Friedrich Schillers „Räuber" und Heinrich von Kleists „Michael Kohlhaas"
im Themenfeld von „Recht und Gerechtigkeit"
Zusätze:
Klaus Dautel
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3. Szene: Im Moorischen Schloss, Amaliens Zimmer
Franz macht Amalia, als Waise im Hause aufgenommen, den Hof. Als diese ablehnt, malt er ihr ein schreckliches Bild von Karl als einem von der Lustseuche gezeichneten Ungeheuer. Als auch dies nicht wirkt, erzählt er ihr von Karls letztem Wunsch vor seinem Weggang, nämlich für Amalia zu sorgen wie er selbst. Amalia bleibt unbeugsam. Monolog: Sie ist bereit, alles aufzugeben nur um Karl nahe zu sein.
II. AKT
1. Im Moorschen Schloss, ca. 11 Monate später
Franz schmiedet einen teuflischen Plan, wie er den Vater töten kann, ohne selbst Hand anlegenzu müssen: "den Körper vom Geist aus verderben." (40) "die friedliche Eintracht der Seele mit ihrem Leib zu stören" (41): Verzweiflung ist tödlicher als Gift.
Er stachelt Hermann, einen etwas tumben Junker, gegen Karl auf: Er hat ja dereinst im Kampf um Amalia den Kürzeren gezogen, und außerdem habe Karl das Gerücht von dessen unehelicher Geburt verbreitet ("zwischen Rindfleisch und Merrettich gemacht", S. 43)
Dieser soll sich verkleiden und dem alten Moor, der schon lange seine Entscheidung bereut, die Nachricht von Karls Tod bringen.
2. Amalia und der alte Moor schwelgen in Erinnerungen an den geliebten Karl. Da taucht Franz mit dem als Bettler verkleideten Hermann auf: Er gibt Nachricht von Karls Tod in einer Schlacht ("Feld der Ehre"). - Wilde Verzweiflung von Amalia und dem Alten. Dieser stirbt und Franz frohlockt.
3. Spiegelberg betätigt sich erfolgreich als Werber für die Bande (schon 78 Mann) und rühmt sich seiner feigen Greuel- und Missetaten, z.B. des Überfalls auf ein Cäcilienkloster. - Karl erscheint demgegenüber als wahrer Robin Hood (so dargestellt von Razmann S.60), er kämpft gegen die Reichen, die Unterdrücker und Pfaffen, er gibt das Geld den Armen und vergibt sogar Stipendien.
Gerade kehrt er von einem kühnen Streich zurück, er hat seinen besten Mann, Roller, vorm Galgen gerettet und dabei eine Stadt angezündet. Seine Leute aber haben die Kirche geplündert und gemordet, Schufterle erzählt, wie er ein Kleinkind in die Flammen warf - darüber gerät Moor in große Wut, er jagt Schufterle davon und verfällt in tiefe Depression und will abhauen: "du bist der Mann nicht, das Rachschwert der obern Tribunale zu regieren"(67).
Doch da wird der Wald von tausendeinhalb Dragonern und Husaren umstellt, es sieht so aus, als ob Moor das so gewollt hatte; Spiegelberg verlässt plötzlich der Mut (S.68) - und ein Kapuzinermönch taucht auf, der Moor auffordert sich zu stellen, er werde dann nur gerädert.
Hier folgt Karl Moors große Anklage an die Kirche: Alles Heuchelei!
Nächstenliebe wird gepredigt und den Armen vor der Haustür wird nicht geholfen;
da wird Armut gepredigt und das Gold Perus ausgeplündert ... alles Pharisäer (S.72/3)
Moor stachelt seine Leute dazu auf, ihn auszuliefernt und so ihren Kopf zu retten, aber das schmiedet die Truppe nur zusammen und steigert den Mut zum letzten Gefecht.
Fragen zu II,3:
- Warum ist Spiegelberg Räuber? Warum ist es Karl? (S.60)
- Wie reagiert Karl Moor auf Schufterles Erzählung? (S.68)
- Welches sind Karls Vorwürfe an die Kirche? (S.72)
MOOR ------- SPIEGELBERG beide sind aus der bürgerlichen Gesellschaft ausgestiegen sind gesellschaftliche Außenseiter halten sich für Genies, die keinem geltenden Recht verpflichtet sind ABER: / \ hat hohe Ideale hat keine höheren Ideale ausgeprägtes Gerechtigkeits- ist ein Egozentriker empfinden nicht an Geld interessiert betreibt Selbstbereicherung handelt uneigennützig und befriedigt seine sadistischen Bedürfnisse aus Rachbedürfnis möchte Macht über andere ausüben || || \/ \/ Verbrecher aus gekränktem Verbrecher aus reiner Lust am Ehrgefühl (V. als Mittel zum Zweck) Verbrechen (V. als Selbstzweck) Wie stehen die Chance für eine Rückkehr ins bürgerliche Leben? denkbar unvorstellbarIII. AKT
2. Karl und seine Getreuen lagern erschöpft nach der Schlacht in herbstlicher Natur: Wieder in depressiver Stimmung träumt er von der Kindheit, trauert seiner verlorenen Unschuld nach, beklagt auch sein Räuberdasein und Rollers Tod in der Schlacht.
Da erscheint ein gewisser Kosinsky und bittet um Aufnahme in die Bande: Moor versucht ihn abzuschrecken, doch Kosinsky ist entschlossen und erzählt eine Geschichte, in der auch eine Amalia vorkommt, die jetzt im Kloster gelandet ist. Moor, wieder ermannt, bricht sofort auf. Wohin?
