ROKOKO
Glänzend, prunkvoll, bunt, exzentrisch, raffiniert - so wird
der Pfau in der Enzyklopädie von Johann Georg Krünitz seit 1773
in Folge bezeichnet - und so tritt die höfische Männermode in
der Zeit Ludwigs XIV. auf. Paris war das Vorbild, das übrige
Europa folgte bis ins 18. Jahrhundert. Gestickte Blüten, ausgestellte
Frackschöße, dem Reifrock ähnlich, Puder, Schminke und Schönheitsfleck
-modische Signale, die eher den Damen zugeschrieben werden. Im
Verlauf des 17. und 18. Jahrhunderts veränderte sich das traditionelle
Verhältnis zwischen den Geschlechtern tiefgreifend. Es betrifft
die Stellung der Frau, deren gesellschaftlicher Einfluss bei
Hofe sich stark ausweitete und dem des Mannes fast nicht mehr
nachstand. Man denke nur an die hoch gebildeten Mätressen der
Könige.
Bild: Herrenanzug, um 1790
Violett-grüner Seidenpekin, naturfabene Seidenstickerei (Hose ergänzt)
Modemuseum im Münchner Stadtmuseum
BIEDERMEIER
1789 und die nächsten Folgejahre öffneten sich - und dies auch
besonders in der Herrenmode - den liberalen Strömungen aus England:
bequeme und körperumspielende Schnitte, gedeckte und deswegen
auch praktische Farben, strapazierfähige Materialien, zurückgenommene
Zierelemente. Das 19. Jahrhundert, das so genannte bürgerliche
von ca. 1815 bis 1870, brachte in der Herrenmode die verhaltene
Farbigkeit. Von den weitgehend abgelegten weiblichen Elementen
behielt sie zunächst noch Taillierung und Betonung der Brust
durch bestickte oder auffallend gemusterte Westen. |
KONSERVATIVISMUS
Die Gründerzeit
der 1870er Jahre bringt endlich den würdigen und gesamtschwarzen
Geschäftsmann hervor, dessen als seriös bezeichnete Attitüde
es auch nicht mehr zulässt, noch die bunte Weste zum dunklen
Anzug zu tragen: Das letzte modische Farbbekenntnis des Jahrhunderts
verschwindet in Nachtverpackung. Schwarz wird zu einem Synonym
für einen Begriff, der Autorität und Distanz beinhaltet, dem
schwarzen Ernst der spanischen Hofmode. Die Nicht-Farben Grau
und Beige gesellen sich zum konservativen Schwarz. Diese Töne
sind in der Mode bis heute Kennzeichen einer Persönlichkeit,
die sich nicht aus der Masse hervorheben will. Der Sprachgebrauch
kennt den Ausdruck "nicht Farbe bekennen".
TRACHTENMODE
Über stammeseigentümliche
Kleidung in einem Lange großer Trachtenfreudigkeit zu sprechen
ist sicher problematischer als in einer Welt, für die "Tracht" nichts
mehr bedeutet. In Bayern und in Österreich schwingen immer auch
Gefühle mit, wenn von Tracht die Rede ist; zustimmende, ablehnende,
angenehme, aber auch zwiespältige -jedenfalls ist der Begriff "Tracht" hierzulande
emotionsbeladen, wenn auch in den meisten Fällen in durchaus
lustbetontem Sinne.
Schon die Habsburger und Wittelsbacher des 19. Jahrhunderts fanden
Gefallen am "grauen Rock" und machten eine Art Ideologie daraus. Elemente ursprünglich
regionaler Kleidung wurden seit Anfang des 20. Jahrhunderts in die Mode integriert.
Heute bildet die sogenannte "Landhausmode" mit einer aus dem Zusammenhang gerissenen Überhäufung
des Körpers mit klischeehaften Trachtenattrappen einen wichtigen Teil "bayrischer" Festivitäten.
FREIZEIT UND
SPORT
Spezielle Hausmäntel
oder Rauchkappen, wie sie schon Wilhelm Busch karikierte, bildeten
im bürgerlichen 19. Jahrhundert eine wichtigen Typ der bequemen
Freizeitkleidung der Männer. Die Mode der Gesundheitsreform und
der damit zusammenhängenden Sportbewegung um 1900 brachte bunte
Variationen in das graue Herrenleben - eine erneute Möglichkeit
für den Pfau, den engen Gartenmauern der Konvention zu entschlüpfen.
