit diesem Begriff
belegt, der heute gegenüber dem cooleren „Band“ zurücktritt
und vor allem für Feuerwehrkapellen etc. gebraucht wird.
Die Bevorzugung des Heiligen Martin im fränkischen Reich
und seine Betonung als Reichsheiliger führte dazu, dass im
Frühmittelalter, d.h. im 6./7. Jahrhundert, vor allem Kirchen,
die auf fränkischen Staatsland („Fiskalland“)
gegründet wurden, dem Heiligen Martin geweiht wurden – für
die Historiker unserer Zeit ein wertvolle Hinweis.
Bleibt noch die Geschichte mit der Martinsgans. Der Legende nach
versteckte sich der Heilige, als er zum Bischof von Tours gewählt
werden sollte, in einem Gänsestall, wurde aber durch das Geschnatter
der Tiere verraten. Diese Geschichte ist unlogisch, weil der Heilige
ja sicher wusste, dass Gänse nicht gerade die schweigsamsten
Tiere sind. Außerdem ist es geradezu kontraproduktiv, sich
unter Gänsen verstecken zu wollen, da die Tiere selten als
zutraulich bezeichnet werden können, sondern Fremdlinge eher
aggressiv angehen.
Dahinter steht nichts anderes als der alte Brauch, im November
die Gänse, die im Sommer und Frühherbst noch gemästet
wurden, zu schlachten. Das hatte vor allem den Vorteil, dass sie
nicht über den Winter gefüttert werden mussten. Die bäuerliche
Bevölkerung lieferte ihre Gänse als Abgabe an die Grundherren,
und die hatten die Entscheidung, sie als lebende Speisekammer weiter
zu füttern oder sie ihrerseits zu schlachten. Der Ablieferungs-
und Schlachttermin lag sechs Wochen vor Weihnachten, zu Beginn
der weihnachtlichen Fastenzeit, vor der, ähnlich wie bei der
Fasnacht, noch einmal geschlemmt wurde. Zu dieser Zeit waren auch
mit den Rüben die letzten Feldfrüchte eingefahren.
In der evangelischen Welt trat naturgemäß die Heiligenverehrung
deutlich zurück, aber Martini, der Martinstag, war nach wie
vor ein fester Termin im bäuerlichen Kalender, zu dem auch
das Gesinde seine Arbeitsstelle wechselte. Wollte man mit dem Tag
eine Persönlichkeit der Glaubens verbinden, wich man auf den
Geburtstag des Reformators Martin Luther (10. November) aus.
Da es in der Gegenwart mehr Martinsumzüge gibt als Musikkapellen,
die zur Begleitung zur Verfügung stehen, müssen die Umzüge
zeitlich gestreut werden und finden zum Teil schon einige Tage
vorher statt. Selten jedoch geht die Verwirrung so weit, den Martinszug
schon Anfang November stattfinden zu lassen. Der alte Brauch, beim
Umzug Spenden für die Bedürftigen einzusammeln, gerät
allerdings angesichts von Altkleidercontainern und ganzjährigen
Sammelaktionen in Vergessenheit.
Der Brauch, eine Laterne beim Umzug mitzuführen, ist durch
die Anfang November spürbar früher einbrechende Dunkelheit
bedingt und gehört in die Reihe der Lichterzauber. Im alemannischen
Raum werden Rüben ausgehöhlt und mit Kerzen bestückt
(„Räbenlicht“) – was sich mancherorts mit
dem Brauch, zu Halloween Kürbisse auszuhöhlen, kreuzt.
Und Martini ist lateinisch und heißt eigentlich „dies
martini“ – der Tag des Martin. Martinsabend ist dem
allgemeinen Sprachgebrauch entsprechend der Vorabend des Tags,
also der 10. November. |