Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

September 2002
- Sammlungsblatt -

Die Spitzbarren vom Heiligenberg
(Zeugnisse keltischer Eisenverarbeitung)

Exponierte Berge, auf denen man hinter mächtigen, oft auch repräsentativen Wall-Graben-Anlagen Schutz fand, sich aber auch bewusst von der restlichen Bevölkerung abgrenzte, spielten in keltischer Zeit eine bedeutende Rolle.
Tatsächlich waren dies Stätten, die die Kelten für ihre religiösen Aktivitäten anzogen. Gerne lagen ihre Kult-und Opferplätze an Stellen, die durch besondere Naturphänomene geheiligt waren, an denen die Kräfte der Natur also in besonderer Weise spürbar waren. Solche naturheiligen Orte in Mooren, auf Felsklippen, an Quellen, Flussübergängen und eben auf Bergen suchten sie auf, um ihren uns weitgehend unbekannten Göttern zu opfern.

Auch auf dem Heiligenberg wird ein vorrömisches Naturheiligtum existiert haben, obwohl der Berg den archäologischen Beweis bislang schuldig bleibt. Gehört er doch zweifelsohne zu jenen „starken Orten", die ihre Anziehungskraft bis in unsere Tage behalten haben.

Im 5. vorchristlichen Jahrhundert ließ sich auf dem markanten Berg über dem Austritt des Neckars ein mächtiger „Herrscher" nieder, der einen großen Teil seines Wohlstandes dem Wissen um

Gewinnung und Verarbeitung von Eisen verdankte. Eisen begegnete im vorgeschichtlichen Mitteleuropa erstmals gegen Ende der Bronzezeit im 11.-10. Jh.v.Chr., dort war es allerdings ein noch sehr seltener und kostbarer Rohstoff. Die eigentliche „Eisenzeit" brachten aber erst die Kelten ins Land, indem sie das neue Material als Hauptwerkstoff verbreiteten. Verblüffend ist die Geschwindigkeit, mit der das Eisen die Bronze in vielleicht 50, höchstens 150 Jahren verdrängte, zuerst im praktischen Bereich der Gerätschaften, dann bei den Waffen, schließlich auch beim Schmuck. Schon Livius, der antike Berichterstatter, rühmte die Kelten als Meister der Eisenerzeugung.

Eisengewinnung unterschied sich in technologischer, aber auch in kulturgeschichtlicher Hinsicht erheblich von der des Kupfers. Der Kupferschmied musste lediglich die Gießfähigkeit des Metalls nutzen und verbessern. Verhandelt wurde die fertige Legierung, und um Rohbronze zu schmelzen, genügte es, mit ein wenig Geschick ein Gusstiegelchen über das Herdfeuer zu halten. Nur Legierungen, Massenanfertigungen undkomplizierte Gussverfahren verlangten spezielle Werkstätten. Beim Eisen hingegen hing die Beschaffenheit des schmied- und schweißbaren Eisens und die Qualität des Endproduktes weniger vom Erz und nur bedingt vom Schmelzprozess ab. Ausschlaggebend für die Qualität des Endproduktes waren die handwerklichen Fähigkeiten des Schmiedes und dessen persönliche Erfahrung. Dadurch erhielt der Eisenschmied in der prähistorischen Gesellschaft eine ganz neue Stellung, genoss Achtung, flößte aber auch Furcht ein, denn er besaß gewaltige Körperkräfte und beherrschte das Feuer, schien also im Besitz geheimen Wissens. Dies spiegelt sich auch in der Sagenwelt Alteuropas wieder, in der der Schmied die Gestalt eines groben, aber wahre Wunder wirkenden Gottes oder Dämons angenommen hat.

Keltische Hüttenleute erschlossen viele neue Erzvorkommen, die sie im Tagebau abbauten und in der Nähe der Lagerstätten verhütteten. Aus dem Eisenerz wurde im „Rennfeuer", dem ältesten Verfahren der Eisenverhüttung, Eisen gewonnen. Die Verhüttungsanlagen befanden sich meist auf halber Hanghöhe und in der Nähe zu kleinen Bächen. Die „Rennöfen" bestanden aus leicht eingetieften oder frei stehenden kuppel- oder schacht-förmigen Lehmbauten, die zwischen 1 Meter und 1,50 Meter hoch waren. Sie waren mit einem Windfang bzw. einsetzbaren Tondüsen zur Windregulierung versehen. In sie wurde das zerkleinerte Erz vermischt mit Holzkohle, die in unmittelbarer Nähe der Öfen vermeilert wurde, eingefüllt. Da bei der Luftzufuhr nur mit den Mitteln des Hangaufwindes und kleiner handbetriebener Blasebälge gearbeitet wurde, konnten nur Temperaturen bis zu 1300 Grad Celsius erreicht werden. Dabei wurde das Nebengestein zu Schlacke verflüssigt, während das Eisen auf den Ofenboden durch'Yannte" und sich dort als Luppe absetzte. Das „rennen" bzw. „rinnen" gab dem Verfahren den Namen. Durch die vergleichsweise niedrigen Temperaturen gelang es nicht, das Eisen so zu verflüssigen, dass es vollständig ausschmolz. So war die Rohluppe stark vermischt mit Holzkohle und die Schlacke enthielt - im Gegensatz zu den heutigen Hochofenschlacken - noch bis zu 50 Prozent Eisen. Nach nochmaligem Erwärmen wurde die Luppe durch wiederholtes Ausschmieden von ihren Verunreinigungen befreit, das Ergebnis war ein weiches Schmiedeeisen. Dem hohen Eisengehalt der Schlacken entsprach eine verständlicherweise niedrige Eisenausbeute von