In den 1930er Jahren werden erstmals spezielle Sportkostüme entworfen,
die nicht nur allein von der Funktion her strukturiert waren.
Die fünfziger Jahre bringen Jugend - und Freizeitmode, besonders
die Jeans, zunächst nur für Männer, sowie männliche Statussymbole
wie Auto, Kamera und Fernglas. Und die Sechziger mit Beatles,
Blumen und Baumwolle sind nach dem englischen Hofschneider Hardy
Amies das Jahrzehnt der "Peacock Revolution", der bisher neben
Schwarz und Grau nicht so deutlich aufgefallenen Wiederkehr des
Pfaus. Heute bilden Freizeit- und Sportmode einen wichtigen Wirtschaftszweig,
der sich auf bedeutenden Messen in großen Events präsentiert.
AUFGEBROCHENE
KLASSIK
Der Schneider
oder Couturier kann als Synonym für die jeweils aktuelle Modelinie
gelten, denn mit Hilfe seiner Kunstfertigkeit werden die neuesten
Kreationen der Modejournale lebendig und anschaulich. Während
sich einerseits die Herren-bekleidung seit der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhundert bis heute durch schwarz-graue Zurückhaltung
und den Blick auf das korrekte und somit klassische englische
Vorbild auszeichnet, hat sich andererseits die Männermode seit
Dandys wie Oscar Wilde oder auch Gabriele d'Annunzio ständig
weiterentwickelt. So lehnte die italienische Gruppe der Futuristen
schon 1914 die Symmetrie des Schnittes und die deprimierende
Statik der Linie ab. Und seit den Sechzigern bzw. Siebzigern,
der Zeit der Rock- und Popmusik, der Hippies und des Flower-Power
wird die Starrheit des klassischen Herrenanzugs durch ungewöhnliche
Farbzusammenstellungen oder raffinierte künstlerische Details
etwas aufgebrochen.
AVANTGARDE
Was gestern
Avantgarde, Off, Trend, "in" war, ist morgen "out". Dann taugt
es nach einer zeitlichen Schonfrist (sie beträgt zur Zeit noch
ein bis zwei Jahrzehnte) gerade noch zum Zitat. Auch Kreativität
ist dem Kreislauf der ewigen Wiederkehr unterworfen.
Zum gegenwärtigen
Zeitpunkt überschlagen sich die modischen Trends des "Neuen".
Die Grenzen zwischen Establishment und Alternativ-Szene haben
sich verwischt. Die bis zu den frühen 80er Jahren noch gewissenhaft "funktionierenden" Trennungen
zwischen der stilbildenden Haute Couture und dem jeweiligen Subkultur-
oder Unterground-Styling sind aufgehoben. "In" sein ist "out" und
umgekehrt, oder, um anschaulicher zu werden, der karrierebeflissene
junge Angestellte in ADIDAS-Shorts und T-shirt ist genauso "in" wie
die Punk-Lady mit Netzstrümpfen, Leder-Mini und zu Berge stehender
Gel-Frisur.
DER NEUE PFAU
Mode ist heute
nicht mehr die Demonstration einer klassenspezifischen Zugehörigkeit.
Es geht vielmehr in schonungsloser Strategie um die möglichst
perfekte Inszenierung des Selbst. Ob schrill oder verhalten-elegant,
ob exotisch oder klassisch, ob sportlich oder romantisch - Ziel
ist das optimale Körperdesign, ist die narzisstisch verabsolutierte
Präsentation des Äußeren. Jeder sein eigener Star, jeder bemüht,
sich den "touch", oder die Aura der Einzigartigkeit zu verleihen.
Nachdem die provokative Ästhetik des PUNK, der letzten revolutionären
Jugend-Bewegung seit den 60er Jahren, Anfang 1980 salonfähig
geworden, sachte in die marktträchtigen Geleise des domestizierten
New-Wave geglitten war, sind Grenzüberschreitungen. Tabuverletzungen
endgültig absurd geworden.
Fortsetzung des Texts |