14.5.14
„Hilpertsau“ ist das 225. Naturschutzgebiet im Regierungsbezirk
Karlsruhe
Regierungspräsidentin Nicolette Kressl unterzeichnete
nach zweijährigem Verfahren die Verordnung des
Naturschutzgebiets „Hilpertsau“
(rpk) Bei der Unterzeichnung im Rahmen einer Feierstunde
der Stadt Gernsbach in der St. Erhards-Kapelle in Obertsrot nannte
Regierungspräsidentin Kressl drei Gründe, die
für dieses neue Naturschutzgebiet sprachen:
- es sei als Lebensraum seltener und gefährdeter Arten und
als wunderschöner Landschaftsteil schützenswert,
- es sei als Kulturlandschaft, die ohne Pflege verschwindet, schutzbedürftig,
und
- es hätte dazu beigetragen, die lange Auseinandersetzung
um das Baugebiet „Eben“ zu befrieden.
Besonders den letzten Punkt hob Regierungspräsidentin Kressl
in ihrem Grußwort hervor. „Ich halte diese win-win-Situation
für zukunftweisend. Naturverbrauchende Infrastrukturprojekte
sollten immer von Maßnahmen begleitet werden, die Natur sichern
und aufwerten.“ Dabei ging es der Regierungspräsidentin
um mehr als um den gesetzlich vorgeschriebenen Eingriffsausgleich.
Vor Ort sollte für die Menschen erlebbar und sichtbar werden,
was wir für die Natur tun, wenn wir etwas nehmen.
In diesem Fall hat die Ausweisung des Baugebietes 2012 und heute
des Naturschutzgebietes dafür geführt, dass nun alle
gewonnen hätten: die Gegner und Befürworter des Baugebietes
und des Naturschutzgebietes und die Natur selbst, die jetzt auf
63 Hektar dauerhaft gesichert sei und vorbildlich gepflegt werden
wird. Hier kommen die Ausgleichsmaßnahmen für das Baugebiet
zum Einsatz. Darüber hinaus sagte Regierungspräsidentin
Kressl die konstante Unterstützung der Landschaftspflege durch
das Regierungspräsidium zu. Besonders hervorzuheben sei die
institutionalisierte Abstimmung aller Akteure. Laut heute unterzeichneter
Verordnung werde das Regierungspräsidium einen Beirat einrichten,
um mit allen Beteiligten bei Bedarf einmal jährlich die Gebietsentwicklung
zu diskutieren und Entwicklungsmaßnahmen abzustimmen. Zum
Beirat gehören Vertreterinnen und Vertreter der Stadt und
des Ortsteils, der betroffenen Behörden und Vereine sowie
der Schäfer und die Jagdausübungsberechtigten.
Das Naturschutzgebiet (NSG) „Hilpertsau“ liegt rechts
und links der Landesstraße 76b zwischen Gernsbach-Hilpertsau
und Gernsbach-Reichental. Es ist ein typisches, landschaftlich äußerst
reizvolles Schwarzwaldtal mit ausgedehnten Wiesen und blütenreichen
Magerrasen. Streuobst, Hecken, Feldgehölze, natürliche
Fließgewässer und die landschaftstypischen Tiroler Heuhütten
bereichern das Landschaftsbild. Das 63 Hektar große Naturschutzgebiet
ist das 31. seiner Art im Landkreis Rastatt. Es ist das erste Wiesental
im Murgtal, welches Naturschutzgebiet wird.
Das Gebiet ist Lebensraum von zwei vom Aussterben bedrohten Tierarten
(Große Bartfledermaus und Graues Langohr) und acht stark
gefährdeten Tierarten (Wendehals, Waldlaubsänger, Bechsteinfledermaus,
Nordfledermaus, Breitflügelfledermaus, Kleiner Abendsegler,
Großes Mausohr und Mauereidechse). 2012 konnten insgesamt
37 Brutvogelarten, 28 Heuschreckenarten, 31 Schmetterlingsarten
und mindestens 12 Fledermausarten - teilweise sogar in hoher Dichte
- nachgewiesen werden. Es handelt sich daher um ein Naturschutzgebiet
von naturschutzfachlich mindestens überregionaler Bedeutung.
Durch die Unterschutzstellung wird ein rechtlicher Rahmen für
die nötigen Pflege- und Artenschutzmaßnahmen geschaffen,
werden naturschädigende Entwicklungen und Störungen ferngehalten
und wird für eine vorrangige Priorisierung der zur Pflege
benötigten Geldmittel aus dem Naturschutzhaushalt gesorgt.
In dem über zweijährigen Unterschutzstellungsverfahren
konnten die Bürgerinnen und Bürger sowie die Mitglieder
des Gemeinde- und des Ortschaftsrates ihre Vorstellungen im Rahmen
von Vorträgen und Exkursionen beitragen. Im Ergebnis entstand
ein Naturschutzgebiet im Konsens: Gemeinderat und Ortschaftsrat
votierten jeweils einstimmig für die Unterschutzstellung,
während der Offenlage wurden bei über eintausend betroffenen
Flurstücken nur fünf Einwendungen vorgetragen – aus
Sicht des Regierungspräsidiums ein guter Start für das
neue Naturschutzgebiet.
Nach der heutigen Unterzeichnung wird die Verordnung nun im Gesetzblatt
verkündet und anschließend für zwei weitere Wochen
im Regierungspräsidium in Karlsruhe und im Landratsamt in
Rastatt ausgelegt. Danach ist sie rechtskräftig. Damit ist
ab Ende Mai zu rechnen.
Ab diesem Zeitpunkt gelten für unterschiedliche Gruppen unterschiedliche
Regeln. Besucher müssen unter anderem auf den Wegen bleiben
und ihren Hund an der Leine führen, sie dürfen nicht
lärmen, Feuer machen, oder störende Sportarten ausüben.
Bei der Bewirtschaftung von Obstbaumwiesen dürfen vor dem
15. Mai keine Rasenmäher mit Motor betrieben werden. Diese
Einschränkungen sollen helfen, das Gebiet für störempfindliche
Brutvögel attraktiv zu halten. Weiter ist es auf Obstbaumwiesen
nur mit Zustimmung der Naturschutzbehörde erlaubt, Hochstämme
zu fällen, damit keine Fledermaus-Brutstätten verloren
gehen. Als Neupflanzung kommen nur Obstbaum-Hochstämme oder
Nussbäume in Frage, um den Charakter des Gebietes zu erhalten.
Die Landwirtschaft muss zur Schonung von Schmetterlingen und Heuschrecken
bestimmte Düngeregeln einhalten und darf nicht vor dem 1.
Juli mulchen. Darüber hinaus muss die Koppelung von Schafen
mit der Naturschutzverwaltung abgestimmt werden, damit diese nicht
die seltenen Magerrasen durch Düngung zerstören. Die
Jägerschaft muss Hochsitze landschaftsrecht aufstellen und
darf Kirrungen nur mit Zustimmung der Naturschutzbehörde betreiben.
Auch Kirrungen würden Magerrasen durch Düngung beeinträchtigen. |