21.10.10
Ortenauer Kreisarchiv erhält Briefnachlass ehemaliger
Friesenheimer Juden
Das Kreisarchiv im Landratsamt Ortenaukreis verwahrt seit 2008
den Briefnachlass von Richard Levi, einem ehemaligen jüdischen
Bürger aus Friesenheim. Gestern hat der 83-Jährige,
der seit 1939 in England lebt, persönlich zwei weitere Briefe
dem Leiter des Kreisarchivs Dr. Cornelius Gorka überreicht. „Ich
freue mich sehr über die Schenkung der Briefesammlung. Sie
ist eine wichtige Quelle zum jüdischen Leben in Friesenheim
und der Ortenau zur Zeit des Dritten Reiches. Die Briefe sind
zudem interessante Zeugnisse vom Neuanfang jüdischer Emigranten
in der Fremde“, so der Kreisarchivar. Die ersten 98 Briefe
hatte Levi dem Ortenaukreis schon 2008 geschenkt.
Die Familie Levi wohnte in der Friesenheimer Hauptstraße
89. Nachdem die NS-Behörden jüdischen Kindern den Besuch
einer normalen staatlichen Schule untersagt hatten, besuchte
der junge Levi bis zum 10. November 1938 die Lessingschule in
Freiburg. Als die Eltern erkannten, dass das Leben in Deutschland
für Juden nicht mehr sicher war, schickten sie den Sohn
im März 1939 mit einem Kindertransport nach England, wo
er den Holocaust überlebte.
Richard sollte seine Eltern nie wieder sehen. Sie wurden am
22. Oktober 1940 mit den anderen badischen Juden zunächst
nach Gurs in Südfrankreich gebracht. Am 1. September 1942
schrieben sie den letzten Brief an ihren Sohn, bevor sie nach
Auschwitz deportiert wurden. Dort kamen sie um.
Die Briefe wollte Levi für die Nachwelt erhalten und nahm
Kontakt mit der Geschichtswerkstatt Freiburg auf. Von da gelangten
sie ins Offenburger Archiv. Heidi Beck-Braach und Rosita Dienst-Demuth
von der Geschichtswerkstatt Freiburg haben anlässlich des
70. Jahrestages der Deportation der badischen Juden ein Buch
mit dem Titel “98 Briefe ins englische Exil“ geschrieben,
das bei der Übergabe der beiden Briefe kurz vorgestellt
wurde.
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