Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

September 2003
  - Sammlungsblatt -

Charles de Graimberg: "Zweyte allgemeine Ansicht des Schlosses, der Stadt und des Thales von Heidelberg. Vom fuse des alten Schlosses auf dem kleinen Geisberge"

Der französische Adlige Louis Charles Francois de Graimberg reiste 1810 nach Deutschland. Ursprünglich hatte der Landschaftszeichner beabsichtigt, Material zu sammeln, d. h. seine Skizzenbücher mit reizvollen Ansichten des Neckartales zu füllen, um dann wieder nach Frankreich zurückzukehren, wo der Autodidakt eine weitergehende Ausbildung zum Landschaftsmaler im Atelier Jean Victor Bertins begonnen hatte.

Außerdem beabsichtigte er, die Technik des Kupferstechens und Radierens bei dem badischen Hofkupferstecher Christian Haldenwang zu erlernen. Sein ursprüngliches Vorhaben kam jedoch nie zur Ausführung, da ihn die Heidelberger Schlossanlage derart faszinierte, dass er, um sich ganz der Ruine widmen zu können, in Heidelberg ansässig wurde.

Anfang des 19. Jahrhunderts gewann Heidelberg, nachdem es seine Funktion und Bedeutung als Residenzstadt im Laufe des 18. Jahrhunderts endgültig verloren hatte, u.a. aufgrund seiner besonderen geographischen Lage eine neue Anziehungskraft für Künstler und Besucher. Insbesondere die Romantiker sahen in der harmonischen Verbindung von Tal, Fluss und Ebene mit Stadt und historisch bedeutsamer Ruine das von der Natur geschaffene Paradebeispiel eines idealen Landschaftsbildes. Den Landschaftszeichner Graimberg faszinierte diese einzigartige Lage derart, dass er sein Oeuvre fast ausschließlich auf das Thema Heidelberg ausrichtete und die Schlossruine, die Stadt und das Tal in zahlreichen Ansichten festhielt und auf diese Weise glorifizierte. Er selbst erinnerte sich später: "Im Jahre 1810 kam ich hier an, wo mich die an Naturschönheiten, wie an historischen Erinerungen so reiche Lage Heidelbergs fesselte, und in mir den Wunsch weckte, dieser, jenes mal noch so wenig bekannten Gegend auch im Auslande eine würdige Anerkennung zu schaffen." Insbesondere bis in die 1820er Jahre hinein widmete sich Graimberg mit großer Intensität, quasi im Sinne einer zeichnerischen Bestandsaufnahme, seinen Ansichten. Bereits 1810 fasste er den Entschluss, seine Zeichnungen druckgraphisch umsetzen zu lassen, um das Bild der Schlossruine, die für ihn, als Gesamtkunstwerk betrachtet, die schönste Ruine Europas war, der Nachwelt zu erhalten und ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Zu diesem Zweck setzte er sich mit anerkannten Kupferstechern der Zeit in Verbindung. In den ersten Jahren bestand eine besonders intensive Zusammenarbeit mit Christian Haldenwang, dem Graimberg bald freundschaftlich verbunden war und der u. a. die ersten Ansichten der Folge der großen Kupferstiche stach. Es haben sich nur wenige Briefe Haldenwangs an Graimberg erhalten, doch sie geben sehr anschaulich Aufschluss über die enge berufliche Zusammenarbeit. Haldenwang sandte Graimberg in den verschiedenen Arbeitsphasen Probedrucke und diskutierte mit ihm ausführlich Fragen und Probleme zur Ausführung. Häufig wurden die Druckplatten mehrmals überarbeitet und geändert, bis Graimberg schließlich mit der Umsetzung seiner Zeichnungen zufrieden war.

Nachdem Haldenwang im Oktober 1816 mit der Arbeit an der dritten großen Schlossansicht begonnen hatte, sandte er ein Jahr später Probedrucke von der intensiv nach Graimbergs Wünschen überarbeiteten Platte an diesen mit der Bemerkung: "[...] Sie werden einen grosen Unterschied finden den die Platte ist durchaus überarbeitet, doch stehe ich nicht dafür, ob noch einiges nachzuholen ist, auf allen Fall komt die Platte nicht aus meiner Hand, bis Sie und ich damit zufrieden sind: Geben Sie mir nur bald Ihre Bemerkungen." Und im Dezember 1817 schrieb er: "Endlich bin ich mit der Platte soweit [...] Die Bemerkungen welche Sie in der Retouche und schriftlich gemacht haben sind berichtigt [...] Es ist so wie ich glaube, alles nach Ihrem Wunsch und Willen gethan, indessen kann es wohl der Fall seyn, das durch die gemachte Abänderung, welche dem Blatt einen anderen Efect geben, hin und wieder Stellen nich sind wie sie seyn sollen, derowegen habe ich an Magda-lener geschrieben Ihnen sogleich einige Drucke zur Ansicht zu schiken, und ich bitte Sie, das Sie gefälligst bemerken was Sie noch nachzuholen wünschen [...] ich werde so bald ich Ihre Retouche erhalte, die Platte für Laurent beyseite legen; und ungesäumt die Ihre vollenden."

