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Dokumentation des Verfalls

Schlösser, Kirchen, Herrenhäuser im Osten Deutschlands

Zum zehnten Jahrestag des Mauerfalls veröffentlichte der Eulen-Verlag in Freiburg einen neuen Bildband des britischen Fotografen Simon Marsden. Marsden, der sich bisher vor allem einen Namen durch seine düster-fantastischen Bilder alter britischer Herrenhäuser, wendet sich mit diesem Band dem Osten Deutschlands zu. Unmittelbar nach dem Fall der Mauer fotografierte er in der ehemaligen DDR in seinem unverkennbaren Stil Schlösser, Kirchen und Herrensitze.

Marsden und sein Mit-Autor Duncan McLaren registrieren diese für sie fremde Welt mit den Augen westlicher Entdeckungsreisender. Die Fotografien der damals noch vom Verfall bedrohten Gebäude und die Texte der beiden Autoren und die Texte der beiden Autoren beschwören eine düstere Atmosphäre herauf, die diesen Band trotz seines völlig anderen Sujets in die Nähe der früheren Arbeiten Marsdans rückt.

Das Barbarossadenkmal am Kyffhäuser erregte ebenso sein Interesse wie die Grabstätten alter Adelsfamilien. Der Reiz eines halb verfallenen Gutshauses in Mallin steht neben der Pracht von Sanssouci. Schlösser und Burgen ragen stolz über Landschaften, die schön und unheimlich zugleich wirken. Die Autoren sehen ihr Buch auch als Beschreibung einer Baukultur, die durch die Enteignungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg und durch eine anschließende weitgehende Vernachlässigung der Gebäude gefährdet wurde.

Der besondere Reiz des Bandes liegt vor allem in seinem dokumentarischen Charakter. Die Bilder haben den Rang von Zeitzeugnissen, da die abgebildeten Gebäude festgehalten wurde, bevor die dringend notwendige Sanierung einsetzte. Die Autoren sehen ihr Buch dem entsprechend auch als engagiertes Bekenntnis für den Erhalt kulturhistorisch wertvoller Bauwerke.

Der Band besticht durch die Technik der Fotografie, die nicht nur dokumentieren will, sondern auch die Mittel der Schwaz-Weiß-Technik und der Körnung gezielt einsetzt, um die Stimmung der Autoren in dem „fremden" Land zu unterstreichen. Die einzelnen Bilder sind nicht nur von grob umrissenen Skizzen zu Bau- und Verfallsgeschichte begleitet, sondern auch von persönlichen Bemerkungen der Autoren, teils über die Geschichte, teils über den Zustand („Ein Strom floß in Mäandern vorbei. Dies war ein gut erhaltener, aber toter Besitz. Es gab keine Menschen, keine Hunde, kein Gelächter, keine Landschaftspflege - nichts.") oder von Auszügen aus dem 1955 erschienenen „Weißbuch über die Demokratische Bodenreform in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands".

Damit, und durch die nachgestellte „Kurze Geschichte der Enteignung von Grundbesitz zwischen 1945 und 1949" wird das Buch auch zu einer Anklage gegen die gesamte Nachkriegsgeschichte, die für den immer noch fortschreitenden Verfall der ostdeutschen Kulturdenkmäler verantwortlich ist. Was fehlt, ist eine Bestandsaufnahme: Die Bilder sind 1990 gemacht, das Buch erschien 1999. Was ist in der Zwischenzeit getan worden? Wieviel Verfall ist aufgehalten ?

Simon Marsden, Duncan McLaren: Zeugen in Stein. Schlösser, Kirchen, Herrenhäuser im Osten Deutschlands. 128 Seiten mit 88 Fotografien im Duoton. Freiburg: Eulen-Verlag, 1999. 68 DM

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