9.11.09
Unterwasserarchäologie - Bodensee: Taucharchäologen
bergen Schiffswrack vor der Insel Reichenau
Vor der Reichenau sind derzeit Taucharchäologen des Landesamtes
für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart
mit der Bergung des vielleicht ältesten je gefundenen Schiffswracks
des Bodensees beschäftigt. Nach bisherigen Erkenntnissen
ist es vor über 600 Jahren gesunken. Obwohl Schriftquellen
zufolge schon die Römer den Bodensee für den Schiffsverkehr
nutzten und wahrscheinlich auch die steinzeitlichen Pfahlbaubewohner
den See mit Einbäumen befuhren, hat man ältere Wracks
bislang noch nicht entdeckt. Ein Anwohner hatte das Schiff im
Winter 2006 beim Schlittschuhlaufen durch das Eis hindurch entdeckt
und seine Beobachtung der zuständigen Fachabteilung für
Unterwasserarchäologie des Landesamts für Denkmalpflege
Baden-Württemberg im Regierungspräsidiums Stuttgart
in Hemmenhofen gemeldet. Durch die Bergung soll es vor der Zerstörung
bewahrt werden.
Im Frühjahr nach der Entdeckung des Schiffes untersuchten
Taucharchäologen den Fund vor Ort und konnten feststellen,
dass es sich um einen mittelalterlichen Schiffstyp handelt. Augenfällig
sind die aus dem Seeboden herausragenden Spanten des 9 m langen
Schiffsskeletts. Der schlanke kastenförmige Rumpf mit flachem
Boden, weit aufragendem Bug und breitem Heck ist bezeichnend
für die mittelalterliche Schiffsbautechnik. Alle noch vorhandenen
konstruktiven Verbindungen zwischen den Holzbauteilen sind aus
Holz, ohne Zuhilfenahme von Eisen, hergestellt. Mit Hilfe einer
Radiokarbondatierung ließ sich das Schiff – vielleicht
ein Fischerboot – datieren: Es stammt aus dem 14. Jahrhundert!
Wie der Taucharchäologe Dr. Martin Mainberger berichtet,
musste man schon bei den ersten Tauchgängen im Frühjahr
2006 feststellen, dass zur Dokumentation und Rettung des Bootes
nur wenig Zeit bleibt. Um das Spantskelett herum fanden sich
am Seeboden zahlreiche Bauteile, die sich bereits aus dem Konstruktionsverband
gelöst hatten. Das Wrack, das in einer seichten Bucht liegt,
ist von Ankerspuren gezeichnet. Exponierte Bauteile wurden abgerissen.
Zu den Gefahren des modernen Bootsverkehrs im Sommerhalbjahr
kommen im Winter immer häufiger extrem niedere Wasserstände
und damit verbunden beschleunigte Erosion und Eisgang hinzu.
Um dem drohenden Totalverlust zuvorzukommen haben sich die Archäologen
daher jetzt zu Rettungsmaßnahmen entschlossen.
Im Rahmen des von der EU geförderten Interreg IV-Projektes „Erosion
und Denkmalschutz am Bodensee und Zürichsee“ bergen
die Archäologen zur Zeit die aus dem Seegrund herausragenden,
losen Bauteile. Diese werden im Hemmenhofener Labor zusammen
mit dem Schiffsarchäologen Dr. Dietrich Hakelberg vom Seemuseum
Kreuzlingen auf schiffsbautechnische Merkmale und Besonderheiten
untersucht. Anschließend werden sie wieder an einer geschützten
und tieferen Stelle im See vor der Reichenau eingegraben, um
dort dauerhaft erhalten zu bleiben. Der Bootsfund aus dem Mittelalter
zeigt zusammen mit einigen wenigen weiteren Unterwasserdenkmalen,
dass die Weltkulturerbestätte Reichenau nicht an der Uferlinie
endet, sondern dass rund um die Klosterinsel noch mit bedeutenden
archäologischen Funden zu rechnen ist.
Von den zahlreichen aus Holz gebauten Lastsegelschiffen des
Mittelalters und der frühen Neuzeit hat an Land kein einziges
bis heute überdauert. Die wenigen verbliebenen Schiffswracks
und Pfahlsetzungen alter Wasserbauten am Seegrund sind daher
archäologische Unterwasserdenkmale von besonderer technik-
und landesgeschichtlicher Bedeutung. Sie müssen lokalisiert,
fachgerecht dokumentiert und vor der Zerstörung geschützt
werden.
Die Bedeutung der Bodenseeschifffahrt für Handel und Verkehr
nahm aber seit dem Frühmittelalter stark zu. Gerade die
Mönche von der Reichenau hatten an der Schifffahrt handfeste
wirtschaftliche Interessen. Sie nutzten den See für Fischfang
und als Transportweg für den Güteraustausch mit den
umliegenden Klosterhöfen. Bis zum Bau der Eisenbahn um den
Bodensee blieb die Fahrt über das Wasser die schnellste
Verkehrsverbindung.
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