25.2.10
Quellvorgänge unter der Staufener Altstadt:
Hebungen lassen nach
Informationsveranstaltung in Staufen als vorläufiger Schlusspunkt
aufwändiger Analysen / Regierungsvizepräsident Klemens
Ficht: Was in Staufen passiert, ist für die Betroffenen
eine große Belastung
(rpf) Die Arbeitshypothese des Landesamtes für
Geologie, Rohstoffe und Bergbau (LGRB) im Regierungspräsidium
Freiburg hat sich bestätigt, die Maßnahmen zur Sanierung
der Erdwärmesonden
schlagen an, die Quellvorgänge tief unter der Staufener
Altstadt lassen nach. Das ist die zentrale Botschaft, die das
LGRB am vergangenen Montag vor über 200 fachkundigen Besuchern
bei einer Informationsveranstaltung mit Podiumsdiskussion in
Staufen
offiziell
verkündete. Verwaltungsvertreter, Experten, Ministerialbeamte,
Bürgervertreter und Bürgermeister stellten sich gemeinsam
den Fragen aus dem fachlich ebenfalls hochkarätig besetzen
Publikum und setzten einen vorläufigen Schlusspunkt hinter
einen Auftrag, der vermutlich weltweit bisher einmalig sein dürfte.
Wie kann man eine großflächige Geländehebung
mit erheblichen Folgeschäden an Gebäuden, vermutlich
verursacht durch Geothermiebohrungen, in den Griff bekommen bzw.
stoppen?
Ein Blick zurück: Im September 2007 wurden in der Staufener
Rathausgasse sieben bis zu 140 m tiefe Erdwärmesonden eingerichtet,
um das denkmalgeschützte Rathaus mit Erdwärmetechnologie
zu heizen und zu kühlen. Seit Ende 2007 registrierte man
zunehmend Gebäudeschäden im historischen Altstadtbereich.
Erschreckende Erkenntnis: Der Untergrund sackt nicht ab wie ursprünglich
vermutet. Er hebt sich vielmehr bis zu 11 mm pro Monat in einem
Bereich etwa in Form einer Ellipse mit einer Länge von ca.
280 m und einer Breite bis zu 180 m. Die Folge sind teilweise
irreparable Risse und Sprünge in öffentlichen und privaten
Gebäuden, damit erhebliche Vermögensschäden und
große Sorgen und Ängste bei den Betroffenen.
An diese wandte sich Regierungsvizepräsident Klemens Ficht
zuerst bei der Begrüßung der Zuhörer und der
Fachleute auf dem Podium: „Was seit Ende 2007 passiert
ist, lag damals noch außerhalb jeder Vorstellungskraft.
Der Untergrund unter Staufen hat sich mit dramatischen Folgen
gehoben, wir beklagen mittlerweile Schäden an rd. 250 Gebäuden.
Mein erster Gedanke gilt daher den betroffenen Bürgern Staufens.
Das Regierungspräsidium Freiburg unternimmt alles, was wissenschaftlich
und fachlich möglich ist, um den Hebungsprozess zu beenden“.
Hierzu hatte die baden-württembergische Landesregierung
nach Bekanntwerden der ersten Schäden das LGRB mit Untersuchungen
beauftragt, um die Standortverhältnisse unter der Erde zu
erkunden und Wege zu finden, um die Hebung in den Griff zu bekommen.
Das LGRB vermutete hinter den Hebungen Quellungsvorgänge
im gipskeuperführenden Gebirge unter der Staufener Altstadt.
Dafür sprachen auch Temperaturmessungen in den Bohrlöchern:
In bestimmten Tiefen – dort, wo anhydritführende Schichten
im Untergrund nachgewiesen sind – wurden atypisch hohe
Temperaturen registriert. Sie sind auf die Umwandlung von Anhydrit
in Gips durch Wasserzutritte zurückzuführen, dort wo
das bisher intakte das Grundwasser ferngehalten hatte. Heimwerker
kennen das Phänomen: Mit Wasser angerührter Haushaltsgips
gibt beim Aushärten Wärme ab. Dazu kommt eine erhebliche
Volumenzunahme mit Ausdehnung nach allen Seiten – und leider
im Fall Staufen auch nach oben mit den bekannten Folgeschäden:
Das „Buckeln“ des Untergrundes kann von den Fundamenten
der historischen Gebäude nicht gleichmäßig aufgefangen
werden, ein statisches „Gleichgewicht“ gerät
im wahrsten Wortsinne aus den Fugen.
Eine Erkundungsbohrung unter Berücksichtigung aufwändiger
Sicherheitsstandards bestätigte die Vermutungen: In einer
Tiefe zwischen rd. 60 und 100 m waren beim Durchbohren verschiedener
Schichtfolgen wasserführende Schichten mit nicht wasserführendem
Anhydrit ungewollt in Verbindung gebracht worden. Das Wasser
konnte aufgrund der dort herrschenden Druckverhältnisse
in obere, bisher „trockene“ Stockwerke steigen und
dort die Quellungen verursachen, weil eines der Bohrlöcher,
die mit Spezialzement zu verschließen sind, nicht dicht
war.
Zur Sanierung wurde zunächst eine Überbohrung diskutiert,
d. h. eine Bohrung mit größerem Durchmesser abzuteufen
und die Erdwärmesondierung darin sozusagen einzuschließen.
Mit einer eigens entwickelten Messsonde stellte man jedoch fest,
dass alle Erdwärmebohrungen in der Tiefe teilweise bis zu
20 m von der Vertikalen abweichen. Eine präzise zu platzierende Überbohrung
schied damit aus. Daher wurde die Fa. Keller Grundbau aus Renchen
damit beauftragt, ein neuartiges Verfahren zur nachträglichen
Ringraumabdichtung der Erdwärmesondenbohrungen zu entwickeln.
Die Schläuche der Erdwärmesonden werden dazu gezielt
perforiert, danach wird ein Spezialzement in Ringraum und Gebirge
eingepresst. Mit dem Verfahren werden alle Erdwärmesondenbohrungen
auf ihrer gesamten Länge behandelt.
Dieser Ansatz ist offenbar richtig: Bei den bisherigen Nachverpressungen
nahm eine Erdwärmesonde nämlich zunächst ungewöhnlich
viel Injektionszement auf, und die in an den Verdachtsstellen
gemessenen atypischen Temperaturen sinken. Die Experten gehen
daher davon aus, dass mit der Injektion das aufsteigende Wasser
zurückgehalten wird; außerdem senken Dauerpumpmaßnahmen
in einer zum Brunnen ausgebauten Erkundungsbohrung den Grundwasserspiegel
ab. Nach den jüngsten Hebungsmessungen sind erste Erfolge
erkennbar. Die weitere Entwicklung muss aufmerksam beobachtet
werden. Die Erkundungsergebnisse, Beobachtungen, und Sanierungsmaßnahmen
werden in einem ausführlichen Bericht in den nächsten
Tagen der Landesregierung übermittelt.
Mit den Erkundungs- und ersten Sanierungsmaßnahmen ist
ein wichtiges Etappenziel erreicht. Regierungsvizepräsident
Ficht richtete den Blick aber bereits nach vorne: „Unser
gemeinsames Ziel ist es, die Hebungsprozesse endgültig zu
stoppen, damit alle betroffenen Gebäude umfassend und nachhaltig
saniert werden können. Die Landesregierung ist sich ihrer
Verantwortung für die Stadt Staufen und ihre Einwohner dabei
bewusst und wird die Stadt weiter unterstützen. Die Betroffenen
können weiter Vertrauen in die Fachleute des Regierungspräsidiums
haben. |