22.2.07
Taucher
bergen Siedlungsfunde in verschiedenen Pfahlbausiedlungen - neue
Erkenntnisse zur Besiedlung des Raumes in der Jungsteinzeit und
Bronzezeit zu erwarten
Die Untersuchungen am Orkopf setzen eine jahrzehntelange Zusammenarbeit
des Amtes für Archäologie, Kanton Thurgau, mit dem Landesamt für
Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart (ehemals Landesdenkmalamt
Baden-Württemberg), fort - erstmals sind die Unterwasserarchäologen
nun aber mit einem gemeinsamen Team im Gelände direkt an der Arbeit.
Zwischen dem Kanton Thurgau und dem Land Baden-Württemberg bestanden
bereits während des Autobahnbaus im Raum Konstanz-Tägerwilen-Kreuzlingen
enge Kontakte, dabei nahm das Amt für Archäologie verschiedene
Befunde im Grenzraum auf. Weiter besteht schon eine längere Tradition
für gemeinsame Ausstellungen (Archäologisches Landesmuseum Konstanz). Bei
Arbeiten auf und an der Grenze werden verschiedene Fragen aktuell
- so etwa diejenigen verschiedener Höhen- und Koordinatensysteme,
aber auch des genauen Verlaufes der Grenze, die bei archäologischen
Funden ja auch über die Besitzverhältnisse entscheidet. Berühmtes
Beispiel für eine solche Frage ist die Gletscherleiche Ötzi, die
nach Nachvermessungen vom Österreicher zum Italiener mutierte. Auf
dem Orkopf ist nun kein Ötzi zu erwarten, sondern es stehen prähistorische
Siedlungen und deren Dokumentation im Vordergrund. Die Frage,
ob hier bereits in früher Zeit ein Seeübergang lag, stellt sich
aufgrund des Verlaufes bestimmter Pfahlreihen. Zudem sind ausgedehnte
Pfahlfelder festgestellt worden, die zu verschiedenen Pfahlbausiedlungen
des 4. und 2. Jahrhunderts v. Chr. gehören. Die Datierung der
Pfähle durch das Dendrochronologische Labor der Arbeitsstelle
Hemmenhofen (Dr. André Billamboz) lässt hier neue Erkenntnisse
zur Besiedlung des Raumes in der Jungsteinzeit und Bronzezeit
erwarten. Die Taucher bargen Siedlungsfunde: Keramik, Steingeräte
und eine bronzene Lanzenspitze. Die Arbeiten finden in 1-5 m
Wassertiefe statt und werden von geschulten Taucharchäologen und
Forschungstauchern durchgeführt. Sie umfassen Vermessungsarbeiten,
die Durchführung von Bohrungen zur Erkundung des geologischen
Untergrundes, die Beobachtung von Siedlungsstrukturen, die Entnahme
von Pfahlproben und die Bergung von Funden. Dr. Hansjörg Brem,
Kantonsarchäologe, und Dr. Helmut Schlichtherle, Leiter Fachgebiet
Unterwasserarchäologie: "Wir sind sehr froh, dass es gelungen
ist, das Kulturererbe im Grenzgewässer nun in gemeinsamer Arbeit
mit den schweizerischen und deutschen Kolleginnen und Kollegen
zu erforschen und mit dem Projekt "Orkopf" in archäologisches
Neuland vorzustoßen. Es ist geplant, die Zusammenarbeit fortzusetzen." Das
Amt für Archäologie des Kantons Thurgau führt seit 1980 eigene
taucharchäologische Untersuchungen durch, diese finden seit 1996
regelmäßig im Winterhalbjahr statt und betreffen Prospektions-,
Dokumentations- und Schutzarbeiten. Neben ausgebildeten Mitarbeitern
und Mitarbeiterinnen des Amtes werden jeweils kurzfristig Spezialisten
bei diesen Kampagnen beschäftigt. Nachdem im März 2006 die Taucharbeiten
infolge der Vogelgrippe eingestellt werden mussten, ist das Amt
seit Januar 2007 mit folgenden Aufgaben beschäftigt: - Uferbereiche
Eschenz-Werd bis Ermatingen: Prospektion, Vermessungen - Ermatingen,
Westerfeld: Überprüfung Schutzmaßnahmen - Eschenz, Staad/Orkopf:
Untersuchung der Pfahlbausiedlung im Grenzbereich Baden-Württemberg-Schweiz
in Zusammenarbeit mit dem Baden-Württembergischen Landesamt für
Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart. - Steckborn, Schanz:
Vorbereitungen Schutzmaßnahmen - Steckborn, Turgi/Feldbach: Fortsetzung
der Bohrungen, Probeentnahmen, Prospektion Das zeitliche Schwergewicht
liegt dabei auf der Fortsetzung der Abklärungen im Hafen Feldbach
- hier bestehen Bauprojekte. Die Arbeiten am und im Wasser werden
von Matthias Schnyder geleitet, die Equipe zählt mit ihm vier
Personen. Die Tauchbasis befindet sich im Hafen Steckborn Feldbach. In
Baden-Württemberg werden seit 1979 neue Methoden in der denkmalpflegerischen
Betreuung des Kulturgutes in den Seen und Feuchtgebieten des Landes
angewandt. Seit 1981 können die Pfahlbausiedlungen des Bodensees
durch den Einsatz von Forschungstauchern dokumentiert werden.
Die Kartierung und Erkundung stellt die Basis für eine denkmalpflegerische
Betreuung der wissenschaftlich bedeutsamen Fundstellen unter Wasser
dar. In der Folge wurden Rettungsgrabungen in bedrohten Arealen
(vor allem in Hafenanlagen und Strandbädern), Erosionsschutzmaßnahmen
(Geotextil, Sandsack-, Kiesabdeckungen) und Forschungsgrabungen
(mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der
Fritz Thyssen Stiftung) durchgeführt. In der Winterkampagne 2007
sind drei Arbeitsmannschaften am deutschen Bodenseeufer tätig.
Folgende Arbeitsschwerpunkte werden angegangen:
- Uferbereich
Maurach bis Meersburg: Bergung erosionsgefährdeter Pfahlfelder
und Vermessungsarbeiten in wenig erkundeten Arealen. Vorbereitung
von Erosionsschutzmaßnahmen in Unteruhldingen. - Sipplingen -
Osthafen: Rettungsgrabungen in einer Schiffahrtsrinne und Kartierungsarbeiten. -
Uferabschnitt Hemmenhofen bis Öhningen: Kartierungsarbeiten in
wenig bekannten und durch Luftbildarchäologie neu entdeckten Pfahlfeldern.
Untersuchungen am "Orkopf" in Zusammenarbeit mit dem Kanton Thurgau. -
Reichenau: Dokumentation eines mittelalterlichen Schiffswracks. Das
Schwergewicht der Untersuchungen liegt dabei auf den Unternehmungen
am Überlinger See, wo durch Seespiegelabsenkung und Klimawandel
derzeit erhebliche Schäden an der Denkmalsubstanz zu verzeichnen
sind. Die Arbeiten werden von Dr. Helmut Schlichtherle und Dr.
Bodo Dieckmann geleitet, die Leitung vor Ort liegt bei Dr. Joachim
Köninger, Dr. Martin Mainberger und Adi Müller M.A..
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