etwa 10% der Erzmenge. Wollte man Eisen in größerem Umfang gewinnen, war das mit beträchtlichem Arbeitsaufwand verbunden. Moderne Gewinnungsversuche, mit „keltischen" Methoden ausgeführt, bestätigen immer wieder den enormen Holzverbrauch, den hohen Zeitaufwand und die geringe Ausbeute.

Bevor Roheisen in den Handel gelangte, musste seine Schmiedbarkeit geprüft werden. Zu diesem Zweck formten die Kelten die stark verschlackte Luppe durch wiederholtes Erhitzen und Ausschmieden zu Rohmaterialbarren mit zwei pyramidenförmigen Spitzen, sog. Doppelspitzbarren. Diese konnte der Schmied auch in glühendem Zustand mit der Zange halten und die jeweils benötigte Materialmenge abtrennen. In Form dieser normierten Rohstoffbarren (jeder war etwa fünf Kilogramm schwer) kam hochwertiges Schmiedeeisen im gesamten mitteleuropäischen Raum in Umlauf. Spitzbarren galten als Gütezeichen keltischer Eisengewinnung und da sie zur Weiterverarbeitung bestimmt waren, blieben sie nur selten erhalten. Wir finden sie heute besonders in Depotfunden, wo sie, sorgfältig in Lagen geschichtet, entweder ihren Empfänger nicht erreicht hatten, oder dieser sie als Weihegabe den Göttern vergrub.

Auf dem Heiligenberg wurden zwei dieser besonders sprechenden Zeugnisse keltischen Schmiedehandwerks gefundenen. Die doppelkonischen Eisenbarren haben eine Länge von 38 und 44,5 cm und ein Gewicht von 5,3 bzw. 5,2 kg. Zusammen mit zahllosen Stücken von Eisenerz, einigen Eisenluppen, Schlacken und Resten tönerner Gusstiegel lassen sie auf den Abbau, die Verhüttung und besonders die Verarbeitung durch die Siedler der Frühlatenezeit schließen. Das in den Spalten des Heiligenberger Buntsandsteins vorkommende Eisenerz ließ sich leicht im Tagebau gewinnen und ohne Probleme verhütten; das dazu notwendige Holz war zur Genüge vorhanden. Allerdings war der Bedarf an Holzkohle so hoch, dass die intensiven Rodungen die Landschaft um den Heiligenberg nachhaltig verändert haben. Dies leitete einen Prozess ein, den die Römer durch extensive Rodungen und Waldweidewirtschaft noch beschleunigten. Am Ende waren der Heiligenberg und mit ihm weite Teile des Landes abgeholzt........

Renate Ludwig

Literatur:

Hermann Dannheimer, Rupert Gebhard:
Das keltische Jahrtausend. Ausstellungskatalog (Rosenheim 1993). Beiträge zur Eisenverhüttung auf der Schwäbischen Alb. Forschungen und Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württemberg 55 (Stuttgart 1995).

Renate Ludwig, Peter Marzolff:
Der Heiligenberg bei Heidelberg. Führer zu archäologischen Denkmälern in Baden-Württemberg 20 (Stuttgart 1999).

Renate Ludwig:
Heidelberg (BW). Höhensiedlung auf dem Heiligenberg. In: Sabine Rieckhoff, Jörg Biel: Die Kelten in Deutschland (Stuttgart 2001) S. 358-361.

Fritz-Rudolf Herrmann:
Der Glauberg. Fürstensitz, Fürstengräber und Heiligtum. In: Das Rätsel der Kelten vom Glauberg (Stuttgart 2002) S. 93-107.

siehe auch: Spitzbarren in der
Sammlung des Museums
Roheisenbarren, Reste eines tönernen Gusstiegels,
Eisenschlacken 5. - 3. Jh. v. Chr.
gefunden: 1970/71 westlich der Michaelsbasilika
auf dem Heiligenberg und am Westhang,
zwischen innerem und äußerem Ringwall
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