Graimbergs dritter großer Kupferstich wurde von der zeitgenössischen Kritik sehr positiv bewertet. Man war allgemein der Meinung, dass es sich um eine der brillantesten Arbeiten Haldenwangs handle. Auch Graimberg selbst war äußerst zufrieden mit der druckgraphischen Umsetzung seiner Vorlage und schrieb begeistert: "Ihr Vordergrund wird in der Kühnheit und Kraft der Striche und eben so in derVertheilung der zahlreichen Lichtstellen, mit welchen Haldenwang eine wunderbar durchscheinende und malerische Beleuchtung über die ganze Landschaft verbreitet hat, schwerlich jemals übertroffen werden. Die Abstufung der Töne auf den verschiedenen Gebäuden der Ruine ist von nicht geringerer Wirkung. Sie giebt ihr die größte Ausdehnung nach allen Seiten [...]"

Für seine "Zweyte allgemeine Ansicht" wählte Graimberg einen Standpunkt im Südwesten, der in leichter Aufsicht einen besonders reizvollen Blick auf die Ruine erlaubt. Im Vordergrund links erhebt sich am Rand des Pfades ein minutiös bis ins Detail des üppigen Laubwerks beschriebener Baum, das klassische Repoussoirelement der Landschaftskomposition des 18. Jahrhunderts, mit dem die Tiefenwirkung der Ansicht nachhaltig gesteigert wird. Mittels einer besonders gelungenen zarten Kolorierung wird die atmosphärische Wirkung des Blattes noch gesteigert. Der Kolo-rist betont mit den Strahlen der Abendsonne das zauberhafte Spiel von Licht und Schatten, das der Ansicht ganz im Sinne romantischer Stimmungsmalerei einen verklärten, überzeitlichen Charakter verleiht. Dem dreizonigen Bildaufbau entsprechend entwickelt sich auch die Farbigkeit des Blattes von dem leicht verschatteten und mit kräftigen Grüntönen eher dunkel gehaltenen Vordergrund über den in Zartgrün, Rötlichbraun und Graublau gehaltenen Mittelgrund mit der weitläufigen Schlossanlage bis hin zu der zart verblauenden Landschaft im Hintergrund und dem luftig hellen Himmelsbereich. Von besonderem Stolz auf diese Arbeit erfüllt, widmete Graimberg die Ansicht dem bayrischen Kronprinzen Ludwig, den er als Förderer der Künste verehrte.

Anja-Maria Roth

Literatur / Quellenangaben:
Charles de Graimberg: Notice de l'entreprise des vues de Heidelberg. Heidelberg 1820.
Charles de Graimberg: Nachrichten von der Alterthümerhalle des Heidelberger Schlosses, o. 0.1842.
Charles de Graimberg: Die Kupferstiche von Heidelberg und die Alterthümerhalle des Heidelberger Schlosses. Heidelberg 1847.
Anja-Maria Roth: Charles de Graimberg (1774-1864). Denkmalpfleger, Sammler, Künstler. In: Buchreihe der Stadt Heidelberg. Bd. 8. Heidelberg 1999.
Stadtarchiv Heidelberg. Nachlass Graimberg: Konv. 12. Brief Haldenwangs an Graimberg (1817); Konv. 19. Entwurf Graimbergs (dt. Übersetzung) für ein Gesuch an den badischen Großherzog (1856); Konv. 20: Briefe Haldenwangs an Graimberg (1817).
   
siehe auch: Ausschnitt
"Erste Ansicht..."

"Zweyte allgemeine Ansicht des Schlosses, der Stadt und des Thaies von Heidelberg. Vom fuse des alten Schlosses auf dem kleinen Geisberge. Dediee ä Son Altesse le Prince Royale de Baviere. Genereux protecteur des arts & digne rejeton de l'illustre Maison Palatine. Par son tres humble et tres obeissant serviteur Charles de Graimberg." Zeichnung : Charles de Graimberg (1815); Kupferstich: Christian Haldenwang (1817) 46,2 x 56,7 cm (Platte); Inv. Nr. S 864

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