Kurpfälzisches Museum Heidelberg:

Das Kunstwerk des Monats

Juni 2002
- Sammlungsblatt -

Silberner Tafelleuchter mit Girandolenaufsatz
(ausgehendes 18. Jh.)

Bis zur Erfindung des elektrischen Lichtes gehör-ten Kerzenleuchter zu den unentbehrlichsten Gegenständen des Haushaltes. Je nach sozialem Stand und nach Verwendungszweck waren sie aus unedlen Metallen, Glas, Keramik oder Silber gearbeitet.

Für den Gebrauch in den Schlössern des Adels oder auf der festlichen Tafel wohlhabender Patri-zier bevorzugte man den funkelnden Glanz des polierten Silbers.

Die Gebräuche beim Decken einer reichen Tafel erforderten pro Gedeck einen silbernen Teller, das silberne Tafelbesteck, das vergoldete Dessertbesteck, die geschliffenen Gläser und dazu je einen Leuchter.

Die an der Decke schwebenden Kristalllüster vermochten wohl den Gesamtraum zu erhellen, reichten aber nicht aus, den Tafelnden genügend Licht zu bereiten. So finden sich in den fürstlichen Silberkammern zu einem Silber-Service für 12 Personen 12 Suppenteller, 60 flache Teller (für 5 wechselnde Gänge) und 12 Leuchter zu einem Licht. In sehr reichen Häusern gesellten sich Gi-randolen mit mehreren Kerzen in der Mitte der Tafel hinzu. Die Tafelleuchter konnten auch an-deren Zwecken wie etwa der Beleuchtung beim Arbeiten oder Lesen dienen, jedoch waren für diesen Zweck mehrere Lichtquellen erforderlich. Um nicht noch mehr Kosten zu bereiten, arbeitete man für diese Kerzenhalter aufsteckbare Girandolen (franz. = Armleuchter) zu 2 - 6 Lichtern. Diese können wie in unserem Beispiel parallel angeordnet sein oder sich kreisförmig um die Mittelsäule bewegen (ital. Girandola = kreisförmige Bewegung).

Die Idee der Tafelleuchter mit Girandolenaufsatz entstand in Frankreich zu Beginn des 18. Jahrhunderts. Reiche Beispiele sind aus dem Oevre Juste Aurele Meissoniers bekannt. Die führende Goldschmiedestadt Augsburg übernahm für die großen Tafelservice ebenfalls diese Formen (z. B. das Hildesheimer Service von Bernhard Heinrich Weye) und veränderte sie dem Wechsel der Kunststile folgend im Laufe des 18. Jahrhunderts.

Für den strengen Louis XVI-Stil schufen die Augsburger Meister einen in ganz Deutschland verbindlichen Leuchtertypus, bestehend aus einer konischen, kannelierten Säule auf flacher Plinthe, deren Kapitell mit Blüten oder Lorbeergirlanden umhängt ist.

Diesem Vorbild folgt der Mannheimer Meister präzise, allerdings veränderte er die Girlanden zu reichen Fruchtfestons.

Der Aufsatz folgt ebenfalls dem Augsburger Vorbild, verändert jedoch den mittleren Vasenkörper. Anstelle des offenen Cachepots mit den hohen Blättern der Agave findet sich hier eine zierliche Balustervase mit Festonumhängung und einem kleinen Bouquet. Die elegant geschweiften Arme verraten noch ihre Herkunft aus den Stilformen des Rokoko, verweisen aber mit der entschiedenen Knickung auf das Mäandervorbild, das in der Möbelkunst des Jacob Kieser in Mannheim schon um 1773 für Einlagearbeiten verwendet wurde.

In den 1652 von Kurfürst Carl Ludwig der Stadt Mannheim verliehenen Privilegien heißt es: „Kein Handwerk oder Handwerksleut sollen zu Mannheim unter Zünften stehen, sondern mag ein jeder all da arbeiten nach seinem belieben...".

Diese Regelung widersprach allen in Deutschland üblichen Gepflogenheiten und führte zu großen Unstimmigkeiten bei wandernden Gesellen, bei der Bestellung von Meistern und selbst unter den Mannheimer Handwerkern.

So wurden schon unter den Kurfürsten Johann Wilhelm und Carl Philipp die Stimmen immer lauter, die nach geregeltem Zunftwesen verlangten.

Bei der Innung der Gold- und Silberschmiede war die zünftige Bindung unerlässlich geworden, stand doch die Zunft für die Reinheit des durch Stem-pelung gemarkten Silbers und für die tadellose Ausführung gerade.

Am 22. Oktober 1725 wurde der Rat um einen offiziellen Stempel und um 2 Beschaumeister ersucht. 1726 wurde um eine Abschrift der Augsburger Zunftartikel gebeten, um den Mannheimern eine Orientierung zu geben. Am 24. Dezember 1730 fertigte dann auch Kurfürst Carl Philipp die Urkunde zur Errichtung der Gold- und Silberschmiedezunft aus.

Das Meisterstück der Goldarbeiter wurde ein goldener Ring mit Edelsteinen, das der Silberarbeiter ein Trinkgeschirr und eine getriebene Platte. Die Reinheit des Silbers wurde mit 13 Lot veranschlagt, was etwa einer Zusammensetzung von 900:1000 entspricht.

Als Beschauzeichen setzte man das Mannheimer Stadtwappen ein, dem wechselnde Jahresbuchstaben beigestellt wurden. Die Meister erwählten sich ihre Marken selbst, fast immer sind es die Anfangs-buchstaben ihres Namens oder der gesamte Name.

Unter der Regierung des Kurfürsten Carl Theodor wurde nur wenig höfisches Silber in Mannheim hergestellt. Der Hof bezog seine Objekte vornehmlich aus Augsburg oder Straßburg. Um so erstaunlicher sind die beiden prachtvollen Girandolen aus großbürgerlichem oder aristokratischem Besitz, die zu einer Zeit entstanden, als Mannheim unter der Kriegsfurie der französischen Revolution zu leiden hatte und sich die besitzende Schicht der Stadt in das ruhige Umland oder gar nach München geflüchtet hatte.

Carl Ludwig Fuchs

Literatur:
Veronika Baur, Kerzenleuchter aus Metall, Geschichte - Formen - Techniken. München 1977
Albert Brinckmann, Die Innung der Mannheimer Gold- und Silberarbeiter, in: Mannheimer Geschichtsblätter 1908, Sp. 149 - 156
Ferdinand Schmitt, Merkzeichen der Mannheimer Goldschmiede und deren Arbeiten ebendort, Sp.109, Nr. 60

siehe auch:
Silber gegossen, getrieben und ziseliert Carl Ludwig Jung (Meister 1791, arbeitet bis nach 1820)
Mannheim, um 1794 GM 660
aus der Sammlung Dr. Bensinger, Mannheim (1908)
präsentiert in der Mannheimer Carl-Theodor-Ausstellung 1902
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