Fragen zu Szene III.2:
1. Was ist die Situation?
(Schlacht gewonnen, Roller tot, Karls Überdruss und Ratlosigkeit in der Truppe)
2. Welche Stimmungen wandeln Karl Moor warum an?
(Sehnsucht nach der Unschuld und Geborgenheit der Kinderzeit)
3. In welchen Konflikt bringt ihn Kosinskys Auftauchen und Erzählung?
(Er schwört seinen Mannen ewige Treue, aber Kosinskys Geschichte treibt ihn zurück ins väterliche Haus und damit ins bürgerliche Leben. Wie aber sind Räuberbande und bürgerliches Leben miteinander vereinbar?)
4. Im III. Akt - auch Krise genannt - findet bekanntlich die Peripetie, die Schicksalswende statt: Erkläre, worin hier die Peripetie liegt.
IV. AKT
1. Karl Moor vor dem väterlichen Schloss: Es fasst ihn Heimweh und Verzweiflung.
2. Als Graf von Brand lässt er sich bei Amalia einführen, erkennt, dass diese ihn keineswegs vergessen hat, bleibt aber incognito.
Franz riecht Lunte und heckt einen neuen Plan aus; Er zwingt den guten alten Diener Daniel den Grafen umbringen zu wollen.
Mord-Monolog Franzens über die Nichtigkeit des Lebens.
3. Daniel erkennt Karl wieder und Karl gibt seine Tarnung ihm gegenüber auf. Er erfährt nun von den Misstaten seines Bruders und will sofort abreisen.
4. Noch einmal bei Amalia: Er gibt sich nicht zu erkennen und flieht den tränenreichen Ort.
5. Spiegelberg schmiedet Mordpläne gegen den Hauptmann, dafür sticht Schweizer ihn tot. Da erscheint Karl und nimmt Spiegelbergs Tod als Zeichen der Nemesis, des Wirkens einer höheren Gerechtigkeit.
Nach langem Monolog ("kein Ausgang") will er sich erschießen ("Gipfel der Freiheit" S.112 )
- doch just erscheint in diesem Moment Hermann, der dem alten Moor in seinem verfallenen Turm Nahrung bringt. Karl stellt Hermann, aus dem Turm steigt der alte Moor und erzählt die Geschichte seines Sterbens und Lebens. Karl schwört blutige Rache und beschwört Schweizer mit dem ehrenvollen Amte.
Die göttliche Gerechtigkeit greift ein!
V. AKT
1. Im Schloss unterdessen, es ist Mitternacht, wird Franz von Fieber-Visionen gequält. Er erzählt Daniel seinen Traum vom Jüngsten Gericht: Der Tag der Abrechnung, wenn ein Gott ist!
Der Pastor wird gerufen: Gespräch, ob ein Gott ist. Franz will, dass kein Gott existiere, damit dessen Gerechtigkeit ihn nicht strafen könne. Der Pastor aber erschüttert ihn zutiefst, denn keine größere Sünde gäbe es als Vater- und Brudermord (ohne zu wissen, dass Franz eben solches begehen wollte).
Späte Reue kommt ihn daraufhin an, er will beten, aber der Versuch misslingt.
Schon sind die Räuber im Schloss und Feuer um sich greift, Franz erhängt sich noch bevor Schweizer auftaucht, dieser schießt sich tot, weil er seinen Auftrag nicht erfüllen kann.
- Zentrale Fragestellung dieser Szene: Gibt es einen Gott? Gibt es Gerechtigkeit? Wie setzt sie sich durch?
2. Im Walde unterdessen erfährt Karl (immer noch unerkannt) des Vaters Liebe, denn der Alte wünscht sich Karl herbei, dieser gibt sich zwar nicht zu erkennen, wird aber stellvertretend für den Sohn gesegnet. Karl fühlt, dass er verloren ist und des väterlichen Segens nicht mehr würdig.
Räuber kommen aus dem Schloss , Karl erfährt, dass Schweizer tot ist, er fühlt sich entlastet, einer Verpflichtung ledig (133).
Andere Räuber bringen Amalia, sie entdeckt Vater Moor, Versöhnung ist nah, doch Karl gibt sich als der Räuberhauptmann zu erkennen, der Alte gibt daraufhin den Geist auf (135).
Amalia - trotz allem - wirft sich Karl in die Arme, vergibt ihm, dieser wird rasend vor Verzweiflung, doch Amalias Liebe bezwingt ihn -
(136) da aber treten die Räuber dazwischen und klagen ihn des Verrates an seinem Schwur an.
Moor erkennt, dass Umkehr nicht möglich ist, als Amalia ihn daraufhin um den Tod bittet, ersticht er sie.
Er erkennt das Recht, das er sich auszuüben anmaßte, als Unrecht wider die sittliche Ordnung (S.138/9) und geht von dannen, um sich der weltlichen Gerichtsbarkeit zu stellen.
Ein armer Tagelöhner soll sich das Lösegeld verdienen: "Dem Mann kann geholfen werden."
Die Unzufriedenheit mit den gesellschaftlichen Verhältnissen (schwächliches Zeitalter) die Erfahrung von Ungerechtigkeit (bedingt durch Franzens Ränke und Machtgier) und das Versagen von weltlicher Gerichtsbarkeit und Kirche (II,3 und III,2) führen Karl zu[an error occurred while processing this directive]
|| \/ Selbstjustiz und Rache des Beleidigten (Jetzt helfe ich mir selbst!) || \/ Aber die Erkenntnis einer höheren (göttliche) Gerechtigkeit (Harmonie der Welt) setzt sich durch (Erkenntnis der Schuld V,2) und bewirkt || \/ Karls Selbstauslieferung als Schritt zur Wiederherstellung einer sittlichen Ordnung ( 'NATUR' aus I,1) Was also setzt sich schließlich durch? Das Gefühl der 'heiligen' Pflicht gegenüber einer als vernünftig (an)erkannten Ordnung (Immanuel Kant).